Alfred Schmeller Pionier - Bewahrer - Visionär - Bundesdenkmalamt

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Alfred Schmeller Pionier - Bewahrer - Visionär - Bundesdenkmalamt
Alfred Schmeller
                                                                  Pionier – Bewahrer – Visionär

Impressum

Publikation zur Ausstellung Alfred Schmeller
Pionier, Bewahrer, Visionär
29. Mai bis 26. September 2021

Bundesdenkmalamt
Informations-und Weiterbildungszentrum
Kartause Mauerbach
Kuratorin: Petra Werkovits
Texte: Peter Swittalek, Hugo Portisch, Petra Werkovits
Grafik: BKA Design & Grafik
Fotos: Peter Sattler, Fritz Bastl, Archiv Künstlerdorf Neumarkt
an der Raab, Martina Oberer-Kerth (Bundesdenkmalamt)
Druck: Riedel Druck

© Bundesdenkmalamt
Alfred Schmeller Pionier - Bewahrer - Visionär - Bundesdenkmalamt
Zeichnungen von Alfred Schmeller
aus dem Brief an seine Tochter
Sabine, 28. Juli 1959
© Archiv Künstlerdorf Neumarkt
an der Raab
Alfred Schmeller Pionier - Bewahrer - Visionär - Bundesdenkmalamt
„Wenn die Leute beim Bauen auf das verzichten
würden, was ihnen gefällt, dann wär die Architektur
gar nicht so schlecht.“
Alfred Schmeller
Alfred Schmeller Pionier - Bewahrer - Visionär - Bundesdenkmalamt
Alfred Schmeller © Peter Sattler

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Alfred Schmeller – Pionier, Bewahrer, Visionär

Alfred Schmeller war ein tatkräftiger Intellektueller. Das allein
genügt in allen Zeiten, um Aufsehen, Bewunderung, aber auch
Ablehnung zu erregen. Alfred Schmeller kümmerte sich herzlich
wenig um die grassierenden Meinungen selbsterklärter Eliten, da
war er seiner Zeit um Dekaden voraus. Am 11. März 2020 jährt sich
sein Geburtstag zum 100. Mal und doch kommt seinem Wirken
eine atemberaubende Aktualität zu.

„Ein Museum muss sich selber tragen.“ Als Direktor des Zwanzge-
rhauses war das sein Credo, das nun 30 Jahre lang nach seinem
Ableben die Entscheidungsträger der Kulturpolitik noch immer ein
erzwungenes Lächeln kostet. Wenn nun in der burgenländischen
Landespolitik die Ressorts Tourismus und Kultur zusammengelegt
werden, so entspricht dies durchaus den Vorstellungen Alfred
Schmellers. Er war halt nur seiner Zeit mitunter zu weit voraus,
um Epigonen nach sich ziehen zu können.

„Das Museum ist für die Menschen da.“ Auch dies war einer sei-
ner Leitsprüche, mit dem er vor nunmehr 50 Jahren zu verwirren
verstand. Er wollte die Menschen dort abholen, wo sie sind und
ihnen sein Museum als Ausflugsziel näherbringen. Ein Museum
als Ausflugsziel, näher können sich Kultur und Tourismus nicht
kommen, damals wie heute nicht.

                      Alfred Schmeller   Pionier – Bewahrer – Visionär   3
„Ein Haus stirbt, wenn es nicht bewohnt wird.“ Diese Erkenntnis
    trieb Alfred Schmeller als Denkmalschützer stetig an, weshalb
    ihm das Burgenland zu, wie heißt es so schön, ewigem Dank
    verpflichtet ist. Er stellte das Stadtbild von Rust, mittlerweile
    das touristische Symbol des Burgenlands, unter Denkmalschutz.
    Als Rust 1975 zur »Modellstadt der Denkmalpflege« avancierte,
    hatte Schmeller daran sein gerütteltes Maß an „Mitschuld“. Alfred
    Schmeller rettete Schlösser vor dem Verfall, indem er Künstler zum
    Erwerb und zur Renovierung ermutigte. Als Anton Lehmden auf der
    Suche nach einem schönen Bauernhaus mit langen Arkadengängen
    war, empfahl ihm Alfred Schmeller das Schloss Deutschkreutz mit
    dem Worten: „Da kannst dich deppert rennen, was Arkaden an-
    geht“. Zu Schmellers Rettungstaten zählen des weiteren Schloss
    Kittsee, Schloss Kobersdorf, Burg Forchtenstein samt Entdeckung
    der eminenten Bedeutung seiner bis dahin wenig beachteten
    Waffensammlung, die Schaffung des Freilichtmuseums in Bad
    Tatzmannsdorf und vieles mehr.

