Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel 2021
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
2021 Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel • Umsatzentwicklungen im Geschäftsjahr 2020 • Einzelne Produkte im Fokus • Ran an die Preismacht! Plädoyer für ein Verbot von Dumpingpreisen • Forderungen des Forum Fairer Handel an Bundestag und Bundesregierung für die Legislaturperiode 2021-2025 • Verbraucher*innenbefragung zum Fairen Handel 2021 • Tätigkeitsbericht des Forum Fairer Handel 2020
Inhaltsverzeichnis Editorial 3 Umsatz- und Absatzzahlen im Geschäftsjahr 2020 4 Umsatzentwicklungen 4 Anteil einzelner Produkte am Gesamtumsatz des Fairen Handels 6 Einzelne Produkte im Fokus 6 Kaffee: Weiterhin der Spitzenreiter im Fairen Handel 6 Faire Südfrüchte und Bananen: Champions in punkto Absatz 7 Faire Schokolade legt kräftig zu 7 Schwer getroffen: das faire Kunsthandwerk 7 Ran an die Preismacht! 8 Die neue Bundesregierung muss Dumpingpreise verbieten, um existenzsichernde Einkommen zu fördern 8 Forderungen des Forum Fairer Handel an Bundestag und Bundesregierung für die Legislaturperiode 2021-2025 10 Die Transformation fair gestalten 10 Aufbruch in eine sozial und ökologisch zukunftsfähige Wirtschaft 10 Verbraucher*innenbefragung zum Fairen Handel 2021 12 Executive Summary von Sandra Bäthge, Centrum für Evaluation (CEval GmbH) 12 Tätigkeitsbericht des Forum Fairer Handel 2020 14 Politik und Grundsatz 14 Kommunikation 15 Faire Woche 15 Aus dem Verein 16 Finanzbericht 17 Kontakt und Informationen 19 Impressum Herausgeber: Forum Fairer Handel e.V. Texte: Sandra Bäthge (CEval GmbH), Matthias Fiedler, Katrin Frank, Andrea Fütterer, Maja Volland (Forum Fairer Handel e.V.) Redaktion: Katrin Frank Gestaltung: Dreimalig Werbeagentur Berlin, Juli 2021 Klimaneutral gedruckt auf Recyclingpapier Bildnachweise: S. 3: Forum Fairer Handel e.V. (FFH)/ Rolf K. Wegst · S. 11: AdobeStock_mast3r, · S. 14: FFH/ Weltladen- Dachverband e.V. · S. 15: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit/ Photothek · S. 16: FFH Alle Internet-Quellen in dieser Broschüre sind in der digitalen Fassung verlinkt. Sie erhalten alle digitalen Publikationen auf unserer Website unter www.forum-fairer-handel.de/materialien
Editorial von Menschen und deren Umwelt in den Mittelpunkt des Wirtschaftens rückt. Das im Juni 2021 verabschiedete Lie- ferkettengesetz ist ein erster Schritt auf diesem Weg. Erst- malig verpflichtet ein Gesetz hierzulande Unternehmen, Verantwortung für die Menschen in ihren Lieferketten zu übernehmen. Das ist ein Erfolg der Zivilgesellschaft – da- runter auch der Fair-Handels-Bewegung – und eine gute Nachricht für alle, die unter ausbeuterischen Bedingungen in den Lieferketten deutscher Unternehmen arbeiten. Die Initiative Lieferkettengesetz, der auch das FFH angehört, formulierte es sehr treffend: Wir sind noch nicht am Ziel aber endlich am Start. Das betrifft auch unseren Einsatz gegen unfaire Handels- praktiken im Agrarbereich. Viele Erzeuger*innen von Le- bensmitteln kämpfen täglich um ihr Überleben. Auch in- folgedessen ist die Kinderarbeit weltweit gestiegen. Ein besonders trauriges Beispiel ist der westafrikanische Kakao- anbau, wo über 1,5 Millionen Kinder gefährliche Arbeiten verrichten und immer wieder Fälle von Zwangsarbeit ans Licht kommen. Leider hat die Corona-Krise die ungerechten Verhältnisse entlang vieler Lieferketten verstärkt. Aktuelle Informationen über den fairen und konventionellen Kaf- fee-, Bananen- und Kakaosektor erhalten Sie in der Rubrik „Einzelne Produkte im Fokus“ in dieser Broschüre. Das im Mai 2021 verabschiedete ‚Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich’ ist ein wichtiger erster Schritt, um unfaire Praktiken von markt- Die Corona-Pandemie fordert auch den Fairen Handel her mächtigen Unternehmen in globalen Lieferketten zu unter- aus. Nach über einer Dekade im Aufwind ist der Umsatz binden. Es ist jedoch verpasst worden, existenzsichernde mit fairen Produkten im Geschäftsjahr 2020 infolge der Einkommen und damit eine gerechtere Verteilung der Wert- Krise erstmalig zurückgegangen. Näheres zu den Ursa- schöpfung im Lebensmittelhandel zu fördern. Die Preise, chen dafür erfahren Sie auf den nächsten Seiten. Doch die die Erzeuger*innen für ihre Produkte erhalten, decken häu- Fair-Handels-Bewegung ist es gewohnt, gegen den Strom zu fig nicht einmal die Produktionskosten. Um dies zu ändern, schwimmen und partnerschaftliche Handelsbeziehungen hätte ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktions- zu pflegen, die auch schwere Zeiten überstehen. Dabei hel- kosten in das Gesetz mitaufgenommen werden müssen. fen die tiefe Überzeugung, dass eine sozial und ökologisch zukunftsfähige Wirtschaft möglich ist und das Wissen, dass Vor diesem Hintergrund fordert das Forum Fairer Handel es auf dem Weg dorthin eines langen Atems bedarf. Zudem ein Verbot von Dumpingpreisen für Lebensmittel. Auch geben uns viele positive Beispiele von Resilienz und Soli- dies wäre ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer so- darität in der Krise Anlass zur Hoffnung, dass es nach der zial-ökologisch zukunftsfähigen Wirtschaft. Mehr darüber Pandemie wieder bergauf geht. Was die wirtschaftliche Ent- erfahren Sie in der vorliegenden Broschüre. wicklung des Fairen Handels in Deutschland betrifft, gibt auch die aktuelle Verbraucher*innenbefragung zum Fairen Was das FFH im vergangenen Jahr noch bewegen konnte, Handel Anlass zu Optimismus: Denn immer mehr Men- erfahren Sie im Tätigkeitsbericht am Ende dieser Publikati- schen in Deutschland greifen zu fairen Produkten. on. Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre. Um die sozial-ökologische Transformation fair zu gestal- Ihre ten, ist jedoch ein grundlegender politischer Wandel er- forderlich. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2021 hat das Forum Fairer Handel gemeinsam mit seinen Mitgliedern formuliert, wie eine faire Transformation gelingen kann. Unsere Vision ist ein Wirtschafts- und Handelssystem, in Andrea Fütterer dem Sinn vor Gewinn steht und somit das Wohlergehen Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel e.V. 3
