ADVANCED PRACTICE NURSING - PFLEGERISCHE EXPERTISE FÜR EINE LEISTUNGSFÄHIGE GESUNDHEITSVERSORGUNG - DBFK
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1 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung Inhalt Vorwort zur 4. Auflage 3 1. Pflege im Wandel – aktuelle Entwicklungen 5 2. Advanced Practice Nursing – international bewährt und anerkannt 9 2.1 Merkmale einer erweiterten und vertieften Pflege 9 2.2 Kompetenzen für Advanced Practice Nursing 14 2.3 Ökonomische Aspekte von Advanced Practice Nursing 16 2.4 Fördernde und hindernde Faktoren bei der Umsetzung von Advanced Practice Nursing 16 im internationalen Raum 3. Die Etablierung von Advanced Practice Nursing in Deutschland 18 3.1 Weiterentwicklung pflegerischer Handlungsfelder 18 3.2 Hindernisse bei der Entwicklung von Advanced Practice Nursing 21 3.3 Eine Ausprägung von Advanced Practice Nursing: Die Community Health Nurse 22 3.4 Bildungswege in der Pflege: Ausbildung und Studium 25 3.5 Notwendige Maßnahmen zur Verankerung von Advanced Practice Nursing 28 4. Die Einführung von Advanced Practice Nursing in Krankenhäusern 30 4.1 Kriterien eines systematischen Einführungsprozesses von Pflegeexperten/innen APN 30 4.2 Entscheidungsvorbereitung: gute Argumente für die Einführung 31 4.3 Gestaltung des Einführungsprozesses 32 Fazit 33 Literatur 35
2 Advanced Practice Nursing Pflege professionell gestalten. Die gesellschaftlichen Entwicklungen erfordern eine Neuausrichtung im Gesundheitswesen. Mit Team- geist und hoher Qualifikation den Herausforderungen begegnen. Zum Nutzen der Patienten/innen und der Familien.
3 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung Vorwort zur 4. Auflage misierung prädestiniert, eine erweiterte Rolle im Versorgungsgeschehen zu übernehmen. Aus Sicht des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) geht es also nicht prioritär um die Ausweitung von Delegation, sondern vielmehr um Substitution und Allokation von Aufgaben und Verantwortungsbereichen. Ziel einer solchen Neuausrichtung ist es, Patienten/ innen eine pflegerische Versorgung auf Spitzenniveau zukommen zu lassen. Für ein solches Vorhaben bedarf es einer neuen und umfassenden Qualifizierung von Pflegefachpersonen. In der Pflegepraxis geht es insbesondere um ihr Wissen und Können, um Strukturen, in denen Wissen und Können in effektive Pflegehandlungen umgesetzt werden können, und um begünstigende oder behindernde Faktoren. Dazu bietet sich aus Sicht des DBfK die europäisch und international erprobte Qualifizierung in Advanced Practice Nursing (APN) an. Die erweiterte und fortgeschrittene Pflegepraxis Die Anforderungen an die Gesundheitsversorgung durch hoch qualifizierte Pflegefachpersonen in verändern sich: Die demografische Entwicklung führt spezifischen Sektoren bewährt sich seit vielen Jahren zu einer Zunahme chronischer Krankheiten und Multi- in den angelsächsischen, skandinavischen und morbidität, traditionelle Familienstrukturen wandeln anderen Ländern und wird auch in Deutschland bereits sich, die technische Entwicklung schreitet voran mancherorts umgesetzt. International hat sich unter - insbesondere die Digitalisierung - und Wissensbestände dem Oberbegriff APN eine erweiterte pflegerische erneuern sich rapide. Die regionale Bevölkerungsdichte Aufgabenübernahme durch den Einsatz von Nurse verschiebt sich durch den zunehmenden Zuzug jüngerer Practitioner etabliert. Daher empfiehlt der DBfK, die Menschen in die Städte, während vor allem ältere Qualifizierung im Sinne eines „Advanced Practice Menschen in den ausgedünnten ländlichen Regionen Nursing“ für den Einsatz im klinischen, patientennahen zurückbleiben. Der Mangel an Pflegefachpersonen Bereich im akademischen (tertiären) Bildungsbereich verschärft sich dramatisch. Auch Ärzte/innen fehlen, als konsekutiven Masterstudiengang anzusiedeln und insbesondere in ländlichen Regionen. Krankenhäuser, weiter auszubauen. Arztpraxen und Pflegedienste sind einem wachsenden wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Mit der vorliegenden Broschüre führt der DBfK die Diskussion über die Einführung einer erweiterten und Diese Veränderungen machen eine Neuausrichtung vertieften pflegerischen Praxis nach internationalem des Gesundheitssystems erforderlich. Dies gilt auch für Vorbild gemäß APN fort. Seit Erscheinen der die professionelle Pflege, die durch neue Strukturen, ersten Broschüre 2007 sind aktuelle Entwicklungen Handlungsfelder und Zuständigkeiten Antworten auf aufgegriffen worden und Handlungsfelder für die veränderten Versorgungsnotwendigkeiten finden Pflegeexperten/innen Advanced Practice Nurse (APN) muss. Empfehlungen bzgl. einer stärkeren Einbezie- in Deutschland entwickelt worden. hung der Pflegefachpersonen, einer neuen Aufgaben- verteilung und größeren Handlungsautonomie werden Diese Broschüre bietet einen Überblick über die immer deutlicher formuliert. Zudem sind Pflegefach- aktuellen Entwicklungen von APN. Nach einer personen aufgrund der voranschreitenden Akade- Beschreibung, wie APN in anderen Ländern umgesetzt
4 wird, folgt die Darstellung der Situation in Deutschland. Veränderungen zur Etablierung von APN von Prof. Dr. Die Einführung der Community Health Nurse als eine Gerhard Igl, Empfehlungen zur Einführung von APN von Ausprägung von APN wird vorgestellt. Darüber hinaus Expertinnen und Experten aus dem Pflegemanagement werden bildungspolitische Aspekte im Zusammenhang und ein Fazit runden die Broschüre ab. mit APN dargestellt. Hinweise auf notwendige
5 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung 1. Pflege im Wandel – aktuelle Entwicklungen Gesellschaftliche Veränderungen, neue gesetzliche Regelungen und die Entwicklung der Gesundheitsfach- berufe haben die Gesundheitsversorgung verändert: In den Krankenhäusern hat sich die Arbeitssituation der Pflegefachpersonen deutlich gewandelt: Die Verweildauer der Patienten/innen verkürzte sich, die Krankheitsbilder bei vermehrt älteren Menschen sind komplexer geworden und der Pflegepersonalmangel verschärft sich zunehmend. Gegenwärtig fehlen im Pflegedienst allgemeiner Krankenhäuser mehr als 100.000 Vollzeitstellen für Pflegefachpersonen auf Normalstationen (Simon, 2015). Zudem ist es in den vergangenen Jahren zu einer Übertragung von Tätigkeiten des ärztlichen Dienstes an die Pflege gekommen: Ärztliche Aufgaben wurden in einem erheblichen Umfang an pflegerisches Personal delegiert. Es entstanden schmal geschnittene Handlungsfelder für die Pflege ohne Ausweitung ihrer Handlungsautonomie. Pflegende wurden durch diese Entwicklung von ihren pflegerischen Aufgaben abgezogen. Zu den mittelfristig zu übertragenden Aufgaben gehören laut DKI-Studie vor allem die nicht- ärztliche Chirurgie-Assistenz bei operativen Eingriffen, das Casemanagement sowie das Wundpflege- und Schmerzmanagement. Die Ergebnisse der DKI-Studie von 2010 zeigen, dass die Verlagerung von Tätigkeiten des Pflege-Fachpersonals auf anders qualifiziertes Personal zur Entlastung der Pflege (Kaskadeneffekt) ohne Qualitätsverlust möglich ist (Offermann, 2010). Keine Auskunft gibt die Studie allerdings über die bestehende Fehlsteuerung in der Arbeitsorganisation, der Leistungserstellung, der Patientensteuerung, der Krankenhaus-Bedarfsplanungen oder zur Neuordnung der Gesundheitsberufe. In der ambulanten Pflege hat die verkürzte Kranken- hausverweildauer zu einer Verlagerung von bisher stationären Fällen in den ambulanten Bereich geführt. Ambulante Strukturen wurden in der Folge weiter
6 Gesellschaftliche Veränderungen, neue gesetzliche Regelungen und die Entwicklung der Gesundheitsfachberufe haben die Gesundheitsversorgung verändert.
