Kontraste - 8 | Dezember 2013 - Referierte Ausgabe - JKU
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
kontraste Referierte Ausgabe SOZIALE DIENSTLEISTUNGEN IM WANDEL AKTUELLES BUCHTIPPS VERANSTALTUNGEN 8 | Dezember 2013
inhalt Soziale Dienstleistungen im Wandel Ruth Simsa: Die Ökonomisierung des Sozialen und der Druck auf Sozialorganisationen 6 Katharina Meichenitsch: Wer macht das Rennen? 14 Simone Wolfinger, Anton Konrad Riedl: Von der Subvention zum Leistungsvertrag 23 Brigitta Nöbauer, Heike Maun: ‚Zu Hause älter werden‘ 34 Paul Brandl: Soziale Dienstleistungen neu gestalten 49 Luise Gubitzer, Eva Klawatsch-Treitl: Soziale Dienstleistungen - quo vadis? 57 Aktuelles AK-Wissenschaftspreis 2013 verliehen 67 Aktuelle Daten zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung 68 Buchtipps 69 Veranstaltungen 71 2 September 2012
e di tor i a l Vom Einzug der Betriebswirtschaftslehre in Management) bedinge eine verstärkte ökonomische den Sozialbereich Ausrichtung der Organisationen wie des Sektors insgesamt, was sich beispielsweise in der Tendenz zur Kostenminimierung und damit zur Präferierung Dem altgriechischen Philosophen Heraklit verdanken von Billigstbietern im Zuge von Vergabeverfahren be- wir bekanntlich die Erkenntnis, dass „alles fließt“, merkbar macht. Der Trend, in zunehmendem Ausmaß d.h. sich die Dinge stets verändern und weiterent- auf die Generierung privater Finanzierungsquellen wickeln, auch wenn man mitunter den Eindruck hat, (Spenden, Sponsoring, ...) zu setzen, könne u.a. dazu dass Stagnation vorherrscht und nichts weitergeht. führen, dass die öffentliche Hand sukzessive aus Das liegt zum einen daran, dass sich viele Verände- ihrer Finanzierungsverantwortung entlassen wird rungen subkutan, unter der Oberfläche vollziehen und die privaten Financiers künftig auch inhaltliche und zum anderen das Tempo des Wandels variabel Schwerpunkte einfordern. Was die Änderungen in ist: Manches Mal geht es eben sehr langsam und ein der Anbieterstruktur betrifft, zeigt Meichenitsch, andermal deutlich schneller und ruckartiger. dass im Bereich der Alten- und Pflegeheime seit Als wir den Call zur vorliegenden Ausgabe formu- den 1980er Jahren ein deutlicher Rückgang bei den lierten, gingen wir von der Annahme aus, dass im öffentlichen Anbietern, ein leichter Anstieg bei den Bereich sozialer Dienste zuletzt merkbare Verände- non profit (NPO) und ein starker Anstieg bei den rungen stattgefunden haben und weiterhin stattfin- for profit Anbietern (FPO) feststellbar ist. Bei den den. Die angenommenen - und nachstehend abge- Kindertagesstätten gibt es im Rahmen des Förderwe- druckten - Beiträge haben uns in dieser Annahme sens Beschränkungen für gewinnorientierte Anbieter. weitgehend bestätigt, wobei dieser Wandel teilweise Dennoch ist auch hier ein Rückzug der öffentlichen nicht unbedingt als einer zum Positiven wahrgenom- Hand und eine Zunahme privater (in diesem Fall men und insofern sehr kritisch gesehen wird. nicht gewinnorientierter) Betreiber zu beobachten. So konstatiert Ruth Simsa unter Bezugnahme auf Die zwei Aufsätze von Nöbauer/Maun und von Pierre Bourdieu gegenwärtig einen „ökonomischen Wolfinger/Riedl untersuchen die Veränderungen in Imperialismus“, d.h. eine zunehmende Orientierung Finanzierungs- und Organisationsformen in den so- aller gesellschaftlichen Bereiche an der Logik des zialen Diensten für ältere Menschen und Menschen Wirtschaftssystems, die auch vor dem Sozialbereich mit Beeinträchtigungen. Sie zeigen allerdings, dass nicht halt mache. Vor dem Hintergrund der Globa- sich privatwirtschaftliche Organisationsformen und lisierung habe die Politik gegenüber einer territorial kommerzielle Logiken nur begrenzt auf die regiona- ungebundenen Wirtschaft an Handlungsspielraum le und kommunale Sozialplanung niederschlagen. verloren. Dies sei insbesondere deshalb problema- Der Aufsatz von Simone Wolfinger und Anton K. tisch, weil durch die allgemeine Ökonomisierung Riedl diagnostiziert Veränderungen im Modus der „destruktive Dynamiken“ in Gang gesetzt worden finanziellen Steuerung von Leistungserbringung und seien (z.B. die wachsende Kluft zwischen Arm und Planung, die sich in dem Motto „Von der Subvention Reich oder die Flexibilisierung und Prekarisierung der zum Leistungsvertrag“ auf den Punkt bringen lassen. Arbeit), die grundsätzlich ein Mehr an staatlichen Hier kommt ein Bedeutungszuwachs betriebswirt- Interventionen erfordern würden. Für die Sozialor- schaftlicher Kriterien zum Ausdruck, der durchaus ganisationen resultiere aus dieser Entwicklung ein problematische Seiten hat, indem Leistungserbrin- verstärkter Konkurrenzdruck bei prekärer werdender ger des Dritten Sektor nur mehr das anbieten, was öffentlicher Finanzierung und einem wachsendem von der öffentlichen Hand auch finanziert bzw. Bedarf nach sozialen Dienstleistungen. nachgefragt wird. Andererseits wäre dies jedoch als „Ökonomisierung“ im Sinne von zunehmend pri- Ähnlich die Krisendiagnose von Katharina Mei- vatwirtschaftlicher und kommerzieller Steuerung chenitsch: Die Übernahme von EU-Logiken für die des sozialen Dienstleistungsbereichs nicht adäquat Verschuldung öffentlicher Haushalte (Stichwort: beschrieben, weil gleichzeitig ein höheres Ausmaß an Maastricht-Kriterien) und die Übernahme betriebs- Steuerungs- und Planungsaktivität der öffentlichen wirtschaftlicher Verfahren (Stichwort: New Public Hand in diesem Modus der finanziellen Steuerung kontraste Dezember 2013 3
ed itori al zum Ausdruck kommt. Wenngleich also Steuerungs- unterminieren. In eine ähnliche Richtung geht die instrumente, die in einer betriebswirtschaftlichen Anregung von Meichenitsch, gemeinsame Qualitäts- Logik stehen, zum Einsatz kommen, bleiben Länder standards für soziale Dienstleistungen zu erarbei- und Kommunen – und das heißt auch: demokratisch ten, die auch mehr Transparenz für die KlientInnen legitimierte öffentliche Entscheidungsträger – bei hinsichtlich der Leistungserbringung sowie der der Definition von Zielen und Koordination der durchführenden Organisationen sicherstellen sollen. Verausgabung öffentlicher Mittel zentral involviert Meichenitsch wünscht sich zudem eine Einbindung und ihr Einfluss nimmt sogar noch zu. Die Entschei- von NPO in öffentliche Entscheidungsprozesse sowie dungen und Aktivitäten der öffentlichen Hand stehen mehr Planungssicherheit bei der Fördermittelvergabe. zwar im Zeichen knapper öffentlicher Budgets, doch Wolfinger und Riedl regen an, dass bei der Erstel- bleibt, wie im Aufsatz von Brigitta Nöbauer und Hei- lung von Richtlinien durch die öffentliche Hand als ke Michaela Maun über kommunale Sozialplanung in Auftraggeber nicht nur theoretische Erkenntnisse, einer alternden Gesellschaft argumentiert wird, die sondern auch Erfahrungen aus der Praxis berücksich- Orientierung am Versorgungsgedanken ein zentrales tigt werden. Nöbauer und Maun legen nahe, soziale Handlungsmotiv in den Aktivitäten kommunaler Dienstleistungsbedarfe nicht auf Einzelaspekte ExpertInnen und Entscheidungsträger. (wie Pflege- oder Betreuungsbedarf) zu reduzieren, Der Aufsatz von Paul Brandl zeigt, wie in der be- sondern sie als Querschnittsmaterie aufzufassen, an triebswirtschaftlichen Praxis und Forschung