    Das Haus, in dem sich heute das Landesmuseum Burgenland
    befindet, gehörte einst Sandor Wolf, ab 1925 ehrenamtlicher Lan-
    deskonservator des Burgenlandes und ein kongenialer Vorgänger
    Schmellers. Sandor Wolfs Leben wurde ebenso wie das Alfred
    Schmellers von der Nazidiktatur in furchtbarer Weise geprägt.
    Sandor Wolf musste 1938 flüchten und verlor seine Heimat, Alfred
    Schmeller musste mit nicht einmal 20 Jahren an die Front und
    verlor im Krieg seinen rechten Arm.

    Es war dieser Schicksalsschlag, der dem Leben Alfred Schmellers
    jene Wendung gab, die ihn nach Österreich und dann schon bald
    ins Burgenland brachte. Schmeller, in Erlangen geboren und in
    Berlin aufgewachsen, begann zunächst in Berlin Kunstgeschichte

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zu studieren, um schon bald nach Wien zu übersiedeln und hier
zu promovieren. Als Landeskonservator rettete er, Österreicher
seit 1949, ab 1960 den Charme des alten Burgenlandes mit einer
seltenen Energie und Entschlossenheit, die er als sturer Franke
von Geburts wegen stets einzubringen gedachte.

„Wenn die Leute beim Bauen darauf verzichten würden, was
ihnen gefällt, wär’ die Architektur gar nicht so schlecht.“ Diese
Erkenntnis ließ Schmeller wie einen Berserker gegen die Neubau-
welle ankämpfen, der gute Geschmack dankt es ihm bis heute.
Er ging stets unbeirrbar seinen Weg, Zweifel und Repressalien
ignorierend. Es war wohl kein Zufall, dass Ulrich Becher der Autor
von „Der Bockerer“ ein enger Freund war.

Nicht nur das Erscheinungsbild des Burgenlandes wurde von ihm
geprägt, auch die österreichische Kunst der Jahre nach 1945 ist
ohne Alfred Schmeller nicht denkbar. Als Sekretär des Art-Clubs
erarbeitete er in den 1950er Jahren dieser losen Künstler-Ver-
einigung einen legendären Status und überwand damit das
seiner Meinung nach überholte Kunstverständnis des Hornsteiner
Kunstgeschichtsprofessors Hans Sedlmayr, bei dem er studiert
hatte. Schon vor seiner Zeit im Art-Club förderte er die großen
Stars von morgen, als noch niemand die Strahlkraft der späteren
Sockelheiligen erkennen wollte. In seinem Kurier-Artikel „Wenn
ich Nabob wäre“, für das Verfassen einer Kolumne war schließlich
immer Zeit, empfahl er den Kauf eines Werkes von Friedensreich
Hundertwasser um 150 Schilling. Es gab wohl schon schlechtere
Empfehlungen. Als ihn der Universitätsprofessor Josef Dobrowsky,
ein Wahl-St. Margarethener übrigens, stirnrunzelnd nach seiner
Meinung über die Studenten Josef Mikl und Wolfgang Hollegha

                      Alfred Schmeller   Pionier – Bewahrer – Visionär   5
fragte, sagte er nur: „Herr Professor, sie können ganz beruhigt
    sein, das ist was“.

