3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR

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3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
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BBSR-
                                            3DWoodWind
Online-Publikation
03/2023              Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente
                                       Leichtbauteile aus Furnierholz

                                                       von

                                                       Prof. Philipp Eversmann
                                                       Andreas Göbert
                                                       Julian Ochs
                                                       Ole Weyhe
3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
3DWoodWind
                   Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente
                            Leichtbauteile aus Furnierholz

Dieses Projekt wurde gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auf-
trag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) aus Mitteln des
Innovationsprogramms Zukunft Bau.
Aktenzeichen: 10.08.18.7-20.24
Projektlaufzeit: 02.2021 bis 12.2022
3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
IMPRESSUM

Herausgeber
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
Deichmanns Aue 31–37
53179 Bonn

Fachbetreuer
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Referat WB3 „Forschung und Innovation im Bauwesen“
Arnd Rose
arnd.rose@bbr.bund.de

Autoren
Universität Kassel
Fachbereich „Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung“
Fachgebiet „Experimentelles und Digitales Entwerfen und Konstruieren“
Prof. Philipp Eversmann (Projektleitung)
eversmann@asl.uni-kassel.de
Andreas Göbert, M. Sc.
goebert@asl.uni-kassel.de
Julian Ochs, M. Sc.
julian.ochs@uni-kassel.de
Ole Weyhe, B. Sc.

Redaktion
Universität Kasel
Andreas Göbert

Stand
Dezember 2022

Gestaltung
Universität Kassel
Andreas Göbert

Bildnachweis
Titelbild: Mona Schmidt
Mona Schmidt: S. 51, 52; alle weiteren Abbildungen mit Ausnahme der Logos stammen von den Autoren

Vervielfältigung
Alle Rechte vorbehalten

Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung
privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen des Herausgebers übereinstimmen.

Zitierweise
Eversmann, Philipp; Göbert, Andreas; Ochs, Julian; Weyhe, Ole, 2023: 3DWoodWind: Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leicht-
bauteile aus Furnierholz. BBSR-Online-Publikation 03/2023, Bonn.

ISSN 1868-0097                                                                                                         Bonn 2023
3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
INHALT
      KURZFASSUNG                                    5

      ABSTRACT                                       7

1     EINLEITUNG                                      9
1.1   Zusammenfassung und Problemstellung             9
1.2   Fragestellung und Methodik                      9
1.3   Ziele                                          10
1.4   Prozesserläuterung                             11

2     MATERIALSYSTEM                                 12
2.1   Furnierholz                                    12
2.2   Klebstoffsystem                                14
2.3   Untersuchungen des Materialsystems             16

3     WICKELPROZESS                                  19
3.1   Generierung von Wickellinien                   19
3.2   Wickelwinkel                                   19
3.3   Lagenaufbau                                    19
3.4   Freiformgeometrien                             21

4     ROBOTISCHE FABRIKATION                         22
4.1   Aufbau der Roboteranlage                       22
4.2   Werkzeugpfad                                   23
4.3   Fügung                                         25

5     BAUTEILGEOMETRIE                               28
5.1   Profile & Querschnitte                         28
5.2   Schalungssystem                                29
5.3   Fertigungsparameter                            32

6     GROßMAßSTÄBLICHE PROZESSVERSUCHE               35
6.1   Aufbau der Roboteranlage                       35
6.2   Schalungssystem                                36
6.3   Bauteilgeometrie, Faserverlauf & Lagenaufbau   39
6.4   Klebstoffapplikation und –dosierung            43
6.5   Prototyping                                    50

7     ARCHITEKTONISCHE ANWENDUNGSMÖGLICHKEITEN       54
7.1   Geometrische Möglichkeiten                     54
7.2   Bauteilanwendungen                             54
7.3   Modulare Systeme                               55
7.4   Individualisierungsmöglichkeiten               56
7.5   Verbindungstechniken                           56
7.6   Realisierte Anwendungen                        57

8     AUSWERTUNG / FAZIT                             62
8.1   Prozessparameter und Abhängigkeiten            62
8.2   Prüfverfahren                                  63
8.3   Ökobilanzierung                                64
8.4   Resümee & Ausblick                             67

9     ANHANG                                         69
9.1   Danksagung                                     69
9.2   Literaturnachweis                              70
9.3   Abbildungsverzeichnis                          70
3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                           5

KURZFASSUNG

Problemstellung                                                                         Untersuchungsmethoden

Additive Herstellungsprozesse sind für die Bauindustrie                                 Durch experimentelle Voruntersuchungen an kleinmaß-
sehr vielversprechende und ressourceneffiziente Bau-                                    stäblichen Probekörpern wurden die Bauteileigenschaf-
prozesse, die eine Herstellung von Bauteilen direkt aus                                 ten des Materialsystems überprüft und optimiert. Paral-
der 3D-Planung möglich machen. Für den Beton- sowie                                     lel wurden computerbasierte Entwurfsmethoden für die
den Stahlbau werden aktuell eine Vielzahl von additiven                                 Filamentauslegung und robotergestützte Fertigungsver-
Verfahren entwickelt, die bereits in ersten Pilotprojekten                              fahren über digitale Prozesssimulation entwickelt und
ihre Anwendung finden.                                                                  Prozessparameter über physische Versuche definiert.

Im Holzbau finden additive Verfahren trotz der sehr ho-                                 Simultan zu den Untersuchungen der Fertigungstechnik
hen Digitalisierung und technischen Entwicklung noch                                    wurden Fügungskonzepte und geeignete Schalungssys-
kaum Anwendung. Aktuell bekannte Verfahren verwen-                                      teme entwickelt und prototypisch umgesetzt. Durch um-
den Holz meist in Verbund mit Polymeren in pulverisier-                                 fangreiche Untersuchungen zur Bauteilgeometrie und
ter Form, wodurch die inhärenten Materialeigenschaften                                  Applikationstechik konnten Erkenntnisse zu geometri-
allerdings verloren gehen. Mit Endlosbändern aus Fur-                                   schen Möglichkeiten und Grenzen der Herstellungstech-
nierholzstreifen, in denen die für die strukturellen Eigen-                             nik, relevanten Bauteilanwendungen, Individualisie-
schaften des Holzes verantwortliche Mikrostruktur er-                                   rungsmöglichkeiten und Verbindung der gewickelten
halten bleibt, ist es möglich, Hohlbauteile über dreidi-                                Bauteile gewonnen werden. Durch die Fabrikation von
mensionale Wickelprozesse mit minimalen Materialauf-                                    vollmaßstäblichen Prototypen konnte die Herstellungs-
wand und angepassten strukturellen Eigenschaften zu                                     technik evaluiert und optimiert werden. Mithilfe eines To-
entwickeln.                                                                             leranzabgleichs konnten darüber hinaus Aussagen zur
                                                                                        Präzision der Fertigungstechnologie erzielt werden.
In der Baubranche sind zunehmend ressourceneffiziente
Bauweisen gefragt. Additive Fertigungsprozesse ermög-
lichen, das Material nur dort aufzutragen, wo es tatsäch-                               Ergebnisse
lich notwendig ist. Diese Prozesse sind im Holzbau noch
kaum erforscht.                                                                         Das Forschungsprojekt 3DWoodWind hat eine neue Ge-
                                                                                        neration von additiven Technologien für den Holzbau ent-
Das von Zukunft Bau geförderte Forschungsvorhaben                                       wickelt. Das modulare Bausystem wurde mit einem drei-
3DWoodWind untersucht additive Auftragsmethoden von                                     dimensionalen robotergestützten Wickelverfahren für
Furnierholz-Endlosbändern, um neuartige Leichtbau-                                      materialeffiziente hohle Leichtbauteile realisiert. Eine in-
konstruktionen zu ermöglichen. Diese dreidimensiona-                                    telligente Kombination und Gestaltung von modularen
len Wickelprozesse haben ein hohes Innovationspoten-                                    Komponenten zu mehrstöckigen Strukturen könnten in
zial, da Hohlbauteile aus Furnierholz mit angepassten                                   Zukunft Massivholzplatten und -träger sowie Betonplat-
strukturellen Eigenschaften entwickelt werden können.                                   ten und Stahlprofile ersetzen.
Hierzu wird die natürliche Faserrichtung des Holzes aus-
genutzt und kann strukturell ausgerichtet werden, wo-                                   Mit dem Einsatz von Holzfurnier stellt die entwickelte
raus nicht nur hoch performante Bauteile resultieren,                                   Herstellungstechnik eine Alternative zu synthetischen
sondern gleichzeitig auch äußerst materialeffizient und                                 Fasern wie Kohlenstoff- oder Glasfasern dar, die übli-
nachhaltig mit der aktuell immer knapper werdenden                                      cherweise beim Wickeln verwendet werden, sowie zu
Ressource Holz umgegangen wird.                                                         den im Bauwesen bekannten Massivholzprodukten.