7 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung ausgebaut, etwa im Rahmen des Versorgungs- dem Wegfall traditioneller Familienstrukturen die stärkungsgesetzes durch Regelungen zum Entlass- Versorgungslagen immer komplexer werden. management. Dazu wurde 2016 ein Rahmenvertrag abgeschlossen, der die Krankenhäuser verbindlich In stationären Pflegeeinrichtungen ist der Anteil verpflichtet ein Entlassmanagement durchzuführen. hochbetagter, schwer kranker, multimorbider Menschen Seine Wirkung wurde bisher noch nicht evaluiert. mit einem hohen Pflegebedarf in den vergangenen Jahren stark angewachsen. Auch finden sich immer Insgesamt ist der Ausbau ambulanter Strukturen mehr an Demenz erkrankte Menschen in stationären allerdings noch nicht ausreichend, um den veränderten Pflegeeinrichtungen, die einen hohen Betreuungsbedarf Versorgungsbedarf zu decken. Dazu kommt, dass aufweisen. infolge der alternden Gesellschaft, der Zunahme von chronischen und Mehrfacherkrankungen sowie
8 Gleichzeitig macht sich auch in stationären Pflege- Hinzu kommt ein relativer, strukturell bedingter einrichtungen der zunehmende Pflegepersonalmangel Ärztemangel vor allem von Hausärzten/innen für bemerkbar. Eine Befragung stationärer Pflegeein- die primäre Basisversorgung. So wird für das Jahr richtungen ergab, dass 22% der befragten Ein- 2030 ein Rückgang von mehr als 10.000 Hausärzten/ richtungen aufgrund von Personalmangel keine innen prognostiziert (KBV, 2016). Vor allem in Bewohner/innen aufnehmen konnten (Isfort et strukturschwachen ländlichen Regionen dünnt das al., 2018). Insgesamt ist die Situation durch eine Versorgungsangebot aus, während in städtischen unzureichende Personalausstattung, Dauerstress Regionen oftmals Ungleichverteilungen von Ärzten/ infolge von Arbeitsverdichtung sowie physisch und innen bestehen (GKV, 2017). Zudem betrifft die psychisch krank machende Arbeitsbedingungen demografische Entwicklung auch die Ärzte/innen und geprägt. Zudem sind Pflegefachpersonen bei der Ver- der Anteil der Altersgruppen mit höheren Altersjahren sorgung der Bewohner/innen mit ihrer eingeschränkten nimmt zu: So ist der Anteil der über 59-jährigen Ärzte/ Handlungsautonomie konfrontiert. Wurde beispiels- innen auf 18,4 Prozent angewachsen (BÄK, 2017). weise keine Bedarfsmedikation ärztlicherseits ange- ordnet, dürfen Pflegefachpersonen nicht einmal eine Wurde die Pflege in der Vergangenheit auf eine Kopfschmerztablette verabreichen, wenn dies notwen- assistierende Tätigkeit für den ärztlichen Bereich dig ist. Auch die neu entwickelten Wohn- und reduziert, stellt sie sich heute als eigenständige Profes- Pflegeformen wie z.B. Tagespflege, Kurzzeitpflege, sion grundlegend anders dar: Im Pflegeberufegesetz Wohngemeinschaften und Service-Wohnen erfordern von 2017 wurden vorbehaltene Tätigkeiten der Pflege angepasste Versorgungskonzepte, die durch eine erwei- und die grundständige Pflegeausbildung an Hoch- terte Handlungsautonomie der Pflegefachpersonen schulen gesetzlich geregelt. Durch diese Entwicklungen bedarfsgerechter ausgestaltet werden könnten. und die Ausweitung der weiterführenden Studiengänge im Sinne von Vertiefungen klinischer Felder eröffnet Daher sind insbesondere in der stationären Lang- sich Pflegefachpersonen ein bisher unbekannter zeitpflege Pflegeexperten/innen APN erforderlich, um Kanon an Entwicklungs- und Karrierechancen. Eine im arztfernen Raum stationärer Pflegeeinrichtungen Ausprägung ist der Einsatz als Pflegeexperte/in APN pflegerisch relevante Probleme wie z.B. in den in der erweiterten und vertieften, praktischen Pflege Bereichen Ernährung, Immobilität, chronische Wunden analog der international bekannten Advanced Practice und Hautpflege, Inkontinenz oder Schmerz unter Nursing (APN). Einbeziehung geltender Standards eigenverantwortlich zu regeln. Auch bezüglich der neuen Wohn- und Die gesetzlichen Grundlagen für die Etablierung Pflegeformen könnten erweiterte und veränderte einer erweiterten Pflegepraxis wurden im Pflege- Handlungsoptionen von speziell qualifizierten Pflege- Weiterentwicklungsgesetz 2008 durch den Para- fachpersonen die Versorgung verbessern. graphen 63 Abs. 3b und 3c im Sozialgesetzbuch V geregelt. Diese Regelung ermöglicht erstmals die Sektorenübergreifend zeichnet sich ein eklatanter selbständige Ausübung von Heilkunde für Pflegende Pflegepersonalmangel ab, der angesichts der steigen- mit entsprechender Ausbildung in Modellprojekten. Die den Anzahl älterer Menschen und der sinkenden Heilkundeübertragungsrichtlinie des Gemeinsamen Anzahl junger Berufseinsteiger/innen aus den Bundesausschusses (G-BA) konkretisiert diese geburtenschwachen Jahrgängen weiter zunehmen wird. Regelung. Die hohen formalen und bürokratischen Die Angaben zum Ausmaß des Pflegepersonalmangels Hürden haben allerdings zur Folge, dass bisher noch variieren stark, abhängig davon, welche Berufsgruppen keine Modellprojekte umgesetzt wurden. (Qualifikationen) und Stellenumfänge einbezogen werden und welches zukünftige Versorgungsszenarium Der Einsatz hoch spezialisierter, klinisch tätiger zugrunde gelegt wird: So gehen Prognosen von einem Pflegeexperten/innen APN kann die Attraktivität des Bedarf an 128.000 bis 245.000 zusätzlich benötigten Pflegeberufes steigern und die Verweildauer im Beruf Pflegenden im Jahre 2030 aus (Augurzky, Heger, & erhöhen. Junge Menschen können dazu motiviert Hentschker, 2015) und andere von bis zu 940.000 werden, einen pflegerischen Beruf zu ergreifen, wenn (Statista, 2018). Wenn die Attraktivität des Pflegeberufs eine Laufbahn in der Pflege Karrierechancen bietet und nicht durch die Verbesserung der Rahmen- und mit einer der Qualifikation entsprechenden Vergütung Arbeitsbedingungen sowie eine erhebliche tarifliche honoriert wird. Aufwertung in allen Bereichen gesteigert wird, sind dramatische Versorgungsengpässe unausweichlich.