    Im Fall von Martha Jungwirth war Alfred Schmeller nicht nur von
    der Künstlerin, sondern auch von dem Menschen überzeugt. Als
    Ehepaar ließen sie sich in Neumarkt an der Raab nieder, selbstver-
    ständlich in einem alten Bauernhaus mit Strohdach und lehmg’satz-
    ten Mauern. Neumarkt an der Raab wurde seine zweite Heimat,
    der Kulturverein Künstlerdorf sein bleibendes Vermächtnis. Ihm
    ist es zu verdanken, dass der Nobelpreisträger Peter Handke dort
    den Roman „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ verfasste.
    Ihm war es überhaupt zu verdanken, dass aus dem von ihm als
    Landeskonservator geretteten alten Bauernhaus über die Jahre
    eine Kulturinstitution erwuchs. Er machte aus dem alten Daxhaus
    ein Künstlerrefugium, als artist in residence noch kein Begriff war.

    Wie hellsichtig Alfred Schmeller durch sein bewegtes Leben
    schritt, veranschaulicht abschließend wohl jenes Zitat von ihm am
    besten, dass aus den 1970er Jahren stammt:

           „Hätte sich irgend so ein Feudalherr,
           der Haydn die Perücke abnehmen hieß,
           gedacht, dass hier in der Orangerie
           einmal progressiv gearbeitet wird?
           Werden in 50 Jahren ausgeräumte
           Fabriken Malern und Bildhauern als
           Atelier dienen?“

    Petra Werkovits, Kuratorin

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Alfred Schmeller und
                          Martha Jungwirth-
                          Schmeller

                          © Archiv Künstlerdorf
                          Neumarkt an der Raab
                          Foto: Peter Sattler

Alfred Schmeller   Pionier – Bewahrer – Visionär   7
Alfred Schmeller und
Martha Jungwirth

© Archiv Künstlerdorf
Neumarkt an der Raab
Foto: Peter Sattler

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Alfred Schmeller 1920–1990

1920   In Erlangen geboren
1938   nach dem Abitur zur Wehrmacht eingezogen
1942   als Kriegsinvalide in Berlin das Studium der Kunstgeschichte begonnen
1943   Studium in Wien fortgesetzt und 1946 mit Dr. phil. abgeschlossen
1949   Österreichische Staatsbürgerschaft
1951 – 1953 Sekretär des legendären Art-Clubs in Wien
1954 – 1964 Kunstkritiker (Kurier und Zeitschrift magnum)
1960 – 1969 Landeskonservator für Burgenland und Wien
1965   Publikation „Das Burgenland“
1966   Österreichs Kommissär bei der Biennale di Venezia
1968   Eröffnung 1. Atelierhaus im Künstlerdorf Neumarkt an der Raab
1969 – 1979 Direktor des Museums des 20. Jahrhunderts in Wien
1971   in Neumarkt an der Raab angesiedelt
1990   verstorben

       „Fred hat das Burgenland so geliebt.“
       Martha Jungwirth-Schmeller

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Alfred Schmeller als Landeskonservator

     Alfred Schmeller wurde am 1. Jänner 1960 Landeskonservator für
     das Burgenland, damit war er in dem erst nach 1945 geschaffenen
     Referat der dritte.

     Gleich nach der Übernahme des Ressorts stürzte er sich mit
     Feuereifer in die Arbeit – und es wartete viel auf ihn: Auf Burg
     Forchtenstein drohte die gesamte Nordbastei abzustürzen, das
     Hildebrandtsche Barockschloss Halbturn war seit einem Brand
     im Jahre 1949 ohne Dach und das wertvolle Fresko von Anton
     Maulpertsch auf das äusserste gefährdet, Schloss Kobersdorf
     hatte keinen Verwendungszweck und war fast schon als Ruine
     zu bezeichnen, Kloster Loretto stand leer und auch die Kirche
     mit ihren wertvollen Stuckdekorationen bedurfte dringend einer
     Renovierung, die Neubauwelle brach auch über das Burgenland
     herein – und viel zu wenige der wertvollen barocken Bürger-
     häuser standen unter Denkmalschutz, steigender Wohnkomfort
     und Bestimmungen der Bauordnung gefährdeten die typischen
     ebenerdigen Giebelhäuser der malerischen Dorfstraßen. In dieser
     Situation fand die energiegeladene, explosive Persönlichkeit Alfred
     Schmellers ihr Betätigungsfeld. Nur jemand wie er, bei dem sich
     Initiative mit dem richtigen Gespür für den einzuschlagenden Weg
     paart und der diesen Weg dann kompromisslos, mitunter auch
     starrköpfig zu Ende ging, nur ein solcher Mann konnte sich an all