Umsatz- und Absatzzahlen im Geschäftsjahr 2020 Umsatzentwicklungen Die aktuelle Pandemie fordert auch den Fairen Handel heraus. Nach über einer Dekade im Aufwind war der Umsatz mit fairen Produkten 2020 infolge der Krise erstmalig rückläufig. Im Geschäftsjahr 2020 wurden in Deutschland 1,8 Milliarden Euro zu Endverbraucherpreisen mit Produkten aus Fairem Handel umgesetzt. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einem Umsatzrückgang von 2,9 %. Im Durchschnitt gaben die Verbraucher*innen in Deutschland pro Kopf 21,63 Euro für faire Lebensmittel und Handwerksprodukte aus. Gesamtumsatz des Fairen Handels in Deutschland, 2011-2020 Umsatz fair gehandelter Produkte zu geschätzten Endverbraucherpreisen in Mio. Euro 650 Mio. € 1.027 Mio. € 1.301 Mio. € 1.697 Mio. € 1.800 Mio. € 477 Mio. € 784 Mio. € 1.139 Mio. € 1.473 Mio. € 1.853 Mio. € 1.800 Mio. € Gesamtumsatz* 1.500 Mio. € Fairtrade-Produktsiegel** 1.200 Mio. € 900 Mio. € 600 Mio. € 300 Mio. € Fair-Handels-Unternehmen*** Weltläden & Weltgruppen**** 0 Mio. € 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Umsatz fair gehandelter Produkte zu geschätzten Endverbraucherpreisen * Der Gesamtumsatz umfasst den Umsatz der anerkannten Fair-Handels-Unternehmen und den Umsatz der anerkannten Fair-Handels-Zertifizierungen (Naturland Fair, Fair for Life, SPP, Fairtrade-Produkt-Siegel sowie den speziellen Fairtrade- Produkt-Siegeln (u. a. für Baumwolle und Kosmetik). ** Dieser Wert umfasst Produkte mit dem Fairtrade-Produkt-Siegel sowie den speziellen Fairtrade-Produkt-Siegeln (u. a. für Baumwolle und Kosmetik). Als fair gehandelte Produkte erfasst das Forum Fairer Handel Waren, deren Rohstoffe soweit möglich aus Fairem Handel stammen („All that can be must be Fair Trade“). Produkte mit den Fairtrade-Roh- stoff-Siegeln sind in dieser Berechnung nicht enthalten. *** Umsatz der anerkannten Fair-Handels-Unternehmen. Zu den hier erfassten Waren zählen auch Produkte mit Produkt- Siegeln (Fairtrade, Naturland, Fair for Life, SPP). **** Umsatz der Weltläden mit Waren anerkannter Fair-Handels-Unternehmen. 4
Wie auch in den Vorjahren wurde der größte Teil des Um- Mit einem Umsatz von 72 Millionen verzeichnen die Weltlä- satzes mit Fairtrade-gesiegelten Produkten generiert (1,45 den und Weltgruppen 2020 im Vergleich zum Vorjahr Ein- Milliarden, − 3,2 %). Ihr Verkauf trägt zu über 80 % des Ge- bußen von 13,3 %. Diese hängen vor allem mit Ladenschlie- samtumsatzes bei. Der Umsatzrückgang ist u. a. auf Lock- ßungen und leeren Innenstädten infolge der Pandemie down-bedingte Einbußen im Außer-Haus-Bereich sowie bei zusammen. Insgesamt sind die Weltläden jedoch gut durch einzelnen Produkten, darunter Textilien und Bananen, zu die Krise gekommen, Geschäftsaufgaben ließen sich verhin- rückzuführen.1 dern. Als Fachgeschäfte des Fairen Handels bieten rund 900 Weltläden in Deutschland die größte Auswahl an fair gehan- Die anerkannten Fair-Handels-Unternehmen verzeich- delten Lebensmitteln und Handwerksprodukten an. neten 2020 einen Umsatz von 207 Millionen Euro mit dem Verkauf fair gehandelter Waren. Gegenüber dem Vorjahr 2020 wurden fair gehandelte landwirtschaftliche Erzeug- entspricht dies einem Rückgang von 8,4 %. Dieser ist durch nisse aus Europa im Wert von rund 136 Millionen Euro (+ mehrere Faktoren bedingt, darunter ein geringerer Absatz 13 %) verkauft. Somit setzt der Faire Handel im Norden in den Weltläden infolge von Lockdowns, Umsatzrückgänge seinen Erfolgskurs fort. Grundlegend für die Anerkennung im Außer-Haus-Bereich sowie die Senkung der Mehrwert- von Produkten aus dem Globalen Norden ist die Einhal- steuer. Der Anteil von Fair-Handels-Unternehmen am Ge- tung der Kriterien des Fairen Handels. Dazu gehören faire samtumsatz des Fairen Handels in Deutschland beläuft sich Preise für die Landwirt*innen, verlässliche Handelsbezie- auf 11,5 %. Fair-Handels-Unternehmen sind ausschließlich hungen und soziale Verantwortung. im Fairen Handel tätig und folgen mit ihrer gesamten Un- ternehmenspolitik seinen international definierten Grund- sätzen. Umsatzentwicklung der Umsatzentwicklung der Fair-Handels-Unternehmen, 2011-2020 Weltläden und Weltgruppen, 2011-2020 146 Mio. € 176,5 Mio. € 190 Mio. € 209 Mio. € 207 Mio. € 63 Mio. € 72,5 Mio. € 77 Mio. € 78 Mio. € 72 Mio. € 130 Mio. € 166 Mio. € 185 Mio. € 193 Mio. € 226 Mio. € 56 Mio. € 69 Mio. € 76 Mio. € 76 Mio. € 83 Mio. € 250 Mio. € 80 Mio. € 70 Mio. € 200 Mio. € 60 Mio. € 50 Mio. € 150 Mio. € 40 Mio. € 100 Mio. € 30 Mio. € 20 Mio. € 50 Mio. € 10 Mio. € 0 Mio. € 0 Mio. € 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Datenbasis zur Berechnung der Umsatz- und Absatzzahlen Die veröffentlichten Branchenzahlen für Deutschland werden vom Forum Fairer Handel e.V. jährlich erhoben. Sie beruhen auf den Angaben anerkannter Fair-Handels-Unternehmen, den Zahlen der Naturland Zeichen GmbH, der Ecocert IMOswiss AG, Fairtrade Deutschland zu dessen Produktsiegel, den Siegeln für Baumwolle und Kosmetik sowie des Símbolo de Pequeños Productores (Klein- produzenten-Symbol, kurz: SPP). Bei der Anerkennung der Fair-Handels-Unternehmen bezieht sich das Forum Fairer Handel auf die Mitgliedschaft in der World Fair Trade Organization oder auf die Anerkennung durch den Weltladen-Dachverband e.V. Die großen Fair-Handels-Unternehmen und Fairtrade Deutschland werden für die Zusammenstellung der Zahlen sehr differenziert zu ihren Um- sätzen und Absatzmengen befragt, die kleineren und mittleren Akteure erhalten einen verkürzten Fragebogen. In Einzelfällen beru- hen die Daten kleiner und mittlerer Importorganisationen auf Hochrechnungen. Bei der Erhebung und Auswertung der Branchenzah- len wurden sowohl die Umsätze mit Produkten aus dem Globalen Süden als auch aus dem Globalen Norden erhoben. Die Berechnung des Gesamtumsatzes fair gehandelter Waren basiert auf den durchschnittlichen bzw. empfohlenen Verbraucherpreisen, da der reale Verkaufspreis statistisch nicht erhoben werden kann. 1 Ausführliche Informationen enthält der Jahres- und Wirkungsbericht 2020/2021 von Fairtrade Deutschland „Fairtrade – eine Agenda für die Zukunft (online erhältlich). 5
Anteil einzelner Produkte am Gesamtumsatz des Fairen Handels Lebensmittel machten 2020 mit 78 % (2019: 77 %) den größten Anteil am Umsatz mit fair gehandelten Produkten zu End- verkaufspreisen aus. Insgesamt sind die Anteile innerhalb dieser Kategorie gegenüber dem Vorjahr relativ stabil geblie- ben. Folgende Produkte und Kategorien haben jedoch an Gewicht gewonnen: Eiscreme (+ 2,6 Prozentpunkte), Schokola- de (+ 1,2 Prozentpunkte), Milch, Mehl und Backwaren aus Deutschland und Europa (+ 0,8 Prozentpunkte). Dafür haben die langjährigen Spitzenreiter Kaffee (- 2,5 Prozentpunkte) und Südfrüchte (- 2,2 Prozentpunkte) ein wenig an Gewicht in der Umsatzverteilung verloren. Einzelne Produkte im Fokus Kaffee Kaffee: Weiterhin der 13.974 t 15.601 t 16.418 t 20.014 t 21.529 t 23.543 t 26.185 t 27.394 t Spitzenreiter im Fairen Handel 30.000 t Mit einem Anteil von 30 % am Gesamtumsatz ist Kaffee in Deutschland weiterhin der Spitzenreiter unter den fairen 25.000 t Zuwachs 2020: 4,6 % Bio-Anteil 2020: 70 % Produkten. Insgesamt führten Lockdown und Homeoffice im Jahr 2020 in Deutschland zu einem Anstieg des heimi- 20.000 t schen Kaffeekonsums. Demgegenüber steht ein Rückgang im Bereich des Außer-Haus-Verzehrs von Kaffee.2 Das gilt 15.000 t auch für den Fairen Handel: Im Geschäftsjahr 2020 ist der Absatz von fair gehandeltem Kaffee im Vergleich zum Vor- 10.000 t jahr um 4,6 % auf 27.394 Tonnen gestiegen. Der Marktanteil von Kaffee aus Fairem Handel liegt weiterhin bei über 6 %. 5.000 t 0t 2 Deutscher Kaffeeverband (2021): Deutscher Kaffeemarkt 2020: 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 20 Tassen pro Kopf mehr konsumiert (online erhältlich). 6
