ADAPTHERA Das Rheuma Netzwerk - Autoren: Andreas Schwarting und Brigitte Pfeiff
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© MSD/Bardehle Brigitte Pfeiff mit Juror Dr. Thomas Lang 2. Preis: ADAPTHERA Das Rheuma Netzwerk Autoren: Andreas Schwarting und Brigitte Pfeiff Management Summary Ziel des Rheuma-Netzwerks ADAPTHERA ist eine verbesserte, flächendeckende Versorgung von Rheu- ma-Patienten in Rheinland-Pfalz. Gemeinsam mit den Förderpartnern sowie den Partnern aus Forschung und dem Bereich der Patientenversorgung strebt ADAPTHERA eine koordinierte und fachgebietsüber- greifende Behandlung an. Begleitende biomedizinische Forschungsprojekte, Schulungskonzepte sowie der Aufbau eines ADAPTHERA-Rheuma-Registers sollen die Versorgungsqualität zusätzlich verbessern. Zum Netzwerk gehört eine Vielzahl an Leistungserbringern aus den Bereichen der Primärversorgung und der Rheumatologie, insbesondere der rheumatologischen Schwerpunktpraxen und dem Hausärztever- band Rheinland-Pfalz. Initiatoren waren Brigitte Pfeiff vom Verein AIRA e.V. (heute PFEIFF mar.com) und 2
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk Prof. Dr. Andreas Schwarting vom SANA Rheumazentrum Rheinland-Pfalz, das seit 1. Januar 2013 unter ACURA Kliniken Rheinland-Pfalz firmiert. Seit Beginn der dreijährigen Pilotphase im Jahr 2010 wird ADAPTHERA als „Landesleitprojekt Rheuma“ im Rahmen der Initiative Gesundheitswirtschaft Rheinland-Pfalz gefördert. Das ADAPTHERA Ver- sorgungsnetzwerk wird dabei vom Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rhein- land-Pfalz unterstützt, in das begleitende biomedizinische Forschungsprojekt fließen Fördermittel des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Klimaschutz und Landesentwicklung Rheinland-Pfalz. Durch die Kooperationsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz können alle im Land Versicherten eingeschrieben und so innerhalb der Versorgungskette „Rheumatoide Arthritis“ behandelt werden. Pa g r Aira e.V./ Hausärzte, Pa nte un d e t ie rt nv Aesku.Kipp Institut Allgemeinmediziner c h in ne e r s er r i r so Universitätsmedizin Rheumaexperten RPS Fo rtn n rg de u Pa Mainz (Uni Med) ARRP r ng IMBEI, Kassenärztliche Vereinigung Institut für Medizinische Biometrie, Rheinland-Pfalz Epidemiologie und Informatik an der Universitätsmedizin der ACURA Kliniken Rheinland-Pfalz AG Johannes Gutenberg – Universität Mainz Rheumatologische Ambulanz Bioinformatik Uni Mainz der Uni Mainz IZKS Rheumaorthopädie Diakonie- krankenhaus Bad Kreuznach Apothekeder Uni Med Rheumaorthopädie Mainz WHO Zentrum für Rheuma- ADAPTERA Pathologie Rheumaliga Rheinland-Pfalz Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demographie Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Forschende Pharma-Unternehmen Innovative Diagnostik- und Biotech-Unternehmen Abbildung 1 – Das Netzwerk ADAPTHERA Quelle: Eigene Darstellung. Förderpartner 3
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk Vom Startzeitpunkt der Patientenaufnahme im Januar 2012 bis August 2013 nahmen im Rahmen der fachgebietsübergreifenden Patientenversorgung bereits 202 Patienten an dem Projekt teil. Einleitung Das Netzwerk ADAPTHERA ist ein neuartiges Kooperationsmodell, das gleichzeitig die zahlreichen und unterschiedlichen Defizite in den Sektoren Versorgung und Forschung anspricht. Es versteht sich als „Netz für Netzwerke“ (Schwarting, Pfeiff, 2013). Auf dem Gebiet der Rheumatoiden Arthritis werden die unterschiedlichsten Partner in der Patientenversorgung und der Forschung sowie entsprechende Förder- partner zusammengebracht (s. Abbildung 1). In der folgenden Beschreibung steht die Patientenversor- gung im Mittelpunkt. Versorgungsherausforderung Entzündlich-rheumatische Erkrankungen betreffen in Deutschland etwa 1,5 Millionen Menschen, das sind rund zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, 2013). Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die frühe Diagnose eine entschei- dende Rolle spielt. Wenn die Krankheit zu spät erkannt wird, sind die betroffenen Gelenke oft unheilbar zerstört. Immens sind dabei nicht nur die Auswirkungen auf den einzelnen Betroffenen, sondern auch die gesamtgesellschaftlichen Kosten dieser Erkrankung. Die Krankheit trifft nicht nur ältere Menschen, son- dern häufig auch Frauen und Männer mitten im erwerbsfähigen Alter (Schwarting/Pfeiff, 2013a). Daher spielen nicht nur die hohen Behandlungskosten eine Rolle; auch der häufig vollständige Verlust der Ar- beitskraft muss miteinbezogen werden. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren stark erweitert. Heute können die Schmerzen nicht nur gelindert werden, es ist vielmehr möglich, eine vollständige Remission der Erkran- kung zu erreichen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Erkrankung frühzeitig diagnostiziert wird. Diese Entwicklung schlägt sich in neuen Diagnosekriterien nieder, die kürzlich auf internationaler Ebene entwi- ckelt wurden. Hauptziel ist es, die Frühdiagnose zu erleichtern – denn nur dann ist eine erfolgverspre- chende Therapie möglich (Bundesärztekammer/Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2010). Für die Versorgung bedeutet das: Die Krankheit muss früher erkannt und behandelt werden. Das zentrale Problem ist ein unnötiger Zeitverlust. Auf der Stufe der hausärztlichen Versorgung gibt es häufig immer noch Informationsdefizite. Daher verstreicht oft schon vor der Überweisung zur richtigen Versorgungs- ebene wertvolle Zeit. In der Folge ist dann die zeitnahe Terminvergabe beim Rheumatologen ein Problem. Die Patienten werden also zu spät beim spezialisierten Rheumatologen vorstellig, der verlässlich diagnos- tizieren und die Krankheit für die anschließende Behandlung sinnvoll klassifizieren kann (Aletaha et al., 2010). In der Folge hat schon ein Jahr nach den ersten Krankheitszeichen die Hälfte der betroffenen Menschen Schäden an den Gelenken, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Nach zehn Jahren sind dann etwa 60 Prozent der Erkrankten nicht mehr arbeitsfähig. Die Herausforderung besteht also darin, Menschen, die neu an rheumatisch-entzündlichem Rheuma erkranken, schnell zu erkennen und umgehend spezialisiert zu behandeln (Boekle, 2013). Allein in Rhein- land-Pfalz umfasst diese Personengruppe der Neuerkrankten geschätzt jährlich bis zu 3.000 Menschen. Genauere Zahlen liegen nicht vor, da es bis jetzt kein einheitliches Rheumaregister gibt. Eine Erhebung dieser Fallzahlen ist ein weiteres Teilziel im Rahmen von ADAPTHERA. Dieser Herausforderung wird 4
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk nun mit einem bundesweit einzigartigen Pilotprojekt begegnet. Eine koordinierte Kooperationsstruktur ermöglicht Menschen bei Ausbruch ihrer Erkrankung einen schnelleren Zugang zur fachärztlichen Be- handlung. Die Versorgung wird dazu in einem landesweiten, sektorenübergreifenden Netzwerk koordi- niert. Entstehungsgeschichte Initiatoren waren Brigitte Pfeiff vom Verein AIRA e.V. (heute PFEIFF mar.com) und Prof. Dr. Andreas Schwarting vom SANA Rheumazentrum Rheinland-Pfalz, das seit 1. Januar 2013 unter ACURA Kliniken Rheinland-Pfalz firmiert. Am 1. Januar 2012 wurde dann der Versorgungsvertrag für das Netzwerk ADAP- THERA unterschrieben. Bis heute