Kurzfassung                                                                                                            BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                         6

Hierdurch weist die Herstellungstechnik für materialef-                                 Weiterer Forschungsbedarf liegt insbesondere in der
fiziente Leichtbauteile aus Furnierholz ein hohes Poten-                                Weiterentwicklung der computerbasierten Entwurfsme-
zial im Hinblick auf Ressourcenschonung auf. Innerhalb                                  thoden und einer ingenieurbautechnischen Untersu-
des Forschungsprojekts wurden insbesondere der Um-                                      chung der Bauteile, um optimierte Geometrien mit an-
gang mit Ressourcen und die Entwicklung neuer Bau-                                      gepassten strukturellen Eigenschaften zu erzeugen.
prozesse sowie die Etablierung klima- und umwelt-                                       Darüber hinaus kann in Zukunft durch die Integration al-
freundlicher Bauweisen adressiert. Mit der Entwicklung                                  ternativer, biobasierter Klebstoffsysteme der ökologi-
eines modularen Bausystems, das auf großflächige An-                                    sche Fußabdruck weiter verbessert werden.
wendungen in mehrgeschossigen Strukturen abzielt,
wurden innerhalb des Forschungsprojekts neue Verfah-
ren und Techniken für eine zukunftsweisende und nach-
haltige Entwicklung demonstriert.

Kurzfassung                                                                                                          BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                          7

ABSTRACT

Project tasks                                                                           Research methods

Additive manufacturing processes are very promising                                     The component properties of the material system were
and resource-efficient construction processes for the                                   tested and optimized by means of preliminary experi-
construction industry, which make it possible to manu-                                  mental investigations on small-scale test specimens. In
facture components directly from 3D planning. A variety                                 parallel, computational design methods for filament lay-
of additive processes are currently being developed for                                 out and robotic manufacturing processes were devel-
concrete and steel construction and are already being                                   oped via digital process simulation, and process param-
used in initial pilot projects.                                                         eters were defined via physical tests.

Despite the very high level of digitalization and technical                             Simultaneously to the investigations of the manufactur-
development, additive processes are still hardly used in                                ing technology, joining concepts and suitable formwork
timber construction. Currently known processes use                                      systems were developed and prototypically implemented.
wood in combination with polymers in pulverized form,                                   Extensive investigations into component geometry and
whereby the inherent material properties are largely lost.                              application technology have provided insights into the ge-
Three-dimensional winding processes can be used to de-                                  ometric possibilities and limitations of the manufactur-
velop hollow components from veneered wood with min-                                    ing technology, relevant component applications, cus-
imal material input and adapted structural properties.                                  tomization possibilities and joining of the wound struc-
                                                                                        tures. By fabricating full-scale prototypes, the manufac-
Resource-efficient construction methods are increas-                                    turing technology could be evaluated and optimized. With
ingly in demand in the construction industry. Additive                                  the aid of a tolerance comparison, it was also possible to
manufacturing processes allow material to be applied                                    obtain information on the precision of the manufacturing
only where it is actually needed. These processes have                                  technology.
hardly been researched yet in wood construction.

The 3DWoodWind research project, funded by Zukunft                                      Results
Bau, is investigating additive application methods of con-
tinuous wood strips to enable new types of lightweight                                  The 3DWoodWind research project has developed a new
construction. These three-dimensional winding pro-                                      generation of additive technologies for wood construc-
cesses have a high innovation potential, as hollow com-                                 tion. The modular building system was realized using a
ponents made of veneer wood with adapted structural                                     three-dimensional robotic winding process for material-
properties can be developed. For this purpose, the natu-                                efficient hollow lightweight components. Intelligent com-
ral fiber direction of the wood is exploited and structur-                              bination and design of modular components into multi-
ally optimized, resulting not only in high-performance                                  story structures could replace solid wood panels and
components, but also in extremely material-efficient and                                beams as well as concrete panels and steel profiles in
sustainable use of the currently increasingly scarce re-                                the future.
source wood.
                                                                                        With the use of wood veneer, the developed manufactur-
                                                                                        ing technology represents an alternative to synthetic fi-
                                                                                        bers such as carbon or glass fibers, which are commonly
                                                                                        used in winding, as well as to the solid wood products

Abstract                                                                                                              BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                          8

known in the construction industry. As a result, the man-                               cesses and techniques for a future-oriented and sustain-
ufacturing technology for material-efficient lightweight                                able development were demonstrated within the re-
components made of wood veneer has a high potential in                                  search project.
terms of saving recources. Within the research project,
particular attention was paid to the handling of resources                              There is a particular need for further research into the
and the development of new construction processes as                                    development of computational design methods and an
well as the establishment of climate- and environmen-                                   engineering investigation of the components in order to
tally-friendly construction methods. With the develop-                                  generate optimized geometries with adapted structural
ment of a modular building system, which aims at large-                                 properties. In addition, the ecological footprint can be
scale applications in multi-storey structures, new pro-                                 further improved in the future by integrating alternative,
                                                                                        bio-based adhesive systems.

Abstract                                                                                                              BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
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1            EINLEITUNG

1.1          Zusammenfassung und Problemstellung                                    Welche Präzision und Oberflächenqualität sind erreichbar?
                                                                                    Welche Bauteilformen eignen sich und was sind die Mög-
Additive Herstellungsprozesse sind für die Bauindustrie                             lichkeiten und Grenzen dieser Herstellungstechnik?
sehr vielversprechende und ressourceneffiziente Baupro-
zesse, die eine Herstellung von Bauteilen direkt aus der 3D-                        Die entstehenden Fragestellungen wurden über experi-
Planung möglich machen. Für den Beton- sowie den Stahl-                             mentelle Versuchsreihen, digitale Prozesssimulation und
bau werden aktuell eine Vielzahl von additiven Verfahren                            Analyseverfahren erarbeitet. Was ist ein geeignetes Materi-
entwickelt, die bereits in ersten Pilotprojekten ihre Anwen-                        alsystem im Bezug zur automatisierten Prozesstechnik,
dung finden. Im Holzbau finden additive Verfahren trotz der                         und was ergibt sich für eine resultierende Oberflächenqua-
sehr hohen Digitalisierung und technischen Entwicklung                              lität, Skalierbarkeit und Bauteilpräzision? Ist das Verfahren
noch kaum Anwendung. Aktuell bekannte Verfahren ver-                                wirtschaftlich und ökologisch in einem industriellen Verfah-
wenden Holz in Verbund mit Polymeren in pulverisierter                              ren umsetzbar?
Form, wodurch die inhärenten Materialeigenschaften aller-
dings weitestgehend verloren gehen. Durch dreidimensio-                             Das erste Arbeitspaket diente der Grundlagenforschung
nale Wickelprozesse können Hohlbauteile aus Furnierholz                             und war auf experimentelle Untersuchungen des Material-
mit minimalen Materialaufwand und angepassten struktu-                              systems ausgelegt, um in einem evolutionären Prozess aus
rellen Eigenschaften entwickelt werden.                                             Versuchsproben, Messungen und Belastungsproben opti-
In der Baubranche sind zunehmend ressourceneffiziente                               mierte Ergebnisse zu erlangen. Experimente wurden doku-
Bauweisen gefragt. Additive Fertigungsprozesse ermögli-                             mentiert, ausgewertet und in Bezug zueinander gesetzt.
chen, das Material nur dort aufzutragen, wo es tatsächlich                          Im Verlauf der folgenden Arbeitspakete wurde die Auftrags-
notwendig ist. Diese Prozesse sind im Holzbau noch kaum                             und Prozesstechnik über die Entwicklung von robotischen
erforscht. Durch additives Auftragen von Furnierholzend-                            Werkzeugen entwickelt. Dabei wurden Werkzeugbestand-
losbändern sollen neuartige materialeffiziente Leichtbau-                           teile über FDM 3D Druck prototypisch hergestellt. Über eine
konstruktionen ermöglicht werden. Dies geschieht in einem                           Reihe an kleinmaßstäblichen Prozessversuchen wurden die
robotischen Bauprozess mit einem geeigneten Material-                               robotischen Bewegungen über digitale Prozesssimulation
und Klebstoffsystem. Es wurden insbesondere Hohlprofil-                             entwickelt, und die Prozessparameter über physische Ver-
Bauteile untersucht.                                                                suche definiert. Diese konnten dann über Analyse des
                                                                                    Schichtenzusammenhaltes, Genauigkeit des Klebstoffauf-
                                                                                    trages und der Präzision der entstehenden Bauteile in ei-
1.2          Fragestellung und Methodik                                             nem iterativen Prozess optimiert werden.