Ausgangssperren und Ausnahmezustände infolge der Pan entspricht. Diese Entwicklung ist umso erfreulicher, da die demie haben auch die Kaffeeproduzent*innen (insbesonde- Bedingungen im konventionellen Kakaosektor – den lang- re in Lateinamerika) vor große Herausforderungen gestellt. jährigen Lippenkenntnissen der Industrie zum Trotz – aus Während deren Produktionskosten stiegen, fiel der Welt- Sicht der Bäuer*innen bitter sind. Im internationalen Jahr marktpreis für Rohkaffee Mitte 2020 auf bis zu 0,94 US-Dollar zur Abschaffung der Kinderarbeit gilt leider, dass ausbeute- pro englischem Pfund (lb). Ursächlich dafür waren eine au- rische, gesundheitsschädliche und gefährliche Kinderarbeit ßergewöhnlich ertragreiche Ernte in Brasilien und Unsicher- auf westafrikanischen Kakaofarmen nach wie vor traurige heiten in Bezug auf die Kaffeenachfrage in der Pandemie. In- Realität ist. Um die Kinderarbeit im konventionellen Kakao zwischen treiben u. a. schlechte Ernteprognosen für Brasilien sektor abzuschaffen, braucht es flächendeckende Strate- den Preis für Rohkaffee – nach einer langen Durststrecke für gien zur Erzielung von existenzsichernden Einkommen für die Bäuer*innen – wieder in die Höhe. Doch wie lange diese Kakaohaushalte. Im Fairen Handel wird dies sehr ernst ge- Phase anhält, ist völlig unklar. Im konventionellen Kaffee- nommen. So hat Fairtrade International Ende 2019 seinen sektor sind die Erzeuger*innen diesen Preisschwankungen Kakaopreis angehoben und einen Fairtrade Living Income ausgeliefert. Im Fairen Handel werden diese Unwägbarkeiten Reference Preis für Kakao berechnet. Das Fair-Handels-Un- durch Mindestpreise und Zuschläge abgefedert. ternehmen GEPA ist sogar noch einen Schritt darüber hin- aus gegangen und hat kürzlich den Mindestpreis für Kakao auf 3.500 US $ angehoben – 19 % über dem Fairtrade Min- Faire Südfrüchte und Bananen: destpreis für Bio-Kakao. Champions in punkto Absatz Schokolade Mit einem Absatz von 120.687 Tonnen belegen Südfrüch- 2.017 t 2.206 t 2.245 t 2.719 t 2.768 t 3.472 t 4.598 t te mengenmäßig den ersten Platz im Fairen Handel. Mit 4.900 t 114.801 Tonnen machen Bananen den größten Anteil in dieser Kategorie aus. Erstmalig seit 1999 gab es bei den 4.200 t Zuwachs 2020: 32,4 % Fairtrade-gesiegelten Bananen einen Absatzverlust (− 14 %). Bio-Anteil 2020: 62 % Dieser ist vornehmlich auf den extremen Preiskampf der 3.500 t großen Discounter um die Banane zurückzuführen. Die soziale und ökonomische Rechnung für diesen Unterbie- 2.800 t tungswettlauf bezahlen die Bananen-Produzent*innen im 2.100 t Globalen Süden. Jüngst setzte der Edeka-Discounter Netto den Preiskampf fort, indem er die Bio-Fairtrade-Banane 1.400 t aus dem Sortiment warf. Der Marktanteil von Bananen aus Fairem Handel liegt mittlerweile bei 17 %. 700 t Südfrüchte 0t 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 35.509 t 56.203 t 72.126 t 77.406 t 94.256 t 100.050 t 139.815 t 120.687 t 140.000 t 120.000 t Rückgang 2020: -13,7 % Schwer getroffen: das faire Kunsthandwerk Bio-Anteil 2020: 71 % 100.000 t Wie schon 2020 prognostiziert, ist das faire Kunsthandwerk besonders stark von den Auswirkungen der Pandemie be- 80.000 t troffen. Viele Produzent*innen im Globalen Süden durften aufgrund von Ausgangssperren nicht in ihren Werkstätten 60.000 t arbeiten, haben kein Material erhalten oder konnten fertig produzierte Waren nicht exportieren. Häufig fiel damit das 40.000 t Haushaltseinkommen weg. Hierzulande haben die Fair-Han- 20.000 t dels-Unternehmen die Handwerksprodukte weiterhin abge- nommen und sogar Vorfinanzierungen für Waren gewährt, 0t die nicht importiert werden konnten. Doch infolge von La- 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 denschließungen wurden auch weniger Handwerksproduk- te in Deutschland verkauft. Entsprechend hat es in diesem Bereich des Fairen Handels auch die stärksten Umsatz Faire Schokolade legt kräftig zu einbußen infolge der Pandemie gegeben. Auch hier hat sich der Faire Handel in Deutschland solidarisch gezeigt. Über Eine positive Entwicklung verzeichnet der Absatz von fair die von den Weltläden durchgeführte Solidaritäts-Aktion gehandelter Schokolade. 4.598 Tonnen wurden 2020 in #fairwertsteuer kamen über 500.000 Euro zusammen, die Deutschland verkauft, was einem Absatzplus von über 32 % vor allem an Handwerksbetriebe im Globalen Süden gingen. 7
Ran an die Preismacht! Die neue Bundesregierung muss Neue Berechnungen von Oxfam für Kaffee aus Brasilien, Dumpingpreise verbieten, um existenz- Tee aus Indien und Wein aus Südafrika zeigen, wie sich die sichernde Einkommen zu fördern ungleiche Verteilung der Wertschöpfung entlang der Liefer- ketten seit 2005 verfestigt und während der Corona-Pan- Laut der Verbraucher*innenbefragung zum Fairen Handel demie verschärft hat.5 Obwohl im Kaffee- und Kakaomarkt 2021 spricht sich eine Mehrheit der in Deutschland lebenden Milliardenerträge erwirtschaftet werden6, sind die Einkom- Menschen dafür aus, mächtige Unternehmen zu regulieren, men der Erzeuger*innen am Anfang vieler Agrarlieferket- wenn diese Lieferanten zunehmend unter Druck setzen und ten nicht existenzsichernd7. Daraus folgen in vielen Fällen Preise drücken (85,4 %). 77,5 % der Befragten befürworten Hungerlöhne und schlechte Arbeitsbedingungen von ange- zudem ein Verbot von Preisen, die nicht die Produktions- stellten Arbeiter*innen auf den Feldern8 sowie ausbeuteri- kosten decken. Diese Zahlen zeigen eine Sensibilität für die sche Kinderarbeit9. gravierenden Ungerechtigkeiten in der globalen Wirtschaft und den Wunsch nach politischen Lösungen. Zu niedrige Preise und ungleiche Machtverteilung werden ausgeklammert Diese Probleme sind weithin bekannt. Es gibt etliche Pro- Preise, die nicht die Produktionskosten decken, jekte und Initiativen, wie etwa das Forum Nachhaltiger sollten verboten werden Kakao, die eine nachhaltigere Produktion zum Ziel haben. Allerdings setzen viele Unternehmen einseitig auf techni- sche Lösungen, um die Einkommen von Kleinbäuer*innen zu erhöhen. So gibt es etliche Projekte zur Steigerung der Qualität und Produktivität im Kakaoanbau, zur Diversifi- zierung der Einkommen von Kakakobäuer*innen oder zur Verbesserung der Infrastruktur in den Anbauländern. Das sind wichtige Bausteine, um Einkommen von Kakaobäu- er*innen zu erhöhen, doch sie reichen nicht aus. Ohne die Zahlung höherer „Ab-Hof-Preise“ für den Kakao, werden Kakaobäuer*innen kein existenzsicherndes Einkommen er- zielen können.10 Dies gilt auch für viele andere Produkte. Unternehmen müssen ihren Lieferant*innen Preise zahlen, 3 FFH u.a. (Hg.) (2018): Kaffee. Eine Erfolgsgeschichte verdeckt die Krise, deutsche Zusammenfassung des Berichts „Café – la success story qui cache la crise – Etude sur la durabilité de la filière du café“. 4 FAO/BASIC (2020): Comparative study on the distribution of value in European chocolate chains, Paris. 