konnten folgende Partner für das Netzwerk gewonnen werden (Schwar- ting, Pfeiff, 2013a): • Kassenärztliche Vereinigung und Hausärzteverband Rheinland-Pfalz • Rheumaexperten Rheinland-Pfalz • Rheumaliga Rheinland-Pfalz • Universitätsmedizin Mainz mit dem Schwerpunkt Rheumatologie, IZKS (interdisziplinäres Zentrum zur Koordinierung klinischer Studien) und IMBEI (Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik) • ARRP (Arbeitsgemeinschaft der Rheumatologen Rheinland-Pfalz) • Rheumaorthopädie (Diakonie Bad Kreuznach, Universitätsmedizin Mainz, Stiftsklinikum Koblenz, West- pfalzklinikum Kaiserslautern) • WHO Rheumapathologiezentrum der Uni Mainz • Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz • Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz Kernelemente Versorgungskonzept Die rechtliche Grundlage für das Versorgungskonzept ADAPTHERA ist ein Kooperationsvertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz. Der Vertrag wurde für alle gesetzlich Versicherten ge- schlossen. Das Modell setzt bereits bei den Hausärzten der kassenärztlichen Versorgung an. Es unter- stützt sie dabei, Verdachtsfälle der Rheumatoiden Arthritis zu erkennen. Ist ein Patient identifiziert, bei dem Rheumatoide Arthritis bestehen könnte, wird dem Arzt bei der Überweisung geholfen. Innerhalb kürzester Zeit wird so ein Termin bei einem geeigneten Facharzt oder bei nicht anders lösbaren Engpäs- sen auch in einer entsprechenden Klinik, die zur ambulanten Versorgung zugelassen ist, ermöglicht. Die Vertragsärzte erbringen gegenüber den Patienten Leistungen im Rahmen der regulären Versorgung. Darüber hinaus werden Leistungen im Netzwerk ADAPTHERA zusätzlich angeboten und vergütet. Rheu- matologen, die im Netzwerk ADAPTHERA aktiv sind, können bei gesetzlich versicherten Patienten, die an ADAPTHERA teilnehmen, also zusätzliche Ziffern abrechnen. 5
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk ADAPTHERA zeichnet sich durch einen sehr einfachen und niedrigschwelligen Zugang für Patienten als auch für Leistungserbringer aus. Hausärzte treten dem Netzwerk automatisch bei, wenn sie die ADAPTHERA Sonderziffer das erste Mal gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen. Es muss dabei nicht nach Krankenkassen unterschieden werden. Das ADAPTHERA-eigene Faxformular, mit dem die Hausärzte ihre Patienten an Rheumatologen weiterleiten, beinhaltet nur vier zu bestätigen- de Fragen. Zielgruppe Die Rheumatoide Arthritis betrifft rund ein Prozent der Bevölkerung und ist damit die häufigste Autoim- munerkrankung. Bei Frauen ist sie rund zwei- bis dreimal häufiger als bei Männern. Die meisten Men- schen erkranken zwischen dem 40. und dem 50. Lebensjahr. ADAPTHERA richtet sich an alle Menschen in Rheinland Pfalz, die neu an Rheumatoider Arthritis erkranken. Allein in Rheinland-Pfalz umfasst diese Personengruppe der Neuerkrankten jährlich bis zu 3.000 Menschen. Eine Teilnahme ist unabhängig von einer speziellen Krankenversicherung für alle möglich. Hausärzte können Patienten der gesetzlichen Kran- kenversicherungen einfach aufnehmen, ohne einen speziellen Vertrag unterzeichnen zu müssen. Damit gibt es nun für die gesamte Zielgruppe in diesem Bundesland einen barrierefreien Zugang zu einem um- fassenden Versorgungskonzept. Versorgungselemente Eine wesentliche Ursache für die späte zielgerichtete Behandlung Rheumatoider Arthritis ist eine Unter- versorgung mit Rheumatologen in Deutschland. Dies ist vor allem in einem Flächenland wie Rheinland- Pfalz ein großes Problem. Nach Berechnungen der Rheumaliga bräuchte dieses Bundesland allein 50 (zusätzlich zu den derzeit 14) weitere