Folgende Forschungsfragen sollten beantwortet werden:                               Die Entwicklung, Realisierung und Analyse von drei De-
Was ist ein geeignetes Materialsystem aus Furnier/ Holzart                          monstratoren im vierten Arbeitspaket sollten die erarbeite-
und Klebstoff?                                                                      ten Ergebnisse überprüfen und im 1:1 Maßstab darstellen.
Welche Klebstoffe sind gleichzeitig automatisierbar, struk-                         Das Gesamtverfahren und die ermittelten Kennwerte wur-
turell hoch performant und ökologisch sinnvoll?                                     den hinsichtlich ihrer Ökobilanz bewertet und in Bezug zu
Welche robotischen Werkzeuge sind notwendig und wie                                 wirtschaftlichen Aspekten wie Skalierbarkeit, Maschinen-
können die Prozessparameter der robotische Fertigung di-                            einsatz, Arbeits- und Zeitaufwand gesetzt.
gital simuliert und optimiert werden?
Wie kann die die Prozesstechnik großmaßstäblich skaliert
werden?

Einleitung                                                                                                           BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz - BBSR
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                                     10

                AP 01                                    AP 02                                      AP 03                                  AP 04
  Experimentelle Voruntersuchungen:               Additive Fertigung:                           Prototypen:                           Bauausführung:
     Entwicklung Materialsystem            Werkzeug- und Prozessentwicklung          Entwicklung, Herstellung, Versuche             1:1 Demonstratoren
              3 Monate                                 3 Monate                                   8 Monate                               3 Monate

    • Furnier- und Klebstoffauswahl        • Entwicklung robotischer Auftrags-     • kleinmaßstäblichen Prozessversuche        • Skalierungssprung Maßstab 1:1
       • einfache Belastungstests               werkzeuge (Endeffektoren)                • digitale Prozesssimulation          • Herstellung von Demonstratoren
 • Verarbeitungskonzept als Grundlage     • Untersuchungen Klebstoffapplikation      • Definition von Prozessparametern       • Überprüfung der Prozessparameter
           zur Automatisierung                                                              über physische Versuche              • Analyse mittels 3D-Scanning
                                                                                   • Analyse des Schichtenzusammenhal-
                                                                                   tes, Genauigkeit des Klebstoffauftrages
                                                                                          und Präzision der Bauteile
                                                                                        • iterative Prozessoptimierung

                                                                           AP 05
                                                             Zusammenfassung und Ausblick (1 Monat)

Abb. 1 Arbeitspakete

1.3          Ziele

Ziel des Projekts ist ein neuer Ansatz im Holzbau, statt den
aktuell weit verbreiteten Massivbauweisen materialeffizi-
ente Leichtbauteile herzustellen. Dazu wurde ein additives
Fertigungssystem entwickelt, das einzelne dünne Furnier-
schichten ähnlich wie im 3D-Druck nach digitaler Modellie-
rung auftragen kann. Bei Abschluss sollte dargestellt wer-
den, wie diese Herstellung unter Laborbedingungen im 1:1
Maßstab möglich wäre, was Grenzen und Möglichkeiten
dieser Technologie sind, und wie viel Material potenziell
über diese Technik eingespart werden könnte. Spezifisch
sollte demonstriert werden, welche Anwendungen und For-
men unter welcher messbaren geometrischen Präzision
und Oberflächenqualität möglich sind, und wie sich der Ver-
bund der einzelnen Schichten verhält. Weiterhin sollten der
Lebenszyklus und die Umweltverträglichkeit der entste-
henden Verbundbauteile bewertet werden.

Einleitung                                                                                                                     BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                         11

1.4          Prozesserläuterung

              PROZESS                                  SCHALUNG                                  GEOMETRIE                           ANWENDUNG

• Wickelung (Richtung/Winkel)                  • geometrische Komplexität                           • Profil                        • Beanspruchung
         • Extrusion                              • Ablösen des Furniers                         • Querschnitt                      • Anforderungen
       • Anpressdruck                                • Nachhaltigkeit                            • Skalierung                    • Verbindungstechnik
     • Krümmungsradius
    • Klebstoffapplikation
  • Prozessgeschwindigkeit

                                      i                                            i                                  i

                                                             i

                                                                                   i
Abb. 2 Prozessdiagramm

Folgend ein kurzer Überblick über die wichtigsten Pro-
zessparameter, die innerhalb des Projekts untersucht wur-
den und der jeweiligen Einflussfaktoren, welche sich unter-
einander bedingen und im Prozess aufeinander abge-
stimmt und rückgekoppelt wurden (Abb. 2):

      1.      Prozessentwicklung:                                                          3.   Bauteilgeometrie:
              Die Prozessentwicklung beschäftigt sich mit rele-                                 Die Bauteilgeometrie selbst setzt sich zusammen
              vanten Forschungsfragen zur Generierung von                                       aus Profil und Querschnitt und wird innerhalb der
              Wickellinien, der Extrusion des Holzfurniers, dem                                 Forschungsarbeiten hinsichtlich der Skalierbar-
              benötigten Anpressdruck zur Verklebung der ein-                                   keit näher betrachtet.
              zelnen Furnierlagen, sowie Untersuchungen zum
              Krümmungsradius, Klebstoffapplikation und Pro-                               4.   Anwendungsmöglichkeiten:
              zessgeschwindigkeit.                                                              Bei den Anwendungsmöglichkeiten wurden Ein-
                                                                                                flussfaktoren zur jeweiligen Beanspruchungsart,
      2.      Schalungssystem:                                                                  bauteilrelevanten Anforderungen und Fragen zur
              Die Frage nach einem geeigneten Schalungssys-                                     Verbindungstechnik betrachtet.
              tem, auf der das Bauteil gewickelt werden kann,
              beinhaltet Lösungen zur Komplexität der Bauteil-
              geometrie, dem Ablösen bzw. Ausschalen des ge-
              wickelten Furniers sowie zur Wiederverwendbar-
              keit der Schalung und damit verbunden zur Nach-
              haltigkeit des Schalungssystems.

Einleitung                                                                                                            BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
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2        MATERIALSYSTEM

2.1      Furnierholz

                                                                                    Das eingesetzte Holzfurnier wird aus dünnen Furnierstrei-
                                                                                    fen hergestellt, welche aus Reststücken von größeren Bah-
                                                                                    nen für Möbeloberflächen bestehen. Die dünnen, kurzen
                                                                                    Streifen können dann mithilfe einer Keilzinkenverbindung
                                                                                    zu Endlos-Rollen zusammengefügt werden (Abb. 6).