9 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung 2. Advanced Practice Nursing – international bewährt und anerkannt Adcanced Practice Nursing - APN (seit Herbst 2018 ausgebildete Pflegende und Nurse Practitioner, die empfohlener Vorzugsbegriff des ICN) hat sich durch den mindestens einen Masterabschluss haben. Die Nurse Einsatz von Pflegeexperten/innen (Nurse Practitioner, Practitioner arbeiten aufgrund ihrer guten Ausbildung NP) mit gesetzlich geregelten, erweiterten Aufgaben in weitgehend selbstständig. Die Ärztin/der Arzt kommt nur Australien, Finnland, Irland, Kanada, Neuseeland und gelegentlich und in Notfällen. In der Klinik werden auch in Teilen von Großbritannien und den USA breit etabliert soziale Aktivitäten für ältere Menschen koordiniert und der (C. Maier, Aiken, & Busse, 2016). Die Gründe dafür sind Einzug in eine Pflegeeinrichtung begleitet. Der Fokus des mannigfaltig. Personalmangel im ärztlichen Bereich, hohe Programms liegt auf der Prävention. Finanziert wird es Anforderungen an eine Basisgrundversorgung sowie die über Beiträge der Teilnehmer/innen (C Maier, o.J.). zunehmende Spezialisierung von Pflegefachpersonen spielen dabei eine wichtige Rolle (Schober & Affara, Die internationale Praxis zeigt, dass die Kompetenzen, 2008). Laut ICN ist die Verfügbarkeit von Pflegepersonal der Grad der Handlungsautonomie und die Form der ein globales Problem (ICN, 2010). Der Fachkräftemangel gesetzlichen Reglementierung in den einzelnen Ländern macht sich überall bemerkbar und die vorhandenen sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Es existiert Arbeitskräfte sind ungleichmäßig verteilt. Als Reaktion eine Vielzahl an Rollenbeschreibungen, Titeln und auf diese drängenden Probleme wurde die Arbeitsweise Arbeitsfeldern (C. Maier et al., 2016). Umso wichtiger ist von Pflegefachpersonen dahingehend verändert, dass es daher, das Berufsbild eines/r Pflegeexperten/in APN eine optimale Nutzung der vorhandenen Fähigkeiten innerhalb des Gesundheitswesens zu beschreiben, zu gewährleistet ist. Belegt wird diese Annahme durch die definieren und zu platzieren. Daher haben der DBfK, fortschreitende Etablierung von Pflegeexperten/innen der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen APN für die Ausübung einer erweiterten und vertieften und Pflegefachmänner (SBK) und der österreichische Pflegepraxis nach internationalem Vorbild. Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) ein gemeinsames Positionspapier zu Merkmalen, Die längste Tradition mit dem Einsatz mit Pflegeexperten/ Qualifizierungsanforderungen und Kompetenzprofil von innen (Advanced Practice Nurse (APN); Nurse Practitioner Pflegeexperten/-innen APN erarbeitet1. (NP)) haben die USA und Kanada. Sie geht auf die 1960er Jahre zurück. 1997 kamen die Niederlande hinzu, 2000 Australien, 2001 Irland und Neuseeland, 2003 Finnland. In einem frühen Stadium der Entwicklung einer erweiterten Laut Definition des International Council of Nurses Pflegepraxis nach internationalem Vorbild sind Österreich, (ICN) sind unter Nurse Practitioner Pflege- Belgien, Deutschland, Frankreich, Island, Israel, Kroatien fachpersonen mit akademischer Zusatzqualifi- Litauen, Norwegen, Schweden, Schweiz und Zypern. 2015 kation zu verstehen, die in spezifischen sektoralen waren Nurse Practitioner oder Advanced Practice Nurses Versorgungsbereichen autonom arbeiten. Sie in Australien, Finnland, Irland, Kanada, Neuseeland und verfügen über Expertenwissen, Fähigkeiten zur in Teilen von Großbritannien und den USA autorisiert, Entscheidungsfindung bei komplexen Sachver- erweiterte Aufgaben in der Primärversorgung zu über- halten und klinischen Kompetenzen für eine nehmen. Dabei handelt es sich um die gesetzlich geregelte erweiterte pflegerische Praxis. Die Charakteristik “Übernahme von ärztlichen Aufgaben” (Task-shifting) (C. Maier et al., 2016). 1 Das gemeinsame Positionspapier der drei Berufsverbände Ein Beispiel für den Einsatz von Nurse Practitioner ist das DBfK, ÖGKV und SBK zu Advanced Practice Nursing in Deutschland (2013), Österreich und der Schweiz beinhaltet lokale Gesundheitsprogramm LIFE (Living Independently Merkmale, Qualifizierungsanforderungen und Kompetenzprofil For The Elderly) in Philadelphia, USA, mit 500 Patienten/ von Pflegeexperten/-innen APN. Es steht unter www.dbfk.de zum innen. In dem Gesundheitszentrum arbeiten traditionell Download zur Verfügung.
