AKTIVES ALTERN IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT IN LUXEMBURG - ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH, CATHERINE RICHARD & NADIA ...
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AKTIVES ALTERN Foto: © Abigail Menem IM KONTEXT KULTURELLER VIELFALT IN LUXEMBURG ISABELLE ALBERT, MARTINE HOFFMANN, PETRA VANDENBOSCH, CATHERINE RICHARD & NADIA BEMTGEN
IMPRESSUM Forschungsprojekt Le Vieillissement Actif au Luxembourg: Besoins des résidents luxembourgeois et non-luxembourgeois et leur participation et non-participation aux activités offertes par les différents services (PAN-VAL) Finanzierung Projektaufruf im Rahmen des Nationalen Integrationsplans (PAN) 2020, Abteilung für Integration des Ministeriums für Familie, Integration und die Großregion Laufzeit 1. September 2020 – 30. November 2021 Forschungsteam UNIVERSITÄT LUXEMBURG Dr. Isabelle Albert (Projektleitung) Catherine Richard Joyce Afonso (Studentische Hilfskraft) Weitere Studierende, die in das Projekt involviert waren: Mélanie Carvalhais Marialves, Paula Franz, Andrea Pecirep, Marina Spezzacatena, Sara Zverotic GERO – KOMPETENZZENTER FIR DEN ALTER Dr. Martine Hoffmann Petra Vandenbosch Nadia Bemtgen Datenerhebung Survey Quest S.A. Korrektorat Vibeke Walter Graphische Gestaltung Mit der Unterstützung von proFABRIK SARL, Danyel Michels © Isabelle Albert, Martine Hoffmann, Petra Vandenbosch, Catherine Richard, Nadia Bemtgen Universität Luxemburg & GERO 2021 Printed in Luxembourg Bitte zitieren Sie diesen Report als Die in dieser Veröffentlichung zum Ausdruck gebrachten Albert, I., Hoffmann, M., Vandenbosch, P., Richard, Meinungen und Interpretationen sind ausschließlich die der C., & Bemtgen, N. (2021). Autorinnen und spiegeln nicht zwangsläufig die Positionen Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg. des Ministeriums für Familie, Integration und die Großregion Luxemburg: Universität Luxemburg & GERO. wider. 2 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
VORWORT Foto: © SIP_Yves Kortum DER MINISTERIN Aktivitäten für Senior*innen sind ausgezeichne- Dieses Forschungsprojekt hat gezeigt, dass die lo- te Gelegenheiten, um Menschen zu treffen: Man kalen Angebote weiter diversifiziert werden müs- tauscht sich aus, man nimmt teil, man informiert sen, um die Teilnahme älterer Menschen ausländi- sich, man entdeckt und lernt Neues in einer scher Herkunft fördern zu können. Darüber hinaus freundlichen und entspannten Atmosphäre. Die sind die Sensibilisierung und Unterstützung der Senior*innen haben so die Möglichkeit, aus dem Fachkräfte ein wichtiger Bestandteil der Politik in Haus zu gehen, soziale Kontakte zu pflegen, aktiv diesem Bereich. In dieser Hinsicht schaffte das Pro- zu bleiben und am Gemeinschaftsleben teilzu- jekt die Grundlage für Schulungsmodule über die nehmen. Die Vielfalt ist einer der größten Trümpfe Geschichte und die Wege der Migration, die Ana- Luxemburgs, und es ist mir wichtig, dass die ange- lyse lokaler Hindernisse und Möglichkeiten für die botenen Dienstleistungen für ältere Menschen an Beteiligung älterer Migrant*innen und die Organi- die Bedürfnisse und Erwartungen der gesamten sation interkultureller Aktivitäten. Bevölkerungsgruppe angepasst sind, damit sich Ich bin überzeugt, dass die Ergebnisse der Studie jeder unabhängig von seinem Alter oder seiner dazu beitragen können, die lokalen Angebote für ethnischen Herkunft zurechtfinden und beteiligen luxemburgische und nicht-luxemburgische Seni- kann. or*innen zu verbessern. Auf diese Weise kann die Das Forschungsprojekt „Aktives Altern in Luxem- Einbindung und Beteiligung von Menschen, die burg“ der Universität Luxemburg, das in enger derzeit weniger sichtbar und präsent sind, in einer Zusammenarbeit mit GERO – Kompetenzzenter Weise gefördert werden, die der Vielfalt Rechnung fir den Alter durchgeführt wurde, untersuchte die trägt. soziale Teilnahme älterer Menschen mit Migra- Ich möchte mich bei allen Personen und Organisa- tionshintergrund, ihre Integration in das Gemein- tionen bedanken, die zum Erfolg des Projekts und schaftsleben und den interkulturellen und interge- zur Ausarbeitung dieser Broschüre beigetragen nerationellen Austausch. haben. Ich hoffe, dass die Verbreitung dieser Pub- Je älter die Bevölkerung wird, desto vielfältiger likation für Fachleute in diesem Bereich ein nütz- werden auch die Bedürfnisse der älteren Men- liches Instrument bei ihrer interkulturellen Arbeit schen. Hinzu kommen die besonderen Bedürfnisse sein wird und dass sie auch das Bewusstsein für von Menschen mit Migrationshintergrund. Umso interkulturelle und generationenübergreifende wichtiger ist es, die Probleme, um die es geht, zu Fragen in der breiten Öffentlichkeit schärfen wird. verstehen, nach möglichen Hindernissen und Hür- Durch die Anerkennung der Vielfalt unserer Bevöl- den zu suchen und die Faktoren zu identifizieren, kerung und des daraus entstehenden Reichtums die die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben er- können wir die interkulturellen Beziehungen und leichtern. das Zusammenleben in unserer Gesellschaft weiter fördern. Corinne Cahen Ministerin für Familie und Integration Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 3
VORWORT DES DIREKTORS DES GERO Foto: © Alex Iberico Als Gründungsmitglied der europäischen Union Differenziert angelegte Studien wie das PAN-VAL hat Luxemburg bereits sehr früh Akzente gesetzt Projekt tragen dazu bei, die künftigen Bedürfnisse und die nötigen Gegebenheiten geschaffen, um dieser Zielgruppe besser zu verstehen und unsere ein interkulturelles Zusammenleben zu fördern. Aktivitäten dementsprechend anzupassen. So fällt Besucher*innen, die zum ersten Mal nach Bestehende Fortbildungen zum kultursensiblen Luxemburg kommen, sofort auf, wie multikulturell Umgang mit älteren Menschen können anhand sich die Luxemburger Gesellschaft zusammensetzt. dieser Studienergebnisse aktualisiert und bedarfs- orientiert weiter ausgebaut werden. In diesem Sin- Wir bei GERO sehen diese Vielfalt als eine Bereiche- ne soll der Aspekt der interkulturellen Diversität ein rung für unser Land und gleichzeitig auch als eine Stück weit in den öffentlichen Fokus gerückt und Herausforderung. als der bereichernde Mehrwert begriffen werden, Dieses besondere gesellschaftliche Profil, das sich den er in der multikulturellen Gesellschaft Luxem- aktuell vor allem in der erwerbstätigen Bevölke- burgs bereits innehat. rung zeigt, wird in den kommenden Jahren auch immer mehr auf ältere Menschen zutreffen. Alain Brever Direktor des GERO – Kompetenzzenter fir den Alter 4 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
