Service Engineering in der Praxis - Thomas Meiren, Volker Liestmann (Hrsg.) Kurzstudie zu Dienstleistungsentwicklung in deutschen Unternehmen

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Thomas Meiren,
            Volker Liestmann (Hrsg.)

Service Engineering
in der Praxis

            Kurzstudie zu
            Dienstleistungsentwicklung
            in deutschen Unternehmen

manager
Service Engineering in der Praxis
Kurzstudie zu Dienstleistungs-
entwicklung in deutschen Unternehmen

                    Service Engineering   1
                             Kurzstudie
Service Engineering in der Praxis
Thomas Meiren, Volker Liestmann (Hrsg.)

Layout:
Dörr + Schiller GmbH
Satz- und Datentechnik

Druck:
Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2002

ISBN 3-8167-6131-3

Das dieser Veröffentlichung zugrunde
liegende Verbundvorhaben »Ganzheitliche
Entwicklung von Dienstleistungen durch
Service Engineering« wird mit Mitteln des
Bundesministeriums für Bildung und
Forschung BMBF unter dem Förderkenn-
zeichen 01 HR 0019 gefördert.

Weitere Informationen zum Verbundvorhaben
finden sich im Internet unter der Adresse
http://www.service-engineering.de.

2   Service Engineering
    Kurzstudie
Thomas Meiren,
Volker Liestmann (Hrsg.)

Service Engineering
in der Praxis
Kurzstudie zu
Dienstleistungsentwicklung
in deutschen Unternehmen

                       Service Engineering   3
                                Kurzstudie
Autoren

Mike Freitag
Thomas Meiren
(Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft
und Organisation, Stuttgart)

Christian Gill
Harald Keith
Irene Schmitt
(Forschungsinstitut für Rationalisierung,
Aachen)

Christian Schaller
(Lehrstuhl für Allgemeine und
Industrielle Betriebswirtschaftslehre,
TU München)

4   Service Engineering
    Kurzstudie
Inhalt

1        Vorwort                                                                   7

2        Untersuchungsdesign                                                       8

3        Innovationsmanagement für Dienstleistungen                               10
3.1      Begriffliche Grundlagen                                                  10
3.2      Innovationsprozess für Dienstleistungen                                  15
3.3      Wettbewerbsstrategische Auswirkungen                                     17

4        Organisation der Dienstleistungsentwicklung                              21
4.1      Organisatorische Alternativen für die Entwicklung von
         Dienstleistungen                                                         21
4.2      Gestaltung von Entwicklungsprozessen für Dienstleistungen                24

5        Initialisierung neuer Dienstleistungen                                   28
5.1      Ideen für neue Dienstleistungen                                          28
5.2      Prototyping und Wiederverwendung                                         32

6        Konzeption von Dienstleistungen                                          34
6.1      Aufbau von Dienstleistungskonzepten                                      34
6.2      Konzeption als zentrales Element der Dienstleistungs-
         entwicklung                                                              37

7        Einführung von Dienstleistungsinnovationen                               44
7.1      Aufgabenbereiche der Einführung                                          44
7.2      Ergebnisse der Untersuchung                                              48

8        Handlungsbedarf für die Entwicklung von Dienstleistungen                 52
8.1      Professionalisierung                                                     52
8.2      Mitarbeiterintegration                                                   54

9        Anhang                                                                   56
9.1      Literaturverzeichnis                                                     56
9.2      Beteiligte Forschungseinrichtungen                                       58

                                                            Service Engineering   5
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6   Service Engineering
    Kurzstudie
1
Vorwort

In zunehmend dynamischer werdenden         werden nur unzureichend berück-
Märkten erzielen Dienstleistungsunter-     sichtigt. Darüber hinaus ist in den
nehmen entscheidende Vorteile nicht        Unternehmen ein eigenständiges Ent-
mehr allein durch Kosten-, Qualitäts-      wicklungsmanagement für Dienst-
oder Technologieführerschaft. Vielmehr     leistungen nur in wenigen Fällen vor-
gewinnt parallel dazu die Differen-        handen.
zierung durch innovative Dienstleis-
tungen an Bedeutung und wird in            Die in der Praxis zu beobachtenden
manchen Bereichen sogar mehr und           Problemstellungen bilden den Aus-
mehr zu einem ausschlaggebenden            gangspunkt für das vom Bundesminis-
Alleinstellungsmerkmal gegenüber           terium für Bildung und Forschung
Wettbewerbern. Für die Unternehmen         BMBF geförderte Verbundvorhaben
bestehen die zentralen Herausforde-        »Ganzheitliche Entwicklung von Dienst-
rungen vor allem darin, kontinuierlich     leistungen durch Service Engineering«.
verbesserte bzw. neue Dienstleistungen     Das Projekt hat es sich zum Ziel
auf dem Markt anzubieten, dabei            gesetzt, einen integrierten Ansatz für die
schneller als die Wettbewerber zu sein     Entwicklung komplexer, professionell zu
und gleichzeitig die Bedürfnisse und       erbringender Dienstleistungen zu er-
Erwartungen der Kunden zu treffen.         arbeiten und somit einen wesentlichen
                                           Beitrag zur Etablierung des noch jungen
Wenngleich in den vergangenen Jahren       Arbeitsgebiets Service Engineering in
die Beschäftigung mit Fragestellungen      Forschung und Praxis zu leisten.
der Entwicklung von Dienstleistungen       Darüber hinaus sind in das Vorhaben
deutlich zugenommen hat, sind derzeit      eine Reihe von empirischen Unter-
bei vielen Unternehmen große Unsicher-     suchungen eingebunden. Die vorlie-
heiten festzustellen, wenn es darum        gende Kurzstudie bildet hierzu den
geht, Ideen für neue Dienstleistungen zu   Auftakt und hat es sich zum Ziel
identifizieren und konsequent in markt-    gesetzt, eine erste Bestandsaufnahme
fähige Angebote umzusetzen. Die in der     der Praxis vorzunehmen sowie den
Praxis vorzufindende Entwicklung von       daraus resultierenden Handlungsbedarf
Dienstleistungen sieht meist wie folgt     zur Diskussion zu stellen.
aus: Neue Dienstleistungen werden
durch die Unternehmensführung »ver-
ordnet«, häufig an Markt- und Unter-
nehmensbedingungen vorbeientwickelt,
Kundenbedürfnisse und -erwartungen
werden nicht oder zu spät analysiert
und Anforderungen der Mitarbeiter

