AKTIVES ALTERN IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT IN LUXEMBURG - ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH, CATHERINE RICHARD & NADIA ...

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AKTIVES ALTERN IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT IN LUXEMBURG - ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH, CATHERINE RICHARD & NADIA ...
AKTIVES ALTERN                                          Foto: © Abigail Menem

IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT
IN LUXEMBURG

ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH,
CATHERINE RICHARD & NADIA BEMTGEN
AKTIVES ALTERN IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT IN LUXEMBURG - ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH, CATHERINE RICHARD & NADIA ...
IMPRESSUM

    Forschungsprojekt
    Le Vieillissement Actif au Luxembourg: Besoins des résidents
    luxembourgeois et non-luxembourgeois et leur participation
    et non-participation aux activités offertes par les différents
    services (PAN-VAL)

    Finanzierung
    Projektaufruf im Rahmen des Nationalen Integrationsplans
    (PAN) 2020, Abteilung für Integration des Ministeriums für
    Familie, Integration und die Großregion

    Laufzeit
    1. September 2020 – 30. November 2021

    Forschungsteam
    UNIVERSITÄT LUXEMBURG
    Dr. Isabelle Albert (Projektleitung)
    Catherine Richard
    Joyce Afonso (Studentische Hilfskraft)
    Weitere Studierende, die in das Projekt involviert waren:
    Mélanie Carvalhais Marialves, Paula Franz, Andrea Pecirep,
    Marina Spezzacatena, Sara Zverotic

    GERO – KOMPETENZZENTER FIR DEN ALTER
    Dr. Martine Hoffmann
    Petra Vandenbosch
    Nadia Bemtgen

    Datenerhebung Survey
    Quest S.A.

    Korrektorat
    Vibeke Walter

    Graphische Gestaltung
                                                                     Mit der Unterstützung von
    proFABRIK SARL, Danyel Michels

    © Isabelle Albert, Martine Hoffmann, Petra Vandenbosch,
    Catherine Richard, Nadia Bemtgen
    Universität Luxemburg & GERO 2021
    Printed in Luxembourg

    Bitte zitieren Sie diesen Report als
                                                                     Die in dieser Veröffentlichung zum Ausdruck gebrachten
    Albert, I., Hoffmann, M., Vandenbosch, P., Richard,              Meinungen und Interpretationen sind ausschließlich die der
    C., & Bemtgen, N. (2021).                                        Autorinnen und spiegeln nicht zwangsläufig die Positionen
    Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg.     des Ministeriums für Familie, Integration und die Großregion
    Luxemburg: Universität Luxemburg & GERO.                         wider.

2                                Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
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VORWORT

                                                                     Foto: © SIP_Yves Kortum
   DER MINISTERIN

Aktivitäten für Senior*innen sind ausgezeichne-      Dieses Forschungsprojekt hat gezeigt, dass die lo-
te Gelegenheiten, um Menschen zu treffen: Man        kalen Angebote weiter diversifiziert werden müs-
tauscht sich aus, man nimmt teil, man informiert     sen, um die Teilnahme älterer Menschen ausländi-
sich, man entdeckt und lernt Neues in einer          scher Herkunft fördern zu können. Darüber hinaus
freundlichen und entspannten Atmosphäre. Die         sind die Sensibilisierung und Unterstützung der
Senior*innen haben so die Möglichkeit, aus dem       Fachkräfte ein wichtiger Bestandteil der Politik in
Haus zu gehen, soziale Kontakte zu pflegen, aktiv    diesem Bereich. In dieser Hinsicht schaffte das Pro-
zu bleiben und am Gemeinschaftsleben teilzu-         jekt die Grundlage für Schulungsmodule über die
nehmen. Die Vielfalt ist einer der größten Trümpfe   Geschichte und die Wege der Migration, die Ana-
Luxemburgs, und es ist mir wichtig, dass die ange-   lyse lokaler Hindernisse und Möglichkeiten für die
botenen Dienstleistungen für ältere Menschen an      Beteiligung älterer Migrant*innen und die Organi-
die Bedürfnisse und Erwartungen der gesamten         sation interkultureller Aktivitäten.
Bevölkerungsgruppe angepasst sind, damit sich
                                                     Ich bin überzeugt, dass die Ergebnisse der Studie
jeder unabhängig von seinem Alter oder seiner
                                                     dazu beitragen können, die lokalen Angebote für
ethnischen Herkunft zurechtfinden und beteiligen
                                                     luxemburgische und nicht-luxemburgische Seni-
kann.
                                                     or*innen zu verbessern. Auf diese Weise kann die
Das Forschungsprojekt „Aktives Altern in Luxem-      Einbindung und Beteiligung von Menschen, die
burg“ der Universität Luxemburg, das in enger        derzeit weniger sichtbar und präsent sind, in einer
Zusammenarbeit mit GERO – Kompetenzzenter            Weise gefördert werden, die der Vielfalt Rechnung
fir den Alter durchgeführt wurde, untersuchte die    trägt.
soziale Teilnahme älterer Menschen mit Migra-
                                                     Ich möchte mich bei allen Personen und Organisa-
tionshintergrund, ihre Integration in das Gemein-
                                                     tionen bedanken, die zum Erfolg des Projekts und
schaftsleben und den interkulturellen und interge-
                                                     zur Ausarbeitung dieser Broschüre beigetragen
nerationellen Austausch.
                                                     haben. Ich hoffe, dass die Verbreitung dieser Pub-
Je älter die Bevölkerung wird, desto vielfältiger    likation für Fachleute in diesem Bereich ein nütz-
werden auch die Bedürfnisse der älteren Men-         liches Instrument bei ihrer interkulturellen Arbeit
schen. Hinzu kommen die besonderen Bedürfnisse       sein wird und dass sie auch das Bewusstsein für
von Menschen mit Migrationshintergrund. Umso         interkulturelle und generationenübergreifende
wichtiger ist es, die Probleme, um die es geht, zu   Fragen in der breiten Öffentlichkeit schärfen wird.
verstehen, nach möglichen Hindernissen und Hür-      Durch die Anerkennung der Vielfalt unserer Bevöl-
den zu suchen und die Faktoren zu identifizieren,    kerung und des daraus entstehenden Reichtums
die die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben er-    können wir die interkulturellen Beziehungen und
leichtern.                                           das Zusammenleben in unserer Gesellschaft weiter
                                                     fördern.

                                                                                         Corinne Cahen
                                                                  Ministerin für Familie und Integration

                     Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                            3
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VORWORT
       DES DIREKTORS DES GERO

                                                                           Foto: © Alex Iberico
    Als Gründungsmitglied der europäischen Union           Differenziert angelegte Studien wie das PAN-VAL
    hat Luxemburg bereits sehr früh Akzente gesetzt        Projekt tragen dazu bei, die künftigen Bedürfnisse
    und die nötigen Gegebenheiten geschaffen, um           dieser Zielgruppe besser zu verstehen und unsere
    ein interkulturelles Zusammenleben zu fördern.         Aktivitäten dementsprechend anzupassen.
    So fällt Besucher*innen, die zum ersten Mal nach       Bestehende Fortbildungen zum kultursensiblen
    Luxemburg kommen, sofort auf, wie multikulturell       Umgang mit älteren Menschen können anhand
    sich die Luxemburger Gesellschaft zusammensetzt.       dieser Studienergebnisse aktualisiert und bedarfs-
                                                           orientiert weiter ausgebaut werden. In diesem Sin-
    Wir bei GERO sehen diese Vielfalt als eine Bereiche-
                                                           ne soll der Aspekt der interkulturellen Diversität ein
    rung für unser Land und gleichzeitig auch als eine
                                                           Stück weit in den öffentlichen Fokus gerückt und
    Herausforderung.
                                                           als der bereichernde Mehrwert begriffen werden,
    Dieses besondere gesellschaftliche Profil, das sich    den er in der multikulturellen Gesellschaft Luxem-
    aktuell vor allem in der erwerbstätigen Bevölke-       burgs bereits innehat.
    rung zeigt, wird in den kommenden Jahren auch
    immer mehr auf ältere Menschen zutreffen.