niedergelassene Rheumatologen für ein optimales Arzt-Rheuma- patienten-Verhältnis (Schwarting/Pfeiff, 2013). Dieses Problem kann leider realistisch nicht durch eine massive Ausweitung von Rheumatologen gelöst werden. Stattdessen wird angestrebt, die bestehenden Ressourcen bestmöglich zu nutzen. Dies wird durch eine Struktur erreicht, die durch bessere Vernetzung die zielgerichtete Behandlung von Fällen mit Priorität erlaubt. Das ist die Leistung des Netzwerks ADAPTHERA: es integriert die gesamte Versorgungskette „Rheumatoide Arthritis“ horizontal, vom Hausarzt bis zur Universitätsmedizin. Vertikal werden alle Stufen der Versorgung abgedeckt: von Früherkennung über die ambulante und stationäre Therapie bis hin zur Rehabilitation. Damit wird eine zentrale Terminkoordinierung möglich. Die Patienten erhalten den schnellstmöglichen Termin zur Vorstellung beim Rheumatologen – oder alternative Vorschlä- ge, wenn Rheumatoide Arthritis ausgeschlossen werden kann. Durch diesen Vorfilter werden nur echte Verdachtsfälle zu den beteiligten Rheumatologen weitergeleitet. Somit ist ein wichtiges Element des Modells ein abgestuftes Screeningprogramm. Patienten mit ersten Anzeichen von früher Arthritis werden vom Primärversorger (Hausarzt, Orthopäde etc.) an die Schwer- punkt-Rheumatologen in der Früharthritis-Klinik überwiesen. Bestätigt sich die Diagnose, werden die Patienten in das Pilotprojekt übernommen. Hier werden dann auch die klinischen Daten erfasst und das serologische und gegebenenfalls bioptische Material gesammelt. Der Rheumatologe erarbeitet dann gemeinsam mit dem Patienten und dem Hausarzt einen angemessenen Therapieplan (Biermann, 2012). Lässt sich die Diagnose (noch) nicht bestätigen, wird der Patient für eine spätere Wiedervorstel- lung erfasst. Die einzelnen Elemente und der Ablauf im Modell sind in Abbildung 2 noch einmal darge- stellt. 6
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk Abbildung 2 – Risikoadaptierte individualisierte Rheumatherapie Hausärzte/primärer Versorgungssektor (Internisten, Orthopäden, etc.) Leitstelle SRZ/KK Frühe Arthritis Einschreibung in das Modell Screening I Dokumentation Wissenschaftliche Leitstelle Termin innerhalb von 1–2 Wochen positiv negativ Rheumaorthopädie Früharthritis Klinik Screening II (rheumatologische Biopsie Basisdiagnostik) Arthritis – Verdacht nicht Arthritis – Verdacht bestätigt bestätigt Ausscheiden aus dem Risikoadaptiertes Modell interdisziplinäres Versorgungskonzept Quelle: Eigene Darstellung. Mehrwert Die einzigartige, umfassende Kooperation ermöglicht rund 4,5 Millionen Einwohnern in Rheinland- Pfalz – ungeachtet ihrer Versicherung – den Zugang zu einer optimierten Versorgung von Rheumatoider Arthritis. Durch verbesserte Koordination in einem sektorenübergreifenden Netzwerk wird kostbare Zeit gespart. In den ersten zwölf Monaten Laufzeit wurden die Patienten im Netzwerk im Mittel 23,7 Tage nach dem ersten Besuch beim Hausarzt, beim Rheumatologen vorgestellt. Dies ist ein großer Zeitgewinn im Vergleich zum deutschen Durchschnitt von 13 Monaten (Schwarting, Pfeiff, 2013). Es ist dieser Zeit- vorsprung, der in vielen Fällen vollständige Remission überhaupt erst möglich macht. Durch die vollständige Integration aller Versorgungsebenen wird der Patient über den gesamten Krank- heitsverlauf lückenlos begleitet. Alles wird aus einer Hand geboten: Primärversorger (Hausarzt, Ortho- päde), die Versorgungsebene Facharzt Rheumatologie, die Akutversorgung stationär und die Versor- gungsebene Rehabilitation. Grabenkämpfe zwischen der Versorgung in der Fläche und klinischen oder universitären Einrichtungen