VORWORT DER DIREKTORIN DES LDFC Foto: © privat Nicht erst seit die WHO im Jahre 2002 das Thema Die Ergebnisse von PAN-VAL liefern aber auch Hin- „Active Ageing“ in ein politisches Rahmenmodell weise darauf, wie man vielen dieser Menschen die überführt hat, wissen wir, dass aktives Altern im Möglichkeiten zur sozialen Einbindung und damit Sinne der Ermöglichung von Teilhabe, Gesundheit auch zur aktiven Teilhabe am Leben eröffnen kann. und Sicherheit es Menschen erlaubt, zufriedener Wenn wir diese Ergebnisse ernst nehmen und der zu Altern. Aktiv zu Altern ist allerdings auch immer Vielfalt des Alterns Rechnung tragen, können wir mehr zu einer Erwartung an ältere Menschen ge- dazu beitragen, dass auch in den kommenden worden, der nicht alle Menschen gerecht werden Jahren aktives, selbstbestimmtes und zufriedenes können. Altern für möglichst viele Menschen in Luxemburg Das PAN-VAL Projekt trägt dieser Heterogenität möglich sein wird. der Leben(sbedingungen) älterer Menschen Rech- nung, indem es auf die Vielfalt der Bedürfnisse äl- terer Menschen mit unterschiedlichen Hintergrün- den eingeht und diese explizit macht. Wir sehen, dass nicht alle Menschen die gleichen Möglichkei- ten haben, aktiv zu altern. Prof. Dr. Anna E. Kornadt Direktorin des Instituts für Lebensspannenentwicklung, Familie und Kultur, Universität Luxemburg Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 5
DANKSAGUNG Das Projekt „Le Vieillissement Actif au Luxembourg: relevanten Fragen zu formulieren und den Zugang Besoins des résidents luxembourgeois et non-luxem- zu interessierten Studienteilnehmer*innen zu er- bourgeois et leur participation et non-participation langen. aux activités offertes par les différents services“ wurde Wir bedanken uns außerdem für die professionelle aus der gemeinsamen Idee von engagierten Köp- Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut Quest, fen seitens der Universität Luxemburg und GERO das uns beratend zur Seite stand und die aufwen- geboren. Durch den kooperativen Zusammen- dige quantitative Datenerhebung durchgeführt schluss von Forschung und Praxis kristallisierte sich hat. Ohne diese Zusammenarbeit wäre es nicht schnell eine Projektskizze heraus, die dem Projekt- möglich gewesen, einen solch umfangreichen und aufruf 2020 im Rahmen des Nationalen Integra- repräsentativen Datensatz zu erheben. tionsplans (PAN) der Abteilung für Integration des Ministeriums für Familie, Integration und die Groß- Weiter bedanken wir uns bei den studentischen region vorgelegt wurde. Hilfskräften und den Student*innen, die im Rah- Das ambitionierte Vorhaben des Projektes – eine men ihrer Abschlussarbeiten am Projekt beteiligt präzisere Bestandsaufnahme über die Nutzung waren und ohne deren Unterstützung die zeitauf- bzw. Nicht-Nutzung der sozialen Angebote in Lu- wendigen Transkriptionen und inhaltsanalytischen xemburg und ein differenziertes Bild über mögli- Auswertungen der Interviews nicht so schnell von che Beweggründe für und gegen die Teilnahme zu Hand gegangen wären. erlangen – war nur durch die tatkräftige Unterstüt- Ebenso bedanken wir uns bei den Kolleg*innen in zung einer Vielzahl von mitwirkenden Personen Deutschland und der Schweiz, die unserer Einla- möglich. dung zu Workshops und Konferenzen im Rahmen An erster Stelle danken wir dem Ministerium für des Projektes gefolgt sind – der fachliche Aus- Familie, Integration und die Großregion für die fi- tausch mit ihnen hat uns geholfen, unsere Ergeb- nanzielle Förderung dieses Projektes und die Ver- nisse besser einzuordnen und mit bereits vorhan- längerung um 6 Monate, die uns gütiger Weise denen Studien im Ausland zu vergleichen. bewilligt wurde. Abschließend möchten wir explizit allen teil- Ein besonderer Dank gilt dem Lenkungsausschuss nehmenden Personen für ihr Vertrauen und ihr des PAN-VAL Projekts, der Verantwortungsträ- Interesse danken, das sie uns und dem Projekt ger*innen aus den Partnergemeinden, Clubs Se- entgegengebracht haben. Ohne ihre Offenheit niors, Altenverbänden und dem Ministerium sowie und Partizipation – sei es in Form von Interviews, mehrere interessierte Studierende versammelte per Telefon oder online Fragebogen – wären uns und den Verlauf des Projektes über den gesam- wichtige Erkenntnisse zum besseren Verständnis ten Zeitraum unterstützend begleitete. Nur durch der heterogenen Bedarfs- und Interessenlage der den Austausch mit diesen Schlüsselpersonen war älteren Bevölkerung in Luxemburg weiterhin ver- es möglich, gemeinsam die für unsere Zielgruppe schlossen geblieben. 6 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
AUTOR*INNEN TEAM TEAM UNIVERSITÄT GERO LUXEMBURG Dr. Isabelle Albert ist Psy- Dr. Martine Hoffmann ist chologin und arbeitet als Psychologin und Psycho- Wissenschaftlerin am Ins- therapeutin und leitet den titut für Lebensspannen- Bereich für angewandte For- entwicklung, Familie und schung (geroRESEARCH) im Kultur. Sie ist Mitglied des GERO – Kompetenzzenter fir Forschungsschwerpunktes den Alter. Ihre Interessens- „Migration and Inclusive So- schwerpunkte sind in den cieties“ (MIS) der Fakultät Bereichen der Präventions- für Geisteswissenschaften, und Interventionsforschung Erziehungswissenschaften im Lebensspannenkontext und Sozialwissenschaften. In angesiedelt. Die Förderung ihrer Forschung beschäftigt eines aktiven gemeinsamen sie sich mit intergenerationa- Älterwerdens in einer sich len Familienbeziehungen im ständig wandelnden Gesell- Kontext von Migration und schaft steht dabei im Mittel- Alter, der Weitergabe von punkt. Werthaltungen von einer Generation zur nächsten, mit kultureller Identität, dem Ge- Petra Vandenbosch ist Sozi- fühl der Zugehörigkeit und alpädagogin und Beauftragte mit Einsamkeit. für Interkulturalität bei GERO – Kompetenzzenter fir den Alter. Im Fokus ihrer Arbeit Catherine Richard arbeitet stehen die Sensibilisierung zurzeit als Forschungsspe- für kulturelle Vielfalt und Di- zialistin an der Universität versität der älteren Menschen Luxemburg. Sie hat einen in Luxemburg, die Vermitt- interdisziplinären Hinter- lung interkultureller Kompe- grund und arbeitete viele tenzen in der Altenarbeit und Jahre als Dokumentarregis- transnationale Vernetzung. seurin, bevor sie begann, an Forschungsprojekten mit- zuarbeiten. Ihre Interessens- Nadia Bemtgen (MSc Medi- schwerpunkte liegen auf cal Anthropology) ist Koordi- Migration und insbesondere nationsbeauftragte der Clubs auf den psychosozialen Aus- Seniors. In enger Zusammen- wirkungen von Migration, In- arbeit mit dem Familienmi- tegration und partizipativer nisterium koordiniert sie die Aktionsforschung. 20 Clubs Seniors auf nationa- ler Ebene. Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 7