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diese Probleme heranwagen. Nie stellte er sich selbst in Zweifel –
und gewann damit seine Durchschlagskraft. Hatte er in den Jahren
vorher sich selbst bewiesen, dass er trotz Kriegsversehrtheit das
Leben voll meistern konnte, so bewies er es jetzt seiner Umgebung.

Zuerst war es notwendig, entsprechende Kontakte mit der bur-
genländischen Landesregierung aufzunehmen und auszubauen,
um eine harmonische Zusammenarbeit zu erreichen. Dann konnte
mit vereinten Kräften an die Arbeit herangegangen werden. Dabei
kristallisierten sich sehr bald jene Prinzipien heraus, denen er bis
zuletzt gefolgt ist, ja sie immer stärker betont hat. Diese Prinzipien
waren Schwerpunktbildung beim Einsatz der finanziellen Mittel
und in dieser Krisensituation Substanzerhaltung statt Kosmetik zu
betreiben. Das trug ihm mitunter den Vorwurf der Bevorzugung
gewisser Objekte ein, aber nur so war es möglich, die spärlichen
Mittel wirtschaftlich und damit sinnvoll einzusetzen. So wurde
Forchtenstein gerettet und so erhielt Halbturn sein Dach.

Neben der Rettung der Burg erwarb sich Alfred Schmeller ein
weiteres, nicht minder bedeutsames Verdienst um Forchtenstein,
nämlich die Entdeckung der eminenten Bedeutung seiner bis dahin
wenig beachteten Waffensammlung. Wie international ihre An-
erkennung inzwischen geworden ist, hat der Einbruch im Oktober
1968 leider zu deutlich gemacht. Der Entdeckung folgte eine über
viele Jahre sich hinziehende, sorgfältige Restaurierung der wert-
vollen Bestände. Dies überhaupt zu ermöglichen, bedurfte es viel
Diplomatie und Fingerspitzengefühl. Das persönliche Ansehen, das
Alfred Schmeller sich inzwischen erworben hatte, war hier mit ein
wesentlicher Faktor.

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Auch für das fast schon aufgegebene Schloss Kobersdorf wurde
     eine Lösung zur Rettung gefunden. Eine Wiener Architektin kaufte
     das Objekt. Nun galt es hier die Mittel zu konzentrieren, um die
     dringendst erforderliche Dacherneuerung zügig voranzutreiben.
     Dann kam Schloss Deutschkreutz an die Reihe, das der Maler
     Anton Lehmden erwarb, berühmt geworden als Vertreter der
     Wiener Schule des phantastischen Realismus. Er ist nicht der erste
     und nicht der einzige Künstler, der sich im Burgenland ansiedelte.
     Alfred Schmeller hatte in dem großen Kreis seiner Bekannten und
     Freunde – vor allem Künstler, Journalisten und Schriftsteller – das
     Burgenland populär gemacht. So wächst die Zahl derer, die sich
     hier einen zweiten Wohnsitz schaffen, ständig. In der Zeit des Bie-
     dermeier und des Vormärz war das Burgenland wegen des Reizes
     der Landschaft und des Brauchtums erstmals von Wien aus ent-
     deckt und erwandert worden. Alfred Schmeller gab unter anderem
     den Anstoß für das Bildhauersymposion in St. Margarethen, die
     Ausstellung von Bildern Anton Lehmdens in Deutschkreutz und
     die Galerie und Werkstatt Frenken in Breitenbrunn. Immer wieder
     wusste Alfred Schmeller diese nun einmal geweckten Interessen
     und Bestrebungen auch der Denkmalpflege nutzbar zu machen.
     So entstand unter anderem in Zusammenwirken mit der Kultur-
     abteilung der burgenländischen Landesregierung durch Ankauf und
     Restaurierung eines alten, typischen Bauernhauses mit originaler
     Rauchküche in Neumarkt an der Raab das Atelierhaus. Verwendung
     findet es als Refugium für Künstler, die sich hier auf einige Wochen
     in Zurückgezogenheit und Ruhe ihrer Arbeit widmen können.