10 Erweiterung der pflegerischen Praxis und die Kombination der Kompetenzen wird vom Kontext und/oder den aus beidem, die zum Fortschritt in der Pflege führen, die Bedingungen des jeweiligen Landes gestaltet, drei Charakteristika von APN (Dorgerloh, 2012). in dem sie für die Ausübung ihrer Tätigkeit zu- gelassen sind. Nurse Practitioner verfügen über Spezialisierung: Nurse Practitioner spezialisieren sich eine Berufszulassung als Registered Nurse (RN) auf die Gesundheitsprobleme einer bestimmten Patienten/ und über Berufserfahrung sowie eine akade- innengruppe bzw. eines relevanten Fachgebietes, z.B. mische Qualifikation (in der Regel durch ein chronische Krankheiten aus den Bereichen Kardiologie, berufsbegleitendes Masterstudium). Onkologie, Pulmonologie, Endokrinologie, Psychiatrie oder Gerontopsychiatrie. Erweiterung der pflegerischen Praxis: Durch die 2.1 Merkmale einer erweiterten veränderten Bedürfnisse der Patienten/innen an die und vertieften Pflege gesundheitliche Versorgung entwickeln sich auch die Gesundheitsberufe weiter. Maßgeblich tragen dazu Für die Entwicklung einer erweiterten und vertieften technische und medizinische Neuerungen sowie Pflegepraxis als autonomes Arbeitsfeld der Pflege wurden verbesserte Rahmenbedingungen durch z.B. den verschiedene Ansätze und Konzepte entwickelt, in denen Aufbau von Versorgungsstrukturen (Casemanagement) Charakteristika, Kriterien, Kompetenzen und Merkmale bei. Die damit verbundene Ausweitung der beruflichen von APN beschrieben werden. So sind Spezialisierung, Kompetenzen und die Anpassung an die Bedürfnisse
11 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung der Patienten/innen zeigt sich in erweiterten Rollen- aktuelle wissenschaftliche Literatur einordnen und konzepten, die Aufgaben wie Bildungsstrategien und integrieren. Forschungsergebnisse werden systematisch Beratungsinitiativen umfassen und interdisziplinäres ausgewertet, was zu einem positiven Beitrag von APN auf Handeln fördern. Pflegefachpersonen stärken die Selbst- die Ergebnisse führt. kompetenz von Patienten/innen und ihrer Angehörigen. Schober und Affara (2008) benennen als Merkmale Die Kombination von Spezialisierung und Erwei- eines/r Pflegeexperten/in APN „Spezialwissen und terung führt zu einem Fortschritt, mit dem die Pflege Expertise, klinisches Urteilsvermögen, hoch qualifizierte, - auch in einem interdisziplinären Kontext - nachhaltig, selbst initiierte Pflege und Forschungsinteresse“. breitflächig und zukunftsorientiert verbessert werden kann. Um die Unterschiede zwischen den Aufgaben einer Dieses gilt sowohl für die Qualitätssicherung als auch die herkömmlichen Pflegefachperson im Vergleich zum/r Schober und Affara (2008) benennen als Merkmale einer Pflegeexpertin APN „Spezialwis- Übertragung evidenzbasierter Forschungsergebnisse in Pflegeexperten/in APN darzustellen, hat der ICN (2000) sen und Expertise, klinisches Urteilvermögen, hoch qualifizierte, selbst initiierte Pflege die klinische Praxis. Die Qualifikation dafür erfolgt über die Merkmale und Kennzeichen von Advanced Practice und Forschungsinteresse“. Immer wieder schwierig ist es, darzustellen, worin das Beson- die Spezialisierung auf Masterniveau. Eine akademische Nursing dere in der Tätigkeit einer Pflegeexpertin APN im benannt. Vergleich Dieherkömmlichen zu einer in der nachfolgenden Pfle- Abbildung Ausbildung der Pflegefachpersonen trägt dazu bei, aufgelisteten Merkmale sind als Ziele gefachperson besteht. Um die Verständigung untereinander und die weitere internationa- zu betrachten, an dass (empirische) Forschungsergebnisse Einzug in der denen sich die Rollenentwicklung le Entwicklung zu fördern, hat der ICN (2000) die Merkmale und Kennzeichen von Advan- orientieren soll; sie praktischen Pflege ced finden Nursing und der Theorie-Praxis-Transfer Practice entsprechen benannt. Die in der nachfolgenden nicht unbedingt Abbildung demMerkma- aufgelisteten aktuellen Stand in den verbessert wird.le Das sind Stichwort dazu als Ziele zu betrachten, an denen sich Ländern heißt Evidenzbased (Schober & Affara, die Rollenentwicklung 2008):soll; sie orientieren entsprechen nicht unbedingt Nursing. Pflegeexperten/innen APN dem aktuellen können die Stand in den Ländern (Schober et al., 2008): • gehobener Ausbildungsstandard, • formale Anerkennung der Ausbildungsprogramme, • ein formales Lizensierungs- Registrierungs- Zertifizierungs- oder Ausbildung Anerkennungsprogramm, • Forschung, Studium und klinisches Management werden verbunden, • Case Management, • Durchführung von Assessments, Beratung, Entscheidungsfindung, • anerkannte und ausgeprägte klinische Kompetenzen, Pflegepraxis • Anerkennung als erste Anlaufstelle im Gesundheitswesen, • das Recht, eine Diagnose zu stellen, Medikamente und Behandlung zu verordnen, Einweisungen und Überweisungen zu veranlassen, • Titelschutz, Regulierungs- • eine spezifische, die APN betreffende Gesetzgebung, mechanismen Abb. 1 Merkmale von Advanced Practice Nursing Abb.2: Merkmale von Advanced Nursing Practice Ann Hamric, eine emeritierte Professorin der Virginia Hamric identifizierte Kriterien und Kompetenzen Der Blick in das Ausland zeigt, dass die Grenze zwischen dem medizinischen und pflege- Commonwealthrischen University School of Nursing, Richmond, Tun keine statische Größe ist, sondern alssich Grundlage für die Verhältnisse durch wandelnde Umsetzung und für APN. Dabei Virginia, erkannte früh, dass die verschiedenen Formen unterscheidet sie Primär-, Zentral- Bedarfe verändert. Für die professionelle Pflege hat sich durch die Einführung von ANP und Kernkompetenzen einer erweiterten ein Pflegepraxis, hohes Maß an die seit Langem beruflicher in derentwickelt. Autonomie sowie Dieses Umfeldfaktoren. äußert sichDie Primärkompetenzen darin, dass Pfle- stellen US-amerikanischen Gesundheitsversorgung Einzug geexpertinnen APN in einigen Ländern über notwendige Voraussetzungen dar, sind aber nicht die Kompetenzen verfügen und das Recht zuerkannt gehalten hatten, einesbekommen haben, Konzeptes übergreifenden ausreichend. Die direkte Patienten/innenversorgung, das bedürfen – APN. Dieses Konzept sollte • Diagnosen zu stellen,nicht nur Angaben zentrale Kriterium, beschreibt den Handlungsrahmen. zur erforderlichen• Ausbildung Sachmittel und der Pflegeexperten/ Medikamente Die Umfeldbedingungen müssen so organisiert werden, zu verordnen, innen enthalten, sondern auch ihre vielfältigen Rollen • Therapien zu verordnen, dass eine erweiterte Pflegepraxis erfolgreich umgesetzt und Kompetenzen• beschreiben, Ein- bzw. Überweisungen die von einer ins klaren Krankenhaus, an die werden Hausarztpraxis kann. oder an weitere der Advanced Die Kernkompetenzen Gesundheitsberufe durchzuführen. und konsistenten Definition abgeleitet werden (Hamric, Practice Nurses und die darauf zugeschnittenen Hanson & Tracy, 2013). Aufgaben bei der pflegerischen Versorgung müssen Advanced Nursing Practice Seite 12 von 52
12 in Abgrenzung zu den Aufgaben anderer Pflege- • Leiten, Führen fachpersonen definiert werden. Denn laut Hamric sind o Analyse der gegenwärtigen Situation alle Pflegenden wertvoll, aber nicht alle gleich (Hamric, o gemeinsame Ziele für die Patienten/innen- Hanson & Tracy, 2013). versorgung abstimmen o Anpassen der Pflegedokumentation Primärkriterien: o Überarbeitung des pflegerischen Einarbei- • hochschulische Ausbildung tungskonzeptes • formale Zertifizierung o Ist-Stand Erhebung „Übergabe mit Patienten/ • Patienten/innen und familienzentrierte Praxis innen“ Zentralkompetenz: o Aufbau einer regelhaften und bedarfs- orientierten Kommunikation • direkte klinische Praxis/ direkte Patienten/innen- versorgung • Zusammenarbeiten Kernkompetenzen: o Abstimmung mit dem pflegerischen Leitungs- team und anderen Berufsgruppen (Ärzten/ • Anleiten und Coaching innen, Physiotherapeuten/innen) o Fortbildung für Pflegefachpersonen o Austausch mit der Industrie o Entwicklung von Fachkenntnissen o Befähigung der Pflegefachpersonen zur • Ethische Entscheidungsfindung bedarfsgerechten Information und Schulung Zentrale Umfeldfaktoren mit Einfluss auf APN: von Patienten/innen und Angehörigen • Unternehmerische Aspekte • Beraten • Gesundheitspolitik o patientennah: bedarfsgerechte Information, • Finanzierung und Kostenerstattung Schulung und Beratung von Patienten/innen und Angehörigen • Ergebnisevaluation und Leistungsverbesserungen o patientenfern: Beratung des Pflegemanage- • Marketing und Vertragsabschlüsse ments, der Organisation • Organisationsstruktur und -kultur • Evidenzbasierte Praxis • Regulierungs- und Zulassungsbedingungen
13 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung Abb. 2 Das Hamric-Modell einer Advanced Nursing Practice (Quelle: Schober, M. & Affara, F. (2008) Advanced Nursing Practice (ANP), Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern, S. 58, mit freundlicher Erlaubnis Der Blick ins Ausland zeigt, dass die Grenze zwischen • Ein- bzw. Überweisungen ins Krankenhaus, an die dem medizinischen und pflegerischen Tun keine statische Hausarztpraxis oder an weitere Gesundheitsberufe Größe ist, sondern sich durch wandelnde Verhältnisse durchzuführen (C. Maier et al., 2016). und Bedarfe verändert. Für die professionelle Pflege Die Bezeichnung „Advanced Practice Nursing“ (APN) hat sich durch die Einführung von APN ein hohes Maß oder „Advanced Practice Nurse“ (APN) werden an beruflicher Autonomie entwickelt. Dieses äußert sich tendenziell als Oberbegriffe verwendet, denen u.a. darin, dass Pflegeexperten/innen APN in Australien, spezifischere Begriffe, die mit erweiterten Praxisrollen Finnland, Großbritannien, Irland, Kanada, Niederlande, zu tun haben, zugeordnet werden. Daher sei an dieser Neuseeland und den USA über die Kompetenzen Stelle auf den verfügen und das Recht zuerkannt bekommen haben • Clinical Nurse Specialist (CNS), • Diagnosen zu stellen, • Higher Level Practitioner (HLP), • Sachmittel und Medikamente zu verordnen, • Nurse Consultant (NC), • diagnostische Tests anzuordnen, • Public Health Nurse (PHN) hingewiesen. • Untersuchungen durchzuführen, • Therapien zu verordnen, In der vorliegenden Broschüre bezieht sich der DBfK auf die Definition des ICN Seite 9.
