2/2021 Außerordentliche Kreiskonferenz zur Corona-Impfstrategie Umsatzsteuerpflicht für kommunale Tätigkeiten Schwerpunkt "Neue ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
2/2021 ● Außerordentliche Kreiskonferenz zur Corona-Impfstrategie ● Umsatzsteuerpflicht für kommunale Tätigkeiten ● Schwerpunkt „Neue Radverkehrskonzepte“ ● Bildungsgänge an den Berufskollegs online entdecken
EILDIENST 2/2021 Auf ein Wort Zu Hause und doch weiterhin bürgernah: Homeoffice und mobiles Arbeiten in den Kreisen Trotz einschneidender Maßnahmen zur Kontaktminimierung und zunächst deut- lich, inzwischen nur noch leicht sinkender Zahlen fällt das Infektionsgeschehen mit COVID-19 noch zu hoch aus. Immerhin ist in zwei Kreisen und einer kreisfreien Stadt in Nordrhein-Westfalen der von Bund und Ländern angepeilte Inzidenzwert, also die Anzahl von Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern auf der Basis einer 7-Tage-Betrachtung Anfang Februar schon unterschritten worden. Allerdings ver- schärft sich die Situation durch unterschiedliche Virus-Mutationen, deren präzises Ausmaß unbekannt ist. Nachhaltig wirkende Kontaktreduzierung ist deshalb nach wie vor die Leitlinie. Daraus ergibt sich, dass Kontakte und damit das Ansteckungs- risiko auch am Arbeitsplatz konsequent verringert werden müssen. Mit diesem Ziel hat das Bundesarbeitsministerium die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung erlas- sen. Am 1. Februar 2021 in Kraft getreten, soll sie am 15. März 2021 wieder außer Kraft treten, wobei abzuwarten bleibt, inwiefern das weitere Infektionsgeschehen eine Verlängerung der Verordnung erfordert. Um den Gesundheitsschutz der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu gewährleisten, sieht die SARS-CoV-2-Arbeitsschutz verordnung verschiedene Maßnahmen zur Kontaktreduzierung vor. Unter anderem werden Arbeitgeber dazu verpflichtet, den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Also ist damit kein gesetzlicher Anspruch auf Arbeiten im Homeoffice bzw. eine korrespondierende Homeoffice-Verpflichtung des Arbeitgebers verbunden. Arbeit- geber können niemanden zur Heimarbeit verpflichten, sind aber gehalten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Regelfall das Arbeiten im Homeoffice anzubieten, sofern keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Was für Teile der Wirtschaft Neuland sein mag, ist für die nordrhein-westfälischen Kreise alles andere als neu. Im Rahmen einer familienorientierten Personalpolitik bieten sie ihren Beschäftigten auf der Grundlage entsprechender Dienstvereinba- rungen bereits seit längerem flexible Arbeitsformen an. Dazu zählt nicht zuletzt das Arbeiten im Homeoffice (und zuneh- mend das mobile Arbeiten), wobei sich dieser Trend im Zuge der Corona-Pandemie weiter verstärkt hat. Homeoffice und mobiles Arbeiten sind heute für einen nicht geringen Teil der Mitarbeiterschaft der nordrhein-westfälischen Kreise Norma- lität. Mit der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung wird also für die Kreise keine gänzlich neue Rechtslage geschaffen, jedenfalls aber ein zusätzlicher Anstoß gegeben. Tatsächlich ist in vielen Kreisen mittlerweile rund die Hälfte der Mitarbei- terschaft im Homeoffice oder mobil tätig, Tendenz steigend. Dabei gibt es Fachbereiche und Dezernate, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung deutlich mehr Beschäftigte im Homeoffice ausweisen als andere Dienststellen der Kreisverwaltungen. Gleichwohl hat sich der Denkansatz, was alles mit Homeoffice ermöglicht werden kann, verstärkt. Im Mittelpunkt steht längst nicht mehr die Aufzählung dessen, was alles mit mobilem Arbeiten nicht erreicht werden kann oder inwiefern damit anderweitige Defizite bzw. Nachteile entstehen, was zum Beispiel im Bereich der persönlichen Kommunikation sowohl der Beschäftigten untereinander als auch mit den Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen auf der Hand liegt. Wichtig erscheint, dass in diesem Prozess möglichst viele Rückkoppelungen und Dialogmöglichkeiten mit Adressaten verbleiben, die ausschließlich elektronischer Kommunikation mit Kommunalverwaltungen skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen. Die bislang mit dem Arbeiten im Homeoffice oder auch dem mobilen Arbeiten gewonnenen Erfahrungen der Kreise sind durchweg positiv. Akzeptanz sowie Zufriedenheit bei Mitarbeiterschaft und Führungskräften sind hoch; viele Beschäftigte zeigen sich interessiert, die Arbeit am heimischen oder mobilen Arbeitsplatz nach der Corona-Pandemie fortzuführen. Wie wird es nach dem Außerkrafttreten der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und dem sehnlichst erhofften Ab- klingen bzw. der erfolgreichen Bekämpfung der Corona-Pandemie weitergehen? Spannend ist insbesondere die Frage, ob die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verlängert oder eventuell sogar die frühere Ankündigung des Bundesarbeits ministers umgesetzt wird, einen Rechtsanspruch auf Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten zu normieren. Letzteres dürfte eher ein Thema für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf werden. Sollte es zu einem solchen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice oder mobiles Arbeiten kommen, wäre das jedenfalls aus Sicht der nordrhein-westfälischen Kreise nicht ziel- führend. Die vor Ort in einem breiten Konsens mit Beschäftigten und Personalvertretung verabredeten Modelle flexiblen Arbeitens würden dann unter Umständen wieder in Frage gestellt. Grundsätzlich sollte dem Dienstherrn bzw. dem Arbeit- geber die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, wo und unter welchen Rahmenbedingungen die von ihm bezahlte Arbeitsleistung erbracht wird. Gesetzlicher Vorgaben und Auflagen bedarf es insoweit nicht, Flexibilität und Gestaltungs- spielräume von Verwaltung und Beschäftigten sollten nicht unnötig durch den Gesetzgeber eingeengt werden. Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 49
