Erfolgsfaktoren in der neuen Arbeitswelt - Hochschule Bochum

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E r fol gsfa kto re n in der n euen Ar b eitswel t                                                   S chwerpunkt

                Erfolgsfaktoren in                                                                                                                               Nicole Böhmer/
                                                                                                                                                                 Heike Schinnenburg/
                                                                                                                                                                 Imke Wargin

                der neuen Arbeitswelt
                Selbstführung und Authentizität

                Welche Empfehlungen geben international erfahrene Manager Berufseinsteigern heute für die
                Karriere? Eine explorative Studie untersuchte, welche Faktoren als entscheidend eingeschätzt
                werden. Dabei zeigte sich, dass beruflicher Erfolg mit einem hohen Anspruch an eine eigene
                aktive Haltung, mit persönlicher Reflexion und der Entwicklung einer stabilen beruflichen
                Identität einhergeht.

                Viele Organisationen sehen sich aufgrund der Ver-                                        ben kontinuierlicher Identitätsentwicklung auch
                änderungen in der heutigen Arbeitswelt mit einem                                         Authentizität einen zentralen Faktor darstellt.
                zunehmenden Bedarf an Wissensarbeitern kon-
                frontiert. Mit ihrem Wissen und ihrer Expertise sind
                gerade diese Mitarbeiter einer der Schlüsselfakto-                                           Entwicklung einer beruflichen Identität
                ren, um der Komplexität und Schnelllebigkeit so-
                wie dem stetigen digitalen Fortschritt zu begeg-                                         Sinn und die Freude an beruflichen Tätigkeiten so-
                nen. Die Herausforderung besteht darin, diese an-                                        wie der Ausdruck der eigenen Persönlichkeit im Be-
                spruchsvollen und am Arbeitsmarkt begehrten                                              ruf rücken für Mitarbeiter heutzutage verstärkt in
                Wissensarbeiter, die praktischen Herausforderun-                                         den Mittelpunkt. Die Entwicklung eines Bewusst-
                gen mit ihrem Wissen innovativ begegnen, zu füh-                                         seins für die eigene Identität wird auch im Zuge der
                ren. Vor allem international erfahrene Mitarbeiter                                       neuen Arbeitswelten zunehmend relevant.3 Bei der
                haben es leicht, in ein anderes Unternehmen zu                                           Suche nach der eigenen Identität wird dabei den
                wechseln, denn sie verfügen über ein spezielles                                          Fragen »wer bin ich« und »wofür stehe ich« nachge-
                Know-how der Länder, in denen sie gearbeitet ha-                                         gangen, wobei Identitäten je nach Situation und
                ben, über interkulturelle Fähigkeiten, ein internati-                                    Blickwinkel variieren können.4 Die berufliche Iden-
                onales Netzwerk sowie Erfahrung mit Mobilität.                                           tität setzt sich dabei bildlich gesprochen wie ein
                Damit bringen sie zusammen mit funktionsbezoge-                                          Puzzle aus den Werten, Vorstellungen, Motiven und
                nen oder technischen Kompetenzen in global agie-                                         Erwartungen eines Arbeitnehmers zusammen (vgl.
                renden Unternehmen wertvolle Expertise ein und                                           Abb. 1).5 Charakteristisch ist, dass sich Identitäten
                sind in ihren Spezialgebieten den eigenen Füh-                                           im Laufe der Zeit weiterentwickeln: Im Prozess kon-
                rungskräften häufig inhaltlich überlegen. Füh-                                           tinuierlicher Identitätsentwicklung wird vom Indivi-
                rungskräfte rutschen so in eine »gärtnerähnliche«                                        duum immer wieder eine Passung zwischen dem
                Rolle, in der sie förderliche Rahmenbedingungen                                          eigenen Inneren und dem Wirken und Verhalten
                schaffen, um diesen Wissensarbeitern Raum zur                                            nach außen aufgebaut.6
                Entfaltung und Weiterentwicklung ihrer Kompeten-                                            Die berufliche Identität bildet dabei zugleich die
                zen zu geben.1 Durch diese Freiräume sollen glei-                                        Basis für authentisches Handeln im Beruf. Denn
                chermaßen die Produktivität und die Mitarbeiter-                                         Authentizität zeigt sich, wenn Mitarbeiter nach den
                zufriedenheit sichergestellt werden. Als Ergebnis                                        eigenen Werten und Überzeugungen handeln und
                erhoffen sich Organisationen zudem eine stärkere                                         sich dies im Handeln nach außen, beispielsweise
                Bindung wichtiger Mitarbeiter.2                                                          gegenüber Geschäftspartnern oder Kollegen, spie-
                   Doch was erwarten Manager mit internationaler                                         gelt.7 Je authentischer ein Mitarbeiter in der eige-
                Erfahrung in heutigen Organisationen konkret? Hier                                       nen Tätigkeit ist, desto mehr entspricht dies sei-
                setzt die vorliegende Studie an und zeigt, dass ne-                                      nem Inneren und desto weniger spielt er eine ihm