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2
Untersuchungsdesign

Die Untersuchung verfolgt vor allem die   Stand der Wissenschaft vorgenommen
Zielsetzung, den aktuellen Wissens-       sowie erste Gespräche mit den direkt
stand sowie konkrete Anforderungen        am Projekt beteiligten Unternehmens-
der Praxis in einem möglichst frühen      vertretern geführt. Die dabei ge-
Stadium in die Projektarbeiten einzu-     wonnenen Erkenntnisse flossen in die
beziehen. Die Studie leistet damit eine   anschließende Konzeption eines halb-
wichtige Rolle bei der Identifizierung    standardisierten Interviewleitfadens ein.
vorhandener Lösungsansätze und            Als zentrale Themenfelder wurden die
zukünftigen Handlungsbedarfs für die      strategische Bedeutung innovativer
Entwicklung von Dienstleistungen und      Dienstleistungen, die Organisation der
übernimmt die Funktion eines Impuls-      Dienstleistungsentwicklung sowie die
gebers für weitere Forschungsarbeiten.    Initialisierung, Konzeption und Ein-
                                          führung von neuen Dienstleistungen
Bei der Auswahl der zu befragenden        ausgewählt. Außerdem wurden die
Unternehmen erfolgte eine klare Ein-      Unternehmen gebeten, die wichtigsten
schränkung auf Firmen, die sich bereits   Problemfelder zu benennen und zu
erfolgreich mit der Entwicklung von       priorisieren.
Dienstleistungen beschäftigen und über
langjährige Erfahrungen auf diesem        Die Durchführung der Interviews
Gebiet verfügen. Weitere Eingrenzungen    erfolgte im Zeitraum von November
bei der Auswahl der Unternehmen –         2001 bis Februar 2002. Dabei wurden
beispielsweise nach Branche oder nach     Vertreter aus insgesamt vierzehn Unter-
Unternehmensgröße – wurden bewusst        nehmen in ausführlichen Gesprächen
nicht vorgenommen. Insbesondere           und Workshops befragt. Hinzu kamen
wurden sowohl klassische Dienstleister    acht Fallstudien aus parallel laufenden
als auch produzierende Unternehmen,       Projektaktivitäten der beteiligten For-
die Dienstleistungen produktbegleitend    schungseinrichtungen, so dass dieser
anbieten, befragt. Als Zielgruppe         Kurzstudie umfassende Angaben aus
innerhalb der Unternehmen wurden die      insgesamt 22 Unternehmen zugrunde
mit der Dienstleistungsentwicklung        liegen. Die gewählte Form der halb-
betrauten Fachleute adressiert. Dadurch   standardisierten Interviews erwies sich
war es möglich, fundierte Aussagen zur    als sehr zweckmäßig, da einerseits auf
Vorgehensweise und zu Problemfeldern      der Basis der vordefinierten Themen ein
bei der Entwicklung von Dienstleis-       breiter Einblick in die Unternehmens-
tungen zu erhalten.                       aktivitäten ermöglicht wurde, aber
                                          andererseits auch genügend Freiräume
Als Vorarbeiten zur Entwicklung des       zur Vertiefung besonders interessie-
Erhebungsinstrumentariums wurden          render Fragestellungen bestanden.
umfangreiche Literaturrecherchen zum      Insbesondere war somit die Gelegenheit

8   Service Engineering
    Kurzstudie
Untersuchungsdesign

gegeben, innovative Sonderwege und
Lösungsansätze der Unternehmen ein-
gehender zu untersuchen.

Abschließend erfolgten die Analyse und
Aufbereitung der Ergebnisse. Ange-
sichts der Zahl von 22 Interviews soll an
dieser Stelle explizit darauf hingewiesen
werden, dass die vorliegenden Resul-
tate keinen repräsentativen Anspruch
haben – dies bleibt einer empirischen
Breitenerhebung vorbehalten, die in
einer nachfolgenden Projektphase vor-
gesehen ist. Insofern hat die Studie
einen stark explorativen Charakter.
Die Ergebnisse wurden in Form des vor-
liegenden »White Paper« aufbereitet
und dokumentiert, das erste begründete
Thesen vorstellt und somit zu einer
breiteren Diskussion anregen soll.
Außerdem bieten die Untersuchungs-
ergebnisse eine Reihe von interessanten
Anregungen und Handlungshilfen für die
Praxis.

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3
Innovationsmanagement für Dienstleistungen
Christian Schaller

Innovationen gelten seit jeher als          dieser Kurzstudie zugrunde liegenden
Schlüssel zu Wachstum und Unter-            Forschungsprojekts kommt dem
nehmenserfolg – und das nicht nur für       Innovationsmanagement die Funktion
Anbieter von Sachgütern, sondern            einer Klammer über die Bereiche der
zunehmend auch für Anbieter von             Organisation, Humanressourcen sowie
Dienstleistungen. Innovationen gelten       Informations- und Kommunikations-
jedoch auch als unternehmerische            technologien zu. Dieser Rolle ent-
Herausforderung ersten Ranges. Empi-        sprechend soll dieser Beitrag die
rische Studien stellen fest, dass sich in   begrifflichen Grundlagen und den
Abhängigkeit von der Branche 30 bis         Rahmen für die folgenden Beiträge
50 Prozent aller am Markt neu ein-          legen wie auch Bezug auf die Er-
geführten Leistungen als »Flops«            gebnisse aus den untersuchten Unter-
erweisen, also nicht die Erwartungen        nehmen nehmen.
des Anbieters erfüllen und wieder
vom Markt genommen werden (vgl.
Schneider 1998, S. 2). Und auch in der      3.1
wirtschaftswissenschaftlichen For-          Begriffliche Grundlagen
schung wurde das Thema des Innovati-
onsmanagements von Dienstleistungen         Während weitestgehend Überein-
lange Zeit vernachlässigt. Meist lag und    stimmung darüber herrscht, dass Inno-
liegt der Fokus der Betrachtung immer       vationsmanagement etwas substanziell
noch auf der Innovation von Sach-           anderes ist als das Management von
gütern. Erst in jüngerer Zeit mehren sich   wiederholten Routineentscheidungen
theoretische wie auch empirische            (vgl. Kieser 1984, S. 50), herrscht bei
Arbeiten, die die Spezifika des Innova-     den zentralen Begrifflichkeiten eine
tionsmanagements von Dienstleis-            große Verwirrung. Die beiden Begriffe
tungen unterstreichen und einhellig         der Innovation und der Dienstleistung
betonen, dass eine einfache Über-           werden sowohl im allgemeinen als auch
tragung der bisherigen Erkenntnisse aus     im wirtschaftswissenschaftlichen
dem Bereich der Sachgüter auf Grund         Sprachgebrauch sehr uneinheitlich ver-
der dienstleistungsspezifischen Beson-      wendet. Zur Schaffung eines einheit-
derheiten nicht ohne weiteres möglich       lichen Begriffsverständnisses für diesen
ist.                                        und die folgenden Beiträge sowie zur
                                            Abgrenzung des Untersuchungsobjekts
Es scheint also dringend notwendig,         und zur Vermeidung von Missverständ-
sich mit dem Thema des Innovations-         nissen ist es daher erforderlich, die
managements von Dienstleistungen in         zentralen Begriffe zu definieren. Dem
Theorie und Praxis eingehend(er) aus-       Ziel dieser Kurzstudie und der Komple-
einander zu setzen. Im Rahmen des           xität der Thematik entsprechend werden

10   Service Engineering
     Kurzstudie
Innovationsmanagement für
                                                      Dienstleistungen

wir uns um Knappheit und Einfachheit          ein Leistungsversprechen, und nicht
bemühen.                                      ein schon fertiges, bereits auf Vorrat
                                              produziertes Produkt. Das konsti-
                                              tutive Element der Dienstleistung in
Dienstleistung                                diesem Fall ist die Intangibilität des
                                              Absatzobjekts Dienstleistungsfä-
Der Begriff der Dienstleistung ist sowohl     higkeit und -bereitschaft.
im allgemeinen wie auch im wirtschafts-     – Die prozessorientierte Dimension
wissenschaftlichen Sprachgebrauch             stellt Dienstleistungen als einen sich
weit verbreitet, ohne dass sich jedoch        vollziehenden (noch nicht abge-
eine einheitliche Vorstellung von seiner      schlossenen) Prozess dar, der durch
Bedeutung hätte etablieren können.            die Integration eines externen
Der Begriff der Dienstleistung stellt ein     Faktors in den Leistungserstellungs-
theoretisches Konstrukt dar, das sich         prozess gekennzeichnet ist. Unter
auf einen empirischen Sachverhalt             einem externen Faktor werden dabei
bezieht, formuliert also einen Vorstel-       (Produktions-)Faktoren verstanden,
lungsinhalt, den man mit einem Begriff        die vom Nachfrager der Leistung zur
verbinden möchte. »Eine entsprechende         Verfügung gestellt werden (müssen)
Begriffsfassung kann somit nicht richtig      und an denen oder mit denen die
oder falsch sein, sondern ›nur‹ mehr          Leistung erbracht wird. Typische Bei-
oder weniger zweckmäßig« (Klein-              spiele für externe Faktoren sind der
altenkamp 2001, S. 29).                       Kunde selbst oder Gegenstände des
                                              Kunden (z. B. Maschinen, an denen
Typischerweise stützen sich Defini-           Wartungsdienstleistungen erbracht
tionen des Dienstleistungsbegriffs auf        werden). Ein Dienstleistungsprozess
geeignete konstitutive Merkmale der           liegt dann vor, wenn ein Anbieter
Dienstleistung, gegliedert nach den           externe Faktoren mit seinem
Dimensionen des Leistungspotenzials,          Leistungspotenzial kombiniert. Ein
des Leistungserstellungsprozesses und         weiteres, hier häufig genanntes kon-
des Leistungsergebnisses:                     stitutives Element ist die (zeitliche)
                                              Synchronität von Dienstleistungser-
– Die potenzialorientierte Dimension          stellung und Inanspruchnahme durch
  stützt sich auf die Betrachtung von         den externen Faktor, meist auch als
  Dienstleistungen als angebotene             »uno-actu«-Prinzip bezeichnet.
  Leistungspotenziale, d. h. als Leis-      – Die ergebnisorientierte Dimension
  tungsfähigkeit und -bereitschaft zur        stützt sich auf das Resultat des
  Erstellung einer Dienstleistung.            Leistungserstellungsprozesses.
  Absatzobjekt ist damit ein noch nicht       Das zentrale, hier meist angeführte
  realisiertes Leistungspotenzial, d. h.      Charakteristikum ist das der Immate-