werden so vermieden. Die Patienten erleben koordinierte und transparente Übergänge zwischen den beteiligten Sektoren der Behandlungskette. Klare Vorgaben für die Teilnahme am Versorgungsnetzwerk führen außerdem zu einer Verkürzung der Wartezeiten an den Schnittstellen, beispielsweise für Erstvorstellungstermine beim Fach- arzt für Rheumatologie. Insgesamt stieg die Quote fachärztlich betreuter Patienten mit Rheumatoider Arthritis. Die verbesserte Koordination verringert unkontrollierte Verschreibungen und die damit verbun- denen vermeidbaren Nebenwirkungen medikamentöser Therapie. 7
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk Gleichzeitig werden durch den breiten, niedrigschwelligen Zugang schnell und ausreichend Patientenda- ten für eine Weiterentwicklung der Therapie gewonnen. Somit können Behandlung und Forschung im Netzwerk sinnvoll verknüpft werden. Gemeinsam wird eine individuell optimierte Therapie entwickelt, die schon zu Beginn der Erkrankung die Aussage über die wirksamste Therapiestrategie für den individuellen Patienten ermöglicht (Becker et al., 2013). Die dafür notwendige Datenerhebung nutzt gängige Software und findet via iPad statt. Alle an ADAPTHERA teilnehmenden rheumatologischen Praxen wurden hierfür mit iPads ausgestattet. Diese sind einfach bedienbar für Ärzte, Praxisassistenten und Patienten. Sie mo- tivieren zur Teilnahme und sichern damit eine gute Qualität der Daten. Finanzierung Die Finanzierungsstrategie bindet bewusst mehrere Quellen ein. Hierdurch sollen das ADAPTHERA Rheuma-Netzwerk und die entstehenden Versorgungsstrukturen gesichert werden – nachhaltig und möglichst unabhängig von politischen Strategiewechseln. Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz unterstützte den Start von ADAPTHERA maßgeblich und fördert das Versorgungsnetzwerk in der dreijährigen Pilotphase als „Landesleitprojekt Rheuma“ im Rahmen der Initiative Gesundheitswirtschaft Rheinland-Pfalz. Hinzu kommen erhebliche Eigenmittel der Initiatoren: Mittel, die der Optimierung des Netzwerks und der Versorgungsforschung zur Verfügung stehen. Die dritte Säule der Finanzierung neben Fördermitteln und Eigenmitteln sind aktiv eingeworbene Fremd- mittel (Sponsorengelder, Spenden und Einnahmen aus kooperativen Forschungsprojekten). Allein für den Aufbau der Struktur des Versorgungsnetzwerks stehen so insgesamt rund 550.000 Euro zur Verfügung. Gesetzliche Krankenkassen wurden bisher bewusst nicht in die Finanzierung der Pilotpha- se eingebunden, um ein barrierefreies und flächendeckendes Angebot zu schaffen – wichtig für die Be- troffenen und die Qualität der Versorgungsforschung. Für die ADAPTHERA Forschungsprojekte und den Aufbau des ADAPTHERA RheumaRegisters fließen in der Pilotphase bis März 2014 zusätzlich rund 1.485.000 Euro aus Eigenmitteln der Initiatoren und durch Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Klimaschutz und Landesentwicklung Rheinland- Pfalz ebenfalls im Rahmen der Initiative Gesundheitswirtschaft Rheinland-Pfalz. Management Das Schlüsselelement für eine erfolgreich individualisierte Rheumatherapie ist eine kontinuierliche Koor- dination der im Netzwerk zusammengeschlossenen Partner. Nur so werden nämlich eine reibungs- lose Zusammenarbeit, ein optimales Patientenmanagement und ein lückenloser Datenaustausch mög- lich. Die Koordination ist allerdings eine Herausforderung, da die Beteiligten sehr verschieden sind und sehr unterschiedliche Aktivitäten im Netzwerk wahrnehmen. Sie wird bei ADAPTHERA daher von einer Koordinationszentrale übernommen. Diese leistet das Netzwerk-Management, also die Koordination der Netzwerkpartner