Inhalt EILDIENST 2/2021 Kavalleriestraße 8 AUF EIN WORT 49 40213 Düsseldorf ______________________________________________________________ Telefon 0211/ 300 491-0 Telefax 02 11/ 300 491-660 E-Mail: presse@lkt-nrw.de THEMA AKTUELL Internet: www.lkt-nrw.de Kreise bauen Impfzentren in Eiltempo auf 52 ______________________________________________________________ IMPRESSUM EILDIENST – Monatszeitschrift des Landkreistages AUS DEM LANDKREISTAG Nordrhein-Westfalen Außerordentliche Kreiskonferenz: NRW-Kreise beraten Herausgeber: Hauptgeschäftsführer über Corona-Impfstrategie und Flüchtlingsaufnahmegesetz 55 Dr. Martin Klein ______________________________________________________________ Redaktion: Ergebnisse der Kommunalwahl – Korrektur 57 Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn Beigeordneter Dr. Kai Friedrich Zentara ______________________________________________________________ Referent Karim Ahajliu Hauptreferent Dr. Markus Faber Hauptreferentin Dr. Andrea Garrelmann Hauptreferentin Dorothée Heimann SCHWERPUNKT: Pressereferentin Rosa Moya Referent Christian Müller Referent Roman Shapiro Neue Radverkehrskonzepte für Nordrhein-Westfalen 58 Referent Martin Stiller ______________________________________________________________ Quelle Titelbild: Mehr Lebensqualität und zukunftsfähige Mobilität Kreis Gütersloh durch Velorouten im Münsterland 60 Redaktionsassistenz: ______________________________________________________________ Gaby Drommershausen Astrid Hälker Heike Schützmann Das Fahrrad zum Alltagsverkehrsmittel machen 62 ______________________________________________________________ Herstellung: ALBERSDRUCK GMBH & CO KG Einrichtung erster Velorouten im Kreis Steinfurt – Leichlinger Straße 11 40591 Düsseldorf TRIANGEL und RadBahn Münsterland 65 www.albersdruck.de ______________________________________________________________ ISSN 1860-3319 Radverkehrskonzept Kreis Unna – ein hierarchisiertes Kreisradnetz für den Alltagsverkehr 67 ______________________________________________________________ REGIONALE 2022: Das Radnetz OWL 70 ______________________________________________________________ THEMEN Umsatzsteuerpflicht für kommunale Tätigkeiten – Online-Vortragsveranstaltung des Freiherr-vom-Stein-Instituts 73 Kreise in Nordrhein-Westfalen ______________________________________________________________ 50
Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte EILDIENST 2/2021 Neue Radverkehrskonzepte für Nordrhein-Westfalen Immer mehr Menschen entdecken das Fahrrad als Allround-Verkehrsmittel für sich. E-Bikes und Pedelecs machen das Rad auch für längere Pendler-Strecken zu einer Alternative zum Auto. Corona hat diesen Trend noch beschleunigt. Inzwischen ist das Rad Allround-Verkehrsmittel und im Mobilitätsmix nicht mehr wegzudenken. Und das Verkehrs ministerium treibt diese Entwicklung weiter voran! DER AUTOR Verkehrsminister Hendrik Wüst MdL, Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen in den Bezirksregierungen zusätzlich fünf Stellen dazu, um den kommunalen Rad- wegebau zu beschleunigen. Nach dem Pla- nungs- und Genehmigungshochlauf folgt dann der Bauhochlauf für ein lückenloses Radwegenetz! Auch im Verkehrsministerium stellen wir uns personell und organisatorisch noch besser aufs Rad ein. Seit März 2020 gibt es im Haus eine „Stabsstelle Radverkehr und Verkehrssicherheit“, die mit viel Engage- ment an besserem Radverkehr arbeitet. Hendrik Wüst MdL, Minister für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Quelle: Ralf Meier I m Haushalt 2021 stellen wir rund 54 Mil- lionen Euro für Investitionen in ein gutes ausgebautes, flächendeckendes Netz von Von diesem Geld wollen wir möglichst viel nach Nordrhein-Westfalen holen! Radwegen bereit. Das sind 15 Millionen Dafür müssen wir bei der Planung schnel- Euro mehr als im Haushalt 2021. Diese 15 ler werden. Kaum jemand weiß, dass die Millionen Euro mehr teilen sich auf in 10 Planung eines neuen Radwegs in etwa so Das Fahrrad als Verkehrsmittel. Quelle: VM Millionen Euro mehr für Radschnellwege aufwendig ist wie die Planung einer neuen und 5 Millionen Euro mehr für den Rad- Straße. Deshalb haben wir schon im Jahr wegebau an Landesstraßen. Der Bund gibt 2020 zehn zusätzliche Planerstellen beim Das Fahrrad eignet sich als bevorzugtes außerdem bis 2023 bundesweit zusätzlich Landesbetrieb Straßenbau geschaffen, die Verkehrsmittel nicht nur in Städten und 900 Millionen Euro für eine bessere Rad sich ausschließlich um den Ausbau des Ballungszentren, sondern gerade auch infrastruktur. Radwegenetzes kümmern. Jetzt kommen im suburbanen und ländlichen Raum. 58
EILDIENST 2/2021 Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte Besonders in unseren Kreisen mit ihren oft mittelgroßen Städten und eher kleinen Gemeinden sind beste Voraussetzungen für eine gute Radinfrastruktur gegeben. Komfortable Breiten und Beläge von Rad- wegen und eine Trennung von Auto- und Fußverkehr gelingt außerhalb dicht besie- delter Städte oft besser. Gleiches gilt für eine direkte Wegführung – möglichst mit Vorfahrt fürs Rad. Im suburbanen Raum ist der notwendige Platz dafür viel eher zu finden als in eng bebauten Städten. So bekommt Nordrhein-Westfalen ein gut ausgebautes, lückenloses Fahrradnetz aus Radschnellwegen, Radvorrangrouten und weiteren Radverbindungen. Zuletzt haben wir die Förderquoten bei den sogenannten Radvorrangrouten um 10 auf 80 bzw. 85 Prozent erhöht, um einen noch stärken Anreiz zu setzen, Premium-Radinfrastruk- tur voranzubringen. Aber auch die gesamte weitere Infrastruk- tur für den Radverkehr wird stärker geför- dert als bisher. In diesem Jahr werden die Fördersätze für kommunale Radwege auf 80 Prozent der förderfähigen Baukosten erhöht. Außerdem werden die Planungs- kosten mit einer 10-Prozent-Pauschale der förderfähigen Baukosten berücksichtigt. Eröffnung eines Radwegs in Mülheim. Quelle: VM/Ulrich Gelsen Längst haben noch nicht alle Landes- und Bundesstraßen außerorts einen Radweg. Auch hier setzt die Landesregierung neue nen. Die Fördersätze erhöhen sich in solch möglichkeiten und Lade-Stationen für Akzente. Der Landesbetrieb Straßenbau einem Fall auf in der Regel insgesamt 90 E-Bikes. An so genannten Mobilstationen erfasst fehlende Abschnitte und lotet die Prozent. Weitere 5 Prozent Zuschlag erhal- kann der Radfahrer zwischen den Ver- Möglichkeiten eines Lückenschlusses aus. ten Kommunen, die in strukturschwachen kehrsträgern wechseln. Von zu Hause mit Das Initial dazu geht häufig von den Kom- Gebieten liegen. dem Rad zum Bus. Von dort zum Bahnhof munen aus. Für den Bau von Radwegen und mit dem Zug ins Oberzentrum. Wir an Landesstraßen stellt das Land im Jahr Auch die Bürgerradwege sind ein Erfolgs- stärken das Fahrrad als Teil intermoda- 2021 17,4 Millionen Euro zur Verfügung. modell. Mit Unterstützung der Bevölke- ler Mobilität und nutzen die Chancen der Außerdem können für Radwege an Lan- rung sind in den vergangenen Jahren 350 Digitalisierung zur besseren Vernetzung desstraßen Bundesfinanzhilfen in Anspruch Kilometer Radwege allein an Landesstra- des Fahrrads mit anderen Verkehrsmitteln. genommen werden. ßen entstanden. Dieses positive Engage- So verrät das Smartphone schon vor Antritt ment der Menschen im suburbanen Raum des Weges, wann ich mit dem Rad losfah- Die Bundesregierung hat mit dem Pro- wird natürlich weiterhin unterstützt. Gera- ren muss, so dass ich eine freie Ladesäule gramm Stadt und Land weitere Anreize de diese Radwege können relativ unkom- an der Mobilstation finde und pünktlich in für Radwegebau gesetzt. Hierbei soll auch pliziert umgesetzt werden und treffen auf die Bahn einsteigen kann. besonderer Wert auf eine gerechte Vertei- eine große Akzeptanz in der Bevölkerung. lung der Mittel zwischen Städten und länd- Das ist Planungs- und Baubeschleunigung Mit dem neuen Fahrrad- und