Leidfaden - Schulz von Thun Institut

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Leidfaden - Schulz von Thun Institut
8. Jahrgang   2 | 2019 | ISSN 2192-1202

Leid faden             FA C H M A G A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D , T R A U E R

Herausforderung Kommunikation
Brücken und Wege
Interview mit Friedemann Schulz von Thun zu Kommunikation und innerer
Wahrheit Dominik Probst Die Bedeutung von Loben und Danken für das
Gelingen von Kommunikation Matthias Schnegg Hört da wer? – Gebet als
Kommunikation Lukas Radbruch Der Dolmetscher – Freund oder Feind?
Leidfaden - Schulz von Thun Institut
Inhalt
                                                               1   Editorial

                                                               4   Friedemann Schulz von Thun im Gespräch mit
                                                                   Sylvia Brathuhn
                                                                   Interview zu Kommunikation und
                                                                   innerer Wahrheit

                                                               9   Caroline Mohr
                                                                   Gelungene Online-Kommunikation – Virtuelle
                                                                   Selbsthilfe im Internetforum der ­Frauenselbsthilfe
            9 Caroline Mohr | Gelungene Online-
                                                                   nach Krebs
               Kommunikation – Virtuelle Selbsthilfe
               im Internetforum der ­Frauenselbsthilfe
               nach Krebs                                     12   Wolfgang Lalouscheck
                                                                   Gesunde Kommunikation in der Krise – Was ist
                                                                   nötig? Was ist möglich? Was braucht es keinesfalls?

                                                              16   Helmut Dörmann
                                                                   Trauer und Dialog

                                                              22   Gernot Brauchle und Maria Brauchle
                                                                   Zur hilfreichen Kommunikation nach traumatischen
                                                                   Krisen – Aufgaben, Setting und Zeitpunkte von
                                                                   unterstützenden Gesprächen

                                                              26   Mandy Falke
                                                                   Paarkommunikation unter dem Aspekt (m)einer
                                                                   lebensbedrohlichen Erkrankung

          26 Mandy Falke | Paarkommunika-
              tion unter dem Aspekt (m)einer
              lebensbedrohlichen Erkrankung
                                                              30   Dominik Probst
                                                                   Die Bedeutung von Loben und Danken für das
                                                                   Gelingen von Kommunikation

                                                              33   Sabine Kirton
                                                                   Eine Woche im September – Gesundheitswandern

36 Waltraud Reichle | Auf Intensivstation: Begleitung von         oder Lebenspilgern
    sedierten und komatösen Patientinnen und Patienten

                                                              36   Waltraud Reichle
                                                                   Auf Intensivstation: Begleitung von sedierten und
                                                                   komatösen Patientinnen und Patienten

                                                              40   Matthias Schnegg
                                                                   Hört da wer? – Gebet als Kommunikation

                                                              43   Vladimir Jankélévitch (Zitate) und
                                                                   Rainer Maria Rilke (Gedicht)

                                                              45   Doreen Herinek und Michael Ewers
                                                                   Miteinander, nicht nebeneinander –
                                                                   Interprofessionelle Kommunikation
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48 Patrik Honegger | Belastung und Entlastung – Nachbesprechungen auf der Notfallstation

48   Patrik Honegger                                           79      Kathrin Spielvogel
     Belastung und Entlastung – Nachbesprechungen                      Diagnose Krebs – Helfen Kunst und Kommu­
     auf der Notfallstation                                            nikation in der Krise? – Gedankensplitter

51   Lukas Radbruch                                            81      Josef Beran
     Der Dolmetscher – Freund oder Feind?                              Kommunikation in der Kinderwunschpraxis –
                                                                       Eine Herausforderung für alle Beteiligten

53   ‫داستاني نه شعر‬
                                                               84      Stefanie Becker

54   Heinz Lahrmann                                                    Wie Altersbilder unsere Sprache bestimmen –
     Herausforderung Kommunikation bei                                 Kommunikation mit älteren Menschen
     neurologischen Erkrankungen

