DER LANGE WEG ZUR TEILHABE - Anlaufstelle für europäische Roma - Konfliktintervention gegen Antiziganismus - Amaro Foro eV
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DER LANGE WEG ZUR TEILHABE Anlaufstelle für europäische Roma – Konfliktintervention gegen Antiziganismus Gefördert von der
INHALT Über das Projekt 04 Einführung 06 Situation in Deutschland, insbesondere in Berlin 08 Anliegen in der Anlaufstelle 10 Aufsuchende Arbeit 10 Beratung und Begleitung 12 Statistik aus der Beratungsarbeit 16 Fazit & Ausblick 18 Fallbeispiele 20 Pressemitteilungen 23 Beratungsangebote in Berlin 28
ÜBER UNS Amaro Foro e. V. (»Unsere Stadt«) ist die Berliner Gliederung von Amaro Drom e. V. und ein Verein von jungen Rom*nja und Nicht-Rom*nja mit dem Ziel, jungen Menschen durch Empowerment, Mobilisierung, Selbstorganisation und Parti- zipation Raum zu schaffen. Der Verein unterstützt eine Jugend- gruppe und betreut ein Kinderprogramm, fördert Bildung und 3 Weiterbildung von jungen Rom*nja, engagiert sich in Kultur- und Community-Building-Projekten sowie an Berliner Schu- len und beteiligte sich von 2010 bis 2012 unter Trägerschaft des Bundesverbandes Amaro Drom e. V. an der Berliner »Mo- bile Beratungsstelle für europäische Wanderarbeiter/-innen und Roma – Konfliktintervention gegen Antiziganismus«. Seit 2013 ist das Projekt als »Anlaufstelle für europäische Roma – Konfliktintervention gegen Antiziganismus« in der Träger- schaft von Amaro Foro e. V. Seit 2014 dokumentiert der Verein systematisch antiziganistisch motivierte Vorfälle in Berlin und unterstützt Betroffene von Diskriminierung. Amaro Foro e. V. ist Mitglied im Jugendbund djo – Deutscher Regenbogen Landesverband Berlin e. V., der als anerkannter Träger der Jugendhilfe und als professionelle Organisation im Bereich »Hilfen zur Erziehung« weitere Unterstützung und die Qualitätssicherung gewährleistet, außerdem im Migrationsrat Berlin-Brandenburg sowie in diversen Fachrunden und Gremien.
ÜBER DAS PROJEKT Obwohl die Statistik einen Zuwachs an abgewanderten Das Projekt ist eine Antwort auf den prekären sozio- bulgarischen und rumänischen Staatsbürger*innen ökonomischen Status eines Teils der rumänischen verzeichnet,1 bleiben diese immer noch eine der und bulgarischen Staatsbürger*innen in Berlin und größten Zuwanderungsgruppen in Deutschland und damit verbundene Schwierigkeiten in verschiedenen in der medialen und der politischen Debatte domi- Lebensbereichen. Im Lauf der Jahre hat sich das Pro- niert das »Problem« der EU-Zuwanderung. Die Aus- jekt zu einem festen und vielerorts geschätzten Be- wirkungen dieser Debatten sind im Alltag der Men- standteil der Beratungslandschaft in Berlin entwi- schen aus beiden Ländern deutlich zu sehen. Nach ckelt. Die Arbeit der Anlaufstelle wird seit 2016 zu- wie vor besteht ein besonderer Unterstützungsbedarf sätzlich aus Mitteln des Europäischen Hilfsfonds für für viele Menschen aus diesem Personenkreis. die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) Viele Familien aus den beiden Ländern gehören durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozia- zur Minderheit der Rom*nja und wollen am Leben les (BMAS) gefördert. in Berlin teilhaben. Aufgrund der multiplen Stigma- tisierung und daraus resultierenden erschwerten Zu- Das Projekt fördert die gesellschaftliche Teilhabe und gängen zu den gesellschaftlichen Regelstrukturen sind setzt sich für die Prävention von Ausgrenzung und die primäre Zielgruppe der »Anlaufstelle für europä- für Chancengerechtigkeit ein. Durch die Förderung 4 ische Roma« (im Folgenden »Anlaufstelle« genannt) einer wenig beachteten und benachteiligten Gruppe, Rom*nja, wobei auch zahlreiche Nicht-Rom*nja aus die Rom*nja leider immer noch darstellen, soll kei- den beiden Ländern die Angebote nutzten. Dabei ori- ne erneute Segregation und Spezialbehandlung ent- entiert sich die Anlaufstelle am Bedarf der Menschen stehen, vielmehr soll das Projekt eine Brückenfunk- und fungiert als Brücke zwischen bereits bestehen- tion zu den Regelangeboten einnehmen. Durch Auf- den Angeboten und den Selbsthilfepotenzialen der suchende Arbeit, niedrigschwellige Beratung und Zielgruppe. Die Angebote des Projektes sind die Be- Begleitungen mit Sprachmittlung zielt das Projekt ratung, insbesondere zu Anliegen rund um Wohnen, langfristig auf die Erschließung individueller Res- Arbeit, Bildung, Gesundheit und finanzielle Situation, sourcen der Menschen, die es bisher von selbst nicht Begleitungen mit Sprachmittlung und Intervention geschafft haben, in die Regelstrukturen zu finden. im öffentlichen Raum in den Bezirken Pankow, Trep- Die niedrigschwellige Beratung ermöglicht es Men- tow-Köpenick, Tempelhof-Schöneberg, Steglitz-Zeh- schen, über ihre Rechte als EU-Bürger*innen auf- lendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinickendorf geklärt zu werden und selbstbewusst von ihnen Ge- und Spandau. brauch zu machen. Die Selbsthilfepotenziale werden in der Beratung ausgearbeitet und es werden Strategi- Die Aufteilung in Bezirke regelt die Zuständigkeit bei en entwickelt, diese gezielt zu stärken und zu nutzen. Interventionen an Brennpunkten und in schwierigen Situationen und legt konkrete Ansprechpartner*innen Aus den Bedarfen und Erfahrungen ergaben sich im für die Bezirke und Bürger*innen fest. Die Anlauf- Rahmen des Projektes drei Handlungsfelder. stelle hält sich bei der Aufsuchenden Arbeit an die Durch Aufsuchende Arbeit werden Menschen aus Aufteilung, die aber nicht für die offenen Beratungs- der Zielgruppe erreicht, die bisher nicht oder nicht aus- stunden gilt und bei Menschen ohne einwohneramt- reichend über Unterstützungsangebote informiert sind. liche Anmeldung nicht möglich ist. Dadurch beglei- Das Projekt übernimmt bei Konflikten im Stadtraum ten Projektmitarbeiter*innen berlinweit. die Vermittlungsrolle zwischen Betroffenen und zu- ständigem Bezirk, aber auch Nachbar*innen bei Bedarf. 1 BAMF: Freizügigkeitsmonitoring: Migration von EU-Bürgern nach Deutschland, Bericht für das erste Halbjahr 2017: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/ Broschueren/freizuegigkeitsmonitoring-halbjahresbericht-2017.pdf?__blob=publicationFile
Die Anliegen, mit denen Menschen die Beratung am Standort aufsuchen, sind sehr individuell und oftmals komplex. Es gibt jedoch Tendenzen und Häufungen in Beratungsanliegen und Problemkonstellationen, an denen sich strukturelle Probleme erkennen las- sen. Es wird Beratung in den Sprachen Bulgarisch, Romanes und Rumänisch angeboten, aber bei Bedarf können auch Sprachmittler*innen für Bosnisch, Eng- lisch, Kroatisch, Mazedonisch, Russisch und Serbisch akquiriert werden. Da viele Klient*innen einen eingeschränkten Zu- gang zu sozialen Diensten haben, gilt es diesen zu ver- bessern und mögliche Hemmschwellen abzubauen. Dazu gehört, dass den Menschen Begleitungen mit Sprachmittlung zu Behörden, Gesundheits- und Bil- dungseinrichtungen, Strukturen der regulären Hilfe- systeme und anderen Institutionen angeboten werden. 5