entstan- der viele Politikfelder beteiligt sind. Brandl fordert dene Instrumente der Prozessoptimierung im Bereich in erster Linie mehr finanzielle Mittel ein, um damit der sozialen Dienstleistungsarbeit zum Einsatz eine an den Kundenbedürfnissen orientierte Entwick- kommen können. Er argumentiert, dass das „Über- lung innovativer Dienstleistungen im Sozialbereich schreiten bewährter Grenzen“ (zwischen privatem zu fördern. und öffentlichem Sektor) und eine größere Offenheit Sollte es gelingen, auch nur einen Teil dieser Anre- gegenüber Management-Ansätzen, die ihre Wurzeln gungen umzusetzen, dürfte dies mit großer Wahr- in der Privatwirtschaft haben, durchaus auch positive scheinlichkeit zur gedeihlichen Weiterentwicklung Auswirkungen auf Organisation und Innovation im des Sozial- und Gesundheitssektors beitragen. Den Bereich der sozialen Dienste haben können. entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt, Luise Gubitzer und Eva Klawatsch-Treitl warnen scheinen die genannten Forderungen grundsätzlich hingegen vor einer zu leichtfertigen Übernahme auch realisierbar; zusätzliche öffentliche Mittel für von Innovationskonzepten aus der Privatwirtschaft den Sektor dürften aufgrund der gegenwärtigen und zeigen theoretische Schwächen und Wahrneh- budgetpolitischen Prämissen bzw. Restriktionen mungsdefizite auf, die sich ergeben, wenn man sich allerdings eher schwer zu lukrieren sein. in der öffentlichen Diskussion und wissenschaftli- Hilfreich wäre es auf alle Fälle, wenn es gelänge, ei- chen Beschäftigung zu stark auf eine Übernahme nerseits die beschäftigungspolitische Bedeutung des von Rationalitäten, Menschenbildern und Orga- Sektors, der von der Europäischen Union immerhin nisationskonzepten des For Profit Sektors in den als „Wachstumsbranche“ gesehen wird, und anderer- Öffentlichen und den Dritten Sektor einlässt. Hierin, seits dessen Leistungen für die Gemeinschaft stärker so die Autoren, liegt die eigentliche Gefahr von Öko- darzustellen, damit dieser in der Öffentlichkeit nicht nomisierungstenzenden in der sozialen Dienstleis- primär als „Kostenfaktor“ wahrgenommen wird (Sim- tungsarbeit, dass damit Normen, Erwartungen und sa). Dass soziale Dienstleistungen eine bedeutende Funktionsprinzipien übernommen werden, die den Rolle in der Gesellschaft einnehmen, dass sie viele Realitäten und Bedarfen personenbezogener sozialer unterschiedliche Bereiche abdecken und dass hier Dienstleistungsarbeit nicht gerecht werden. einiges in Bewegung ist, sollte auch aus den nach- Gubitzer und Klawatsch-Treitl sprechen sich inso- stehenden Beiträgen deutlich werden. Wir wünschen fern für die Festlegung von spezifischen Normen für eine anregende und informative Lektüre. soziale Dienstleistungsarbeit aus, weil Marktkräfte Margitta Mätzke dazu tendieren würden, Dienstleistungsstandards zu Hansjörg Seckauer 4 Dezember 2013 kontraste
A u tor / i n n e n MitarbeiterInnen der vorliegenden Ausgabe Paul Brandl ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personal und Organisation sowie seit 2009 Koordinator des Studiengangs Sozialmanagement an der FH Oberösterreich. Seine Aufgabengebiete sind Or- ganisationsentwicklung, Prozessmanagement und die Entwicklung sozialer Dienstleistungen. Im Besonderen beschäftigt er sich mit der Optimierung und Neugestaltung der mobilen und stationären Altenbetreuung sowie der Behindertenbetreuung. Luise Gubitzer ist a.o. Universitätsprofessorin am Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie der WU Wien und arbeitet zu Fragen alternativer Ökonomie mit einer feministischen Perspektive. Eva Klawatsch-Treitl beschäftigt sich als Wirtschaftspädagogin und Ökonomin mit Wirtschaftsalphabetisierung und arbeitet diesbezüglich im Kontext von Entwicklungspolitik und Sozialen Organisationen. Sie ist haupt- berufliche Mitarbeiterin im Department Soziale Arbeit (FH Campus Wien), Koordinatorin des Vereins JOAN ROBINSON – Verein zur frauengerechten Verteilung ökonomischen Wissens und Obfrau von WIDE - Entwick- lungspolitisches Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven. Heike Michaela Maun ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Gesundheit und Soziales der Fach- hochschule Oberösterreich. Ihr Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt ist „Leben im Alter“ (LiA). Kontakt: heike.maun@fh-linz.at Katharina Meichenitsch ist Ökonomin und Sozialexpertin der Diakonie Österreich. Zu ihren Arbeitsgebieten zählen Angelegenheiten der Behindertenpolitik, der Pflegevorsorge sowie Gemeinnützigkeit und Entwicklungen im Dritten Sektor. Brigitta Nöbauer ist Professorin für Personalmanagement an der Fakultät für Gesundheit und Soziales der FH Oberösterreich. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind Personalversorgung, Personalentwicklung, Anreizgestaltung und Führung in NPOs sowie Fragen der Steuerung im System der Altenbetreuung und –pfle- ge. Kontakt: brigitta.noebauer@fh-linz.at Anton K. Riedl ist Professor für Sozial- und Verwaltungsmanagement an der Fachhochschule OÖ, Fakultät für Gesundheit und Soziales, Campus Linz, mit dem Schwerpunkt Versorgungsforschung im Sozial- und Gesund- heitsbereich. Ruth Simsa ist Leiterin des Kompetenzzentrums für Nonprofit-Organisationen der Wirtschaftsuniversität Wien (www.npo.or.at) und a.o. Universitätsprofessorin am Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung der WU. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Entwicklungen der Zivilgesellschaft und Management von NPOs. Zudem ist sie als selbständige Organisationsberaterin und Leadership-Trainerin tätig (www.ruthsimsa.at). Simone Wolfinger ist seit 2011 als Sozialpädagogin in einem Kinder- und Jugendwohnhaus tätig. Im Juli 2013 schloss sie ihr Masterstudium „Services of General Interest“ mit dem Schwerpunkt Sozialmanagement an der Fachhochschule Linz ab. Während ihres Masterstudiums arbeitete sie an einem außeruniversitären Projekt im Gesundheitswesen mit. kontraste Dezember 2013 5
SOZI AL E DI EN ST LEI ST UNGEN I M WA N DE L Die Ökonomisierung des der Sozialorganisationen NPOs sind und zum ande- ren der Bereich der sozialen Dienstleistungen ein we- Sozialen und der Druck auf sentlicher Teil des NPO-Sektors ist. Über 60 Prozent der Beschäftigten in NPOs sind im Gesundheits- und Sozialorganisationen Sozialwesen tätig, 47 Prozent arbeiten alleine im So- zialwesen (Pennerstorfer et al. 2013). Ruth Simsa Im Fokus dieses Artikels stehen Sozialorganisationen, also soziale Dienstleistungsorganisationen. Da die 1. Einleitung Datenlage zum Teil unzureichend ist (Schneider and Sozialorganisationen stehen unter Druck. Die soziale Haider 2009), muss allerdings bei der Darstellung öko- Sicherheit ist auch in Österreich in Gefahr, sukzessi- nomischer Eckdaten wie auch von Entwicklungstrends ve beschnitten zu werden. Der Befund ist nicht neu, auf unterschiedliche Grundgesamtheiten Bezug ge- die Situation verschärft sich aber von Jahr zu Jahr. nommen werden, dies wird aber jeweils expliziert. Im Folgenden soll zunächst ein kurzer Überblick über gesellschaftliche Leistungen der Sozialwirtschaft ge- 2.2. Beiträge für das Alltagsleben geben werden. Damit wird gezeigt, dass es sich dabei Der Nutzen von Sozialorganisationen