                                                                                    Bei kleinmaßstäblichen Untersuchungen wurde eine Breite
                                                                                    von 24mm und – je nach Krümmungsradius der Bauteilge-
                                                                                    ometrie - eine Materialstärke von 0,3 - 0,5 mm eingesetzt.
                                                                                    In Abhängigkeit der zulässigen Biegeradien der Furniere
                                                                                    wird die entsprechende Furnierdicke ausgewählt. Somit
                                                                                    lässt sich eine Faltenbildung bzw. Stauchung des Furniers
                                                                                    vermeiden, sodass die natürliche Holzstruktur intakt bleibt.

                                                                                    Der Mindestbiegeradius kann mithilfe einer einseitigen
                                                                                    Vlieskaschierung (z.B. Cellulosevlies) als Verstärkungslage
                                                                                    weiterhin verringert werden (Abb. 5). Insbesondere sehr
Abb. 3 Rolle mit 24mm breitem Holzfurnier (Buche)                                   dünne Furniere bekommen durch den Einsatz eines Vlies
                                                                                    eine zusätzliche Stabilisierung und werden somit biegsa-
Als Filament für das Wickelverfahren wurden folgende                                mer, was das Anwendungsfeld für Geometrien mit geringen
Weich- und Harthölzer betrachtet, die sich zu Endlos-Rol-                           Krümmungsradien erhöht.
len verarbeiten lassen: Fichte, Tanne, Ahorn, Buche und Ei-
che. Aufgrund der hohen Festigkeitseigenschaften und der
bereits vorhandenen Integration im strukturellen Holzbau
wurde Furnierholz aus Buche als Basis für das zugrunde-
liegende Materialsystem ausgewählt.

Abb. 4 Oberseite des Holzfurniers                                                   Abb. 5 Unterseite des Holzfurniers mit Vlieskaschierung

Materialsystem                                                                                                             BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                             13

                                                                                    Neben Furnierstreifen mit länglich angeordneten Holzfa-
                                                                                    sern, sind auch sog. Querfurniere erhältlich, deren Fasern
                                                                                    auf der Oberseite in Querrichtung verlaufen (Abb. 7). Diese
                                                                                    erweitern die Möglichkeiten der Wickeltechnik hinsichtlich
                                                                                    der Faserausrichtung bei unterschiedlichen Geometrien.
                                                                                    Hier ist auch eine kombinierte Anwendung mit wechselwei-
                                                                                    sem Lagenaufbau denkbar, um die strukturellen Eigen-
                                                                                    schaften eines Bauteils zu optimieren.
Abb. 6 Detailaufnahme Keilzinkenverbindung zweier Furnierstreifen

Aufgrund der natürlichen Eigenschaften von Holz neigt das
Material nach dem Umformen zur Rückverformung (Spring
Back), was zu Spannungen im Materialsystem und nach-
träglichen Bauteilverformungen führen kann. Insbesondere
bei sehr geringen Krümmungsradien sind daher sehr ge-
ringe Materialstärken notwendig – oder der Einsatz eines
Klebstoffsystems, welches bereits während des Umform-
prozesses (temporär) aushärtet und die Rückverformung
des Furniers verhindert. Um die Klebstoffmenge des Ver-
bundmaterials so gering wie möglich zu halten, ist sowohl
aus ökologischer als auch ökonomischer Sicht ein mög-
lichst dickes Furnier zu wählen. Aufgrund von herstellungs-                         Abb. 7 Querfurnier mit zweilagigem Aufbau: Unterseite mit Fasern in
bedingten Begebenheiten müssen Furniere mit einer Mate-                             Längsrichtung, Oberseite mit Fasern in Querrichtung
rialstärke unter 0,5 mm abgeschliffen werden, sodass ein
Großteil des Materials im Herstellungsprozess verloren
geht.

Materialsystem                                                                                                            BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
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2.2      Klebstoffsystem

                                              BEANSPRUCHUNGSGRUPPEN NACH DIN/EN204

                 D1                                        D2                                      D3                             D4

   Einsatz                                   Einsatz                                   Einsatz                       Einsatz
   • Innenbereich, wobei die                 • Innenbereich mit gelegent-              • Innenbereich mit häufig      • Innenbereich mit häufig
   Holzfeuchte unter 15 % blei-              licher kurzzeitiger Wasser-               kurzzeitiger Wasserein-       und lang anhaltender Ein-
   ben muss                                  bzw. Kondenswassereinwir-                 wirkung oder höherer Luft-    wirkung von abfließendem
                                             kung, wobei die Holzfeuchte               feuchte                       Wasser bzw. Kondenswasser
                                             maximal 18 % erreichen darf               • Außenbereich ohne Aus-      • im Außenbereich und der
                                                                                       setzung einer direkten Be-    Witterung ausgesetzt mit
                                                                                       witterung.                    angemessenem Oberflä-
                                                                                                                     chenschutz

Abb. 8 Beanspruchungsgruppen D1-D4 nach DIN/EN 204

Zur Fügung der einzelnen Schichten untereinander wird                               Polyurethan-Klebstoffe
nach jeder Lage eine definierte Menge Klebstoff aufgetra-                           PUR-Klebstoffe gehören zu den Reaktionsklebstoffen und
gen.                                                                                bestehen aus verschiedenen Isocyanattypen (Harzkompo-
Bei der Wahl eines geeigneten Klebstoffsystems haben sich                           nente) und Polyolverbindungen (Härter), welche miteinan-
die Untersuchungen auf Produkte konzentriert, die den Ein-                          der zu Polyurethan reagieren. Sie sind sowohl als 1K- als
satz im Außenbereich nach DIN/EN 204 (DIN e. V. 2021)                               auch 2K-Systeme erhältlich und binden chemisch ab. Wäh-
(Abb. 8) zulassen und speziell für den tragenden Holzleim-                          rend bei 1K-PU-Klebstoffen der Isocyanat-Anteil bei Ge-
bau entwickelt wurden (Jowat SE 2021a).                                             brauch mit der Luftfeuchtigkeit reagiert und härtet, findet
                                                                                    die Reaktion bei 2K-Systemen erst nach dem Mischen statt.
Für die Untersuchungen wurden unterschiedliche 1- und 2-                            Eine Einstellung der Eigenschaften von weichelastisch bis
komponentige Klebstoffsysteme auf Basis von Polyurethan,                            hin zu sehr hart ist über die Auswahl der entsprechenden
EPI und PVAc getestet, die speziell für den tragenden Holz-                         Harzkomponente realisierbar (Bundesministerium des In-
leimbau entwickelt wurden. Alle untersuchten Klebstoffe                             nern, für Bau und Heimat 2021).
wurden vom Industriepartner Jowat SE bereitgestellt. Abb.
9 zeigt einen Überblick der untersuchten Klebstoffsysteme                           Polyvinylacetat-Klebstoffe
mit relevanten Eigenschaften. Ausschlaggebend sind für                              Klebstoffe auf Basis von Polyvinylacetat – kurz PVAc – sind
die Untersuchungen und spätere Prozess-Integration des                              physikalisch abbindende Klebstoffe, die eine hohe Adhäsion
Klebstoffauftrags insbesondere die offene Zeit, die je nach                         gegenüber Holz und anderen Materialien aufweisen. Neben
Fabrikationsstrategie eher kurz oder sehr lang sein sollte,                         der physiologischen Unbedenklichkeit, kurzen Abbindezeit
sowie die Viskosität des Klebstoffs.                                                und Fugenfüllvermögen, zählt eine gute Wasserverdünn-
                                                                                    barkeit und Verträglichkeit mit anderen wässrigen Kleb-
Folgend ein kurzer Überblick über die getesteten Klebstoffe                         stoffen zu den Vorteilen von PVAc-Klebstoffen (Dunky und
– eingeteilt nach ihrer jeweiligen Basis: Polyurethan (PU),                         Niemz 2002, 426). Darüber hinaus bieten reaktive PVAc-
Emulsion-Polymer-Isocyanat (EPI) und thermoplastische                               Dispersionen eine formaldehydarme Verleimung und einen
Polyvinylacetat (PVAc).                                                             deutlich geringeren Klebstoffbedarf gegenüber den früher
                                                                                    häufig eingesetzten UF-Harzen (Jowat SE 2021b). Nachtei-
                                                                                    lig ist die Empfindlichkeit zur Kriechneigung der Klebefuge
                                                                                    sowie das thermoplastische Verhalten (Dunky und Niemz
                                                                                    2002, 426).