                                                               88      Tony Styger

58   Bettina Falzeder                                                  Nähe durch Distanz – Darüber reden hilft!
     Begleitung auf vier Pfoten – Wenn tierische
     Präsenz Vertrauen schafft …                               91      Christian Gutzelnig
                                                                       Kommunikation im Krankenhaus – Hinderliche

61   Martin Franken                                                    und förderliche Strukturen und Prozesse
     Focusing in helfenden Gesprächen –
     Innere Achtsamkeit anregen und begleiten                  94      Aus der Forschung: Über den therapeutischen
                                                                       Nutzen schwangerer Palliativmedizinerinnen

64   H. Christof Müller-Busch
     Kommunikation mit sterbenskranken und                     95      Harald Tuckermann
     sterbenden Menschen                                               Entschieden ist nicht erledigt – Die kommunikative
                                                                       Verfertigung von Entscheidungen in Spitälern

69   Andrea Ott Wabel und Heiner Kuhn
     Kommunikation in der Führung                              98      Fortbildung: Der Wahrnehmungszirkel

73   Isabelle Karzig-Roduner und Tanja Krones                100       Rezensionen
     Advance Care Planning (ACP) – Gesundheitliche
     Vorausplanung basierend auf dem individuellen           104       Verbandsnachrichten
     Lebenssinn

                                                             107       Cartoon | Vorschau

76   Kathrin Lubig
     Tod(d) als Begleiter: Dem Thema Raum geben              108       Impressum
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4

Interview zu Kommunikation und
innerer Wahrheit

Friedemann Schulz von Thun im Gespräch mit Sylvia Brathuhn

Sie sind einer der Pioniere auf dem Gebiet der be-                       Wir boten also Trainingsveranstaltungen an.
wussten Kommunikation. Was hat Sie bewogen,                              Aber dann stellte sich heraus: Noch viel wichti-
sich so intensiv mit dem Thema Kommunikation                             ger war das Bedürfnis, auch auf der Beziehungs-
zu beschäftigen? Gibt es ein Initialgeschehen oder                       ebene miteinander besser klarzukommen. Das
andere Gründe?                                                           war die Zeit nach 1968, als die autoritären Ver-
F. Schulz von Thun: Das kam so: Ich konnte                               haltensweisen in Verruf gerieten und das Lern-
zwar gute deutsche Aufsätze schreiben, aber auf                          ziel Partnerschaft in den Vordergrund trat. Nun
der Beziehungsebene war ich ein Spätentwickler.                          wurde ich also Dozent für menschliche Qualitä-
Ich hatte keine Sprache dafür, was in mir vorging,                       ten, an denen es mir selbst ermangelte. Bald reif-
wie mir ums Herz war und was mich im Kontakt                             te in mir das Kommunikationsquadrat (mit den
mit anderen Menschen irritierte oder unsicher                            vier Schnäbeln und den vier Ohren), das ich vor
machte. Deswegen spielte ich Schach und brach-                           allem selbst brauchte, um hier klarer zu sehen.
te es zu einem passablen Turnierspieler. In mei-                         Dass dieses Modell einen solchen Anklang fin-
ner Diplomarbeit wollte ich denkpsychologische                           den würde, war eine Überraschung.
Vorgänge beim Schachspielen erforschen. Mein                                 Kein sehr eingängiges Narrativ, oder? Viel-
Lehrer Reinhard Tausch jedoch fand es wichtiger,                         leicht kann man so sagen: Das Schicksal webt
dass wir erforschen, wie Texte aller Art verständ-                       seinen Teppich aus den Fäden des Talents (deut-
licher geschrieben und gestaltet werden können.                          sche Sprache), des Entwicklungswunsches (Be-
Also gut, darüber habe ich dann auch promoviert.                         ziehungskompetenz, Herzensbildung) und dem,
   Und es dauerte gar nicht lang, da wollten Leh-                        was gesellschaftlich in der Luft liegt und gefragt
rer und Führungskräfte darin geschult werden.                            ist (partnerschaftlich statt autoritär).