für die Gesell- weder um ein ökonomisches Randphänomen noch um schaft wird meist unterschätzt. Zum einen leisten einen gesellschaftlich verzichtbaren Bereich handelt. sie massive Beiträge für das Alltagsleben vieler Men- Danach werden aktuelle Entwicklungen skizziert und schen, die oft nicht gesehen werden. Aus den vielfäl- argumentiert, dass diese v.a. durch die Ökonomisie- tigen Leistungen seien daher hier ein paar ausgewähl- rung der Gesellschaft geprägt sind. Neben der Analyse te Zahlen genannt. So wurden 2010 insgesamt über von Literatur wird dabei vor allem auf zwei eigene 15,5 Millionen Leistungsstunden in mobilen Diensten Erhebungen des NPO-Kompetenzzentrums der WU geleistet und dabei insgesamt 127.891 Menschen (Wirtschaftsuniversität Wien) zurückgegriffen. betreut, in 73 Beschäftigungsprojekten der Caritas wurden 894 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose 2. Gesellschaftliche Leistungen des sozialen geschaffen, die SOS Kinderdörfer haben 2011 an die Dienstleistungsbereichs 6.400 Personen in Österreich betreut, ein dauerhaftes 2.1. Begrifflichkeit Zuhause für ca. 80.000 Kinder und Jugendliche ge- Die Beschäftigung mit der Thematik des Sozialen schaffen und insgesamt jährlich mehr als zwei Milli- steht zunächst vor der Hürde der Begrifflichkeit. So onen Menschen mit ihren Programmen erreicht. Licht wird Sozialwirtschaft zum Teil verstanden als die für die Welt hat 2011 über 41.000 Menschen ihr Au- Gesamtheit der Gesundheits- und Sozialorganisatio- genlicht zurückgegeben und die Einsatzfahrzeuge des nen.1 Teilweise werden darunter nur Organisationen Arbeitersamariterbundes legen mehr als 18 Millionen des sozialen Dienstleistungsbereichs verstanden, in Kilometer pro Jahr zurück, was über 450 Fahrten rund der amtlichen Statistik z.B. (ÖNACE) werden die Be- um die Erde entspricht, durchschnittlich werden sie reiche Sozialwesen und Gesundheitswesen getrennt 2.700 Mal pro Tag angefordert. ausgewiesen. Inhaltlich ist die Abgrenzung zwischen Der Sektor hat also eine Fülle an sozialen Wirkungen. Gesundheits- und Sozialbereich schwer – wie etwa Er erbringt Sozialleistungen, ermöglicht gesellschaft- am Beispiel der Aidshilfe oder der Drogenhilfe deut- liche Vielfalt, Partizipation und Innovation. Die meis- lich wird. ten dieser Wirkungen sind nicht direkt messbar – sie Manchmal wird der Begriff auch mit jenem des NPO- scheinen in keiner amtlichen Statistik auf. Sektors, also dem Bereich nichtgewinnorientierter Organisationen, synonym verwendet. Auch das ist in- 2.3. Ökonomische Bedeutung haltlich unscharf, da zum NPO-Bereich auch Organi- Insbesondere aber die hohe ökonomische Bedeutung sationen zählen, die nicht im Sozialbereich tätig sind, des Sozialbereichs wird systematisch unterschätzt – wie etwa Autofahrerclubs, Umwelt- oder Kulturverei- ManagerInnen aus Sozialorganisationen beklagen im- ne. In der Analyse gegenwärtiger Entwicklungstrends mer wieder, dass ihre Branche als „Fass ohne Boden“ ist die Bezugnahme auf den NPO-Begriff allerdings bzw. als „reiner Kostenfaktor“ wahrgenommen wird. insofern gerechtfertigt, als zum einen ein Großteil 2.3.1. Beschäftigung 1 Z.B.: Europäische Union; Die Sozialwirtschaft Öster- Zunächst ist die Sozialwirtschaft ein wichtiger Be- reich – Verband der österreichischen Gesundheits- und schäftigungsmotor. Der Beschäftigungsmultiplikator Sozialunternehmen 6 Dezember 2013 kontraste
S OZ I A LE DI E N S TLE I S TU N G E N I M WA N DE L der Sozialwirtschaft liegt in Österreich mit 16,3 an Wirkung. Dieser Impact wird mit Geldwerten versehen dritter Stelle aller Wirtschaftssektoren, 1 Mio. Euro und den Kosten gegenübergestellt. Der SROI ist somit Investition in den Sektor schafft 16,3 Arbeitsplätze eine Zahl, die angibt, welcher monetäre und monetär (Statistik Austria 2011). Zum Vergleich: Eine Investi- bewertete soziale Rückfluss sich aus einem in ein Pro- tion von 1 Mio. Euro schafft im Energiebereich nur jekt oder in eine Organisation investierten Euro ergibt 3,8, im KFZ-Bereich 4,6 und am Bau 10 Arbeitsplätze. (Schober et al. 2012). Auffallend ist auch das starke Beschäftigungswachs- Der Bedeutungsgewinn dieser Methode ist als Sym- tum im Bereich der sozialen Dienstleistungen. Zwi- ptom der zunehmenden gesellschaftlichen Ökonomi- schen 2000 und 2010 stieg die Anzahl der Vertrags- sierung skeptisch zu beurteilen. In einer Welt, die den verhältnisse im NPO-Bereich insgesamt um ca. rund Sozialsektor häufig implizit als reinen Kostenfaktor 39 Prozent an, 76 Prozent dieses Wachstum fanden behandelt, geben die im Rahmen der Methode er- im Sozialwesen statt. Im Vergleich dazu stieg in die- mittelten Werte Sozialorganisationen allerdings die sem Zeitraum die unselbständige Beschäftigung in Möglichkeit, diesen Zuschreibungen entgegenzuwir- Österreich insgesamt um 7 Prozent (Pennerstorfer et ken, indem sie in der leicht verständlichen und hoch al. 2013). akzeptierten Sprache des Geldes den Nutzen von Pro- Viele soziale Dienstleistungsorganisationen bieten jekten verdeutlichen und argumentierbar machen. zudem den organisationalen Rahmen für Freiwilli- Bei allen berechtigten Einwänden gegen den damit genarbeit. Insgesamt waren 2006 rund 28 Prozent der implizierten grundsätzlichen Zugang zu Messung ÖsterreicherInnen im Rahmen von NPOs freiwillig tä- und Monetarisierung der Wirkungen sozialer Aktivi- tig, im Sozialbereich waren es 227.916 Personen (Mo- täten, welcher Objektivität und Messbarkeit sugge- re-Hollerweger and Heimgartner 2009). Wöchentlich riert, letztlich aber bestenfalls hohe Standards wis- wurden 2006 insgesamt fast 8 Mio. Stunden unbe- senschaftlicher Analyse bietet, wo Unvergleichbares, zahlte Arbeit geleistet. Zu Durchschnittslöhnen be- wie Menschenleben, Umwelt oder Zufriedenheit nicht zahlt, würde dies 47.271.360 Euro kosten (Pennerstor- nur verglichen, sondern auch monetarisiert werden, fer et al. 2013). Damit wird nicht nur ein wesentlicher und dies bei einer Fülle methodischer Probleme, bie- Beitrag zu gesellschaftlicher Integration geleistet, ten diese Kennzahlen doch fundierte Hinweise auf die sondern auch ein Angebot sozialer Dienste bereitge- Wirkungen sozialer Organisationen oder Projekte. Die stellt, das ansonsten nicht finanzierbar wäre. ermittelten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2.3.2. Wertschöpfung Selbst bei sehr rigiden Zugängen zur Bewertung sind Weiters ist der Bereich der sozialen Dienstleistungen SROI-Werte zwischen 3,5 bis 4,5 sehr häufig, teilwei- ein weithin unterschätzter Wertschöpfungsmultipli- se bringt jeder investierte Euro auch deutlich höhere kator: Die Erhöhung der Nachfrage nach Dienstleis- Werte an sozialen Wirkungen. tungen um 1 Mio. Euro löst eine Wertschöpfung, also Fazit aus diesen Zahlen ist, dass gerade in Zeiten wirt- den Wert, um den der Output den Input übersteigt, schaftlicher Probleme Investitionen in Sozialorgani- von 873.600 Euro aus (Meyer and Neumayr 2009). sationen gesamtwirtschaftlich sinnvoll sind. Der Sozialbereich ist damit unter den Top-5 Sektoren, die zur Wertschöpfung beitragen. 