Materialsystem                                                                                                      BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                       15

                                                            UNTERSUCHTE KLEBSTOFFE

                                                                                       JOWACOLL® 102.49               JOWACOLL® 103.70

   Basis                                     Basis                                     Basis                         Basis
   • Polyurethan                             • Polyurethan                             • EPI-Dispersion              • PVAc-Dispersion

   Typ                                       Typ                                       Typ                           Typ
   • 1K                                      • 1K                                      • 2K                          • 1K

   Anwendungsbereich                         Anwendungsbereich                         Anwendungsbereich             Anwendungsbereich
   • Herstellung von geklebten               • Brettschichtholz und Keil-              • für Verleimungen mit di-    • Massivholzplattenherstel-
   tragenden Holzbauteilen                   zinkenverbindung                          rekter Außenbewitterung       lung

   Beanspruchungs-                           Beanspruchungs-                           Beanspruchungs-               Beanspruchungs-
   gruppe                                    gruppe                                    gruppe                        gruppe
   • D4                                      • D4                                      • D4                          • D3

   Viskosität [mPas]                         Viskosität [mPas]                         Viskosität [mPas]             Viskosität [mPas]
   • 15.500 ± 2.500                          • 10.200 ± 2.500                          • ca. 11.000                  • ca. 10.000

   Offene Zeit [min]                         Offene Zeit [min]                         Offene Zeit [min]             Offene Zeit [min]
   • 10-60                                   • 30-70                                   • 10 ± 2                      •6±1

   Dichte [g/cm3]                            Dichte [g/cm3]                            Dichte [g/cm3]                Dichte [g/cm3]
   • 1,15                                    • 1,15                                    • 1,5                         • 1,08

Abb. 9 Untersuchte Klebstoffsysteme

Emulsion-Polymer-Isocyanat-Klebstoffe                                               Knochenleim
EPI-Klebstoffe gehören zur Gruppe der Dispersionskleb-                              Knochenleim gehört zu den sogenannten Glutinleimen.
stoffe. Durch die Vernetzung mit einem Isocyanat und der                            Diese werden aus Tierproteinen gewonnen (Brandis 1990,
daraus entstehenden chemischen Reaktion wird das ther-                              123–124). Glutinleim wird in der Regel warm verarbeitet. Er
moplastische Verhalten wesentlich reduziert. Ein ausge-                             zeichnet sich durch eine hohe Anfangsfestigkeit und einer
härteter EPI-Klebstoff ist im Gegensatz zu einer PVAc-Dis-                          hohen Endfestigkeit aus. Glutinleime sind reversibel durch
persion, die einen zähelastischen Film ausbildet, hart bis                          Feuchtigkeits- und/oder Hitzeeinwirkung. Durch die Einmi-
spröde (Jowat SE 2021c). Ihre Eigenschaften sind somit                              schung von verschiedenen Zusätzen können sowohl die
ähnlich zu duroplastischen Klebstoffen, was sie für be-                             Elastizität als auch die Wasserfestigkeit beeinflusst werden
stimmte tragende Verbindungen qualifiziert (Brockmann et                            (Kremer Pigmente GmbH & Co. KG 2011).
al. 2005, 254).

Wasserbasierte Thermoset Kunstharze
Wasserbasierte Kunstharze bieten dieselben Vorteile wie
konventionelle Kunstharze, jedoch mit verringertem ökolo-
gischen Fußabdruck. Produkte, wie das zum Test verwen-
dete Acrodur 950 L von BASF, basieren auf einer Acryl Sus-
pension, die unter Druck bei 180°C -200°C polymerisieren
und eine permanente Verbindung bildet (BASF SE 2018).

Materialsystem                                                                                                      BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                              16

2.3      Untersuchungen des Materialsystems

Um die Belastbarkeit des Materialsystems zu überprüfen                              Für die Untersuchungen wurde eine exemplarische Bau-
und Aussagen zum Einfluss des Faserverlaufs und inneren                             teilgeometrie gewählt, aus der dann Probekörper mit un-
Lagenaufbaus späterer Bauteile treffen zu können, wurden                            terschiedlichen Faserrichtungen hergestellt wurden (Abb.
in Kooperation mit dem Fachgebiet Tragwerksentwurf der                              10): (a) alle Lagen mit Fasern in Querrichtung, (b) alle Lagen
Universität Kassel Belastungstests an kleinen Materialpro-                          mit Fasern in Längsrichtung. Die einzelnen Lagen wurden
ben durchgeführt. Die untersuchten Testkörper haben eine                            dabei jeweils um die halbe Furnierbreite (24mm) zueinan-
Größe von 50x150mm und bestehen aus insgesamt 12 La-                                der versetzt angeordnet, um die Position der Klebefugen zu
gen à 0,5mm dickem Furnier, die miteinander verleimt wur-                           variieren.
den und aus denen eine Materialstärke von 6mm resultiert.

                                           FASERRICHTUNG QUER                                   FASERRICHTUNG LÄNGS

                                                                  12 // Q2                                      12 // L1

                                                                  11 // Q1                                      11 // L2

                                                                  10 // Q2                                      10 // L1

                                                                  09 // Q1                                      09 // L2

                                                                  08 // Q2                                      08 // L1

                                                                  07 // Q1                                      07 // L2

                                                                  06 // Q2                                      06 // L1

                                                                  05 // Q1                                      05 // L2

                                                                  04 // Q2                                      04 // L1

                                                                  03 // Q1                                      03 // L2

                                                                  02 // Q2                                      02 // L1

                                                                  01 // Q1                                      01 // L2

Abb. 10 Exemplarische Bauteilgeometrie mit den beiden Probekörpern: Fasern in Querrichtung (links) und in Längsrichtung (rechts)

Materialsystem                                                                                                             BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                                                                         17

Zugversuch                                                                                            Druckversuch

Abb. 11 Zugversuch der Probekörper                                                                    Abb. 13 Druckversuch der Probekörper

Die Ergebnisse des Zugversuchs zeigten, dass die Proben                                               Auch die Druckversuche zeigten wie erwartet, dass die Pro-
in der Nähe des Greifers sowohl parallel als auch senkrecht                                           bekörper mit einem parallelen Faserverlauf ein Vielfaches
zur Faserrichtung versagten. Die Proben mit Fasern in                                                 der Druckfestigkeit der Proben mit Fasern in Querrichtung
Längsrichtung weisen ein Vielfaches der Zugfestigkeit wie                                             aufweisen. Die Mindestbruchkraft der Probekörper beträgt
die der querfaser-orientierten Probekörper auf. Die Min-                                              hier ca. 2.000 bzw. 14.000N (Abb. 14).
destbruchkraft der Probekörper beträgt ca. 4.500 bzw.
13.000N (Abb. 12).