im Versorgungsnetzwerk, sowie das Patientenmanagement. Außerdem sichert sie die Qualität der Versorgungsabläufe und entwickelt das Netzwerk fortwährend weiter. Auch koordiniert die Zentrale die gemeinsame interne und externe Kommunikation aller an der Initiative beteiligten Partner. Vor allem kümmert sie sich um verschiedenste Austauschmöglichkeiten der Partner untereinander (Newsletter, Meetings etc.), um die Präsentation des gesamten Netzwerks nach außen und die Akquise neuer Partner, Handlungsfelder oder Projekte. Aber auch für Patienten oder die interes- 8
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk sierte Öffentlichkeit wird ein Informationsangebot bereitgestellt. Solch eine Aufklärung ist speziell bei dieser Erkrankung wichtig für eine erfolgreiche Therapie. Häufig ist die lange Zeitspanne bis zur ziel gerichteten Therapie nicht nur mit langen Wartezeiten bei spezialisierten Ärzten zu erklären, eine Rolle spielen oft auch Angst und mangelnde Aufklärung der Patienten (Schwarting, Pfeiff, 2013). Um hier Ab- hilfe zu schaffen, wird mittels verschiedener Kanäle auf die Erkrankung und das Netzwerk aufmerksam gemacht. Neben einer umfangreichen Homepage wird im Internet beispielsweise auch ein Film auf YouTube angeboten (Roeingh, 2013). Direkt vor Ort ist das Netzwerk mit Aktionen bei großen Arbeit gebern vor Ort – sogar eine Rheuma-Bustour wird durchgeführt. Auch telefonisch ist die Koordinations- zentrale über eine direkte Patienten-Hotline erreichbar. Die ADAPTHERA Koordinationszentrale ist damit zentraler Ansprechpartner für Patienten, Ärzte und Öffentlichkeit, aber auch für Spender, Sponsoren oder zukünftige Partner. Für die Koordination der im Netzwerk stattfindenden medizinischen Forschung und Versorgungsforschung hat das Netzwerk neben der ADAPTHERA Koordinationszentrale eine Studienzentrale eingerichtet. Hier werden auch der Aufbau, die Betreuung und die Weiterentwicklung der Datenbank ADAPTHERA RheumaRegister vorangetrieben. Damit soll eine fortlaufende Verbesserung der Versorgung von Rheuma- patienten ermöglicht werden. Evaluation Das ADAPTHERA Rheuma-Netzwerk wurde im Rahmen der Bewilligung der Fördermittel mehrfach ex- tern begutachtet, sowohl durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch durch Deut- sche-Forschungsgemeinschaft-Gutachter des Wissenschaftsministeriums Rheinland-Pfalz. Nach den ersten zwölf Monaten wurden die Ergebnisse Anfang 2013 evaluiert und auf Zielerreichung überprüft. Insgesamt wurden bis zum 31. August 2013 500 Patienten von den Primärversorgern zugewiesen. 202 davon erfüllten nach dem Termin beim Rheumatologen die Kriterien zur Aufnahme in das Rheumanetz- werk ADAPTHERA (s. Abbildung 3). 66 Prozent waren Frauen, der Altersgipfel lag bei 55 Jahren. Sie werden seit der Erstvisite den Qualitätszielen des Netzwerks entsprechend engmaschig begleitet und alle drei Monate gesehen (Schwarting et al., 2013). Abbildung 3 – Qualität der Zuweisungen 98 Kriterien nicht erfüllt 190 nach Akuttermin ausgeschlossen 202 frühe RA Quelle: Eigene Darstellung. Durch umfangreiche Kommunikationsmaßnahmen und auf Grund des einfachen Zugangs für Patienten und Primärversorger haben sich Patienten aus dem gesamten Bundesland angemeldet. Die untenstehende Grafik veranschaulicht noch einmal die flächendeckende Versorgung früher Rheumatoide Arthritis Patienten im Netzwerk. 9