EINFÜHRUNG Seit dem 1.1.2014 gilt die volle EU-Arbeitnehmerfrei- Land der EU.4 Das Bruttoinlandsprodukt Rumäniens zügigkeit für Staatsbürger*innen aus Rumänien und beträgt für 2017 rund 187,49 Mrd. Euro und damit ca. Bulgarien. Dadurch »entfachte erneut eine seit Jah- 5,7 Prozent des deutschen BIP. ren kontrovers geführte Diskussion um eine angeblich unverhältnismäßige Inanspruchnahme der Neuzuge- Die Arbeitslosigkeit in den Herkunftsländern stellt al- wanderten von Sozialleistungen« und um die soge- lerdings nur einen von unterschiedlichsten Migrati- nannte »Armutsmigration«.2 onsgründen dar. Ein weiterer Auswanderungsgrund Der Begriff der »Armutsmigration« (gelegentlich für viele junge Menschen sind Studium und Ausbil- auch als »Roma-Migration« zu finden) im Zusammen- dung. Dem Auswärtigen Amt zufolge stellen allein hang mit der Einwanderung aus Rumänien und Bulga- Bulgar*innen »(...) mit rund 7.000 Studierenden tra- rien kennzeichnet nicht nur die mediale Berichterstat- ditionell eine der größten Gruppen ausländischer Stu- tung seit dem EU-Beitritt beider Länder, sondern be- dierender an deutschen Universitäten und Hochschu- stimmt auch Politik sowohl auf kommunaler wie auf leinrichtungen«. Dieser wissenschaftliche Austausch Landes- und Bundesebene. In dieser Debatte werden wird durch Deutschland stark gefördert. die Hintergründe der Migration meist nur oberfläch- Bildungsinstitutionen wie der Deutsche Akade- lich analysiert; stattdessen kommt es häufig zu einer Re- mische Austauschdienst (DAAD), die Deutsche For- 6 produktion von Stereotypen und Vorurteilen. De facto schungsgemeinschaft (DFG) und die Alexander-von- pflegt allerdings die Bundesrepublik Deutschland tradi- Humboldt-Stiftung unterstützen nicht nur den Aufbau tionell gute und enge finanzielle, politische und kultu- deutschsprachiger Studiengänge, sondern fördern jun- relle Beziehungen zu Bulgarien und Rumänien. ge bulgarische Studierende und Wissenschaftler*innen Ökonomische Aspekte tragen zweifellos zu der Zuwan- auch durch Stipendien.5 derung von Menschen bei. Offiziell gilt Bulgarien als »In Bulgarien gibt es zudem derzeit fünf deutsch- ärmstes EU-Land. Laut Eurostat-Angaben von 2016 sprachige Studiengänge, die personell und finanziell hat Bulgarien mit 4,49 Euro die niedrigsten Lohn-und von Deutschland gefördert werden. Eine beachtliche Lohnnebenkosten pro Stunde in der EU. Zudem weist Zahl bulgarischer Wissenschaftler und Studenten ist an Bulgarien das niedrigste BIP pro Kopf (7.099 Euro; EU: Einrichtungen in Deutschland tätig.«6 Neben Arbeits- 32.700 Euro, BIP-Wachstum 2017 lag bei 3,8 Prozent) suchenden, Studierenden und Wissenschaftler*innen sowie eine der höchsten Armutsquoten (21,8 Prozent) migrieren auch viele bulgarische und rumänische innerhalb der EU auf.3 Das Bruttoinlandsprodukt Bul- Künstler*innen und Kulturschaffende. gariens beträgt für 2017 rund 50,31 Mrd. Euro und da- Ähnlich wie in Bulgarien werden in Rumänien mit ca. 1,5 Prozent des deutschen BIP. der wissenschaftliche Austausch und die Förderung Laut dem Auswärtigen Amt liegt in Rumänien die der deutschen Sprache im Schulwesen stark durch offizielle Arbeitslosenquote bei 3,94 Prozent (Februar Deutschland unterstützt. So wird die deutsche Sprache 2018). Der Brutto-Mindestlohn hat sich seit 2016 von bereits in ca. 150 Kindergärten und 80 Schulen ver- 225 Euro auf ca. 410 Euro Anfang 2018 fast verdop- mittelt und an rumänischen Universitäten werden 45 pelt. Der Brutto-Durchschnittslohn steigt weiter an deutschsprachige Fachstudiengänge angeboten. Au- und lag im Februar 2018 bei ca. 887 Euro, bei starken ßerdem wird rumänischen Studierenden durch das regionalen und sektoralen Unterschieden. Gleichwohl Deutsche Sprachdiplom (DSD) das Studium an deut- bleibt Rumänien mit 59 Prozent des durchschnittli- chen Pro-Kopf-Einkommens der EU das zweitärmste 4 https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ rumaenien-node/wirtschaft/210824 5 https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/ 2 http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/newsletter/176533/fakten-zur-einwanderung Laenderinfos/Bulgarien/Bilateral_node.htm 3 https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bulgarien-node/ 6 https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/ wirtschaft/211836#content_0 Laenderinfos/Bulgarien/Kultur-UndBildungspolitik_node.html
schen Unversitäten ermöglicht.7 Unter ihnen befin- den sich Menschen aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen, auch Angehörige der Roma-Minderheit. Viele Rom*nja sind in ihren Herkunftsländern Diskriminierung und starker Benachteiligung ausge- setzt. In einer Studie der Sozialfabrik e. V. in Koope- ration mit Amaro Foro e. V. mit dem Titel »Förder- prognose: Negativ« (Berlin, 2015) sind viele Hinter- grundinformationen zu der Situation von Menschen mit selbst- oder fremdzugeschriebenem Roma-Hin- tergrund aus Rumänien und Bulgarien zu finden. Die Roma-Minderheit in Bulgarien macht je nach Erhebung zwischen 5 und 10 Prozent der Bevöl- kerung aus. Durch die verbreitete Diskriminierung vonseiten der Mehrheitsgesellschaft werden sie nicht nur sozial ausgegrenzt, sondern sind häufig auch von 7 Armut bedroht. Beispielsweise besucht die überwie- gende Mehrheit der Roma-Kinder Sonderschulen, was den Zugang zu Ausbildungen und zum Arbeits- markt deutlich einschränkt. Ein weiteres Beispiel für die Benachteiligung im Vergleich zur Mehrheitsgesellschaft lässt sich im Ge- sundheitswesen finden: Fast jede*r Zweite verfügt nicht über eine Krankenversicherung. In Rumänien machen Rom*nja schätzungsweise 4 bis 8 Prozent der Bevölkerung aus und werden ähnlich stark diskriminiert wie in Bulgarien. So leben laut EU und UN 81 Prozent der rumänischen Rom*nja in ärm- lichen Verhältnissen und auch der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt gestaltet sich äußerst proble- matisch, während die Gesundheitsversorgung sogar als katastrophal bezeichnet werden kann. Somit lässt sich konstatieren, dass die rassistische Diskriminierung von Rom*nja sowohl in Bulgarien als auch in Rumänien nicht nur eine alltägliche Erschei- nung darstellt, sondern auch institutionell verfestigt ist.8 7 http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/ Laenderinfos/Rumaenien/Kultur-UndBildungspolitik_node.html 8 »Förderprognose: Negativ«. Eine Bestandsaufnahme zur Diskriminierung von Bulgar_innen und Rumän_innen mit zugeschriebenem oder tatsächlichem Rom_nija-Hintergrund in Deutschland. Berlin 2015.