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE AUSGANGS- AUSGEWÄHLTE ERGEBNISSE: ÜBERLEGUNGEN HINDERNISSE DER TEILNAHME →D ie Luxemburgische Bevölkerung wird → Sprache kann ein praktisches oder emo- nicht nur älter, sondern auch kulturell tionales Hindernis zur Teilnahme an or- diverser. Fast 20 Prozent der Gesamtbe- ganisierten Aktivitäten sein. völkerung Luxemburgs sind älter als 60 Jahre, davon sind ein Drittel Nicht-Lu- → Ein geringes Zugehörigkeitsgefühl zur xemburger*innen. lokalen Bevölkerung kann eine Hemm- schwelle für die Teilnahme an Aktivitäten → Ä ltere Menschen sind keine homogene darstellen. Dies gilt nicht nur für Zuge- Gruppe. Menschen verlieren nicht ihre zogene, sondern auch für langjährige Individualität im Alter. Vielmehr kön- Einwohner, die sich mit strukturellen nen sich Menschen gleichen Alters so- Veränderungen ihrer Wohngemeinde gar stärker voneinander unterscheiden konfrontiert sehen. als ein durchschnittlicher „junger“ von einem durchschnittlichen „alten“ Men- → Gruppengrößen bei organisierten Aktivi- schen. täten entsprechen nicht immer den Be- dürfnissen, vor allem bei Personen, die → Soziale Einbindung ist ein zentraler Bau- sich in großen Gruppen eher unwohl stein für aktives und gesundes Altern. fühlen. → S oziale Angebote erreichen nicht alle glei- → Jüngere und ältere Senior*innen können chermaßen. Obwohl landesweit vieler- unterschiedliche Interessen haben und orts soziale Aktivitätsangebote für ältere benötigen entsprechende Angebote. Menschen bestehen, werden diese nicht von allen potentiellen Nutzer*innen und → Gesundheitliche Probleme können ein Zielgruppen in Anspruch genommen. Hindernis für die Partizipation darstellen. → S oziale Isolation, Einsamkeit und das Ge- → Anderweitige Beschäftigungen (z.B. Pflege fühl nicht Dazuzugehören können psy- eines Angehörigen, Aufgaben in der Fa- chologische Hürden darstellen, die eine milie) können die Teilnahme erschweren. Teilnahme an sozialen Angeboten er- schweren. Ältere Menschen mit Migra- tionserfahrung sind diesbezüglich be- sonders gefährdet. 8 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
EMPFEHLUNGEN FÜR POLITIK UND PRAXIS → „ Lessons learned“: Nicht alle älteren Men- → Bedarfsorientierte, wohnortnahe, niedrig- schen wollen oder brauchen soziale Ak- schwellige, zugängliche soziale Angebote tivitätsangebote. Aber diejenigen, die schaffen. sie wollen oder brauchen, finden nicht immer den Zugang dazu. Auch decken → Wertschätzende und kultursensible Will- bestehende soziale Aktivitätsangebote kommenskultur etablieren, fördern und nicht immer Bedarf und Interessen der ins institutionelle Leitbild aufnehmen. diversen Population älterer Menschen in Luxemburg ab. Und an diesen Stellen → I nterkulturelle Kompetenzen fördern muss angesetzt werden! durch systematische Sensibilisierung und Schulung der in der Altenarbeit täti- → Zielgruppe kennen, für die man Aktivitä- gen Mitarbeiter*innen. ten anbieten möchte, sich mit ihren Be- dürfnissen und Wünschen auseinander- setzen, um sie gezielt ansprechen und auf sie zugehen zu können. → Schlüsselpersonen einbinden (ältere en- gagierte Mitbürger, erwachsene Kinder von Senior*innen, etc.), die sowohl als Vermittler*innen einbezogen werden können, um Teilnehmer*innen zu errei- chen als auch als Inspirationsquelle für die Planung innovativer Aktivitäten und neuer Konzepte zum Einsatz kommen. → Gemeinsamkeiten schaffen (durch die Wertschätzung der Biographie des ein- zelnen und durch gemeinsame neue Er- fahrungen). Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 9
INHALTSVERZEICHNIS 12 Einleitung 16 Datenerhebung 17 Quantitativer Survey 18 Qualitative Interviews 20 Ausgewählte Ergebnisse 21 Allgemeine und bereichsspezifische Lebenszufriedenheit 22 Soziales Netzwerk und Kontakte 26 Corona-Pandemie 27 Gefühl der Zugehörigkeit 29 Diskriminierungserfahrungen und sprachliche Schwierigkeiten 30 Präferenzen hinsichtlich der Sprache 30 Freizeitaktivitäten 31 Mitgliedschaft in Vereinen 32 Gründe für die Teilnahme und Nicht-Teilnahme an Aktivitäten 36 Unterschiedliche Aktivitätsprofile 37 Sehr Engagierte 37 Durchschnittlich/wenig Beteiligte 38 Nicht Eingebundene 10 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
40 Einige Lehren aus der PAN-VAL Studie 41 Sich willkommen fühlen 41 Schlüsselpersonen 41 Zukunftserwartungen 50+ 42 Struktureller Wandel und steigende Diversität 44 ntwurf eines Rahmenkonzeptes zur Schulung E der interkulturellen Kompetenzen in der Altenarbeit 45 Modul 1: Sensibilisierung – Bewusstsein schaffen für das Sosein meines Gegenübers 49 Modul 2: Offenheit und wertschätzende Begegnung 51 Modul 3: Gemeinsamkeiten schaffen 53 Modul 4: Good practices und Vernetzung 53 Modul 5: Interkulturelle Mediation Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 11
EINLEITUNG Das Alter ist eine vielfältige Lebensphase, die zu- zogtum gezogen sind. Während in den Jahren des nehmend an Bedeutung gewinnt. Der Anteil älte- wirtschaftlichen Aufschwungs bis in die 1970er rer Menschen in der Bevölkerung ist in den letzten Jahre viele Zuwanderer*innen in der Industrie Jahren im Zuge des demographischen Wandels Arbeit fanden, gewann der Finanzsektor seit den überall in Europa und in vielen Teilen der Welt ge- 1970er Jahren zunehmend an Bedeutung, auch stiegen. Menschen werden älter – wer heute in der Service- und Bausektor sind weiterhin wich- Luxemburg geboren wird, hat eine durchschnitt- tige Arbeitgeber. Daneben bieten zahlreiche Nie- liche Lebenserwartung von über 80 Jahren – und derlassungen internationaler Unternehmen und gleichzeitig steigt auch die kulturelle Diversität in supranationale Institutionen Beschäftigung für den älteren Altersgruppen. Dieser Trend zeigt sich Hochqualifizierte. Unter den heute in Luxemburg besonders deutlich im Großherzogtum. Fast 20 lebenden Ausländer*innen finden sich daher so- Prozent der Gesamtbevölkerung Luxemburgs sind wohl dauerhaft ansässige Personen als auch Fach- älter als 60 Jahre, wobei ein Drittel davon nicht die und Führungskräfte, die für einen bestimmten luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzt. Zwar