                                                das Kommunikationsquadrat

                                                                  Sachinhalt

                                              Selbst-
                                              kund-                                          Appell
                                                                   Äußerung
                                               gabe
                                                                                                                             © Friedemann Schulz von Thun

          Sender                                            Beziehungshinweis                                Empfänger
    mit vier Schnäbeln                                                                                      mit vier Ohren
                       Wenn ich als Mensch etwas von mir gebe, bin ich auf vierfache Weise wirksam.
                    Jede meiner Äußerungen enthält, ob ich will oder nicht, vier Botschaften gleichzeitig.

Leidfaden, Heft 2 / 2019, S. 4–8, © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019, ISSN 2192–1202
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I n t e r v i e w z u K o m m u n i k a t i o n u n d i n n e r e r Wa h r h e i t    5

Gibt es eine Meinung oder einen Standpunkt hin-           bylonisches Durcheinander herrscht, meist auch
sichtlich Ihrer Gedanken zum Thema Kommuni-               ein Gegeneinander. Davon handelt mein Band 3
kation, der sich für Sie persönlich radikal geändert      von »Miteinander reden«. Die frohe Botschaft
hat im Verlauf Ihrer Karriere und wenn ja, warum?         darin: Es ist menschenmöglich, aus den Nöten
F. Schulz von Thun: Ja, es gab mehrere solcher            (der Schwerhörigkeit nach innen, dem inneren
Wendepunkte im Verlaufe der letzten fünfzig               Durcheinander und Gegeneinander) eine Tu-
Jahre. Der erste und vielleicht wichtigste war in         gend zu machen und aus den vielen »Seelen in
den siebziger Jahren der Einfluss von Ruth Cohn           der Brust« ein inneres Team zu entwickeln. Die-
und der Humanistischen Psychologie. Bis dahin             ses gruppendynamische Modell von Menschen ist
wollten wir den Lehrern und Führungskräften               inzwischen weit verbreitet und die dazugehöri-
ein kommunikatives Idealverhalten beibringen:             gen Methoden haben sich als erlernbar erwiesen.
wertschätzend, aktiv zuhörend, korrekte Ich-Bot-
schaften und so weiter. Das war gut gemeint und           Nun hat jemand seine inneren »Sprecher und Pro-
haben wir dann in Rollenspielen trainiert. Wir            tagonisten« identifiziert, kennengelernt und sie
waren ausgerichtet auf ein uniformes Idealverhal-         möglicherweise auch als Team aufgestellt. Nach
ten, auf einen »kommunikativen Sonntagsanzug«,            welchen »Spielregeln« wird dieses Team denn nun
wie ich das später (selbst-)ironisch genannt habe.        betreut, wie und von wem im Innen wird es »trai-
Was dabei unbeachtet blieb, war die Authentizi-           niert«, damit das babylonische Durcheinander
tät und die innere Wahrheit. Dass das, was ich            nicht regelmäßig wiederkehrt?
von mir gebe, in Übereinstimmung sein muss                F. Schulz von Thun: Ja, jetzt wird es spannend!
mit dem inneren Menschen, der in mir wohnt.               Für die innere Führung braucht es eine Instanz,
Das setzte aber etwas voraus, was beim Verhal-            die dafür sorgt, dass das Ganze mehr wird als die
tenstraining unterbleibt: die Selbstklärung! Der          Summe seiner Teile. Eine übergeordnete Instanz,
Kompass für gelungene Kommunikation stellte               die die Integration der inneren Pluralität zustan-
sich jetzt neu: »Habe den Mut und erwirb die Fä-          de bringt. So wie ein Dirigent oder eine Dirigen-
higkeit, zu deiner inneren Wahrheit zu stehen!«           tin, die sich das gelingende Zusammenspiel der
                                                          einzelnen Stimmen zur Aufgabe macht. Jemand,
Ich finde es spannend zu lesen, dass es jetzt eine        der die inneren Konflikte durch eine gute Me-
andere Richtung nimmt. »Communicare« heißt ja             diation zur Lösung bringt und der die inneren
»verbinden, gemeinsam machen, teilen« etc. Hier           Ratsversammlungen moderiert, wenn es um ver-
geht es jetzt jedoch erstmal in die Innenschau an-        zwickte Entscheidungen geht. Ich spreche vom
stelle zum Gegenüber. Welche Hilfen bekommen              »integralen Oberhaupt«. Im Idealfall hat es einen
Menschen von Ihnen, um sich dieser Innenschau zu          guten Draht zu seinen Mitarbeitern, ohne aber
widmen – Sie sprechen ja davon, dass der Mensch           sich mit ihnen zu identifizieren. – Das ist jetzt
dazu Mut braucht?                                         ziemlich abstrakt, oder?
F. Schulz von Thun: Ja, dass der innere Mensch
für das Gelingen des Zwischenmenschlichen eine            Ja, tatsächlich klingt es für mich logisch und abs-
so bedeutende Rolle spielt, darüber war ich zu Be-        trakt zu gleich. Ich verstehe, dass das »integrale
ginn meiner Karriere als Kommunikationstrainer            Oberhaupt« immer auch in Verbindung mit dem
noch ohne Ahnung. Bevor du zum Anderen aus-               Thema Bewusstheit steht und die »inneren Mit-
schreitest, musst du bei dir selbst gewesen sein –        arbeitenden« letztlich zunächst ein undomesti-
so formuliert es Buber. Aber es kann geschehen,           ziertes Eigenleben führen. Bedeutet dies nicht in
dass ich in mich gehe und dort niemanden antref-          der Quintessenz, dass es uns Menschen ein hohes
fe. Oder, im Gegenteil, dass dort ein großes ba-          Maß an Bewusstheit und Achtsamkeit abfordert?