3. Ökonomisierung - von Solidarität zu neoliberaler Ideologie 2.4. Wirkungen von Sozialorganisationen Es gibt eine Reihe an Entwicklungen, die Druck ma- Abgesehen von den o.a. aggregierten Daten geben chen. Die meisten davon lassen sich unter dem Stich- auch einzelne Wirkungsanalysen Hinweise auf die wort Ökonomisierung der Gesellschaft subsumieren vielfältigen Wirkungen bzw. den Nutzen von Sozial- und stehen in Zusammenhang mit der Vorherrschaft organisationen. Das Messen und Bewerten der Wir- neoliberaler Ideologien. Die Wirtschaftskrisen der kungen von NPOs vor allem im Sozialbereich gewinnt letzten Jahre zeigen, dass der ökonomische Impe- an Bedeutung (Simsa et al. 2013), insbesondere im rialismus in der gegenwärtigen Form nicht einmal Rahmen von Analysen des Social Return on Invest- ökonomisch rational ist. Dass er sozial fragwürdig ist, ment – SROI. Dabei wird letztlich eine Kennzahl er- zeigen wachsende soziale und ökologische Probleme, mittelt, welche die soziale Wirkung von Investitionen weltweit sowie auch innerhalb der Industrieländer in einzelne Organisationen oder Programme darstellt. steigende Ungleichheiten von Einkommen und Ver- Die SROI-Analyse ist in ihrem Kern eine Spielart der mögen sowie damit einhergehende Tendenzen der Cost-Benefit-Analyse. Die Grundidee ist die Messung politischen Radikalisierung. des Impacts, also der einer NPO direkt zurechenbaren kontraste Dezember 2013 7
SOZI AL E DI EN ST LEI ST UNGEN I M WA N DE L Ökonomisierung der Gesellschaft (Schimank and von Ressourcen. Dass damit implizierte destruktive Volkmann 2008) meint die zunehmende Orientierung Dynamiken letztlich massive staatliche – dem ideolo- aller gesellschaftlichen Bereiche an der Logik des gischen Paradigma widersprechende – Interventionen Wirtschaftssystems. Bourdieu (1998) bezeichnet dies erfordern, scheint der scheinbaren „Logik“ der Argu- in Bezug auf die Gesamtgesellschaft als Intrusion der mentation nicht zu schaden. Durch Globalisierung Wirtschaftslogik in andere Teilsysteme. Auch soziales bedingte Grenzen sozialstaatlicher Einflussnahme Verhalten und die Tätigkeiten von Sozialorganisatio- werden damit zunehmend legitimiert und affirmativ nen müssen zunehmend ökonomisch dargestellt und aufgeladen. So wurde trotz des eindeutigen Zusam- begründet werden, was als neue Form von „Rationa- menhangs zwischen diversen Rettungspaketen für die litätsfassade“ (Meyer and Rowan 1997) interpretiert Finanzwirtschaft und der staatlichen Verschuldung werden kann. Im Zuge dieses Prozesses hat das po- die Finanzkrise in eine „Schuldenkrise“ umgedeutet litische System zunehmend gegenüber der territorial (Röpke 2011) und als Argument für staatliche Spar- ungebundenen Wirtschaft an Handlungsspielraum maßnahmen herangezogen. verloren. Als Folge ist auch in europäischen Wohlfahrtsstaaten Eine Tradition der Zuschreibung wesentlicher steu- insgesamt eine klare Verteilung von Unten nach Oben ernder Funktionen an den Staat führte seit Ende des deutlich (Fellner and Grisold 2010; Marterbauer 2011). 18. Jahrhunderts zur Übernahme von immer mehr Tendenzen zu Flexibilisierung und Prekarisierung der Agenden durch politische Systeme von National- Arbeit, der Reduktion öffentlicher Sozialleistungen staaten und zur Entwicklung von Wohlfahrtsstaaten. und der Verschärfung der sozialen Unsicherheiten Basis davon war die Vorstellung von Souveränität sind als Ausdruck einer allgemeinen Ökonomisierung eines steuerungsmächtigen Staates (Messner 1997). der politischen Steuerung zu werten (Penz 2010). Diese wurde seit Beginn der 1980er Jahre zunehmend Die Entwicklung zu Prekarisierung, einer zunehmen- von Sozial- und Verwaltungswissenschaften revi- den Kluft zwischen Arm und Reich und wachsender diert (Nassehi and Nollmann 1997, 407) und ersetzt Exklusion ist vermutlich noch nicht beendet und die durch Befunde einer „Entzauberung der Politik“ (Will- Frage nach gesellschaftlicher Integration und sozialer ke 1996, 223), der Macht des Weltmarktes (Narr and Gerechtigkeit stellt sich damit in verschärfter Form Schubert 1994, 45) oder, in etwas moderaterer Dikti- (Penz 2010; Stieglitz 2009, 407; Bude 2008). on, von einer „Krise des Regierens“ (Zürn 1998, 11), al- Wohlfahrtsstaatliche Absicherung und Solidarität lesamt zumeist in Zusammenhang mit Prozessen der verlieren also an Bedeutung zugunsten von Eigenver- Globalisierung gebracht. Spätestens seit den 1990er antwortung und privatem Engagement. Wir erleben Jahren wurde dies von neoliberalen Wirtschaftsthe- gegenwärtig einen „worldwide shift toward market orien radikalisiert, die politischen Einfluss auf wirt- solutions for solving public problems“ (Wijkström and schaftliche Prozesse als unwirksam, ja schädlich be- Zimmer 2011). Für Sozialorganisationen drückt sich trachten (Haller 1999, 497). diese Entwicklung konkret aus in prekärer öffentlicher Die Entwicklung des Neoliberalismus von einer mar- Finanzierung, verstärkter Konkurrenz insbesondere zu ginalen Position zur „erfolgreichsten Ideologie aller Wirtschaftsorganisationen, einem Druck zur Über- Zeiten“ (Anderson) charakterisiert eine „Phase ei- nahme von Konzepten aus der Profitwelt bei gleich- nes grundlegenden wirtschaftlichen, sozialen und zeitig wachsendem Bedarf nach ihren Leistungen. technischen Wandels, der den wohlfahrtsstaatlichen Konsens der Nachkriegsordnung und der Wiederauf- 4. Gegenwärtige Entwicklungen im bauära aufzuheben und Arbeit, Soziales, Demokratie Sozialbereich und Zivilgesellschaft dem radikalen Paradigma einer Im Folgenden werden zentrale Auswirkungen der rastlosen Globalisierung und Deregulierung von Öko- o.a. Entwicklungen auf den Sozialbereich genannt. nomie und Kultur unterzuordnen scheint.“ (Grisold Ich beziehe mich dabei neben Befunden aus der Li- and Maderthaner 2010, 9) Unter dem Vorzeichen teratur u.a. auf eine Quasi-Delphi-Erhebung (Okoli der völligen Neuordnung und Deregulierung der Fi- and Pawlowski 2004), in welcher mit Bezug auf den nanzmärkte zielt diese Ideologie auf eine „völlig neu NPO-Bereich ExpertInnen in zwei Runden über ihre konfigurierte, zur Gänze integrierte, virtuelle globale Einschätzungen zu markantesten Entwicklungen in Ökonomie“ (S. 9), mit der Folge einer Restrukturierung den nächsten 10 Jahren befragt wurden (Meyer and von Machtverhältnissen zugunsten neuer ökonomi- Simsa 2013). Die für Sozialorganisationen wichtigs- scher Eliten sowie einer umfassenden Neuverteilung ten Trends werden hier dargestellt. 8 Dezember 2013 kontraste