     Ein Gewinn für das Burgenland ist die Entdeckung und Rettung
     des Kellerviertels in Heiligenbrunn. Auf seinen Erkundungsfahrten
     hat der Landeskonservator es entdeckt und seine Einmaligkeit
     erkannt. An den Berghängen oberhalb des Ortes Heiligenbrunn

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Alfred Schmeller mit Hellmut Andics
                                           © Archiv Künstlerdorf Neumarkt an der Raab
                                           Foto: Fritz Bastl

befinden sich die Weingärten von fünf umliegenden Ortschaften.
Dazu gehören etwa 80 Weinkeller, rechteckige, zweiräumige
Holzblockbauten mit großen Strohdächern. Etliche der Objekte
sind an die 200 Jahre alt. Ähnliche Anlagen bestanden auch auf
dem Eisenberg, dem Csaterberg und bei Moschendorf. Während

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diese jedoch ihre Eigenart längst eingebüßt haben, gelang es in
     Heiligenbrunn durch persönliche Gespräche und die Gewährung
     von Subventionen ein landschaftlich und architektonisch reizvolles
     Ensemble zu bewahren.

     Doch nicht nur Erfolge hatte Alfred Schmeller im Burgenland zu
     verzeichnen. Ein schmerzlicher Verlust war der Abbruch des Kas-
     tells von Dörfl. Am Berghang rechts oberhalb der Bundesstraße 50
     gelegen, war es für jeden, der von Oberpullendorf südwärts fuhr,
     ein markantes Wahrzeichen. 1945 schwer beschädigt, war die Ruine
     ständig einsturzgefährdet. Da sowohl ein Verwendungszweck als
     auch die beträchtlichen finanziellen Mittel zur Sicherung fehlten,
     musste dem Drängen der Baubehörde nachgegeben und dem
     Abbruch zugestimmt werden.

     Oft wurde auch der Vorwurf erhoben, dass zu wenig zur Erhaltung
     des typischen burgenländischen Ortsbildes geschehe. Hier werden
     allerdings die geringen gesetzlichen Möglichkeiten übersehen. Da
     half nur der persönliche Einsatz. Wo es dem Landeskonservator
     gelang, die Gemeinden zu interessieren, konnte er Erfolge erzielen.
     So bei den Fassadenaktionen in der Haydngasse von Eisenstadt,
     in Breitenbrunn und bei der Erhaltung des Stadtbildes von Rust.
     Im Jahre 1965 erschien im Verlag St. Peter, Salzburg, sein Buch
     „Das Burgenland“.

     Es war die seit langem fällige Würdigung der Kunstdenkmäler des
     Burgenlandes.

     Im letzten Jahr seiner Tätigkeit im Bundesdenkmalamt stellten sich
     einige schöne Erfolge ein. So die schon erwähnte Schaffung des
     Freilichtmuseums in Bad Tatzmannsdorf, die Eröffnung des Burg-

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museums auf Burg Güssing, die Dacherneuerung und damit Rettung
des neuen Schlosses in Kittsee und der Beginn der Arbeiten zur
Rettung von Schloss Rotenturm.

Nun hat Alfred Schmeller am 31. Oktober 1969 nach fast genau
zehnjähriger Tätigkeit als Landeskonservator das Burgenland ver-
lassen. Er wurde als Leiter des Museums des 20. Jahrhunderts be-
rufen und damit zu einer Tätigkeit, die ihm all die Jahre so sehr am
Herzen gelegen ist. Das Burgenland verliert mit ihm jenen Mann,
der fünf Minuten vor zwölf aufgerufen hatte, sich der Kunst- und
Kulturschätze des Burgenlandes zu besinnen, sie nicht achtlos
zugrunde gehen zu lassen, sondern sie mit Stolz auf die eigenen
Werte zu bewahren.