Nahmobili- lichen Räumen gelegt werden. Bis Ende im wahrsten Sinne des Wortes. tätsgesetz NRW strebt die Landesregie- 2023 sollen so rund 97 Millionen Euro als rung mit Unterstützung der Kreise, Städte Bundesfinanzhilfen für das Land Nord Längere Wegstrecken und Herausforde- und Gemeinden ein flächendeckendes, rhein-Westfalen bereitgestellt werden. Um rungen der Topographie sind mit E-Bikes baulastträgerübergreifendes Netz von gut für die Kommunen das Antragsverfahren und Pedelecs kein Problem mehr. Gleich- ausgebauten Routen an. Wir sind über- möglichst schlank zu halten, werden die wohl ist das Fahrrad in ländlichen und sub- zeugt, dass das Fahrrad das Potenzial hat, bereits bekannte Förderrichtlinie Nahmobi- urbanen Regionen – anders als in großen landesweit bei einem Viertel der Wege lität und das eingeführte Förderverfahren Städten – oft EIN Verkehrsmittel von meh- das Verkehrsmittel der Wahl zu sein. Bis bei den Bezirksregierungen genutzt. reren auf einer Wegstrecke. Wir müssen dahin müssen wir noch ordentlich in die deshalb das Rad als eine wichtige Säule Pedale treten. Aber die Landesregierung Die von den Kommunen eingereichten neben Bus und Bahn, Auto, Car-Sharing gibt mit den Förderprogrammen für Städte Förderanträge werden von den Bezirksre- und On-Demand-Verkehren mit anderen und Gemeinden auch im ländlichen Raum gierungen daraufhin geprüft, ob sie auch Verkehrsträgern vernetzen. ordentlich Rückenwind. durch das Programm Stadt und Land in den Genuss einer erhöhten Förderung Zu einer gut ausgebauten Infrastruktur von EILDIENST LKT NRW mithilfe der Bundesmittel kommen kön- Radwegen brauchen wir sichere Abstell- Nr. 2/Januar 2021 80.31.00 59
Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte EILDIENST 2/2021 Mehr Lebensqualität und zukunftsfähige Mobilität durch Velorouten im Münsterland Vier Landräte und der Oberbürgermeister im Münsterland haben sich im Frühjahr 2020 auf gemeinsame Handlungs- bedarfe in der Regionalentwicklung verständigt! Die „Schnelle Fahrradmobilität“ ist für die Münsterlandkreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf sowie für die Stadt Münster als eines von drei wichtigen gemeinsamen Startthemen identifiziert worden. Das Ziel ist ein münsterlandweit konfiguriertes Alltagsradwegenetz mit Radschnellwegen und Velorouten. Die gemeinsame Vision ist eine Fahrradregion Münsterland, wo immer mehr Menschen auch im Alltag auf das Fahrrad umsteigen und damit sich und anderen mehr Lebensqualität eröffnen. Voraussetzung hierfür sind schnelle, komfortable, direkte und sichere Radwegeverbindungen. Hintergrund schutz und Klimafolgenanpassung“ und DIE AUTOREN „Zukunftsfähiges Wohnen“. Die Regionalentwicklung steht vor kom- plexen und großräumigen Herausforde- rungen in der Raumentwicklung, die in wesentlichen Teilen nur in Zusammenar- Das Münsterland als Fahrrad beit über Kommunal- und Kreisgrenzen region noch stärker machen Dr. Olaf Gericke, hinweg zukunftsfähig bewältigt werden Landrat des Kreises können. Auf diese Ansätze zielen auch Das Fahrrad ist traditionell im Münster- Warendorf, überörtliche Förderprogramme. Die Erfah- land ein sehr verbreitetes Verkehrsmittel, rungen in der Region Münsterland mit den das im Tourismus und im Alltag auf der REGIONALEN 2004 und 2016 waren hier Kurzstrecke nicht wegzudenken ist. Mit durchweg positiv, nachhaltig und frucht- der stetig zunehmenden Verbreitung von bar. Elektrofahrrädern eröffnen sich neue Mög- lichkeiten, das Fahrrad auch für längere Gemeinsames Agieren über kommuna- Strecken und über Ortsgrenzen hinweg le Grenzen wird auch in der Stadtregion als Alternative zum PKW zu nutzen. Dazu Dr. Christian Schulze Pellengahr, Landrat Münster vorbildlich gelebt. Dieser lang- bedarf es des konsequenten Ausbaus eines des Kreises Coesfeld, jährige Verbund von elf kreisangehörigen leistungsfähigen regionalen Radwegenet- Kommunen mit der Stadt Münster hatte zes, welches ein komfortables, sicheres 2017 infolge der Unterstützung im Rah- und zeitsparendes Radfahren und damit men des Wettbewerbs StadtUmland.NRW den Umstieg vieler Menschen auf das einen wesentlichen Impuls erhalten, der, Fahrrad begünstigt. Die Liste der damit seit 2018 organisatorisch und struktu- verbundenen positiven Auswirkungen auf rell neu ausgerichtet, in eine noch engere die Gesundheit und das Wohlbefinden, Zusammenarbeit auf der Grundlage eines auf die Umwelt und auf die Stadträume Dr. Martin Sommer, gemeinsamen Kontraktes mündete. sowie letztlich auch auf die Lebensqualität Landrat des Kreises ist lang. Da liegt es nahe, das Fahrradfah- Steinfurt, Für die Zukunft beabsichtigen die vier ren als Bestandteil der „münsterländischen Münsterlandkreise und die Stadt Münster DNA“ und des Lebensgefühls im Münster- im landesseitig geförderten und von der land zu etablieren. Bezirksregierung Münster unterstützten Arbeitsprozess „Informelle Regionalent- wicklung im Münsterland“ notwendige gemeinsame Handlungsfelder und Themen Auf dem Weg zum münster- aufzugreifen und dazu geeignete Arbeits- landweiten Radwegenetz Dr. Kai Zwicker, strukturen zu entwickeln. Ein entsprechen- Landrat des Kreises Borken, und des Bekenntnis mit den Grundzügen der Für den Aufbau eines hierarchisch struk- künftigen Zusammenarbeit findet sich in turierten und funktional integrierten Rad- der „Erklärung der Münsterlandkreise und wegenetzes kann das Münsterland auf der Stadt Münster zur Zusammenarbeit in umfangreich vorhandene planerische der Regionalentwicklung“ Grundlagen zurückgreifen. Für den Einstieg in eine verstärkte Zusam- Eine besondere Rolle spielt hierbei die Velo- menarbeit auf Münsterlandebene fokus- routeninitiative der Stadtregion Münster. Markus Lewe, Ober- siert sich die Region zunächst auf die The- Die Velorouteninitiative der Stadt region bürgermeister der men „Schnelle Fahrradmobilität“, „Klima- basiert auf dem Grundgedanken, ein Stadt Münster 60