S OZ I A LE DI E N S TLE I S TU N G E N I M WA N DE L 4.1. Prekäre öffentliche Finanzierung Vertragszusagen deutlich ungewisser, kurzfristiger Der Staat war und bleibt für viele Sozialorganisa- und weniger planbar. In Kombination mit einem kri- tionen in finanzieller Sicht der wichtigste Partner senbedingt höheren Bedarf an sozialen Leistungen ist (Pennerstorfer et al. 2013). Unter dem Stichwort in der Folge eine schleichende Erosion sozialer Stabi- „contracting out“ wurde bereits in den letzten Jahr- lität zu beobachten. zehnten die Übertragung öffentlicher Aufgaben an Aus dem Sektor selbst gibt es viele Hinweise auf be- private Sozialorganisationen zunehmend von Subven- reits erfolgte Kürzungen, aber noch keine verlässli- tionen auf Leistungsverträge umgestellt. Dies führte chen Daten. Eine qualitative Bestandsaufnahme mit teilweise zu mehr Transparenz, hatte aber auch ne- Vertretern der größten österreichischen Sozialorga- gative Auswirkungen. nisationen und Dach- So sind öffentliche verbände hat gezeigt, Auftraggeber oft nicht „Wohlfahrtsstaatliche Absicherung dass die NPOs derzeit in der Lage, professio- und Solidarität verlieren also an Be- unterschiedlich stark nelle Vergabeverfahren von der Krise der öf- durchzuführen, die tat- deutung zugunsten von Eigenverant- fentlichen Haushalte sächlich den Bestbieter wortung und privatem Engagement. betroffen sind, abhängig bei komplexen Leistun- (...). Für Sozialorganisationen drückt von der Region, in der gen ermitteln, sodass in sie tätig sind, von ihrer der Praxis Output und sich diese Entwicklung konkret aus in Vertragssituation, dem nicht Outcome beurteilt prekärer öffentlicher Finanzierung, Tätigkeitsbereich und wird2 (Alexander et al. verstärkter Konkurrenz insbesondere von anderen speziellen 1999) und Billigstbieter zu Wirtschaftsorganisationen, einem Bedingungen. So wurde den Zuschlag erhalten. etwa im Jahr 2011 im Nichtgewinnorientier- Druck zur Übernahme von Konzep- Behindertenbereich in te Sozialorganisationen ten aus der Profitwelt bei gleichzei- einzelnen Bundeslän- werden somit durch tig wachsendem Bedarf nach ihren dern stärker gekürzt als Vergaberegime gezwun- in anderen Tätigkeitsbe- gen, sich zunehmend Leistungen.“ reichen, generell hängt wie gewinnorientierte die konkrete Betrof- Unternehmen zu ver- fenheit von Kürzungen, halten (Alexander et al. 1999), wodurch insbesondere aber auch stark von der Beziehung zum jeweiligen Basisbeteiligung und Freiwilligenarbeit unter Druck Fördergeber ab. Zahlungen werden nicht valorisiert, kommen (Little 2003). bei höheren Leistungen nicht angepasst oder auch Indirekt führen Leistungsverträge zu verstärkter Ori- schlicht gekürzt. Viele Reduktionen der Finanzierung entierung an Kosten zu Lasten jener an inhaltlichen finden versteckt statt, wenn etwa in Pflegeheimen Zielen. So sind Wohlfahrtsverbände vor allem durch die für die Aufnahme von KlientInnen vorgeschrie- den Wandel der gesetzlichen Rahmenbedingungen bene Pflegestufe erhöht wird. Die Anforderungen seit Jahren genötigt, ihre Angebote vor allem un- an das Pflegepersonal steigen damit drastisch, die ter dem Aspekt der Kostengünstigkeit zu entwickeln finanzielle Abgeltung bleibt gleich. Weitere Aushöh- (Rindt et al. 2011, 4). lungen sozialstaatlicher Sicherheit finden an dessen „Rändern“ statt, wenn etwa bestehende Hospiz- oder Darüber hinaus gab es bezüglich der Finanzierung Pflegeplätze zwar ausreichend finanziert, nicht aber durch die öffentliche Hand in den letzten Jahren eine im notwendigen Maß neue Plätze geschaffen werden eindeutige Entwicklung: Einem höheren Bedarf an oder wenn Selbstbehalte erhöht werden. Damit sind Leistungen des Sektors stehen gleichbleibende bzw. es vorerst zum Teil weniger die Organisationen, die rückläufige Finanzierungen durch die öffentliche durch reduzierte öffentliche Gelder in die Krise gera- Hand gegenüber. Zusätzlich werden Zahlungen bzw. ten, als vielmehr jene Individuen, die keinen Zugang mehr zu Leistungen bekommen. 2 Output wären z.B. angebotene Beratungsstunden oder gefahrene Rettungskilometer, Outcome deren Auch in Deutschland hat sich die Situation in den letz- Wirkung, etwa gesundheitliche Verbesserungen aufgrund ten zehn Jahren „…eher verschlimmert als verbessert; der Beratung oder die Verhinderung von gesundheitli- sei es mit Blick auf öffentliche Infrastrukturen, öf- chen Problemen durch den Rettungseinsatz. kontraste Dezember 2013 9
SOZI AL E DI EN ST LEI ST UNGEN I M WA N DE L fentliche Daseinsvorsorge, soziale Sicherung oder auf Schlagzeilen über die Konvertierung von NPOs in die Fürsorge.“ (Jirku 2011, 71) Finanzquellen werden Wirtschaftsunternehmen oder auch das Aufkaufen unsicherer (Fröse 2009), eine Entwicklung, die auch in von NPOs durch Wirtschaftsunternehmen, z.B. im Ge- Großbritannien zu beobachten ist (Taylor et al. 2012). sundheitsbereich, sind ein relativ neues, aber zuneh- Der Versuch, einen schwächer werdenden Sozialstaat mendes Phänomen (Dees and Battle Anderson 2003). durch NPOs und Freiwilligenarbeit zu kompensieren, Mit der angedachten Liberalisierung des Wettbewerbs muss scheitern: Quantitative Daten zeigen deutlich, in der Europäischen Union wird sich die Konkurrenz dass es in Europa mehr Freiwilligenarbeit in Staaten von Wirtschafts- und Nonprofit-Organisationen mit geringeren Einkommensunterschieden, stärke- drastisch verschärfen: Ohne Einigung auf selbstver- rer Urbanisierung und höheren Sozialausgaben gibt pflichtende Regeln, wie etwa einen angedachten Pu- (Meyer and Rameder 2011). blic Social Responsibility Kodex, welcher soziale und ethische Kriterien als Grundlage der Mittelvergabe 4.2. Wachsender Bedarf nach sozialen Leistungen vorsieht,3 haben öffentliche Stellen im Fall der Libe- Den finanziellen Einschränkungen stehen wachsen- ralisierung bei einer Auftragsvergabe für soziale und de Bedarfe gegenüber. Zum einen ist dies durch de- andere daseinsvorsorgende Leistungen keine Möglich- mographische Entwicklungen bedingt (Commission keit, bevorzugt mit nicht-gewinnorientierten Organi- 2009), die zu einer höheren Nachfrage in allen mit Al- sationen zu kooperieren, um damit z.B. neben der ei- tern zusammenhängenden Bereichen führen. Gleich- gentlichen Leistungserbringung auch ein Mindestmaß zeitig werden Anforderungen an die Leistungen vieler an Standards, wie etwa die Verpflichtung zu sozialer Sozialorganisationen höher. KlientInnen oder ihre An- und ökologischer Verantwortlichkeit, fairem Wettbe- gehörigen werden informierter und anspruchsvoller werb oder volkswirtschaftlicher Nachhaltigkeit durch (Simsa et al. 2004), sie erwarten hochprofessionelle, geringe externe Schäden, zu erwirken. Konkret be- maßgeschneiderte und moderne Angebote. deutet das: Der Auftrag muss an den Anbieter gehen, Infolge der wachsenden sozialen Ungleichheit und welcher die Leistung zum niedrigsten Preis erbringt, der strukturellen Arbeitslosigkeit entsteht zudem ein ungeachtet sonstiger gesellschaftlicher Nutzenerwä- neues und breiteres Klientel sowie generell ein hö- gungen. NPOs, die oft bewusst mit schwierigen Klien- herer Bedarf an sozialen Leistungen (Maaser 2009, tInnen arbeiten, besonders heikle Aufgabenbereiche 216), der u.a. bereits in den letzten Jahren zu einem übernehmen oder neben der eigentlichen Leistungs- Boom an arbeitsmarktnahen Dienstleistungen (Dim- erbringung oft zusätzliche Ziele, wie Integration oder mel 2012, 44) geführt hat. Partizipation, anstreben, könnten damit systematisch in Wettbewerbsnachteil geraten. VertreterInnen von In einer Erhebung im österreichischen NPO-Sektor Sozialorganisationen berichten bereits jetzt von ne- (Simsa and Hollerweger 2012) gaben 96 Prozent der gativen Folgen der Vergabe an gewinnorientierte Befragten an, dass der Bedarf nach Aktivitäten oder Unternehmen: So bieten diese die Leistungen nur in Leistungen ihrer Organisation in den letzten vier Jah- jenen Bereichen an, die sich rechnen, also z.B. die Be- ren deutlich gestiegen ist, bei 35 Prozent der Orga- reitstellung von Rettungsfahrzeugen nur in Stadtge- nisationen betrug der Anstieg des Bedarfs mehr als bieten mit hoher Dichte und zu