                        16000                                                                                              16000

                        14000                                                                                              14000

                        12000                                                                                              12000
St an d ard Force [N]

                                                                                                   St an d ard Force [N]

                        10000                                                                                              10000

                         8000                                                                                              8000

                         6000                                                                                              6000

                         4000                                                                                              4000

                         2000                                                                                              2000

                                       0.2            0.4   0.6            0.8   1.0   1.2   1.4                                          0.2            0.4   0.6            0.8   1.0     1.2       1.4

                                                              Strain [%]                                                                                         Strain [%]
                                Faserrichtung quer                                                                                 Faserrichtung quer
                                Faserrichtung längs                                                                                Faserrichtung längs

Abb. 12 Vergleich der Zugfestigkeiten der beiden Probekörper                                          Abb. 14 Vergleich der Druckfestigkeiten der beiden Probekörper

Materialsystem                                                                                                                                                        BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                                                        18

Zugversuch mit kombiniertem Lagenaufbau
Darauffolgende Untersuchungen sollten die Belastbarkeit                             Die Ergebnisse des Zugversuchs zeigten, dass die Proben
bei einem kombinierten Lagenaufbau überprüfen. Insbe-                               in der Nähe des Greifers sowohl parallel als auch senkrecht
sondere sollte der direkte Einfluss der Integration einzelner                       zur Faserrichtung versagten (Abb. 16). Die Mindestbruch-
Längslagen in das Materialsystem untersucht werden.                                 kraft der Probekörper mit 9 Querlagen und 3 integrierten
Hierfür wurden wiederum Probekörper mit folgendem La-                               Längslagen beträgt 9897,58 kN, was 33,27 N/mm2 ent-
genaufbau auf Zug getestet und miteinander verglichen: (a)                          spricht; die der Probekörper mit 12 Querlagen lediglich
alle Lagen mit Fasern in Querrichtung, (b) 9 Lagen mit Fa-                          12,06 N/mm2 (Abb. 17). Mit der Integration der Längslagen
sern in Querrichtung und 3 Lagen in Längsrichtung (Abb.                             konnte die Zugkraft der Testkörper somit um das Dreifache
15).                                                                                erhöht werden.

                                                                     12 // L1

                                                                     11 // Q1

                                                                     10 // Q2

                                                                     09 // Q1

                                                                     08 // L2

                                                                     07 // Q2       Abb. 16 Zugversuch und Versagensarten der Probekörper

                                                                     06 // Q1

                                                                                                             12000
                                                                     05 // Q2

                                                                                                             10000
                                                                     04 // L1

                                                                                                             8000
                                                                     03 // Q1
                                                                                     St an d ard Force [N]

                                                                                                             6000

                                                                     02 // Q2
                                                                                                             4000

                                                                     01 // Q1
                                                                                                             2000

                                                                                                                            0.5          1.0         1.5            2.0   2.5        3.0

                                                                                                                                                       Strain [%]
                                                                                                                     Probekörper mit 12 Querlagen
                                                                                                                     Probekörper mit 9 Quer- und 3 Längslagen

                                                                                    Abb. 17 Zug-Dehnungs-Kurve der beiden Probekörper

Abb. 15 Lagenaufbau der Testkörper für Belastungstests

Materialsystem                                                                                                                                       BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                                         19

3          WICKELPROZESS

3.1        Generierung von Wickellinien                                               Für die Herstellung von fugenlosen, gleichförmigen Hohl-
                                                                                      profilen sind drei entscheidende Parameter für den Wickel-
       SCHALUNG                    WICKELWINKEL                        WIEDERHOLUNG   winkel ausschlaggebend (Abb. 19): Zum einen der Umfang
                                                                                      der abgewickelten Fläche, die Anzahl der Furnierstreifen
                                                                                      pro Lage und die Furnierbreite.

                                                                                      In Abhängigkeit der genannten Parameter wird der Start-
                                                                                      winkel der geodätischen Linie (Wickellinie) mathematisch
                                                                                      errechnet. Das Profil wird parallel zum Querschnitt in gleich
      GLEICHFÖRMIG                     KONKAV                              KONVEX
                                                                                      große Segmente unterteilt, die der Breite des Furnierstrei-
                                                                                      fens entsprechen. Damit ein fugenloses Bauteil entstehen
                                                                                      kann, muss der Startpunkt der zweiten Umrundung des
                                                                                      Profils exakt an derselben Stelle liegen wie der Endpunkt
                                                                                      nach einer Umrundung.

Abb. 18 Wickellinien                                                                  Der errechnete Winkel muss nach jeder Lage neu bestimmt
                                                                                      werden, da sich der Durchmesser und damit der Umfang in
Für die robotische Herstellung werden Wickellinien mit ei-                            Abhängigkeit der Materialstärke des Furniers vergrößert.
nem definierten Startpunkt und Wickelwinkel entlang eines                             Damit ergibt sich eine geringe Abnahme des Wickelwinkels:
Schalungselements generiert (Abb. 18). Bei mehreren Fur-                              Je breiter das Profil wird, desto flacher wird also der Winkel.
nierstreifen wird die Linie entlang der Schalung rotiert.                             Ebenso ändert sich der Wickelwinkel in Abhängigkeit zur
Für die Generierung eines Werkzeugpfades werden lokal                                 Furnierbreite. Je breiter das Furnierband, desto steiler wird
geodätische Liniensegmente auf der zu wickelnden Fläche                               der Winkel. Außerdem entscheidend für die Berechnung
berechnet. Bei komplexeren Flächen wird die geodätische                               des Startwinkels ist die Anzahl der Furnierstreifen pro Lage.
Kurve an die Position mit hoher negativer Krümmung an-                                Mit der Erhöhung der Anzahl lässt sich der Winkel um ein
gezogen. Durch Deformation der Bauteilgeometrie lässt                                 Vielfaches steigern. Verändert man nun zusätzlich zur Fur-
sich somit - je nach Anwendungsfall – eine optimale Mate-                             nieranzahl auch dessen Breite, steigt der resultierende Wi-
rialverteilung durch die Platzierung des Furniers einstellen.                         ckelwinkel stärker an.

3.2        Wickelwinkel                                                               3.3       Lagenaufbau

                                                       α

                                                                                                           INNENSCHICHT
                                             U

                                                                                                                                                   INNENSCHICHT 60°
                                                                                                          ZENTRALSCHICHT

                                                      b

                                                                                                           AUSSENSCHICHT

                                                                                                            PRIMÄRWAND
                                                                                                                                                   AUSSENSCHICHT 8°
                      x*b       Anzahl Furnierstreifen pro Lange * Furnierbreite
                                                                                                           MITTELLAMELLE
           tan(α) =         =
                       U                            Umfang

Abb. 19 Parameter zur Bestimmung des Wickelwinkels                                    Abb. 20 Aufbau verholzte Zellwand (l.), Lagenaufbau Hohlprofil (r.)

Wickelprozess                                                                                                                 BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                             20

         QUERSCHNITT                            LÄNGSFURNIER 19MM                          LÄNGSFURNIER 24MM                   LÄNGSFURNIER 34MM

                40
                34               R3                        19                                      24                                     34

Abb. 21 Mögliche Fugenbildung bei Integration von Furnierstreifen in Längsrichtung

Interessant sind diese Untersuchungen insbesondere auf-                             In den kleinmaßstäblichen Untersuchungen wurde sich da-
grund der natürlichen Faserrichtung des Furniers. Für op-                           her auf bis zu sechs Furnierbänder pro Lage fokussiert, wo-
timierte Bauteileigenschaften und eine Erhöhung der Bie-                            raus sich ein Winkel von ca. 50° ergibt. So lässt sich ein fu-
gefestigkeit empfiehlt sich eine Ausrichtung der Fasern in                          genloses Bauteil erzeugen, dessen Eigenschaften nicht ne-
Längsrichtung. Abb. 20 zeigt die Analogie zum Aufbau einer                          gativ beeinträchtigt werden. Untersucht wurden hierbei so-
verholzten Zellwand. Zusätzlich verhindert ein kreuzweiser                          wohl runde als auch rechteckige Profile (Abb. 22 / Abb. 23).
Lagenaufbau ein späteres Quellen des Bauteils, da Holz in
Faserrichtung weniger quillt.                                                       Dabei wurden Elemente mit uni- als auch bidirektional ge-
Demnach wäre eine Integration von Längsfurnieren entlang                            wickeltem Lagenaufbau sowie die Frage, welchen Einfluss
des Bauteils sinnvoll. Problematisch hierbei gestaltet sich                         Wickelwinkel und das Wickelmuster auf die mechanischen
lediglich eine mögliche Fugenbildung, die je nach gewählter                         Eigenschaften des Bauteils haben, untersucht.
Furnierbreite unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Abb. 22 Rundhohlprofil mit abwechselnd 1 / 6 Furnierbändern                         Abb. 23 Rechteckhohlprofil mit abwechselnd 1 / 6 Furnierbändern

Wickelprozess                                                                                                             BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                        21

3.4      Freiformgeometrien

                                                                                    In Folge entsteht eine über die Bauteilgeometrie steuerbare
                                                                                    Materialverteilung des Furniers. Gleichzeitig lässt sich hier-
                                                                                    über auch der Faserverlauf kontrollieren und verändern,
                                                                                    z.B. von einer eher horizontalen Ausrichtung hin zu einem
Abb. 24 Generierung von Wickellinien an unterschiedlichen Freiformen                vertikalen Verlauf.