SITUATION IN DEUTSCHLAND, INSBESONDERE IN BERLIN Laut Eurostat-Bericht über die Migration und Bevölke- Nach Berechnung der Bundesagentur für Arbeit be- rungsstatistik vom März 2018 meldete Deutschland die trägt die Beschäftigungsquote der bulgarischen und größte Gesamtzahl an Einwander*innen (1.029.900), rumänischen Staatsbürger*innen in Deutschland am gefolgt vom Vereinigten Königreich (589.000), Spanien 30.6.2018 64,4 Prozent und die Quote der SGBII- (414.700), Frankreich (378.100) und Italien (300.800). Leistungsempfänger*innen 16,2 Prozent.13 Gleichzeitig meldete aber Deutschland auch die höchste Anzahl an Auswander*innen (533.800), ge- In Berlin waren am 31.12.2017 insgesamt 92.788 EU- folgt vom Vereinigten Königreich (340.400), Spani- Bürger*innen sozialversicherungspflichtig beschäftigt en (327.300), Frankreich (309.800), Polen (236.400) (SVB). Davon waren 7.823 bulgarische und 6.540 ru- und Rumänien(207.600). Insgesamt 21 der EU-Mit- mänische Staatsbürger*innen Arbeitnehmer*innen, die gliedsstaaten meldeten 2016 mehr Zuwanderung als Kranken-, Renten-, Pflegeversicherung zahlen und/ Abwanderung. In Bulgarien, Kroatien, Lettland, Li- oder beitragspflichtig nach dem Recht der Arbeits- tauen, Polen, Portugal und Rumänien übersteigt die förderung sind. Zahl der Auswander*innen jedoch die Anzahl der Außerdem war zu diesem Zeitpunkt ein großer Teil Einwander*innen.9 der Erwerbstätigen ausschließlich geringfügig beschäf- tigt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit wa- 8 Bulgarien und Rumänien sind am 1. Januar 2007 der ren am 31.12.2017 insgesamt 9.475 EU-Bürger*innen EU beigetreten und seit dem 1. Januar 2014 gilt auch ausschließlich geringfügig beschäftigt, was eine Verän- in Deutschland die Arbeitnehmerfreizügigkeit für derung zum Vorjahresmonat um 0,3 Prozent darstellt. die Staatsbürger*innen dieser zwei Länder. Laut Bun- Bei den bulgarischen und rumänischen Staatsbür- desamt für Migration und Flüchtlinge ist durch die ger*innen sieht das anders aus. Bei den ausschließlich Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes die Zahl der geringfügig beschäftigten Bulgar*innen ist eine Verän- Zugewanderten in Deutschland deutlich gestiegen. derung zum Vorjahresmonat um 5,5 Prozent festzu- Offiziell lebten zum 30. April 2014 insgesamt 159.000 stellen, bei den ausschließlich geringfügig beschäftig- bulgarische und 295.000 rumänische Staatsangehörige ten Rumän*innen um 24,5 Prozent.14 in Deutschland.10 Laut Zuwanderungsmonitor des Ins- Während zum 31.3.2018 insgesamt 95.924 EU- tituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist deren Bürger*innen in Berlin sozialversicherungspflichtig Gesamtzahl bis zum 30.6.2018 um etwas mehr als 100 beschäftigt waren, betrug die Zahl der bulgarischen Prozent auf insgesamt 996.724 Personen gestiegen, hat Staatsbürger*innen 8.160 und die Zahl der rumäni- sich also verdoppelt.11 schen 7.221. Zudem waren 9.421 EU-Bürger*innen ausschließlich geringfügig beschäftigt, davon 1.386 Im Oktober 2018 ist der aktuelle statistische Bericht Bulgar*innen und 814 Rumän*innen.15 des »Amts der Statistik Berlin Brandenburg« erschie- Anhand der statistischen Auswertung kann festge- nen. In diesem Bericht werden unter anderen die Da- stellt werden, dass die Beschäftigungsquote der bulga- ten von ausländischen Einwohner*innen in Berlin er- rischen und rumänischen Staatsbürger*innen in Ber- fasst. Aktuell (30. Juni 2018) leben in Berlin 29.414 bul- lin sich nicht stark von der Beschäftigungsquote ande- garische und 22.395 rumänische Staatsbürger*innen.12 rer EU-Staatsangehöriger unterscheidet. 9 https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/pdfscache/1275.pdf 10 »Zuwanderung aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten Bulgarien und Rumänien«. Forschungsbericht 24. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2014, S. 5. 13 http://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/Zuwanderungsmonitor_1808.pdf 11 https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/pdfscache/1275.pdf 14 Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigte nach Staatsangehörigkeiten 12 Statistischer Bericht A I 5 – hj 1 / 18. Einwohnerinnen und Einwohner im Land Berlin (Quartalszahlen) vom 16.7.2018. am 30. Juni 2018. Amt für Statistik Berlin Brandenburg, Potsdam 2018, S. 18: https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/publikationen/stat_berichte/2018/ 15 Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigte nach Staatsangehörigkeiten SB_A01-05-00_2018h01_BE.pdf (Quartalszahlen) vom 15.1 0.2018.