5 Oxfam (2021): Not in this together. How supermarkets became the pandemic’s winners while women workers are losing out, Briefing Note. Extreme Ungleichheit in globalen 6 So schüttete etwa Nestlé im Jahr 2020 ca. 46 Mrd. US-Dollar an Lebensmittellieferketten Aktionär*innen aus und die Eigentümerfamilie von Ferrero erhielt Die Verteilung der Wertschöpfung in globalen Lieferketten in 2020 eine Dividende von 642 Mio. Euro, siehe: ist extrem ungleich. Besonders deutlich wird dies in den Fountain/Hütz-Adams (2020): 2020 Cocoa Barometer Agrar- und Lebensmittellieferketten: Im deutschen Kaf- 7 Definition existenzsichernder Einkommen und Löhne nach Global feesektor bspw. ist der Umsatz einiger weniger Röster und Living Wage, online unter: https://www.globallivingwage.org/about/ Händler im Zeitraum von 1994 bis 2017 um 139 % gewach- living-income/ (01.07.2021). sen, während Millionen von Kaffeebäuer*innen am Anfang 8 Siehe bspw. ILO (2017): Purchasing practices and working condi- der Lieferkette sinkende Einnahmen hinnehmen mussten.3 tions in global supply chains: Global Survey results. Inwork Issue Laut neuen Berechnungen für den französischen Schoko- Brief No.10. ladenmarkt erhalten Kakaobäuer*innen durchschnittlich 9 So ergab eine Studie über Kinderarbeit im Kakaoanbau, dass Fami- lediglich 7-11 % des finalen Preises einer Tafel Schokolade, lien mit ausreichendem Einkommen für Erntehelfer*innen, seltener wohingegen 65-70 % an einige wenige große Schokoladen- Kinder beschäftigten, siehe NORC (2020): Assessing Progress in Re- firmen wie Mars, Nestlé und Co. sowie den Lebensmittelein- ducing Child Labor in Cocoa Production in Cocoa Growing Areas of zelhandel gehen.4 Auf dem deutschen Schokoladenmarkt Côte d’Ivoire and Ghana, Final Report. dürfte die ungleiche Verteilung der Wertschöpfung ähnlich 10 vgl. Fountain, Antonie C. and Hütz-Adams, Friedel (2020): 2020 drastisch sein. Cocoa Barometer. 8
mit denen sie die Produktionskosten, inklusive existenzsi- ge Konzerne vorgegangen. Das Gesetz weist Schutzlücken chernder Einkommen und Löhne, decken können. auf, welche die Unternehmen ausnutzen können. Anders als Spanien hat Deutschland Preisdumping zudem nicht als Bei der Frage der mangelnden Einkommen von Erzeu- unfaire Handelspraktik verboten. ger*innen klammern Unternehmen wichtige Faktoren wie Preise und die unterschiedliche Machtverteilung in Liefer- In Spanien wurde im Zuge der Umsetzung der EU-Richtli- ketten aus. In einer Umfrage der Internationalen Arbeits- nie ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskos- organisation (ILO) gaben knapp die Hälfte der befragten ten in bestimmten Lebensmittellieferketten verankert. Der Zulieferer an, dass sie angesichts des enormen Preisdrucks vertraglich festgelegte Preis zwischen Produzent*in und Aufträge unterhalb der Produktionskosten annehmen, um direktem Abnehmer muss ausdrücklich die effektiven Pro- die Abnahme ihrer Produkte zu garantieren.11 In vielen Fäl- duktionskosten decken (Artikel 9 c und j).14 Damit wird der len können marktmächtige Unternehmen ihren Lieferan- Preis eines Produktes vom Anfang der Lieferkette aufgebaut ten Preise unterhalb der Produktionskosten (Dumpingprei- und nicht – wie häufig – von mächtigen Unternehmen am se) diktieren. Ende der Lieferkette bestimmt. Produzent*innen erhalten dadurch trotz Verhandlungsungleichgewicht in der Liefer- Machtmissbrauch und Preisdumping kette die Möglichkeit, ein existenzsicherndes Einkommen Zwischen den Akteur*innen in vielen Lieferketten besteht zu erzielen. ein großes Machtgefälle. Am Ende der Lieferketten konzen- trieren sich einige wenige Unternehmen, denen häufig Mil- Wenigstens hat der Bundestag im Zuge der Umsetzung lionen (Klein-)produzent*innen gegenüberstehen. Durch der EU-Richtlinie die Prüfung eines Verbots des Einkaufs ihre Vormachtstellung können die Unternehmen Liefer- von Lebensmitteln unterhalb ihrer Produktionskosten be- und Markteintrittskonditionen sowie Preise diktieren. schlossen. Diese soll bei der Evaluierung des deutschen Ge- setzes gegen unlautere Handelspraktiken "berücksichtigt" Besonders drastisch ist dies bei den Einzelhandelsunter- werden. Die neue Bundesregierung muss diese Prüfung zü- nehmen, von denen in Deutschland lediglich vier ca. 85 % gig durchführen. Sie sollte dafür nicht bis zur Evaluierung des Lebensmittelmarktes beherrschen. Obwohl sie im Ja- des Gesetzes warten und ein Verbot des Einkaufs unterhalb nuar feierlich eine Absichtserklärung für existenzsichernde der Produktionskosten schnellstmöglich erlassen. Dabei Einkommen und Löhne in ihren Lieferketten unterzeich- ist es wichtig, dass bei den Produktionskosten existenzsi- net haben, treiben sie das Preisdumping weiter voran: Im chernde Einkommen und Löhne berücksichtig werden. Eine November 2020 kündigte ALDI etwa an, die Bananenpreise unabhängige Preisbeobachtungsstelle könnte entsprechen- um ca. 9 % im Vergleich zum Vorjahr zu reduzieren. Dabei de Referenzpreise errechnen. Ein solches Gesetz wäre ein ist bereits zwischen 2013 und 2018 der EU-Einfuhrpreis Baustein auf dem Weg in eine sozial und ökologisch zu- für eine Kiste Bananen um etwa 20 % gefallen, während die kunftsfähige Wirtschaft. Produktionskosten immer weiter gestiegen sind.12 Es braucht ein Verbot von Dumpingpreisen Dieses Beispiel zeigt: Wenn Unternehmen über Verhand- lungsmacht verfügen, zahlen sie ihren Lieferanten nicht freiwillig Preise, welche die Produktionskosten decken. Das bestätigt auch die bereits erwähnte Umfrage der ILO. Danach waren 75 % der Käufer nicht bereit, ihre Preise an gesetzliche Erhöhungen von Mindestlöhnen in den Liefe- rantenländern anzupassen. Um diesen Machtmissbrauch in globalen Lieferketten ein Stück einzuschränken, hat die EU 2019 eine Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette erlassen. Diese wurde im Mai 2021 in deutsche Gesetzgebung um- gesetzt. Mit dem sogenannten "Gesetz zur Stärkung der 11 ILO (2017): Purchasing practices and working conditions in glo- Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich" verbie- bal supply chains: Global Survey results. Inwork Issue Brief No.10. tet Deutschland nun einige der gravierendsten unlauteren 12 Initiative Lieferkettengesetz (2020): Von Bananen bis Bauxit. Wa- Handelspraktiken entlang globaler Lieferketten im Agrar- rum wir ein Lieferkettengesetz brauchen, Briefing. und Lebensmittelhandel. Dazu gehört etwa eine einseitige 13 Eine Bewertung dieses Gesetzes finden Sie auf der Webseite des Veränderung des Liefervertrags.13 Doch Deutschland ist mit Forum Fairer Handel. dem beschlossenen Gesetz nur halbherzig gegen mächti- 14 Der Gesetzestext ist online erhältlich. 9
