DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband

Die Seite wird erstellt Santiago Stock
 
WEITER LESEN
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
DROGENKURIERmagazin des bundesweiten jes-netzwerks
Juli 2009
   nr. 78

             20 Jahre JES-Netzwerk
             Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
vorwort   2
                                       DROGENKURIER

IMPRESSUM
Nr. 78, Juli 2009
Herausgeber des
DROGENKURIER:
JES*-Netzwerk
c/o Deutsche AIDS-Hilfe e. V.
Wilhelmstr. 138
10963 Berlin
Tel.: 030/69 00 87-56
Fax: 030/69 00 87-42
Mail: jes-sprecherrat@
yahoogroups.de
http//: jes-netzwerk.de

Dirk Schäffer, Deutsche
AIDS-Hilfe e. V. (V.I.S.d.P.)

Mitarbeit:
Dirk Schäffer,
Markus Bernhard,
Mathias Häde,
Katrin Heinze,
Christian Holl,
Marco Jesse,
Jochen Lenz,
Claudia Schieren                      liebe Leserinnen und Leser
Satz und Layout:
Carmen Janiesch
                                      des DROGENKURIER, Liebe Freundinnen
Druck:
                                      und Freunde des JES-Netzwerks,
X-Press Grafik & Druck GmbH,
Lützowstr. 107-112,
                                      JES hat es geschafft – wir sind 20 Jahre alt geworden und haben dies mit einer
10785 Berlin
                                      zweitägigen Fachtagung gefeiert. Einen ausführlichen Bericht des Fachtages findet
Auflage:                              ihr in dieser Ausgabe.
1.000 Exemplare                       Seit mehr als zwei Jahren dokumentieren wir den Stillstand und die Weiternetwick-
                                      lungen in Sachen „HEROINGESTÜTZTE BEHANDLUNG“ Nun ist es endlich geschafft.
Der DROGENKURIER wird                 Der Bundestag hat vor wenigen Wochen eine Änderung des Betäubungsmittelge-
unterstützt durch                     setzes beschlossen und Heroin als Medikament zur Substitution zugelassen. In
Deutsche AIDS-Hilfe e. V.             dieser Ausgabe geben wir einen Ausblick auf die Zukunft dieser neuen vielverspre-
essex – Pharma                        chenden Behandlungsform.
Sanofi Aventis
                                      Die Bundesregierung hat vor einigen Wochen die Arbeit des letzten Jahres vorge-
                                      stellt. Diese Ausgabe des DROGENKURIER informiert über die für uns wichtigsten
                                      Themen, Daten und Fakten.
*Junkies, Ehemalige,
Substituierte
                                      Ergänzt durch die Rubriken, VERANSTALTUNGEN, PRESSE, MEDIZIN, und AUS DEN
                                      REGIONEN liegt wieder einmal eine interessante Ausgabe des DROGENKURIER vor.
Die Nennung von Produktnamen
bedeutet keine Werbung.                                                                   Das Team des DROGENKURIER
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
DROGENKURIER
                                                                                              3
                                                                                                   topthema

20 Jahre JES-Netzwerk
in Deutschland                                                   Bericht zur JES-Fachtagung in Berlin

Am 24. und 25. Juni trafen sich                 Selbsthilfeförderung für JES durch die            volle JES-Selbsthilfeaktivisten aus über 20
                                                Krankenkassen?                                    regionalen JES-Gruppen.
ca. 80 Mitglieder des bundes­                   Aufgrund der Tatsache, dass sich die Kran-           Vor dem eigentlichen Beginn des Fach-
                                                kenkassen der Bundesebene nach 20 Jah-            tages am Nachmittag nutzte der JES-Spre-
weiten JES-Netzwerks mit
                                                ren JES-Arbeit immer noch überaus schwer          cherrat die Chance Mitglieder aus allen
vielen Gästen, um in Berlin                     damit tun JES-Projekte über den eigens für        Gruppen über die zentralen Inhalte seiner
                                                die Selbsthilfeförderung geschaffenen §20c        dreijährigen Arbeit zu informieren.
den 20-jährigen Geburtstag                      SGB V zu unterstützen, musste die JES-               Leider gelang es uns im Rahmen der an-
                                                Fachtagung ohne eine eigentlich erforder-         schließenden Wahl des JES-Sprecherrats
des JES-Netzwerks zu feiern.
                                                liche 2. Übernachtung stattfinden.                nicht weitere JESler für die Arbeit im JES-

E
                                                   Einfach beeindruckend was viele JES-           Sprecherrat zu gewinnen, sodass mit
          ines Vorab: Es war eine tolle zwei-   Gruppen auf sich nahmen um Berlin bereits         • Claudia Schieren – Berlin
          tägige Fachtagung mit engagier-       um 11:00 Uhr zu erreichen. Trotz der Tatsa-       • Marco Jesse – Köln
          ten Referenten und Diskutanten        che, dass viele 6–8 Stunden Zugfahrt in der       • Jochen Lenz – Köln
          aber vor allem mit vielen interes-    Nacht hinter sich gebracht hatten versam-         dasselbe Team zur Wahl stand.
          sierten und netten JES-Aktivis-       melten sich zum JES-Internen Teil des Fach-          Alle Kandidaten wurden in offener Ab-
ten aus dem gesamten Bundesgebiet.              tags ca. 80 gutgelaunte und erwartungs-           stimmung mit großer Mehrheit für die
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
topthema                  4
                                                  DROGENKURIER

                                                                                                 Ein zweites Referat, von Bundessprecher
                                                                                              Marco Jesse, stellte die Frage „JES – Per-
                                                                                              spektivlosigkeit durch eigene Erfolge?“ Be-
                                                                                              reits nach wenigen Sätzen wurde deutlich,
                                                                                              dass auf JES sehr wohl noch eine immense
                                                                                              Fülle an Aufgaben wartet: Der flächende-
                                                                                              ckende Ausbau einer med. Heroinvergabe,
                                                                                              Erleichterungen bei der tradierten Substi-
                                                                                              tution, Kampf um Patientenrechte und die
                                                                                              immer aktueller werdende Problematik der
                                                                                              ,Senior-Junkies‘.
                                                                                                 Mit neuen Ansätzen in der Behandlung
                                                                                              von Hepatitis C befasste sich im Anschluss
                                                                                              das Referat von Kerstin Dettmer, Ärztin im
                                                                                              Berliner Verein Fixpunkt. Nach einem Über-
                                                                                              blick über die gegenwärtig praktizierte The-
                                                                                              rapie mit Interferon und Ribavirin wurden
                                                                                              von ihr für das Jahr 2010 neue Verfahren
                                                                                              mit voraussichtlich leicht ansteigender Er-
                                                                                              folgsquote avisiert. Es wurde aber auch
                                                                                              deutlich, dass nach heutigem Wissen of-
                                                                                              fenbar lediglich 16 % der mit HCV-Infizier-
                                                                                              ten einen letalen Verlauf ihrer unbehandel-
                                                                                              ten Erkrankung – also Zirrhose und Krebs
Dr. Ingo Ilja Michels (BMG)                                                                   – fürchten müssen.
                                                                                                 Die Reihe der Impulsreferate schloss Dr.
nächste Amtszeit wiedergewählt. Dieses           AIDS-Hilfe zum Ende der 80er Jahre und       Axel Hentschel, auch er ein alter Wegbeglei-
überaus gute Wahlergebnis ist sicherlich         in den 90er Jahren als Drogenbeauftragter    ter des Netzwerks, mit seinem Vortrag über
auch mit der engagierten Arbeit der letz-        in Bremen maßgeblich an der Entstehung       „Drogen und Alter“. So war es jedenfalls ge-
ten 3 Jahre zu erklären.                         und Weiterentwicklung des JES-Netzwerks      plant. Weil die Zeit drängte und die Mägen
   So bilden die drei genannten Bundes-          beteiligt war, gelang es in seinem Referat   bereits hörbar knurrten, wurde -nach einem
sprecher, gemeinsam mit                          wichtige Entwicklungslinien von JES unter    kurzen Abriss der Problematik- das geplante
• Mathias Häde – Bielefeld (Westschiene)         Berücksichtigung unterschiedlicher Rah-      Referat von Dr. Hentschel in den zugehöri-
• Katrin Heinze (Halle) Nordschiene              menbedingungen Revue passieren zu las-       gen Workshop am Freitag verlegt.
und einen noch zu wählenden Vertreter der        sen.                                            Den Referenten gelang es mit kurzen
JES-Südschiene den bundesweiten JES-                Die nachfolgenden Impulsreferate soll-    und prägnanten Impulsreferaten tatsäch-
Sprecherrat.                                     ten als Appetitanreger für die am Folgetag   lich Appetit zu machen. Die abschließen-
   Dieses Gremium ist das bundesweite            anstehenden Workshops dienen.                de Einschreibung in die Workshoplisten
Sprachrohr des JES-Netzwerks und verant-                                                      zeigte ein großes Interesse an allen Work-
wortlich für die Außenvertretung von JES         Die Impulsreferate                           shopthemen.
sowie die inhaltlich/fachliche Weiterent-        Die Strecke der nachfolgenden Impulsre-
wicklung der Arbeitsinhalte.                     ferate, wurde eröffnet von Achim Weber,
                                                 einst Mitarbeiter der DAH, heute Referent
The Fachtag starts                               für Selbsthilfe im Paritätischen. Im Zuge
Nachdem die internen Angelegenheiten be-         seines Vortrags wurde die Diskrepanz in
arbeitet waren, galt es gemeinsam mit vie-       der Außenbewertung zwischen ,normaler‘
len Gästen den JES-Fachtag zu eröffnen.          Selbsthilfe und Drogenselbsthilfe, zumal
   Neben Winfried Holz (Vorstand Deutsche        der akzeptierenden, aufschlussreich be-
AIDS Hilfe) und Marco Jesse (JES) begrüßte       leuchtet. Was JES schon lange ahnte und
Dr. Ingo Michels im Namen von Sabine Bät-        auch daher wenig verwundert: Akzeptieren-
zing der Drogenbeauftragten der Bundesre-        de Drogenselbsthilfe wird von den meisten
gierung die anwesenden Teilnehmer. Ingo          karitativen Verbänden nicht gerade bevor-
Michels, der als Mitarbeiter der Deutschen       teilt – um es dezent auszudrücken.           Auch für Charly sind Referate anstrengend
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
DROGENKURIER
                                                                                                   5
                                                                                                        topthema