                                                                    Service Engineering   11
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rialität, definiert Dienstleistungen    auch Sachleistungen mit hoher Kunden-
     demnach als immaterielle Leis-          integration (wie z. B. eine Sonderma-
     tungen. Dieses Merkmal ist jedoch       schine) oder Dienstleistungen mit hoch
     sehr umstritten. Während nämlich        autonomer Leistungserstellung (wie z. B.
     Wirkungen von Dienstleistungen          ein Datenbankdienst) als Zwischen-
     generell immateriell sind, kann das     formen sein.
     prozessuale Endergebnis sowohl
     materieller als auch immaterieller
     Natur sein. Es scheint also an-         Innovation
     gebracht, bei Dienstleistungen
     höchstens von »überwiegend imma-        Auch der Begriff der Innovation ist –
     teriellen Leistungen« zu sprechen.      ähnlich dem der Dienstleistung – ein viel
                                             gebrauchter und dennoch selten präzise
Insbesondere eine direkte Gegenüber-         bestimmter. Übereinstimmung besteht
stellung von Sach- und Dienstleistungen      darin, dass es sich bei einer Innovation
ist durchaus kritisch zu sehen. Während      um etwas »Neues« handelt, also z. B.
nämlich der Begriff der Sachleistung         neue Produkte, neue Verfahren, neue
darauf abzielt, dass das Leistungser-        Vertriebswege, neue Werbeaussagen
gebnis eine Sache ist, fokussiert der        (vgl. Hauschildt 1997, S. 3). Zur Ein-
Begriff der Dienstleistung eigentlich        grenzung des Begriffs wird typischer-
darauf, dass der Prozess der Leistungs-      weise eine ergebnisorientierte und eine
erstellung ein »dienender« ist, d. h. am     prozessorientierte Dimension unter-
Abnehmer oder mit dem Abnehmer der           schieden. In einem Fall wird »Innovation
Leistung erbracht wird. Sinnvoller           als Prozess« im anderen Fall die »Inno-
scheint es, von Leistungsbündeln zu          vation als Ergebnis« betrachtet:
sprechen, »deren Teilleistungen auf der
Basis eines vordisponierten Leistungs-       – Die ergebnisorientierte Dimension
potenzials in unterschiedlichem Ausmaß         betrachtet das Resultat eines Innova-
durch die Integration externer Faktoren        tionsprozesses und spaltet sich
in den Leistungserstellungsprozess             weiter auf in die Objekt- (»Was ist
zustande kommen und durch unter-               neu?«), die Subjekt- (»Für wen neu?«)
schiedliche Anteile von immateriellen          und die Intensitätsdimension
und materiellen Komponenten im Leis-           (»Wie sehr neu?«):
tungsergebnis gekennzeichnet sind«             In der Objektdimension können in
(Kleinaltenkamp 2001, S. 40). Diese            Anlehnung an unsere obige Dienst-
Leistungsbündel können dann z. B.              leistungsdefinition für den Kunden
reine Sachleistungen (wie z. B. ein vor-       erlebbare Innovationen nicht nur wie
produziertes Teil), reine Dienstleistungen     im Fall reiner Sachgüter im eigent-
(wie z. B. Beratungsleistungen), aber          lichen Leistungsergebnis, sondern

12     Service Engineering
       Kurzstudie
Innovationsmanagement für
                                                     Dienstleistungen

ebenso in der Form von Potenzial-            liche Anforderungen an das Inno-
oder Prozessinnovationen statt-              vationsmanagement.
finden. Die »line of visibility« (Sicht-   – Die prozessorientierte Dimension
barkeitslinie) der Dienstleistung wird       betrachtet den eigentlichen Innovati-
jedoch auch hier eine Trennlinie zwi-        onsprozess, konzentriert sich also
schen erlebbaren und verborgenen             unter Betrachtung der Prozessdi-
Innovationen ziehen. Dienstleistungs-        mension auf die Frage »Wo beginnt,
innovationen müssen also nach                wo endet die Neuerung?«. Sie adres-
diesem Verständnis (aus Anbieter-            siert den Aspekt, dass Innovation
sicht) nicht zwangsläufig »eigent-           mehr ist als Invention, d. h. die pure
liche« Innovationen sein, sondern            Erfindung, sondern typischerweise
können durchaus auch inkrementelle,          alle Schritte von der Ideenfindung bis
(aus Kundensicht wahrnehmbare)               zur erfolgreichen Etablierung am
innovative Änderungen oder neue              Markt umfasst. Ein idealtypischer
Kombinationen sein.                          Innovationsprozess umfasst in einem
In der Subjektdimension kann zwi-            linearen Modell die Schritte Ideen-
schen einer Abnehmer- (also z. B. ein        gewinnung, Ideenprüfung und
Markt oder ein individueller Kunde)          -auswahl, Design, Implementierung,
und einer Anbietersicht (das Unter-          Test, Einführung, Erbringung und
nehmen) unterschieden werden.                Ablösung. Im nächsten Abschnitt
Jede (erfolgreiche) Innovation wird          wird dieser Prozess kurz vorgestellt.
nicht umhin kommen, nicht nur aus
Unternehmenssicht den Innovati-
onsgrad einer Leistungsinnovation zu       Innovationsmanagement
klären, sondern sich auch an den
Präferenzen des Nachfragers zu             Wie einleitend bereits angemerkt, ist
orientieren und somit die Anbieter-        das Management von Innovationen
sicht in den Innovationsprozess zu         etwas substanziell anderes als das
integrieren.                               Management von wiederholten Routine-
Die Intensitätsdimension kenn-             entscheidungen, d. h. die »(…) Be-
zeichnet den Grad der Neuigkeit oder       stimmung eines Problems als ›innovativ‹
auch den Innovationsgehalt und             löst ein anderes Management-Handeln
adressiert die Tatsache, dass Inno-        aus, als wenn diese Aufgabenstellung
vationen einen wie groß auch immer         mit dem Kennzeichen ›nicht innovativ‹
gearteten »qualitativen« Unterschied       belegt wird. Dem Problem wird eine
gegenüber dem bisherigen Zustand           unterschiedliche Aufmerksamkeit,
aufweisen. Abhängig vom Neuig-             Akzeptanz, Bearbeitungsform und wirt-
keitsgrad ergeben sich unterschied-        schaftliche Einschätzung zuteil«
                                           (Hauschildt 1997, S. 23).