Forderungen des Forum Fairer Handel an Bundestag und Bundesre Die Transformation fair gestalten Aufbruch in eine sozial und ökologisch zukunftsfähige Wirtschaft 1. Eine Wirtschaft, die Mensch dern und sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Eine ent- und Umwelt vor den Profit stellt sprechende Ausgestaltung des Steuersystems, eine an so zial-ökologischen Kriterien orientierte Beschaffung sowie Konjunkturprogramme bieten Möglichkeiten, unternehme- a) Arbeits- und Menschenrechte entlang risches Handeln im In- und Ausland gemäß seiner Auswir- globaler Lieferketten schützen kungen auf Mensch und Natur steuerlich zu begünstigen oder zu belasten und setzen Anreize für nachhaltiges Wirt- Im Zuge der Covid-19-Pandemie zeigt sich, dass die unfai- schaften. ren und intransparenten Lieferketten, die sich auf der Su- che nach billigen Produkten um den Globus gebildet haben, Wir fordern: weder wirtschaftlich krisenfest noch sozial und ökologisch nachhaltig sind. Grundlegende Menschenrechte und Um- è Ökologische und soziale Kriterien bei Besteue- weltbelange werden bei der Produktion von Gütern unseres rung und Konjunkturprogrammen einführen täglichen Gebrauchs häufig verletzt und viele Menschen können von ihrem Einkommen kein menschenwürdiges Le- è Verbindliche Beschaffungspraxis und ben führen. Außenwirtschaftsförderung nach ökologischen und sozialen Kriterien einführen Wir fordern: è Existenzsichernde Einkommen als Menschen- recht weltweit fördern 2. Klimagerechtigkeit und bäuer- liche Landwirtschaft weltweit è Sorgfaltspflichten für Unternehmen weltweit verbindlich durchsetzen a) Keine Klimagerechtigkeit ohne Handelsgerechtigkeit b) Konzernmacht eindämmen Die Klimakrise wird bis 2030 voraussichtlich mehr als 100 Zwischen den Akteuren in globalen Lieferketten besteht Millionen Menschen im Globalen Süden unter die Armuts- ein großes Macht- und Verhandlungsungleichgewicht. In grenze drängen. Ohne rigorose Anpassungsmaßnahmen Deutschland kontrollieren bspw. vier Einzelhandelsunter- könnte die globale Erwärmung die landwirtschaftlichen Er- nehmen 85 Prozent des Lebensmittelmarktes. Marktmäch- träge bis 2050 weltweit um bis zu 30 % verringern, was mehr tige Unternehmen können Preise und Vertragskonditionen als 500 Millionen kleine Agrarbetriebe auf der ganzen Welt beeinflussen oder bestimmen, ohne dass sich ihre Lieferan- betreffen würde. Handelsgerechtigkeit ist ein wichtiger ten zur Wehr setzen können. Diese unlauteren Handels Schritt, um Klimagerechtigkeit zu erreichen. Durch seinen praktiken haben immense negative Auswirkungen auf die integrativen, nachhaltigen Ansatz, der soziale, wirtschaft- Menschen am Anfang der Lieferkette, sowohl in Europa als liche und ökologische Grundsätze vereint, trägt der Faire auch im Globalen Süden. Handel zu mehr Klimaresistenz in globalen Lieferketten bei. Aus diesem Grund muss der Faire Handel als wichtiger Wir fordern: Bestandteil von Klimaschutz- und Anpassungsstrategien anerkannt und gefördert werden. Da der überwiegenden è Unlautere Handelspraktiken umfassend verbieten Mehrheit der über 800 Millionen Kleinbäuer*innen welt- weit die finanzielle Kraft fehlt, um in Klimaschutz und in è Marktmacht effektiv begrenzen die Anpassung an den Klimawandel zu investieren, muss an dieser Stelle ein starker Fokus gesetzt werden. c) Soziale und ökologische Kriterien zum Wir fordern: Standard machen è Klimagerechtigkeit herstellen und Die Bundesregierung hat einen enormen Hebel, um eine so- kleinbäuerliche Strukturen fördern zial- und ökologisch verträgliche Wirtschaftsweise zu för- 10
egierung für die Legislaturperiode 2021-2025 b) Agrarökologie stärken Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Schäden der industriellen Landwirtschaft gefährden die bäuerlichen Le- bensgrundlagen und die Anpassungsfähigkeit der Ökosyste- me an die bereits spürbaren Folgen der Klimakrise. Klein bäuerliche Betriebe werden vom Markt verdrängt, Menschen und Umwelt durch Chemieeinsätze gefährdet und die Zahl der Hungernden steigt. Für eine sozial und ökologisch nach- haltige Landwirtschaft braucht es eine Abkehr von indus trieller Landwirtschaft und eine Stärkung der Agrarökologie. b) Internationale Handelspolitik fair gestalten Wir fordern: In handelspolitischen Fragen wird es in den nächsten Jah- ren vor allem darum gehen, dass Deutschland seine Ver è Agrarökologie durch politische Rahmen- handlungsstärke auf EU-Ebene dazu nutzt, durch handels bedingungen und in der staatlichen politische Instrumente die sozial-ökologische Transfor- Entwicklungszusammenarbeit stärken mation voranzubringen. Die Stärkung von Klimaschutz und Menschenrechten sowie die Verbesserung von sozialen è Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU reformieren Standards und des Schutzes von Arbeitnehmer*innen muss zur Grundlage von handlungspolitischen Entscheidungen werden. Die bereits geltenden und derzeit in Verhandlung befindlichen Handelsabkommen sind nicht zukunftsfähig, 3. Eine internationale (Handels-) denn sie dienen weder der Stärkung von Menschenrechten weltweit noch der Durchsetzung von hohen Umwelt- und Politik, die ein menschenwürdiges Sozialstandards und zementieren die Rolle vieler Länder im Leben für alle ermöglicht Globalen Süden als Rohstofflieferanten. Wir fordern: a) Schuldenerlass und die Agenda 2030 zum Leitbild machen è Faire internationale Abkommen und Handels- verträge schaffen Viele Länder des Globalen Südens sind besonders hart von der Corona-Pandemie betroffen. Wirtschaftliche Einbrüche, è Regionale Wirtschaftskreisläufe stärken strukturell schwache Gesundheitssysteme sowie wachsen- de Verschuldung und Austeritätspolitik bedrohen vielerorts die sozio-ökonomische Entwicklung. Die sozial-ökonomi- schen Folgen der Corona-Pandemie werden sich weltweit noch lange auswirken und Fortschritte, die in Bezug auf die Eine ausführliche Erläuterung unserer Forderungen finden Nachhaltigen Entwicklungsziele erreicht wurden, gefähr- Sie in unserer Langfassung unter den. Um diese Entwicklungen abzumildern, benötigen alle www.forum-fairer-handel.de/politik/bundestagwahl-2021/ Länder ausreichend finanzielle Spielräume. Als Land, wel- ches stark von der wirtschaftlichen Globalisierung profi- tiert, muss Deutschland seiner internationalen Verantwor- tung gerecht werden und Länder im Globalen Süden bei der Bewältigung der Krisenfolgen solidarisch unterstützen. Wir fordern: è Weitreichende Entschuldung fördern è Die Agenda 2030 zum Leitbild deutscher Politik machen 11
Verbraucher*innenbefragung zum Fairen Handel 2021 Executive Summary von Sandra Bäthge, Centrum für Evaluation (CEval GmbH) Der Faire Handel – auch bekannt unter dem englischen Be- dels-Produkte zu kaufen, hat sich seit der ersten Erhebung griff Fair Trade – hat in Deutschland seit seiner Entstehung aus dem Jahr 2009 stetig erhöht. Allerdings verlief der An- in den 1970er Jahren deutlich an Bedeutung und Sichtbar- stieg von 2018 auf 2021 flacher als noch in den Vorjahren (2 keit gewonnen. Immer mehr Menschen kauften in den ver- Prozentpunkte im Vergleich zu 8 Prozentpunkten von 2016 gangenen Jahren Produkte aus Fairem Handel, was sich in auf 2018). Gleichzeitig hat sich der Anteil derjenigen, die den bis zum Beginn der Corona-Krise stetig wachsenden von sich sagen, weder faire Produkte zu kaufen noch dies zu Umsatzzahlen spiegelte. Diese Trends der vergangenen beabsichtigen, erneut um knapp 4 Prozentpunkte auf nun Jahre gehen u. a. aus den vom Forum Fairer Handel als Ver- nur noch 5,2 % reduziert. band des Fairen Handels in Deutschland erhobenen und herausgegeben Zahlen hervor. Das Forum Fairer Handel erhebt nicht nur die Verkaufszahlen des Fairen Handels in Kaufen Sie fair gehandelte Produkte? Deutschland. Seit den 2000er Jahren gibt das Forum Fairer Kaufen Sie fair gehandelte Produkte? Handel in regelmäßigen Abständen ebenfalls repräsentati- JA ve Befragungen der Bevölkerung zum Fairen Handel in Auf- 71 % Käufer*innen 69 % trag. Auch 2021 hat eine solche Befragung stattgefunden. (gesamt) 61 % 49 % 44 % Ergebnisse der Befragung 25 % 23 % Die Auswertung der Daten hat erneut ergeben, dass die Regelmäßig 20 % 8% Befragten ein relativ gutes Grundverständnis des Fairen 9% Handels