                02/2020 (89. Jg.), Seite 73–78                                                                                                                                 zfo | 73
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S chwerpunkt                                     E xp e r te n – H e rausforder un g für die Führ un g

                                                        widerstrebende Rolle im Beruf. Forschungen zei-                             ten und Wünschen – zu einer Entfernung vom ei-
                                                        gen, dass der Faktor Authentizität in der Beschäfti-                        gentlichen Selbst und damit zu geringerer Authenti-
                                                        gung mit fortschreitendem Alter und zunehmender                             zität führen.11 Positiv kann Authentizität hingegen
                                                        Berufserfahrung an Bedeutung gewinnt.8 Authenti-                            durch kontinuierliches Lernen und Entwickeln, ei-
                                                        zität wird dabei eine Doppelrolle zugesprochen –                            nen hohen Grad an Autonomie und durch die Unter-
                                                        zum einen wird durch sie das wahre Selbst eines                             stützung von Führungskräften und Kollegen beein-
                                                        Individuums ausgedrückt, zum anderen ist sie eine                           flusst werden.12 Abbildung 1 fasst die Zusammen-
                                                        Form der kontinuierlichen Identitätsentwicklung                             hänge zwischen beruflicher Identität und Authenti-
                                                        und damit auch ein relevanter Faktor für die Aus-                           zität in der Beschäftigung zusammen und veran-
                                                        prägung der beruflichen Identität.9                                         schaulicht zudem deren positive Ergebnisse.
                                                                                                                                       Mitarbeiter, die in ihrer Tätigkeit den eigenen
                                                          Je authentischer ein Mitarbeiter in seiner Tätig­                         Werten und Wünschen folgen, haben mehr Spaß an
                                                          keit ist, desto stärker prägt dies im positiven                           dem, was sie tun, denn sie gehen ihrer Leiden-
                                                          Sinne seine berufliche Identität.                                         schaft nach und streben danach, sie selbst sein zu
                                                                                                                                    können. Sie sind motivierter13 und weisen damit
                                                        Authentizität zeigt sich in den folgenden Aspekten:                         einhergehend eine höhere Arbeitszufriedenheit
                                                        • sich selbst kennen: Bildung eines klaren Be-                              auf.14 Dies fördert ihre Leistungsfähigkeit und trägt
                                                          wusstseins für sich selbst und dies deutlich spü-                         zu einem erhöhten Wohlbefinden bei, was sowohl
                                                          ren                                                                       für die Experten selbst als auch die Organisation
                                                        • sich selbst treu bleiben: konsistentes Handeln                            positiv ist.15
                                                          nach den eigenen Werten, Stärken und Wün-                                    Gerade in Zeiten ständiger Veränderungen ge-
                                                          schen gegenüber anderen                                                   winnt das Bewusstsein über die eigene Identität
                                                        • geringen sozialen Einfluss zulassen: Unabhän-                             und ein authentisches Berufsleben stärker an Be-
                                                          gigkeit beim Treffen von Entscheidungen, denn                             deutung. Denn durch zahlreiche Einflüsse und Um-
                                                          Erwartungshaltungen anderer können dem Mit-                               brüche kann es in der schnelllebigen Arbeitswelt
                                                          arbeiter vermitteln, sich anpassen und damit                              leicht zu einer Entfremdung von den eigenen Wer-
                                                          verändern zu müssen10                                                     ten kommen. Mit wachsender Bedeutung von Au-
                                                                                                                                    thentizität gewinnt auch der subjektive Karriereer-
       Abb. 1 Zusammenhang                              Insbesondere die soziale Beeinflussung bei Ent-                             folg, die persönliche Zufriedenheit mit dem Werde-
       von beruflicher Identität                        scheidungen durch Erwartungshaltungen anderer                               gang, im Vergleich zum objektiven Erfolg durch ei-
       und Authentizität                                Personen oder des Unternehmens kann – bei einer                             nen hierarchischen Aufstieg oder Einkommenszu-
       in der Beschäftigung                             wahrgenommenen Diskrepanz zu den eigenen Wer-                               wachs an Relevanz.