                                                                   Service Engineering   13
                                                                            Kurzstudie
– Eine vornehmlich prozessuale                           damit vier Gestaltungsfelder: Kunde,
  Sichtweise des Innovationsmanage-                      Mitarbeiter, Unternehmen und Wett-
  ments, die den Entscheidungs- und                      bewerber (vgl. Meyer und Blümel-
  Durchsetzungsaspekt in den Mittel-                     huber 1998, S. 811f).
  punkt der Betrachtung stellt, definiert
  Innovationsmanagement als dispo-                     Angestrebt wird die Akzeptanz beim
  sitive Gestaltung von einzelnen Inno-                Kunden, auf der Basis geeigneter Fähig-
  vationsprozessen, d. h. die Ent-                     keiten bei den Mitarbeitern, einer
  scheidung über und Durchsetzung                      sorgsam gewählten Systemkonformität
  von Innovationen.                                    mit dem Unternehmen, d. h. Einbindung
– Eine Einbettung in einen größeren                    in die Kultur und in die Systeme und
  Kontext scheint sinnvoll, Innovations-               Strukturen des Unternehmens, und
  management demnach als bewusste                      ausreichender Schutz vor Nachahmung
  Gestaltung des Innovationssystems,                   durch die Wettbewerber. Diese vier Be-
  also nicht nur einzelner Prozesse,                   reiche sind nicht nur wichtige Bereiche
  sondern auch der Institution, inner-                 bei der Planung und Umsetzung von
  halb derer die Prozesse ablaufen.                    Dienstleistungsinnovationen, sondern
  Im Zentrum eines derart begriffenen                  können auch Auslöser von Innovations-
  Innovationsmanagements stehen                        prozessen sein (siehe Kapitel 5).

                                       Kunde
                                  (Ziel: Akzeptanz)

                                Aufgabenbereiche
     Wettbewerber             des Managements von                   Systeme
      (Ziel: Schutz)                                          (Ziel: Systemkonformität)
                            Dienstleistungsinnovationen

                                    Mitarbeiter
                                   (Ziel: Fähigkeit)

Abbildung 1:
Aufgabenbereiche des Innovationsmanagements
(in Anlehnung an Meyer und Blümelhuber 1998, S. 811)

14    Service Engineering
      Kurzstudie
Innovationsmanagement für
                                                        Dienstleistungen

3.2                                            Zugrunde liegende Kriterien sind die
Innovationsprozess für                         Machbarkeit und die zu erwartende
Dienstleistungen                               Profitabilität, aber beispielsweise
                                               auch die voraussichtliche Akzeptanz
Im Folgenden wird ein idealtypischer           der Kunden oder das Vorhandensein
Innovationsprozess vorgestellt und kurz        unternehmensinterner wie -externer
erläutert. Wichtig zu erwähnen scheint         Fähigkeiten.
uns vor der eigentlichen Darstellung         – Design: Hier werden nun die Ideen,
noch, dass es – entgegen manch                 die die Auswahlphase überstanden
anderslautender Aussagen in der                haben, »designed«, d. h. das Konzept
Management-Literatur – »das« Erfolgs-          der Dienstleistung ist zu erstellen.
rezept und »den einzig richtigen« Kurs         Das sind z. B. »(…) Fragen der Ange-
des Innovationsmanagements nicht               botsstruktur, der Leistungserstellung,
gibt, nicht geben kann. Es gilt also, die      der Kundenintegration, der Prozesse
jeweiligen situativen Einflüsse zu             vor und hinter der ›line of visibility‹
berücksichtigen und Modelle als das zu         und der Gestaltung der Dienstleis-
begreifen, was sie sind: Struktur- und         tungs-Szenerie. Aber auch Themen
Denkhilfen, die es an die jeweilige            wie die Kooperation mit anderen
Situation anzupassen gilt.                     Dienstleistern, Möglichkeiten des
                                               Vertriebs- und Distributionsdesigns
– Ideengewinnung: Der Ideensuche               und nicht zuletzt Fragen der Ver-
  und -gewinnung kommt in diesem               marktung (z. B. Preis) sind zu klären«
  Prozess eine Schlüsselrolle zu. Nach         (Meyer und Blümelhuber 1998,
  den Ergebnissen einer empirischen            S. 817).
  Studie von Berth leiden 80 Prozent         – Implementierung: In diesem Schritt
  der deutschen Unternehmen an                 erfolgt die Realisierung der ent-
  akutem Ideenmangel (Meyer u. a.              worfenen Dienstleistung. Auf Grund
  1992, S. 5). Hier gilt es also Fragen zu     dessen, dass die Dienstleistung
  beantworten wie »Wer stößt eine              selbst auf Grund ihrer konstitutiven
  Initiative an?« oder »Welches sind           Eigenschaften in der Regel nicht
  geeignete Quellen für Dienstleis-            vorab erstellt werden kann, konzen-
  tungsinnovationen?«.                         triert sich dieser Schritt auf die
– Ideenprüfung und -auswahl: In die-           Realisierung aller unterstützenden
  sem Schritt müssen die im Rahmen             Maßnahmen vor und hinter der »line
  der Ideengewinnung gewonnenen                of visibility« im Vorfeld der Einführung
  »Roh-Ideen« genauer analysiert und           im Unternehmen und im Markt.
  einer Bewertung unterzogen werden.           Das sind insbesondere Maßnahmen
  Einige Ideen werden weiterverfolgt,          im Bereich der Organisation, des
  andere fallen gelassen werden.               Personals wie auch bei der techni-

                                                                      Service Engineering   15
                                                                               Kurzstudie
Ideengewinnung

                                                  Ideenprüfung
                                                  und -auswahl

                                                     Design
     Potenzialaufbau

                             Kundenintegration

                                                 Implementierung

                                                      Test

                                                   Einführung

                                                   Erbringung

                                                    Ablösung

Abbildung 2:
Idealtypischer Innovationsprozess von
Dienstleistungen (in Anlehnung an Meyer und
Blümelhuber 1998, S. 813)

  schen Infrastruktur (z. B. Software-                             Kunden als externer Faktor er-
  entwicklung und -einsatz).                                       forderlich wird, ist man in der Tat
– Test: Häufig wird bei der Aufgabe des                            zahlreichen Restriktionen ausgesetzt.
  Tests von Dienstleistungen gleich von                            Ziel der Teststufe ist es auf jeden Fall,
  der Testproblematik gesprochen.                                  in einem integrierten Szenario
  In dem Maße, wo die Integration des                              die Marktreife der Dienstleistung zu

16              Service Engineering
                Kurzstudie
Innovationsmanagement für
                                                     Dienstleistungen

  prüfen und nicht zuletzt auch den        3.3
  eigentlichen Dienstleistungsprozess      Wettbewerbsstrategische
  zu trainieren und zu proben.             Auswirkungen
– Einführung: Nachdem die Dienst-
  leistung also nun »designed« und in      Bedingt durch die dienstleistungsspezi-
  einem integrierten Szenario gestestet    fischen Besonderheiten ergeben sich für
  wurde, die Marketingstrategie ent-       Dienstleistungsanbieter nicht nur neue
  wickelt wurde und der Vertrieb der       Anforderungen für das Innovations-
  Dienstleistung steht, wird die Dienst-   management allgemein, sondern auch
  leistung schließlich in das Unter-       neue Anforderungen zur Formulierung
  nehmen und in den Markt eingeführt.      und Umsetzung von Wettbewerbs-
– Erbringung: Mit der Einführung endet     strategien im Speziellen. So resümieren
  die eigentliche Entwicklung einer        Homburg und Faßnacht z. B. in Bezug
  neuen Dienstleistung. Es sind jedoch     auf die klassischen Porter’schen
  auch in der anschließenden Er-           Strategietypen, »(…) dass kein Dienst-
  bringungsphase eine Reihe von Inno-      leistungsmerkmal für die Kostenführer-
  vationstätigkeiten durchzuführen.        schaftsstrategie spricht«. Die konstitu-
  Hierzu zählen beispielsweise konti-      tiven Eigenschaften von Dienst-
  nuierliche Verbesserungen und            leistungen sprächen eher für eine Diffe-
  kundenspezifische Anpassungen.           renzierungsstrategie (Homburg und
– Ablösung: Im Sinne einer                 Faßnacht 1998, S. 540).
  Betrachtung des gesamten Lebens-
  zyklus einer Dienstleistung ist die      Im Rahmen der exemplarischen Analyse
  Ablösungsphase ebenfalls in den          des Status quo zum Innovationsmana-
  Innovationsprozess mit einzube-          gement wurden auch zum Komplex der
  ziehen. Hierbei sind insbesondere        Unternehmensstrategie in Bezug auf
  Entscheidungen zu treffen, wann und      (die Entwicklung von) Dienstleistungen
  wie Dienstleistungen vom Markt           Fragen gestellt. Die Ergebnisse aus
  genommen werden und ob sie ge-           diesen Fragen sollen hier verdichtet dar-
  gebenenfalls durch neue Dienstleis-      gestellt werden, mit Fokus auf folgende
  tungen ersetzt werden.                   Schlüsselfragen:

Die Untersuchungen innerhalb der Kurz-     – Aus welcher Situation heraus wurden
studie konzentrierten sich insbesondere      neue Dienstleistungen entwickelt?
auf die Phasen von der Ideengewinnung        (Auslöser)
und -prüfung bis hin zu Einführung         – Was waren die zentralen Zielset-
neuer Dienstleistungen. Die entspre-         zungen für neue Dienstleistungen?
chenden Ergebnisse werden in den             (strategische Ziele)
Kapiteln 5 bis 7 vorgestellt.