stark frequentierten 20 Prozent. Ein Großteil (80%) der befragten Orga- Zeiten – nachts oder in den Randbezirken muss dann nisationen hat sein quantitatives Angebot gesteigert, doch wieder der Nonprofit-Anbieter kommen. Als über 80 Prozent bieten zudem eine höhere Vielfalt an Folge dieser Geschäftspraxis werden zum Teil extrem Leistungen an, etwa Vernetzungsarbeit, Beratungstä- niedrige Kosten angeboten, die öffentliche Hand wie- tigkeiten, das Ansprechen neuer Zielgruppen oder den derum nötigt Hilfsorganisationen, zum gleichen Preis Aufbau neuer Bereiche. anzubieten. Dass private Anbieter den Preis letztlich 4.3. Zunehmende Konkurrenz auch nicht immer halten können (d.h. in der Folge Viele Organisationen im Sozialbereich sind als NPOs Qualität und Angebot herabsetzen), zählt in der Ver- organisiert. Sie richten ihr Dienstleistungsangebot tra- handlungssituation nicht. ditionell nicht nur an Kosten, sondern auch an hohen Schließlich mehren sich Ansätze, die den Wettbewerb inhaltlichen Gesichtspunkten aus und erfüllen zudem noch auf viel radikalere Art und Weise in den Sektor auch politische und integrative Funktionen. Sie sehen tragen: Soziale Dienstleistungen werden durch Geld- sich zunehmend nicht nur einer Konkurrenz durch leistungen an die BezieherInnen und nicht mehr durch andere NPOs ausgesetzt, sondern auch durch Wirt- schaftsorganisationen – ein Trend, der sich verschärft. 3 Z.B. http://www.psr-institut.at/wp/ 10 Dezember 2013 kontraste
S OZ I A LE DI E N S TLE I S TU N G E N I M WA N DE L die direkte finanzielle Abgeltung der Leistungsanbie- Insbesondere die Weitergabe des Kostendrucks auf ter finanziert. Als Beispiel kann auf pauschale Pfle- MitarbeiterInnen wird zu einem großen Problem in gegeldzahlungen (in Österreich), auf Erziehungsgeld- einem Bereich, der schon traditionell hoch belastete, leistungen (in Deutschland) und auf die Finanzierung atypische und teilweise prekäre Beschäftigungsver- von Krankenkassen (in der Schweiz) verwiesen wer- hältnisse aufweist (Mayrhofer and Meyer 2002; Sim- den. Damit wird die Achillesferse „Vergabeverfahren“ sa et al. 2004). Die Schere zwischen Anforderungen ausgeschaltet und auf KonsumentInnensouveränität und Ressourcen wird weiter (Lehndorff 2001) und gesetzt. Von dieser kann Menschen, die profes- aber häufig nicht aus- sionell mit Arbeiten in gegangen werden. Kli- “Dem überspitzt, aber nicht unzutref- den Branchen sozialer entInnen fehlen oft Ver- Dienstleistungen be- gleiche, Expertise oder fend so genannten „Sozialismus für traut sind, sind oft stark Handlungsoptionen (ein Reiche“ (Stieglitz), also der Privatisie- belastet, Aufgabenfel- Heimplatz soll z.B. in der rung von Gewinnen bei Sozialisierung der wurden ausgedehnt, Nähe des alten Wohnor- Personal ausgedünnt, tes oder von Verwand- von Verlusten, muss mit Fakten und Arbeit verdichtet. Die ten sein), zum Teil sind Argumenten gerade auch von Seiten Sozialwirtschaft gerät sie nicht entscheidungs- der Sozialorganisationen entgegen unter Prekarisierungs- fähig (z.B. demente Per- getreten werden. Es reicht nicht aus, druck, die Einkommen sonen). Daher sind die im Sozialwirtschaftsbe- Einsatzmöglichkeiten Gutes zu tun, dies muss verstärkt auch reich liegen um beinahe dieser so genannten in den öffentlichen Diskurs und in 20 Prozent unter dem Subjektförderung auch Verhandlungen mit politischen Ent- Durchschnitt sämtlicher dann, wenn nicht Geld- unselbständiger Brut- mittel, sondern Voucher scheidungsträgerInnen eingebracht tobezüge, der Gesund- verteilt werden (Levin werden.“ heits- und Sozialbereich 1998; Epple and Roma- hat mit 43 Prozent die no 1998), beschränkt höchste Teilzeitquote und müssen gerade bei aller Bereiche (Dimmel komplexen Dienstleistungen zum Schutz der Leis- 2012, 40) und wir finden hier mit 27 Prozent ein tungsempfängerInnen durch Konzessionsverfahren überdurchschnittlich hohes Maß an Burnoutgefähr- begleitet werden. Entwicklungen im Europäischen dung (ebd. 44). Wettbewerbsrecht werden die Rahmenbedingungen Wünschenswert wäre eine andere Entwicklung: „So- in Zukunft jedenfalls ganz entscheidend bestimmen ziale Arbeit verdient mehr Achtung, mehr Beachtung, (Herzig 2006). mehr Ansehen, mehr Qualität, mehr Qualifizierung, 5. Die Folgen: Sozialorganisationen und ihre bessere Arbeitsbedingungen und eine weit bessere MitarbeiterInnen im Stress Finanzierung – sowohl im Interesse derjenigen, die Als Folge dieser Entwicklung geraten Sozialorganisa- als Betroffene auf personenbezogene Dienstleistun- tionen zunehmend in Stress. Während finanzielle Kür- gen angewiesen sind, als auch derjenigen, die soziale zungen bis vor einigen Jahren noch teilweise durch Arbeiten erbringen.“ (Jirku 2011, 74) Der Umbau des die Nutzung von Produktivitätsreserven aufgefangen Sozialstaates wie die kurzfristige Krisenbewältigung werden konnten, treffen sie gegenwärtig zunehmend finden also u.a. auf dem Rücken der Beschäftigten auf Organisationen, die über keinerlei organisatio- der Sozialwirtschaft statt (Krampe 2003) und sozi- nalen „slack“ mehr verfügen, also über Reserven zur ale Dienstleistungsarbeit wird zu einem Bereich der Bewältigung unvorhergesehener Anforderungen. Im „working poor“. (Dimmel 2012, 41) letzten Jahrzehnt war in den meisten Sozialorgani- 6. Too big to fail – Der Sozialstaat als sationen auch eine deutliche Steigerung der Profes- wichtige Rahmenbedingung sionalisierung sowohl des Managements als auch der Die Sozialwirtschaft erbringt also hohe gesellschaftli- Organisation selbst zu beobachten, hier gibt es m.E. che und wirtschaftliche Leistungen. Sie wird im Zuge wenig zusätzliches Potenzial, die beschriebenen An- einer allgemeinen Ökonomisierung gekoppelt mit forderungen aus der Umwelt abzufedern. der Knappheit öffentlicher Budgets und der Ideolo- kontraste Dezember 2013 11
SOZI AL E DI EN ST LEI ST UNGEN I M WA N DE L gie des Neoliberalismus allerdings gegenwärtig mit zivilgesellschaftliche Organisationen und Freiwilli- sehr belastenden Bedingungen konfrontiert. Neben genarbeit werden jedenfalls auch in Zukunft nicht als schleichenden bis drastischen Kürzungen öffentlicher Kompensation von politischer Selbstrücknahme im Gelder bei steigenden Anforderungen fällt darunter Zuge des immer noch herrschenden Paradigmas des auch eine steigende Konkurrenz zu profitorientierten Neoliberalismus ausreichen (Leif 2011; Simsa 2002). Unternehmen. In der Folge geraten vor allem nicht- gewinnorientierte Sozialorganisationen unter Druck und dieser führt zu einer weiteren Prekarisierung von Literatur Beschäftigungsbedingungen. In dieser Situation stellt Alexander, J., R. Nank, and C. Stivers. 1999. Implications sich die Frage nach möglichen Maßnahmen. of Welfare Reform: Do Nonprofit Survival Strategies Threaten Civil Society? Nonprofit and Voluntary Sector Einige Strategien für Sozialorganisationen sind ver- Quarterly 28 (4):452-475. mutlich noch nicht voll ausgeschöpft, etwa die Aus- Bourdieu, P. 1998. Die praktische Vernunft. Frankfurt: weitung der Aktivitäten über die Landesgrenzen hin- Suhrkamp. aus, der weitere Ausbau internationaler Dach- oder Bude, H. 2008. Die Ausgeschlossenen. München: Hanser. Commission, E. 2009. The 2009 Ageing Report: Economic Schwesterorganisationen und die weitere Entwick- and budgetary projections for the EU-27 Member States lung von Kompetenz in der Akquisition europäischer (2008-2060). Fördergelder als Wettbewerbsvorteil gegenüber an- Dees, J. G., and B. Battle Anderson. 