ANT E I L UN D EN TWICKLUN G DE R IN BER LIN G EMELD ET EN BULGARISC HEN & RUMÄN ISCHE N EU - BÜ RG ER * INNEN 2011 166 115 2014 234 941 2018 29 141 22 395 277 002 ANT E I L DER SV-B ESCHÄFTIGTEN P ER S ONEN 20 17 230 309 SV-Beschäftigte Gesamtzahl Personen, die zum 31.1 2.2017 in Berlin einwohneramtlich angemeldet und im Alter von 15 bis 65 Jahren waren 0 50Tsd . Rumänien Bulgarien EU Eigendarstellung nach Amt für Statistik Berlin Brandenburg: Statistischer Bericht A I 5 – hj 2 / 17. Einwohnerinnen und Einwohner im Land Berlin am 31. Dezember 2017. Amt für Statistik Berlin Brandenburg, Potsdam 2018, S. 18 sowie Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigte nach Staatsangehörigkeiten (Quartalszahlen) vom 16.7.2018. Im Jahr 2015 untersuchte Minor – Projektkon- Die Ergebnisse der Studie lassen vermuten, dass tor für Bildung und Forschung e. V. die Entwicklun- viele bulgarische und rumänische Staatsbürger*innen 16 gen bei der Arbeitsmigration aus Bulgarien, Frankreich, in Berlin zum Zeitpunkt der Befragung überqualifi- 9 Polen und Rumänien nach Berlin. Obwohl die meisten ziert für die Branchen waren, in denen sie arbeite- befragten Bulgar*innen und Rumän*innen angaben, ten, und somit eher im Niedriglohnsektor beschäf- dass ihr höchster erreichter Bildungsgrad eine Berufs- tigt waren. ausbildung ist, ist der Anteil der nach Berlin eingewan- Die meisten der insgesamt befragten Bulgar*innen derten Akademiker*innen aus den beiden Ländern waren im Bereich Gastronomie und Hotellerie beschäf- nicht klein: aus Bulgarien 38,2 Prozent der Befragten tigt (24,5 Prozent), gefolgt von denjenigen im Bereich und aus Rumänien 56,4 Prozent der Befragten.17 Dienstleistungen (21,7 Prozent) und Bau und Archi- 39,5 Prozent der befragten Bulgar*innen mit Hoch- tektur (21 Prozent). Lediglich 2,1 Prozent waren im Be- schulabschluss waren Rechts-, Wirt- reich Verwaltung und Management schafts- und Sozialwissenschaftle- BES C H Ä FT IG U NG S QU OT E tätig und 1,4 Prozent im Bereich r*innen, gefolgt von der Gruppe im D ER EU - BÜ RG ER * INNEN Naturwissenschaft, Informatik. Bereich Mathematik, Informatik, 20 17 IN % Ähnlich sind die Ergebnisse bei Naturwissenschaft und Technik den rumänischen Befragten: 18,6 EU BUL RUM (MINT, inkl. Architektur). Prozent waren im Bereich Gastro- Die befragten rumänischen 44 40 44 nomie und Hotellerie beschäftigt, Akademiker*innen hatten die meis- 16,5 Prozent in Bau und Architek- ten Abschlüsse in denselben Berei- F I PL tur und 10,3 Prozent im Dienst- chen: Rechts-, Wirtschafts- und So- leistungssektor. In den Arbeitsbe- zialwissenschaften 29,4 Prozent und 37 45 50 reichen Verwaltung und Manage- Mathematik, Informatik, Naturwis- ment sowie Naturwissenschaft und Anzahl der Erwerbstätigen von Informatik waren jeweils 6,2 Pro- senschaft und Technik (MINT, inkl. 100% Erwerbsfähigen, 1 mm 2 =ˆ 1 % Architektur) 25,5 Prozent zent und 14,4 Prozent beschäftigt. 16 www.minor-kontor.de 17 Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung: »Magnet Berlin.Fachkräftesicherung durch Integration zuwandernder Fachkräfte aus dem EU-Binnenmarkt«, Berlin 2016: https://minor-kontor.de/wp-content/uploads/2018/04/Minor_NAMB_ Fachkr%C3%A4ftesicherung-durch-Integration-zuwandernder-Fachkr%C3%A4fte- aus-dem-EU-Binnenmarkt_2016_WEb.pdf
ANLIEGEN IN DER ANLAUFSTELLE Aufsuchende Arbeit Eine Unterbringung nach ASOG-Berlin19 wird oft nur dann gewährleistet, wenn eine positive Aussicht Durch Aufsuchende Arbeit werden Menschen aus der auf Leistungsbezug nach SGBII besteht, was aus Sicht Zielgruppe erreicht, die bisher nicht oder nicht ausrei- vieler Rechtsanwält*innen nicht mit der Rechtsgrund- chend über Unterstützungsangebote informiert sind. lage übereinstimmt. So werden Unterbringungen nach Aufsuchende Arbeit findet regelmäßig in mehrspra- ASOG oft nur gerichtlich durchgesetzt, zumindest so- chigen Teams an den Orten statt, an denen Menschen lange die sozialrechtlichen Ansprüche der Betroffenen aus der Zielgruppe sich aufhalten. Sie dient auch dazu, geklärt werden, was praktisch viel Zeit in Anspruch im Wohnumfeld und Arbeitsumfeld der Adressat*innen nehmen kann. präsent und ansprechbar zu sein und Menschen, die in Kontakt mit der Zielgruppe stehen, zu informieren und Zum Thema ASOG stellen die Projektmitarbeiter*innen zu sensibilisieren. Projektmitarbeiter*innen mit ent- fest, dass die ordnungsrechtliche Unterbringung durch sprechenden Sprachkenntnissen gehen zu zweit vor Ort die Berliner Bezirke unterschiedlich interpretiert und und suchen die Menschen auf. Sie bieten in erster Linie unterschiedlich umgesetzt wird, was dazu führt, dass Beratung und Unterstützung an, verschaffen sich einen das Thema in Berlin seit Jahren äußerst umstritten ist. Überblick über die Situation und geben erste Informati- Der Umgang der Bezirke mit den im öffentlichen 10 onen (zum Beispiel die Kältehilfe-Broschüre oder Flyer Raum übernachtenden Personen ist auch intern un- zu Gesundheitsdiensten). terschiedlich geregelt. Während einige Bezirke sehr Meistens werden Erwachsene zwischen 21 und 60 restriktiv vorgehen, sind andere noch relativ tolerant. Jahren angetroffen, die Pfandflaschen und/oder Spen- Öffentliches Gelände wird grundsätzlich schnell ge- den sammeln. Unabhängig voneinander berichten die räumt, meistens ohne den Betroffenen eine Alternati- Betroffenen über Bedarf an Unterkunft, medizinischer ve anzubieten. Bei Privatgelände verzögert sich zwar Versorgung und Pflegeversorgung. Ein Großteil der eine Räumung, diese wird aber in der Regel durchge- Personen wird in informellen Arbeitsverhältnissen führt, auch wenn die Geländebesitzer*innen sich von festgehalten. Viele erzählen, dass ihnen einen Arbeits- den Personen nicht gestört fühlen und die Umstände vertrag für die baldige Zukunft versprochen wurde. akzeptieren und tolerieren. Somit werden sie monatelang ausgebeutet, ohne dass Diese Vorgehensweise der Bezirke bedeutet für sie Rechte und Ansprüche geltend machen können, die Betroffenen de facto eine Vertreibung ohne nach- was theoretisch zwar möglich wäre, viele aber aus ih- haltige Lösungsstrategie, zumal den Bezirken bewusst rer existenziellen Not heraus nicht schaffen. ist, dass in der Konsequenz die Menschen von einem Fast immer stößt das Projekt bei der Aufsuchenden Bezirk in den anderen weiterziehen. So treffen die Arbeit an seine Grenzen. Mehrere Gesetzesverschär- Projektmitarbeiter*innen beispielsweise in Charlotten- fungen und Gerichtsurteile haben den Ausschluss ar- burg Menschen, die in Pankow geräumt wurden. Betrof- beitssuchender EU-Bürger*innen von SGBII-Leistun- fene selbst berichten, dass sie trotzdem in Berlin bleiben gen und der damit verbundenen Kostenübernahme wollen, da sie in den Herkunftsländern in schlimmeren der Unterkunft (KdU) bestätigt. Verhältnissen leben müssen und oft dort auch woh- Weitere Gerichtsurteile (etwa des Bundessozialge- nungslos sind. Dies passt nicht zu der von den Bezirken richts vom Dezember 201518) zum Existenzsicherungs- oft behaupteten »freiwilligen Obdachlosigkeit«. anspruch von EU-Bürger*innen nach SGBXII haben Erfahrungsgemäß sind die angetroffenen Perso- kaum zur Verbesserung der Situation beigetragen. nen an Strukturen der niedrigschwelligen Wohnungs- losenhilfe angebunden. Sie sind jedoch, sobald etwa in 18 Urteil des Bundessozialgerichts vom3.1 2.2015: Grundsicherung für Arbeitsuchende – Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche – Unionsbürger – Boulevardmedien über einzelne Zeltlager oder Abriss- Nichtvorliegen eines materiellen Freizügigkeits- bzw. Aufenthaltsrechts – analoge Anwendung des Leistungsausschlusses – Sozialhilfeanspruch bei Aufenthaltsdauer von über 6 Monaten – verfassungskonforme Auslegung – sozialgerichtliches Verfahren. 19 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz.