                                                                   Service Engineering   17
                                                                            Kurzstudie
– Wo lagen die Schwerpunkte bei der        steht das ähnlich oft genannte, eher die
  Entwicklung von Dienstleistungen?        Ressourcensicht betonende Ziel der
  (Neuentwicklung vs. Weiterent-           Steigerung von Profitabilität, ins-
  wicklung)                                besondere auf Basis von Prozess-
                                           optimierungen. Der – aus der Analyse
Als Auslöser wurden interne wie externe    der Auslöser bereits hervorgetretene –
Ideenquellen genannt, primär kunden-       ausgeprägte Fokus auf die Kunden wird
getriebene Innovationen, d. h. »demand     auch hier deutlich durch die nahezu
pull«. In techniknahen Branchen, ins-      von allen Interviewpartnern explizit
besondere bei Massenmärkten, wird          genannten Ziele der Erhöhung der
jedoch meist auch die technikge-           Kundenbindung bzw. der Steigerung
triebene Innovation als Auslöser für       der Kundenzufriedenheit. Sowohl für die
»neue Dienstleistungen« genannt (vgl.      Ziele der internen Optimierung wie auch
Kapitel 5). Zum Teil wurden jedoch auch    der Kundenbindung werden des Öfteren
andere Ideenquellen aufgeführt wie zum     zusätzlich bereits Bezüge zu Möglich-
Beispiel branchenfremde Mitarbeiter.       keiten des Einsatzes von Informations-
Erstaunlich oder wenigstens bemer-         und Kommunikationstechnologie
kenswert ist aus unserer Sicht die Tat-    gemacht, sei es zum Beispiel für die
sache, dass nur zweimal das marktliche     Fernwartung von Anlagen oder die Ver-
Umfeld als Ideenquelle bzw. Auslöser       zahnung mit bestehenden Kunden über
von Dienstleistungsinitiativen genannt     ein Extranet.
worden war.
                                           Als Entwicklungsschwerpunkt gab es
Als strategischen Ziele wurden mit ganz    ein ganz eindeutiges Übergewicht für
eindeutiger Mehrheit Wachstums- bzw.       die Weiterentwicklung gegenüber der
Marktdurchdringungs-, z. T. sogar          Neuentwicklung von Dienstleistungen.
Marktentwicklungsstrategien formuliert.    Der Großteil der Interviewpartner
Dieser starke Fokus auf offensive Stra-    benannte dabei explizit die Weiter-
tegieformulierungen bietet Raum zur        entwicklung als eindeutig fokussierten
Interpretation, insbesondere auf der       Entwicklungsschwerpunkt. Nun wurde
Basis der Tatsache, dass sich das Gros     in den Interviews nicht der akademische
der Interviewpartner in tendenziell eher   Versuch einer Abgrenzung des flie-
reifen und gesättigten Märkten bewegt.     ßenden Übergangs »neuer« von »weiter-
Nur wenige Interviewpartner formu-         entwickelten« Dienstleistungen unter-
lierten – eher defensiv – die »Stützung    nommen, dennoch vermag dieses
vorhandener Geschäftsfelder« als stra-     Ergebnis einen deutlichen Trend zu
tegische Ziele für neue Dienstleis-        formulieren. Häufig wurde auch noch
tungen. Neben diesem eher die markt-       explizit betont, dass »komplett neue
orientierte Sicht betonenden Ergebnis      Leistungen eher selten entwickelt

18   Service Engineering
     Kurzstudie
Innovationsmanagement für
                                                     Dienstleistungen

werden«. Die zugrunde liegende Un-         sich weitere Herausforderungen. Um so
sicherheit in der Interpretation liegt     erstaunlicher, dass das Themenfeld
darin begründet, ob hier lediglich die     bisher in Theorie wie auch Praxis noch
Innovationshöhe, d. h. der Grad an         wenig Beachtung findet.
Neuigkeit, der erreicht sein muss, damit
eine Leistung das Prädikat »innovativ«     Die zentralen Gestaltungsfelder des
tragen darf, so hoch liegt, oder ob das    Innovationsmanagements liegen in den
marktliche Umfeld der Unternehmen          Bereichen Kunde, Mitarbeiter, Unter-
und die zugrunde liegenden Unterneh-       nehmen und Wettbewerb: die
mensstrategien eher zu konservativeren     Akzeptanz beim Kunden, auf der Basis
(Folge-)Strategien tendieren lässt.        geeigneter Fähigkeiten bei den Mit-
                                           arbeitern, einer sorgsam gewählten
Neben den Antworten zu den oben            Systemkonformität mit dem Unter-
formulierten Schlüsselfragen ist es aus    nehmen und ausreichender Schutz vor
unserer Sicht sehr erstaunlich (oder       Nachahmung durch die Wettbewerber.
bedenklich), dass das absolute Gros der    Dienstleistungsinnovationen müssen
Interviews trotz – oder vielleicht auch    sich dabei nicht nur auf das eigentliche
gerade wegen – der Betonung des            Leistungsergebnis beziehen, sondern
Weiterentwicklungsaspektes keine oder      können die Bereiche des Leistungs-
nur sehr vage Vorgaben, d. h. Zielvor-     potenzials und des Leistungserstel-
gaben, an die (Weiter-)Entwicklung von     lungsprozesses mit einbeziehen.
Dienstleistungen beschreibt. Lediglich     Sie müssen nach diesem Verständnis
die Zielvorgabe, dass die (weiter-)ent-    (aus Anbietersicht) nicht zwangsläufig
wickelte Dienstleistung »einen Umsatz-     »grundlegende« Innovationen sein,
beitrag liefern muss«, wurde von einigen   sondern können durchaus auch
Unternehmen genannt. Damit bleibt          inkrementelle, (aus Kundensicht wahr-
zwangsläufig unklar, wie in den be-        nehmbare) innovative Änderungen oder
teiligten Unternehmen die (Budget-)        neue Kombinationen sein.
Steuerung von Entwicklungsvorhaben
erfolgt.                                   Im Rahmen der Analyse der Ergebnisse
                                           zur wettbewerbsstrategischen Aus-
                                           richtung der (Weiter-)Entwicklung von
Zusammenfassung                            Dienstleistungen konnte schließlich
                                           gezeigt werden, dass der Trend der
Innovationsmanagement ist etwas sub-       letzten Jahre, die zunehmende Aus-
stanziell anderes, als das Management      richtung am Kunden, auch in diesem
von wiederholten Routineentschei-          Feld Berücksichtigung erfährt. Auslöser
dungen. Aus den konstitutiven Eigen-       von Dienstleistungsinnovationen sind
schaften der Dienstleistung ergeben        primär die Kunden und auch bei den

                                                                   Service Engineering   19
                                                                            Kurzstudie
strategischen Zielen überwiegt die
marktorientierte Sicht, neben dem
internen Ziel der Prozessoptimierung.
Der Entwicklungsschwerpunkt liegt
ganz eindeutig bei der Weiterent-
wicklung von Dienstleistungen, die
»Neu«-Entwicklung von Dienstleis-
tungen hat eher untergeordnete
Bedeutung. Die Tatsache, dass die
meisten Entwicklungsvorhaben noch
ohne konkrete ökonomische oder vor-
ökonomische Zielvorgaben durch-
geführt werden, lässt Raum zur Opti-
mierung vermuten.