2003. Sector-Bending: deren Anbietern. Für den gesamten Bereich wird dies Blurring Lines Between Nonprofit and For-Profit. Society allerdings nicht ausreichend sein. Um soziale Sicher- (May/June):16-29. heit und sozialen Frieden auch in Zukunft zu gewähr- Dimmel, N. 2012. Sozialwirtschaft unter Prekarisierungs- leisten, braucht es einen selbstbewussten sozialpoli- druck. WISO 1 (1):27-47. tischen Diskurs und dafür auch eine starke und vor Epple, D., and R. E. Romano. 1998. Competition between allem gemeinsame Stimme der Sozialorganisationen. Private and Public Schools, Vouchers, and Peer-Group Effects. The American Economic Review 88 (1):33-62. Zum einen betrifft dieses ihr eigenes Image – immer Fellner, W., and A. Grisold. 2010. Verteilung im Zeitalter noch werden sie zu sehr als reiner Kostenfaktor gese- des Neoliberalismus. Die Entwicklung traditioneller hen. Die Sozialwirtschaft selbst müsste also ihre Be- Wohlfahrtsstaaten anhand ausgewählter Makrodaten In deutung als Wachstums- und Beschäftigungsmotor Neoliberalismus und die Krise des Sozialen. Das Beispiel Österreich, edited by A. Grisold, W. Maderthaner and O. nachdrücklicher betonen. Penz. Wien [u.a.]: Böhlau, 63-110. Zum anderen und noch viel mehr aber betrifft dies das Fröse, M. W. 2009. Leadership Diskurse: Neue Heraus- Image des Sozialstaates, der Solidarität und der sozi- forderungen für Führung und Leitung. In Leadership alen Absicherung. Es bräuchte eine Neuausrichtung in sozialen Organisationen, edited by J. Eurich and A. der EU-Politik in Richtung Bildung, Wachstum und Brink. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 225-244. Beschäftigung, eine effektive Regulierung der Finanz- Grisold, A., and W. Maderthaner. 2010. Finanzkrisen in märkte und der Schaffung eines konsequenten euro- der industriellen und postindustriellen Moderne. Wien: päischen Sozialmodells (Röpke 2011). Die Bedeutung Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung. wohlfahrtsstaatlicher Sicherung wird in der öffentli- Haller, M. 1999. Soziologische Theorie im systematisch- chen Diskussion allerdings zunehmend unterminiert kritischen Vergleich. Opladen: Leske & Budrich. und es ist zu befürchten, dass es zu noch stärkeren Herzig, G. 2006. Wettbewerbs-, beihilfen- und vergabe- Prozessen der Entsolidarisierung kommt. Dem über- rechtliche Fragen von Non-Profit-Organisationen. In spitzt, aber nicht unzutreffend so genannten „Sozi- Non-Profit-Organisationen, edited by S. f. W. u. Recht. alismus für Reiche“ (Stieglitz), also der Privatisierung Wien: Linde, 97-122. Jirku, B. 2011. Ist sozial, was Arbeit schafft? Zivilgesell- von Gewinnen bei Sozialisierung von Verlusten, muss schaft und Soziale Arbeit. Forschungsjournal Neue mit Fakten und Argumenten gerade auch von Seiten Soziale Bewegungen 24 (3):71-76. der Sozialorganisationen entgegengetreten werden. Krampe, E.-M. 2003. Arbeit im Gesundheitswesen: Es reicht nicht aus, Gutes zu tun, dies muss verstärkt „Reformen“ auf Kosten der Beschäftigten. PROKLA 33 auch in den öffentlichen Diskurs und in Verhandlun- (132):389-410. gen mit politischen EntscheidungsträgerInnen ein- Lehndorff, S. 2001. Soziale Dienstleistungen – Stiefkind gebracht werden. Solange es keine starken anderen der Dienstleistungsgesellschaft? Anregungen aus Visionen gibt, wird sich die Protestenergie der Kri- einem europäischen Forschungsprojekt. IAT Jahrbuch senverliererInnen weiterhin populistischen Parteien 2001/2002:11-32. Leif, T. 2011. Mythos Politische Beteiligung - Phantom mit einfachen Botschaften zuwenden. Soziale und 12 Dezember 2013 kontraste
S OZ I A LE DI E N S TLE I S TU N G E N I M WA N DE L Bürgergesellschaft: Analyse-Abstinenz und Reflexions- Neoliberalismus und die Krise des Sozialen. Das Beispiel Defizit der Politik. Forschungsjournal Soziale Bewegun- Österreich, edited by A. Grisold, W. Maderthaner and O. gen 24 (2):8-13. Penz. Wien: Böhlau, 139-179. Levin, H. M. 1998. Educational Vouchers: Effectiveness, Rindt, S., L. Klein, and A. Klein. 2011. Zu viel Zivilgesell- Choice, and Costs. Journal of Policy Analysis and Ma- schaft? Soziale Arbeit und bürgerschaftliches Enga- nagement 17 (3):373-392. gement. Forschungsjournal Soziale Bewegungen 24 Little, M. 2003. Civic spirit declines as sectors falls in with (3):3-18. state. Third Sector (302):2. Röpke, O. 2011. Irrwege aus der Krise - zum neoliberalen Maaser, W. 2009. Neue Verantwortungsteilung und Akti- Umbau der EU. WISO 4:43-55. vierung der Wohlfahrtsgesellschaft: Herausforderungen Schimank, U., and U. Volkmann. 2008. Ökonomisierung der für Nonprofit-Organisationen. In Leadership in sozialen Gesellschaft. In Handbuch der Wirtschaftssoziologie, Organisationen, edited by J. Eurich and A. Brink. Wiesba- edited by A. Maurer. Wiesbaden: VS Verlag für Sozial- den: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 213-223. wissenschaften, 383-393. Marterbauer, M. 2011. Zahlen Bitte! Die Kosten der Krise Schneider, U., and A. Haider. 2009. Nonprofit Organisatio- tragen wir alle. Wien: Deutike. nen in Österreich 2006. Forschungsbericht des Instituts Mayrhofer, W., and M. Meyer. 2002. “No More Shall für Sozialpolitik, WU Wien FB01/2009. We Part?” Neue Selbständige und neue Formen der Schober, C., O. Rauscher, E. More-Hollerweger, and I. Kopplung zwischen Organisationen und ihrem Personal. Pervan-Al Soqauer. 2012. SROI-Analyse der Oberöster- Zeitschrift für Personalforschung 16 (4):599-614. reichischen Feuerwehren. Wien: NPO-Kompetenzzent- Messner, D. 1997. Netzwerktheorien. Die Suche nach rum, WU-Wien. Ursachen und Auswegen aus der Krise staatlicher Steu- Simsa, R. 2002. NPOs im Lichte gesellschaftlicher erungsfähigkeit. In Vernetzt und Verstrickt. Nichtregie- Spannungsfelder: Aktuelle Herausforderungen für das rungsorganisationen als gesellschaftliche Produktivkraft, strategische Management. In Nonprofit-Organisationen edited by E. Altvater, A. Brunnengräber, M. Haake and H. und gesellschaftliche Entwicklung: Spannungsfeld Walk. Münster: Westfälisches Dampfboot, 27-64. zwischen Mission und Ökonomie, edited by R. Schauer, Meyer, J. W., and B. Rowan. 1997. Institutionalized R. Purtschert and D. Witt. Linz: Universitätsverlag Rudolf organizations: Formal structure as myth and ceremony. Trauner, 39-63. American Journal of Sociology 83:340-363. Simsa, R., and E. Hollerweger. 2012. Rahmenbedingungen Meyer, M., and M. Neumayr. 2009. Szenarien für die Sozi- für die organisierte Zivilgesellschaft. Wien. alwirtschaft: Was gibt es zu gewinnen, was zu verlieren? Simsa, R., M. Meyer, and C. Badelt, eds. 2013. Handbuch Präsentation am Symposium “Solidarität in der Krise”. der Nonprofit-Organisation Wien, Kardinal König Haus. Strukturen und Management. 5., überarb. Aufl. ed. Stutt- Meyer, M., and P. Rameder. 2011. Freiwilligenarbeit im gart: Schäffer-Poeschel. Kontext: Individuelle, sozioökonomische und politische Simsa, R., C. Schober, and D. Schober. 