14 2.2 Kompetenzen für Advanced Schober et al. (2008) ist entscheidend, eine „über die Aufgaben hinausgehende Perspektive zu entwickeln, Practice Nursing weil damit die Entwicklung von APN-Rollen gefördert wird, die pflegezentriert, aber auch erweiterter Natur Der Begriff „Kompetenz“ (lat.) bedeutet Zuständigkeit, sind“. Befugnis, Fähigkeit. In der Pädagogik hat sich der Kompetenzbegriff etwa seit den 1990er Jahren gegen- über dem Begriff der Qualifikation durchgesetzt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Rechte Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft und Kompetenzen von APN durch die jeweiligen Länder des Einzelnen, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie geregelt werden. Dadurch entsteht eine Heterogenität persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu in der Ausprägung von APN, die es unmöglich macht, nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial einzelne, national bewährte Modelle in andere Länder verantwortlich zu verhalten. Kompetenz wird in diesem zu übertragen. In vielen Staaten, darunter auch in Sinne als umfassende Handlungskompetenz verstanden Deutschland, wird die Diskussion um die Einführung (AK-DQR, 2011). einer erweiterten Pflegepraxis verstärkt geführt und ist keinesfalls abgeschlossen. Die Diskussion, welche Kompetenzen ein/e Pflege- experte/in APN benötigt, wird auch in Deutschland lebhaft geführt. So sind die Fragen, ob es einen Titel/ Exkurs: Pflegende mit Verordnungsbefugnis Bezeichnung für den/die Pflegeexperten/in APN gibt und für Medikamente wenn ja, ob er geschützt ist und welche Kompetenzen Es gibt mit Stand 2015 in 14 von 36 unter- ein/e Pflegeexperte/in APN benötigt, um ihrer/seiner suchten Ländern Regelungen, welche die bisher Rolle als vertieft und spezialisiert Pflegende/r gerecht zu Ärztinnen und Ärzten vorbehaltene Verord- werden, nicht abschließend und einheitlich geklärt. nungsbefugnis für Medikamente auf Pflegende ausweiten: Australien, Dänemark, Estland, Schober & Affara (2008) haben Kompetenzen identi- Finnland, Großbritannien, (England, Nord Irland, fiziert, die eine vertiefte und erweiterte Pflege charak- Schottland, Wales), Irland, Kanada, Neuseeland, terisieren. Übereinstimmend wird formuliert, dass Niederlande, Polen, Schweden, Spanien, USA, dazu insbesondere klinische Kenntnisse in einem Zypern. Diese Regelungen unterscheiden sich spezifischen pflegerischen Bereich gehören, komplexe in den verschiedenen Ländern. In einigen Situationen einschätzen und klinische Entscheidungen Ländern dürfen alle „Registered Nurses“, treffen können, eine gründliche, umfassende körperliche die dafür entsprechend qualifiziert sind, Diagnostik durchführen können, eine Diagnose stellen Medikamente verschreiben und in anderen und einen Behandlungsplan aufstellen können (Schober nur Nurse Practitioner. Weitere Unterschiede & Affara, 2008) und über die Fähigkeit verfügen, andere beziehen sich auf die Anzahl der Medikamente, zu befähigen und zu führen (Leadership). die verschrieben werden dürfen und die Verschreibungsart. Eine nahezu unbegrenzte Die Canadian Nurses Association (CNA, 2002) benennt Verschreibungsbefugnis haben Nurse als Kernkompetenzen einer Advanced Practice Nurse Practitioner in Australien, Großbritannien klinische Pflegeerfahrung, Forschung, Führungsauf- (England, Nord Irland, Schottland, Wales), gaben/Leadership, interdisziplinäre Zusammenarbeit Irland, den Niederlanden, Neuseeland und den und Aktivitäten zur Weiterentwicklung des Gesund- USA (C. Maier et al., 2016). heitswesens (nach Schober et al. 2008). Zahlreiche Studien belegen, dass das Hinzu kommen Fähigkeiten, komplexe Problemlagen Verschreiben von Medikamenten durch ethisch begründet zu entscheiden und eine evidenz- Pflegende, die entsprechend qualifiziert sind, basierte Pflegepraxis einzuführen, zu erproben, zu machbar und sicher ist. Diese Studien zeigen evaluieren und zu leiten (Schober et al., 2008). Eng auch, dass sich die Verschreibungspraxis verknüpft mit der Diskussion um die Kompetenzen ist Pflegender nicht signifikant von der ärztlichen die Debatte um künftige Handlungsfelder (wo soll eine unterscheidet und dass die Outcomes gleich Advanced Practice Nurse tätig werden?), den Aufgaben- oder besser sind. Auch wurde ein positiver Effekt zuschnitt (welche Aufgaben soll sie übernehmen?) und auf die Profession Pflege festgestellt: Pflegende die Rollenklärung (in welcher Rolle tritt sie auf?). Laut
15 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung mit der Befugnis Medikamente zu verschreiben in dem Bereich eingesetzt werden, in dem er/sie sind zufriedener, weil sie den Patienten/innen zukünftig Medikamente verschreiben will. Die eine umfassende Versorgung bereitstellen Weiterbildung (V300) umfasst 26 Tage Theorie können (C. Maier et al., 2016). und 12 Tage Praxis, die sich über sechs Monate Beispiel Großbritannien erstrecken können (Dowden, 2016). Bereits 1986 wurde im sog. Cumberlege „Supplementery Prescriber (SP)“ sind Report vorgeschlagen, die bisher für Ärztinnen „Registered Nurses“ mit Zusatzqualifikation, und Ärzte vorbehaltene Verordnungsbefugnis die erweiterte Befugnisse haben wie z.B. den für Medikamente auf Pflegende und “Health vollen Zugang zu den Patienten/innendaten Visitors” auszuweiten. In diesem Bericht wurde und die Verordnungsbefugnis für gelistete argumentiert, dass eine solche Ausweitung den Zugang der Patienten/innen zur Behandlung Medikamente. Sie arbeiten eng mit Ärzten erleichtern, die Versorgung verbessern und die zusammen und übernehmen - vor allem, aber Ressourcen der Pflegenden besser nutzbar nicht nur bei chronischen Krankheiten - das machen könnte (Cope, Abuzour & Tully, 2016). komplette Medikamentenregime. „Community Practitioner Nurse Prescriber“ absolvieren ebenfalls eine Weiterbildung und können In den folgenden Jahren wurden zahlreiche unabhängig Medikamente einer begrenzten Liste Regelungen zur Verordnungsbefugnis der verschreiben. Independent Nurse Prescriber Pflegenden erlassen und wieder reformiert. Sie und Supplementery Prescriber haben den bezogen sich auf die erforderliche Qualifikation Zugang der Patienten/innen zu Medikamenten der Pflegenden, die spezifische Weiterbildung, verbessert, eine sichere und patientenorientierte die Liste der verordnungsfähigen Medikamente Versorgung gestärkt und Ärzte/innen entlastet. und die Diagnosen der Patienten/innen, auf die Diese Erkenntnisse haben die anfänglichen sich die Verordnungen beziehen (Cope et al., Vorbehalte von einigen Ärztinnen und Ärzten 2016). Inzwischen gibt es in Großbritannien sog. bei Einführung der Verordnungsbefugnis für „Independent