häuser berichtet wird, einer erhöhten Gefährdung und dienberichte klären über tatsächliche Ursachen und bei vor Ort aktiven Neonazi-Strukturen einer akuten Verantwortliche auf, stattdessen werden Armutsphä- Bedrohung ausgesetzt.20 nomene reißerisch beschrieben. Die betroffenen Men- schen werden exotisiert und als Ursache des Problems Das Projekt erreichen auch Meldungen mit dem Hin- dargestellt. Der in zahlreichen Studien belegte gesell- weis auf sogenannte »Problemimmobilien«. In solchen schaftlich weitverbreitete Antiziganismus wird durch Fällen handelt es sich um ungesicherte oder unklare eine solche Berichterstattung zusätzlich verstärkt. Mietverhältnisse, Überbelegungen, vernachlässigte Verantwortung der Vermieter*innen und darüber hi- naus um drohende Obdachlosigkeit. Im Kiez Grunewald wächst die Angst In vielen Fällen auch der letzten Jahre handelt es sich um Geschäftsmodelle mit Mieter*innen, die aus DAS SCHÖNEBERGER diversen Gründen besonders schwer Zugang zum re- "HORRORHAUS" Die Grunewaldstraße 87 in Schöneberg ist eigentlich ein Juwel, gulären Wohnmarkt finden. So wurden zum Beispiel doch seit einigen Wochen gibt es Ärger mit neuen Bewohnern. Menschen aus Rumänien Wohnungen in einem ver- Im Umfeld steigt die Kriminalität. kauften Mietobjekt mit befristeten Mietverträgen vo- rübergehend bis zur Neusanierung vermietet. Den 11 Mieter*innen, die zum Teil seit mehreren Jahren in Berlin leben, wurde die Situation bewusst, sie wollten jedoch keine mietrechtlichen Schritte einleiten. In den letzten zwei Jahren haben sich Hostels und Pensionen als Unterkunft für Menschen mit Kosten- übernahme der Unterkunft (KdU) durch staatliche Kostenträger zu einem weitverbreiteten Phänomen bei Die Fassade des Hauses Grunewaldstraße sieht intakt aus. Dahinter der Unterbringung obdachloser Menschen entwickelt. verbergen sich laut Bezirksamt kriminelle Machenschaften. Immer wieder kommt es vor, dass auch mit beste- Tagesspiegel am 29.05.2015 hender Kostenübernahme keinen Platz in den Notun- terkünften zu finden ist, besonders bei Familien mit Kindern. In manchen Fällen werden Menschen aus Bulgarien und Rumänien Plätze verweigert. 120 POLIZISTEN So entstehen Geschäftsmodelle mit langfristiger Un- RÄUMEN »HORRORHAUS« terbringung, segregierte Wohnhäuser und ein fal- IN BERLIN-WEDDING scher Eindruck in der Öffentlichkeit. Theoretisch be- stehen zwar Mietverhältnisse, Mietverträge werden aber oft nicht ausgestellt. Letzteres betrifft vor allem Privateigentümer*innen, deren Mietobjekte offizi- ell keine Hostels oder Pensionen sind. Immer wieder kommt es zu einer ganzen Flut von Medienberichten über einzelne Problemimmobilien, die oft als »Hor- rorhäuser« bezeichnet werden. Die wenigsten Me- 20 Medienmonitoring Amaro Foro e.V.: »Dokumentation antiziganistischer und diskriminierender Polizisten räumen ein Haus in der Kameruner Straße/Ecke Lüderitzstraße Vorfälle in Berlin«, 2017: http://amaroforo.de/sites/default/files/files/AmaroForo_2017_ Bericht_Dokuprojekt.pdf WELT am 16.04.2018
Beratung & Begleitung unterkünften, welche meistens ohnehin für kleine Kinder nicht geeignet sind, ist Schon seit Jahren berichten Klient*innen für die meisten ohne Kostenübernahme der Beratungsstelle von Amaro Foro e. V. durch das Jobcenter oder Sozialamt nur von großen Schwierigkeiten bei der Woh- begrenzt möglich. nungssuche. Selbst diejenigen, die über Anliegen rund um das Thema Miet- eine Arbeitsstelle beziehungsweise ein reguläres Ein- verhältnisse gibt es in der Anlaufstelle auch: Stroman- kommen verfügen, haben es auf dem Wohnungs- meldung und Nachzahlungen, Betriebskostenabrech- markt schwer. Die Bewerbungsverfahren für die An- nungen, Auseinandersetzungen mit Hausverwaltun- mietung einer Wohnung verlaufen in der Regel in- gen und Ähnliches. Außerdem sind problematische transparent und viele bulgarische oder rumänische Mietverträge, schwierige Bedingungen in der Wohnung, Staatsbürger*innen werden aus nicht nachvollziehbaren Überbelegungen der Wohnungen oder überhöhte Miet- Gründen abgelehnt. Bulgar*innen und Rumän*innen preise in irregulären Untermietverhältnissen oder gar mit geringem Einkommen sind somit gezwungen, sich ohne Verträge Themen, die die Projektmitarbeiter*innen in sogenannten sozialen »Brennpunkten« und margi- immer wieder beschäftigen. nalisierten Stadtteilen anzusiedeln, da sie keine Mög- Es ist festzustellen, dass es organisierte und weniger 12 lichkeit haben, woanders eine Wohnung zu bekom- organisierte Ausbeutung von Mieter*innen angesichts men. Darüber hinaus werden viele Opfer unseriöser der Knappheit von bezahlbarem Mietraum in Berlin Vermieter*innen und haben dann keine andere Wahl, gibt. Die Folgen dieses Missstandes sind oft unter ande- als heruntergekommene Wohnungen in sogenannten rem Konflikte in der Nachbarschaft und fehlende ein- »Problemimmobilien« zu mieten. wohneramtliche Anmeldung und damit weitgehend Seit Jahren beobachten die Berater*innen im Pro- informelle Verhältnisse. Zudem gibt es eklatante Versor- jekt zahlreiche Umzüge von Klient*innen aus der In- gungslücken im Bereich der niedrigschwelligen Obdach- nenstadt in die Randbezirke. In Bezirken wie Mitte und losenhilfe für Familien mit minderjährigen Kindern. Neukölln ist zwar nach wie vor ein Zuwachs an bulga- Viele Familien, für die die Kostenübernahme für die rischen und rumänischen Staatsbürger*innen zu ver- Unterkunft gesichert wurde, müssen in Hostels, Pensi- zeichnen (45,75 beziehungsweise 21,7 Prozent), die- onen, Ferienwohnungen einziehen. Somit entwickelt ser ist aber in Vergleich mit dem Zuwachs in Bezirken sich eine Marktlücke für viele Unternehmer*innen, wie Lichtenberg (93,27 Prozent), Marzahn-Hellersdorf die praktisch von der Situation der Menschen profitie- (161,97 Prozent), Pankow (126,25 Prozent), Spandau ren. Oft werden Familien von heute auf morgen aufge- (135,25 Prozent) und Treptow-Köpenick (116,36 Pro- fordert, diese Unterkünfte zu verlassen, wenn das zu- zent) deutlich geringer. ständige Amt beispielsweise mit der Bearbeitung der Ein Großteil der Klient*innen in der Anlaufstel- Anträge in Verzug ist und somit die Verlängerung der le fällt unter die Definition von Wohnungsnotfällen Kostenübernahme der Unterkunft nicht rechtzeitig aus- nach der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungs- gestellt werden kann. Es sind nicht wenige Fälle, in de- losenhilfe e. V.21 Dramatisch ist die Situation für die nen Projektmitarbeiter*innen Kontakt mit den Unter- am stärksten benachteiligten bulgarischen und ru- künften aufnehmen müssen, um die Obdachlosigkeit mänischen Migrant*innen, die unmittelbar von Ob- zu verhindern. dachlosigkeit betroffen sind und in Autos, Parks oder Darüber hinaus ist seit längerer Zeit zu beobachten, weiteren selbstorganisierten »Unterkünften« über- dass viele Betroffene aus diesen Unterbringungsein- nachten müssen. Die Übernachtung in Berliner Not- richtungen kaum oder nicht rauskommen können. 21 Position der BAG Wohnungslosenhilfe e.V.: Wohnungsnotfalldefinition der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V., Mai 2011.