                                                                                             Alain Brever
                                                           Direktor des GERO – Kompetenzzenter fir den Alter

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AKTIVES ALTERN IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT IN LUXEMBURG - ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH, CATHERINE RICHARD & NADIA ...
VORWORT
   DER DIREKTORIN DES LDFC

                                                                      Foto: © privat
Nicht erst seit die WHO im Jahre 2002 das Thema        Die Ergebnisse von PAN-VAL liefern aber auch Hin-
„Active Ageing“ in ein politisches Rahmenmodell        weise darauf, wie man vielen dieser Menschen die
überführt hat, wissen wir, dass aktives Altern im      Möglichkeiten zur sozialen Einbindung und damit
Sinne der Ermöglichung von Teilhabe, Gesundheit        auch zur aktiven Teilhabe am Leben eröffnen kann.
und Sicherheit es Menschen erlaubt, zufriedener
                                                       Wenn wir diese Ergebnisse ernst nehmen und der
zu Altern. Aktiv zu Altern ist allerdings auch immer
                                                       Vielfalt des Alterns Rechnung tragen, können wir
mehr zu einer Erwartung an ältere Menschen ge-
                                                       dazu beitragen, dass auch in den kommenden
worden, der nicht alle Menschen gerecht werden
                                                       Jahren aktives, selbstbestimmtes und zufriedenes
können.
                                                       Altern für möglichst viele Menschen in Luxemburg
Das PAN-VAL Projekt trägt dieser Heterogenität         möglich sein wird.
der Leben(sbedingungen) älterer Menschen Rech-
nung, indem es auf die Vielfalt der Bedürfnisse äl-
terer Menschen mit unterschiedlichen Hintergrün-
den eingeht und diese explizit macht. Wir sehen,
dass nicht alle Menschen die gleichen Möglichkei-
ten haben, aktiv zu altern.

                                                                           Prof. Dr. Anna E. Kornadt
      Direktorin des Instituts für Lebensspannenentwicklung, Familie und Kultur, Universität Luxemburg

                      Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                          5
AKTIVES ALTERN IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT IN LUXEMBURG - ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH, CATHERINE RICHARD & NADIA ...
DANKSAGUNG

    Das Projekt „Le Vieillissement Actif au Luxembourg:         relevanten Fragen zu formulieren und den Zugang
    Besoins des résidents luxembourgeois et non-luxem-          zu interessierten Studienteilnehmer*innen zu er-
    bourgeois et leur participation et non-participation        langen.
    aux activités offertes par les différents services“ wurde
                                                                Wir bedanken uns außerdem für die professionelle
    aus der gemeinsamen Idee von engagierten Köp-
                                                                Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut Quest,
    fen seitens der Universität Luxemburg und GERO
                                                                das uns beratend zur Seite stand und die aufwen-
    geboren. Durch den kooperativen Zusammen-
                                                                dige quantitative Datenerhebung durchgeführt
    schluss von Forschung und Praxis kristallisierte sich
                                                                hat. Ohne diese Zusammenarbeit wäre es nicht
    schnell eine Projektskizze heraus, die dem Projekt-
                                                                möglich gewesen, einen solch umfangreichen und
    aufruf 2020 im Rahmen des Nationalen Integra-
                                                                repräsentativen Datensatz zu erheben.
    tionsplans (PAN) der Abteilung für Integration des
    Ministeriums für Familie, Integration und die Groß-         Weiter bedanken wir uns bei den studentischen
    region vorgelegt wurde.                                     Hilfskräften und den Student*innen, die im Rah-
    Das ambitionierte Vorhaben des Projektes – eine             men ihrer Abschlussarbeiten am Projekt beteiligt
    präzisere Bestandsaufnahme über die Nutzung                 waren und ohne deren Unterstützung die zeitauf-
    bzw. Nicht-Nutzung der sozialen Angebote in Lu-             wendigen Transkriptionen und inhaltsanalytischen
    xemburg und ein differenziertes Bild über mögli-            Auswertungen der Interviews nicht so schnell von
    che Beweggründe für und gegen die Teilnahme zu              Hand gegangen wären.
    erlangen – war nur durch die tatkräftige Unterstüt-         Ebenso bedanken wir uns bei den Kolleg*innen in
    zung einer Vielzahl von mitwirkenden Personen               Deutschland und der Schweiz, die unserer Einla-
    möglich.                                                    dung zu Workshops und Konferenzen im Rahmen
    An erster Stelle danken wir dem Ministerium für             des Projektes gefolgt sind – der fachliche Aus-
    Familie, Integration und die Großregion für die fi-         tausch mit ihnen hat uns geholfen, unsere Ergeb-
    nanzielle Förderung dieses Projektes und die Ver-           nisse besser einzuordnen und mit bereits vorhan-
    längerung um 6 Monate, die uns gütiger Weise                denen Studien im Ausland zu vergleichen.
    bewilligt wurde.                                            Abschließend möchten wir explizit allen teil-
    Ein besonderer Dank gilt dem Lenkungsausschuss              nehmenden Personen für ihr Vertrauen und ihr
    des PAN-VAL Projekts, der Verantwortungsträ-                Interesse danken, das sie uns und dem Projekt
    ger*innen aus den Partnergemeinden, Clubs Se-               entgegengebracht haben. Ohne ihre Offenheit
    niors, Altenverbänden und dem Ministerium sowie             und Partizipation – sei es in Form von Interviews,
    mehrere interessierte Studierende versammelte               per Telefon oder online Fragebogen – wären uns
    und den Verlauf des Projektes über den gesam-               wichtige Erkenntnisse zum besseren Verständnis
    ten Zeitraum unterstützend begleitete. Nur durch            der heterogenen Bedarfs- und Interessenlage der
    den Austausch mit diesen Schlüsselpersonen war              älteren Bevölkerung in Luxemburg weiterhin ver-
    es möglich, gemeinsam die für unsere Zielgruppe             schlossen geblieben.

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AUTOR*INNEN

    TEAM                                               TEAM
    UNIVERSITÄT                                        GERO
    LUXEMBURG

    Dr. Isabelle Albert ist Psy-                       Dr. Martine Hoffmann ist
    chologin und arbeitet als                          Psychologin und Psycho-
    Wissenschaftlerin am Ins-                          therapeutin und leitet den
    titut für Lebensspannen-                           Bereich für angewandte For-
    entwicklung, Familie und                           schung (geroRESEARCH) im
    Kultur. Sie ist Mitglied des                       GERO – Kompetenzzenter fir
    Forschungsschwerpunktes                            den Alter. Ihre Interessens-
    „Migration and Inclusive So-                       schwerpunkte sind in den
    cieties“ (MIS) der Fakultät                        Bereichen der Präventions-
    für Geisteswissenschaften,                         und Interventionsforschung
    Erziehungswissenschaften                           im Lebensspannenkontext
    und Sozialwissenschaften. In                       angesiedelt. Die Förderung
    ihrer Forschung beschäftigt                        eines aktiven gemeinsamen
    sie sich mit intergenerationa-                     Älterwerdens in einer sich
    len Familienbeziehungen im                         ständig wandelnden Gesell-
    Kontext von Migration und                          schaft steht dabei im Mittel-
    Alter, der Weitergabe von                          punkt.
    Werthaltungen von einer
    Generation zur nächsten, mit
    kultureller Identität, dem Ge-                     Petra Vandenbosch ist Sozi-
    fühl der Zugehörigkeit und                         alpädagogin und Beauftragte
    mit Einsamkeit.                                    für Interkulturalität bei GERO
                                                       – Kompetenzzenter fir den
                                                       Alter. Im Fokus ihrer Arbeit
    Catherine Richard arbeitet                         stehen die Sensibilisierung
    zurzeit als Forschungsspe-                         für kulturelle Vielfalt und Di-
    zialistin an der Universität                       versität der älteren Menschen
    Luxemburg. Sie hat einen                           in Luxemburg, die Vermitt-
    interdisziplinären Hinter-                         lung interkultureller Kompe-
    grund und arbeitete viele                          tenzen in der Altenarbeit und
    Jahre als Dokumentarregis-                         transnationale Vernetzung.
    seurin, bevor sie begann, an
    Forschungsprojekten mit-
    zuarbeiten. Ihre Interessens-                      Nadia Bemtgen (MSc Medi-
    schwerpunkte liegen auf                            cal Anthropology) ist Koordi-
    Migration und insbesondere                         nationsbeauftragte der Clubs
    auf den psychosozialen Aus-                        Seniors. In enger Zusammen-
    wirkungen von Migration, In-                       arbeit mit dem Familienmi-
    tegration und partizipativer                       nisterium koordiniert sie die
    Aktionsforschung.                                  20 Clubs Seniors auf nationa-
                                                       ler Ebene.

    Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                          7
AKTIVES ALTERN IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT IN LUXEMBURG - ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH, CATHERINE RICHARD & NADIA ...
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

    AUSGANGS-                                            AUSGEWÄHLTE ERGEBNISSE:
    ÜBERLEGUNGEN                                         HINDERNISSE DER TEILNAHME

       →D
         ie Luxemburgische Bevölkerung wird                → Sprache kann ein praktisches oder emo-
          nicht nur älter, sondern auch kulturell              tionales Hindernis zur Teilnahme an or-
          diverser. Fast 20 Prozent der Gesamtbe-              ganisierten Aktivitäten sein.
          völkerung Luxemburgs sind älter als 60
          Jahre, davon sind ein Drittel Nicht-Lu-           → Ein geringes Zugehörigkeitsgefühl zur
          xemburger*innen.                                     lokalen Bevölkerung kann eine Hemm-
                                                               schwelle für die Teilnahme an Aktivitäten
       → Ä ltere Menschen sind keine homogene                 darstellen. Dies gilt nicht nur für Zuge-
          Gruppe. Menschen verlieren nicht ihre                zogene, sondern auch für langjährige
          Individualität im Alter. Vielmehr kön-               Einwohner, die sich mit strukturellen
          nen sich Menschen gleichen Alters so-                Veränderungen ihrer Wohngemeinde
          gar stärker voneinander unterscheiden                konfrontiert sehen.
          als ein durchschnittlicher „junger“ von
          einem durchschnittlichen „alten“ Men-             → Gruppengrößen bei organisierten Aktivi-
          schen.                                               täten entsprechen nicht immer den Be-
                                                               dürfnissen, vor allem bei Personen, die
       → Soziale Einbindung ist ein zentraler Bau-            sich in großen Gruppen eher unwohl
          stein für aktives und gesundes Altern.               fühlen.

       → S oziale Angebote erreichen nicht alle glei-      → Jüngere und ältere Senior*innen können
          chermaßen. Obwohl landesweit vieler-                 unterschiedliche Interessen haben und
          orts soziale Aktivitätsangebote für ältere           benötigen entsprechende Angebote.
          Menschen bestehen, werden diese nicht
          von allen potentiellen Nutzer*innen und           → Gesundheitliche Probleme können ein
          Zielgruppen in Anspruch genommen.                    Hindernis für die Partizipation darstellen.

       → S oziale Isolation, Einsamkeit und das Ge-        → Anderweitige Beschäftigungen (z.B. Pflege
          fühl nicht Dazuzugehören können psy-                 eines Angehörigen, Aufgaben in der Fa-
          chologische Hürden darstellen, die eine              milie) können die Teilnahme erschweren.
          Teilnahme an sozialen Angeboten er-
          schweren. Ältere Menschen mit Migra-
          tionserfahrung sind diesbezüglich be-
          sonders gefährdet.

8                      Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
EMPFEHLUNGEN FÜR
POLITIK UND PRAXIS

    → „ Lessons learned“: Nicht alle älteren Men-      → Bedarfsorientierte, wohnortnahe, niedrig-
       schen wollen oder brauchen soziale Ak-              schwellige, zugängliche soziale Angebote
       tivitätsangebote. Aber diejenigen, die              schaffen.
       sie wollen oder brauchen, finden nicht
       immer den Zugang dazu. Auch decken               → Wertschätzende und kultursensible Will-
       bestehende soziale Aktivitätsangebote               kommenskultur etablieren, fördern und
       nicht immer Bedarf und Interessen der               ins institutionelle Leitbild aufnehmen.
       diversen Population älterer Menschen
       in Luxemburg ab. Und an diesen Stellen           → I nterkulturelle Kompetenzen fördern
       muss angesetzt werden!                              durch systematische Sensibilisierung
                                                           und Schulung der in der Altenarbeit täti-
    → Zielgruppe kennen, für die man Aktivitä-            gen Mitarbeiter*innen.
       ten anbieten möchte, sich mit ihren Be-
       dürfnissen und Wünschen auseinander-
       setzen, um sie gezielt ansprechen und
       auf sie zugehen zu können.

    → Schlüsselpersonen einbinden (ältere en-
       gagierte Mitbürger, erwachsene Kinder
       von Senior*innen, etc.), die sowohl als
       Vermittler*innen einbezogen werden
       können, um Teilnehmer*innen zu errei-
       chen als auch als Inspirationsquelle für
       die Planung innovativer Aktivitäten und
       neuer Konzepte zum Einsatz kommen.

    → Gemeinsamkeiten schaffen (durch die
       Wertschätzung der Biographie des ein-
       zelnen und durch gemeinsame neue Er-
       fahrungen).

                   Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                         9
INHALTSVERZEICHNIS

     12   Einleitung

     16   Datenerhebung

          17         Quantitativer Survey
          18         Qualitative Interviews

     20   Ausgewählte Ergebnisse

          21         Allgemeine und bereichsspezifische Lebenszufriedenheit
          22         Soziales Netzwerk und Kontakte
          26         Corona-Pandemie
          27         Gefühl der Zugehörigkeit
          29         Diskriminierungserfahrungen und sprachliche Schwierigkeiten
          30         Präferenzen hinsichtlich der Sprache
          30         Freizeitaktivitäten
          31         Mitgliedschaft in Vereinen
          32         Gründe für die Teilnahme und Nicht-Teilnahme an Aktivitäten

     36   Unterschiedliche Aktivitätsprofile

          37         Sehr Engagierte
          37         Durchschnittlich/wenig Beteiligte
          38         Nicht Eingebundene

10               Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
40   Einige Lehren aus der PAN-VAL Studie

     41          Sich willkommen fühlen
     41          Schlüsselpersonen
     41          Zukunftserwartungen 50+
     42          Struktureller Wandel und steigende Diversität

44    ntwurf eines Rahmenkonzeptes zur Schulung
     E
     der interkulturellen Kompetenzen in der Altenarbeit

     45   	Modul 1: Sensibilisierung – Bewusstsein schaffen für das
                      Sosein meines Gegenübers
     49     Modul 2: Offenheit und wertschätzende Begegnung
     51     Modul 3: Gemeinsamkeiten schaffen
     53     Modul 4: Good practices und Vernetzung
     53     Modul 5: Interkulturelle Mediation

             Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg   11
EINLEITUNG

     Das Alter ist eine vielfältige Lebensphase, die zu-     zogtum gezogen sind. Während in den Jahren des
     nehmend an Bedeutung gewinnt. Der Anteil älte-          wirtschaftlichen Aufschwungs bis in die 1970er
     rer Menschen in der Bevölkerung ist in den letzten      Jahre viele Zuwanderer*innen in der Industrie
     Jahren im Zuge des demographischen Wandels              Arbeit fanden, gewann der Finanzsektor seit den
     überall in Europa und in vielen Teilen der Welt ge-     1970er Jahren zunehmend an Bedeutung, auch
     stiegen. Menschen werden älter – wer heute in           der Service- und Bausektor sind weiterhin wich-
     Luxemburg geboren wird, hat eine durchschnitt-          tige Arbeitgeber. Daneben bieten zahlreiche Nie-
     liche Lebenserwartung von über 80 Jahren – und          derlassungen internationaler Unternehmen und
     gleichzeitig steigt auch die kulturelle Diversität in   supranationale Institutionen Beschäftigung für
     den älteren Altersgruppen. Dieser Trend zeigt sich      Hochqualifizierte. Unter den heute in Luxemburg
     besonders deutlich im Großherzogtum. Fast 20            lebenden Ausländer*innen finden sich daher so-
     Prozent der Gesamtbevölkerung Luxemburgs sind           wohl dauerhaft ansässige Personen als auch Fach-
     älter als 60 Jahre, wobei ein Drittel davon nicht die   und Führungskräfte, die für einen bestimmten
     luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzt. Zwar        Zeitraum im Rahmen ihrer Beschäftigung in inter-
     ist der Anteil an Nicht-Luxemburger*innen in den        nationalen Unternehmen ins Großherzogtum
     älteren Bevölkerungsgruppen damit noch geringer         gekommen sind, sowie eine große Anzahl von
     als in der Gesamtbevölkerung, dieser wird jedoch        Beamt*innen, die für die EU Institutionen arbei-
     in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach wei-      ten (siehe Albert & Heinz, 2021). Die Diversität der
     ter steigen – unter den 50- bis 59-Jährigen sind        älteren Altersgruppen wird also auch im Hinblick
     schon heute 48,5 Prozent Nicht-Luxemburger*in-          auf sozio-ökonomische Aspekte in den nächsten
     nen (STATEC, 2020). Dabei zeichnet sich Luxem-          Jahren weiter steigen.
     burg durch eine hohe kulturelle Diversität aus
     – 170 verschiedene Nationalitäten sind vertreten,       Das Älterwerden ist mit einer Reihe von Heraus-
     wobei portugiesische, französische, italienische,       forderungen, aber auch neuen Chancen und Mög-
     belgische und deutsche Staatsbürger*innen den           lichkeiten verbunden. Insbesondere der Über-
     größten Anteil ausmachen.                               gang vom Erwerbsleben ins Rentenalter erfordert
                                                             Anpassungsleistungen und Neuorientierungen.
     Ältere Menschen bilden per se keine homogene            Dabei kann das aktive Altern entscheidend zur Le-
     Gruppe. Vielmehr können sich Menschen gleichen          bensqualität älterer Menschen beitragen, soziale
     Alters sogar stärker voneinander unterscheiden als      Einbettung fördern sowie sozialer Isolation und
     ein durchschnittlicher „junger“ von einem durch-        Einsamkeit vorbeugen. Einsamkeit und soziale
     schnittlichen „alten“ Menschen (Lang et al., 2020).     Isolation sind zwar nicht an ein bestimmtes Le-
     Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse             bensalter gebunden, jedoch können ältere Men-
     und Interessen. Neben kulturellen und individuel-       schen besonders davon betroffen sein aufgrund
     len Faktoren spielen hierbei auch sozio-ökonomi-        von Übergängen und Verlusten, eingeschränk-
     sche Faktoren wie Bildungsstand oder Position am        ter Mobilität oder Gesundheit (NASEM, 2020).
     Arbeitsmarkt eine Rolle (Karl et al., 2017; Wurm et     Dabei beschreibt soziale Isolation das objekti-
     al., 2010). Auch hierbei weist die Bevölkerung in       ve Fehlen von Netzwerkpersonen, Einsamkeit
     Luxemburg eine große Diversität auf – auch und          hingegen das Gefühl, über ein unzureichendes
     vor allem unter den Nicht-Luxemburger*innen,            Netzwerk oder vertraute Bezugspersonen zu ver-
     die aus unterschiedlichen Gründen ins Großher-          fügen (Perlman & Peplau, 1984). Die Forschung

12                         Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
zu den Folgen sozialer Isolation und Einsamkeit         Altern zwar mit persönlichen Entscheidungen zu-
hat deutliche negative Effekte in Bezug auf die         sammenhängen und in der Verantwortung des
kognitive und körperliche Gesundheit sowie auf          einzelnen liegen, diese aber stark vom Kontext
das subjektive Wohlbefinden aufgezeigt, zudem           abhängen, in dem die Menschen leben und der
besteht auch ein Zusammenhang mit einem hö-             durch die Politik geprägt wird (European Commis-
heren Mortalitätsrisiko (Holt-Lunstad et al., 2015).    sion, 2021).
Studien haben außerdem gezeigt, dass Personen
mit Migrationshintergrund ein größeres Risiko für       In Luxemburg fördert die Politik seit den 1990er
Einsamkeit und soziale Isolation aufweisen (Burholt     Jahren das „aktive Altern“, wobei die Förderung
et al., 2020; Fokkema & Ciobanu, 2021). Sie haben       der Gesundheit, die soziale Teilhabe älterer Men-
mitunter kleinere oder weniger zufriedenstellende       schen, die Integration von Nicht-Luxemburger*in-
soziale Netzwerke im Aufnahmeland, da Netzwerk-         nen und die Intergenerationalität im Mittelpunkt
mitglieder zurückgelassen wurden (Ciobanu et al.,       stehen (MiFa, Tätigkeitsbericht 2018). Auf dem
2017; Wu and Penning, 2015). Umso wichtiger ist         Active Ageing Index befindet sich Luxemburg
es, im Aufnahmeland Möglichkeiten der sozialen          im Vergleich zu anderen EU-Ländern im oberen
Einbindung zu schaffen und das Gefühl der Zuge-         Mittelfeld und erlangte insbesondere in den Di-
hörigkeit zu stärken (siehe auch Albert, 2021; Franz,   mensionen der sozialen Teilhabe sowie eines för-
2021).                                                  derlichen Umfelds und der Fähigkeit zum aktiven
                                                        Altern gute Werte (Karpinska & Dykstra, 2015). Je-
Eine Überblicksstudie von Adams und Kolleg*in-          doch zeigten Walker und Zaidi (2016) auf, dass be-
nen (2011) fasste eine Reihe von Forschungsergeb-       züglich des aktiven Alterns nicht nur Unterschiede
nissen in verschiedenen Ländern und Kulturen zu-        zwischen verschiedenen Ländern bestehen, son-
sammen, die zeigten, dass soziale, freizeitbezogene     dern auch innerhalb der Länder. Für Luxemburg
und produktive Aktivitäten mit dem subjektiven          hat Oliveira (2018) hierbei insbesondere Unter-
Wohlbefinden älterer Menschen zusammenhän-              schiede zwischen verschiedenen Altersgruppen
gen. Dabei hat aktives Altern nicht nur einen posi-     sowie Geschlechtsunterschiede aufgezeigt. Der
tiven Effekt auf die Gesundheit, das Wohlbefinden       sozio-ökonomische Status hat ebenfalls einen Ein-
und die Autonomie älterer Erwachsener selbst,           fluss auf die Aktivitäten Älterer. So konnten Wurm
sondern ist auch wesentlich im Umgang mit den           und Kollegen (2010) beispielsweise zeigen, dass
Herausforderungen des demographischen Wan-              Personen mit höherem Bildungsstand sich häufi-
dels und somit für das Wohlergehen der Gesell-          ger sportlich betätigen, was wiederum einen posi-
schaft insgesamt (Zaidi & Howse, 2017).                 tiven Effekt auf ihre Gesundheit, kognitive Kapazi-
                                                        täten und das subjektive Wohlbefinden hat. Auch
Schon seit 2002 betont die Weltgesundheits­             haben weitere Studien gezeigt, dass Menschen
organisation die Wichtigkeit des aktiven Alterns        mit Migrationshintergrund mitunter weniger stark
zur Förderung der Gesundheit und Teilhabe äl-           eingebunden sind und im Aufnahmeland weniger
terer Menschen (WHO, 2002) und die EU erklärte          von Angeboten für soziale Aktivitäten Gebrauch
das Jahr 2012 zum Europäischen Jahr für aktives         machen (Ehsan et al., 2021).
Altern und Solidarität zwischen den Generationen.
In ihrem rezenten Green Paper zum Alter betont          In Bezug auf die Gestaltung von Angeboten für
die EU Kommission, dass gesundes und aktives            eine heterogene und immer diversere Zielgruppe

                      Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                             13
ist es daher unerlässlich, deren Bedürfnisse sowie   Die PAN-VAL Studie
     Lebensbedingungen immer wieder neu zu evalu-
                                                          Ausgangspunkt des PAN-VAL Projekts „Aktives Al-
     ieren. Zielgerichtete Angebote können Menschen
                                                          tern in Luxemburg“, das in enger Zusammenarbeit
     bei der Gestaltung eines guten Lebens im Alter
                                                          zwischen der Universität Luxemburg und GERO
     unterstützen und ihnen helfen, ihr Leben nach
                                                          durchgeführt wurde, war die Frage, inwieweit so-
     ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten und
                                                          ziale Aktivitäten und Angebote von einer diversen
     gleichzeitig eingebunden zu bleiben. In diesem
                                                          Population genutzt werden.
     Zusammenhang ist es wichtig, das bestehende
     Angebot anzupassen und zu erneuern, um den
                                                          In der Studie wurden die Bedürfnisse und Erwar-
     Herausforderungen des demografischen Wandels
                                                          tungen von Menschen über 50 (Luxemburger*in-
     zu begegnen.
                                                          nen und Nicht-Luxemburger*innen) in Bezug auf
                                                          ihre sozialen Netzwerke, ihr soziales Eingebun-
                                                          densein, ihre Freizeitaktivitäten innerhalb ihrer
                                                          Gemeinde und ihr Zugehörigkeitsgefühl sowie
                                                          ihre Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbe-
                                                          reichen untersucht. Gleichzeitig zielte die Studie
                                                          darauf ab, zu ermitteln, welche Faktoren eine Teil-
                                                          nahme begünstigen und was Menschen daran
                                                          hindert, an öffentlichen Freizeitangeboten teilzu-
                                                          nehmen.