Prescriber (IP)”, “Supplementary Pflegende ausgeräumt (Cope et al., 2016). Wie Prescriber (SP)” und “Community Practitioner ein Cochrane Review anhand von 45 Studien Nurse Prescriber”. zeigt, hat das Verschreiben von Medikamenten durch Pflegende zu den gleichen Outcomes bei Independent Prescriber sind „Practitioner“ aus Patienten/innen geführt wie bei der Verschreibung unterschiedlichen Berufsgruppen (Ärztinnen und durch Ärzte/innen. Diese Ergebnisse zeigten Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Pflegende, sich an niedrigeren Werten der untersuchten Pharmazeuten/innen). Sie sind für die Behand- Patienten/innen beim Blutdruck, Cholesterin lung der Patienten/innen verantwortlich. Sie und Blutzucker. Bei der regelmäßigen stellen die Diagnose der Patienten/innen und Medikamenteneinnahme, Patientenzufriedenheit erstellen einen „Clinical Management Plan“ und gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Cope et al., 2016). Seit 2006 dürfen Independent gab es keine Unterschiede. Ob der Einsatz Nurse Prescriber nahezu alle Medikamente von Independent Prescriber Ressourcen und des British National Formulary (BNF)2 für Zeit einspart und unerwünschte Effekte bei Erkrankungen von Patienten/innen verschreiben, Patienten/innen reduziert, konnte aufgrund der für deren Behandlung sie qualifiziert sind und Datenlage nicht eindeutig geklärt werden (Weeks entsprechende Kompetenzen erworben haben et al., 2016). Einem Bericht des National Health (Cope et al., 2016). 2010 wurde dafür der „Guide Service (NHS) zufolge werden die Einsparungen to non-medical Prescribing for Commissioners“ durch Nurse Prescriber auf 777 Millionen Pfund erstellt (Weeks, George, Maclure, & Stewart, pro Jahr geschätzt (Cope et al., 2016). 2016). Voraussetzung für die Qualifizierung als Independent Nurse Prescriber ist eine mehr- jährige Berufserfahrung und die Bescheinigung des Arbeitgebers, dass der/die Pflegende die dafür benötigte Befähigung besitzt. Zudem muss er/sie in dem Jahr vor Beginn der Weiterbildung 2 Selected List Scheme Part XVIIIB Drug Tariff
16 2.3 Ökonomische Aspekte von Vergütung häufig mit dem Grad an Unabhängigkeit bei den auszuführenden Aufgaben zusammen. In Advanced Practice Nursing Australien beispielsweise erhalten Nurse Practitioner, die Einzelleistungen unabhängig von Ärzten/innen Angesichts eines internationalen Anstiegs der Kosten durchführen und abrechnen, eine geringere Vergütung für die Gesundheitsversorgung wurde anhand verschie- als Ärzte/innen. In den USA können Nurse Practitioner, dener Studien untersucht, ob die Etablierung von APN die zusammen mit Ärzten/innen in Gemeinschaftspraxen zur Kostenreduktion bei der Versorgung von Patienten/ arbeiten, im Namen der Ärzte/innen abrechnen wenn sie innen führt. Die Ergebnisse zeigen ein uneinheitliches bestimmte Kriterien erfüllen und erhalten dann dieselbe Bild: Es gibt Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass Vergütung. Wenn sie in eigenen Praxen arbeiten ist die Versorgung durch Nurse Practitioner kostengünstiger dies nicht möglich und ihre Vergütung ist geringer. Dies ist. Andere Studien zeigen, dass die Kosten gleich behindert die selbständige Berufsausübung von Nurse oder höher sind. Als Gründe für höhere Kosten wird Practitioner. In Kanada sind Nurse Practitioner und angegeben, dass Nurse Practitioner die Patienten/innen Pflegeexperten/innen APN bei Gesundheitsbehörden länger und häufiger sehen als Ärzte/innen, was mit einer oder Organisationen der Gesundheitsversorgung geringeren Leistungsfähigkeit der Nurse Practitioner in angestellt (z.B. “Family Practice”, Community Health Verbindung gebracht wird (C. Maier et al., 2016). Centre, Hospital oder Nursing Home) und beziehen ein Gehalt. Das Gehalt hängt davon ab, inwieweit die Ein Review über elf Studien aus den USA, Großbritannien benötigten Mittel beschafft werden bzw. bestehende und den Niederlanden, die unterschiedliche ambulante Budgets für Gesundheit neu verteilt werden können. Settings untersuchten, kam zu dem Ergebnis, dass Auch diese Vergütungspraxis behindert die Ausbreitung Nurse Practitioner gleiche oder bessere Outcomes von Nurse Practitioner (C. Maier et al., 2016). erzielen als Ärzte/innen und potenziell kostensparend sind. Allerdings ist die Evidenz für die Kosteneffektivität Finanzielle Anreize führen in besonderem Maße zur begrenzt. Die Autoren schlussfolgern, dass weitere Etablierung von Nurse Practitioner: Im Rahmen einer Studien folgen müssen, um die Kosteneffektivität Reform in Estland 2009 wurde geregelt, dass Ärzte/ genauer zu untersuchen (Schaeffer, 2017). innen mindestens eine “Family Nurse” in ihrer Praxis beschäftigen müssen. Andernfalls müssen sie finanzielle Studien aus den Niederlanden, Großbritannien und Einbußen hinnehmen. Als Ergebnis beschäftigten 99 den USA bestätigen diese Ergebnisse und zeigen, Prozent der Ärzte/innen Family Nurses (C. Maier et al., dass Nurse Practitioner Patienten/innen mit derselben 2016). oder besseren Qualität versorgen wie Ärzte/innen und dass Patienten/innen mit der Versorgung durch Wenngleich noch erheblicher Forschungsbedarf be- Nurse Practitioner tendenziell zufriedener sind als steht, so lässt sich durch APN ein Potenzial erkennen, bei Ärzten/innen. Die größere Zufriedenheit lässt das auch in Deutschland vor dem Hintergrund von sich darauf zurückführen, dass Nurse Practitioner steigenden Anforderungen an Effektivität und Qualität die Patienten/innen umfänglicher informieren, besser in der Gesundheitsversorgung dringend erschlossen beraten und eine holistische Herangehensweise bei der werden sollte. Versorgung haben. Die Rate der (Wieder-)Aufnahme ins Krankenhaus ist bei der Versorgung durch Nurse Practitioner geringer als bei Ärzten/innen und trägt damit zur Kostenreduktion bei (C. Maier et al., 2016). 2.4 Fördernde und hindernde Bei der Beurteilung der ökonomischen Aspekte spielt die Faktoren bei der Umsetzung von Vergütung der Nurse Practitioner eine entscheidende Advanced Practice Nursing im Rolle. Sie ist häufig geringer als die der Ärzte/innen. internationalen Raum Dies führt einerseits zu geringeren Kosten bei der Versorgung, behindert aber andererseits Entwicklung APN stellt eine Karrieremöglichkeit in der Pflege dar, die und Etablierung von Nurse Practitioner (C. Maier et al., in den USA zu einer enormen Attraktivitätssteigerung des 2016). Berufs geführt hat. In den letzten Jahren haben sich die Bewerber/innen an „Nursing Schools“ verdoppelt und Bei der Vergütung von Nurse Practitioner gibt es müssen inzwischen sogar abgewiesen werden (C. Maier große Unterschiede. Zudem hängt die Höhe der & Aiken, 2016).