E NT W I CKLUN G DER GEMELDETEN BU LG A R IS C H EN & R U M ÄN ISC HEN EIN WOHN ER*INNEN IN BER LIN 12 376 2014 12 000 8 7 9 5 2 3 4 1 9 000 11 8491 10 6 12 2014 2018 6 000 2018 8 7 9 5 2 3 4 1 5mm =�ˆ 500 Einwohner*innen 11 10 6 12 < 1500 < 3000 < 5000 < 10000 > 10000 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 Charlottenburg-Willmersdorf 4 Marzahn-Hellersdorf 7 Pankow 10 Steglitz-Zehlendorf 2 Friedrichshain-Kruezberg 5 Mitte 8 Reinickendorf 11 Tempelhof-Schöneberg 3 Lichtenberg 6 Neukölln 9 Spandau 12 Treptow-Köpenick Eigendarstellung nach Amt für Statistik Berlin Brandenburg: Statistischer Bericht A I 5 – hj 2/14. Einwohnerinnen und Einwohner im Land Berlin am 31. Dezember 2014 sowie Statistischer Bericht A I 5 – hj 1 / 18. Einwohnerinnen und Einwohner im Land Berlin am 30. Juni 2018. Im Bereich Arbeit kommen viele Menschen zu uns, sind nach wie vor für die meisten die arbeitsrechtliche Fragen haben oder auch Bera- Arbeitnehmer*innen Alltag. tung über Arbeitsmöglichkeiten und über Formalitä- Besonders schwer ist der Zu- ten wie Steuern, Sozialversicherungsnummer, Steuer- gang zum Arbeitsmarkt für nicht klassen etc. nachfragen. einwohneramtlich angemeldete Seit der Einführung der Arbeitnehmerfreizügig- Personen. Oft können sie beste- keit für bulgarische und rumänische Staatsbürger*innen hende Arbeitsmöglichkeiten aufgrund fehlender Un- zum 1. 1. 2014 ist ein Zuwachs an sozialversicherungs- terlagen nicht annehmen, welche in der Regel mit einer pflichtig Beschäftigten aus den beiden Ländern zu ver- Anmeldung verbunden sind, wie beispielsweise Steuer- zeichnen. Ein Großteil der Klient*innen, die bisher ge- identifikationsnummer oder Sozialversicherungsnum- zwungenermaßen selbstständig arbeiten mussten, ist in- mer. Es bestehen zwar Möglichkeiten, diese Unterlagen zwischen zumindest geringfügig beschäftigt. Dennoch auch ohne amtliche Anmeldung zu bekommen, das Ver- sind viele Klient*innen Arbeitsausbeutung ausgesetzt. fahren ist aber sehr aufwendig, zeitintensiv und vielen Mündliche Absprachen, Drohungen und Lohnbetrug Arbeitgeber*innen nicht bekannt.
Beim Thema Gesundheit kom- Im Bereich Bildung geht es zu- men viele Menschen hauptsäch- meist um die Einschulung von lich bezüglich ihres Krankenver- Kindern, Kitaplätze und das In- sicherungsschutzes in die An- teresse an Sprachkursen bei Er- laufstelle. Sie benötigen Beratung wachsenen. Vielerorts unterstützt und Unterstützung beim Ausfül- das Projekt die Kommunikation len der Formulare für die Anmeldung, Familienversi- zwischen Schüler*innen, Eltern und Schule und fun- cherung, Verschuldung durch fehlende Krankenversi- giert als Ansprechpartner bei schulischen Problemen cherung, aber auch grundsätzlich bei der Klärung des der Kinder, wobei in diesem Bereich oft auf die be- Krankenversicherungsstatus zum Beispiel bei Men- stehenden Projekte vor Ort oder beim Träger intern schen ohne Vorversicherungszeiten. Auch Sprach- zurückgegriffen wird. mittlung und Begleitung zu Ärzt*innen und Gesund- Immer wieder interveniert das Projekt bei der Ein- heitsdiensten sind oft nötig und zeitaufwendig, da die schulung von Kindern ohne einwohneramtliche An- Ressourcen des Gemeindedolmetscherdienstes nicht im- meldung. Trotz des Rechts auf Bildung und der gesetz- mer in Anspruch genommen werden können. Hierfür lichen Vorschriften im Berliner Schulgesetz werden klären Projektmitarbeiter*innen Ärzt*innen und Ge- immer wieder Schüler*innen ohne Anmeldung von sundheitsdienste gezielt über die Möglichkeiten des Schulen abgewiesen, so dass eine Intervention durch Dienstes auf. die bezirklichen Schulämter notwendig wird. Viele Die strukturellen Probleme, die gleichzeitig Gren- Kinder müssen Monate warten, bis sie einen Platz in zen der Unterstützungsmöglichkeiten der Anlaufstelle einer sogenannten »Willkommensklasse« zugewie- markieren, sind weiterhin insbesondere in der fehlen- sen bekommen, auch wenn sie kilometerweit von ih- den Umsetzung der EU-Vorschriften bezüglich EHIC22 rem Wohnort entfernt ist. und gegebenenfalls in der Forderung des Nachweises Im Jahr 2017 veröffentlichte das Berliner Institut 14 von Vorversicherungszeiten in einer gesetzlichen Kran- für empirische Forschung die Studie »Die Beschulung kenkasse zu sehen. In den Fällen, in denen die Bera- neu zugewanderter und geflüchteter Kinder in Berlin. tungssuchenden in den Herkunftsländern nicht versi- Praxis und Herausforderungen«. Das Institut stellte chert waren beziehungsweise sind, können diese Vor- fest, dass der Leitfaden zur Integration von neu zuge- versicherungszeiten nicht nachweisen werden. wanderten Kindern und Jugendlichen in die Kinder- Die von Amaro Foro e. V. dokumentierten diskri- tagesförderung und die Schule der Senatsverwaltung minierenden Vorfälle »…deuten auf einen struktu- für Bildung, Jugend und Familie »großen Spielraum rell erschwerten Zugang zum deutschen gesetzlichen für die konkrete Ausgestaltung der Beschulung (lässt), Krankenversicherungssystem für Unionsbürger*innen und damit variiert die Beschulung in Willkommens- hin. Dabei sind Arbeitssuchende, Selbstständige, klassen in Bezug auf Ausstattung, räumliche Unterbrin- geringfügig Beschäftigte und nicht erwerbstätige gung, Einsatz und Qualifikation der Lehrkräfte, Unter- Unionsbürger*innen besonders gefährdet, denn ihre richtsinhalte, Einbindung in die Regelklassen und Ab- Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung wird läufe etc. von Schule zu Schule«.24 oft abgelehnt bzw. verläuft sehr schleppend«.23 Nach wie vor ist die Situation von Jugendlichen, Weiterhin bleiben die Versorgungslücken für Nicht- die nicht mehr schulpflichtig oder an der Altersgren- Versicherte (insbesondere chronisch kranke Menschen ze sind, schwierig. Die Teilnahme an Sprachkursen ist und Kinder) ein Problem. Durch das verschärfte Frei- für Jugendliche aus Familien mit prekärer finanziel- zügigkeitsgesetz-EU ist auch eine Verschärfung des ler Situation und ohne sozialrechtliche Ansprüche oft Aufnahmeverfahrens bei den gesetzlichen Kranken- nicht möglich. Gleichzeitig ist die Teilnahme an Be- kassen zu beobachten. Viele Klient*innen, vor allem rufs- und Qualifizierungskursen an ein Sprachniveau diejenigen, die durch die Aufsuchende Arbeit ange- gebunden, das die Jugendlichen anfangs nicht beherr- troffen werden, sind nach wie vor auf die nicht ausrei- schen. Somit sind viele Jugendliche auf Angebote von chenden Angebote für medizinische Versorgung von Vereinen angewiesen oder auf Erwerbstätigkeiten im nicht krankenversicherten Personen angewiesen. Niedriglohnsektor. 