Zeitraum im Rahmen ihrer Beschäftigung in inter- ist der Anteil an Nicht-Luxemburger*innen in den nationalen Unternehmen ins Großherzogtum älteren Bevölkerungsgruppen damit noch geringer gekommen sind, sowie eine große Anzahl von als in der Gesamtbevölkerung, dieser wird jedoch Beamt*innen, die für die EU Institutionen arbei- in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach wei- ten (siehe Albert & Heinz, 2021). Die Diversität der ter steigen – unter den 50- bis 59-Jährigen sind älteren Altersgruppen wird also auch im Hinblick schon heute 48,5 Prozent Nicht-Luxemburger*in- auf sozio-ökonomische Aspekte in den nächsten nen (STATEC, 2020). Dabei zeichnet sich Luxem- Jahren weiter steigen. burg durch eine hohe kulturelle Diversität aus – 170 verschiedene Nationalitäten sind vertreten, Das Älterwerden ist mit einer Reihe von Heraus- wobei portugiesische, französische, italienische, forderungen, aber auch neuen Chancen und Mög- belgische und deutsche Staatsbürger*innen den lichkeiten verbunden. Insbesondere der Über- größten Anteil ausmachen. gang vom Erwerbsleben ins Rentenalter erfordert Anpassungsleistungen und Neuorientierungen. Ältere Menschen bilden per se keine homogene Dabei kann das aktive Altern entscheidend zur Le- Gruppe. Vielmehr können sich Menschen gleichen bensqualität älterer Menschen beitragen, soziale Alters sogar stärker voneinander unterscheiden als Einbettung fördern sowie sozialer Isolation und ein durchschnittlicher „junger“ von einem durch- Einsamkeit vorbeugen. Einsamkeit und soziale schnittlichen „alten“ Menschen (Lang et al., 2020). Isolation sind zwar nicht an ein bestimmtes Le- Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse bensalter gebunden, jedoch können ältere Men- und Interessen. Neben kulturellen und individuel- schen besonders davon betroffen sein aufgrund len Faktoren spielen hierbei auch sozio-ökonomi- von Übergängen und Verlusten, eingeschränk- sche Faktoren wie Bildungsstand oder Position am ter Mobilität oder Gesundheit (NASEM, 2020). Arbeitsmarkt eine Rolle (Karl et al., 2017; Wurm et Dabei beschreibt soziale Isolation das objekti- al., 2010). Auch hierbei weist die Bevölkerung in ve Fehlen von Netzwerkpersonen, Einsamkeit Luxemburg eine große Diversität auf – auch und hingegen das Gefühl, über ein unzureichendes vor allem unter den Nicht-Luxemburger*innen, Netzwerk oder vertraute Bezugspersonen zu ver- die aus unterschiedlichen Gründen ins Großher- fügen (Perlman & Peplau, 1984). Die Forschung 12 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
zu den Folgen sozialer Isolation und Einsamkeit Altern zwar mit persönlichen Entscheidungen zu- hat deutliche negative Effekte in Bezug auf die sammenhängen und in der Verantwortung des kognitive und körperliche Gesundheit sowie auf einzelnen liegen, diese aber stark vom Kontext das subjektive Wohlbefinden aufgezeigt, zudem abhängen, in dem die Menschen leben und der besteht auch ein Zusammenhang mit einem hö- durch die Politik geprägt wird (European Commis- heren Mortalitätsrisiko (Holt-Lunstad et al., 2015). sion, 2021). Studien haben außerdem gezeigt, dass Personen mit Migrationshintergrund ein größeres Risiko für In Luxemburg fördert die Politik seit den 1990er Einsamkeit und soziale Isolation aufweisen (Burholt Jahren das „aktive Altern“, wobei die Förderung et al., 2020; Fokkema & Ciobanu, 2021). Sie haben der Gesundheit, die soziale Teilhabe älterer Men- mitunter kleinere oder weniger zufriedenstellende schen, die Integration von Nicht-Luxemburger*in- soziale Netzwerke im Aufnahmeland, da Netzwerk- nen und die Intergenerationalität im Mittelpunkt mitglieder zurückgelassen wurden (Ciobanu et al., stehen (MiFa, Tätigkeitsbericht 2018). Auf dem 2017; Wu and Penning, 2015). Umso wichtiger ist Active Ageing Index befindet sich Luxemburg es, im Aufnahmeland Möglichkeiten der sozialen im Vergleich zu anderen EU-Ländern im oberen Einbindung zu schaffen und das Gefühl der Zuge- Mittelfeld und erlangte insbesondere in den Di- hörigkeit zu stärken (siehe auch Albert, 2021; Franz, mensionen der sozialen Teilhabe sowie eines för- 2021). derlichen Umfelds und der Fähigkeit zum aktiven Altern gute Werte (Karpinska & Dykstra, 2015). Je- Eine Überblicksstudie von Adams und Kolleg*in- doch zeigten Walker und Zaidi (2016) auf, dass be- nen (2011) fasste eine Reihe von Forschungsergeb- züglich des aktiven Alterns nicht nur Unterschiede nissen in verschiedenen Ländern und Kulturen zu- zwischen verschiedenen Ländern bestehen, son- sammen, die zeigten, dass soziale, freizeitbezogene dern auch innerhalb der Länder. Für Luxemburg und produktive Aktivitäten mit dem subjektiven hat Oliveira (2018) hierbei insbesondere Unter- Wohlbefinden älterer Menschen zusammenhän- schiede zwischen verschiedenen Altersgruppen gen. Dabei hat aktives Altern nicht nur einen posi- sowie Geschlechtsunterschiede aufgezeigt. Der tiven Effekt auf die Gesundheit, das Wohlbefinden sozio-ökonomische Status hat ebenfalls einen Ein- und die Autonomie älterer Erwachsener selbst, fluss auf die Aktivitäten Älterer. So konnten Wurm sondern ist auch wesentlich im Umgang mit den und Kollegen (2010) beispielsweise zeigen, dass Herausforderungen des demographischen Wan- Personen mit höherem Bildungsstand sich häufi- dels und somit für das Wohlergehen der Gesell- ger sportlich betätigen, was wiederum einen posi- schaft insgesamt (Zaidi & Howse, 2017). tiven Effekt auf ihre Gesundheit, kognitive Kapazi- täten und das subjektive Wohlbefinden hat. Auch Schon seit 2002 betont die Weltgesundheits haben weitere Studien gezeigt, dass Menschen organisation die Wichtigkeit des aktiven Alterns mit Migrationshintergrund mitunter weniger stark zur Förderung der Gesundheit und Teilhabe äl- eingebunden sind und im Aufnahmeland weniger terer Menschen (WHO, 2002) und die EU erklärte von Angeboten für soziale Aktivitäten Gebrauch das Jahr 2012 zum Europäischen Jahr für aktives machen (Ehsan et al., 2021). Altern und Solidarität zwischen den Generationen. In ihrem rezenten Green Paper zum Alter betont In Bezug auf die Gestaltung von Angeboten für die EU Kommission, dass gesundes und aktives eine heterogene und immer diversere Zielgruppe Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 13