             Das Ginkoblatt
              für das Bundesweite
                JES-Netzwerk
                   Zur Überraschung aller
                   im Saal wurden die Im-
                  pulsreferate durch Jürgen
Heimchen unterbrochen. Eine Preisverlei-
hung stand an, genauer gesagt ein Preis
für JES.
   Jürgen Heimchen skizzierte in seiner
ihm eigenen und unnachahmlichen Art
seine ersten Kontakte zu JES und gab an-
schließend einen Überblick zu 15 Jahren
gemeinsamer und erfolgreicher Arbeit von
JES und Elternverband. Jürgen Heimchen
stellte die Erfolge des JES-Netzwerks her-
aus und machte deutlich wie wichtig JES
für die Entwicklung des Bundesverbandes
der Eltern und Angehörigen war. Mit gro-
ßem Stolz nahm Marco Jesse, stellvertre-
tend für JES das GINKOBLATT, die höchste
Auszeichnung des Elternverbandes entge-
gen.
   Glücklicherweise herrschte nach unse-
rem gemeinsamen Abendessen in Berlin gu-       Wir wussten es schon immer … nice people wie Winfried, Georg und Henning take drugs?
tes Wetter, sodass der Tag am Abend mit
einem netten Beisammensein im Hof der
Veranstaltungsstätte ausklang. Neben dem
üblichen Austausch über JES-Themen ging
es hier vielfach um Privates- schließlich
hatten sich einige von uns seit vielen Jah-
ren nicht mehr gesehen.

Celia-Bernecker-Preis
für Vision e.V.
Beendet war das offizielle Programm des
ersten Tages dennoch nicht wirklich: Für
viele Anwesende völlig überraschend, trat
Dirk Schäffer vor die Versammelten und ver-
kündete die Verleihung des Celia Berne-
cker Preises an den Verein „Vision e.V.“,
ehemals Junkiebund Köln. In der Lauda-
tio ging Dirk Schäffer auf die Geschichte
und die Entwicklung des Junkie Bund Köln
(heute VISION e.V.) ein und hob die beson-
deren Verdienste von Bernd Lemke der am
6. Oktober 2006 verstorbene langjährige Ge-
schäftsführer des JBK hervor.
   Bei allen Verdiensten einzelner Personen
und Persönlichkeiten in Köln sowie im bun-
desweiten Netzwerk stellte Dirk Schäffer die
besondere Relevanz von funktionierenden        Die Preisträger von VISION e.V. ( v.l.n.r.): Ulrike Schütz, Gertrud Beyelschmidt, Marco Jesse, Jochen Lenz,
Teams heraus. Dieser Teamgedanken bildet       Simon Kleinmeyer; (unten): Rudi Meyer, Axel Hentschel
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
topthema                          6
                                                           DROGENKURIER

                                                          Der zweite Tag
                                                          Claudia Schieren die uns als Moderatorin
                                                          durch den engen Zeitplan manövrierte, be-
                                                          grüßte um 9:30 alle Teilnehmer. Im An-
                                                          schluss verteilten sich die Anwesenden auf
                                                          die drei Workshops:
                                                          • JES-Zukunftsworkshop,
                                                          • "Drogen und Alter“
                                                          • HCV-Behandlung von Drogengebrau-
                                                          chern und Substituierten.
                                                             Auch wenn der Workshop „Drogen und
                                                          Alter“ auch aufgrund der Altersstruktur der
                                                          Teilnehmer auf das größte Interesse stieß,
                                                          waren auch die anderen beiden Workshops
                                                          gut besucht. Die Workshopergebnisse wur-
                                                          den im Anschluss im Plenum vorgestellt. Auf
                                                          diese Weise bot sich die Gelegenheit sich
                                                          auch über den Verlauf und die Ergebnisse
                                                          der anderen Workshops zu informieren.
                                                             In den nächsten Wochen erscheint zu
Die Celia-Bernecker-Medaille ist aus massivem Ster-       den Workshopergebnissen ein gesonder-
ling-Silber                                               ter Bericht.
                                                             Aufgrund der fast einstündigen Ver-
die Basis und ist die Grundlage für die Ent-              spätung des Mittagessens geriet unser bis
wicklung des Erfolgs von VISION e.V.                      dahin eingehaltener Zeitplan deutlich ins      Viel mehr Leute hätten auch nicht reingepasst
    Mit der Auswahl des Preisträgers der Ce-              wanken. Damit alle Teilnehmer zum vorge-
lia Bernecker Medaille am Abend des ersten                sehenen Zeitpunkt ihre Heimreise antreten      Diskussion. Um den Fish Bowl Charakter zu
Tages zeigte der JES-Sprecherrat ein über-                konnten, verkürzten wir die anschließende      realisieren wurden die vorhandenen Stühle
aus gutes Gespür.                                         Diskussion im Fish Bowl-Stil. Dies hatte al-   in konzentrischen Kreisen um eine zentra-
    Mit VISION e.V. erhielt in der 15-jäh-                lerdings keinen Einfluss auf die engagierte    le Gruppe von (hier 5) Stühlen gestellt. Die
rigen Geschichte dieses Preises erst zum                                                                 Diskutanten sitzen in dieser Mitte, können
zweiten Mal eine JES-Gruppe diese höchs-                                                                 aber von jedem, der etwas anmerken möch-
te Auszeichnung des bundesweiten JES-                                                                    te, per Handzeichen abgelöst werden.
Netzwerks.                                                                                                  Auf diese Weise entwickelte sich eine
                                                                                                         höchst dynamische und lebhafte Diskussi-
20 Jahre JES –                                                                                           on. Gestartet wurde mit Ilja Michels (BMG),
der neue FORUM-Band                                                                                      Jürgen Heimchen (Eltern), Mathias Häde
Als wäre dieser Höhepunkt nicht genug                                                                    (JES), Henning Schmidt-Semisch (Schil-
wurde nach dieser Preisverleihung das just                                                               dower Kreis) und Georg Wurth (DHV) der
zum JES-Fachtag fertig gestellte JES-Forum                                                               freundlicher weise für Heino Stöver (ak-
„Für ein menschenwürdiges Leben mit Dro-                                                                 zept) eingesprungen war
gen – 20 Jahre JES“ vorgestellt. Die vielen                                                                 Zunächst ging es, natürlich, um die He-
Photos in diesem Handbuch aus 20 Jahres                                                                  roinbehandlung. Hier verdeutlichte sich
JES-Netzwerk führten zu erstaunten Gesich-                                                               schnell, dass auf Länderebene vermutlich
tern und viel Diskussion. Jedem Teilnehmer                                                               jeweils sehr unterschiedliche Standards
wurde ein solches Handbuch überreicht.                                                                   entwickelt werden. Erste Tendenzen in Süd-
Dies ist sicher ein tolles Andenken an die                                                               deutschland nähren diese Befürchtung. Der
eigene Mitarbeit in diesem einzigartigen                                                                 eigentliche Kampf, so das bereits bekann-
Netzwerk von Drogengebrauchern. Ehema-                                                                   te und stimmige Mantra von J. Heimchen,
ligen und Substituierten.                                                                                beginne für uns erst jetzt. Nun geht es da-
   Erst spät am Abend leerte sich dann der                                                               rum die vom Gesetzgeber eröffneten Mög-
Hof und die Gäste machten sich auf den                                                                   lichkeiten im Sinne der Drogengebraucher
Weg ins Hotel.                                            Unsere Moderatorin Claudia Schieren            mit Leben zu füllen.
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
DROGENKURIER
                                                                                            7
                                                                                                 topthema