22 European Health Insurance Card: Europäische Krankenversicherungskarte, bei bestehender Krankenversicherung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat. 24 Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung: »Die Beschulung neu 23 Amaro Foro e. V.: »Dokumentation antiziganistischer zugewanderter und geflüchteter Kinder in Berlin – Praxis und Herausforderungen«, 2017: und diskriminierender Vorfälle in Berlin«, 2017. https://www.bim.hu-berlin.de/media/Beschulung_Bericht_final_10052017.pdf
Im Bereich Rechtssicherheit geht So wird beispielsweise trotz Paragraf 20 Abs. 3 es oft um die Beratung zum Frei- SGB X die Annahme von Anträgen vermehrt verwei- zügigkeitsrecht. Die erwartete gert, mit der Begründung, dass die Antragssteller*innen ansteigende Tendenz bezüglich keinen Anspruch hätten, der deutschen Sprache nicht Überprüfungen des Aufenthalts- mächtig seien, die Behörde nicht zuständig sei oder rechtes bulgarischer und rumäni- die Anträge nicht vollständig. Ferner ist zu beob- scher Staatsbürger*innen durch die Ausländerbehörde achten, dass Arbeitsverträge und darüber hinaus der hat sich im Laufe der Zeit nicht bestätigt.25 Im Bereich Arbeitnehmer*innenstatus von bulgarischen und ru- Rechtssicherheit ging es auch um andere aufenthalts- mänischen Antragssteller*innen oft in Frage gestellt rechtliche Anliegen oder um die Notwendigkeit von wird. Leistungsberechtigte Personen werden durch Rechtsberatung und/oder rechtlicher Vertretung für Sachbearbeiter*innen beziehungsweise durch Dienst- Verfahren (Mietrecht, Strafrecht, Sozialleistungs- anweisungen kriminalisiert, nicht sachrelevante Äuße- recht waren hierbei die häufigsten Themenkomplexe). rungen sind oft Teil des Gesprächs mit den Kunden, denen oft mit der Einschaltung der Ordnungsbehör- Bei finanziellen Anliegen geht den gedroht wird. es zumeist um die Vereinbarung Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröf- von Ratenzahlungen und sonsti- fentlichte im Jahr 2017 die Studie »Diskriminierungs- gen Belange bei Schulden. Viele risiken in der öffentlichen Arbeitsvermittlung«, welche Klient*innen benötigen zunächst eine Reihe von strukturellen Barrieren in Bezug auf allgemeinen Rat bezüglich ihrer Kommunikation für zugewanderte Menschen, die der Verschuldung. Es ist festzustellen, dass ein Groß- deutschen Sprache nicht mächtig sind, identifiziert: teil der Beratungssuchenden verschuldet ist. Die »Fehlende oder geringwertigere Beratung und Integra- Schuldenproblematik ist dann besonders akut, wenn tionsunterstützung, die auf Verständigungsproblemen 15 Stromschulden, Gasschulden oder gar Mietschulden beruhen, können zu einer unmittelbaren Diskriminie- entstanden sind. Viele prekäre Wohnverhältnisse ha- rung wegen der Sprache und damit auch zu einer mit- ben ihren Ursprung in der finanziellen Notlage der telbaren Diskriminierung wegen der ethnischen Her- Beratungssuchenden. kunft führen.«26 Eine weitere Erkenntnis der Studie ist, Oft findet eine allgemeine Erstberatung zur finanzi- dass Personen mit türkisch oder rumänisch klingen- ellen Planung statt. Darüber hinaus interveniert das Pro- den Namen, die um Informationen bitten, »qualitativ jekt oft bei der Eröffnung eines Bankkontos. Trotz der schlechtere Auskünfte« als Menschen mit einem deut- Einführung des gesetzlichen Anspruchs auf ein Basis- schen Namen bekommen. konto nach dem Zahlungskontogesetz im Jahr 2016 wird Solche und zusätzliche Diskriminierungsrisiken die Kontoeröffnung nach wie vor mit nicht gesetzeskon- unter anderem beim Kontakt zu Leistungsbehörden, formen Begründungen Menschen aus Bulgarien und darunter Bürgerämter, Familienkassen, Jugendämter, Rumänien verweigert. Das Zahlungskontogesetz soll Unterhaltsvorschussstellen, Sozialämter, können sowohl die Richtlinie 2014/92/EU zum diskriminierungsfreien aus den Erfahrungen in der Beratung als auch von der Zugang zu Zahlungskonten für alle Verbraucher*innen, von Amaro Foro e. V. jährlich vorgelegten Auswertung unabhängig von ihrer sozialen Stellung, einschließlich der dokumentierten diskriminierenden Vorfälle in Ber- Personen ohne Wohnsitz, umsetzen. lin bestätigt werden. »Insgesamt sind die Kontakterfah- Oft geht es auch um das Beantragen von Kinder- rungen von Unionsbürger*innen aus Rumänien und geld, Elterngeld oder Leistungen zur Sicherung des Le- Bulgarien mit den Berliner Leistungsbehörden von ei- bensunterhaltes nach SGB II. Durch die Gesetzesän- nem pauschalen Betrugsverdacht geprägt.«27 derungen wurde der Kreis der leistungsberechtigten EU-Bürger*innen eingeschränkt. Die Schikanen und 26 Antidiskriminierungsstelle des Bundes: »Diskriminierungsrisiken in der öffentlichen die Unterstellungen durch die Jobcenter gegenüber Arbeitsvermittlung«, 2017: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/ Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Diskriminierungsrisiken_in_der_oeffentlichen_ Menschen aus Bulgarien und Rumänien, die Ansprü- Arbeitsvermittlung.pdf?__blob=publicationFile&v=4, S.1 41. che auf aufstockende Leistungen nach SGB II haben, 27 Amaro Foro e. V.: »Dokumentation antiziganistischer und diskriminierender Vorfälle in Berlin«, 2017. nehmen zudem zu. 25 Meldepflicht aller Behörden (außer Schulen u. Ä.) an die Ausländerbehörden nach Paragraf 87 Abs. 2 S. 1 Nr. 2a AufenthG.