Peter Swittalek, Auszüge aus der Laudatio zum Abgang Schmellers
aus dem Bundesdenkmalamt 1969, „Alfred Schmeller – seine Leis-
tung als Landeskonservator für das Burgenland“

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Das Künstlerdorf

     Neumarkt an der Raab

     Den Anfangspunkt des Künstlerdorfes Neumarkt an der Raab
     markierte 1964 ein strohgedecktes Bauernhaus mit lehmg’satzten
     Mauern das Daxhaus, das auf gut burgenländisch „wegg’schoben“
     werden, sollte. Unter der Führung des akademischen Malers
     Feri Zotter wurde ein Kulturverein gegründet, um den Abriss zu
     verhindern. Die Rettung für das Daxhaus kam schließlich vom
     Landeskonservator Alfred Schmeller, der den Profanbau unter
     Denkmalschutz stellte, was für die bäuerlichen Bauten im Süd-
     burgenland einem Ritterschlag gleichkam.

     Doch Alfred Schmeller begnügte sich nicht mit der Rolle des
     Retters, er hatte für diesen Streckhof eine brillante Idee. Er sollte
     fortan als Künstlerklause dienen, damit sich im Zuge des artists in
     residence-Programms einige Kreative so weit in den Süden und so
     nah an den Eisernen Vorhang vorwagen. Der ursprüngliche Ansatz
     eines Ortsmuseums war damit verworfen, die burgenländische
     Kulturszene durfte sich über einen neuen und höchst attraktiven
     Schauplatz freuen. Weil Alfred Schmeller nicht nur großartige
     Ideen hatte, sondern auch über glänzende Kontakte verfügte war
     dem jungen Künstlerdorf früher Ruhm beschert. Als erster Artist
     in residence mietete sich 1968 der Holzschnittkünstler und Maler

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Atelierhaus, wo Handke
                       den Tormann konzipiert
                       hat. Postkarte aus dem
                       Unterschutzstellungsakt.
                       © BDA

Johannes Wanke ein, der sich in weiterer Folge in Neumarkt an der
Raab niederließ. Der nächste Gast war hingegen ein junger Schrift-
steller, der vor Ort intensive Buchrecherche betrieb und damit das
Künstlerdorf Neumarkt an der Raab und seine Umgebung zu einem
Schauplatz der Weltliteratur erhob. „Die Angst des Tormanns bei
Elfmeter“ heißt dieses Buch, das ein Schlüsselwerk im Schaffen
von Peter Handke, Literaturnobelpreisträger 2019, darstellt. Wim
Wenders verfilmte bald darauf das Werk an seinen Originalschau-

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Blick auf das Zweggerlhaus

     © BDA
     Foto: Martina Oberer-Kerth

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plätzen, wobei der Regisseur und Peter Handke gemeinsam für das
Drehbuch verantwortlich zeichneten.

Beim Daxhaus, mittlerweile erstes Atelierhaus genannt, wurde der
Andrang seitens der Kulturschaffenden bald so groß, dass mit dem
Zweggerlhaus ein zweites Atelierhaus notwendig wurde.

Alfred Schmeller, damals Museumsdirektor in Wien, hatte daran
seinen beträchtlichen Anteil, nicht von ungefähr bezeichnete Otto
Breicha das Künstlerdorf in jenen Tagen als „Sommerfrische des
Zwanzgerhauses“. Über die Jahrzehnte wuchs das Künstlerdorf
zu einem Dorf im Dorf heran. Zum Ensemble des Künsterldorfes
gehören heute eine Druckwerkstatt, die Dorfgalerie, die historische
Ölmühle, drei strohgedeckte Bauernhäuser, das älteste Kino des
Burgenlandes, der Kreuzstadel und seit 2014 der als Bibliothek
genutzte moderne Hypercubus, wobei die Kurse der Sommer-
akademie alljährlich zahlreiche Gäste anlocken.