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk Abbildung 4 – Flächendeckende Versorgung 1 1 1 2 2 Betzdorf 2 1 31 2 1 5 4 2 1 1 19 410 26 1 2 Bad Neuenahr/ 1 2 Ahrweiler Montabaur 3 Koblenz 3 2 5 3 Bad Ems 3 Cochem 23 1 1 3 1 1 4 3 3 5 3 1 1 4 Wittlich 3 5 2 3 1 46 1 1 8 1 4 2 1 Mainz 2 1 1 Simmern 4 2 2 271 Bingen1 1 1 3 3 1 2 Bad Kreuznach 5 1 2 Trier Alzey 5 Worms 10 1 1 1 2 1 11 10 2 1 1 1 3 2 Kusel 1 3 Bad Dürkheim Ludwigshafen 1 2 10 Kaiserslautern 4 1 1 2 5 4 3 6 1 1 Speyer 5 8 4 4 1 Zweibrücken 8 Pirmasens Landau1 17 3 Quelle: Eigene Darstellung. Nächste Schritte Gegen Ende der Pilotphase besteht nun die Möglichkeit, das Netzwerk weiter auszubauen. Neben der Rheumatoiden Arthritis ist geplant, andere rheumatische Erkrankungen einzuschließen. Aufgrund der gut laufenden Kooperationen lassen sich weitere Krankheitsbilder verhältnismäßig einfach als weiteres Modul angliedern. Ein Ziel ist es – in Analogie zur Rheumatoiden Arthritis – die Frühdiagnose aller rheu- matischen Erkrankungen zu verbessern. In Kooperation mit Arbeitgebern entsteht gerade ein Konzept zur allgemeinen Prävention muskuloskelettaler Erkrankungen, dessen Ergebnisse die Darstellung der Epide- miologie und Versorgung von Rheuma-Patienten vervollständigen werden. Die Rehabilitation chronisch kranker Patienten spielt eine große Rolle. Daher wird eine Rehabilitationsbe- handlung für jeden ADAPTHERA Patienten angestrebt. Damit kann umfassender geholfen werden, als es die Akutmedizin mit ihren vor allem medikamentösen Ansätzen tun kann. Die Rehabilitation umfasst phy- siotherapeutische Aspekte (Kraft, Haltung, Ausdauer), ergotherapeutische und psychologische Aspekte (Anti-Stress Training) sowie sozialmedizinische Aspekte (berufliche Situation, GdB, Umschulung etc.). Ein Teilprojekt (s.u.) wird sich mit dem Effekt der Schulung auf die Compliance der Patienten im Verlauf aus- einandersetzen. ADAPTHERA hat den Aufbau eines sich dynamisch entwickelnden Rheumaregisters zum Ziel. Über die bestehenden Datensammlungen auf dem Gebiet der Rheumatoiden Arthritis hinaus soll dieses Register nicht nur Patienten- und Versorgungsdaten sammeln, sondern sie auch mit dem Erfolg gewählter diag- nostischer und therapeutischer Strategien verbinden (bis hin zum Anwendungsverhalten von Arzneimit- teln, siehe Maiwald, 2013). Damit könnte die Versorgung in diesem Bereich umfassend evaluiert und optimiert werden. Nach dem PDCA-Zyklus des Qualitätsmanagements („plan-do-check-act“) werden aus identifizierten Schwachstellen des Netzwerkes kontinuierlich Verbesserungsvorschläge abgeleitet und umgesetzt. Soll- te es sich etwa in Zukunft herausstellen, dass im Bereich einzelner Primärversorger zu häufig falsche positive Verdachtsdiagnosen gestellt werden, wird die Rheumaliga Rheinland-Pfalz in einzelnen Regionen teilnehmende Kollegen gezielt nachschulen – als Partner im ADAPTHERA Projekt, mit ihrem Patient- Partner Programm und zusammen mit Rheumatologen. 10
ADAPTHERA · Das Rheuma Netzwerk Ansprechpartner Prof. Dr. Andreas Schwarting Brigitte Pfeiff Ärztlicher Direktor ADAPTHERA Marketing + Kommunikation ACURA Kliniken Rheinland-Pfalz AG Telefon: 0170 – 4478 684 Kaiser-Wilhelm-Straße 9–11 E-Mail: ADAPTHERA@email.de 55543 Bad Kreuznach Telefon: 0671 – 93-2230 E-Mail: andreas.schwarting@kh-acura-kliniken.com Literatur ADAPTHERA (2013). Qualität der Zuweisungen. Interne Studiendaten vom 31.8.2013. Erhältlich über ADAPTHERA. ADAPTHERA (2013a). Flächendeckende Versorgung. Posterbeitrag. Erhältlich über ADAPTHERA. Becker, Marc; Menke, Julia; Tenzer, Stefan; Schild, Hansjörg; Wlodarski, Alexandra; Jeremias, Patricia; Trinder, Peter; Pfeiff, Brigitte; Maar, Bettina; Golbas, Mitra; Schwarting, Andreas (2013). ADAPTHERA – Das barrierefreie rheumatologische Ver- sorgungsnetzwerk in Rheinland-Pfalz: Identifizierung von Biomarker-Profilen in Patientenproben mit diagnostizierter früher Rheumatoider Arthritis. Erhältlich über ADAPTHERA. Im Erscheinen. Biermann, Hans (2012). ADAPTHERA-Netzwerk in Rheinland-Pfalz: Kooperation mit Sana-Rheuma-Zentrum. In Orthopädische Nachrichten vom 23.4.2012. Abgerufen 5.9.2013, http://www.biermann-verlag.de/fachbereiche/orthopaedie/kliniken-pra- xen/kooperation-sana-rheuma-zentrum. Boekle, Ruth (2011). Lemke: Wirksamere Therapien bei Rheuma durch innovative Technologien. Rheinland-Pfalz Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung. Pressemitteilung. 