haben und dass einige seiner Kernelemente auch 33 % 31 % besonders stark mit ihm assoziiert werden. In einem starken Gelegentlich 27 % 27 % Zusammenhang mit dem Fairen Handel werden demnach, 22 % wie bereits bei der Erhebung 2018, vor allem das Verbot 13 % 15 % Selten von Kinderarbeit (56,9 %), faire Löhne und Arbeitsbedin- 13 % 14 % gungen in den Entwicklungsländern (50,2 %) und die Zah- 13 % lung fairer Preise an die Produzent*innen gesehen (46,8 %). Nein 23 % Andere Aspekte, die ebenfalls wesentliche Bestandteile Nichtkäufer*innen 29 % 37 % (gesamt) des Fairen Handels abbilden, werden hingegen auch 2021 44 % 49 % seltener stark mit dem Fairen Handel assoziiert. Hervorzu- 18 % heben sind hierbei die Aufklärung der Verbraucher*innen nein, ich halte es 20 % 24 % aber für wichtig über die Produktionsbedingungen in Entwicklungsländern 33 % 30 % (28,9 %), langfristige Handelsbeziehungen zwischen Produ- 5% 9% zent*innen in Entwicklungsländern und Handelspartnern nein und würde 12 % auch nicht 12 % in Deutschland (30,9 %) sowie Gerechtigkeit im internatio- 19 % 2021 nalen Handel (32,8 %). 6% 2018 3% 2016 weiß nicht, 3% keine Angabe 2013 7% Im Jahr 2021 wurde erstmals auch danach gefragt, wo die 7% 2009 Befragten schon einmal auf den Fairen Handel aufmerksam geworden sind, wo sie also mit dem Thema in Berührung kommen. Dabei ergab sich, dass die größten Berührungs- punkte beim Einkaufen (68,1 %) und in den Medien (45,3 %) Die Untersuchung ging auch der Frage nach den Motiven bestehen, während sich etwa am Arbeitsplatz oder in der für den Kauf fair gehandelter Produkte nach. Wie schon Gastronomie deutlich weniger Berührungen ergeben (5,6 % in den Vorjahren steht der Verzicht auf Kinderarbeit mit und 9,4 %). Abstand an der Spitze der wichtigsten Gründe für den Kauf fair gehandelter Produkte, wenngleich dieses Argument im Im Hinblick auf das selbstberichtete Kaufverhalten der Be- Vergleich zu anderen Motiven nicht mehr ganz den Stellen- fragten ergab die Untersuchung, dass sich inzwischen 7 von wert hat wie noch in den Vorjahren. 2021 finden das Verbot 10 Befragten als Käufer*innen fair gehandelter Produkte von Kinderarbeit aber immer noch 68,4 % der Käufer*innen ausweisen (71 %). Zwar geben nur 6,2 % aller Befragten an, und Unterstützer*innen sehr wichtig. Es folgen die Qualität sehr häufig und damit mehrmals im Monat faire Produkte der Produkte und der Geschmack, die jeweils von über der zu kaufen. Immerhin ist es mit 18,5 % aber bereits knapp Hälfte der Befragten ebenfalls als sehr wichtig betrachtet jede fünfte Person, die von sich sagt, regelmäßig, also min- werden. Mit Blick auf die Gruppe der Käufer*innen fällt auf, destens einmal im Monat, fair gehandelte Produkte zu kau- dass eine umweltschonende Produktion bzw. Bioqualität fen. Der Anteil derjenigen, die von sich sagen, Fair-Han- 2018 noch für einen wachsenden Anteil von Personen einen 12
stimmen sie den folgenden politischen Forderungen stimmen dersieFair-Handels-Bewegung den folgenden politischen Forderungen zu? der Fair-Handels-Bewegung zu? Soziale und ökologische Kriterien für öffentliche Beschaffung sehr wichtigen Grund ausmachte (43,6 %). Hier ist 2021 ein 41 41 11 3 4 deutlicher Rückgang erkennbar (37,8 %). Begrenzung der Marktmacht von Unternehmen Die Frage nach den Gründen dafür, keine fair gehandel- ten Produkte zu kaufen, ergab, dass vor allem der als zu 47 39 9 23 hoch empfundene Preis sowohl für die Nicht-Käufer*innen als auch für die Käufer*innen als Hindernis wahrgenom- Verbot von Preisen unterhalb der Produktionskosten men wird (36,8 % bzw. 25,8 %). Bei den Personen, die kei- 40 37 13 5 5 ne fair gehandelten Produkte kaufen, wird als nächstes der Verbleib bei den bekannten Stammmarken (32,2 %) als sehr Steuerliche Begünstigung öko-fairer Produkte wichtiger Grund empfunden, gefolgt von dem Argument, 38 40 12 5 5 dass den Befragten das Thema aufgrund der vielen Siegel und Label zu kompliziert sei (30,2 %). Während die beiden Mehr Einsatz für Klimagerechtigkeit ersten Argumente für die Gruppe der Nicht-Käufer*innen bereits in den Vorjahren am relevantesten waren, hat die 42 43 10 3 4 Komplexität des Themas aufgrund der vielen Siegel und La- bel seit 2018, als es erstmals erhoben wurde, noch einmal 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % deutlich an Bedeutung gewonnen (23,9 % 2018 vs. 30,2 % Stimme voll und ganz zu 2021). Von der Gruppe der Käufer*innen wird in diesem Jahr Stimme eher zu als zweitwichtigstes Hemmnis angeführt, dass die Produkte Stimme eher nicht zu Stimme überhaupt nicht zu nicht schmecken oder gefallen (23,2 %) und dann an drit- Weiß nicht / keine Angabe ter Stelle der Verbleib bei den gewohnten Stamm-Marken (16,8 %). Bei der Frage nach den Orten, an denen fair gehandelte Produkte gekauft werden, wurden wie schon in den Vor- Die Daten wurden – unter Einhaltung der geltenden jahren am häufigsten Supermärkte (70,5 %) und Discounter Corona Hygiene- und Abstandsregeln – von der Ipsos (64,8 %) angegeben. Drogeriemärkte (33,2 %) und Bio- und GmbH im Rahmen einer computerunterstützten per- Naturkostenläden (33,4 %), die in der Liste der am häufigs- sönlichen Mehrthemenbefragung erhoben. Dabei wur- ten genannten Einkaufsorte fair gehandelter Produkte fol- den in der Zeit vom 12.04. bis 18.04.2021 und 25.05. bis gen und im Vergleich zu 2018 etwa 8 bzw. 9 Prozentpunk- 06.06.2021 2.100 Personen über 14 Jahren interviewt. te Zuwachs erfahren haben, spielen insgesamt nach wie Die Befragten wurden über eine repräsentative, mehr- vor eine eher untergeordnete Rolle, ebenso wie Weltläden stufig geschichtete Zufallsauswahl aus der Grundge- (16,4 %) und Reformhäuser (14,1 %). Auffällig ist, dass sich samtheit der Untersuchung (deutschsprachige Wohnbe- der Anteil der Nennungen des Weltladens als Einkaufsort völkerung in Privathaushalten ab 14 Jahren) ermittelt. nach einem deutlichen Rückgang zwischen den Erhebun- gen 2016 (20,3 %) und 2018 (8,1 %) im Jahr 2021 wieder Die Interviewten wurden unter anderem zu folgenden deutlich erhöhte. Aspekten befragt:15 • Grundverständnis des Fairen Handels Zum Abschluss der Befragung wurde die Zustimmung zu • Berührungspunkte mit dem Fairen Handel den politischen Forderungen des Fairen Handels erho- • Kaufverhalten: Häufigkeit des Kaufs fair gehandelter ben, wobei sich zeigte, dass diese wie schon im Jahr 2018 Produkte ein ausgesprochen hohes Maß an Zustimmung genießen. • Motivation: Gründe fair gehandelte Produkte zu kaufen Etwa vier von fünf Befragten stimmen allen fünf formu- • Hindernisse: Gründe fair gehandelte Produkte nicht lierten Forderungen nach mehr Klimagerechtigkeit, einer zu kaufen Begrenzung der Machtmacht großer Unternehmen, einer • Orte des Kaufs fair gehandelter Produkte fairen öffentlichen Beschaffung, einem Verbot von Preisen, • Wichtigkeit der politischen Forderungen des Fairen die unterhalb der Produktionskosten liegen, und einer steu- Handels erlichen Begünstigung fairer und umweltfreundlicher Pro- dukte zu. Die erhobenen Daten wurden im Nachgang deskriptiv statistisch ausgewertet. Bei Fragen, für die bereits Daten aus den Vorjahren 15 Ein weiterer Aspekt war die Bekanntheit verschiedener Zeichen existieren, wurden zudem Entwicklungen und Trends im Zeitver- des Fairen Handels. lauf analysiert. 13