Wenn in den letzten Jahren der Erfolgsautor Bernhard Aichner
oder das Sprachgenie Theodora Bauer im Künstlerdorf schrieben,
oder der großartige Hans Weigand die Druckwerkstatt für Meis-
terwerke nützte, so stellt dies das Erbe von Alfred Schmeller dar,
wobei der Begriff Erbe seine Bedeutung kaum zu erfassen vermag.
Wer würde schon die Innenstadt von Florenz als ein Erbstück von
„il magnifico“ Lorenzo di Medici bezeichnen? Dessen Werk lebt
und wird gelebt, so verhält es sich auch mit Alfred Schmeller und
dem Künstlerdorf Neumarkt an der Raab. Bedeutende Menschen
leben eben in ihren Werken und ihren Taten weiter. Bedeutende
Menschen wie Alfred Schmeller.

Petra Werkovits, Kuratorin

                      Alfred Schmeller   Pionier – Bewahrer – Visionär   19
Hugo Portisch über Alfred Schmeller

     Alfred Schmeller war der Mann der Frau, deren Cousine meine Frau
     werden sollte. Es hat uns also nicht die Kunst zusammengeführt.
     Von Kunst, genau genommen von der Malerei, kannte ich damals
     fast nur, was ich im Kunsthistorischen Museum zu sehen bekam.
     „Der Schmeller“ aber führte mich rasch durch alle Kunstepochen
     bis in die Moderne, die klassische und die avantgardistische. Und
     das hieß in jenen Aufbruchs- und Nachholjahren vorwiegend auch
     die surrealistische. Sie begeisterte mich. Aber Fred ließ keine Ein-
     seitigkeit zu. Er wusste für alle Richtungen der sich damals rasant
     entfaltenden Kunst Wichtiges und Richtiges zu sagen, führte mich
     ein in die Gedankenwelt der Künstler und Künstlerinnen, erklärte
     deren Kunstverständnis, aber wusste auch mit viel Humor und
     Witz auf deren Stärken und Schwächen hinzuweisen.

     Das war meine erste Begegnung mit einer seiner großen Begabun-
     gen: Anderen das Verstehen beizubringen, sie zu erziehen, ohne
     dass sie es merkten – so faszinierend waren seine Erklärungen, so
     packend konnte er Interesse wecken und mich beschwingt auf die
     Wege seiner Gedanken mitnehmen. Fred aber erklärte nicht nur
     Kunst und deren Schöpfer, er brachte sie auch zusammen. Das ist,
     wie jeder weiß, der dieses Milieu halbwegs kennt, kein einfaches
     Unterfangen. Und doch so wichtig! Denn Begegnung, Austausch
     der Gedanken, der Erfahrungen, vor allem auch der kritischen
     Überlegungen ist im künstlerischen Milieu Voraussetzung für jede
     weitere Entwicklung. Und da gelang Alfred Schmeller etwas ganz
     Großartiges – der Art-Club – keineswegs nur ein Club, sondern
     eine Begegnungsstätte ganz besonderer Art – der Strohkoffer.

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Über dieses Lokal im Keller der Wiener Loos-Bar ist schon viel
berichtet worden, wer sich dort traf, wie lebhaft dort debattiert,
wie erregt dort über Ansichten und Absichten diskutiert wurde, wie
viele Ideen in diesem Biotop erdacht und ihre Umsetzung erprobt
wurde. Zu allem hatte Fred seine feste Meinung, und er sagte
sie auch rundheraus. Soweit ich dabei war, nie verletzend, immer
darauf bedacht, auch die Überzeugungen anderer gelten zu lassen.

Die Einzigartigkeit dieses „Clubs“ lag in der Zusammensetzung
der Menschen, die einander dort begegneten, oft Nacht für Nacht
und oft genug nächtelang. Vorgeblich waren es Künstlerinnen und
Künstler, Maler, Bildhauer, von denen viele „schon etwas waren“
oder dabei waren, „etwas zu werden“. Aber wären sie unter sich
geblieben, so meine ich, wäre der Art-Club den Weg fast aller
solcher Künstlervereinigungen gegangen, im besten Fall hätte er
sich zu einer Interessenvertretung gemausert, oder er wäre an
inneren Streitigkeiten zugrunde gegangen. Schmeller verstand das.