                                                          In der vorliegenden Broschüre werden die wich-
                                                          tigsten Ergebnisse der quantitativen und der qua-
                                                          litativen Teilstudien zusammengeführt sowie im
                                                          Anschluss daran Hinweise für die Gestaltung von
                                                          Angeboten gegeben. Hierbei werden Module prä-
                                                          sentiert, um ältere Menschen mit Migrationshin-
                                                          tergrund besser einzubeziehen und Dienstleistun-
                                                          gen für ein aktives Altern einer immer diverseren
                                                          Zielgruppe zu entwickeln.

                                                          Die Broschüre richtet sich damit an alle, die sich
                                                          mit der Gestaltung von Angeboten für soziale Ak-
                                                          tivitäten – für Ältere, aber nicht nur – im Kontext
                                                          kultureller Diversität befassen.

14                        Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
PARTNERGEMEINDEN
DES PAN-VAL PROJEKTS

                                                 Das Projekt fand in Partnerschaft
                                                 mit ausgewählten Gemeinden
                      Clerf                      im Süden, Zentrum und Norden
                                                 von Luxemburg statt.

                                        Ettelbrück

                              Mersch

       Differdingen

        Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                  15
DATEN
     ERHEBUNG

16     Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
Die vorliegende Studie verfolgte einen gemisch-            antizipieren, wurden Teilnehmer*innen ab 50
ten Methodenansatz, bei dem sowohl eine landes-            Jahren1 einbezogen. Damit trägt die Studie auch
weite repräsentative quantitative Fragebogener-            der Kontinuität der Entwicklung über die Lebens-
hebung sowie vertiefende qualitative Interviews            spanne Rechnung – wer früher aktiv war, wird dies
in ausgewählten Partnergemeinden stattfanden.              wahrscheinlich auch später eher bleiben (Atchley,
Um die Bedürfnisse der Älteren von morgen zu               1989).

QUANTITATIVER SURVEY
Die Fragebogenerhebung an insgesamt N = 1000                       → Allgemeine Indikatoren des aktuellen
Teilnehmer*innen (51% Frauen, 49% Männer) er-                             Wohlbefindens (allgemeine und be-
folgte vom 3.-15. Dezember 2020 durch das Um-                           reichsspezifische Zufriedenheit)
frageinstitut Quest. Dabei wurde eine kombinierte                  →      Soziale Kontakte und Isolation (Umfang
Erhebungsmethode aus Online- (n = 313) sowie                               des sozialen Netzwerks, Kontakthäufig-
Telefonbefragung (n = 687) durchgeführt. Es wur-                        keit)
den Personen aus 97 der 102 luxemburgischen                        →       Sozial- und Vereinsleben (Aktivitäten,
Gemeinden befragt. Von den Befragten wohnten                            Vereinsleben, Angebotspräferenzen, Mo-
33,8 Prozent im Süden, 42 Prozent im Zentrum,                           tivation zur Teilnahme, Hindernisse)
12,6 Prozent im Norden, 11,6 Prozent im Osten des                  →    Einsamkeit vor und seit der Corona-Pan-
Landes. Die Befragung erfolgte in den fünf Spra-                         demie
chen LU, DE, FR, PT, EN. Der Fragebogen enthielt                   →   Identifikation und Interkulturalität (Zuge-
insgesamt 13 Blöcke mit Fragen zu den folgenden                         hörigkeitsgefühl, Diskriminierung)
Themenbereichen:                                                   →     A ktives Altern (Altersselbstbilder)
                                                                   →     S oziodemographische Aspekte

Tabelle 1
Quantitative Stichprobe
  3 Repräsentative
  Altersgruppen

  50 – 59 Jahre:        Luxemburger*innen: Nicht-Luxemburger*innen:             Doppelte Staatsangehörigkeit:
  42%                   50%                     37,4%                           12,6%

  60 – 69 Jahre:        Luxemburger*innen: Nicht-Luxemburger*innen:             Doppelte Staatsangehörigkeit:
  29%                   50%                     33,1%                           16,9%

  70+:                  Luxemburger*innen: Nicht-Luxemburger*innen:             Doppelte Staatsangehörigkeit:
  29%                   60,4%                   24,8%                           14,8%

1	Die spezifischen Angebote für Ältere (z.B. Club Senior) richten sich an Personen ab 60 Jahren. Dennoch war es
   für die vorliegende Studie wichtig, auch jüngere Personen miteinzubeziehen, um die Bedürfnisse der Älteren
   „von morgen“ erheben zu können, an die sich die zukünftigen Angebote richten werden.

                        Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                                   17
Von den Befragten waren 58,3 Prozent in Luxem-           Die Mehrzahl der Befragten (86,8%) gab an, Be-
     burg geboren, die im Ausland Geborenen hat-              sitzer ihres Eigenheims zu sein. Zum Zeitpunkt
     ten durchschnittlich bereits M = 33,4 Jahre (SD          der Befragung waren noch 38,7 Prozent der Be-
     = 14,5) in Luxemburg verbracht. Fast die Hälfte          fragten erwerbstätig, 81,4 Prozent hatten einen
     (49,5%) gab an, eine*n Partner*in zu haben, der          höheren Bildungsabschluss (d.h. Sekundarschul-,
     oder die in Luxemburg geboren wurde. Ins-                Hochschul- oder Berufsabschluss). Was die Zu-
     gesamt waren 75,1 Prozent zum Zeitpunkt der              kunftspläne angeht, so gaben insgesamt 13,9
     Befragung in einer Partnerschaft und 83,3 Pro-           Prozent an, ins Ausland ziehen zu wollen – bei
     zent gaben an, Kinder zu haben. Fast ein Viertel         den Nicht-Luxemburgern waren es sogar 23,7
     der Befragten (23,3%) gab an, alleine zu leben.          Prozent.