Tätigkeitsbericht des Forum Fairer handel 2020 Politik und Grundsatz Verbot unlauterer Handelspraktiken Ein weiterer thematischer Schwerpunkt der politischen Einsatz für das Lieferkettengesetz Arbeit des FFH waren Forderungen zur Umsetzung der Seit 2015 machen sich das Forum Fairer Handel (FFH) so- EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in Deutsch- wie der Weltladen-Dachverband (WL-DV) im Rahmen ihrer land. Das FFH machte sich insbesondere dafür stark, dass Kampagne „Mensch. Macht. Handel. Fair.“ für ein Gesetz auch Lieferanten außerhalb der EU von einem deutschen stark, welches Unternehmen in Deutschland verpflichten Gesetz profitieren. In einem gemeinsamen Positionspapier würde, Menschenrechte in ihren internationalen Liefer- „Für mehr Fairness im Lebensmittelhandel“, welches im ketten einzuhalten. Seit September 2019 ist besagte Kam- Juli 2020 veröffentlicht wurde, formulierte ein breites zi- pagne in die Aktivitäten der Initiative Lieferkettengesetz vilgesellschaftliches Bündnis, dem auch das FFH angehört, (ILG) eingebunden. Vor dem Hintergrund des 50-jährigen seine Anforderungen an ein deutsches Gesetz. Dieses wur- Bestehens der Fair-Handels-Bewegung in Deutschland lag de 2021 verabschiedet, entspricht jedoch nicht ganz den Er- der Fokus des FFH in 2020 vor allem darauf, den Fairen Han- wartungen der Zivilgesellschaft und des FFH. del als Best-Practice-Beispiel für wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltig gestaltete Lieferketten in die Debatte Mitarbeit im Forum Nachhaltiger Kakao um das Lieferkettengesetz einzubringen und Aktiven ent- Im Berichtsjahr hat das FFH weiter im Forum Nachhaltiger sprechende Argumente an die Hand zu geben. Nun, da das Kakao e.V. (FNK) mitgearbeitet und sich für die Gewährleis- Lieferkettengesetz 2021 verabschiedet wurde, zeigt sich, tung existenzsichernder Einkommen für Kakaobäuer*innen dass sich dieser Einsatz gelohnt hat, wenngleich das Gesetz sowie die Wahrung von Menschen- und Arbeitsrechten ent- hinter den Erwartungen der ILG zurückbleibt. lang internationaler Lieferketten stark gemacht. Vorrangig agiert das FFH in der AG Nachhaltigkeit des FNK. Steuerliche Anreize für fairen Kaffeekonsum Schon seit 2018 setzt sich das FFH für die Abschaffung der Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee ein. Gemeinsam mit Fairtrade Deutschland hat das FFH das Thema in Ge- sprächen mit dem Bundesministerium für Finanzen, Bun- destagsabgeordneten sowie zivilgesellschaftlichen Organi- sationen und der GIZ vorangetrieben. Dass FFH setzt sich dafür ein, dass ausschließlich Kaffee von der Steuer befreit wird, der nicht „nur“ nachhaltig produziert, sondern auch fair gehandelt ist. Definition für die öffentliche Beschaffung von Produkten aus dem Fairen Handel In Kooperation mit der Servicestelle Kommunen in der Ei- nen Welt (SKEW) und der Arbeitsgemeinschaft der Landes- netzwerke (agl) hat das FFH 2020 einen Prozess angestoßen, um rechtssichere Kriterien für die Vergabe der Beschaffung von Produkten aus Fairem Handel zu definieren und in die Praxis umzusetzen. Mitarbeit in der „Initiative Lieferkettengesetz“ Fünf Jahre Pariser Klimaabkommen: Seit Mai 2020 ist das FFH Mitglied im Steuerungskreis der Internationale Erklärung zu Klimagerechtigkeit ILG und bringt dort in verschiedenen Arbeitsgruppen die Zum fünften Jahrestag der Unterzeichnung des Pariser Perspektive von Kleinproduzent*innen und Kleinbäuer*in- Klimaabkommens am 11. Dezember 2020 veröffentlichten nen sowie die Sicht des Fairen Handels als Best-Practice- GEPA – The Fair Trade Company, TransFair sowie das FFH Beispiel ein. Im Fokus stand dabei die Frage, wie das die deutsche Version einer Erklärung der Internationalen Lieferkettengesetz ausgestaltet werden muss, damit Arbei- Fair Trade Bewegung zum Thema "Keine Klimagerechtigkeit ter*innen und Kleinbäuer*innen im Globalen Süden davon ohne Handelsgerechtigkeit". Darin wurden die Vertrags- profitieren. Dazu organisierte das FFH gemeinsam mit Part- staaten aufgerufen, ihren Verpflichtungen nachzukommen nern zwei Expertenworkshops. Die Broschüre „Ein Liefer- und faire Handelspraktiken in den globalen Lieferketten als kettengesetz zum Wohle von Kleinbäuer*innen und Arbei- unverzichtbar für Klimagerechtigkeit anzuerkennen. ter*innen in globalen Lieferketten“ fasst die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und dient als Diskussionsbeitrag aus Sicht des Fairen Handels. 14
Kommunikation Fair-Handels-Beratung 2020 war die Unterstützung der Weltläden im Umgang „FFH fordert Fairen Neustart“ – mit den Herausforderungen der COVID-19-Pandemie ein Jahrespressekonferenz 2020 Schwerpunkt der Arbeit der Fair-Handels-Beratung (FHB). Die Jahrespressekonferenz des FFH 2020 sollte im Zeichen Zur Fortbildung der Weltladenaktiven hat die FHB einzel- des 50-jährigen Bestehens der Fair-Handels-Bewegung ne Module des „Grundkurs Weltladen“ in ein Online-For- stehen. Doch die COVID-19-Pandemie warf bereits ihren mat überführt. Im Fokus der politischen Arbeit stand die Schatten über die positiven Entwicklungen des Geschäfts- Mobilisierung der Weltläden für ein Lieferkettengesetz in jahres 2019. Das FFH nutze den Anlass, um seine Forde- Deutschland. Weiterhin hat die FHB im Herbst 2020 ge- rung eines fairen Neustarts nach der Pandemie zu skizzie- meinsam mit dem Weltladen-Dachverband die aktion ren. Angestrebt werde ein Wirtschaftssystem, in dem die #fairwertsteuer gestartet, die bis März 2021 lief und mit Differenzierung zwischen ‚fairem‘ und ‚konventionellem‘ der Handelspartner unterstützt wurden, die stark von der Handel obsolet werde, weil ein nach ökologischen und so- Corona-Pandemie betroffen sind. Eine große Herausforde- zialen Kriterien ausgerichteter Fairer Handel der Standard rung für den Arbeitsalltag stellt die unsichere Stellenfinan- geworden sei. Ein starkes Lieferkettengesetz und das Ver- zierung der Fair-Handels-Berater*innen dar. Kurzfristige bot von unfairen Handelspraktiken wären wichtige erste Förderzeiträume, Kürzungen bei Projektanträgen und der Schritte zu einer Handelspolitik, die den Menschen und angekündigte Ausstieg von Geldgebern aus der Förderung die Natur in den Vordergrund stelle und sich damit als zu- der FHB erschweren die Arbeit enorm. Von Seiten des BMZ kunftsfähig erweise. Ausführlichere Informationen zu den werden bisher nur Maßnahmen der entwicklungspoliti- Themen der FFH-Jahrespressekonferenz 2020 sowie den schen Bildungsarbeit, jedoch keine wirtschaftliche Bera- Tätigkeitsbericht zum Geschäftsjahr 2019 enthält die Bro- tung oder Organisationsberatung in Weltläden gefördert – schüre „Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel 2020“. ein Kernstück der FHB. Aus diesem Grund wurde 2020 eine „Initiative zur Förderung der Fair-Handels-Beratung“ in Messepräsenzen enger Zusammenarbeit mit dem Weltladen-Dachverband, Auf der FAIR FRIENDS in Dortmund (16.