20   Service Engineering
     Kurzstudie
4
Organisation der Dienstleistungsentwicklung
Thomas Meiren

In den zurückliegenden Jahren hat die     haupt übernehmen soll und welche
Beschäftigung mit der Entwicklung von     Unternehmensbereiche darüber hinaus
Dienstleistungen zunehmend an             unterstützend mitwirken. Aber auch für
Bedeutung gewonnen. Damit ver-            Unternehmen, die bereits über umfang-
bunden ist für viele Unternehmen die      reiche Erfahrungen auf dem Gebiet der
Fragestellung, ob und inwieweit sie für   Dienstleistungsentwicklung verfügen,
diese Aufgabenstellungen Ressourcen       sind eine Reihe von aufbauorganisatori-
bereitstellen und Verantwortlichkeiten    schen Aspekten von wiederkehrender
benennen. Insbesondere stellen sich die   Relevanz. Beispielsweise wenn es bei
Unternehmen die Frage nach dem            zunehmendem Entwicklungsaufwand
geeigneten organisatorischen Rahmen       darum geht, ab wann die Schaffung
für die Entwicklung von Dienstleis-       einer eigenen Abteilung für die Dienst-
tungen.                                   leistungsentwicklung sinnvoll erscheint,
                                          oder wie bei zunehmender Komplexität
Diese Themenstellung wurde innerhalb      die Zusammenarbeit verschiedener Ent-
der Kurzstudie aufgegriffen. Zum einen    wicklungspartner besser organisiert
war es von Interesse, welche Organisa-    werden kann.
tionsstrukturen die befragten Unter-
nehmen für die Entwicklung von Dienst-    Hinsichtlich der Regelung der organisa-
leistungen bevorzugt wählen und           torischen Verantwortlichkeit für die Ent-
welche Unternehmensfunktionen dabei       wicklung von Dienstleistungen kommen
in diese Aufgabe eingebunden sind.        folgende vier Alternativen grundsätzlich
Zum anderen wurde untersucht,             in Betracht: Die Entwicklung in eigens
inwieweit die Unternehmen Vorgehens-      zu diesen Zwecken eingerichteten
weisen und Richtlinien für die Dienst-    Organisationseinheiten, die Übernahme
leistungsentwicklung festlegen und wie    von Entwicklungstätigkeiten durch
sie ihre organisatorischen Abläufe        bereits bestehende Organisationsein-
gestalten.                                heiten (quasi als »Nebenaufgabe«), die
                                          Entwicklung in Form von speziell dazu
                                          eingesetzten Projektteams sowie
4.1                                       letztlich die Beauftragung externer
Organisatorische Alternativen für die     Unternehmen. Abbildung 3 veranschau-
Entwicklung von Dienstleistungen          licht die genannten Möglichkeiten.

Für Unternehmen, die sich erstmals mit    Die von den befragten Unternehmen am
der Entwicklung von Dienstleistungen      häufigsten gewählte Organisationsform
beschäftigen, ist erfahrungsgemäß eine    war die Entwicklung von Dienstleis-
der zuerst auftauchenden Fragen, wer      tungen durch fallweise zusammenarbei-
im Unternehmen diese Aufgabe über-        tende Projektteams. Hierzu wird je nach

                                                                Service Engineering   21
                                                                         Kurzstudie
Dienstleistungsentwicklung        Eigene Organisationseinheit
                           wird von anderen                  für die Dienstleistungs-
Dienstleistungsentwicklung Organisationseinheiten            entwicklung
  als dauerhafte Aufgabe   übernommen

                             Beispiel:                       Beispiel:
                             Marketing, Strategie            Service Development

                             Fremdentwicklung von            Dienstleistungsentwicklung
                             Dienstleistungen                in Form spezifischer
Dienstleistungsentwicklung                                   Projektteams
  als temporäre Aufgabe
                             Beispiel:                       Beispiel:
                             Auftragsforschung               Bereichsübergreifendes
                             und -entwicklung                Projektteam

                             Dienstleistungsentwicklung       Dienstleistungsentwicklung
                                 als Nebenaufgabe                 als Hauptaufgabe
Abbildung 3:
Organisatorische Alternativen
(vgl. Bullinger, Meiren 2001)

Aufgabenstellung ein Projekt mit Mit-            Der Nachteil von temporär zusammen-
arbeitern aus unterschiedlichen                  arbeitenden Entwicklungsteams mit
Unternehmensbereichen aufgesetzt. Die            jeweils wechselnden Verantwortlich-
Verantwortung liegt dabei zumeist bei            keiten besteht vor allem darin, dass
Bereichen mit relativ hohem Kunden-              nach Projektende das gewonnene
kontakt wie etwa Marketing, Vertrieb             Wissen oftmals verloren geht, da die
oder Produktmanagement. Bei produ-               beteiligten Mitarbeiter sich anderen
zierenden Unternehmen spielt darüber             Aufgaben zuwenden. Aus diesem Grund
hinaus die Service-Abteilung eine                sind etwa ein Drittel der in der Kurz-
wichtige Rolle. Außerdem sind in den             studie befragten Unternehmen dazu
befragten Unternehmen typischerweise             übergegangen, die Entwicklung von
weitere Funktionen wie etwa die                  Dienstleistungen bereits existierenden
Geschäftsführung, die Organisations-             Organisationseinheiten als dauerhafte
und EDV-Abteilung in den Entwick-                Nebenaufgabe zuzuordnen. Dadurch
lungsteams vertreten.                            soll sichergestellt werden, dass die
                                                 (Weiter-)Entwicklung von Dienst-
                                                 leistungen kontinuierlich erfolgt und das

22   Service Engineering
     Kurzstudie
Organisation der
                                                      Dienstleistungsentwicklung

hierzu erforderliche Wissen auf- und        Die vierte der in Abbildung 3 genannten
ausgebaut werden kann. Befragt nach         organisatorischen Alternativen, die
der Organisationseinheit, die man mit       Fremdentwicklung von Dienstleistungen
der Dienstleistungsentwicklung betraut,     bzw. ein Outsourcing der Dienstleis-
antworteten die Unternehmen, dass die       tungsentwicklung, war innerhalb der
Wahl zumeist auf Marketing, Service         befragten Unternehmen nicht vertreten.
(bei produzierenden Unternehmen) oder       Jedoch ist anzumerken, dass der Inte-
auf die operativ beim Kunden tätigen        gration externer Partner in die Entwick-
Fachbereiche entfällt. Auch dies ist        lung von Dienstleistungen sehr wohl
erneut ein Indiz dafür, dass die Inten-     eine große Bedeutung beigemessen
sität des Kundenkontakts für die Unter-     wird. Allerdings übernehmen diese nur
nehmen ein wichtiges Kriterium für die      einzelne Teilaufgaben und nicht die
Zuordnung von Aufgabenstellungen der        komplette Entwicklung einer neuen
Dienstleistungsentwicklung zu sein          Dienstleistung. So gaben rund zwei
scheint.                                    Drittel der befragten Unternehmen an,
                                            in ihre Entwicklungsaktivitäten je nach
Um die Entwicklung von Dienstleis-          Problemstellung ausgewählte Be-
tungen weiter professionalisieren zu        ratungsunternehmen, Softwarehäuser,
können, sind einige wenige – vier der       Marktforscher, Rechtsexperten oder
interviewten 22 – Unternehmen dazu          sonstige Spezialisten einzubinden.
übergegangen, eigene Organisations-
einheiten einzurichten, deren Haupt-        Es bleibt festzuhalten, dass es hin-
aufgabe in der Entwicklung von Dienst-      sichtlich der Organisationsform für die
leistungen besteht. Dies hat den Vorteil,   Dienstleistungsentwicklung aus Sicht
dass die Entwicklungsaktivitäten vom        der befragten Unternehmen keinen
operativen Tagesgeschäft getrennt           »one-best-way« zu geben scheint und
werden können und sich gezielt Know-        dass dementsprechend in der Praxis
how zur Entwicklung von Dienstleis-         eine Vielzahl unterschiedlicher Optionen
tungen aufbauen lässt (Bullinger, Meiren    gewählt werden. Jedoch offenbarte eine
2001). Da es sich bei den in der Kurz-      Zusatzfrage nach Erfolgsfaktoren für die
studie ermittelten Unternehmen              Organisation der Dienstleistungsent-
sämtlich um Großunternehmen handelt         wicklung, dass es gleichwohl eine Reihe
und zudem die Größe der Organisa-           von Gemeinsamkeiten gibt. Dabei
tionseinheit nur in einem Fall Gruppen-     kristallisierten sich die folgenden vier
stärke überschreitet, liegt die Ver-        Faktoren heraus, die jeweils von mehr
mutung nahe, dass diese Option in der       als der Hälfte der befragten Unter-
Praxis bisher insgesamt nur eine eher       nehmen genannt wurden:
geringe Bedeutung spielt.