                                                                      Herausforderung Kommunikation
Leidfaden - Schulz von Thun Institut
6   Fr i e d e m a n n S c h u l z v o n T h u n i m G e s p r ä c h m i t S y l v i a B r a t h u h n

Spielt das Thema »Achtsamkeit« in Ihren Trainings                ein Thema: Ist allen klar, worum es hier gehen
auch eine Rolle? Und wenn ja, wie fördern Sie die-               soll – und auch, worum es nicht gehen soll? Wenn
se Fähigkeit?                                                    jemand äußert »Darum geht es doch gar nicht!«,
F. Schulz von Thun: Mein Leitstern für gelin-                    ist das ein wichtiger Hinweis, dass kein gemeinsa-
gende Kommunikation lautet »Stimmigkeit«:                        mes Themenverständnis gegeben ist. Jetzt haben
Deine Kommunikation ist gut, wenn sie stim-                      wir schon die historische und die thematische Di-
mig ist, das heißt in Übereinstimmung mit dir                    mension einer Situation vor Augen. Jetzt kommt
selbst und mit der Wahrheit der Situation (we-                   die menschliche Dimension: Wer alles ist, mit
sensgemäß und situationsgerecht). Dafür ist tat-                 welchem Rollenhut auf dem Kopf und an welchen
sächlich eine dreifache Achtsamkeit erforderlich.                Fäden hängend, an der Begegnung beteiligt? Pas-
Erstens die Achtsamkeit für das, was in mir vor-                 sen diese Beteiligten zum Anlass und zum The-
geht. Davon haben wir schon gesprochen, und                      ma der Situation? Ist Frau X hier als Betroffene
das Modell vom Inneren Team ist hier eine ent-                   oder als Sachverständige eingeladen oder als Be-
scheidende Hilfe, um Selbstempathie zu erlan-                    obachterin ihrer Chefin? Hat jeder der Beteiligten
gen. Zweitens die Achtsamkeit für dein Gegen-                    Klarheit über seine eigene Rolle und über die zwi-
über: Übungen zum aktiven Zuhören können die                     schenmenschliche Konstellation? Nicht selten ha-
Empathie erhöhen und verfeinern. Drittens die                    ben Beteiligte mehrere Hüte gleichzeitig auf dem
Achtsamkeit für die Wahrheit der Situation: wozu                 Kopf. Und viertens, was soll am Ende herauskom-
sie mir Gelegenheit gibt und was sie mir abver-                  men? Was ist der Zweck des Treffens? Geht es um
langt. Jede Situation enthält eine Forderung, auf                Fehleranalyse und um Ermittlung der Schuldfra-
die wir zu hören und der wir wenn möglich zu                     ge, oder geht es darum gar nicht, sondern darum,
gehorchen haben. Dies aber auch mit dem dazu-                    den ersten Schritt zur Lösung festzulegen? Ein Se-
gehörigen Rollenbewusstsein, denn Situationen                    gen, wenn alle Beteiligten ein gemeinsames Situa-
sind in einen systemischen Kontext eingebettet                   tionsverständnis im Hinblick auf alle vier Dimen-
und stimmiges Verhalten setzt ein entsprechen-                   sionen haben, dann ist stimmige Kommunikation
des Kontextbewusstsein voraus. Um das zu üben,                   erleichtert und wahrscheinlicher. Ein guter Mo-
benutzen wir ein Situationsmodell, das die Acht-                 derator sorgt am Anfang und zwischendrin im-