                                                                                                Fachtag gelungen ist für die in erster Linie
                                                                                                die motivierten, netten und disziplinier-
                                                                                                ten Teilnehmer aus dem gesamten Bundes-
                                                                                                gebiet verantwortlich sind. Viele Teilneh-
                                                                                                mer bedanken sich beim Sprecherrat und
                                                                                                der DAH für die gute Organisationen und
                                                                                                Durchführung.
                                                                                                    Es bleibt zu hoffen, dass die in Berlin
                                                                                                spürbare Motivation vieler JES´ler in den
                                                                                                nächsten Wochen und Monaten in den Hei-
                                                                                                matstädten unserer JES-Gruppen die Selbst-
                                                                                                hilfearbeit für und von Drogen gebrauchen-
                                                                                                den Menschen positiv beeinflussen kann.
                                                                                                    20 Jahre JES-Netzwerk- nicht nur JES
                                                                                                ist älter und reifer geworden sondern auch
                                                                                                seine Mitglieder. Er Altersdurchschnitt
                                                                                                der Mitglieder unseres Netzwerks liegt ge-
                                                                                                schätzt bei 43 Jahren. Dies wird sicher für
                                                                                                die nächsten Jahre noch ein Problem dar-
                                                                                                stellen. Klar ist aber auch, dass wir alle uns
                                                                                                intensiv um die Rekrutierung neuer jünge-
                                                                                                rer Mitstreiter kümmern müssen. Dies ist
                                                                                                zur Fortführung unserer Ideen, Ziele und
                                                                                                Haltungen unvermeidlich.
                                                                                                    Wir der JES-Sprecherrat und Dirk Schäf-
   Im Zuge der Auseinandersetzung wurde        fortgeführt werden können, als gegen 15          fer möchten uns an dieser Stelle noch mal
allerdings auch deutlich, das Meinungen        Uhr das Ende dieses Berliner Jubiläums-          recht herzlich für euer erscheinen und eure
von JESlern zu zentralen Inhalten und Hal-     Fachtags nahte. Schade eigentlich!               engagierte Mitarbeit bedanken.- So macht
tungen des JES-Netzwerks teilweise vonein-        Im abschließenden Resümee wurde               JES-Arbeit einfach Spaß. l
ander abweichen. So gibt es unterschiedli-     deutlich, dass JES hier ein hervorragender                         Mathias Häde/Dirk Schäffer
che Einschätzungen zur Legalisierung von
Drogen, so wie sie JES in seinem Positions-
papier beschreibt. Die Diskussion erbrachte
auch unterschiedliche Positionen zur Um-
setzung der Heroingestützten Behandlung.
Während einige für eine Selbstbeteiligung
von Usern eintraten, waren andere der Mei-
nung, dass dieses wirksame Medikament
eine Kassenleistung sein muss, wie bei an-
deren Behandlungsformen auch.
   Trotz der in unterschiedlichen JES-Pa-
pieren beschriebenen Positionen und Zie-
len von JES stellt die Diversifität der Mei-
nungen kein unüberwindbares Problem dar.
Ein solch heterogenes Netzwerk bringt nun
einmal unterschiedliche Meinungen her-
vor. Wichtig hierbei ist nur, dass JES in
der Außendarstellung übereinstimmt und
JES-Positionen die mit großer Mehrheit be-
schlossen wurden Vorrang vor individuellen
Einzelmeinungen haben müssen.
   Die Versammlung hätte im Stil der Fish-
Bowl Diskussion noch Stunden angeregt          Schön wars
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
topthema                      8
                                                    DROGENKURIER

                                                                                                                                                  Foto: S. Hofschlaeger/pixelio
                        Heroin –
                        jetzt und legal
                        Bundestag beschließt mit großer Mehrheit
                        Änderung des BtMG – Heroin für die
                        Substitutionsbehandlung zugelassen

E
          s ist Donnerstag der 28. Mai 2009,          Wir haben auch versucht jene zu überzeu-    Hiermit meinen wir dass in möglichst vielen
          ca. 17:30 – der Deutsche Bundes-         gen, die bis zum heutigen Tag einer Behand-    Städten eine Diamorphinbehandlung imple-
          tag beschließt nach 45-minütiger         lung mit Diamorphin kritisch gegenüberste-     mentiert werden muss.
          Debatte, dass Heroin (Diamor-            hen. Es gab Zeiten da haben wir schon fast
          phin) zur Substitutionsbehand-           nicht mehr daran geglaubt, dass die Große      Wer hat wie gestimmt?
lung eingesetzt werden darf und zukünftig          Koalition noch in dieser Legislaturperiode     Aber wie kam es eigentlich zu dieser nun
über die gesetzlichen Krankenkassen finan-         hierzu eine Entscheidung trifft.               deutlichen Mehrheit für dieses Gesetz?
ziert werden soll.                                    Wir freuen uns, na klar! Mit dieser Ent-       Die Antwort auf diese Frage ist recht ein-
   Mit unserem Magazin DROGENKURIER                scheidung erhalten in den nächsten Mona-       fach. Die Befürworter der Heroingestützten
begleiten und kommentieren wir die poli-           ten tausende Heroinkonsumenten die Mög-        Behandlung haben es geschafft ihre fach-
tischen und fachlichen Debatten um die-            lichkeit endlich die von ihren favorisierte    fremden FraktionskollegInnen davon zu
ses Gesetz seit mehr als zwei Jahren. Wir          Substitutionsbehandlung mit Diamorphin         überzeugen, dass die Heroinbehandlung ein
haben uns eingemischt und über Postkar-            zu beginnen, anstatt sich mehr recht als       Schritt in die richtige Richtung bedeutet.
tenkampagnen, Pressemitteilungen und               schlecht durch eine für sie wenig erfolgrei-      So haben in namentlicher Abstim-
Gesprächen mit Politikern jene in ihrem            che Substitution mit den bisher zugelasse-     mung schließlich 349 Parlamentarier für
Vorhaben bestärkt endlich eine Änderung            nen Substanzen quälen.                         den Gruppenantrag von SPD/FDP/LINKE/
des BtMG zu erwirken und Heroin als Me-               Aber wir sind uns auch darüber im Kla-      DIE GRÜNEN gestimmt, 3 Parlamentarier
dikament zur Substitutionsbehandlung zu-           ren, dass die Arbeit nun weiter geht und       enthielten sich der Stimme und nur 198
zulassen.                                          es gilt dieses Gesetz mit Leben zu füllen.     stimmten mit „NEIN“.
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
DROGENKURIER
                                                                                                    9
                                                                                                         topthema