EILDIENST 2/2021 Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte In der Münsterland Erklärung sind die Vorstellung der Münsterland Erklärung im August 2020 durch (v.l.n.r.) Landrat Dr. Kai Grundzüge der künftigen noch engeren Zwicker (Kreis Borken), Klaus Ehling (Vorstand Münsterland e. V.), Landrat Dr. Martin Zusammenarbeit in der Region zusam- Sommer (Kreis Steinfurt), Oberbürgermeister Markus Lewe (Stadt Münster), Landrat Dr. mengefasst. Olaf Gericke, (Kreis Warendorf), Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr (Kreis Coes- Quelle: Kreis Borken feld). Quelle: Kreis Steinfurt bedarfsgerechtes System von kommuna- höhere Radschnellwegstandard oftmals Netzes für das Münsterland sind die aktu- len und überörtlichen Radwegenetzen zu mit vertretbarem Aufwand nicht realisier- ellen Radverkehrskonzepte und Mobilitäts- entwickeln, das alle Siedlungsteile einbe- bar ist und um gleichwohl den notwendi- untersuchungen, die in allen Münsterland- zieht und somit niedrigschwellige Zugän- gen Anforderungen einer komfortablen, kreisen vorliegen bzw. aktuell erarbeitet ge für möglichst viele Bewohnerinnen und sicheren und zeitsparenden Radwegever- werden. Sie beinhalten auch grundsätz- Bewohner als Radfahrende eröffnet. bindung entsprechen zu können. liche Aussagen zu den vorgesehenen Routenverläufen der Infrastruktur für die Dazu war es erforderlich, zwischen den Weitere wichtige Grundlagen für die Pla- schnelle Fahrradmobilität. Diese werden Radschnellwegen und den Radwegen nach nung des gesamtregionalen Velorouten- im ersten Schritt miteinander abgeglichen, ERA-Standard als drittes Format „Velorou- ten“ als Radvorrangrouten zu etablieren. Es gilt mit den Velorouten, integriert im Stadt- und Landschaftsraum, Radverkehr zu bündeln und Radfahrenden im Ver- kehrsgeschehen häufig Vorrang einzuräu- men. Die zwölf Städte und Gemeinden in der Stadtregion Münster wollen 14 solcher Velorouten über Kommunalgrenzen hin- weg bis in die Kreise Coesfeld, Steinfurt und Warendorf hinein realisieren, um die Umlandgemeinden mit den Außenstadt- teilen und dem Zentrum Münsters zu ver- binden. In diesem Rahmen sind in Zusammenar- beit aller Planungs- und Baulastträger für die Velorouten Mindestanforderungen zum Ausbaustandard definiert worden, die z. B. mit Blick auf die Mindestbreite oder die grundsätzliche Trennung von Rad- und Fußverkehr vom landesseitig definierten höheren Standard eines Radschnellwegs einerseits und vom niedrigeren ERA-Stan- dard andererseits abweichen. Der damit Das interaktive Informationsportal www.veloregion.de informiert seit Oktober 2020 konfigurierte „Mittelstandard“ war ins- über die Planung und Realisierung der Velorouten in der Stadtregion Münster. besondere deshalb erforderlich, weil der Quelle: Kreis Borken 61
Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte EILDIENST 2/2021 Ein weiterer Ansatz für die regionale Zusammenarbeit, der in den kommenden Monaten vorangetrieben werden soll, ist die gemeinsame Entwicklung geeigneter Marketing- und Kommunikationskampa- gnen, um die Pendlerinnen und Pendler von den Vorzügen der schnellen Fahrrad- mobilität zu überzeugen. Auch hier ist die Stadtregion Münster bereits einen ersten Schritt gegangen, indem im Oktober 2020 das interaktive Informationsportal www. veloregion.de ins Leben gerufen wurde. Das Herzstück ist ein Kartenmodul, mit dem alle Streckenabschnitte der geplan- ten Velorouten digital erlebbar werden. Außerdem sind hier neben vielfältigen Hin- tergrundinformationen auch die aktuellen Planungs- und Realisierungsstände des ambitionierten Vorhabens abrufbar. Mit Blick auf den Umfang und die Komplexität der Aufgabe steht die gemeinsame Arbeit an einem münsterlandweiten Infrastruk- Im Münsterland soll ein flächendeckendes Wegenetz für die schnelle Fahrradmobilität turnetz für die schnelle Fahrradmobilität realisiert werden (Systemskizze). Quelle: Kreis Borken derzeit noch am Anfang. um sie besonders an den Schnittstellen wie beispielsweise das TRIANGEL-Projekt Die Region hat sich aber im ersten Schritt zwischen ihren jeweiligen Geltungsberei- im Kreis Steinfurt oder auch die regions- mit dem Aufbau der erforderlichen Aus- chen zu harmonisieren und ein gemeinsa- weiten Überlegungen zum fahrradfreund- tausch- und Abstimmungsstrukturen auf mes regionales „Zielbild“ eines münster- lichen Ausbau der Seitenwege entlang des den Weg gemacht, um die Aufgabe in landweiten Routennetzes für die schnelle Dortmund-Ems-Kanals. Die intensive Vor- einer strategischen Allianz gemeinsam Fahrradmobilität herauszuarbeiten. Dabei arbeit in der Stadtregion hat zudem dazu und systematisch zu bearbeiten. Denn das werden auch die Übergänge zu den Nach- geführt, dass alle Kreise sich mit Blick auf Münsterland ist eine Fahrradregion und barregionen mit in den Blick genommen, ihre eigenen Planungen von Radvorrang- will durch eine weitere Stärkung dieses um die „Andockstellen“ an die dort gege- routen eng am Velorouten-Standard der Profils die Mobilität im regionalen Maßstab benenfalls vorhandenen Planungen früh- Stadtregion orientieren, sodass im Ergebnis vorantreiben. zeitig vorsehen zu können. Auch bereits ein münsterlandweites gemeinsames Ver- laufende Projekte können so adäquat in ständnis der Erfordernisse für eine schnelle EILDIENST LKT NRW das Gesamtkonzept eingearbeitet werden, Fahrradmobilität vorliegt. Nr. 2/Januar 2021 80.31.00 Das Fahrrad zum Alltagsverkehrsmittel machen Das Alltagsradwegekonzept des Kreises Gütersloh soll zukünftig sicherstellen, dass sich Radlerinnen und Radler auf eine hochwertige Fahrradinfrastruktur verlassen können. Es benennt wichtige interkommunale Verbindungen und definiert deren Idealzustand. Die Orientierung am bestehenden Straßennetz verdeutlicht dabei den gestiegenen Gel- tungsanspruch des Fahrrads: Als gleichwertiges Verkehrsmittel sollen dem Fahrrad dieselben direkten Verbindungen wie dem Auto zugänglich gemacht werden. Durch eine Priorisierung der Maßnahmen wird Entscheidungsträger*innen und Planer*innen gleichermaßen eine klare Empfehlung an die Hand gegeben, wie die bestehenden Ressourcen mög- lichst effektiv eingesetzt werden können. Die Abstimmung mit Kommunen, Vereinen und Gremien auch außerhalb des Kreises Gütersloh ermöglicht dabei eine nahtlose Planung über kommunale Grenzen hinweg. Ausgangslage Es gibt vielfältige Themenrouten, mehre- ger aufs Rad. Entsprechend gut ausgebaut re Fernradwege verlaufen durch den Kreis ist das Radnetz für den Freizeitverkehr in Das Radfahren ist im Kreis Gütersloh seit und am Wochenende und in Ferienzeiten dem ostwestfälischen Kreis. Allerdings jeher eine beliebte Freizeitbeschäftigung: schwingen sich viele Bürgerinnen und Bür- macht die Verkehrswende auch vor dem 62
EILDIENST 2/2021 Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte DER AUTOR Definition der Ziele und Insgesamt wurden im Kreisgebiet auf diese Weise Alltagsverbindungen mit einer Netzentwicklung Gesamtlänge von rund 400 Kilometern zu einem Netz zusammengefasst. Christopher Der erste Schritt auf dem Weg zum Kon- Schmiegel, zept war die Definition der planerischen Mobilitätsmanager des Kreises Gütersloh Ziele. Entsprechend der übergeordneten Beteiligung der Akteure Quelle: Kreis Gütersloh Verwaltungsfunktion des Kreises war die oberste Prämisse die Verknüpfung aller Zur Steigerung der Qualität und der spä- Kommunen: Jede Stadt und Gemeinde des teren Akzeptanz des Konzepts wurde der Kreis Gütersloh keinen Halt: Längst soll das Kreises sollte mit ihren jeweiligen Nachbar- Netzentwurf im nächsten Schritt mit den Radfahren mehr sein als ein reines Frei- kommunen auf möglichst direktem Wege Kommunen des Kreises und dem Kreis- zeitvergnügen. Als adäquates Verkehrs- verbunden werden. Um einen effizienten verband des ADFC abgestimmt. In einem mittel für den alltäglichen Verkehr soll das Einsatz der oftmals knappen Ressourcen zu mehrstufigen Verfahren wurden