samkeit auf vier Situationskomponenten lenkt.                    mer mal wieder für die Überprüfung dieses ge-
Also in der Tat: Diese dreifache Achtsamkeit ist                 meinsamen Situationsverständnisses.
für gelingende Kommunikation essenziell.                             Bei diesem Situationsmodell sind prägnan-
                                                                 te Beispiele immer schwierig, weil es in seinem
Nun sprechen Sie ja schon das Situationsmodell                   Wesen liegt, das ganze »Drumherum« zu erfas-
an. Was sind die vier Komponenten, auf die es zu                 sen, und das ist in der Regel in seiner Komplexi-
achten gilt, und können Sie dies vielleicht anhand               tät »nicht ohne«! Vielleicht hier ein einfaches Mi-
eines praktischen Beispiels verdeutlichen? Vielleicht            nibeispiel: Eine Frau hat sehr darunter zu leiden,
aus dem Feld »Krise, Leid, Trauer«?                              wie ihr Ex-Mann sich unfair und niederträchtig
F. Schulz von Thun: Eine Situation, in der wir                   verhält. Immerhin ist sie froh, dass sie gegenüber
uns begegnen (zu zweit, zu mehreren), hat ers-                   ihrer sechzehnjährigen Tochter ihr Herz ausschüt-
tens eine Vorgeschichte: Es ist etwas vorgefallen,               ten kann, wie zu einer guten Freundin, wie sie sagt.
jemand hat einen Anlass gesehen, die Begegnung                   Auch (und gerade) wenn sie authentisch über ihr
herbeizuführen, im Vorfeld sind Entscheidungen                   Zumutesein spricht und auch (und gerade) wenn
getroffen worden und so weiter – Gut, wenn alle                  die Tochter empathisch und mitfühlend reagiert,
Beteiligten diese Geschichte im Hinterkopf ha-                   würden wir diese Begegnung für problematisch
ben! Zweitens hat eine herbeigeführte Begegnung                  und un-stimmig halten. Denn die Wahrheit der

L E I D FA D E N – FAC H M AG A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D, T R AU E R    Heft 2 / 2019
Leidfaden - Schulz von Thun Institut
Mein Leitstern für gelin-
                                                                                               gende Kommunikation
                                                                                               lautet »Stimmigkeit«:
                                                                                               Deine Kommunikation
                                                                                                ist gut, wenn sie stimmig
                                                                                                ist, das heißt in Überein-
                                                                                                 stimmung mit dir selbst

                                                                                           m
                                                                barkarola / Shutterstock.co
                                                                                                 und mit der Wahrheit der
                                                                                                 Situation.