ist es daher unerlässlich, deren Bedürfnisse sowie Die PAN-VAL Studie Lebensbedingungen immer wieder neu zu evalu- Ausgangspunkt des PAN-VAL Projekts „Aktives Al- ieren. Zielgerichtete Angebote können Menschen tern in Luxemburg“, das in enger Zusammenarbeit bei der Gestaltung eines guten Lebens im Alter zwischen der Universität Luxemburg und GERO unterstützen und ihnen helfen, ihr Leben nach durchgeführt wurde, war die Frage, inwieweit so- ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten und ziale Aktivitäten und Angebote von einer diversen gleichzeitig eingebunden zu bleiben. In diesem Population genutzt werden. Zusammenhang ist es wichtig, das bestehende Angebot anzupassen und zu erneuern, um den In der Studie wurden die Bedürfnisse und Erwar- Herausforderungen des demografischen Wandels tungen von Menschen über 50 (Luxemburger*in- zu begegnen. nen und Nicht-Luxemburger*innen) in Bezug auf ihre sozialen Netzwerke, ihr soziales Eingebun- densein, ihre Freizeitaktivitäten innerhalb ihrer Gemeinde und ihr Zugehörigkeitsgefühl sowie ihre Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbe- reichen untersucht. Gleichzeitig zielte die Studie darauf ab, zu ermitteln, welche Faktoren eine Teil- nahme begünstigen und was Menschen daran hindert, an öffentlichen Freizeitangeboten teilzu- nehmen. In der vorliegenden Broschüre werden die wich- tigsten Ergebnisse der quantitativen und der qua- litativen Teilstudien zusammengeführt sowie im Anschluss daran Hinweise für die Gestaltung von Angeboten gegeben. Hierbei werden Module prä- sentiert, um ältere Menschen mit Migrationshin- tergrund besser einzubeziehen und Dienstleistun- gen für ein aktives Altern einer immer diverseren Zielgruppe zu entwickeln. Die Broschüre richtet sich damit an alle, die sich mit der Gestaltung von Angeboten für soziale Ak- tivitäten – für Ältere, aber nicht nur – im Kontext kultureller Diversität befassen. 14 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
PARTNERGEMEINDEN DES PAN-VAL PROJEKTS Das Projekt fand in Partnerschaft mit ausgewählten Gemeinden Clerf im Süden, Zentrum und Norden von Luxemburg statt. Ettelbrück Mersch Differdingen Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 15
DATEN ERHEBUNG 16 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
Die vorliegende Studie verfolgte einen gemisch- antizipieren, wurden Teilnehmer*innen ab 50 ten Methodenansatz, bei dem sowohl eine landes- Jahren1 einbezogen. Damit trägt die Studie auch weite repräsentative quantitative Fragebogener- der Kontinuität der Entwicklung über die Lebens- hebung sowie vertiefende qualitative Interviews spanne Rechnung – wer früher aktiv war, wird dies in ausgewählten Partnergemeinden stattfanden. wahrscheinlich auch später eher bleiben (Atchley, Um die Bedürfnisse der Älteren von morgen zu 1989). QUANTITATIVER SURVEY Die Fragebogenerhebung an insgesamt N = 1000 → Allgemeine Indikatoren des aktuellen Teilnehmer*innen (51% Frauen, 49% Männer) er- Wohlbefindens (allgemeine und be- folgte vom 3.-15. Dezember 2020 durch das Um- reichsspezifische Zufriedenheit) frageinstitut Quest. Dabei wurde eine kombinierte → Soziale Kontakte und Isolation (Umfang Erhebungsmethode aus Online- (n = 313) sowie des sozialen Netzwerks, Kontakthäufig- Telefonbefragung (n = 687) durchgeführt. Es wur- keit) den Personen aus 97 der 102 luxemburgischen → Sozial- und Vereinsleben (Aktivitäten, Gemeinden befragt. Von den Befragten wohnten Vereinsleben, Angebotspräferenzen, Mo- 33,8 Prozent im Süden, 42 Prozent im Zentrum, tivation zur Teilnahme, Hindernisse) 12,6 Prozent im Norden, 11,6 Prozent im Osten des → Einsamkeit vor und seit der Corona-Pan- Landes. Die Befragung erfolgte in den fünf Spra- demie chen LU, DE, FR, PT, EN. Der Fragebogen enthielt → Identifikation und Interkulturalität (Zuge- insgesamt 13 Blöcke mit Fragen zu den folgenden hörigkeitsgefühl, Diskriminierung) Themenbereichen: → A ktives Altern (Altersselbstbilder) → S oziodemographische Aspekte Tabelle 1 Quantitative Stichprobe 3 Repräsentative Altersgruppen 50 – 59 Jahre: Luxemburger*innen: Nicht-Luxemburger*innen: Doppelte Staatsangehörigkeit: 42% 50% 37,4% 12,6% 60 – 69 Jahre: Luxemburger*innen: Nicht-Luxemburger*innen: Doppelte Staatsangehörigkeit: 29% 50% 33,1% 16,9% 70+: Luxemburger*innen: Nicht-Luxemburger*innen: Doppelte Staatsangehörigkeit: 29% 60,4% 24,8% 14,8% 1 Die spezifischen Angebote für Ältere (z.B. Club Senior) richten sich an Personen ab 60 Jahren. Dennoch war es für die vorliegende Studie wichtig, auch jüngere Personen miteinzubeziehen, um die Bedürfnisse der Älteren „von morgen“ erheben zu können, an die sich die zukünftigen Angebote richten werden. Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 17
Von den Befragten waren 58,3 Prozent in Luxem- Die Mehrzahl der Befragten (86,8%) gab an, Be- burg geboren, die im Ausland Geborenen hat- sitzer ihres Eigenheims zu sein. Zum Zeitpunkt ten durchschnittlich bereits M = 33,4 Jahre (SD der Befragung waren noch 38,7 Prozent der Be- = 14,5) in Luxemburg verbracht. Fast die Hälfte fragten erwerbstätig, 81,4 Prozent hatten einen (49,5%) gab an, eine*n Partner*in zu haben, der höheren Bildungsabschluss (d.h. Sekundarschul-, oder die in Luxemburg geboren wurde. Ins- Hochschul- oder Berufsabschluss). Was die Zu- gesamt waren 75,1 Prozent zum Zeitpunkt der kunftspläne angeht, so gaben insgesamt 13,9 Befragung in einer Partnerschaft und 83,3 Pro- Prozent an, ins Ausland ziehen zu wollen – bei zent gaben an, Kinder zu haben. Fast ein Viertel den Nicht-Luxemburgern waren es sogar 23,7 der Befragten (23,3%) gab an, alleine zu leben. Prozent. QUALITATIVE INTERVIEWS Vom 8. Dezember 2020 bis zum 20. Februar 2021 Der Interviewleitfaden enthielt 41 Fragen in 7 ver- fanden leitfadengestützte Interviews mit n = 39 schiedenen Rubriken: Teilnehmer*innen aus vier ausgewählten Gemein- den in unterschiedlichen Landesteilen statt – Dif- → Allgemeines Profil der Teilnehmer*innen ferdingen im Süden, Mersch im Zentrum sowie →G efühl der Zugehörigkeit der Ettelbrück und Clerf im Norden. Diese Gemeinden Teilnehmer*innen wurden sowohl aufgrund ihrer geographischen → S oziales Netzwerkprofil der Lage – um verschiedene Landesteile abzudecken Teilnehmer*innen – als auch aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur → A ktivitäten in der Gruppe ausgewählt. Die Teilnehmer*innen wurden über → E inzelaktivitäten verschiedene Kanäle rekrutiert (z.B. Zeitungen der Partnergemeinden, Internetseiten, soziale Einrich- → A uswirkungen der Coronavirus- Pandemie tungen und Dienste, Vereine und Verbände, Netz- werke, Schlüsselpersonen in den Gemeinden). Die → Z usatzfrage bei Erwerbstätigkeit: Befragten waren zwischen 51 und 85 Jahre alt2, da- Zukunftserwartungen bezüglich des runter 21 Frauen und 18 Männer. 