                                                  Gibt es wirklich hohe
 Fraktion         Ja      Nein Enthaltung                                                                    wiegenden somatischen und psychi-
                                                  Zugangshürden?
 SPD             206         1         -                                                                     schen Störungen bei derzeit über-
                                                  Bereits kurz nach der Abstimmung gab es
                                                                                                             wiegend intravenösem Konsum vor-
 CDU/CSU          11       196         1          viele Stimmen, die sagten: „Das bekommen
                                                                                                             liegt,
 FDP              45         -         2          doch eh nur die wenigsten Leute – man muss
                                                                                                         3. ein Nachweis über zwei erfolglos be-
                                                  wieder erst todkrank sein – wie vor 25 Jahren
 DIE LINKE        44         -         -                                                                     endete Behandlungen der Opiatab-
                                                  beim Methadon“.
                                                                                                             hängigkeit, davon eine mindestens
 BÜNDNIS 90/                                         Blickt man in das Gesetz so relativiert sich
             43              -         -                                                                     sechsmonatige Behandlung gemäß
 DIE GRÜNEN                                       dieser Vorwurf ebenfalls. Selbstverständlich
                                                                                                             den Absätzen 2, 6 und 7 einschließ-
 Gesamt          349      198*         3          gibt es für die Behandlung mit Diamorphin
                                                                                                             lich psychosozialer Betreuungsmaß-
                                                  – wie für andere Substitute auch – Indika-
 * Ein fraktionsloser Abgeordneter stimmte mit                                                              nahmen, vorliegt und
                                                  tionen und Zugangskriterien.
   „NEIN“                                                                                                4. der Patient das 23. Lebensjahr vollen-
                                                                                                             det hat.
                                                  Das Gesetz sagt
                                                                                                         (9b) Die Behandlung mit Diamorphin darf
   Unser Dank gilt selbstverständlich al-
                                                    „(9a) … Der Arzt darf Diamorphin nur ver-            nur in Einrichtungen durchgeführt werden,
len UnterstützerInnen dieses Gesetzes. Ein
                                                   schreiben, wenn                                       denen eine Erlaubnis durch die zuständige
besonderer Dank geht an jene Abgeordne-
                                                   1. er selbst eine suchttherapeutische Qua-           Landesbehörde erteilt wurde.“
ten** der CDU/CSU Fraktion die sich gegen
                                                      lifikation im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1
den Druck aus der eigenen Fraktion dazu                                                                    Man könnte also auch sagen, dass kaum
                                                      Nr. 6 erworben hat, die sich auf die Be-
entschlossen haben für die Heroingestütz-                                                               ein Heroinkonsument von der Behandlung
                                                      handlung mit Diamorphin erstreckt, oder
te Behandlung zu stimmen.                                                                               mit Heroin ausgeschlossen wird, da die hier
                                                      er im Rahmen des Modellprojektes „He-
                                                                                                        beschriebenen Indikationen die allermeis-
                                                      roingestützte Behandlung Opiatabhän-
Was steht im Gesetz?                                                                                    ten Heroinkonsumenten erfüllen
                                                      giger“ mindestens sechs Monate ärzt-
In vielen Diskussionen wird der Wert des
                                                      lich tätig war,
Gesetzes bereits abgeschwächt, da viele                                                                 Wo kann behandelt werden?
                                                   2. bei dem Patienten eine seit mindes-
fälschlicherweise der Auffassung sind Dia-                                                              Auch hier hat der Gesetzgeber keine un-
                                                       tens fünf Jahren bestehende Opiat-
morphin wäre wie Codein nur ein Medika-                                                                 überwindbaren Hürden in das Gesetz ge-
                                                       abhängigkeit, verbunden mit schwer-
ment das in Ausnahmefällen angewandt                                                                    schrieben, denn dort heißt es:
werden darf.
   Dies ist nicht richtig, denn der Geset-
zestext lautet:
                                                     +++ Presse
                                                     PRESSE  ++++++ Presse
                                                                 PRESSE    +++
                                                                         +++   Presse+++
                                                                             PRESSE   +++PRESSE
                                                                                          Presse
 „Als Substitutionsmittel darf der Arzt nur          Stuttgart, 23.06.2009 n Die Landtagsfraktion der FDP will die Pläne der CDU
 a) Zubereitungen von Levomethadon, Me-             zur kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstabhängige nachbessern. Die medi-
     thadon, Levacetylmethadol und Bu-               zinische Behandlung von Schwerstabhängigen müsse im Land möglichst flächen-
     prenorphin,                                     deckend und wohnortnah angeboten werden.
 b) in begründeten Ausnahmefällen Codein               So sollten Süchtige nicht nur in ausgewählten größeren Städten und nicht nur
     oder Dihydrocodein,                             an den Zentren der Psychiatrie mit künstlichem Heroin behandelt werden können
 c) Diamorphin als zur Substitution zugelas-        – sondern möglichst immer genau dort, wo sie wohnen und leben, sagte der Frak-
     senes Arzneimittel oder                         tionschef der Liberalen Hans-Ulrich Rülke gestern.
 d) ein anderes zur Substitution zugelasse-            Wenn nötig, solle die Behandlung auch in einer gewöhnlichen Arztpraxis er-
     nes Arzneimittel                                laubt werden – vorausgesetzt, der Arzt besitzt die fachliche Kompetenz dafür. He-
 verschreiben.“                                      roinabhängige seien zumeist in größeren Städten zu finden, während die Zentren
                                                     für Psychiatrie vor allem im ländlichen Raum angesiedelt seien, begründete Rül-
Also kein Ausnahmefall oder kein Präpa-              ke seine Forderung. Viele Süchtige seien aber nicht mobil genug, um an den Ort
rat der 2. Klasse.!!!                                der Therapie zu reisen.
                                                        Rülke kündigte an, nun gemeinsam mit der CDU und dem Sozialministerium ein
                                                     Konzept zur wohnortnahen Abgabe von künstlichem Heroin zu erarbeiten.
** Ursula Heinen, Jürgen Klimke, Norbert               Mit seiner Forderung unterstützt Rülke den Kurs von Sozialministerin Moni-
    Königshofen, Stefan Müller (Erlangen),           ka Stolz (CDU), die ebenfalls für ambulante Angebote eintritt. Er hoffe auf eine
    Rita Pawelski, Dr. Heinz Riesenhuber,            schnelle Einigung mit der CDU: „Die Betroffenen haben keine Zeit zu verlieren",
    Uwe Schummer, Bernd Siebert, Gerald              betonte der FDP-Fraktionschef.
    Weiß (Groß-Gerau), Ingo Wellenreuther,                                                                                Quelle: SWR
   Elisabeth Winkelmeier-Becker
DROGENKURIER - 20 Jahre JES-Netzwerk Für ein menschenwürdiges Leben mit Drogen - JES Bundesverband
topthema 10                      DROGENKURIER

                                                  stunden werden dann mit Methadon oder          Diamorphin teurer als … ?
    „Die Behandlung mit Diamorphin darf
                                                  Polamidon überbrückt.                          Viele Kritiker und Gegner argumentieren
 nur in Einrichtungen durchgeführt werden,
                                                     Aber, und das ist sicher das wichtigste,    immer mit den angeblich weitaus höheren
 denen eine Erlaubnis durch die zuständige
                                                  diese Behandlungsform hat immense sozi-        Kosten der Heroinbehandlung. Hierzu ist
 Landesbehörde erteilt wurde.
                                                  ale und gesundheitliche Potentiale und Ef-     folgendes zu sagen:
    Die Erlaubnis wird erteilt, wenn
                                                  fekte.                                             Die gesetzlichen Krankenkassen wer-
    1. nachgewiesen wird, dass die Einrich-
                                                                                                 den, vorbehaltlich einer entsprechenden
        tung in das örtliche Suchthilfesystem
                                                  Was passiert nun?                              Entscheidung des Gemeinsamen Bundes-
        eingebunden ist,
                                                  Der Gesetzgeber hat den GBA ( Gemeinsamer      ausschusses, mit den Kosten der Diamor-
    2. gewährleistet ist, dass die Einrichtung
                                                  Bundesausschuss) beauftragt festzulegen        phinbehandlung belastet. Dies betrifft so-
        über eine zweckdienliche personelle
                                                  unter welchen Kriterien oder Bedingungen       wohl die ärztlichen Leistungen als auch die
        und sachliche Ausstattung verfügt,
                                                  die Diamorphinbehandlung in den Leis-          Kosten des Arzneimittels.
    3. eine sachkundige Person, die für die
                                                  tungskatalog der Gesetzlichen Krankenkas-          Perspektivisch werden die Haushalte von
        Einhaltung der in Nummer 2 genann-
                                                  sen (GKV) aufgenommen wird.                    Ländern und Kommunen sowie die gesetz-
        ten Anforderungen, der Auflagen der
                                                     Dieses Verfahren wird sicherlich noch ei-   lichen Krankenkassen und Rentenversiche-
        Erlaubnisbehörde sowie der Anord-
                                                  nige Monate in Anspruch nehmen, sodass         rungsträger von den Kosten wiederholter,
        nungen der Überwachungsbehörde
                                                  vor Ende des Jahres sicher nicht mit einer     aber letztendlich erfolgloser Suchthilfe-
        verantwortlich ist (Verantwortlicher),
                                                  Entscheidung gerechnet werden kann             maßnahmen entlastet. Durch die Diamor-
        benannt worden ist.“
                                                                                                 phinbehandlung können gerade solche
Klar ist hingegen,                                Was könnt ihr tun?                             Konsumenten erreicht werden, bei denen
•	dass es keine Take Home Vergabe geben          Wie bereits beschrieben, gilt es nun dieses    eine herkömmliche Substitutionsbehand-
   wird,                                          Gesetz mit Leben zu füllen. Das heißt, ihr     lung wenig erfolgreich verläuft oder die von
•	dass die psychosoziale Betreuung nur für       müsst vielleicht gemeinsam mit der Aids        anderen Maßnahmen der Drogenarbeit gar
   die ersten 6 Monate der Behandlung ob-         Hilfe oder der Drogenhilfe in eurer Stadt      nicht erreicht werden. Hierdurch können
   ligatorisch ist                                den Bedarf für eine Diamorphinvergabe in       Kosten für die Behandlung späterer Folge-
•	Diamorphin nicht für die Schmerzbe-            eurer Stadt deutlich formulieren und arti-     und Begleiterkrankungen, für wiederholte
   handlung zugelassen ist                        kulieren.                                      Entzugs- und Rehabilita- tionsmaßnahmen
•	dass es nur in spritzbarer Form zur Ver-          Setzt euch mit den politischen Vertre-      sowie für sonstige Drogenhilfemaßnahmen
   fügung steht.                                  tern eurer Stadt in Verbindung um auch         reduziert werden.
Und … aufgrund der gesetzlichen Rahmen-           dort den deutlich zu machen das die Subs-          Darüber hinaus ist für die öffentlichen
bedingungen und der kurzen Halbwertzeit           titution mit Heroin auch in eurer Stadt an-    Haushalte aufgrund der verbesserten Le-
von Diamorphin wird die Behandlung mit            geboten werden muss. Sicherlich ist es hilf-   galbewährung der Patientinnen und Pa-
Diamorphin höchst anspruchsvoll sein und          reich wenn ihr eure kräfte bündelt und mit     tienten langfristig eine Ersparnis bei den
von euch als vielleicht zukünftige Patien-        Unterstützern kooperiert.                      durch Delinquenz verursachten Kosten zu
ten viel Disziplin erfordern.                        In einigen Städten und Bundesländern        erwarten.
   Die Erfahrungen in den deutschen Stu-          wie in Berlin und in baden Württemberg gibt        Also nur Mut es gibt viele gute Argumen-
dienorten und im Ausland zeigen, dass man         es bereits jetzt Bestrebungen entsprechen-     te für die Einrichtung einer Diamorphinbe-
zwei- bis dreimal täglich in die Ambulanz         de Einrichtungen zu b denen diese neue Be-     handlung in eurer Stadt. l
muss um das Heroin zu spritzen. Die Nacht-        handlungsform angegliedert werden kann.                                         Dirk Schäffer

                                                  Alexander Dietsch ist tot
                                                  Völlig überraschend verstarb im April 2009 Alexander Dietsch aus Wuppertal.
                                                  Alexander war über viele Jahre im JES-Netzwerk aktiv. Als Koordinator der JES-
                                                  Westschiene gehörte Alexander bis 2007 dem JES-Sprecherrat an.