Die Künstlerinnen und Künstler, auch sie brauchten ihr Publikum,
nicht irgendeines, sondern ein inspirierendes, eines, das auch
ihnen etwas zu bieten hatte. So etwas stellt sich nicht von selbst
ein. Das muss man zum Gedeihen bringen. Ohne Schmeller wäre
das nie gelungen. Er brachte sie zusammen, diese einzigartige Mi-
schung von Malern und Bildhauern und von jungen hochbegabten
Musikern, Schauspielern, Kabarettisten und Literaten. Jede Nacht
im Art-Club ein Feuerwerk an Ideen, Kontroversen, Vorstellungen,
ja, und oft genug gescheiten Blödeleien.

Die Impulse, die aus diesem Keller kamen, prägten damals und noch
lange danach das Kulturleben Wiens. Einige Jahre später gab es
den Strohkoffer nicht mehr. Viele seiner damaligen Protagonisten

                      Alfred Schmeller   Pionier – Bewahrer – Visionär   21
hatten ihre Wege inzwischen gemacht, hatten große Namen und
     Alfred Schmeller selbst galt als einer der besten – für mich der
     beste – Kunstkenner. So sehr, dass ihm, wenn er die Kunstabtei-
     lung des Dorotheums besuchte, die potentiellen Ankäufer und
     Anleger wie Spione folgten, um an seinem Gesichtsausdruck zu
     erkennen, was er für wichtige und zukunftsträchtige Kunstwerke
     hielt. Schmeller wusste das und führte die Spione nicht selten
     an der Nase herum, indem er Bilder, die er für museumswürdig
     hielt, unbeachtet ließ, um sie nicht in die Hände von Spekulanten
     geraten zu lassen.

     Unsere Wege trennten sich, als Schmeller zu Höherem berufen
     wurde – schließlich zum Direktor des Zwanzgerhauses – und ich
     Chefredakteur des „Kurier“ wurde, damals der größten Zeitung
     Österreichs. Sein Ansehen aber hatte der Kurier vor allem seinen
     exzellenten Mitarbeitern zu verdanken, gerade auch im Kulturteil
     des Blattes: Hans Weigel und nach ihm Friedrich Torberg schrieben
     dort die Theaterkritiken, Helmut Qualtinger und Carl Merz ihr
     wöchentliches „Blattl vor dem Mund“. Und Alfred Schmeller seine
     Ansichten und Kritiken zum Kunstgeschehen.

     Etwas war ihnen allen gemeinsam: Sie waren nicht nur Experten,
     intime Kenner ihres Fachs, nicht nur hervorragende Schreiber, sie
     verstanden es, ihre Beiträge den Lesern mit ihrem ganzen persön-
     lichen Charisma zu vermitteln. Sie zu lesen war ein Hochgenuss.
     Und ich wage es zu behaupten, dass erst mit Alfred Schmeller
     als Direktor des Zwanzgerhauses, die Moderne in das kulturelle
     Bewusstsein dieser Stadt Einzug gehalten hat.

     Das lag eben an der besonderen Fähigkeit Alfred Schmellers, große
     Ideen zu vermitteln, Menschen zu begeistern, mit auf den Weg

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zu nehmen, gleichzeitig aber auch Standards zu setzen. Fast zeit-
gleich wechselten Fred und ich unsere Jobs. Er verließ nach höchst
erfolgreichen Jahren das Zwanzgerhaus und ich den Kurier. Darin
waren wir uns einig: Man darf alles machen, aber nichts zu lang.

Hugo Portisch

                                            Alfred Schmeller vor dem Museum des
                                            20. Jahrhunderts © Archiv Künstlerdorf
                                            Neumarkt an der Raab.

                      Alfred Schmeller   Pionier – Bewahrer – Visionär        23
„Ein Haus stirbt wenn
     es nicht bewohnt wird.“
     Alfred Schmeller

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