Ände- Fahrrad eine Alternative zum Privat-Pkw gewährleisten, sollten Parallelverbindun- rungswünsche und Ergänzungsvorschlage darstellen. Schnell und sicher per Rad zur gen vermieden werden. Außerdem sollte erfasst und geprüft. Das vorläufige End- Arbeit, zur Schule oder in den Nachbar- sich das Netz an den Bedarfen des Radver- ergebnis wurde mit den Kommunen im ort – aus diesen Zielvorstellungen ergeben kehrs orientieren und wichtige Quellen und Rahmen einer gemeinsamen Konferenz sich veränderte Ansprüche an das Radnetz. Ziele berücksichtigen. Die Anbindung von diskutiert. Dieser Prozess resultierte in Nicht in erster Linie der Freizeitwert ist Points of Interest (POI) wie etwa Gewer- der Aufnahme und Abänderung zahlrei- entscheidend, stattdessen werden direkte, begebieten, Bahnhöfen oder Schulen an cher Verbindungen und einer Erhöhung sichere und qualitativ hochwertige Verbin- das Netz war somit eine weitere Voraus- der Gesamtnetzlänge um rund 30 Pro- dungen nachgefragt. Um diesen Erwartun- setzung. Basierend auf diesen Zielen wurde zent – der endgültige Netzentwurf weist gen gerecht zu werden, benötigt es eine seitens der Kreisverwaltung ein erster eine Länge von 572 Kilometern auf. Das gute Planungsgrundlage. Denn wie sieht Netzentwurf entwickelt. Hierbei handelte Netz hat dabei eine heterogene Struk- ein ideales Netz für den alltäglichen Rad- es sich explizit um eine Idealvorstellung: tur. Verbindungen zwischen eher ländlich verkehr eigentlich aus? Was ist zu tun ist, gelegenen Kommunen sind ebenso ent- um diesen Idealzustand herzustellen? Und Nicht der Bestand an Radverkehrsanlagen halten wie eine Verknüpfung der beiden wo fängt man mit der Maßnahmenumset- oder die Umsetzungswahrscheinlichkeit Großstädte Gütersloh und Bielefeld. Um zung am besten an? der Verbindungen waren bei der Erstel- diesem Umstand Rechnung zu tragen wur- lung entscheidend, sondern der Anspruch, den sämtliche Verbindungen des Netzes Bereits in der 2016 veröffentlichten Mobi- den Radverkehr auf eine Stufe mit dem entsprechend ihres Potenzials und ihrer litätsstrategie des Kreises wurde festgelegt, Autoverkehr zu heben. Es galt, direkte Bedeutung für den Radverkehr in drei Kate- sich diesen Fragestellungen im Rahmen Verbindungen, die ein schnelles Fortkom- gorien eingeteilt. Diese Hierarchisierung eines umfassenden Konzeptes zu widmen. men für Radfahrende ermöglichen, zu der Streckenabschnitte erfolgte auf Grund- Dessen Fertigstellung erfolgte im Septem- identifizieren. Hieraus ergibt sich beinahe lage eines Punkteschemas. Hierbei wurden ber 2020: Das Alltagsradwegekonzept des zwangsläufig ein Fokus auf das bestehen- Faktoren wie die Erschließungswirkung, Kreises dient der Kreisverwaltung zukünf- de Straßennetz: Autostraßen stellen häufig die Anbindung von POI sowie bestehende tig als Fahrplan für den Ausbau der inter- die geradlinigsten Verbindungen zwischen Mobilitätsdaten einbezogen. Darüber hin- kommunalen Radverbindungen. zwei Kommunen dar. aus wurden Anmerkungen der Kommunen bei der Einstufung berücksichtigt. Erarbeitung von Qualitätsstandards In Anlehnung an bestehende Normen wurden nun Qualitätsstandards ausge- arbeitet, welche die Idealzustände der unterschiedlichen Verbindungskategorien definieren. Hierbei war es ein Anliegen, einerseits die zukünftigen Entwicklungen der technischen Regelwerke (z.B. der Emp- fehlungen für Radverkehrsanlagen, kurz: ERA) zu antizipieren sowie andererseits die heterogenen Rahmenbedingungen der Radverbindungen im Kreis abzubilden. Ins- besondere sollte ein Angebot geschaffen werden, das die ERA übertrifft, aber unter- halb der hohen Standards von Radschnell- wegen anzusiedeln ist. Zwar sind im Einzel- fall immer die Gegebenheiten vor Ort wie etwa die Verfügbarkeit von Straßenraum Alltagsradwegekonzept des Kreises Gütersloh. Quelle: Kreis Gütersloh zu berücksichtigen. Wo möglich und sinn- 63
Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte EILDIENST 2/2021 voll sollen die gesetzlichen Mindestanfor- Idealzustand der interkommunalen Rad- Um auf möglichst objektive Weise fest- derungen zukünftig aber übertroffen wer- verbindungen abgebildet wird, sondern zustellen, an welcher Stelle vordring den. darüber hinaus konkrete Handlungsemp- licher Handlungsbedarf besteht, wurden fehlungen zur Zielerreichung erfolgen. sämtliche Maßnahmen nun anhand eines Neben Angaben zu Regelbreiten und der Punktesystems priorisiert. Faktoren wie Wegeführung enthalten die Standards wei- Dazu wurde nach der Definition der Stan- die Bestandsqualität, Verkehrssicherheit tere Qualitätskriterien, die eine hochwerti- dards das gesamte Netz durch das beauf- oder das Radverkehrspotenzial wurden ge Infrastruktur und ganzjährige Nutzbar- tragte Planungsbüro befahren und der Sta- dabei berücksichtigt. Einerseits soll somit in keit der Anlagen gewährleisten sollen. So tus Quo der Radverkehrsanlagen erhoben. Zukunft ein effektiver Einsatz der vorhan- finden sich etwa Angaben zu Oberflächen, Auf diese Weise konnte der Handlungsbe- denen Mittel ermöglicht werden, anderer- zur Reinigung, Kontrolle und Beleuchtung darf an den einzelnen Streckenabschnitten seits kann die Priorisierung die Grundlage der Radwege oder zur Verträglichkeit mit identifiziert werden. Es bot sich ein viel- zur Abstimmung und Diskussion mit den dem Fußverkehr. fältiges Bild: Zeichneten sich einige Ver- Kommunen und den Straßenbaulastträ- bindungen durch ihre hohe Qualität aus, gern darstellen. fehlten andernorts Radwege gänzlich oder Maßnahmenkatalog entsprachen nicht den neuen Standards. Insgesamt wurden 209 notwendige Maß- Ein Alleinstellungsmerkmal des Alltagsrad- nahmen identifiziert und zu einem Maß- Zusammenarbeit mit der Regio wegekonzeptes ist es, dass nicht nur der nahmenkatalog zusammengefasst. polregion Bielefeld und der REGIONALE 2022 Mit dem Radverkehrskonzept der Regio- polregion Bielefeld sowie dem REGIONA- LE 2022-Projekt Radnetz OWL wurden in Ostwestfalen-Lippe parallel zu dem All- tagsradwegekonzept weitere Radverkehrs- konzepte mit regionalem Fokus entwickelt. Allen Beteiligten war es wichtig, dass die verschiedenen Konzepte keinesfalls in Kon- kurrenz zueinander treten, sondern nahtlos ineinander greifen und eine Planung über kommunale Grenzen hinweg ermöglichen. In regelmäßigen Treffen fand ein enger Austausch statt, die Konzepte wurden hinsichtlich der Routenführung, der Kate- gorisierung und der Standards aufeinander abgestimmt. Trotz des unterschiedlichen Detaillierungsgrades bilden die Konzepte somit eine gemeinsame Planungsgrund lage. Ausblick Wie schnell das Konzept Wirklichkeit wer- den kann, hängt von zahlreichen Faktoren ab: Welche finanziellen und personellen Ressourcen stehen zur Verfügung? Wie erfolgreich können Grundbesitzverhand- lungen geführt werden? Welche Umwelt- schutzbelange gilt es zu berücksichtigen? Und nicht zuletzt: Wie kann die zielgerich- tete und effektive Zusammenarbeit aller Akteure sichergestellt werden? Hierbei wird insbesondere die baulastträgerüber- greifende Abstimmung eine Rolle spielen. Mit der gemeinsamen Konzepterstellung und der Vernetzung der zuständigen Akteure wurde das Fundament für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gelegt, das es in Zukunft auszubauen gilt. EILDIENST LKT NRW Übersicht der Netzhierarchie. Quelle: Kreis Gütersloh Nr. 2/Januar 2021 80.31.00 64