Situation ist nicht, dass sich zwei beste Freundin-   »macht das mit uns«? Was wird aus dem Bild-
nen begegnen, sondern Mutter und Tochter, auch        schirm-Schlaraffen, der vor lauter Macht und vor
des Vaters. Je empathischer die Tochter sich ver-     lauter Erwartung, beliefert zu werden, bald nicht
hält, umso mehr verschärft sich ihr Loyalitätskon-    mehr laufen kann, trotz seiner Schrittzähler?
flikt. Selbstverständlich gilt das genauso für Ge-       Meine Befürchtung ist, dass die »Festplatte«
spräche des geschiedenen Vaters mit seinem Kind.      des Menschen überbevölkert wird mit all den
                                                      leicht zugänglichen Fertigwaren und dass der in-
Jetzt würde ich gern einen Schwenk zu den ­Social     nere Kern dabei unausgereift bleibt. Ich habe die
Media machen. Was ist Ihre Meinung, was sind Ihre     Metapher von Nektar und Honig kreiert: Man
Gedanken zu der virtuellen Kommunikation? Wie         sagt ja: »Da habe ich Honig gesaugt!« – zum Bei-
sehen Sie die Gefahr des Verku(e)mmerns gespro-       spiel bei einem Vortrag, aus einer Zeitschrift oder
chener Kommunikation im Zeitalter des Daddelns        einem YouTube-Video. Die Bienen saugen aber
und der digitalen Medien? Welche Aspekte sind Ihrer   gar keinen Honig, sondern Nektar. Honig ent-
Meinung nach wichtig, dass Kommunikation wei-         steht daraus erst, wenn die Biene den eingesaug-
terhin verbindet?                                     ten Nektar mit der Eigensubstanz aus ihrem In-
F. Schulz von Thun: Oha, Frau Brathuhn, jetzt         neren verbindet. Ich befürchte, dass im digitalen
machen Sie aber noch mal ein ganz großes Fass         Schlaraffenland viel Nektar fließt und wenig Ho-
auf! Ein uralter Traum der Menschheit wird            nig daraus wird. In unseren altmodischen »analo-
Wirklichkeit: ein Leben im Schlaraffenland. Das       gen« Seminaren suchen wir immer wieder auch
digitale Schlaraffenland ermöglicht und verführt      den inneren Menschen auf. Der gehört zu den
uns dazu, mit wenigen Mausklicks oder mit ge-         wenigen Dingen, die man nicht schnell mal eben
sprochenen Befehlen zwar keine gebratenen Tau-        herunterladen kann. Die gebratenen Tauben hin-
ben, aber doch fast alles andere in erschlagender     gegen werden wir irgendwann demnächst auch
Fülle geliefert zu bekommen: umfassende Infor-        noch hinkriegen …
mationen über alles, herrliche Bilder, ganze Filme,
wunderbare Musik nach Wunsch, schnelle Kon-           Wenn Sie einmal ganz frei zu dem Thema »Her-
takte von Mensch zu Mensch über den ganzen            ausforderung Kommunikation« assoziieren, wel-
Erdball, demnächst eine gehorsame künstlich-­         che Begriffe fallen Ihnen ein? Und wie würde ein
intelligente Umwelt. Alles frei Haus, alles frei      Filmtitel oder ein Buchtitel lauten, den Sie daraus
Bildschirm. Das »normale Leben« kann mit die-         kreieren würden und der sozusagen wie eine Emp-
ser Faszination nicht konkurrieren, oder? Was         fehlung für Ihre Leserschaft lauten könnte?