Im Gegensatz zu gleichförmigen Hohlprofilen ohne variie-                            Eine entgegengesetzte Ausrichtung der Furnierstreifen in
rende Querschnitte, bei denen der Wickelwinkel konstant                             der darauffolgenden Lage verleiht dem Bauteil seine benö-
ist, verändert sich dieser bei Freiformgeometrien auf jedem                         tigte Stabilität. Durch Versetzen und wechselweises Wi-
einzelnen Punkt der Fläche aufgrund der variierenden Kur-                           ckeln können die Furnierstreifen darüber hinaus miteinan-
vatur der Fläche selbst: In Bereichen mit negativer Krüm-                           der verwebt werden.
mung verringert sich der Wickelwinkel senkrecht zur Rota-
tionsachse, wohingegen sich der Winkel in Bereichen mit                             Im Gegensatz zu gleichförmigen, regelmäßigen Profilen
positiver Krümmung erhöht (Abb. 24). Dabei bestimmt der                             (Kap. 3.2), die geschlossene Körper mit konstanter Materi-
Startpunkt und Winkel die jeweilige Positionierung und                              alstärke abbilden, resultiert bei Freiformgeometrien auf-
Ausrichtung der späteren Furnierlage.                                               grund der sich ändernden Kurvatur ein Muster mit offenen
                                                                                    Stellen und variierenden Wandstärken. Dabei ist der Faktor
Durch Wiederholung bzw. Rotation der generierten Wickel-                            zwischen dem schmalsten und breitesten Querschnitt von
linie entlang der Geometrie kann eine erste Lage ausgebil-                          besonderer Bedeutung. Je größer der breiteste Durchmes-
det werden. Aufgrund der zuvor beschriebenen Änderung                               ser wird, umso größer werden die Lücken zwischen den
des Wickelwinkels entlang der Geometrie verdichten sich                             Furnierstreifen. Gleichzeitig könnten zu klein gewählte
die Wickellinien in Bereichen mit konkaver Krümmung, wo-                            Querschnitte in Relation zum größten Bauteildurchmesser
hingegen sich die Linien in konvexen Bereichen aufspreizen                          zu Überlappungen führen. Dieses Prinzip beeinflusst un-
(Abb. 25).                                                                          mittelbar den Entwurfsprozess der Bauteile.

Abb. 25 Generierung von Wickellinien und einzelner Lagen auf einer Freiformgeometrie

Wickelprozess                                                                                                        BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                        22

4        ROBOTISCHE FABRIKATION

                                                                           ENDEFFEKTOR

                                                                       IGUS ROTATIONSACHSE

                                             SCHALUNGSELEMENT

                  Werkzeugpfad Strategie 1+3
                  Werkzeugpfad Strategie 2

Abb. 26 Aufbau der Roboteranlage in kleinem Maßstab

4.1      Aufbau der Roboteranlage                                                   Für die kleinmaßstäblichen Versuche wurde hierfür ein ABB
                                                                                    IRB 1200 Roboter mit Endeffektor und externer Drehpositi-
Zur Herstellung der einzelnen Lagen bewegt sich ein Robo-                           oniereinheit verwendet (Abb. 26). Diese ist in die Hauptsteu-
terarm mit integriertem Auftragswerkzeug entlang der zu-                            erung des Roboters integriert. Dabei wird die Drehge-
vor generierten Werkzeugpfade. Simultan rotiert das auf ei-                         schwindigkeit des Werkstückpositionierers durch inverse
ner externen Rotationsachse montierte Schalungselement.                             Kinematik von ABB berechnet.

                                                                                                          FURNIERBAND 24MM

Abb. 27 Endeffektor-Design

Robotische Fabrikation                                                                                               BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                               23

Zum Auftrag des Furniers auf dem Schalungselement                                      4.2        Werkzeugpfad
wurde als Roboterwerkzeug ein spezieller Endeffektor, be-
stehend aus folgenden Bauteilen, entwickelt: (a) Schnell-
wechselplatte, (b) Filamentführung, (c) Schrittmotor, (d)
Extrusionsrolle, (e) Schneidwerkzeug und (f) Andrückrolle
(Abb. 27).
Dabei wird das Furnierband über eine am (c) Schrittmotor
befestigte (d) Extrusionsrolle durch die (b) Filamentführung
nach vorn geschoben. Mit der (f) Andrückrolle lässt sich das                           Extrusion speed (mm/s)

Furnier präzise auftragen und das pneumatisch aktuier-                                 Axis rotation speed (RPM)
                                                                                       Robot TCP speed (mm/s)
bare (e) Messer übernehmen den Zuschnitt des Furniers
nach einer gewickelten Lage.                                                           Abb. 29 Strategien zur Ansteuerung der entscheidenden Parameter

Die robotische Ansteuerung erfolgte dabei mittels Robot                                Für die robotische Ansteuerung und folgende Fabrikation
Components - einem am Fachgebiet EDEK entwickelten O-                                  wurde aus den zuvor erzeugten Wickellinien ein Werkzeug-
pen Source Add-On für Grasshopper in Rhino (Abb. 28). Der                              pfad generiert. Dabei gibt es unterschiedliche Strategien
damit generierte Code kann entweder direkt oder über Ro-                               zur Erzeugung des Werkzeugpfads.
bot Studio an das ABB-Roboter System gesendet werden.
Der Schrittmotor für die Extrusion des Furniers wurde ex-                              Die entscheidenden Parameter, welche synchronisiert und
tern über einen Mikrocontroller (Arduino) und Funken an-                               aufeinander abgestimmt werden müssen, sind hierbei wie
gesteuert. Die Ansteuerung der unterschiedlichen Einhei-                               folgt: (a) Extrusionsgeschwindigkeit des Filaments, (b) Ge-
ten wurde über einen Profinet-Verteiler und einer Ventilin-                            schwindigkeit der Rotationsachse und (c) Geschwindigkeit
sel gewährleistet.                                                                     des Roboters selbst (Abb. 29).
                                                                                       In Abhängigkeit der Bauteilgeometrie können die Parame-
                                                                                       ter entweder konstant oder variabel gehalten werden. In
                   SOFTWARE                                 HARDWARE
                                                                                       den bisherigen Untersuchungen wurde weitestgehend mit
  GRASSHOPPER                 ROBOT STUDIO
                                                                                       Strategie 2 gearbeitet, um möglichst viele Parameter kon-
                                                                                       stant zu halten und unnötige Fehlerquellen zu eliminieren.

ROBOT COMPONENTS                                                         ABB ROBOT     Die Bildsequenzen in den Abb. 30 / Abb. 31 zeigen die resul-
                                                                                       tierende Bewegung des Roboters bei gleichzeitiger Rotation
                                                                                       der Drehpositioniereinheit. Im Vergleich zu Rundprofilen,
    FUNKEN                                    ARDUINO UNO              STEPPER MOTOR
                                                                                       bei denen der Roboter einen linearen Pfad abfährt, entste-
                                                                                       hen deutlich komplexere Bewegungen aufgrund des Werk-
                                                                                       zeugpfads entlang des rechteckigen Profils. Zudem resul-
Abb. 28 Workflow zur robotischen Fertigung und verwendete Software                     tieren deutliche Unterschiede bei unterschiedlichen Wi-
                                                                                       ckelwinkeln, z.B. entlang einer steilen Wickellinie bei 6 Fur-
                                                                                       nierbändern pro Lage oder aber bei einem wesentlich fla-
                                                                                       cheren Winkel mit lediglich einem Furnierband.