20 Teilnehmer*in- Ruhestandes nen besaßen die luxemburgische Staatsbürger- Ziel der qualitativen Interviews war es, erleich- schaft, 14 eine ausländische und 5 eine doppelte ternde und hinderliche Faktoren der Teilnahme an Staatsbürgerschaft. Die Nicht-Luxemburger*innen sozialen Aktivitäten zu identifizieren und heraus- wiesen eine hohe Diversität auf, wobei vor allem zufinden, welche Bedürfnisse und Wünsche ältere europäische (darunter IT, FR, BE, DE, PT, UK, NL, ES), Menschen mit und ohne Migrationshintergrund aber auch außereuropäische Staatsbürgerschaften bezüglich der angebotenen gemeinschaftlichen vertreten waren. Die Interviews fanden entweder Aktivitäten (z.B. in Vereinen und Clubs) haben, um persönlich, per Telefon oder online statt. so die aktive Teilnahme von weniger eingebunde- nen Senior*innen fördern zu können. Im Hinblick auf die Stichprobengröße der qualita- tiven Studie wurden Empfehlungen aus der Litera- tur befolgt (z. B. Grounded Theory, Ethnographie; für einen Überblick siehe Saunders et al., 2018). 2 Die hier berichteten Analysen beziehen sich vor allem auf die Teilnehmer*innen bis 75 Jahre, Die endgültige Stichprobengröße wurde im Laufe die den größten Teil der Stichprobe ausmachen. der Studie anhand der Sättigungskriterien unter Die Gespräche mit älteren Befragten lieferten Berücksichtigung der Vielfalt der Zielgruppe er- allerdings wichtige Hinweise bezüglich spezifischer mittelt und auf insgesamt 39 Teilnehmer*innen Interessen und Bedürfnisse der verschiedenen festgelegt. Die Befragungen fanden auf Luxem- Altersgruppen (in Bezug auf drittes und viertes burgisch, Französisch, Deutsch, Englisch und Por- Alter). tugiesisch statt. 18 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
Foto: © silentgunman – stock.adobe.com Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 19
AUSGEWÄHLTE ERGEBNISSE 20 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
ALLGEMEINE UND BEREICHSSPEZIFISCHE LEBENSZUFRIEDENHEIT Die Befragten zeigten im Allgemeinen und über ben sie an, zufrieden zu sein oder wählten modera- die verschiedenen Lebensbereiche hinweg eine te Werte; ähnlich war dies bei den Erwerbstätigen große Zufriedenheit (siehe Abbildung 1). und den Alleinlebenden der Fall. Die meisten der Befragten (89%) gaben an, mit Mit Bezug auf die verschiedenen Lebensbereiche ihrem Leben insgesamt zufrieden oder sogar sehr zeigte sich, dass die meisten mit ihrer Familie und zufrieden zu sein. Während sich geschlechtsspezi- ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden oder so- fisch in etwa dieselben Zufriedenheitswerte zeig- gar sehr zufrieden waren (84% und 85%). In ein- ten, ergaben sich geringe Unterschiede für die zelnen Bereichen war die Zufriedenheit etwas we- verschiedenen Altersgruppen – unter den 50-bis niger stark ausgeprägt, aber dennoch hoch – 79 59-Jährigen gaben im Vergleich zu den Älteren Prozent waren mit ihrem sozialen Leben zufrieden. etwas weniger Befragte an, sehr zufrieden zu sein; Mit ihrem aktuellen Gesundheitsstatus, mit ihrem dafür gaben aber auch weniger Personen aus die- Freundschaftsnetzwerk und der Art und Weise, ser Altersgruppe an, unzufrieden zu sein. Auch ga- wie man seine Freizeit verbringt waren rund drei ben unter den Nicht-Luxemburger*innen weniger Viertel der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden Befragte an, sehr zufrieden zu sein – häufiger ga- (jeweils 76%). Abbildung 1 In normalen Zeiten und in dem Versuch, die aktuelle Situation der Corona-Krise zu ignorieren, wie zufrieden sind Sie mit ... Ihrem Leben im Allgemeinen? (n=994) 40% 49% 9% 2% 1% ... Ihrem Familienleben? (n=994) 39% 45% 12% 3% 1% ... Ihrer wirtschaftlichen Situation? (n=998) 32% 53% 11% 3% ... Ihrem sozialen Leben? (n=993) 29% 50% 15% 5% 2% ... Ihrem derzeitigen Gesundheitszustand? (n=998) 29% 47% 15% 7% 3% ... Ihrem Freundeskreis? (n=992) 29% 47% 18% 5% 2% ... der Art und Weise, wie Sie Ihre Freizeit verbringen? (n=995) 27% 49% 18% 5% 1% sehr zufrieden zufrieden durchschnittlich unzufrieden sehr unzufrieden Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 21
Unterschiede ergaben sich zwischen den Luxem- Prozent mit ihrem Freundeskreis zufrieden oder burger*innen und Nicht-Luxemburger*innen ins- sehr zufrieden. Auch mit der ökonomischen Si- besondere in Bezug auf soziale Aspekte: Nur 72 tuation waren Einheimische und diejenigen mit Prozent der Nicht-Luxemburger*innen waren je- doppelter Staatsangehörigkeit zufriedener als weils mit ihrem sozialen Leben sowie mit der Art Nicht-Luxemburger*innen. Bezüglich der Wahr- und Weise, wie sie ihre Freizeit verbringen, zufrie- nehmung der Gesundheit hingegen fielen die Ein- den oder sehr zufrieden im Vergleich zu 83 Prozent schätzungen der Befragten ungefähr gleich aus. und 78 Prozent der Luxemburger*innen und 80 Prozent und 79 Prozent derjenigen mit doppel- Ein Blick auf die unterschiedlichen Altersgruppen ter Staatsangehörigkeit. Insbesondere waren die zeigte außerdem, dass es unter den 60- bis 69-Jäh- Nicht-Luxemburger*innen weniger zufrieden mit rigen die meisten Zufriedenen hinsichtlich des so- ihrem Freundschaftsnetzwerk: Nur rund zwei Drit- zialen Lebens, des Freundschaftsnetzwerks sowie tel (67%) gaben an, zufrieden oder sehr zufrieden der Freizeitaktivitäten gab. Auch waren die Älteren mit ihrem Freundeskreis zu sein. Bei den Luxem- zufriedener als die jüngeren Gruppen bezüglich burger*innen waren hingegen 79 Prozent und bei ihrer ökonomischen Situation, Jüngere waren hin- denjenigen mit doppelter Staatsangehörigkeit 81 gegen etwas zufriedener mit ihrer Gesundheit. SOZIALES NETZWERK UND KONTAKTE Insgesamt zeigte sich, dass die Befragten weitge- und es besteht eine große Variabilität in Bezug auf hend über Familien- und Freundschaftsnetzwerke Größe und Zusammensetzung der Netzwerke. So verfügen, für einen Teil der Befragten ist das so- hat knapp ein Viertel (24%) der Befragten nach ziale Netzwerk in Luxemburg jedoch beschränkt, eigenen Angaben nur wenige Freunde und Ver- Abbildung 2 Wir interessieren uns genauer für den Umfang Ihres sozialen Netzwerks. Wie viele der folgenden Personen gibt es? Enge Freunde und Vertrauenspersonen, die in Luxemburg leben? 4% 24% 47% 26% Personen, auf die Sie zählen können, wenn Sie sie brauchen? 2% 29% 54% 15% Direkte Familienmitglieder, die in Luxemburg leben, aber nicht zu Ihrem Haushalt gehören? 19% 22% 37% 22% Direkte Familienmitglieder, die im Ausland leben? 29% 27% 24% 21% Enge Freunde und Vertrauenspersonen, die im Ausland leben? 26% 32% 32% 11% Enge Freunde und Vertrauenspersonen, die in einem anderen Land als Sie geboren wurden? 29% 30% 34% 8% gar keine wenige einige viele 22 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