EILDIENST 2/2021 Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte Einrichtung erster Velorouten im Kreis Steinfurt – TRIANGEL und RadBahn Münsterland Auf Grundlage eines umfassenden Radverkehrskonzeptes (2020) will der Kreis Steinfurt gemeinsam mit seinen 24 Städten und Gemeinden, dem Landesbetrieb Straßenbau NRW und anderen Partnern das Radverkehrssystem im Kreis deutlich ausbauen. Ein zentraler Baustein ist der Bau bzw. Ausbau schneller, komfortabler und verkehrssicherer Rad- wege für den Alltagsradverkehr als Radvorrangrouten, die münsterlandweit Velorouten genannt werden. Mit der vom Bundesumweltministerium geförderten TRIANGEL und der RadBahn Münsterland werden aktuell die ersten Velorouten als „Kreisradwege“ eingerichtet, ergänzt durch weitere Maßnahmen einer Radverkehrsförderung. Mobilitätswende Ausbildung und Schule oder zum Einkauf DIE AUTOREN als integrierte Aufgabe nutzen und damit den Klimaschutz und ihre eigene Fitness/Gesundheit fördern. Mobilität neu gestalten, Klimaschutz wei- Schwerpunkt des Konzepts ist die Ein- ter konsequent fördern – im Kreis Steinfurt richtung eines Veloroutennetzes zwischen Udo Schneiders, bestimmen diese Leitlinien das Handeln Ober-, Mittel- und Grundzentren, bedeu- Sachgebietsleiter von Politik und Verwaltung seit Langem. tenden Ortsteilen oder Einrichtungen mit Verkehrsentwicklung, In vielen kreisbezogenen Konzepten, Pro- weiteren wichtigen Verkehrserzeugern, und grammen und Plänen finden diese Ziel- etwa Gewerbegebieten oder Schulzentren setzungen ihren Niederschlag. Besondere außerhalb der v. g. Zentren. Bedeutung erfährt dabei die Förderung der Nahmobilität und des Alltags-Radverkehrs. Velorouten sollen vorwiegend am Bestand Reinhard Pries, orientiert anforderungsgerecht ausgebaut Projektverantwort- So werden im Kreisentwicklungsprogramm und verkehrssicher optimiert werden. Ins- licher Planen und 2030 als Handlungsziele u. a. die Förde- gesamt sieht das Radverkehrskonzepts 618 Bauen, Radwege rung der E-Mobilität, die Umsetzung des Einzelmaßnahmen auf insgesamt 697 Kilo- infrastruktur, Masterplans klimafreundliche Mobilität metern mit einem geschätzten Kostenum- Kreis Steinfurt (MkM 2015) und der Ausbau der vorhan- fang von rund 108 Mio. Euro vor. denen Radverkehrssysteme benannt. Im und Metelen die vorhandenen Radwege MkM werden im Themenfeld Radverkehr Darüber hinaus benennt das Radver- schneller, komfortabler und verkehrssi- und Nahmobilität verschiedene Hand- kehrskonzept im Sinne der Ziele der AGFS cher gestaltet werden. Als neues Element lungsansätze und Pilotprojekte vorgeschla- Maßnahmen aus den Handlungsfeldern im Radverkehrssystem des Kreises werden gen, so u. a. der Ausbau und die Optimie- Service, Kommunikation und Marketing. Wirtschaftswege zwischen Ochtrup und rung des Alltagsroutennetzes, die Aufstel- Hierzu zählen beispielsweise die Themen Metelen als kürzeste Verbindung zwischen lung eines Radinfrastrukturkonzeptes und Fahrradparken, die Verbreitung und Nut- diesen Orten eingebunden. Zusammen mit der Ausbau schneller Radroutenverbindun- zung von Lastenrädern oder Kommunika dem Abschnitt der RadBahn sollen mehr gen. Seit 2009 ist der Kreis zudem aktives tionsmaßnahmen über ein internetbasier- als 70 Kilometer für den Alltagsradverkehr Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft fuß- tes Kreisportal zum Thema Fahrrad mit ertüchtigt und als Fahrradstraßen ausge- gänger- und fahrradfreundlicher Städte, Hinweisen zu Routenplanern oder Service- wiesen werden. Die als Fahrradstraßen Gemeinden und Kreise (AGFS). Einge- stationen. Die Kreisverwaltung ist beauf- integrierten Wirtschaftswege sollen durch bunden in die AGFS-Aktivitäten wurde tragt, in enger Abstimmung mit den Städ- die Anordnung entsprechender Zusatzzei- bereits 2013 die Studie zur Errichtung von ten und Gemeinden des Kreises, dem Lan- chen für die Anlieger, den Landwirtschaft- Radschnellwegen im Kreis Steinfurt erstellt. desbetrieb Straßenbau NRW u. a., die im lichen Verkehr und S-Pedelecs freigegeben Als ein Ergebnis wurden – orientiert am Radverkehrskonzept dargestellten Maß- werden. Nachfragepotential – Korridore identifi- nahmen Schritt für Schritt umzusetzen. ziert, die für den schnellen Radverkehr geeignet erschienen. Maßnahmen Velorouten-Pilotprojekte Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt Radverkehrskonzept 2020 Pilotprojekte für die Einrichtung von Velo- auf einer Vernetzung bereits vorhande- routen im Kreis Steinfurt sind die vom Bun- ner Wege durch Lückenschlüsse, in der Mit dem vom Kreistag Mitte 2020 beschlos- desumweltministerium mit rund 4,6 Mio. Beschleunigung des Radverkehrs, insbe- senen Radverkehrskonzept werden nun Euro geförderte TRIANGEL und die Rad- sondere an den Knotenpunkten, und der darauf aufbauend umfassende Maßnah- Bahn Münsterland südlich der Kreisstadt Anhebung der Qualitätsstandards im Ver- men benannt, wie die Radinfrastruktur im Steinfurt. Bei der TRIANGEL sollen auf drei lauf der Strecken. Soweit noch nicht gege- Kreis für den Alltagsradverkehr optimiert ehemaligen Bahnstrecken zwischen den ben und baulich möglich, werden die Tras- werden kann, damit mehr Menschen das Städten und Gemeinden Steinfurt, Rhei- sen auf 3 Meter verbreitert. Abschnitte, Fahrrad für ihre täglichen Wege zur Arbeit, ne, Neuenkirchen, Wettringen, Ochtrup die eine Mindestbreite von 2,50 Meter 65
Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte EILDIENST 2/2021 über Neuenkirchen und Wettringen (23 km). Der Brückenneubau soll im Frühjahr beginnen und gemeinsam mit den Bau- maßnahmen auf dem zweiten Abschnitt im Herbst dieses Jahres fertiggestellt sein. Der Ausbau des dritten Abschnitts zwischen Ochtrup und Steinfurt über Metelen ist für Das schnelle klimafreundliche 2022 vorgesehen. Radwege-3-Eck im Kreis Steinfurt Weitere Module der TRIANGEL sind die Einrichtung eines Bikesharing zwischen dem Bahnhof und dem McArthurGlen Designer Outlet in Ochtrup sowie ein Bikesharing-light zwischen Betrieben und zentralen Haltestellen bzw. Haltepunkten zur Anbindung der Velorouten an die star- ken Achsen des ÖPNV und SPNV zur För- derung der Intermodalität und Umsetzung der Zielsetzungen des Nahverkehrsplans Kreis Steinfurt. An verschiedenen Punkten werden zusätzliche Radabstellanlagen auf- gestellt. Das Projekt wird begleitet durch Maßnahmen zum Monitoring und zur Evaluierung, ein zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement und eine umfas- sende