Robotische Fabrikation                                                                                                      BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                   24

Abb. 30 Resultierende Bewegungen bei steilem Wickelwinkel mit sechs Furnierbändern pro Lage

Abb. 31 Resultierende Bewegungen bei flachem Wickelwinkel mit einem Furnierband pro Lage

Robotische Fabrikation                                                                          BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
3DWoodWind – Robotische Wickelverfahren für materialeffiziente Leichtbauteile aus Furnierholz                                                                                 25

4.3         Fügung
                                                                                                       Untersuchungen zeigten, dass der ermittelte Druck bei
Klebstoffauftrag & Anpressdruck                                                                        Rundprofilen über Zug des Furniers ausreicht, um die Fur-
Für eine ausreichende Haftung der einzelnen Furnierlagen                                               nierlagen miteinander zu fügen, da sich der Druck gleich-
untereinander ist je nach Klebstoffsystem ein definierter                                              mäßig entlang des Profils aufbaut. Bei Rechteckprofilen
Anpressdruck vorgesehen. Der hierfür benötigte Anpress-                                                hingegen baut sich der Druck im Wickelprozess an den
druck liegt bei den verwendeten Klebstoffen zwischen 0,6 -                                             Ecken des Profils auf, wodurch sich das Furnier an den ge-
1,0 N/mm2. Dieser Richtwert resultiert aus dem tragenden                                               raden Flächen leicht aufwölbt und unerwünschte Fugen
Holzleimbau mit sehr langen Holzbauteilen, indem hohe                                                  entstehen können (Abb. 34). Insbesondere bei steileren Wi-
Pressdrücke nötig sind, um die Fugen möglichst gering zu                                               ckelwinkeln entstehen in diesen Bereichen Wölbungen, die
halten. Bezogen auf Furnierholz in kleinerem Maßstab lässt                                             sich mit einer zusätzlich gewickelten Lage - in einem sehr
sich der benötigte Anpressdruck um ein Vielfaches reduzie-                                             flachen Winkel - wieder andrücken lassen (Abb. 33).
ren.

                                                    EXTRUSIONSDRUCK
                                                                                         ZUGKRAFT Fs

 ANPRESSDRUCK Pmax

                                   Fs       1          20N        1
                          Pmax =        *       =            *          = 0.0417 N/mm2
                                   s        r         24mm       20mm

Abb. 32 Anpressdruck auf das Bauteil im robotischen Wickelprozess                                      Abb. 33 Aufwölben des Furniers bei steilen Wickelwinkeln

Im robotischen Wickelprozess wurde das Holzfurnier durch                                               Abb. 35 zeigt eine Gegenüberstellung verschiedener Lösun-
die mit dem Schrittmotor verbundene Extrusionsrolle auf                                                gen zu Anpresstechniken. Alternative Möglichkeiten zum
Zug gehalten, wodurch ein Anpressdruck am Wickeldorn                                                   Anpressen mittels Zugkraft stellt ein Druckaufbau über die
resultiert. Messungen mit einem Zug-/Druck-Messgerät                                                   im Endeffektor verbaute Andrückrolle im Wickelprozess dar
ergaben eine Zugkraft Fs von ca. 20N (Abb. 32).                                                        oder ein nachträgliches Verpressen via Vakuum-Pumpe. In
                                                                                                       Abhängigkeit der Bauteilgeometrie kann entschieden wer-
                                                                                                       den, wie der benötigte Anpressdruck aufgebracht wird.

               QUERSCHNITT                                                DRUCKAUFBAU                           FUGENBILDUNG                          VAKUUMDRUCK

                     40
                     34                         R3
                                                                                                                                  Fuge

Abb. 34 Fugenbildung bei Rechteckprofilen und Druckaufbau mittels Vakuum

Robotische Fabrikation                                                                                                                        BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
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                ZUG                              ANDRÜCKROLLE                           ZUG & ANDRÜCKROLLE                            VAKUUM

   Druckaufbau                                Druckaufbau                                 Druckaufbau                          Druckaufbau
   im Prozess                                 im Prozess                                  nach je 1 Lage                       nach Fertigung

   Klebstoffauftrag                           Klebstoffauftrag                            Klebstoffauftrag                     Klebstoffauftrag
   im Prozess                                 im Prozess                                  nach je 1 Lage                       nach je 1 Lage

   Offene Zeit                                Offene Zeit                                 Offene Zeit                          Offene Zeit
   sehr kurz                                  sehr kurz                                   mittel                               lang

   Eigenschaften                              Eigenschaften                               Eigenschaften                        Eigenschaften
   • Programmierung hinsicht-                 • Programmierung hinsicht-                  • Programmierung hinsicht-           • Druckaufbau im Prozess
   lich Wickelprozess einfacher               lich Wickelprozess komple-                  lich Wickelprozess einfacher         über Zug möglich
   • nur über einfache runde                  xer                                         • mittlere offene Zeit er-           • lange offene Zeit und
   Profile realisierbar                        • im Prozess integrierter                   möglicht Druckaufbau nach            nachträgliche Verpessung
   • im Prozess integrierter                  Klebstoffauftrag erfordert                  jeweils einer Lage, dadurch          mittels Vakuum ermöglicht
   Klebstoffauftrag erfordert                 sehr kurze offene Zeit und                  einfachen und beschleunig-           einfachen und beschleunig-
   sehr kurze offene Zeit und                 damit hohe Anforderungen                    ten Wickelprozess                    ten Wickelprozess
   damit hohe Anforderungen                   an das Dosier- und Applika-
   an das Dosier- und Applika-                tionssystem
   tionssystem

   Komplexität                                Komplexität                                 Komplexität                          Komplexität

Abb. 35 Gegenüberstellung verschiedener Anpresstechniken

Je nach Technik ergeben sich daraus unterschiedliche An-                            Eine unkomplizierte Möglichkeit im Hinblick auf das Do-
forderungen an Klebstoffsystem, -auftrag und Program-                               sier- und Applikationssystem, die innerhalb der For-
mierung. Wird das Furnier lediglich auf Zug gehalten, sollte                        schungsarbeiten näher untersucht wird, ist das nachträgli-
ein Klebstoff mit relativ kurzer offener Zeit verwendet wer-                        che Verpressen mittels Vakuumpumpe am Ende des Ferti-
den. Kann der Druck nur über die Andrückrolle aufgebracht                           gungsprozesses. Ein längerer Druckaufbau gewährleistet
werden, ist ein sehr schnell aushärtender Klebstoff im Se-                          eine kontrollierte Verklebung der Furnierlagen. Bei aufge-
kundenbereich nötig, der die Furnierlagen unmittelbar im                            wölbten Flächen (z.B. bei Rechteckprofilen) wird der Druck
Wickelprozess miteinander vollständig verklebt. Für beide                           durch den Vakuumsack gleichmäßig auf alle Flächen ver-
Möglichkeiten wird der Klebstoffauftrag im Prozess inte-                            teilt und somit dadurch eine homogene Kräfteverteilung
griert und stellt damit hohe Anforderungen an das Dosier-                           garantiert (Abb. 36 / Abb. 37).
und Applikationssystem – insbesondere die Handhabung
bei Klebstoffsystemen mit einer sehr kurzen offenen Zeit                            Diese Technik ist ebenso anwendbar für geometrisch kom-
gestaltet sich dabei deutlich schwieriger.                                          plexere Bauteile. Um ein Umformen während des Pressens
                                                                                    noch zu ermöglichen, ist hierfür ein Klebstoff mit einer lan-
Eine weitere Option stellt ein nachträgliches Verpressen                            gen offenen Zeit notwendig, der noch nicht vollständig aus-
mittels Andrückrolle nach jeweils einer gewickelten Lage                            gehärtet ist.
dar, was den Werkzeugpfad zunächst vereinfacht, den Pro-
zess allerdings gleichzeitig verlangsamt. Ebenso ist dies
nur über bestimmte Geometrien realisierbar.

Robotische Fabrikation                                                                                                   BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2023
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