-20. September) hat dem FFH, der agl und weiteren Stakeholdern etabliert. Die das FFH an seinem Stand vor allem über das Lieferkettenge- Finanzierung bleibt weiterhin ein essenzielles Thema für setz informiert. Im Rahmen einer Postkartenaktion hatten die Zukunft der FHB und der Weltladenbewegung. Besucher*innen die Möglichkeit, Bundeswirtschaftsminis- ter Altmaier aufzufordern, seine Blockadehaltung in Bezug auf das Gesetz aufzugeben. Faire Woche „Fair statt mehr“ – Rückblick auf die Faire Woche 2020 Was brauchen wir für ein gutes Leben? Wie können wir dazu beitragen, dass möglichst alle Menschen ein gutes Leben führen können? Was trägt der Faire Handel zum Wandel zu einer nachhaltigen Lebensweise bei? Während der Fairen Woche vom 11. bis 25. September 2020 drehte sich unter dem Motto „Fair statt mehr“ alles um das 12. UN-Nachhal- tigkeitsziel: Nachhaltiger Konsum und Produktion – ein Thema, das im „Corona-Jahr“ 2020 nicht aktueller hät- te sein können. Die Beschneidung unserer persönlichen Freiheiten forderte uns geradezu heraus zu fragen: Was ist wirklich wichtig im Leben und was gehört zu einem guten Leben dazu? Gleichzeitig fördert die Krise Fehlentwicklun- In 2020 war das FFH auf der Internationalen Grüne Woche in gen unserer globalisierten Wirtschaft zutage, die es drin- Berlin (17.-26. Januar) mit einem Stand in der BMZ-Halle ver- gend zu korrigieren gilt. Ein Blick in die Hintergrundbro- treten. Rund 1.200 Besucher*innen konnten sich dort über den schüre der Fairen Woche 2020 lohnt sich! Als Veranstalter Fairen Handel und seine Wirkungen informieren. Thematische waren wir zudem schwer beeindruckt, wie lebendig und Schwerpunkte waren die Folgen des Klimawandels für Kleinbäu- vielfältig die Faire Woche im großen Jubiläumsjahr trotz er*innen und die Notwendigkeit eines Fairen Handels im Globa- der pandemiebedingten Einschränkungen gefeiert wurde! len Süden und Norden. Auf dem Bild tauschen sich Bundesent- Es fanden bundesweit mehr als 1.500 Aktionen rund um wicklungsminister Müller, FFH-Vorstandsvorsitzende Andrea Fütterer und die parlamentarische Staatssekretärin Dr. Maria den Fairen Handel und das Jahresthema statt – viele davon Flachsbarth über das Lieferkettengesetz aus. digital. 15
bäuerliche Betriebe in Entwicklungsländern schnell, unbü- rokratisch und wirkungsvoll zu unterstützen. Für die Han- delspartner der FFH-Mitglieder wurden etwa zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die als direkte Zuschüsse genau auf die Bedürfnisse der Handelspartner zugeschnitten wa- ren und Nothilfe zur Verfügung stellten, um seit Jahrzehn- ten aufgebaute Strukturen im Fairen Handel zu stabilisie- ren. Das FFH ist zuversichtlich, dass hier Förder-Strukturen für Handelspartner vor Ort aufgebaut wurden, die über die COVID-19-Pandemie bestehen bleiben. Arbeit an Zukunftsbildern Zur Fairen Woche haben Schüler*innen des Robert-Havemann- Seit dem FFH-Transformations-Kongress 2018 in Mainz ist Gymnasiums in Berlin Interviews über den Fairen Handel geführt. Die wichtigsten Fakten haben sie auf riesigen Platten festgehal- die sozial-ökologische Transformation strategische Leit- ten, mit denen eine Riesengrafik mit dem #FairHandeln entstan- planke unseres Auftrags. 2020 wurde die konkrete Arbeit den ist. daran wieder aufgenommen. Dabei wurde schnell deutlich, dass für die Weiterführung der Ergebnisse des Transforma- tionskongresses die Entwicklung von Visionen wichtig sein Von der Corona-konformen Demonstration zum Thema wird, um das transformatorische Potenzial des Fairen Han- „Fair statt mehr“ in Bremen, einer Kreidekunst-Aktion dels genau benennen zu können. Denn um dieses Potenzial des Weltladens in Attendorn mit Kindern, über die faire zu entfalten, muss der Faire Handel sich als zukunftsfähige Fahrradrikscha in Zuffenhausen bis hin zur traditionellen Alternative zu bestehenden Handels- und Marktstrukturen Fairtrade Night unter dem Motto „Fair is e Jeföhl“ in Köln - positionieren und darf nicht in der Nische verharren. Dazu der Pandemie zum Trotz gab es zur Fairen Woche 2020 vie- braucht es sowohl Zukunftsbilder als auch konkrete Umset- le Highlights! Unter www.faire-woche.de/die-faire-woche/ zungsschritte, wie diese erreichbar werden. Im Berichtsjahr rueckblick-faire-woche-2020 erhalten Sie einen ausführli- hat die vereinsinterne Arbeitsgruppe „Sozial-ökologische chen Rückblick. Transformation“ intensiv an der Konzeption und Formulie- rung dieser Zukunftsbilder gearbeitet, welche in 2021 in die Öffentlichkeit getragen und zur Diskussion gestellt werden. International Fair Trade Summit 2022 Aus dem Verein Als lokaler Gastgeber des nächsten Inter- national Fair Trade Summits (IFTS) der Politische Arbeit WFTO, war das FFH im Berichtsjahr an dessen Organisation Zu den diversen politischen Anliegen des Fairen Handels und Konzeption beteiligt. Der „Gipfel“ war ursprünglich im waren wir in Gesprächen mit politischen Entscheidungs- September 2021 in Berlin geplant. Aufgrund der Pandemie träger*innen und Mitarbeiter*innen aus Ministerien – ins- wurde er auf den 6. bis 10. Mai 2022 verschoben. Die WFTO besondere dem BMZ – sowie Bundestagsabgeordneten. erwartet zu diesem Anlass rund 600 Gäste aus aller Welt im Schwerpunkte unserer Gespräche waren unter anderem das Silent Green im Berliner Wedding. Ziel des IFTS ist es, die Lieferkettengesetz und die Umsetzung der EU-Richtlinie internationale Fair-Handels-Szene zusammen zu bringen, über unlautere Handelspraktiken in der Agrar- und Lebens- um über Möglichkeiten der Zusammenarbeit, Synergien mittelversorgungskette in die deutsche Gesetzgebung. Des und gemeinsame Aktionen nachzudenken. Mit Blick auf die Weiteren wurden im Berichtsjahr die politischen Forderun- globale Covid-19-Pandemie wird es aber auch darum ge- gen des FFH und seiner Mitglieder an die nächste Bundes- hen, die über viele Jahre gewachsenen Fair-Handels-Struk- regierung und Legislative gebündelt und formuliert. Daraus turen weltweit zu stabilisieren und mit neuen Impulsen zu ist 2021 das Forderungspapier „Die Transformation fair ge- versehen. stalten“ entstanden. Veränderungen in der Geschäftsstelle COVID-19-Soforthilfe für den Fairen Handel Anfang 2020 ist Julia Lesmeister als Koordinatorin der Fai- Bereits im April 2020 ist das FFH auf das BMZ zugegangen, ren Woche aus der Elternzeit zurückgekehrt. Somit musste um Möglichkeiten auszuloten, angesichts der beginnenden sich das Team von Laura Wolters verabschieden, die sie in Pandemie die Strukturen des Fairen Handels in Deutsch- dieser Zeit vertreten hatte. Im April 2020 übernahm Mat- land und weltweit durch Hilfsmaßnahmen zu stützen. Aus thias Fiedler die Geschäftsführung des FFH. Sein Einstieg diesen intensiven Bemühungen ist die Corona-Soforthilfe fiel in den ersten bundesweiten Lockdown infolge der Pan- für den Fairen Handel entstanden. In diesem Rahmen hat demie. Seitdem ist es dem Team gut gelungen, die gemein- das BMZ zusammen mit seinen Partnern Fairtrade Interna- same Arbeit an die veränderten Bedingungen anzupassen. tional und dem FFH 2020 über 13 Millionen Euro in einen Ende des Jahres ist der Umzug des FFH ins Berlin Global Hilfsfonds investiert, um nachhaltig produzierende klein- Village beschlossen, jedoch noch nicht vollzogen worden. 16
Sie können auch lesen