                                                               Herausforderung Kommunikation
8   Fr i e d e m a n n S c h u l z v o n T h u n i m G e s p r ä c h m i t S y l v i a B r a t h u h n

F. Schulz von Thun: Das ist eine ungewöhnli-                      tel wäre, dass er männlich akzentuiert ist, denn
che Frage an einen Wissenschaftler, Frau Dr. Brat-                für Frauen gilt das haargenau so. – Also gut, ich
huhn! Ich nehme sie mal als Erlaubnis für ein et-                 denke weiter darüber nach!
was verrücktes Brainstorming. Wie wäre es mit
dem Buchtitel »Auch du bist Parzival!«? Parzival                 Ich danke Ihnen von Herzen für dieses inspirie-
war (wie ich) ein »tumber Tor«, was den Umgang                   rende Gespräch.
mit Menschen anging, war (anders als ich) ein
                                                                                       Friedemann Schulz von Thun war Pro-
mutiger Draufgänger, aber er hatte keine Empa-                                         fessor für Psychologie an der Universität
thie und kein Gefühl für Stimmigkeit, nur ein                                          Hamburg und leitet das Schulz von Thun
                                                                                       Institut für Kommunikation.
paar Regeln und Rezepte, die man ihm einge-
                                                                                       Website: www.schulz-von-thun.de
schärft hatte – und die dann prompt zum Schei-
tern führten. Dann jedoch suchte er in seinem
Leben »Weiterbildung« – durch weise Menschen                                           Dr. Sylvia Brathuhn, Diplom-Pädago-
                                                                                       gin, ist in der psychoonkologischen Be-
und durch das Leben selbst und am Ende war er                                          ratung und Betreuung für krebskranke
sogar ausersehen und imstande, einen Gral zu hü-                                       Menschen und ihre Angehörigen tätig;
                                                                                       Bundesvorsitzende des Bundesverban-
ten. Treiben wir die Analogie nicht zu weit, aber                                      des Frauenselbsthilfe nach Krebs e. V.,
mein Gral wäre die Quintessenz der Kommuni-                                            Landesvorsitzende der Frauenselbsthil-
                                                                  fe nach Krebs Rheinland-Pfalz/Saarland e. V., Mitglied der
kationslehre, über die wir hier gesprochen haben.
                                                                  IWG (International Workgroup of Death, Dying and Be­reave­
   Und so, denke ich mir, kann jeder »tumbe Tor«                  ment); Trainerin in den Bereichen Sterben, Tod, Spiritualität
der Kommunikation sich als ein Spätentwickler                     und Kommunikation, Trauerbegleiterin; Fachbuchautorin.

erkennen, kann durch Weiterbildung und durch
die Lektionen seines eigenen Lebens einen geis-                   Literatur
                                                                  Schulz von Thun, F. (1998). Miteinander reden. Band 3: Das
tigen Schatz entwickeln. Daher die Ermutigung:                      »innere Team« und situationsgerechte Kommunikation.
Auch du bist ein Parzival! Unschön an diesem Ti-                    Reinbek.

                                                                                                                           optimarc / Shutterstock.com

L E I D FA D E N – FAC H M AG A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D, T R AU E R    Heft 2 / 2019
8. Jahrgang   3 | 2019 | ISSN 2192-1202

                                                                                                                                                                                 Leidfaden
                                                                                       Leidfaden
                                                  Leidfaden

                                                                                                                FA C H M A G A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D , T R A U E R

                                                                                                                                                                                 Das Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer
                                                  TRAUERPOLITIK – VERLUSTE GESTALTEN

                                                                                                                                                                                 Die Zeitschrift möchte allen, die Menschen in Krisen und
                                                                                                                                                                                 Trauer therapeutisch, medizinisch oder seelsorgerlich
                                                                                                             8. Jahrgang
                                                                                                                                  Trauer-
                                                                                                                           4 | 2019 | ISSN 2192-1202

                                                                                                                                                                                 begleiten, zur Seite stehen und sie mit fundierten
                                                                                                                                     Politik
                                              Leidfaden                                                                             Verluste gestalten
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Leidfaden

                                                                                       FA C H M A G A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D , T R A U E R
BINDUNG: ENTSTEHUNG – BEDEUTUNG – BELASTUNG