STATISTIK AUS DER BERATUNGSARBEIT Die Dokumentation der Projektarbeit erfolgt durch eine Warteliste für die Klient*innen, die gleichzeitig als Erhebungsbogen verwendet wird, durch den die statistische Auswertung der Geschlechterverteilung, der Nationa- lität sowie des Alters möglich ist. Darüber hinaus können auch die Bera- tungsanliegen und deren Häufigkeit erfasst werden. Doch nicht alle Tä- tigkeiten innerhalb des Projektes können anhand des Erhebungsbogens erfasst werden. Viele kurze Telefonate beispielsweise wurden oft nicht do- kumentiert. In den vergangenen fünf Jahren (2013–2017) gab es bei der Anlaufstelle durchschnittlich 6.450,6 Beratungseinheiten pro Jahr. Die meisten Klient*innen nutzten das Angebot der Anlaufstelle mehr- mals. Durchschnittlich kommen 595,6 Personen im Jahr neu dazu. Durch- schnittlich hatten 64,8 Prozent der Klient*innen der Jahre 2013 bis 2017 die rumänische Staatsangehörigkeit, 33,8 Prozent die bulgarische und 1,4 Prozent eine andere Staatsangehörigkeit (Bosnisch, Kroatisch, Mazedo- nisch, Polnisch, Serbisch). 16 Der Blick auf die Projektstatistik erlaubt es, von einer relativ gleich starken Beteiligung von männlichen und weiblichen Klient*innen zu spre- chen. Durchschnittlich waren 51,4 Prozent aller Klient*innen männlich und 48,6 Prozent weiblich. Wir gehen somit davon aus, dass die Anlauf- stelle für Frauen und Männer gleichermaßen zugänglich ist. Der Statistik ist allerdings zu entnehmen, dass der Anteil der weibli- chen Beratungssuchenden ab dem Projektjahr 2016 den Anteil der männ- lichen überschreitet. Die Anliegen der Klient*innen, die zu unserer Beratungsstelle kommen, sind vielfältig. Die Zahl der Anliegen ist größer als die Zahl der Be- ratungseinheiten, da fast alle Klient*innen mit mehreren Anliegen in die Beratung kommen. Durchschnittlich ging es pro Beratung um zwei Anliegen. Das größte Thema in der Anlaufstelle ist mit durchschnittlich 39 Prozent die finanzielle Situation der Klient*innen geblieben. Die Beratungsangebote des Projektes werden von Klient*innen aus allen Berliner Bezirken in Anspruch genommen. Dennoch ist zu beob- achten, dass Klient*innen in bestimmten Bezirken beziehungsweise Stadt- teilen konzentriert sind oder waren (2013–2017).
BERATUNGSARBEIT DURCHSCHNITTLICH AMARO FORO E.V. 595,6 8000 2013 – 2017 PERSONEN IM JAHR MIT ERSTKONTAKT 6000 4000 2000 2013 2014 2015 2016 2017 BE RAT UNGSEIN HEITEN UND GE S CH LECHT männlich weiblich =ˆ 50% ANLI EGE N IN % NAT IONA LIT Ä T IN % Rumänisch Bulgarisch Andere 2013 75 21 14,5 18 2014 61 39 14 2015 73 26 7 6 2016 60 39 2017 55 44 39 Wohnen Arbeit BEZIR K S AU FT EILU NG Bildung Gesundheit Rechtssicherheit Finanzielle Sicherheit 6,5 DURCHSCHNITTLICH 7,8 6.450,6 11,8 7,8 11,0 6,6 BERATUNGSEINHEITEN 30,5 65 34 1 % RUMÄNISCH % BULGARISCH % ANDERE Ø < 5% Ø > 5% Ø > 10% Ø > 20%
FAZIT UND AUSBLICK Die Angebote des Projektes werden von Klient*innen Durch die ohnehin angespannte Wohnsituation in der sehr stark nachgefragt, ohne innerhalb der Commu- Stadt sind viele Beratungssuchende seit Jahren in Not- nities gezielte Werbemaßnahmen durchzuführen. Die unterkünften, Hostels, Pensionen und anderen Pro- Rückmeldungen der Klient*innen sind größtenteils visorien »zu Hause«. Die Wohnbedingungen entspre- positiv, sodass das Angebot weiterempfohlen wird. chen in vielen Einrichtungen, besonders in den priva- Insgesamt können unzählige Erfolge in den einzelnen ten, nicht den Standards und zum Teil auch nicht den Fällen erzielt werden. Eine Vielzahl von Familien und Bedürfnissen der Bewohner*innen. Da aber meistens Einzelpersonen konnte durch die Unterstützung der keine Alternative vorhanden ist, sind die Betroffenen Anlaufstelle eine erste Konsolidierung der Situation auf diese Einrichtungen angewiesen. erreichen, beispielsweise durch Zugang zum Kranken- versicherungsschutz, zu Sprachkursen und Bildungs- Dafür bedarf es niedrigschwelliger Unterstützung bei angeboten, durch die Motivation zu selbstbewusstem der Wohnungssuche, der Öffnung der Hilfen nach Pa- Auftreten bei der Durchsetzung ihrer Rechte, durch ragraf 67 ff. SGB XII (auch ohne Leistungsbezug nach Entschärfung der prekären Wohnsituation, um nur SGB II), angepasster rechtlicher Maßnahmen zur Be- einige Beispiele zu nennen. Allein diese Basis ermög- kämpfung von Diskriminierung auf dem Wohnungs- licht den Menschen eine weitere erfolgreiche Teilhabe markt, der Sensibilisierung und Aufklärung nicht nur 18 auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und auf al- der kommunalen, sondern auch der privaten Wohnungs- len gesellschaftlichen Ebenen. unternehmen. Auch der Zugang zur gesetzlichen Krankenversi- Oftmals sehen sich allerdings Mitarbeiter*innen der cherung muss optimiert und vereinfacht werden. Häu- Anlaufstelle auch mit Notsituationen konfrontiert, ohne fig scheitert es daran, die Vorversicherungszeiten in ei- auf andere angemessene Unterstützungsangebote ver- ner anderen gesetzlichen Krankenkasse nachzuweisen. weisen zu können. Beispielsweise ist die Unterstüt- So müssen viele Menschen sich verschulden, werden zung von obdachlosen Familien ein Thema, welches an private Krankenkassen verwiesen oder bleiben ganz immer wieder auftaucht. Immer wieder bitten obdach- ohne Krankenversicherungsschutz. Dabei bleibt die lose Familien um Unterstützung zur Beendigung der medizinische Versorgung für nicht-krankenversicher- Obdachlosigkeit. Es ist einen Anstieg von Fällen im te EU-Bürger*innen nach wie vor unzureichend. Eine Bereich Obdachlosigkeit zu verzeichnen und darüber Befragung zu der aktuellen Situation der Klient*innen hinaus an Interventionsbedarf im öffentlichen Raum. in der Anlaufstelle im Jahr 2016 ergab, dass mehr als Die Verschärfung des Freizügigkeitsgesetzes-EU, der die Hälfte der Befragten nie einen Sprachkurs besucht Ausschluss von arbeitssuchenden EU-Bürger*innen hat. Das liegt zum Teil daran, dass viele nicht im Leis- aus jeglicher Art von sozialen Leistungen sowie die tungsbezug sind und sich als Selbstzahler*innen die nicht ausreichende Umsetzung der gegebenen Ermes- Kurse nicht leisten können. sensentscheidungen tragen dazu bei, dass die Anzahl der Fälle von Obdachlosigkeit weiter steigen wird und Gleich 70 Prozent der Befragten mit Kindern im Vor- damit auch die falsche Wahrnehmung in der Öffent- schulalter gaben an, dass ihre Kinder keine Kita besu- lichkeit verstärkt wird. chen und verwiesen auf die fehlenden Kitaplätze. Die Nach wie vor besteht Bedarf an Unterbringungsmög- erfolglose Suche nach einem freien Kitaplatz ist für sehr lichkeiten für Familien mit Kindern, Erkrankte sowie viele Klient*innen der Beratungsstelle von Amaro Foro Menschen im fortgeschrittenen Alter. EU-Bürger*innen e. V. ein zentrales Anliegen. Aufgrund dieses Missstan- ohne festen Wohnsitz sollten erleichterten Zugang zu den des lässt sich außerdem vermuten, dass viele Eltern und administrativen Voraussetzungen für die Arbeitsaufnah- vor allem Mütter kaum die Möglichkeit haben, selber me haben, zum Beispiel bei der Erteilung von Steueri- einen Sprachkurs zu besuchen beziehungsweise eine dentifikations- sowie Sozialversicherungsnummer. berufliche Perspektive zu erarbeiten und zu realisieren.
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