                                                                     Service Engineering   23
                                                                              Kurzstudie
– Einbindung operativer Bereiche in         4.2
  Entwicklungsaktivitäten, insbe-           Gestaltung von Entwicklungs-
  sondere die Nutzung des Know-hows         prozessen für Dienstleistungen
  der Mitarbeiter vor Ort,
– Einbindung von Promotoren, vor            Neben der Schaffung von Strukturen für
  allem aus der Unternehmensführung,        die Dienstleistungsentwicklung bildet
  aber auch der betrieblichen Interes-      die Gestaltung von Entwicklungs-
  sensvertretung,                           prozessen für neue Dienstleistungen ein
– Einbindung externer Partner, sowohl       weiteres Handlungsfeld in der Praxis.
  um deren Spezialwissen als auch           Insbesondere Unternehmen, die regel-
  deren moderierende Wirkung für die        mäßig neue Dienstleistungen ent-
  interne Zusammenarbeit zu nutzen,         wickeln, suchen nach Möglichkeiten,
– Einbindung von Marketing und              ihre Entwicklungsprozesse transparent
  Vertrieb, um die Entwicklung markt-       und nachvollziehbar zu gestalten,
  gerechter Dienstleistungen sicher-        Doppelarbeiten zu vermeiden, die
  stellen zu können.                        Wiederholung bereits gemachter Fehler
                                            auszuschließen und vorhandenes
Bei der abschließenden Betrachtung der      Wissen wiederzuverwenden. Darüber
von den Unternehmen genannten Orga-         hinaus sollen durch definierte Prozesse
nisationsformen und Erfolgsfaktoren         die Qualität und der Markterfolg neuer
wird deutlich, dass es sich bei der Ent-    Dienstleistungen so weit wie möglich
wicklung von Dienstleistungen um eine       sichergestellt werden.
Aufgabe handelt, die vielfältige Bereiche
innerhalb und außerhalb des Unter-          Um dies zu erreichen, wird in der Regel
nehmens betrifft. Insofern besteht eine     damit begonnen, Entwicklungsprozesse
der großen Herausforderungen der            zu beschreiben und einzelne Entwick-
Zukunft sicherlich darin, geeignete         lungsschritte bis zu einem gewissen
Organisationsformen – insbesondere für      Grad zu standardisieren. Diese »Forma-
das Arbeiten in Netzwerken und das          lisierung« der Dienstleistungsent-
Beherrschen von Schnittstellen – zu         wicklung reicht von fest vorgegebenen
finden, die geeignet sind, die vor-         Prozessen auf der einen Seite bis hin zu
handene Komplexität in den Griff zu         flexiblen, situationsspezifischen Vor-
bekommen, und somit die eigentliche         gehensweisen auf der anderen Seite.
Voraussetzung für die schnelle und effi-    Wenn im Folgenden der Begriff »Forma-
ziente Entwicklung von Dienstleistungen     lisierung« verwendet wird, so ist dies
bilden.                                     also keinesfalls damit gleichzusetzen,
                                            dass Entwicklungsprozesse in ein
                                            absolut starres Korsett gepresst
                                            werden. Vielmehr ist darunter zu ver-

24   Service Engineering
     Kurzstudie
Organisation der
                                                       Dienstleistungsentwicklung

stehen, dass Entwicklungsprozesse           Die letzte Gruppe der interviewten
nicht mehr generell willkürlich             Unternehmen, die allerdings nicht
ablaufen, sondern es definierte Richt-      besonders umfangreich ist, hat ihre Ent-
linien gibt, nach denen die Entwicklung     wicklungsprozesse fest definiert und
von Dienstleistungen durchgeführt wird      schriftlich dokumentiert. Hierzu wurden
(Fähnrich, Meiren u. a. 1999).              die Prozesse und die einzusetzenden
                                            Methoden in sogenannten Entwick-
Im Rahmen der Kurzstudie wurden die         lungshandbüchern beschrieben, die
Unternehmen befragt, inwieweit sie ihre     detaillierte Vorgaben und Richtlinien für
Entwicklungsprozesse bereits definiert      die Entwicklung von Dienstleistungen
und dokumentiert haben. Die Antworten       enthalten. Dies bietet vor allem den
lassen sich in drei unterschiedliche        Vorteil, dass das Wissen über die
Gruppen einteilen. Die erste Gruppe von     Dienstleistungsentwicklung nicht nur an
Unternehmen verwendet keine festen          einzelne Experten gebunden, sondern
Richtlinien für die Entwicklung von         für alle beteiligten Mitarbeiter verfügbar
Dienstleistungen. Allerdings ist diese      ist. Bezüglich des Aufbaus der Ent-
Gruppe innerhalb der befragten Unter-       wicklungsprozesse war interessant, das
nehmen zahlenmäßig sehr klein. Hier         sich diese bei den befragten produzie-
entstehen neue Dienstleistungen             renden Unternehmen an die dort
zumeist ad hoc oder auf Initiative von      bekannten Produktentwicklungs-
einzelnen Mitarbeitern. Zur Gestaltung      prozesse anlehnten, was auf eine –
des Entwicklungsablaufs wird besten-        zumindest prinzipielle – Übertragbarkeit
falls auf allgemeine Regeln des Projekt-    von Vorgehensweisen der Produkt-
managements zurückgegriffen.                entwicklung auf die Entwicklung von
                                            Dienstleistungen hindeutet.
In der zweiten Gruppe, in der sich die
Mehrheit der befragten Unternehmen          Neben der Frage nach dem generellen
befindet, folgt die Entwicklung von         Formalisierungsgrad war es außerdem
Dienstleistungen bereits fest definierten   von Interesse, wie die Unternehmen bei
Abläufen, ist aber noch nicht schriftlich   der Entwicklung von Dienstleistungen
fixiert. Es existieren schon mehr oder      im Einzelnen vorgehen. Dabei stellte
weniger umfangreiche Erfahrungen aus        sich heraus, dass die von den befragten
vergangenen Entwicklungsprojekten.          Unternehmen gewählten Vorgehens-
Das Wissen ist in den Köpfen der ver-       weisen alle dem Typus der sequenziell
antwortlichen Mitarbeiter vorhanden         aufgebauten Phasenmodelle zuzu-
und es werden zur Entwicklung von           ordnen sind, d. h. die einzelnen Entwick-
Dienstleistungen einfache Instrumen-        lungsphasen werden nacheinander
tarien und Hilfsmittel wie Checklisten      ausgeführt und bauen aufeinander auf.
und Formblätter eingesetzt.                 Als Bedingung für den Übergang von

                                                                      Service Engineering   25
                                                                               Kurzstudie
Ideengewinnung

     Ideenprüfung            Aspekte der Gestaltung:
     und -auswahl
                             • Strukturierung und Dokumentation
                               des Entwicklungsprozesses
     Konzeption              • Festlegung von Verantwortlichkeiten
      (Design)                 und Entscheidungskompetenzen
                             • Bereitstellung der benötigten
                               Ressourcen
                             • Auswahl geeigneter Methoden
  Implementierung              und Werkzeuge
                             • Einbindung von Kunden, Mitarbeitern
                               und Promotoren
                             • Anwendungsgerechte Nutzung
        Test                   und Wiederverwendung von Wissen