                                                                                                                                                                                 Geschäftsführende Herausgeber: Monika Müller (Rheinbach),
                                                                                                                                                                                 Lukas Radbruch (Bonn) und Sylvia Brathuhn (Neuwied).
                                                                                                                                                                                 Herausgeber: Dorothee Bürgi (Zürich), Arnold Langenmayr
                                                                                                                                                                                 (Ratingen), Heiner Melching (Berlin), Christian Metz (Wien),
                                              BINDUNG
                                              Entstehung – Bedeutung – Belastung
                                                                                                                                                                                 Petra Rechenberg-Winter (Hamburg), Erika Schärer-Santschi
                                                                                                                                                                                 (Thun), Margit Schröer (Düsseldorf), Patrick Schuchter (Wien),
                                                                                                                                                                                 Reiner Sörries (Erlangen).
Aktuelle Hefte 2019                                                                                    Bestellschein/Bezugsdetails

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                                                                                                                                                     Vandenhoeck & Ruprecht Verlage                                  im 1. Ab iung
                                                                                                                                                     Theaterstraße 13                                                         ojahr!
                                                                                                                           Langsame Fahrt voraus –   37073 Göttingen
                                                                                                                                                                                                                    (gilt n
                                                                                                                                                                                                                          ur für Pri
                                                                                                                                                                                                                                     va
                                                                                                                                                                                                                          kunden) t-
                                                                                                                           die Kunst ethischen
                                                                                                                                                     über die
                                                                                                                           Reflektierens
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                                                                                                                                                     Holzwiesenstr. 2
                                                                                                                           ISBN: 978-3-525-40665-6
                                                                                                                                                     72127 Kusterdingen Kusterdingen
                                                                                                                                                     E-Mail: v-r-journals@hgv-online.de
                                                                                                                           2019 Heft 2:
                                                                                                                                                     die Zeitschrift:
                                                                                                                           Herausforderung           Leidfaden. Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer
                                                                                                                           Kommunikation.
                                                                                                                                                     erscheint 4-mal jährlich mit einem Umfang von je etwa 100
                                                                                                                           Brücken und Wege          Seiten, durchgehend farbig
                                                                                                                                                     ISSN print 2192-1202 | ISSN online 2196-8217
                                                                                                                           ISBN: 978-3-525-40666-3
                                                                                                                                                     q      Bitte senden Sie mir zunächst ein kostenloses Probeheft.
                                                                                                                                                     q      Ich möchte die Zeitschrift »Leidfaden« kostenpflichtig als
                                                                                8. Jahrgang   3 | 2019 | ISSN 2192-1202

                                                                                                                           2019 Heft 3:                     Privatkunde abonnieren.
                                              Leidfaden                                                                                              q
Leidfaden

                                                          FA C H M A G A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D , T R A U E R
                                                                                                                                                            Ich möchte die Zeitschrift »Leidfaden« kostenpflichtig als
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                                                                                                                           Verluste gestalten        Abonnement
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                                                                                                                                                     Für Institutionen: print + online: € 132,– D | € 135,80 A*
                                                                            Trauer-                                                                  *Preise zzgl. Versandkosten. Preisänderungen vorbehalten. Die Bezugsdauer verlängert sich
                                                                               Politik
                                                                              Verluste gestalten                           ISBN: 978-3-525-40670-0   um 1 Jahr, wenn das Abonnement nicht bis zum 01.10. des Jahres gekündigt wird.

                                                                                8. Jahrgang   4 | 2019 | ISSN 2192-1202

                                                                                                                           2019 Heft 4:              Absender:
                                              Leidfaden
Leidfaden

                                                          FA C H M A G A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D , T R A U E R

                                                                                                                           Bindung: Entstehung –
BINDUNG: ENTSTEHUNG – BEDEUTUNG – BELASTUNG

                                                                                                                           Bedeutung – Belastung     E-Mail:

                                                                                                                                                     Datum/Unterschrift:
                                              BINDUNG
                                              Entstehung – Bedeutung – Belastung                                           ISBN: 978-3-525-40671-7

                                                                                                                                                     Verkehrsnummer: 11213             Ust-IdNr.: DE 223586399            HRB 3535
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