5.9.2013. http://www.mwkel.rlp.de/icc/inter- net/nav/08c/fe770101-a350-6401-a3b2-1714462b74cf,1b611b3a-8857-1318-86f6-2465e1df7d18,,,aaaaaaaa-aaaa-aaaa-aa- ab- 000000000042& _ic_selumen=08c70d79 -8d1c-7501-be59 -26196bb7cb65&attr=8ae7077e- 6af7-3a21-2fc5 -be- 150da4e825. Bundesärztekammer/Kassenärztliche Bundesvereinigung (2010). Neue Rheumaklassifikation soll Frühdiagnose erleichtern. In Ärzteblatt online vom 11. August 2010. 11.9.2013: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/42315. Daniel Aletaha, Tuhina Neogi, Alan J. Silman, Julia Funovits, David T. Felson, Clifton O. Bingham, Neal S. Birnbaum, Gerd R. Burmester, Vivian P. Bykerk, Marc D. Cohen, Bernard Combe, Karen H. Costenbader, Maxime Dougados, Paul Emery, Gi- anfranco Ferraccioli, Johanna M. W. Hazes, Kathryn Hobbs, Tom W. J. Huizinga, Arthur Kavanaugh, Jonathan Kay, Tore K. Kvien, Timothy Laing, Philip Mease, Henri A. Ménard, Larry W. Moreland, Raymond L. Naden, Theodore Pincus, Josef S. Smolen, Ewa Stanislawska-Biernat, Deborah Symmons, Paul P. Tak, Katherine S. Upchurch, Jirˇí Vencovsky´, Frederick Wolfe, and Gillian Hawker: 2010 Rheumatoid Arthritis Classification Criteria: An American College of Rheumatology/Euro- pean League Against Rheumatism Collaborative Initiative. ARTHRITIS & RHEUMATISM Vol. 62, No. 9, September 2010, pp 2569–2581. Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (2013). Rheuma in Zahlen – Betroffene Menschen in Deutschland. Zuletzt abgerufen am 11.9.2013 unter: http://dgrh.de/fileadmin/media/Die_DGRH/Presse/Rheuma_in_Zahlen_presse_aktual.pdf. Maiwald, Kerstin; Krämer, Irene; Pfeiff, Brigitte; Schwarting, Andreas (2013). Arzneimittel-Compliance im Rheuma-Versor- gungsnetzwerk ADAPTHERA: Untersuchung der Arzneimittelanwendung bei Patienten mit Rheuma, die mit Methotrexat peroral oder subkutan behandelt werden. Erhältlich über ADAPTHERA. Im Erscheinen. Roeingh, Friedrich (2013). Wendelsheimer „Aesku.Kipp Institut“ setzt mit „ADAPTHERA“ auf Aufklärung und bessere Patien- tenversorgung. In Allgemeine Zeitung Rhein-Main Presse online, vom 09.02.2013. Abgerufen: 12.9.2013. http://www.all- gemeine-zeitung.de/region/alzey/vg-woellstein/wendelsheim/12820333.htm. Schwarting, Andreas; Pfeiff, Brigitte; Amberger, Christopher; Pick, Dorothea; Hesse, Martin; Jendro, Michael Christian; Engels, Jörg; Böttger, Anke; Trautmann, Frank; Kuhn, Christoph; Majdandzic, Jozo; Ziese, Walter; Stadelmann, Marie-Luise; Dinges, Harald; Ultes-Kaiser, Sigrid; Menke, Julia; Hazenbiller, Anna; Bergmann, Gudrun; Nichelmann, Valentina (2013). Das rheu- matologische Versorgungsnetzwerk ADAPTHERA: landesweitflächendeckend, barrierefrei-transsektoral. Erste Ergebnis- se. Erhältlich über ADAPTHERA. Im Erscheinen. Schwarting/Pfeiff (2013). ADAPTHERA: Netzwerk für Individualisierte Rheumatherapie. 11.9.2013. http://gesundheitswirt- schaft.rlp.de/no_cache/massnahmen/landesleitprojekte/?cid=107753&did=89425&sechash=0c317cf5. Schwarting/Pfeiff (2013a). Bewerbung um den MSD Gesundheitspreis 2013. Erhältlich über ADAPTHERA. 11
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