17 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung Zudem werden im amerikanischen Gesundheitssystem es sich um Australien, Irland, Kanada, Niederlande, zunehmend Nurse Practitioner in den Teams benötigt, Neuseeland und die USA. Gesetzlich geregelt ist auch, um den bisher nicht genügend befriedigten Bedarf dass Nurse Practitioner Medikamente verschreiben der Patienten/innen zu begegnen, den Vorrang dürfen. Das trifft auch auf Großbritannien zu (C. Maier et der ambulanten zur stationären Versorgungsform al., 2016). hervorzuheben und unnötige Wiedereinweisungen bei älteren und chronisch kranken Menschen zu vermeiden. Fördernde bzw. hindernde Impulse bei der Etablierung Daher geht es insbesondere darum den Zugang zu APN von Nurse Practitioner sind zudem die fehlende zu erleichtern, beispielsweise für Medicaid-Bezieher/ Einsicht bei Personalmanager/innen, dass hoch innen und vulnerable Gruppen (C. Maier & Aiken, 2016). spezialisierte Pflegefachpersonen gebraucht werden, eine klare Rollendefinition und eine gelingende interne In verschiedenen Studien wurden Hindernisse identifiziert, Kommunikation, insbesondere zwischen Nurse welche die Verbreitung von APN im internationalen Practitioner, Ärzten/innen und Managern/innen. Dabei Kontext behindern. Die Ergebnisse zeigen, dass diese geht es auch darum, andere Berufsgruppen über die Hindernisse vornehmlich auf fehlende Regelungen durch Rolle der Nurse Practitioner zu informieren und sie in das die Politik zurück zu führen sind. Dazu gehören der Team zu integrieren (C. Maier et al., 2016). fehlende Titelschutz für Pflegeexperten/innen APN, die fehlende Klarheit bei der Rollendefinition, wodurch die Auch der Ort der Praxisausübung beeinflusst die Ent- Umsetzung in der Praxis erschwert wird (Bryant-Lukosius wicklung von APN: In Kanada können Nurse Practitioner et al., 2015), die ungenügende Vergütung, uneinheitliche in ländlichen Gebieten ihre Kompetenzen entsprechend Bildungswege, restriktive Regelungen und Widerstände ihrer Qualifikation vollständig zum Einsatz bringen. In den bei einigen Akteuren (C. Maier & Aiken, 2016). USA sind Nurse Practitioner eher als Ärzte/innen bereit in ländlichen und entlegenen Gebieten zu arbeiten, sich um In Ländern, in denen Nurse Practitioner etabliert sind, ist vulnerable und benachteiligte Menschen zu kümmern und die Berufsausübung gesetzlich geregelt und es gibt eine können ihre Kompetenzen in diesem Bereich umfänglich verpflichtende Registrierung. Bei diesen Ländern handelt umsetzen (C. Maier et al., 2016).
18 3. Die Etablierung von Advanced Practice Nursing in Deutschland Nachdem im internationalen Kontext die Thematik durch einen erhöhten Zuzug von Menschen in die einer angemessenen Gesundheitsversorgung bereits Städte und dem Bevölkerungsrückgang in ländlichen seit Langem diskutiert und konsequent verfolgt wird Gebieten. Seinen Empfehlungen entsprechend ist (Erklärung von Alma-Ata (WHO 1978), Ottawa Charta ein niedrigschwelliger Zugang zu den Leistungen (WHO 1986), Strategie „Gesundheit 21“ der WHO des Gesundheitswesens entscheidend für die von 1999, Millenium Development Goals (MDGs) Inanspruchnahme und Bedarfsgerechtigkeit eines aus dem Jahr 2000 und der 2015 von den Vereinten Systems. Das ist besonders für vulnerable Gruppen Nationen verabschiedeten Sustainable Development (dazu gehören auch ältere Menschen) und für Goals” (SDGs)) gibt es in Deutschland Empfehlungen, Bevölkerungsgruppen in strukturschwachen (ländlichen) insbesondere vom Sachverständigenrat zur Regionen bedeutsam. Die Primärversorgung muss Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen auf dem Land, aber auch in städtisch geprägten (SVR), die Einführung von APN nach internationalem benachteiligten Gebieten effizient und bedarfsgerecht Vorbild voranzutreiben. gesichert werden. Gute Erreichbarkeit, integrierte Versorgungsangebote und ein breites Versorgungs- Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der spektrum bei hoher Qualität sind zentrale Ziele. Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) empfiehlt in Dadurch wird ein Verbleib in der Häuslichkeit auch dem Gutachten von 2007 „eine Tätigkeitsübertragung bei beginnendem Pflege- und Unterstützungsbedarf von Aufgaben insbesondere auf die Pflege und eine ermöglicht. Zudem bedarf es bei der Versorgung der größere Handlungsautonomie (…)“ Diese sei nicht „zu Menschen eines Kontinuums über alle Altersklassen umgehen, wenn die Versorgung aufrechterhalten und hinweg, vom Säugling bis hin zum alten Menschen, das verbessert werden soll. Die Übertragung internationaler, durch eine „Personal Nurse“ gewährleistet werden kann teilweise sehr weitreichender Modelle wie APN (z.B. (Gerlach et al., 2014). Nurse Practitioner, NP) ist zu prüfen“ (Fischer et al., 2007). 3.1 Weiterentwicklung Im Gutachten von 2009 verweisen die Sachverständigen pflegerischer Handlungsfelder auf die bislang brachliegenden präventiven Kompetenzen der Gesundheitsprofessionen, insbesondere der Pflege, In den vergangenen Jahren wurden einige Impulse und empfehlen „die Prävention von Pflegebedürftigkeit aufgegriffen und pflegerische Handlungsfelder weiter zu einem herausgehobenen Gesundheitsziel der entwickelt. Dabei ist die voranschreitende, nunmehr altersgewandten Gesellschaft zu erklären“. Darüber gesetzlich geregelte Akademisierung der Pflege von hinaus empfehlen sie eine „qualitative Weiterentwicklung entscheidender Bedeutung. Inzwischen gibt es ein und Ausdifferenzierung in der ambulanten Pflege, die breites Studienangebot mit etwa 37 grundständigen das gesamte Spektrum an Pflegestrategien von der pflegeausbildenden Studiengängen und etwa 110 Gesundheitsförderung bis zur palliativen Betreuung bis 120 pflegebezogenen Studiengängen3. Diese umfasst. Die Einbindung der Pflege in die integrierte Entwicklung macht sich in der Pflegepraxis allmählich Versorgung gemäß § 92b SGB XI ermöglicht eine bemerkbar: Auch wenn der Anteil von akademisch Verbesserung der Versorgung an der Schnittstelle qualifizierten Pflegefachpersonen insgesamt noch zwischen ambulantem und stationärem Bereich, (…)“ unter einem Prozent liegt (Destatis, 2017; OECD, (Gerlach et al., 2009). 2017; Tannen, Feuchtinger, Strohbücker, & Kocks, 2015), so übernehmen sie doch zunehmend in den In seinem Gutachten aus 2014 nimmt der Sachver- 3 Diese Angaben entsprechen einer Schätzung von Experten/innen ständigenrat Bezug auf die Unter- und Überversorgung des Deutschen Bildungsrats für Pflegeberufe (DBR) aus 07/2017