trauenspersonen in Luxemburg, 4 Prozent haben lienmitglieder, die im Ausland wohnen, und bei 43 sogar gar keine, und fast ein Drittel hat nur wenige Prozent trifft dies auf Freunde und Vertrauensper- (29%) oder gar keine (2%) Personen, auf die man sonen zu (siehe Abbildung 2). bei Bedarf zählen kann. Auch hat rund ein Fünf- tel der Befragten (19%) keine erweiterte Familie in Diese Besonderheiten erklären sich auch durch die Luxemburg, also außerhalb des eigenen Haushalts Zusammensetzung der Stichprobe: Ein Vergleich lebende Angehörige im Großherzogtum. Ande- der Netzwerke in Luxemburg verdeutlicht, wie un- rerseits bestehen auch transnationale Netzwerke terschiedlich diese teilweise von Luxemburger*in- – sowohl was Familie als auch Freunde angeht: nen und Nicht-Luxemburger*innen beschrieben 45 Prozent haben einige oder viele direkte Fami- werden (siehe Abbildung 3). Abbildung 3 Das soziale Netzwerk in Luxemburg Freunde und Vertraute Freunde und Vertraute (Luxemburger*innen) (Nicht- Luxemburger*innen) Familienmitglieder Familienmitglieder (Luxemburger*innen) (Nicht- Luxemburger*innen) keine wenige einige viele Die Nicht-Luxemburger*innen und jene mit dop- werke auch für einen Teil der luxemburgischen Be- pelter Staatsangehörigkeit haben hingegen eher fragten, von denen rund ein Viertel angibt, einige transnationale Netzwerke als die Luxemburger*in- (18%) oder sogar viele (6%) direkte Familienmitglie- nen. Während 37 Prozent der Luxemburger*innen der im Ausland zu haben. keinerlei Freunde oder Vertrauenspersonen im Ausland haben, ist dies nur bei 10 Prozent bzw. 16 Interessant ist auch die kulturelle Vielfalt der Prozent der Nicht-Luxemburger*innen und denje- Freundschaftsnetzwerke, die unter den Nicht-Lu- nigen mit doppelter Staatsangehörigkeit der Fall. xemburger*innen und jenen mit doppelter Staats- Bezüglich familiärer Netzwerke im Ausland ist der angehörigkeit größer ist als bei den luxemburgi- Unterschied noch deutlicher: 46 Prozent der Lu- schen Befragten. Von den Luxemburger*innen xemburger*innen haben keine direkte Familie im haben 40 Prozent keine Freunde, die in einem an- Ausland gegenüber 9 Prozent der Nicht-Luxem- deren Land als sie selbst geboren wurden im Ver- burger*innen und 14 Prozent derjenigen mit dop- gleich zu 15 Prozent der Nicht-Luxemburger*innen pelter Staatsangehörigkeit. Auf der anderen Seite und 18 Prozent derjenigen mit doppelter Staats- zeigt sich hier die Wichtigkeit transnationaler Netz- angehörigkeit. Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 23
Nationale und transnationale So zeigte sich, dass die Geselligen und die Fami- lien-orientierten am zufriedensten mit ihrem so- Beziehungen im Fokus zialen Leben waren, hingegen waren die auf die Um die Relevanz der nationalen und transnationa- Familie im Ausland Fokussierten unzufriedener mit len Beziehungen für die Nicht-Luxemburger*innen ihrem Freundschaftsnetzwerk und diejenigen mit und jene mit doppelter Staatsangehörigkeit weiter insgesamt niedrigem Kontakt allgemein unzufrie- zu beleuchten, wurde eine detaillierte Analyse der dener als die restlichen Befragten. Kontakthäufigkeit mit den Familien- und Freund- schaftsnetzwerken in dieser Teilstichprobe (n = Auch mit Bezug auf das Zugehörigkeitsgefühl der 470) durchgeführt. Eine Clusteranalyse (Ward-Me- Befragten zeigten sich Unterschiede je nach sozia- thode, k-means Cluster) zeigte wiederum die Viel- lem Netzwerk: Insbesondere die Geselligen fühl- falt der sozialen Netzwerke auf. Es ergaben sich ten sich stärker zugehörig zu ihrem Wohnort, der sechs verschiedene Muster: Die größte Gruppe Gemeinde und Luxemburg insgesamt, diejenigen – fast ein Viertel (23%) – bildeten die „Geselligen“: mit niedrigem Kontakt hingegen fühlten sich ins- Sie zeichneten sich durch hohe Kontakthäufigkeit gesamt weniger zugehörig. Außerdem fühlten sich sowohl mit Familie und Freunden in Luxemburg diejenigen, die in Luxemburg wenig Kontakt be- als auch im Ausland aus. Daneben waren rund ein ziehungsweise keine weiteren Familienmitglieder Fünftel (19,5%) „Luxemburg-orientiert“ – sie hatten hatten, weniger stark in ihrer Gemeinde verankert. wenig Kontakt zu Familie und Freunden im Aus- land und hatten eher Kontakt zu ihren Familien- und Freundschaftsnetzwerken in Luxemburg. Eine Vielfalt der Netzwerke fast ebenso große Gruppe (18,5%) war zwar „gesel- lig, aber ohne Familie in Luxemburg“ – sie zeich- in den qualitativen Interviews neten sich durch hohen Kontakt zu Freunden in Um die Zusammensetzung der persönlichen so- Luxemburg und im Ausland sowie zu ihrer Familie zialen Netzwerke von Luxemburger*innen und im Ausland aus, verfügten gleichzeitig jedoch über Nicht-Luxemburger*innen genauer zu erfassen, keine weiteren Angehörigen in Luxemburg. Eine wurden in den qualitativen Interviews zusätzlich weitere Gruppe (16,4%) war stark „Familien-orien- die von Kahn und Antonucci (1980) vorgelegten tiert“, wobei sowohl Familienkontakte in Luxem- Netzwerk-Karten zur Erfassung der Struktur sozialer burg als auch im Ausland häufig waren, jedoch Unterstützungsnetzwerke herangezogen. ein geringeres Freundschaftsnetzwerk im In- und Ausland bestand. Davon abzugrenzen war eine Wie schon in der Fragebogenerhebung zeigte sich weitere Gruppe (13,4%) – die auf die „Familie im auch hier eine große Variabilität in der Ausgestal- Ausland Fokussierten“, die vor allem engen Kontakt tung der sozialen Netzwerke: Neben teilweise sehr zu ihrem transnationalen Familiennetzwerk pfleg- großen und dichten Netzwerken auf der einen ten, wenige Familienkontakte in Luxemburg hatten Seite, fanden sich auf der anderen Seite auch auf und auch insgesamt weniger Freundschaftskon- wenige Personen fokussierte Netzwerke sowie Be- takte im In- und Ausland als der Durchschnitt. Eine fragte, die keine näheren Personen in ihrem Netz- weitere Gruppe bildeten jene mit insgesamt „nied- werk aufwiesen (Abbildung 4 kann als Beispiel zur rigem Kontakt“ (9.5%) zu Freunden oder Familie im Veranschaulichung dienen). In- und Ausland. Neben der Netzwerkstruktur wurden auch die Die Teilnehmer*innen in den Gruppen der „Familie Funktion und Qualität der Netzwerke erörtert. im Ausland Fokussierten“, „Gesellig ohne Familie in Entsprechend der von Carstensen et al. (2003) pos- Luxemburg“ und dem „Geselligen“ Cluster waren tulierten Theorie der sozio-emotionalen Selektivi- signifikant jünger als jene mit „niedrigem Kontakt“. tät zeigte sich eine zunehmende Fokussierung auf Befragte mit doppelter Staatsangehörigkeit fanden enge und emotional wichtige Kontakte mit dem sich häufiger in dem „Luxemburg orientierten“ und Alter (siehe Zverotic, 2021). weniger häufig in dem „Familie im Ausland Fokus- sierten“ Muster und es gab keine Geschlechtsun- So betonte ein Teilnehmer, dass er sich vor allem terschiede. auf die Stärkung bestehender Kontakte fokussierte: Aus diesen verschiedenen Mustern können sich Mais c’est vrai que maintenant avec le temps, ganz unterschiedliche Bedürfnisse ergeben. je garde des liens très forts avec tout un tas de personnes qu’on se connait depuis longtemps. Männlich, 50+ 24 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