                                                  Alexander hat ferner maßgeblich an der Entwicklung von JES-Wuppertal mit-
                                                  gewirkt hat. Seine zurückhaltende und freundliche Art wird uns fehlen.

                                                                                  Das bundesweite JES-Netzwerk trauert um Alexander
DROGENKURIER
                                                                                                   11
                                                                                                         leben mit drogen

Der Drogen- und Suchtbericht
der Bundesregierung
W ie in den Jahren zuvor wollen wir euch, den Leserin-                      Vorjahr sind Rückgänge der Sicherstellungsmengen von Heroin und
nen und Lesern des DROGENKURIER einen Einblick in                           Kokain zu verzeichnen. Großsicherstellungen mit zum Jahr 2007
                                                                            vergleichbaren Mengen blieben in Deutschland aus. Die Sicher-
den Suchtbericht der Bundesregierung bieten.                                stellungsmenge von Amphetamin stieg im siebten Jahr in Folge.

W
                                                                            2008 erfolgte mit 284 kg die bislang größte Einzelsicherstellung
                       ir konzentrieren uns hierbei auf den Konsum von      von Amphetamin in Deutschland. Die Zahl der Drogenlabore stieg,
                       Opiaten, der Drogenkriminalität und der Substitu-    insbesondere wurden vermehrt Kleinlabore zur Methamphetamin-
                       tionsbehandlung. Zu unserer Freude, wurden eine      herstellung sichergestellt.
                       Projekte der DAH und JES als so wichtig erachtet,       Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der EKhD im Jahr 2008
                       dass sie im Suchtbericht erläutert wurden.           um 3 % von 18.620 auf insgesamt 19.203 Personen (Abb. 1). Insbe-
                                                                            sondere bei den synthetischen Drogen wurden Steigerungen fest-
Die Situation in Deutschland im Jahr 2008                                   gestellt.
Schätzungen der Bundesregierung gehen davon aus, dass rund                     So stieg die Zahl der EKhD bei Amphetamin (+9 %), LSD (+9 %)
200.000 Menschen in Deutschland illegale Drogen, d. h. Opiate,              und Ecstasy (+7 %) an. Auch bei Kokain war eine Zunahme (+4 %)
Kokain und Amphetamine sehr riskant konsumieren, d. h. injizie-             zu verzeichnen, während die Entwicklungen bei Heroin (-6 %)
ren. Nach dem Bericht des nationalen REITOX Knotenpunkts an die             und vor allem bei Crack (–30 %) und kristallinem Methampheta-
EBDD 2008 werden vor allem in jüngeren Altersgruppen bis etwa 40            min (-22 %) deutlich rückläufig waren.
Jahre illegale Drogen konsumiert. Dies gilt jedoch nicht für Hero-
in: hier ist das Durchschnittsalter über 35 Jahre.                          Weniger i.v. Konsum zugunsten vermehrtem
   Grundlagen der Darstellung der Drogensituation in Deutschland            inhalativem Konsum
bilden die Auswertungen der Falldatei Rauschgift (FDR) sowie der            Nach wie vor ist in Deutschland der intravenöse Konsum stark mit
Personendatei. Die darin erfassten Daten basieren auf von den zu-           Heroin verknüpft. Berechnungen auf der Basis von Zahlen aus
ständigen Strafverfolgungsbehörden getroffenen Feststellungen.              Behandlung, Polizeikontakten und Drogentoten führen zu einer
                                                                            Schätzung der Zahl problematischer Konsumenten von Heroin von
Aktuelle Entwicklungen                                                      rund 150.000 Personen. Heroin wird von knapp zwei Drittel der Kli-
Die Gesamtzahl der EKhD ( Erstauffällige Konsumenten harter Dro-            enten vorwiegend injiziert, wobei der intravenöse Gebrauch von
gen) stieg erstmals seit dem Jahr 2004 wieder an. Im Vergleich zum          Heroin seit 2003 zugunsten des Rauchens gesunken ist.

 Abb. 1: Erstauffällige Konsumenten harter Drogen (EKhD)

 Zeitraum                      Gesamt*          Heroin          Kokain     Meth-/Amphetamin**        Ecstasy           Crack           Sonstige***

 01.01. –31.12. 2007            18.620           4.153           3.812              9.949               2.038           498               456

 01.01. –31.12. 2008            19.203           3.900           3.970              10.631              2.174           350               444

 Veränderungen                  +3,1 %           -6,1 %          +4,1 %            +6,8 %               +6,7 %        -29,7 %            -2,6 %

 *** 	Jede Person wird in der Gesamtzahl nur einmal als erstauffälliger Konsument harter Drogen registriert. Zur Aufhellung des polytoxikomanen Kon-
      sumverhaltens ist jedoch die Zählung einer Person bei mehreren Drogenarten möglich.
 *** 	Unter den 10.631 Personen im Jahr 2008 befinden sich 443 erstauffällige Konsumenten von kristallinem Methamphetamin. Gegenüber dem Jahr 2007
      (567 Personen) bedeutet dies einen Rückgang um 21,9 %.
 ***	Unter den 444 Personen im Jahr 2008 befinden sich 158 erstauffällige Konsumenten von LSD. Gegenüber dem Jahr 2007 (145 Personen) bedeutet dies
      einen Anstieg um 9,0 %.

                                                                                                                       Quelle: Bundeskriminalamt, 2008
leben mit drogen 12                                DROGENKURIER

                                                                              Neben der Vermittlung von Wissen ist die soziale Komponente
                                                                          dieser neuen Präventionsmethode zu betonen. Über das Spiel kom-
                                                                          men die Drogenkonsumenten miteinander ins Gespräch und lernen
                                                                          sich kennen. So entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft – ein Wert
                                                                          der insbesondere bei Drogen gebrauchenden Menschen häufig zu
                                                                          kurz kommt. Das Spiel kommt vorrangig in Kontakt- und Cafébe-
                                                                          reichen niedrigschwelliger Einrichtungen zum Einsatz.

                                                                         Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch
                                                                         Das „Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch“ publizierte
                                                                         im Rahmen der Dokumentation zum 3. Internationalen Fachtag
                                                                         Hepatitis C Hamburg 2007 ein Factsheet „Fakten zu Hepatitis-C-
                                                                         Virus-Infektionen“. Es ist zur Auslage und Mitnahme in Einrichtun-
                                                                         gen und Praxen gedacht und zielt als kompakte Kurzinformation
                                                                         auf Mitarbeiter/innen von Drogen- und AIDS-Hilfeeinrichtungen,
                                                                         Betroffene und Infektionsgefährdete sowie Mediziner und deren
                                                                         Mitarbeiter/innen. Es informiert über die Epidemiologie, Präven-
                                                                         tion und Behandlung der Hepatitis-C-Infektion sowie über den
                                                                         Verlauf der Erkrankung. Individuelle sowie gesundheits- und ge-
                                                                         sellschaftspolitische Folgen werden beschrieben. Ende 2008 er-
                                                                         schien die zweite Auflage. (JES und die DAH sind Mitglied des
 Das neue Präventionsspiel                                               Aktionsbündnisses)
 Erfreulicher Weise wurden im Bericht der Bundesregierung auch
 einige Projekte von JES und der Deutschen AIDS-Hilfe aufgegrif-         Substitutionsbehandlung
 fen. Von besonderer Bedeutung ist für uns, dass das von JES mit-        Die Zahl der gemeldeten Substitutionspatienten steigt seit Beginn
 entwickelte erste Präventionsspiel der DAH vorgestellt wurde. Hier      der Meldepflicht nach Zahlen des Bundesministeriums kontinu-
 der Text des Suchtberichtes:                                            ierlich an: Zum 1. Juli 2002 waren 46.000 Substitutionspatienten
                                                                         gemeldet, zum 1. Juli 2008 waren im Substitutionsregister bereits
  Präventionsspiel „Asphaltdschungel“                                    72.200 Patientinnen und Patienten verzeichnet (Abb. 2).
  In der Arbeit mit Drogen gebrauchenden Menschen bedarf es immer
  wieder neuer Anreize, um das Bewusstsein für die Themen Gesund-         Abb. 2: Anzahl gemeldeter Substitutionspatienten
  heit, HIV und Hepatitis zu erhalten oder zu erhöhen. Mit Förderung      in Deutschland (jeweils Stichtag 1. Juli)
  der BZgA wurde ein Brett- und Würfelspiel für Drogen konsumie-
  rende Frauen und Männer entwickelt.                                                                                                    72.200
      Mit dem Präventionsspiel „Asphaltdschungel“ soll die Bereit-                                                            68.800
  schaft erhöht werden, eigenes Verhalten zu reflektieren und Wis-                                                 64.500
                                                                                                         61.000
  sensdefizite z. B. in Bezug auf Substanzwirkung und Infektions-                             57.700
  risiken zu minimieren. Soziale und gesundheitliche Folgen des                     52.700
  Drogenkonsums können in „spielerischer“ Form erfasst werden.
  Um schneller zum Ziel vorzurücken, müssen während des Spielver-         46.000
  laufs Fragen z. B. zu Übertragungswegen von HIV und Hepatitis,
  Safer Sex, Hygiene und Maßnahmen der Infektionsvermeidung be-
  antwortet werden.
      Ziel des Spiels ist es, aufgrund der vielen Informationen Impul-
  se zu setzen, den eigenen Lebenshintergrund (z. B. Hilfsangebote,
  Arztbesuche, Behördengänge) zu strukturieren. Durch das (Vor-)
  Lesen von Fragen, die Formulierung von Antworten und das Zuhö-
  ren werden unterschiedliche Formen der Wahrnehmung angespro-
  chen und die Kommunikation der Mitspieler/innen angeregt. Auf
  die Einbindung individueller und taktischer Fähigkeiten des Ein-
  zelnen im Spielverlauf wird verzichtet, um die Konzentration auf         2002     2004       2004       2005      2006       2007       2008
  den Inhalten zu belassen.                                                             Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
DROGENKURIER
                                                                                                       13
                                                                                                            leben mit drogen