     QUALITATIVE INTERVIEWS
     Vom 8. Dezember 2020 bis zum 20. Februar 2021            Der Interviewleitfaden enthielt 41 Fragen in 7 ver-
     fanden leitfadengestützte Interviews mit n = 39          schiedenen Rubriken:
     Teilnehmer*innen aus vier ausgewählten Gemein-
     den in unterschiedlichen Landesteilen statt – Dif-             → Allgemeines Profil der Teilnehmer*innen
     ferdingen im Süden, Mersch im Zentrum sowie                    →G  efühl der Zugehörigkeit der
     Ettelbrück und Clerf im Norden. Diese Gemeinden                    Teilnehmer*innen
     wurden sowohl aufgrund ihrer geographischen                    →   S oziales Netzwerkprofil der
     Lage – um verschiedene Landesteile abzudecken                      Teilnehmer*innen
     – als auch aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur                 →   A ktivitäten in der Gruppe
     ausgewählt. Die Teilnehmer*innen wurden über                   →   E inzelaktivitäten
     verschiedene Kanäle rekrutiert (z.B. Zeitungen der
     Partnergemeinden, Internetseiten, soziale Einrich-
                                                                    →   A uswirkungen der Coronavirus-
                                                                        Pandemie
     tungen und Dienste, Vereine und Verbände, Netz-
     werke, Schlüsselpersonen in den Gemeinden). Die                →   Z usatzfrage bei Erwerbstätigkeit:
     Befragten waren zwischen 51 und 85 Jahre alt2, da-                 Zukunftserwartungen bezüglich des
     runter 21 Frauen und 18 Männer. 20 Teilnehmer*in-                  Ruhestandes
     nen besaßen die luxemburgische Staatsbürger-             Ziel der qualitativen Interviews war es, erleich-
     schaft, 14 eine ausländische und 5 eine doppelte         ternde und hinderliche Faktoren der Teilnahme an
     Staatsbürgerschaft. Die Nicht-Luxemburger*innen          sozialen Aktivitäten zu identifizieren und heraus-
     wiesen eine hohe Diversität auf, wobei vor allem         zufinden, welche Bedürfnisse und Wünsche ältere
     europäische (darunter IT, FR, BE, DE, PT, UK, NL, ES),   Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
     aber auch außereuropäische Staatsbürgerschaften          bezüglich der angebotenen gemeinschaftlichen
     vertreten waren. Die Interviews fanden entweder          Aktivitäten (z.B. in Vereinen und Clubs) haben, um
     persönlich, per Telefon oder online statt.               so die aktive Teilnahme von weniger eingebunde-
                                                              nen Senior*innen fördern zu können.
                                                              Im Hinblick auf die Stichprobengröße der qualita-
                                                              tiven Studie wurden Empfehlungen aus der Litera-
                                                              tur befolgt (z. B. Grounded Theory, Ethnographie;
                                                              für einen Überblick siehe Saunders et al., 2018).
     2	Die hier berichteten Analysen beziehen sich vor
        allem auf die Teilnehmer*innen bis 75 Jahre,          Die endgültige Stichprobengröße wurde im Laufe
        die den größten Teil der Stichprobe ausmachen.        der Studie anhand der Sättigungskriterien unter
        Die Gespräche mit älteren Befragten lieferten         Berücksichtigung der Vielfalt der Zielgruppe er-
        allerdings wichtige Hinweise bezüglich spezifischer   mittelt und auf insgesamt 39 Teilnehmer*innen
        Interessen und Bedürfnisse der verschiedenen          festgelegt. Die Befragungen fanden auf Luxem-
        Altersgruppen (in Bezug auf drittes und viertes       burgisch, Französisch, Deutsch, Englisch und Por-
        Alter).                                               tugiesisch statt.

18                          Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
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                                         Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg   19
AUSGEWÄHLTE
     ERGEBNISSE

20     Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
ALLGEMEINE UND BEREICHS­SPEZIFISCHE
LEBENSZUFRIEDENHEIT
Die Befragten zeigten im Allgemeinen und über          ben sie an, zufrieden zu sein oder wählten modera-
die verschiedenen Lebensbereiche hinweg eine           te Werte; ähnlich war dies bei den Erwerbstätigen
große Zufriedenheit (siehe Abbildung 1).               und den Alleinlebenden der Fall.
Die meisten der Befragten (89%) gaben an, mit          Mit Bezug auf die verschiedenen Lebensbereiche
ihrem Leben insgesamt zufrieden oder sogar sehr        zeigte sich, dass die meisten mit ihrer Familie und
zufrieden zu sein. Während sich geschlechtsspezi-      ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden oder so-
fisch in etwa dieselben Zufriedenheitswerte zeig-      gar sehr zufrieden waren (84% und 85%). In ein-
ten, ergaben sich geringe Unterschiede für die         zelnen Bereichen war die Zufriedenheit etwas we-
verschiedenen Altersgruppen – unter den 50-bis         niger stark ausgeprägt, aber dennoch hoch – 79
59-Jährigen gaben im Vergleich zu den Älteren          Prozent waren mit ihrem sozialen Leben zufrieden.
etwas weniger Befragte an, sehr zufrieden zu sein;     Mit ihrem aktuellen Gesundheitsstatus, mit ihrem
dafür gaben aber auch weniger Personen aus die-        Freundschaftsnetzwerk und der Art und Weise,
ser Altersgruppe an, unzufrieden zu sein. Auch ga-     wie man seine Freizeit verbringt waren rund drei
ben unter den Nicht-Luxemburger*innen weniger          Viertel der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden
Befragte an, sehr zufrieden zu sein – häufiger ga-     (jeweils 76%).

Abbildung 1
In normalen Zeiten und in dem Versuch, die aktuelle Situation der Corona-Krise zu ignorieren,
wie zufrieden sind Sie mit

... Ihrem Leben im Allgemeinen? (n=994)

                     40%                                            49%                              9%        2% 1%
... Ihrem Familienleben? (n=994)

                    39%                                         45%                            12%             3% 1%
... Ihrer wirtschaftlichen Situation? (n=998)

               32%                                            53%                               11%            3%
... Ihrem sozialen Leben? (n=993)

             29%                                       50%                               15%               5% 2%
... Ihrem derzeitigen Gesundheitszustand? (n=998)

             29%                                      47%                             15%                 7%     3%
... Ihrem Freundeskreis? (n=992)

             29%                                      47%                               18%                5% 2%
... der Art und Weise, wie Sie Ihre Freizeit verbringen? (n=995)

            27%                                      49%                                18%                5% 1%

   sehr zufrieden          zufrieden       durchschnittlich           unzufrieden        sehr unzufrieden

                       Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                                     21
Unterschiede ergaben sich zwischen den Luxem-            Prozent mit ihrem Freundeskreis zufrieden oder
     burger*innen und Nicht-Luxemburger*innen ins-            sehr zufrieden. Auch mit der ökonomischen Si-
     besondere in Bezug auf soziale Aspekte: Nur 72           tuation waren Einheimische und diejenigen mit
     Prozent der Nicht-Luxemburger*innen waren je-            doppelter Staatsangehörigkeit zufriedener als
     weils mit ihrem sozialen Leben sowie mit der Art         Nicht-Luxemburger*innen. Bezüglich der Wahr-
     und Weise, wie sie ihre Freizeit verbringen, zufrie-     nehmung der Gesundheit hingegen fielen die Ein-
     den oder sehr zufrieden im Vergleich zu 83 Prozent       schätzungen der Befragten ungefähr gleich aus.
     und 78 Prozent der Luxemburger*innen und 80
     Prozent und 79 Prozent derjenigen mit doppel-            Ein Blick auf die unterschiedlichen Altersgruppen
     ter Staatsangehörigkeit. Insbesondere waren die          zeigte außerdem, dass es unter den 60- bis 69-Jäh-
     Nicht-Luxemburger*innen weniger zufrieden mit            rigen die meisten Zufriedenen hinsichtlich des so-
     ihrem Freundschaftsnetzwerk: Nur rund zwei Drit-         zialen Lebens, des Freundschaftsnetzwerks sowie
     tel (67%) gaben an, zufrieden oder sehr zufrieden        der Freizeitaktivitäten gab. Auch waren die Älteren
     mit ihrem Freundeskreis zu sein. Bei den Luxem-          zufriedener als die jüngeren Gruppen bezüglich
     burger*innen waren hingegen 79 Prozent und bei           ihrer ökonomischen Situation, Jüngere waren hin-
     denjenigen mit doppelter Staatsangehörigkeit 81          gegen etwas zufriedener mit ihrer Gesundheit.

     SOZIALES NETZWERK UND KONTAKTE
     Insgesamt zeigte sich, dass die Befragten weitge-        und es besteht eine große Variabilität in Bezug auf
     hend über Familien- und Freundschaftsnetzwerke           Größe und Zusammensetzung der Netzwerke. So
     verfügen, für einen Teil der Befragten ist das so-       hat knapp ein Viertel (24%) der Befragten nach
     ziale Netzwerk in Luxemburg jedoch beschränkt,           eigenen Angaben nur wenige Freunde und Ver-

     Abbildung 2
     Wir interessieren uns genauer für den Umfang Ihres sozialen Netzwerks.
     Wie viele der folgenden Personen gibt es?

     Enge Freunde und Vertrauenspersonen, die in Luxemburg leben?

      4%               24%                                  47%                                  26%
     Personen, auf die Sie zählen können, wenn Sie sie brauchen?

     2%                 29%                                          54%                                 15%
     Direkte Familienmitglieder, die in Luxemburg leben, aber nicht zu Ihrem Haushalt gehören?