  Markteinführung

Abbildung 4:
Gestaltung von Entwicklungsprozessen

einer Phase in die nächste gilt, dass die    Meilensteinen und der Überprüfung von
vorhergehende Phase komplett ab-             Zwischenergebnissen. Die Nachteile
geschlossen sein muss. Ein typisches         von Phasenmodellen bestehen aller-
Beispiel für ein solches Phasenmodell        dings darin, dass sie relativ starr sind
ist in Abbildung 4 dargestellt (vgl. auch    und sich nur schwer auf unterschied-
Kapitel 3).                                  liche Ausgangssituationen anpassen
                                             lassen. Außerdem ist ein Eindruck vom
Die Vorteile der Verwendung von              Gesamtergebnis meist erst nach dem
Phasenmodellen bestehen vor allem            Durchlaufen des gesamten Entwick-
darin, dass sie einfach zu verstehen und     lungsprozesses möglich. Auch ist
umzusetzen sind. Darüber hinaus bieten       anzumerken, dass reale Projekte nur
sie angesichts der klar voneinander          selten sequenziellen Abläufen folgen
abgegrenzten Entwicklungsschritte gute       (vgl. Meiren, Barth 2001).
Möglichkeiten der Festlegung von

26    Service Engineering
      Kurzstudie
Organisation der
                                            Dienstleistungsentwicklung

Auf die Frage, ob für die Zukunft weiter-
gehende Vorgehensmodelle angedacht
sind, antworteten einige der befragten
Unternehmen, dass sie erste Über-
legungen zum Einsatz von Prototyping-
Verfahren anstellen. Hierbei sollen im
Laufe des Entwicklungsprozesses
bereits in einem frühen Stadium erste
Testversionen (»Prototypen«) der neuen
Dienstleistungen verfügbar sein,
um somit wesentliche Merkmale und
Funktionalitäten untersuchen und
anschließend verfeinern zu können.
Aber ähnlich wie im Bereich der Wissen-
schaft befinden sich solche Über-
legungen noch in einem vergleichsweise
frühen Stadium (vgl. Hofmann, Klein,
Meiren 1998).

Fazit

Die Untersuchung zeigt, dass viele
Unternehmen derzeit auf der Suche
nach möglichst effizienten Ansätzen
und Lösungen für Fragestellungen der
organisatorischen Gestaltung der
Dienstleistungsentwicklung sind.
Insbesondere scheint ein klarer Trend in
Richtung einer zunehmenden Professio-
nalisierung zu gehen. Dabei spielen die
Festlegung klarer Verantwortlichkeiten,
die Systematisierung von Vorgehens-
weisen sowie die Aufbereitung und
Weitergabe des intern verfügbaren
Wissens eine besondere Bedeutung.

                                                           Service Engineering   27
                                                                    Kurzstudie
5
Initialisierung neuer Dienstleistungen
Christian Gill, Harald Keith, Irene Schmitt

Neben wachsenden Kundenansprüchen              werden, als auch Pullstrategien, bei
sind der zunehmende Wettbewerb,                denen Unternehmensaktivitäten durch
gesättigte Märkte und stagnierende             Kundenbedürfnisse initiiert werden, als
bzw. schrumpfende Umsatzrenditen die           »Funke« für den Beginn einer Dienst-
Hauptgründe dafür, dass sich die               leistungsentwicklung genannt.
befragten Unternehmen mit der Ent-
wicklung neuer Dienstleistungen be-            Betont wurde dabei allerdings häufig,
fassen. Weiterhin wurde die Robustheit         dass auf branchen- oder gar unter-
gegen Konjunkturschwankungen, die              nehmensspezifischem Know-how im
Möglichkeit der Differenzierung                Unternehmen aufgebaut wird bzw.
gegenüber Wettbewerbern sowie die              werden sollte.
Möglichkeit, sich von der Konkurrenz
abzusetzen bzw. Markteintrittsbarrieren
zu schaffen, genannt.                          5.1
                                               Ideen für neue Dienstleistungen
Eine Unterscheidung hinsichtlich Push-
oder Pullstrategien als Auslöser der           Die Unternehmensbefragung hat
Initialisierungsphase wurde in der Be-         gezeigt, dass die auch als konstitutiven
fragung nicht deutlich (vgl. Abbildung 5).     Merkmale einer Dienstleistung bezeich-
Vielmehr wurden sowohl Push-                   neten Objektbestandteile Potenzial,
strategien, bei denen latente Kunden-          Prozess und Ergebnis diejenigen sind,
bedürfnisse durch das Anbieten von             die in dieser Phase der Dienstleistungs-
neuen Dienstleistungen erst geweckt            entwicklung im Mittelpunkt stehen.

         Pushstrategien

             Dienst-
             leistung

          Pullstrategien

Abbildung 5:
Push- und Pullstrategien bei der Entwicklung
von Dienstleistungen

28   Service Engineering
     Kurzstudie
Initialisierung neuer Dienstleistungen

Diese konstitutiven Merkmale wurden in       Kriterium der Wahrnehmbarkeit des
der Unternehmensbefragung oft als            Dienstleistungsergebnisses als Erfolgs-
Voraussetzung für die Machbarkeit bzw.       faktor verwiesen wurde.
Angebotsfähigkeit einer Dienstleistung
genannt.                                     Neben der Prozess- und Ergebnisdi-
                                             mension ist die Potenzialdimension als
Bei der Entwicklung von Dienstleis-          dritte zu nennen. Erst durch vorhan-
tungen stehen vor allem die Verrich-         denes Potenzial ist ein Unternehmen in
tungen bzw. Prozesse im Mittelpunkt.         der Lage, durch einen strukturierten
Da Dienstleistungen auf Grund der            Prozess ein Ergebnis zu bewirken. Der
Integration des Kunden zumeist keine         Begriff Potenzial wird als die Summe
statischen Wirkungszusammenhänge             der benötigten Ressourcen und deren
aufweisen, vermag viel eher die all-         Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden
gemeine Angabe von Tätigkeitsabläufen        (vgl. Jaschinski 1998). Diese Potenziale
(z. B. Ist-Analyse, Soll-Analyse,            stellen neben Prozess und Ergebnis
Lösungskonzeption), den Gegenstand           eine weitere Komponente bei der Ent-
einer Dienstleistung darzustellen            wicklung und Beschreibung von Dienst-
(vgl. Luczak u. a. 2000). Vergleichbar ist   leistungen dar, deren Bedeutung nach
diese Betrachtungsweise mit der von          Aussage der befragten Unternehmen
technischen Produktionssystemen, bei         höchste Priorität zugewiesen wird.
denen ebenfalls die Prozessorientierung
im Vordergrund steht (vgl. Sontow
2000).                                       Perspektiven der Ideengewinnung

Die Angabe von Prozessen allein ist          Für die Suche nach geeigneten Dienst-
jedoch nicht ausreichend, um eine            leistungsideen wurden zwei Perspek-
Dienstleistung gänzlich beschreiben zu       tiven genannt, die den Suchraum
können. Insbesondere für die externe         begrenzen (vgl. Abbildung 6):
Darstellung ist die Angabe des Dienst-
leistungsergebnisses von großer Be-          – Eine potenzialorientierte Perspektive,
deutung (vgl. Liestmann 2001). Das             die die Möglichkeiten eines Unter-
Dienstleistungsergebnis ergibt sich            nehmens, eine bestimmte Dienst-
konsequenterweise aus dem Dienstleis-          leistung überhaupt erbringen zu
tungsprozess. Da der Kunde stets direkt        können, in den Mittelpunkt stellt.
oder indirekt daran beteiligt ist, mani-       Beim potenzialorientierten Ansatz
festiert sich das Ergebnis nicht nur in        liegt der Ausgangspunkt der Ent-
einem unmittelbaren Output, sondern            wicklung bei den Kernkompetenzen
insbesondere auch im mittelbaren               eines Unternehmens, für die eine
Kundennutzen, wobei mehrfach auf das           neue oder zusätzliche Nutzung in

                                                                       Service Engineering      29
                                                                                Kurzstudie
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