19 Advanced Practice Nursing - Pflegerische Expertise für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung Versorgungsbereichen neue Aufgaben, etwa auf Ein spezielles Einsatzgebiet auf Intensivstationen ist Stabsstellen zur Qualitätsentwicklung. beispielsweise die Delirprävention. Pflegeexperten/ innen APN unterstützen die Kollegen/innen bei der Es wurde auch ein Masterstudiengang für Advanced Planung und Durchführung der Frühmobilisation mit Practice Nursing eingerichtet wie z.B. an der Ernst- Maßnahmen, deren Wirksamkeit für die Delirprävention Abbe-Hochschule Jena oder in Österreich an der nachgewiesen wurden oder begleiten die Therapie Paracelsus Medizinische Privatuniversität und der bei vorliegendem Delir im interdisziplinären Team Hochschule Krems. Advanced Practice Nursing ist (Keienburg, 2017). in einigen Krankenhäusern bereits etabliert wie etwa im Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf Auf Normalstationen bringen Pflegeexperten/innen oder an den Universitätskliniken Freiburg und Bonn. APN ihre spezielle Expertise in Aufgabenfeldern wie Pflegeexperten/innen APN arbeiten auf Intensiv- Ernährung und Stoffwechsel, neurologische Fachpflege, stationen, in der Anästhesie, Schmerztherapie, Gynäko- Diabetesberatung, pneumologische Pflege (Weskamm, logie und Geburtshilfe, Inneren Medizin, Kinderheilkunde 2017), Hüftfrakturen, Kontinenzförderung und Demenz und Psychiatrie und werden für erweiterte pflegerische (Welsch, 2017) ein. Interventionen eingesetzt. Weitere Aufgaben sind die innerbetriebliche Fortbildung Auf Intensivstationen nehmen Pflegefachpersonen “in auf wissenschaftlicher Grundlage, Mitarbeit im klinischen erheblichem Maße steuernde, klinisch einschätzende Ethikkomitee, Praxisbegleitung, Durchführung von und auch therapieführende Aufgaben wahr” (Isfort, Fallbesprechungen, Krankenhausrisikomanagement, Weidner, & Gehlen, 2012, S.9). Das zeigen die Ergeb- Erstellung von evidenzbasierten Standards, Durch- nisse einer Studie des Deutschen Instituts für ange- führung von Pflegeforschung oder die Konzept- wandte Pflegeforschung (dip) aus 2010. Sie führen zahl- entwicklung für fachliche Beratung (Lücke, 2017). reiche Aufgaben eigenverantwortlich durch, die zu den delegierbaren Tätigkeiten gehören, die immer noch dem ärztlichen Dienst zugeordnet sind. Die Pflegefach- personen wissen um die sich daraus ergebende Ver- Beispiele für den Einsatz von Pflegeexperten/ antwortung. Im Rahmen der Studie sollten Pflege- innen APN in Deutschland: fachpersonen auf einer Skala von 1 bis 10 angeben, wie Am Florence-Nightingale-Krankenhaus (FNK) hoch sie den Grad der Eigenständigkeit einschätzen, mit in Düsseldorf wurde eine Pflegeexpertin APN dem sie die Aufgaben erfüllen. Dabei gaben 24,3% einen eingesetzt, um das Medikamentenmanagement unteren bis mittleren Wert (5) an und 31,2% den Wert zu optimieren. Ziel dabei war es sicherzustellen, 8. In der Studie wurde auch erfragt, welche Aufgaben dass die Patienten/innen die Medikamente der die Pflegefachpersonen eigenverantwortlich und ohne Verordnung bzw. den Einnahmevorschriften vorherige Rücksprache mit einem Arzt/einer Ärztin entsprechend einnehmen. Dazu erarbeitete einleiten und durchführen. Die Ergebnisse machen deut- sie zusammen mit dem pflegerischen Team lich, dass in der klinischen Realität bereits eine Vielzahl an ein Konzept für eine bestimmte Station, medizinischen und medizinisch relevanten pflegerischen durch das die medikamentöse Versorgung Aufgaben eigenständig von Pflegefachpersonen durch- der Patienten/innen während des stationären geführt wird (Isfort et al., 2012). Aufenthaltes sichergestellt werden kann. Dazu setzte die Pflegeexpertin APN auch Intensivpflegende benötigen eine Spezialausbildung, in gezielt Patienten/innenschulungen (edukative der sie Fachwissen, Fertigkeiten und Verhaltensweisen Maßnahmen) ein und stand den Kollegen/ erwerben, die es ihnen ermöglichen mit der steigenden innen als Ansprechpartnerin bei Fragen und Komplexität und dem ganzheitlichen Anspruch der Problemen zur Verfügung. Stellte sich heraus, Versorgung von Patienten/innen gerecht zu werden. dass Patienten/innen die Medikamente nicht Auf Intensivstationen übernehmen Pflegefachpersonen regelmäßig einnehmen, galt es herauszufinden längst Aufgaben, die dem Niveau von APN entsprechen. woran es lag. Dazu analysierte die Pflegeexpertin Dies lässt sich beispielsweise am Weaning-Prozess APN die Situation und befragte die Patienten/ multimorbider Intensivpatienten/innen festmachen. innen nach den Gründen. Die Erfahrung zeigte, Allerdings führt die fehlende Anerkennung ihrer Berufs- dass den Patienten/innen oftmals wichtige und Handlungskompetenz oft zu Unzufriedenheit Informationen fehlten, die ihnen die Bedeutung (Keienburg, 2017).
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