   Bei der Zahl der meldenden Substitutionsärzte lässt sich bis                   Medikamente zur Substitution
2007 ein kontinuierlicher leichter Anstieg feststellen.                           Das überwiegend gemeldete Substitutionsmittel ist Methadon
   Im Jahr 2008 haben Ärztinnen und Ärzte mit nur wenigen an-                     (2008: 59,7 %).
gemeldeten Patientinnen und Patienten auf individuelle Nachfra-                      Allerdings steigt seit mehreren Jahren der Anteil von Buprenor-
ge des BfArM rückwirkend mitgeteilt, dass sie keine Substituti-                   phin (von 9,7 % in 2002 auf 18,9 % in 2008) und Levomethadon
onsbehandlungen mehr durchführen, so dass die Zahl in 2008 auf                    (von 16,2 % in 2002 auf 20,6 % in 2008, Abb. 4). Weitere gemelde-
2.673 substituierende Ärztinnen und Ärzte gesunken ist. Die Zahl                  te Substitutionsmittel in 2008 waren: Dihydrocodein (0,4 %), Dia-
der seitens der Ärztekammern gemeldeten und registrierten sucht-                  morphin (0,3 %) und Codein (0,1 %).
therapeutisch qualifizierten Ärztinnen und Ärzte (2008: ca. 6.900)
liegt deutlich höher als die Zahl der substituierenden Ärztinnen                  Drogenselbsthilfe-Netzwerk JES:
und Ärzte (Abb. 3).                                                               „Profis fördern Selbsthilfe“
                                                                                  Selbsthilfen von Junkies, Ehemaligen und Substituierten sind seit
 Abb. 3: Anzahl der im Substitutionsregister registrierten                        vielen Jahren im Bereich Drogen, HIV/Aids und Hepatitis tätig.
 Ärzte                                                                            Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass auch die Mitar-
                                                                                  beit in der JES-Selbsthilfe die Abstinenzmotivation stärken und
    substituierende Ärzte
                                                                                  die Entstehung sozialer Netzwerke fördern kann.
    Ärzte mit suchttherapeutischer Qualifikation
                                                                                      Sie erhöhen u. a. die Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen
                                                                          6.919   und leisten in diesem Zusammenhang wertvolle Dienste im Sinne
                                                           6.626
                                               6.329                              der HIV/Aids- und Hepatitisprävention sowie der Schadensmini-
                               5.984                                              mierung. Trotz dieser positiven Effekte haben viele Einrichtungen
                   5.516
       5.146                                                                      der Drogenhilfe keinen Bezug zur Selbsthilfe Drogen gebrauchen-
                                                                                  der Menschen bzw. zu geringe Kenntnisse über Möglichkeiten der
                                                                                  Selbsthilfeförderung.
                                                                                      Deshalb wurde eine neue Veranstaltungsreihe des JES-Netz-
2.607          2.616       2.664        2.706          2.786          2.673       werks organisiert, die 2007 und 2008 in sechs Städten durchge-
                                                                                  führt wurde. Ziel ist es, die Relevanz der Peer-Arbeit zu vermitteln.
                                                                                  Die Teilnehmer/innen sollten ermutigt werden, im Rahmen ihrer
                                                                                  täglichen Begegnung mit Drogenkonsumenten als Multiplikatoren
                                                                                  zu agieren und sie zu einem Engagement in der Selbsthilfe zu mo-
                                                                                  tivieren. Es wurden einerseits das JES-Selbstverständnis und ande-
   2003          2004        2005             2006       2007           2008      rerseits Grundlagen der Selbsthilfeförderung vorgestellt. l
                  Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
                                                                                                                        JES-Sprecherrat/Dirk Schäffer

        Abb. 4: Entwicklung der Häufigkeit gemeldeter Substitutionsmittel
                 72,1                70,9
                                                               68,3
  70                                                                              66,2
                                                                                                     64,1
                                                                                                                        61,4               59,7
 60
           Methadon
           Levomethadon
  50
           Buprenorphin

 40

  30
                                                                                                                        19,0               20,6
                                                                                  17,2               18,0
 20              16,2                14,8                      15,6
                                                                                                                        18,6               18,9
                                                                                  15,8               17,2
  10                                                           15,0
                                       12,9
                 9,7
   0
                2002                 2003                      2004               2005              2006               2007               2008
leben mit drogen 14                              DROGENKURIER

 Erleichterungen für Ärzte
 und Substituierte
 23. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (23. BtMÄndV)
 in Kraft getreten

 V
              or einigen Wochen ist die        bungsverordnung (BtMVV) werden um zwei             brückung von Wochenenden und Fei-
              23. Betäubungsmittelrechts-      wichtige Punkte erweitert:                         ertagen die Voraussetzung für eine
              Änderungsverordnung (23.         •	Um Urlaubs- und Krankheitsphasen sub-           kontinuierliche und flächendeckende
              ­BtMÄndV) in Kraft. Damit ist       stituierender Ärztinnen und Ärzte – im          Versorgung geschaffen.
               ein weiterer Schritt getan um      Sinne einer kontinuierlichen Substituti-
 eine praxisnahe und somit auch patienten-        onsbehandlung – besser überbrücken zu        Zur Urlaubs- und
 gerechtere Substitutionsbehandlung zu er-        können, wird eine modifizierte Regelung      Krankheitsregelung:
 möglichen.                                       für Vertretungsfälle eingeführt.             Bisher war in § 5 BtmVV geregelt, dass die
                                               •	Daneben besteht ab jetzt die Möglich-        Vertretung substituierender, suchtmedizi-
 Was hat sich eigentlich verändert?               keit, Substitutionsmittel für die Dauer      nisch qualifizierter Ärztinnen und Ärzte
 Die Vorschriften zur Substitutionsbehand-        von bis zu zwei Tage zu verschreiben.        grundsätzlich nur dann möglich ist,
 lung in § 5 der Betäubungsmittel-Verschrei-      Hierdurch wird insbesondere zur Über-        wenn die Vertreterin oder der Vertreter

    500 Fragen und Antworten zur Substitutionsbehandlung
    Das Forum „Substitution und Recht“                                    Fragen können z. B. zu folgenden Bereichen der Substitution
                                                                       gestellt werden
    Die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger in           l Behandlungsvertrag

    Deutschland unterliegt mannigfaltigen Regelungen, Verordnun-       l Urinkontrollen

    gen und Gesetzen, die die Behandlung für Patienten und Ärzte       l Take Home Vegabe

    deutlich erschweren können.                                        l Beendigung der Behandlung

       Die Autoren des Buches „500 Fragen Substitution und Recht“      l PSB

    Dr. Bernd Weber Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin und He-         Das Internetprojekt und das daraus resultierende Buch lebt von eu-
    patologie und Jörn Schroeder-Printzen Fachanwalt für Medizin-      ren Fragen, daher möchte ich euch an dieser Stelle dazu ermuntern
    recht unternehmen mit diesem Internetforum und mit dem Ende        einmal einen Blick auf die Seite www.500fragen.de zu werfen und
    2009 erscheinenden Buch den Versuch, die rechtlichen Aspekte der   jene Fragen zu stellen die euch schon immer interessiert haben.
    Behandlung unter rein praktischen Gesichtspunkten aufzuarbei-         Die Befragung wird selbstverständlich vollständig anonym aus-
    ten und Ärzten, Patienten und Beratern eine Hilfe an die Hand zu   gewertet.
    geben.                                                                                                                   Dirk Schäffer
DROGENKURIER
                                                                                       15
                                                                                            leben mit drogen