Abbildung 4 Typische Struktur der persönlichen Netzwerke Bekanntschaften Freundschaften sehr enge vertraute Kontakte ICH Diese Fokussierung auf bestehende Kontakte kann teilweise aber auch eine Schwierigkeit darstellen, wenn solche Kontakte nicht bestehen oder im Fal- le der Migration bestehende Netzwerke zurückge- lassen worden sind. Dies zeigte sich auch in den Interviews. Während Luxemburger*innen und Personen, die in jüngeren Jahren nach Luxemburg migriert sind, eher auf Luxemburg fokussierte so- ziale Netze aufweisen, haben diejenigen, die spä- ter eingewandert sind mitunter Schwierigkeiten, in Nicht immer besteht daher der Wunsch nach einer Luxemburg ein neues Netzwerk aufzubauen. Erweiterung des Netzwerks – insbesondere dann, wenn bereits zufriedenstellende Beziehungen be- Naja, ich hätte mir schon gewünscht, dass ich stehen: hier bessere und mehr Kontakte habe, auch gute Kontakte habe. Es ist sehr sehr schwierig. I don’t have any interest to do so. I have my Und ich glaube auch, das hat dann doch was mit friends and family. That is enough for me. dem Alter zu tun, weil ich war ja fast 50 als ich Weiblich, 60+ hierhin gekommen bin. Und dann wird es eben auch schwieriger, jemanden kennenzulernen. Weiblich, 50+ Der Wunsch, bereits bestehende enge Kontakte weiter zu vertiefen, kann auch insbesondere dann stark sein, wenn mit zunehmendem Alter andere Dass fehlende Gelegenheiten zu Kontakten nicht Verpflichtungen wegfallen und man mehr Zeit und nur im Kontext der Migration eine Schwierigkeit Freiraum zur Pflege solcher Kontakte erlangt: darstellen können, sondern auch für Einheimische, Am allerléifste beschäftegen ech mech nach die jahrelang am selben Ort gewohnt haben, wird ëmmer am léifsten mat der Famill. Dat ass well an folgendem Zitat deutlich: ech ëmmer geschafft hunn an elo Zäit hunn, Jo, also ech muss leider soen, dass ech net méi wat all di Joeren net war. Am Moment ass mir vill Kontakt mat de Leit hunn. (…) dat dat wichtegst. An soss vun den Noperen gesinn ech keen, ech Weiblich, 60+ gesinn kee Mënsch. Méin direkten Noper ass 200 Meter weit ewech an hunn do och keen Kontakt. Et kennt seelen een bei mech laanscht, ausser lo Teilweise wurde hier aber auch über sehr einge- Hëllef Doheem all Dag mee soss ganz seelen. schränkte Netzwerke berichtet: Männlich, 70+ Ich muss immer denken, wenn mein Mann nicht da wäre, dann wäre ich verdammt alleine hier, weil ich habe in den sieben Jahren hier wirklich An unseren vertieften Interviews verdeutlicht sich ganz wenige Kontakte knüpfen können hier in einmal mehr die Unterschiedlichkeit der Zielgrup- Luxemburg. pe älterer Erwachsener, die sich auch aus der Bio- Weiblich, 50+ graphie des Einzelnen ergibt. Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg 25
CORONA-PANDEMIE Während der COVID-19-Krise waren ältere Erwach- Nur 13,7 Prozent der Teilnehmer*innen gaben an, sene besonders gefährdet, schwer zu erkranken dass sie sich vor der Krise zumindest manchmal und hatten eine höhere Sterblichkeitsrate. Von oder auch öfter einsam gefühlt haben, hingegen Anfang an wurden daher Anstrengungen unter- gaben 21,1 Prozent an, dass sie sich seit der Krise nommen, um sie vor dem Kontakt mit dem Virus manchmal einsam fühlen, 12,5 Prozent oft und 9,6 zu schützen und eine Ansteckung zu verhindern. Prozent sogar sehr oft (siehe Abbildung 5). Hierbei stellten 44,9 Prozent eine Zunahme der Einsamkeit Während eine Verringerung der persönlichen Kon- fest, während bei 53,5 Prozent das Gefühl der Ein- takte zum Schutz gefährdeter Gruppen notwendig samkeit vor und nach der Krise unverändert blieb. war, mussten die sekundären Auswirkungen dieser Maßnahmen, wie das Risiko von Einsamkeit und sozialer Isolation, berücksichtigt werden. In der PAN-VAL Studie beschäftigten wir uns daher auch mit der Frage, welche Auswirkungen die Pan- demie und die damit verbundenen Maßnahmen auf ältere Erwachsene mit und ohne Migrations- hintergrund hatten. Abbildung 5 Wie oft haben Sie sich isoliert, einsam oder ohne Gesellschaft gefühlt? ... vor der Corona-Krise? (n=994) 1% 4% 9% 25% 61% ... seit der Corona-Krise? (n=993) 10% 12% 21% 22% 35% sehr oft oft manchmal selten nie Die Größe des sozialen Netzwerks in Luxemburg her stark eingebunden waren, einen Zuwachs an stand in negativem Zusammenhang mit der wahr- Einsamkeit mit sich brachte. Dies wird auch in den genommenen Einsamkeit vor der Pandemie genauso qualitativen Interviews deutlich. wie Treffen mit Freunden und das Gefühl der Zuge- Je me sentais plus seule qu’avant. Je suis seule, hörigkeit. Die wahrgenommene Einsamkeit vor und mais depuis le corona virus on se sent encore seit der Krise hingen eng miteinander zusammen. plus isolé. Anders als vor der Krise stieg die wahrgenommene Weiblich, 70+ Einsamkeit seit der Corona-Pandemie allerdings mit der Größe des sozialen Netzwerks in Luxemburg. Énorme, énorme. Toutes les activités sociales Die Beteiligung an organisierten Aktivitäten vor que j’aime ont été annulées, reportées, entra- der Krise stand ebenfalls im Zusammenhang mit vées. C’est tellement énorme, c’est horrible. (…) einer verstärkt wahrgenommenen Einsamkeit seit J’ai des personnes que je connais qui sont en der Krise. Diese Resultate lassen erkennen, dass die télétravail depuis de mars ils sont en dépression, Corona-Pandemie sowohl für jene, die bereits ein- ils en peuvent plus. sam waren, als auch und gerade für jene, die vor- Männlich, 50+ 26 Aktives Altern im Kontext kultureller Vielfalt in Luxemburg
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