2004. Belastende Einflussfaktoren. In Freiwilligenarbeit, edited by KWG. AltenpflegerInnen - Zur Notwendigkeit verbesserter Wien. Rahmenbedingungen für ein langfristige Sicherung der Meyer, M., and R. Simsa. 2013. Entwicklungsperspektiven Qualität der Altenpflege. SWS-Rundschau 44 (3):497- des Nonprofit-Sektors. In Handbuch der Nonprofit- 509. Organisation. Strukturen und Management, edited by Statistik Austria. 2011. Statistisches Jahrbuch Österreichs R. Simsa, M. Meyer and C. Badelt. Stuttgart: Schäffer- 2012. Wien: Verlag Österreich GmbH. Poeschel, 509-525. Stieglitz, J. 2009. Die globale Krise verlangt nach einer More-Hollerweger, E., and A. Heimgartner. 2009. Freiwil- globalen Reaktion. In Zukunft entsteht aus Krise, edited liges Engagement in Österreich. In Freiwilliges Engage- by G. von Lüpke. München: Riemann Verlag, 390-415. ment in Österreich. 1. Freiwilligenbericht. Wien: BMASK. Taylor, R., J. Parry, and P. Alcock. 2012. From crisis to mixed Narr, W.-D., and A. Schubert. 1994. Weltökonomie. Die picture to phoney war: tracing third sector discourse in Misere der Politik. Frankfurt/Main: Suhrkamp. the 2008/9 recession In Research Report, edited by T. S. Nassehi, A., and G. Nollmann. 1997. Inklusionen. Organisa- R. Center: Third Sector Research (University of Birming- tionssoziologische Ergänzungen der Inklusions-/Exklusi- ham, University of Southampton). onstheorie. Soziale Systeme 3 (2):393-412. Wijkström, F., and A. Zimmer, eds. 2011. Nordic civil society Okoli, C., and S. D. Pawlowski. 2004. The Delphi method as at a cross-roads: transforming the popular movement a research tool: an example, design considerations and tradition. edited by S. Civil and N. F. o. G. i. Europe. 1 ed. applications. Information & Management (42):15-29. Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges. Pennerstorfer, A., U. Schneider, and C. Badelt. 2013. Der Willke, H. 1996. Systemtheorie II: Interventionstheorie. Nonprofit Sektor in Österreich. In Handbuch der Non- Stuttgart/Jena: Gustav Fischer Verlag. profit Organisationen. Strukturen und Management, Zürn, M. 1998. Regieren jenseits des Nationalstaates. edited by R. Simsa, M. Meyer and C. Badelt. Stuttgart: Globalisierung und Denationalisierung als Chance. Schäffer-Poeschel Verlag. Frankfurt: Suhrkamp. Penz, O. 2010. Vom Sozial- zum Wettbewerbsstaat. In kontraste Dezember 2013 13
SOZI AL E DI EN ST LEI ST UNGEN I M WA N DE L Wer macht das Rennen? Rechtsformen, dem Verein und der gemeinnützigen Ges.m.b.H, die vor allem in den letzten Jahren ver- stärkt in Anspruch genommen wird. NPO werden Anbieterstrukturen in der sozialen Dienst- rechtlich gesehen über das Steuerrecht definiert, über leistungserbringung die §§ 34-37 der Bundesabgabenordnung. Vorrangig geht es hier um die Definition von Mildtätigkeit, die in der Folge die Grundlage für die Kommunalsteuer- Katharina Meichenitsch befreiung errichtet. Die Abgrenzungskriterien in der Bundesabgabenordnung sind jedoch zum Teil nicht In der österreichischen Soziallandschaft sind mehre- eindeutig und damit eventuell problematisch. In der re AkteurInnen aktiv. Neben staatlichen/öffentlichen Literatur wird auf die deutsche Situation verwiesen, Anbietern (z.B. Bund, Länder, Gemeinden, Sozialhil- wo eindeutigere und umfassendere Regelungen exis- feverbände, etc.) gibt es Non-Profit Organisationen tieren und damit auch bessere Abgrenzungen erreicht (NPO, zumeist Vereine oder gemeinnützige GmbHs) werden. (Stichlberger 2013, Prinz und Prinz 2006) und For-Profit Organisationen (FPO, Unternehmen, Als mögliche Folgeerscheinung der problematischen Firmen, etc.), die soziale Dienstleistungen wie z.B. Abgrenzung konnte in den letzten Jahren vereinzelt Pflege, Kinderbetreuung, Begleitung von Menschen beobachtet werden, dass bei der Konstruktion von Ge- mit Behinderung oder Beratung für Flüchtlinge anbie- sellschaftsformen im sozialen Dienstleistungsbereich ten. Darüber hinaus wird auch, z.B. in der Pflege, ein auf verschachtelte Strukturen zurückgegriffen wird. höherer Anteil von Betreuungsarbeit von Angehörigen Vorteile aus solchen Verschachtelungen könnten ei- erbracht (die so genannte informelle Betreuung) bzw. nerseits steuerliche Vorteile sein, andererseits könnte existiert auch ein illegaler Bereich, in dem soziale Leis- Gemeinnützigkeit für die EndverbraucherInnen sug- tungserbringung stattfindet. Der nachfolgende Artikel geriert werden. So ist z.B. bei der Senecura, einem An- bezieht sich jedoch auf die drei AkteurInnen Staat, bieter von Alten- und Pflegeheimen, zu beobachten, NPO und FPO. Es soll aufgezeigt werden, welche poli- dass einzelne Altenheime als gemeinnützig, andere tischen, wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbe- wiederum als gewinnorientierte Einheiten geführt dingungen der letzten beiden Jahrzehnte Einfluss auf werden, während die Dachorganisation seit ihrer die Anbieterstruktur von sozialen Dienstleistungen in Gründung im Jahr 1998 ein gewinnorientiertes Un- Österreich hatten und wie sich das Angebot bezogen ternehmen (GmbH) darstellt. Auf der Homepage des auf zwei spezifische Bereiche, den stationären Alten- Unternehmens wird zusätzlich darauf verwiesen, dass und Pflegeheimsektor sowie die vorschulische Kinder- „alle Betreuungseinrichtungen öffentlich und für alle betreuung, verändert hat. zugänglich sind“. (www.senecura.at, Firmenbuchaus- NPO – Spezfische Merkmale im Sozialbereich zug Senecura 2013) Die unterschiedlichen Organisationformen im sozia- Von Interessensvertretungen bzw. Dachorganisati- len Bereich müssen vorerst aufgelöst werden, um die onen im gemeinnützigen Bereich wird daher auch sektoralen Verschiebungen der letzten Jahre deutlich Reformbedarf geortet, und eine bessere Verankerung machen zu können. Während staatliche Organisatio- der Gemeinnützigkeit gefordert. Die Forderungen be- nen sowie gewinnorientierte Betreiber relativ einfach ziehen sich z.B. auf Rahmenbedingungen in einem festzumachen sind, ist die so genannte Non-Profit Or- Gemeinnützigkeitsrecht nach deutschem Vorbild, auf ganisation bzw. die gemeinnützige Organisation Ge- die Spendenabsetzbarkeit, Steuererleichterungen, genstand intensiver Forschung, weil ihre Definition, eine Senkung der Bankgebühren sowie verbesserte Rolle und Position sehr spezifisch sind. NPO werden Möglichkeiten für einen Dialog zwischen öffentlicher häufig durch fünf Kriterien definiert, sie sind (1) pri- Hand und gemeinnützigen Organisationen. (www.ge- vate (also nicht staatliche) Organisationen, (2) weisen meinnuetzig.at, www.fundraising.at) ein Mindestmaß an formaler Organisation sowie an (3) Selbstverwaltung bzw. Entscheidungsautonomie Funktionen von NPO auf, (4) dürfen ihre Gewinne bzw. Überschüsse nicht NPO erfüllen drei wesentliche Funktionen, (1) Service, ausschütten und (5) sind stets durch ein Mindestmaß (2) Advocacy und (3) Community Building. Service an Freiwilligkeit gekennzeichnet. (Meyer, Simsa 2013) (Dienstleistungsfunktion) steht für „alle Aktivitäten, die der Erstellung von Gütern oder Dienstleistungen In der Praxis bedienen sich gemeinnützige Organisa- dienen, die grundsätzlich ‚bepreist‘ werden können tionen im wesentlichen zweier Organisations- bzw. und in irgendeiner Art entweder von den Empfänge- 14 Dezember 2013 kontraste
Sie können auch lesen