ebenfalls suchtmedizinisch qualifi-
ziert ist.
                                             Kommentar
   Diese zweifellos richtige Regelung
hat in einigen Regionen zu erheblichen
Problemen bei einer kontinuierlichen Si-
cherstellung der Substitution geführt.
Zukünftig können Ärztinnen oder Ärz-
te mit suchtmedizinischer Qualifikati-
on – ausnahmsweise und für einen be-
grenzten Zeitraum – durch eine Ärztin
oder einen Arzt ohne diese besondere
Qualifikation vertreten werden (insge-
samt maximal 12 Wochen im Jahr).
   Für uns als JES-Netzwerk bietet die-
se neue Regelung die Chance, neue Ärzte      Hatz auf Drogenuser von Erfolg gekrönt
für die Behandlung von Substituierten
gewinnen zu können und so die Anzahl         Die Stimmungsmache gegen Drogenkosumenten am Kottbusser Tor im Berliner Bezirk
substituierender Ärzte mittelfristig zu-     Kreuzberg trägt erste Früchte. Über Wochen hinweg sah sich die Szene einer Kampagne
mindest konstant bleibt oder gar an-         von Bürgerwehren und selbsternannten Fachpolitikern ausgesetzt, die eine Verdrängung
steigt.                                      der User forderten. Flankiert von unerträglicher Berichterstattung der Berliner Leitmedien,
                                             mobilisierten die Sicherheits- und Ordnungsfanatiker zu Demonstrationen und setzten an-
Zur Verschreibung                            stelle einer sachlichen Auseinandersetzung auf populistische Parolen und Bauernfängerei
für bis zu zwei Tage                         (DROGENKURIER berichtete). Vor allem der CDU-Abgeordnete Kurt Wasner machte sich als
Die Verordnung für bis zu zwei Tage bie-     wahrlich profunder Kenner der Szene einen Namen. Er konstatierte in einem Interview bei
tet die Chance Behandlungslücken zu          TV Berlin, dass der Drogenkonsumraum in der Drednerstrasse bereits bei seiner Einrichtung
schließen die aufgrund der Öffnungszei-      höchstumstritten war, da die Drogenszene ja nur 100 Meter entfernt liegt.
ten substituierender Praxen und ande-            Wie jetzt, wir dachten das Drogenkonsumräume seit 15 Jahren in Szenennähe betrie-
rer Vergabeeinrichtungen an Sonn- und        ben werden, damit Drogenkonsumenten sie auch nutzen? Da müssen wir uns wohl ge-
Feiertagen zu Problemen geführt haben.       irrt haben …
Eine Verordnung für zwei Tage ist auch            Infolge der inszenierten „Probleme“ – es war von blutverschmierten Hauseingängen
dann möglich, wenn entsprechende Be-         und Spritzenbergen die Rede – setzten Polizei und der Sicherheitsdienst der Berliner Ver-
handlungsmöglichkeiten, etwa in länd-        kehrsbetriebe (BVG) auf verstärkte Präsenz und Kontrollen rund um den U-Bahnhof Kott-
lichen Regionen, nur in unzumutbarer         busser Tor.
Entfernung zur Verfügung stehen oder             Das Ergebnis dieser Eskalationsstrategie ist bedrückend: Die Szene ist für Präventi-
wenn Substituierte Werktags unauf-           onsmaßnahmen schwerer erreichbar als je zuvor. Dies liegt maßgeblich an ihrer räum-
schiebbare Termine wie z. B. (Vorstel-       lichen Zerstreuung quer durch die Stadt. Die verantwortlichen MitarbeiterInnen des Ver-
lungsgespräche, Fortbildung, Gericht,        eins Fixpunkt, die für die vor Ort Arbeit und den Betrieb der Drogenkonsumraums sowie
Trauerfall etc.) haben und eine Subs-        des Druckmobils zuständig sind, werden viel Zeit und Emphatie investieren müssen um
titution an jenen Tagen nicht sicherge-      das verlorengegangene Vertrauen der User aufgrund repressiver Maßnahmen der Stadt
stellt werden kann.                          zurückzugewinnen.
   Für JES bietet diese Neue Regelung            Helfen würde z. B. ein neuer szenenaher Standort für das Druckmobil. Aufgrund eiligst
auch die Chance positive Entwicklungen       monierter Fahrradständer durch Geschäfts- und Hausinhaber an just jenem Standort der
in der Behandlung zu honorieren und          für das Duckmobil vorgesehen war, besteht für die User am Kotti weiterhin keine Alterna-
Substituierten, als Vorstufe zur klassi-     tive zum Konsum in der Öffentlichkeit unter höchst unhygienischen Zuständen.
schen Take Home Regelung, das Subs-              Auch von den politischen Entscheidungsträgern der Parteien, die sich zumindest nach
titut für einen oder zwei Tage zu über-      eigenem Bekunden für eine fortschrittliche Drogenpolitik stark machen – wie Bündnis 90/
lassen. (Ob dies über die neue Regelung      Die Grünen und Die Linke, ist bezüglich der Verdrängungsstrategie nichts zu hören.
rechtlich einwandfrei ist, ist unklar). l        Die Verdrängung der Drogenszene passt indes in die derzeit vorherrschende Politik in
                                             der Bundeshauptstadt. Vor allem in Kreuzberg kommt es derzeit zu einer Verdrängung der
Der Text des 23. Betäubungsmittelrechts-     alteingesessenen Bevölkerung zugunsten finanzstarker Investoren. Somit ist dort auch für
   Änderungsverordnung (23. BtMÄndV)         Drogengebraucher, Alternative und Migranten kein Platz mehr. Mehr als Zeit, sich nun end-
                     ist erhältlich unter:   lich gemeinsam zu wehren!
                                                                                                                      Markus Bernhardt
 www.jes.aidshilfe.de/index.php?id=518
aus den regionen 16                             DROGENKURIER

 Marihuanamarch Frankfurt/M. 2009 – JES war dabei
 Frankfurt/Main 11.05. 2009 n Auch JES-        ten nicht aus den Augen zu verlieren, par-        Abschließend habe ich für jes-Frank-
 Frankfurt hat sich am weltweiten Marihua-     lamentarisch Druck zu machen und diesen       furt das Wort ergriffen. Ich habe die An-
 namarch beteiligt. Der weltweite Aktions-     zu nutzen, um auf das Thema aufmerksa-        wesenden auf unser 20jähriges Jubiläum
 tag wurde von der Grünen Hilfe e.V. und       mer zu machen. Carsten Labudda, ebenfalls     aufmerksam gemacht, den Namen jes als
 der Bundesarbeitsgemeinschaft Drogen der      von der Bundesarbeitsgemeinschaft Drogen      Antwort auf die Kampagne der Reagan-Ad-
 LINKEN veranstaltet und stand unter dem       der LINKEN, wies noch einmal auf das Mot-     ministration, just say no“, erklärt. Es galt
 Motto „Give five“, was soviel bedeuten soll   to der Frankfurter Veranstaltung hin, dass    eben 1989 den Drogenkriegern aus den USA
 wie fünf Pflanzen für jeden Kiffer. Insge-    jedem Cannabiskonsumenten gestattet sein      und der UNO einen entschlossenes just say
 samt wurde die Veranstaltung am Opern-        sollte, für seinen Eigenkonsum fünf Hanf-     jes!“ entgegen zu schleudern. Ich habe für
 platz von 70–90 Personen besucht.             pflanzen anzubauen.                           jes-Frankfurt betont, dass wir die Forderun-
    Die Grüne Hilfe e.V., die nichts mit den       Als Pressesprecher der Grünen Hilfe       gen und Ziele der Hanffreunde unterstüt-
 GRÜNEN zu tun hat, setzt sich für inhaf-      (und in Vertretung des an dieser Stelle ei-   zen. Aber jes-Frankfurt und das bundeswei-
 tierte CannabiskonsumentInnen ein, be-        gentlich vorgesehenen Jost Lessmann) re-      te jes-Netzwerk gehen noch einen großen
 sorgt Rechtsanwälte, erledigt Ämterkorres-    dete Joachim Biermanski, der rhetorisch       Schritt weiter. Die Drogenprohibition ist ge-
 pondenzen und steht für die Legalisierung     blitzsauber die Schizophrenie innerhalb       scheitert. Daraus müssen endlich die not-
 von Hanf ein.                                 des BtMG ansprach, die Ungerechtigkeit        wendigen Konsequenzen resultieren, die da
    Als JES-Frankfurt konnten wir zwar mit     bei der angeblichen Fahruntüchtigkeit         heißen: Legalisierung aller illegalisierten
 einem großen Transparent auf unsere noch      nach Cannabiskonsum,(der bereits Tage-        Drogen und zwar so schnell wie möglich!
 weitergehenden Forderungen, über die Le-      oder Wochenlang vergangen ist) benann-            Ich habe dann das jes-Positionspapier
 galisierung von Hanf hinaus, aufmerksam       te. Zum Schluss gab’s dann noch einmal        zur Legalisierung von 2003 verlesen und
 machen. Der Text lautet:                      Feuer auf Sabine Bätzing“. Berechtigte Kri-   erläutert. Bei den TeilnehmerInnen fanden
    „Die DROGENPROHIBITION fordert Mil-        tik äußerte Lessmann vor allem über die       diese jes-Vorschläge lautstarke Unterstüt-
 lionen von Menschenopfern! jes-Frankfurt      Vergesslichkeit der ehemals Jungen Sozi-      zung. Zum Schluss habe ich noch auf un-
 fordert die Legalisierung aller Drogen! So-   alisten (Jusos) in der SPD, aber auch bei     sere Veranstaltung und auf die Demonstra-
 fort!“                                        den GRÜNEN (GRÜNE Jugend) oder der FDP        tion am Gedenktag aufmerksam gemacht.
    Erster Redner für eine antiprohibiti-      (Julis). Sobald die jungen Wilden“ ins po-    Vor, während und nach der Veranstaltung
 ve Hanfpolitik war Joachim Biermanski,        litische Erwachsenenalter kommen, wer-        haben wir 300 Flugblätter mit dem jes-Po-
 von der Bundesarbeitsgemeinschaft Dro-        den die Thesen von der Legalisierung von      sitionspapier an Passanten verteilt. Alles in
 gen der LINKEN. Danach sprach Ulrich          Hanf mal mehr, mal weniger klammheim-         allem war unsere Teilnahme am Marihuana-
 Wilken (MdL), von den LINKEN, und ver-        lich entsorgt.                                march ein voller Erfolg. l
 sprach die Legalisierung von Hanfproduk-                                                                                        Christian
DROGENKURIER
                                                                                                 17
                                                                                                       aus den regionen