Öffentlichkeitsarbeit. Innerörtlich und im Außenbereich an sensiblen Ver- kehrspunkten wird die Strecke beleuchtet, wobei überwiegend adaptive Solarleuchten zur Anwendung kommen und alle Systeme der Ökodesign-Richtlinie entsprechen, d.h. insektenfreundlich ausgestaltet sind. Der Kreis Steinfurt hatte bereits gute Erfah- rungen im Rahmen der interkommunalen Umsetzung der ehemaligen Güterver- kehrsstrecke Oberhausen – Wilhelmshaven Übersichtkarte Trassen TRIANGEL und RadBahn Münsterland. Quelle: Kreis Steinfurt erzielt. Gemeinsam mit der Bahnflächen- entwicklungsgesellschaft NRW und neun und einen guten Wegebelag aufweisen, sen, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge Anrainerkommunen wurde die ehemalige werden zunächst im Sinne des Ressour- nicht behindert werden. An den als Fahr- Schienenstrecke zwischen Coesfeld und censchutzes belassen. Sie sollen bei einer radstraßen eingebundenen Wirtschafts- Rheine auf 39 Kilometern zur RadBahn weiter steigenden Zahl an Radfahrenden wegen werden für ein gutes Begegnen Münsterland durch das Kreis Straßenbau- (Monitoring) oder spätestens bei zukünf- von Radfahrern und landwirtschaftlichen amt umgebaut. Der in Eigentum der Kom- tig anstehenden Baumaßnahmen auf das Maschinen Ausweichbuchten vorgesehen. munen gesicherte Radweg wurde bahnaf- Veloroutenmaß von 3 Meter verbreitert fin mit LEADER-Mitteln gestaltet und wird werden. Abschnitte mit schlechter Fahr- Besonderer Augenmerk gilt der Schaffung heute als „Kreisradweg“ durch den Kreis bahndecke werden saniert. Bei Rheine und Erhaltung ausreichend großer Sicht- einheitlich gepflegt und unterhalten. wird über die B 70 für einen Lückenschluss dreiecke. Insoweit sollen die Abschnitte eine neue Radwegebrücke gebaut. Teil von TRIANGEL und RadBahn auch als erste Das Projekt TRIANGEL setzt dies mit der Maßnahmen ist auch die Änderung „Kreisradwege“ außerhalb klassifizier- neuen Elementen fort. Es wird gemein- der bestehenden Vorfahrtsberechtigungen ter Straßen in die Baulastträgerschaft des schaftlich vom Kreis und von den sechs zu Gunsten der Radfahrer auf TRIANGEL Kreises übergehen und die Unterhaltung oben genannten Kommunen getragen und RadBahn – außerhalb der Kreuzungen und Pflege (insbes. auch das Freihalten und umgesetzt. Im Rahmen des Förder- mit klassifizierten Straßen. Mehr als 150 der Sichtdreiecke) durch die Kreisstraßen- aufrufs „Klimaschutz durch Radverkehr“ Knotenpunkte werden umgebaut. Dabei meisterei erfolgen. Dazu gehört auch ein des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz reichen die Maßnahmen von einer neuen Winterdienst, dessen Umfang je nach Nut- und nukleare Sicherheit stellten sich die Markierung und Änderung der Beschilde- zungsgrad der Abschnitte unterschiedlich Projektpartner zunächst einem bundes- rung bis hin zu ergänzenden aufwendigen gestaltet wird. weiten Wettbewerb. Nach positiver Rück- Umbauten der Knotenpunkte mit Ände- meldung reichte der Kreis als Lead-Partner rung der Straßenbeläge, dem Einbau von Der erste rund 18 Kilometer lange Abschnitt Ende 2018 den Förderantrag in einem Berliner Kissen bzw. Drempeln oder der zwischen Steinfurt und Rheine wird im Gesamtvolumen von 6,5 Mio. Euro ein. baulichen Einengung auf den Wirtschafts- Frühjahr 2021 freigegeben. In Kürze star- Den Eigenanteil in Höhe von 30 Prozent wegen und innerörtlichen Straßen durch ten die Baumaßnahmen auf dem zweiten der zuwendungsfähigen Gesamtkosten Poller. Drempel und Kissen sind so bemes- Abschnitt zwischen Rheine und Ochtrup teilen sich Kreis und Kommunen jeweils 66
EILDIENST 2/2021 Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte zur Hälfte. Mit Erhalt des Zuwendungsbe- scheids Ende 2019 läuft die insgesamt auf drei Jahre festgelegte Umsetzungsfrist. Flankierende Maßnahmen Ergänzt durch flankierende Maßnahmen wie der fahrradfreundliche Neubau des Zentralen Omnibus-Bahnhofs in Wett- ringen, die Ergänzung von Radabstell- anlagen am Bahnhof Burgsteinfurt, der Neubau einer Fuß- und Radwegeunter- führung sowie ein fahrradfreundlicher Umbau innerörtlicher Straßen in Rheine, der Neubau und die Instandsetzung von Schutzhütten entlang der Trasse sowie der geplante Anschluss der TRIANGEL an den Fietsensnellweg F 35 in der Region Twente sowie an die Velorouten der Stadtregion Münster und des Münsterlandes entsteht mit der TRIANGEL eine neuartige Radver- kehrsinfrastruktur, die beispielgebend sein wird für weitere Projekte zur Förderung des schnellen Radverkehrs und des Klima- schutzes im Kreis Steinfurt. EILDIENST LKT NRW Beispiel Maßnahmen Umbau Knotenpunkt TRIANGE. Quelle: Kreis Steinfurt Nr. 2/Januar 2021 80.31.00 Radverkehrskonzept Kreis Unna – ein hierarchisiertes Kreisradnetz für den Alltagsverkehr Der fahrradfreundliche Kreis Unna schreibt die bestehende Planung zum Kreisradverkehrsnetz von 2013 mit Unter- stützung des Gutachterbüros Planersocietät bis Mitte 2021 fort. Das Kernziel ist die bessere Vernetzung im Alltagsrad- verkehr der Kommunen des Kreises untereinander und mit den Nachbarkreisen und -kommunen. Die Aktualisierung wurde erforderlich, um die zahlreichen Neuplanungen und Aktivitäten zur Stärkung des Radverkehrs im Kreis in das Planwerk zu integrieren. Zu nennen sind hier vor allem die Planungen für den Radschnellweg Ruhr RS1, das Radwege- sanierungsprogramm des Kreises Unna und zahlreiche kommunale Aktivitäten. Die Kommunen, Baulastträger sowie der ADFC werden durch eine umfangreiche Information und Beteiligung in Kommunalworkshops, zu Netzkonzeption und Maßnahmenentwicklung intensiv in den Prozess eingebunden. Das Ziel: ein attraktives Radver- ist eine gute soziale Teilhabe durch günsti- des Kreises und der Kreiskommunen soll kehrsnetz für mehr Radverkehr ge Mobilität für den Kreis Unna mit seinem der Anteil des Radverkehrs am Gesamt- hohen Anteil an Menschen, die auf Trans- Mobilitätsaufkommen erhöht werden. Zur Als fahrradfreundlicher Kreis strebt der fereinkommen angewiesen sind, wichtig. weiteren Stärkung des Umweltverbunds Kreis Unna eine attraktive und umwelt- Dazu werden Rad- und Fußverkehr als befindet sich ein inter- bzw. multimoda- freundliche Mobilität für alle Menschen an. leicht nutzbares Basisangebot der Alltags- les Verkehrsangebot im Kreis Unna in der Basis dafür sind die Klimapolitischen Leitli- mobilität gestärkt; sie ergänzen den ÖPNV, Umsetzung, welches die klimafreundlichen nien des Kreises, die auf regionaler Ebene der das Rückgrat des Umweltverbundes Verkehrsmittel z. B. über Mobilstationen zur Erreichung des 1,5°-Ziels der Pariser darstellt. Durch einen qualitativ hochwer- und digitale Mobilitätsangebote eng mit- Klimakonferenz beitragen sollen. Ebenso tigen Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur einander verknüpft. 67
Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte EILDIENST 2/2021 Ruhr (RVR) bildet der Radschnellweg das hohe Anzahl von Radfahrenden zwischen DIE AUTOREN Rückgrat des Zielnetzes für den Radver- 500 und 2.000 pro Tag angenommen. Auf kehr im Kreis Unna. Das Kreisnetz ergänzt der unteren Hierarchieebene Radverbin- diese ortsübergreifenden Radwege um die dungen (RVR und Kreisnetz) werden maxi- priorisierten Radhauptverbindungen im mal 500 Radfahrende pro Tag erwartet. Die Dipl.-Geogr. Kreisnetz (ca. 60 km) und Radanbindun- Prognose der Radfahrenden ergibt sich u. Birgit Heinekamp, FB gen im Kreisnetz (ca. 230 km). Hinzu kom- a. aus den erschlossenen Einwohner*innen Mobilität, Natur und men noch ergänzende Freizeitradwege (ca. und Pendelverflechtungen. Bei der Ermitt- Umwelt, Kreis Unna, 21 km) mit einer hohen Bedeutung für den lung der Radverkehrspotenziale wurde Alltagsradverkehr. auf die Methodik zurückgegriffen, welche schon beim Regionalen Radwegenetz in Aufgabe des insgesamt ca. 310 km lan- der Metropole Ruhr des RVR angewendet gen geplanten Kreisnetzes ist die Verbin- wurde. Durch die bevorzugte Führung des dung der Kommunen untereinander und Kreisnetzes an oder auf Kreisstraßen wird M. Sc. mit den Nachbarkreisen bzw. -kommunen eine möglichst gute Umsetzbarkeit durch Johannes Pickert und die Verdichtung des noch relativ grob- den Kreis Unna gewährleistet. und maschigen regionalen Radverkehrsnetzes. Bei den in der Hierarchie direkt unter dem Gleichzeitig erfolgt eine tiefe Integrati- Radschnellweg stehenden Radhauptver- on des Netzes und des aktuellen Radwe- bindungen (RVR und Kreisnetz) wird eine geausbauprogramms des Kreises Unna M. Sc. Dennis Stocksmeier, Projektleiter Radver- kehr, Planersocietät Das Zielnetz: bedarfsgerecht, hierarchisiert und integriert Die Infrastruktur für den Radverkehr im Kreis Unna ist bereits gut ausgebaut, weist aber Lücken bei schnellen und regiona- len Verbindungen auf. Der topographisch bewegtere Süden ist weniger gut für den Alltagsradverkehr erschlossen als der ins Münsterland übergehende Norden des Kreises. Ein priorisierter Ausbau des Rad- verkehrsnetzes ist deswegen erforderlich. Das bestehende Zielnetz von 2013 war für eine realistische und zeitnahe Umsetzung zu engmaschig und weitverzweigt. Folglich wurde ein reduzierteres Netz entwickelt auf Basis der wichtigen Sied- lungsschwerpunkte mit mehr als 2.000 Einwohner*innen, der wichtigen ÖPNV- Verknüpfungspunkte wie Bahnhöfe, ZOBs und Mobilstationen, der Gemeinde- und Stadtzentren mit Einzelhandel und sozialer Infrastruktur und der wesentlichen Arbeits- platzschwerpunkte wie Gewerbe und Indu- striegebiete. Für das neue Netz wurden alle bestehenden regionalen und kommunalen Planungen in ein gemeinsames Zielnetz integriert, um die Ressourcen zu bündeln. Der projektierte Radschnellweg Ruhr RS1 (ca. 24 km) wird als oberste Netzhierarchie- ebene übernommen. Zusammen mit dem abgestimmten, aber noch nicht flächen- haft ausgebauten Radhauptverbindungen (ca. 106 km) und Radanbindungen (ca. 60 km) des Regionalen Radwegenetzes in Radverkehrskonzept 2013 – Zielnetz. der Metropole Ruhr des Regionalverbands Quelle: Kreis Unna 68
EILDIENST 2/2021 Schwerpunkt: Neue Radverkehrskonzepte (Kreisstraßenbauprogramm / Radwege) chen. Dazu werden hohe Qualitätsstan- durch Bevorrechtigungen an untergeord- und eine Bündelung und Priorisierung der dards definiert, die sich einerseits an die neten Knotenpunkten, den Wegfall von eingesetzten finanziellen und planerischen RVR-Planungen zu den Regionalen Rad- Anforderungsampeln und die Prüfung von Ressourcen. Damit können mittel- und verbindungen anlehnen und andererseits Grünen Wellen für den Radverkehr. Hin- langfristig prioritär gute Verbindungen mit durch die Vorgaben eines aktuellen Kreis- dernisse wie z. B. Poller, Umlaufsperren möglichst hohen Qualitätsstandards ins- tagsbeschlusses des Kreises Unna definiert und fehlende Absenkungen sind aus dem besondere im schnellen Alltagsnetz garan- werden. Gemäß diesem Beschluss ist bei Kreisnetz konsequent zu entfernen tiert werden. Diese Verbindungen sind die der Sanierung von Zweirichtungsradwegen Grundlage für die geplante Erhöhung des außerorts grundsätzlich eine Breite von 3,0 Radverkehrsanteils am Modal Split. m anzustreben. Durchgängig asphaltierte Oberflächen sind ganzjährig sicher und Die Maßnahmen: komfortabel nutzbar und können auch im Umfangreicher Ausbaubedarf Winterdienst einfach maschinell gereinigt Die Qualitätsstandards: werden. Randmarkierungen und Beleuch- Das komplette Kreisnetz und Teile des Ziel- durchgehend hohe Qualität tung (ggf. nur auf Radhauptverbindungen) netzes (RVR, RS1) wurden für eine präzise auf langen Strecken sichern die Befahrbarkeit auch bei Dunkel- Maßnahmenentwicklung mit dem Fahrrad heit und erhöhen die soziale und gefühlte befahren und mit Foto- und Videoauf- Das geplante Kreisnetz soll schnellen, Sicherheit. Knotenpunkte sind besonders nahmen dokumentiert. Die Befahrungs- sicheren und komfortablen Radverkehr mit auf Radhauptverbindungen zu verbessern, ergebnisse sind in einer GIS-Datei aufbe- möglichst wenigen Wartezeiten ermögli- um den Radverkehr zu beschleunigen, z. B. reitet und können so allen Baulastträgern und sonstigen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Aus der Bestandsanalyse, den Kfz-Verkehrsbelastungen, den zuläs- sigen Höchstgeschwindigkeiten und den definierten Qualitätsstandards wurden detaillierte Maßnahmenvorschläge für alle Strecken des Kreisnetzes sowohl inner- orts als auch außerorts entwickelt. Auch für verbesserungswürdige Knotenpunkte wurden Musterlösungen zur Sicherung und Beschleunigung des Radverkehrs ent- wickelt. Als Maßnahmen werden der Neubau von Radwegen (96 km), der Ausbau von Radwegen und Fahrradstraßen (114 km) und die Markierung von Radfahrstreifen, Schutzstreifen und ggf. Piktogrammket- ten (49 km) vorgeschlagen. 30 km des Bestandsnetzes erfüllen die aufgestellten Qualitätskriterien schon heute, hier sind lediglich die Nachrüstungen von Beleuch- tung und Randmarkierungen und die Ver- besserung einzelner Knotenpunkte erfor- derlich. Bei bestehenden Radwegen ist ein gestaffelter und sukzessiver Ausbau bei anstehenden Erneuerungsarbeiten sinn- voll, um vorher bedeutendere Netzlücken zu schließen. Der größte Teil der umzu- setzenden Maßnahmen befindet sich an Kreisstraßen außerorts, wo der Kreis selbst gute eigene Umsetzungsmöglichkeiten hat. Geringere Teile sind in der Baulast von Land und Bund oder den Kommunen. Schwierig sind hinsichtlich einer schnellen Umsetzung vor allem die Ortsdurchfahrten bzw. innerörtlichen Streckenabschnitte, da diese nur in Ausnahmefällen genügend Flächen für eine bauliche Radverkehrs- infrastruktur bieten und erhebliche Nut- zungskonflikte mit anderen Verkehrs- mitteln vorliegen. Hier werden vermehrt Markierungslösungen und Reduktionen Geplantes Radverkehrsnetz für den Kreis Unna (Entwurf 2021). der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, z.B. Quelle: Planersocietät/Kreis Unna auf 30 km/h, vorgeschlagen. 69
Sie können auch lesen