               19%                     22%                            37%                          22%
     Direkte Familienmitglieder, die im Ausland leben?

                      29%                         27%                        24%                    21%
     Enge Freunde und Vertrauenspersonen, die im Ausland leben?

                  26%                            32%                               32%                    11%
     Enge Freunde und Vertrauenspersonen, die in einem anderen Land als Sie geboren wurden?

                      29%                          30%                               34%                       8%

          gar keine           wenige          einige              viele

22                            Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
trauenspersonen in Luxemburg, 4 Prozent haben            lienmitglieder, die im Ausland wohnen, und bei 43
sogar gar keine, und fast ein Drittel hat nur wenige     Prozent trifft dies auf Freunde und Vertrauensper-
(29%) oder gar keine (2%) Personen, auf die man          sonen zu (siehe Abbildung 2).
bei Bedarf zählen kann. Auch hat rund ein Fünf-
tel der Befragten (19%) keine erweiterte Familie in      Diese Besonderheiten erklären sich auch durch die
Luxemburg, also außerhalb des eigenen Haushalts          Zusammensetzung der Stichprobe: Ein Vergleich
lebende Angehörige im Großherzogtum. Ande-               der Netzwerke in Luxemburg verdeutlicht, wie un-
rerseits bestehen auch transnationale Netzwerke          terschiedlich diese teilweise von Luxemburger*in-
– sowohl was Familie als auch Freunde angeht:            nen und Nicht-Luxemburger*innen beschrieben
45 Prozent haben einige oder viele direkte Fami-         werden (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3
Das soziale Netzwerk in Luxemburg

Freunde und Vertraute                                    Freunde und Vertraute
(Luxemburger*innen)                                      (Nicht-
                                                         Luxemburger*innen)

Familienmitglieder                                       Familienmitglieder
(Luxemburger*innen)                                      (Nicht-
                                                         Luxemburger*innen)

   keine          wenige            einige              viele

Die Nicht-Luxemburger*innen und jene mit dop-            werke auch für einen Teil der luxemburgischen Be-
pelter Staatsangehörigkeit haben hingegen eher           fragten, von denen rund ein Viertel angibt, einige
transnationale Netzwerke als die Luxemburger*in-         (18%) oder sogar viele (6%) direkte Familienmitglie-
nen. Während 37 Prozent der Luxemburger*innen            der im Ausland zu haben.
keinerlei Freunde oder Vertrauenspersonen im
Ausland haben, ist dies nur bei 10 Prozent bzw. 16       Interessant ist auch die kulturelle Vielfalt der
Prozent der Nicht-Luxemburger*innen und denje-           Freundschaftsnetzwerke, die unter den Nicht-Lu-
nigen mit doppelter Staatsangehörigkeit der Fall.        xemburger*innen und jenen mit doppelter Staats-
Bezüglich familiärer Netzwerke im Ausland ist der        angehörigkeit größer ist als bei den luxemburgi-
Unterschied noch deutlicher: 46 Prozent der Lu-          schen Befragten. Von den Luxemburger*innen
xemburger*innen haben keine direkte Familie im           haben 40 Prozent keine Freunde, die in einem an-
Ausland gegenüber 9 Prozent der Nicht-Luxem-             deren Land als sie selbst geboren wurden im Ver-
burger*innen und 14 Prozent derjenigen mit dop-          gleich zu 15 Prozent der Nicht-Luxemburger*innen
pelter Staatsangehörigkeit. Auf der anderen Seite        und 18 Prozent derjenigen mit doppelter Staats-
zeigt sich hier die Wichtigkeit transnationaler Netz-    angehörigkeit.

                      Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                               23
Nationale und transnationale                            So zeigte sich, dass die Geselligen und die Fami-
                                                             lien-orientierten am zufriedensten mit ihrem so-
     Beziehungen im Fokus                                    zialen Leben waren, hingegen waren die auf die
     Um die Relevanz der nationalen und transnationa-        Familie im Ausland Fokussierten unzufriedener mit
     len Beziehungen für die Nicht-Luxemburger*innen         ihrem Freundschaftsnetzwerk und diejenigen mit
     und jene mit doppelter Staatsangehörigkeit weiter       insgesamt niedrigem Kontakt allgemein unzufrie-
     zu beleuchten, wurde eine detaillierte Analyse der      dener als die restlichen Befragten.
     Kontakthäufigkeit mit den Familien- und Freund-
     schaftsnetzwerken in dieser Teilstichprobe (n =         Auch mit Bezug auf das Zugehörigkeitsgefühl der
     470) durchgeführt. Eine Clusteranalyse (Ward-Me-        Befragten zeigten sich Unterschiede je nach sozia-
     thode, k-means Cluster) zeigte wiederum die Viel-       lem Netzwerk: Insbesondere die Geselligen fühl-
     falt der sozialen Netzwerke auf. Es ergaben sich        ten sich stärker zugehörig zu ihrem Wohnort, der
     sechs verschiedene Muster: Die größte Gruppe            Gemeinde und Luxemburg insgesamt, diejenigen
     – fast ein Viertel (23%) – bildeten die „Geselligen“:   mit niedrigem Kontakt hingegen fühlten sich ins-
     Sie zeichneten sich durch hohe Kontakthäufigkeit        gesamt weniger zugehörig. Außerdem fühlten sich
     sowohl mit Familie und Freunden in Luxemburg            diejenigen, die in Luxemburg wenig Kontakt be-
     als auch im Ausland aus. Daneben waren rund ein         ziehungsweise keine weiteren Familienmitglieder
     Fünftel (19,5%) „Luxemburg-orientiert“ – sie hatten     hatten, weniger stark in ihrer Gemeinde verankert.
     wenig Kontakt zu Familie und Freunden im Aus-
     land und hatten eher Kontakt zu ihren Familien-
     und Freundschaftsnetzwerken in Luxemburg. Eine          Vielfalt der Netzwerke
     fast ebenso große Gruppe (18,5%) war zwar „gesel-
     lig, aber ohne Familie in Luxemburg“ – sie zeich-
                                                             in den qualitativen Interviews
     neten sich durch hohen Kontakt zu Freunden in           Um die Zusammensetzung der persönlichen so-
     Luxemburg und im Ausland sowie zu ihrer Familie         zialen Netzwerke von Luxemburger*innen und
     im Ausland aus, verfügten gleichzeitig jedoch über      Nicht-Luxemburger*innen genauer zu erfassen,
     keine weiteren Angehörigen in Luxemburg. Eine           wurden in den qualitativen Interviews zusätzlich
     weitere Gruppe (16,4%) war stark „Familien-orien-       die von Kahn und Antonucci (1980) vorgelegten
     tiert“, wobei sowohl Familienkontakte in Luxem-         Netzwerk-Karten zur Erfassung der Struktur sozialer
     burg als auch im Ausland häufig waren, jedoch           Unterstützungsnetzwerke herangezogen.
     ein geringeres Freundschaftsnetzwerk im In- und
     Ausland bestand. Davon abzugrenzen war eine             Wie schon in der Fragebogenerhebung zeigte sich
     weitere Gruppe (13,4%) – die auf die „Familie im        auch hier eine große Variabilität in der Ausgestal-
     Ausland Fokussierten“, die vor allem engen Kontakt      tung der sozialen Netzwerke: Neben teilweise sehr
     zu ihrem transnationalen Familiennetzwerk pfleg-        großen und dichten Netzwerken auf der einen
     ten, wenige Familienkontakte in Luxemburg hatten        Seite, fanden sich auf der anderen Seite auch auf
     und auch insgesamt weniger Freundschaftskon-            wenige Personen fokussierte Netzwerke sowie Be-
     takte im In- und Ausland als der Durchschnitt. Eine     fragte, die keine näheren Personen in ihrem Netz-
     weitere Gruppe bildeten jene mit insgesamt „nied-       werk aufwiesen (Abbildung 4 kann als Beispiel zur
     rigem Kontakt“ (9.5%) zu Freunden oder Familie im       Veranschaulichung dienen).
     In- und Ausland.                                        Neben der Netzwerkstruktur wurden auch die
     Die Teilnehmer*innen in den Gruppen der „Familie        Funktion und Qualität der Netzwerke erörtert.
     im Ausland Fokussierten“, „Gesellig ohne Familie in     Entsprechend der von Carstensen et al. (2003) pos-
     Luxemburg“ und dem „Geselligen“ Cluster waren           tulierten Theorie der sozio-emotionalen Selektivi-
     signifikant jünger als jene mit „niedrigem Kontakt“.    tät zeigte sich eine zunehmende Fokussierung auf
     Befragte mit doppelter Staatsangehörigkeit fanden       enge und emotional wichtige Kontakte mit dem
     sich häufiger in dem „Luxemburg orientierten“ und       Alter (siehe Zverotic, 2021).
     weniger häufig in dem „Familie im Ausland Fokus-
     sierten“ Muster und es gab keine Geschlechtsun-         So betonte ein Teilnehmer, dass er sich vor allem
     terschiede.                                             auf die Stärkung bestehender Kontakte fokussierte:

     Aus diesen verschiedenen Mustern können sich            Mais c’est vrai que maintenant avec le temps,
     ganz unterschiedliche Bedürfnisse ergeben.              je garde des liens très forts avec tout un tas de
                                                             personnes qu’on se connait depuis longtemps.
                                                                                                  Männlich, 50+

24                         Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
Abbildung 4
Typische Struktur der persönlichen Netzwerke

                                                            Bekanntschaften
                                                             Freundschaften
                                                sehr enge vertraute Kontakte

                       ICH

                                                     Diese Fokussierung auf bestehende Kontakte kann
                                                     teilweise aber auch eine Schwierigkeit darstellen,
                                                     wenn solche Kontakte nicht bestehen oder im Fal-
                                                     le der Migration bestehende Netzwerke zurückge-
                                                     lassen worden sind. Dies zeigte sich auch in den
                                                     Interviews. Während Luxemburger*innen und
                                                     Personen, die in jüngeren Jahren nach Luxemburg
                                                     migriert sind, eher auf Luxemburg fokussierte so-
                                                     ziale Netze aufweisen, haben diejenigen, die spä-
                                                     ter eingewandert sind mitunter Schwierigkeiten, in
Nicht immer besteht daher der Wunsch nach einer      Luxemburg ein neues Netzwerk aufzubauen.
Erweiterung des Netzwerks – insbesondere dann,
wenn bereits zufriedenstellende Beziehungen be-      Naja, ich hätte mir schon gewünscht, dass ich
stehen:                                              hier bessere und mehr Kontakte habe, auch gute
                                                     Kontakte habe. Es ist sehr sehr schwierig.
I don’t have any interest to do so. I have my        Und ich glaube auch, das hat dann doch was mit
friends and family. That is enough for me.           dem Alter zu tun, weil ich war ja fast 50 als ich
                                     Weiblich, 60+   hierhin gekommen bin. Und dann wird es eben
                                                     auch schwieriger, jemanden kennenzulernen.
                                                                                         Weiblich, 50+
Der Wunsch, bereits bestehende enge Kontakte
weiter zu vertiefen, kann auch insbesondere dann
stark sein, wenn mit zunehmendem Alter andere        Dass fehlende Gelegenheiten zu Kontakten nicht
Verpflichtungen wegfallen und man mehr Zeit und      nur im Kontext der Migration eine Schwierigkeit
Freiraum zur Pflege solcher Kontakte erlangt:        darstellen können, sondern auch für Einheimische,
Am allerléifste beschäftegen ech mech nach           die jahrelang am selben Ort gewohnt haben, wird
ëmmer am léifsten mat der Famill. Dat ass well       an folgendem Zitat deutlich:
ech ëmmer geschafft hunn an elo Zäit hunn,           Jo, also ech muss leider soen, dass ech net méi
wat all di Joeren net war. Am Moment ass mir         vill Kontakt mat de Leit hunn. (…)
dat dat wichtegst.                                   An soss vun den Noperen gesinn ech keen, ech
                                   Weiblich, 60+     gesinn kee Mënsch. Méin direkten Noper ass 200
                                                     Meter weit ewech an hunn do och keen Kontakt.
                                                     Et kennt seelen een bei mech laanscht, ausser lo
Teilweise wurde hier aber auch über sehr einge-      Hëllef Doheem all Dag mee soss ganz seelen.
schränkte Netzwerke berichtet:
                                                                                        Männlich, 70+
Ich muss immer denken, wenn mein Mann nicht
da wäre, dann wäre ich verdammt alleine hier,
weil ich habe in den sieben Jahren hier wirklich     An unseren vertieften Interviews verdeutlicht sich
ganz wenige Kontakte knüpfen können hier in          einmal mehr die Unterschiedlichkeit der Zielgrup-
Luxemburg.                                           pe älterer Erwachsener, die sich auch aus der Bio-
                                    Weiblich, 50+    graphie des Einzelnen ergibt.

                      Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg                         25
CORONA-PANDEMIE
      Während der COVID-19-Krise waren ältere Erwach-        Nur 13,7 Prozent der Teilnehmer*innen gaben an,
      sene besonders gefährdet, schwer zu erkranken          dass sie sich vor der Krise zumindest manchmal
      und hatten eine höhere Sterblichkeitsrate. Von         oder auch öfter einsam gefühlt haben, hingegen
      Anfang an wurden daher Anstrengungen unter-            gaben 21,1 Prozent an, dass sie sich seit der Krise
      nommen, um sie vor dem Kontakt mit dem Virus           manchmal einsam fühlen, 12,5 Prozent oft und 9,6
      zu schützen und eine Ansteckung zu verhindern.         Prozent sogar sehr oft (siehe Abbildung 5). Hierbei
                                                             stellten 44,9 Prozent eine Zunahme der Einsamkeit
      Während eine Verringerung der persönlichen Kon-        fest, während bei 53,5 Prozent das Gefühl der Ein-
      takte zum Schutz gefährdeter Gruppen notwendig         samkeit vor und nach der Krise unverändert blieb.
      war, mussten die sekundären Auswirkungen dieser
      Maßnahmen, wie das Risiko von Einsamkeit und
      sozialer Isolation, berücksichtigt werden.
      In der PAN-VAL Studie beschäftigten wir uns daher
      auch mit der Frage, welche Auswirkungen die Pan-
      demie und die damit verbundenen Maßnahmen
      auf ältere Erwachsene mit und ohne Migrations-
      hintergrund hatten.

      Abbildung 5
      Wie oft haben Sie sich isoliert, einsam oder ohne Gesellschaft gefühlt?

       ... vor der Corona-Krise? (n=994)

     1% 4%      9%               25%                                          61%

       ... seit der Corona-Krise? (n=993)

          10%        12%                21%                   22%                          35%

         sehr oft          oft         manchmal          selten         nie

      Die Größe des sozialen Netzwerks in Luxemburg          her stark eingebunden waren, einen Zuwachs an
      stand in negativem Zusammenhang mit der wahr-          Einsamkeit mit sich brachte. Dies wird auch in den
      genommenen Einsamkeit vor der Pandemie genauso         qualitativen Interviews deutlich.
      wie Treffen mit Freunden und das Gefühl der Zuge-
                                                             Je me sentais plus seule qu’avant. Je suis seule,
      hörigkeit. Die wahrgenommene Einsamkeit vor und
                                                             mais depuis le corona virus on se sent encore
      seit der Krise hingen eng miteinander zusammen.
                                                             plus isolé.
      Anders als vor der Krise stieg die wahrgenommene
                                                                                                  Weiblich, 70+
      Einsamkeit seit der Corona-Pandemie allerdings mit
      der Größe des sozialen Netzwerks in Luxemburg.         Énorme, énorme. Toutes les activités sociales
      Die Beteiligung an organisierten Aktivitäten vor       que j’aime ont été annulées, reportées, entra-
      der Krise stand ebenfalls im Zusammenhang mit          vées. C’est tellement énorme, c’est horrible. (…)
      einer verstärkt wahrgenommenen Einsamkeit seit         J’ai des personnes que je connais qui sont en
      der Krise. Diese Resultate lassen erkennen, dass die   télétravail depuis de mars ils sont en dépression,
      Corona-Pandemie sowohl für jene, die bereits ein-      ils en peuvent plus.
      sam waren, als auch und gerade für jene, die vor-                                           Männlich, 50+

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