Ehrenamtspreis
für Projekt von VISION

I
       m Rahmen des Jahresempfangs der            Es galt Menschen mittels weißen Wänden              zess der für den Brennpunkt Köln Kalk be-
       AIDS Hilfe NRW wurde der Künstler       Gestaltungsspielräume zu geben, sie somit              sonders wichtig ist. Aus der Geschichte von
       Walbrodt und Nina Marxen mit dem        zur Kreativität zu ermutigen und die Basis             HIV/AIDS haben wir gelernt, dass Kommu-
       ,merk|würdig‘ Ehrenamtspreis der        für einen konstruktiven Dialog zu schaffen.            nikation wohl das wichtigste Instrument ist
       AIDS Hilfe NRW ausgezeichnet. Die       Mit der Zielsetzung die Integration und das            um Vorurteile abzubauen und Verständnis
Ehrung erfolgt für die Umsetzung des Pro-      Zusammenleben unterschiedlicher Gruppen                oder Akzeptanz für unterschiedliche Lebens-
jektes „Weiße Wände“ von VISION (ehem          – hier insbesondere Drogengebraucher/in-               stile zu entwickeln“, so Dirk Schäffer in sei-
Junkie Bund Köln).                             nen – zu fördern – spielgeln sie eine Leit-            ner Laudatio weiter.
   Mit dem Ehrenamtspreis ,merk|würdig‘        idee des Junkie Bundes Köln e.V./VISION
zeichnet die AIDS-Hilfe NRW Menschen           wieder.                                                Das bundesweite JES-Netzwerk möchte den
aus, die durch ihr ehrenamtliches Engage-                                                             Preisträgern Walbrodt und Nina Marxen sei-
ment hervortreten und die Aidshilfearbeit      „Nina Marxen und Walbrodt sowie der Junkie             nen Glückwunsch aussprechen und herzlich
in Nordrhein-Westfalen stark beeinflusst       Bund Köln haben es verstanden Menschen                 zum Ehrenamtspreis gratulieren. l
und geprägt haben.                             miteinander in Kontakt zu bringen, ein Pro-                                         JES-Netzwerk

Der Preis

   Dirk Schäffer, der die Laudatio für die
Preisträger hielt, machte in seiner Rede auf
die Wichtigkeit des ehrenamtlichen Enga-
gements in der Aids- und Drogenselbsthi-
flearbeit aufmerksam. So stehen allein in
NRW 1.500 ehrenamtlich tätige Mitarbeiter
215 bezahlten Mitarbeitern in Mitgliedsor-
ganisationen gegenüber. Ein eindeutiger
Beweis dafür, dass es AIDS-Hilfen und JES-
Selbsthilfen in dieser Form ohne ehrenamt-
liches Engagement nicht geben würde.
   Angeregt durch die Ausschreibung zum
Projektwettbewerb „Spuren hinterlassen …“      Die Preisträger (v.l.n.r.): K. P Schäfer (Vorstand AH NRW), Marco Jesse (VISION), Nina Marxen, Walbrodt, Dirk
der Stiftung KalkGestalten, formulierten       Schäffer (Deutsche Aids-Hilfe), Ruth Steffens (AH NRW)
beide gemeinsam Preisträger mit Mitarbei-
tern des Junkiebund Köln/VISION e.V. das
Projektziel:
neue medien 18                         DROGENKURIER

 +++ Neuerscheinung +++ Neuerscheinung +++ Neuerscheinung +++ Neuerschei

Gefängnismedizin                                 Das Buch enthält zahlreiche Abbildun-
Medizinische Versorgung unter                 gen und Tabellen und ist didaktische her-
Haftbedingungen                               vorragend aufbereitet.

Erstmalig liegt hiermit in Deutschland ein    Bessere Gesundheitsversorgung in Haft!
interdisziplinäres Handbuch zur Gefäng-       •	Alles zur besonderen Situation des me-
nismedizin vor. Autoren sind namhafte             dizinischen Personals in Haftanstalten
gesundheitswissenschaftliche und rechts-      •	der Arzt im Justizvollzug als Gutachter;
wissenschaftliche Fachleute aus Deutsch-          Haftfähigkeitsprüfung; Problematik der
land, Österreich und der Schweiz. Das             Aggravation und Simulation; Kranken-
Buch umfasst die medizinische Versor-             pflege im Justizvollzug
gung sowohl im Justizvollzug (Männervoll-     •	ethische und rechtliche Grundlagen der
zug, Frauenvollzug und Jugendvollzug)             medizinischen Arbeit in Haftanstalten,
als auch im Polizeigewahrsam. Behandelt           strafrechtliche Risiken
wird ein breites Spektrum spezifischer Pra-   •	Polizeigewahrsam und Maßregelvollzug
xisproblemen, welches von Problemen der       Praxisnah und alltagstauglich
Opiatabhängigkeit und Infektionsprophy-       •	Umgang mit Infektionskrankheiten und
laxe über psychiatrische und psychosoma-          deren Verhütung: gefängnisspezifische
tische Symptomatiken bis zu Tuberkulose           Aspekte von Virushepatitiden, HIV, Tu-
und Zahnerkrankungen reicht.                      berkulose etc.
                                              •	Besonderheiten der medizinischen Versor-         Wolfgang Schneider & Ralf Gerlach (Hg.):
                                                  gung: Frauen- und Jugendstrafvollzug,                                 VWB. Berlin 2009
                                                  Alter und Tod in Haft, Suchterkrankun-                      ISBN-13 978-3-86135-258-7
                                                  gen und allgemeinpsychiatrische Versor-
                                                  gung etc.                                    nostischen Blick auf die Ausgestaltung ge-
                                              •	verstehen was gemeint ist: Glossar ge-        genwärtiger Drogenhilfe und Drogenpolitik,
                                                  fängnistypischer Ausdrücke                   nehmen sozusagen punktuell eine bilanzie-
                                              Brandaktuell – wohin führt der Weg?              rende Gegenwartsanalyse vor, um darauf
                                              •	Qualitätsmanagement in der medizini-          aufbauend aktuelle drogenhilfepraktische
                                                  schen Versorgung: Arbeit erleichtern – Ef-   Entwicklungen aus akzeptanzorientierter
                                                  fizienz optimieren – Ressourcen nutzen       Perspektive projektbezogen zu beschrei-
                                              •	Gesundheitsförderung und Prävention in        ben und praktische Umsetzungsstrategi-
                                                  Haft: Bedeutung der medizinischen Ver-       en zu skizzieren. Die Themen reichen hier
                                                  sorgung für das soziale Umfeld und für       von „Drogenhilfe unter dem Diktat von
                                                  die Zeit „danach“                            Ökonomisierung, Qualitätssicherung, Eva-
                                              •	über den Tellerrand geschaut: interna-        luation und sozialer Kontrolle“, „Migration
                                                  tionale Aspekte der Gesundheitsversor-       und ambulanter Drogenhilfe“, „Psycho-
                                                  gung in Strafanstalten; Infoboxen zu         soziale Unterstützungsangebote im Rah-
                                                  besonderen Programmen und Maßnah-            men von Substitutionsbehandlungen“,
                                                  men in Österreich und in der Schweiz.        „Drogenhilfe und alternde Konsumen-
                                                                                               ten“, „Problem- und Risikodroge Canna-
                                                                                               bis?“, „Alkoholkonsum – (k)ein Thema der
                                              Drogenhilfe und                                  Drogenhilfe?“, „Konsumraum als Ort der
                                              Drogen­politik –                                 Prävention von Drogennotfällen und Dro-
                                              Kritische Gegenwarts­diagnosen                   gentodesfällen“, „Reise- und Take-Home-
                                                                                               Möglichkeiten für Substitutionspatienten“.
Karlheinz Keppler, Heino Stöver (Hg.):        Die Autoren dieses 45. Bandes in der Reihe       Diese Veröffentlichung ist auch als ein Bei-
Georg Thieme Verlag 2009                      „Studien zur qualitativen Drogenforschung        trag zur möglichen Auflösung der drogen-
ISBN 978-3-13-147731-6                        und akzeptierenden Drogenarbeit“, hrsg.          politischen Erstarrung von Drogenhilfe zu
89,95 Euro                                    von Indro e.V. werfen einen kritisch-diag-       verstehen. Vielleicht ein Utopie?!
Sie können auch lesen