                                                                                                                                      Karrieretipps international berufs-
                                                         Berufliche Identität
                                                          für authentisches
                                                                                                                                      erfahrener Manager
                                                               Handeln                          Sich selbst           Sich selbst
                                                                                                   treu                 kennen      Was ist aus Sicht von international berufserfahre-
                                                                                                  bleiben
                                                                                                                                    nen Managern in der heutigen Arbeitswelt aus-
                                                                                                                                    schlaggebend für eine erfolgreiche Karriere? Im
                                                           Authentisches                                   Geringer                 Folgenden werden die Ergebnisse einer explorati-
                                                                                                           sozialer
                                                         Handeln entwickelt                                                         ven Studie vorgestellt, in der diese Gruppe nach
                                                         berufliche Identität                               Einfluss
                                                                                                                                    ihren drei zentralen Tipps für eine erfolgreiche Kar-
                                                                                                                                    riere befragt wurde. Abbildung 2 gibt einen Über-
                 Berufliche Identität                                                               Authentizität in der
                                                                                                      Beschäftigung                 blick über die am häufigsten genannten Karriere-
                                                                                                                                    tipps. Die Tipps sind mit Beispielaussagen illust-
                                                                                                                                    riert und in zehn Kategorien gegliedert. Kristallisa-
                                                                                                                                    tionspunkte sind der Aufbau einer beruflichen
                                                            Ergebnisse                                                              Identität, Authentizität und eine aktive Grundhal-
                  Motivation                              kontinuierlicher                              Wohlbefinden                tung.
                                                        Identitätsarbeit und                                                           Für die Befragten ist es zentral, ein Bewusstsein
                                                           Authentizität                                                            für sich selbst zu entwickeln. Insbesondere in Be-
                                                                                                                                    zug auf die Entwicklung einer klaren beruflichen
                          Arbeitszufriedenheit                                              Leistungsfähigkeit                      Identität tritt dabei das Bewusstsein für die eige-
                                                                                                                                    nen Werte, Fähigkeiten und Wünsche in den Vorder-
                                                                                                                                    grund:

       74 | zfo                                                                                                                                                                  02/2020

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E r fol gsfa kto re n in der n euen Ar b eitswel t                                                                  S chwerpunkt

                                       Kategorie                                Summe                                        Typische Aussagen
                                                                             der Aussagen

                                                                                                 »Nein, ich würde tatsächlich fragen, was ist dir wichtig im Leben und
                                              Bewusstsein für
                                                                             15                  welche Werte sind dir wichtig und welche Freiheiten sind dir wichtig.«
                                              sich selbst entwickeln
                 Berufliche Identität                                                            (Gf10)16
                 entwickeln
                                              Leidenschaft
                                                                             14                  »(…) wofür brennst du?« (Gf10)
                                              entwickeln

                                              Sich selbst                                        »(…) aber sei du selbst. Ich glaube, das kann unheimlich helfen. Dann ist
                                                                             5
                                              treu bleiben                                       man auch erfolgreich (…)« (Gf9)

                                                                                                 »Ich finde es sehr wichtig, dass, dass man sich selbst – kennt, also dieses,
                                              Sich selbst kennen             12
                                                                                                 dieses, genau, also – dass man weiß, wer man ist (…)« (Gm19)

                 Authentisch sein                                                                »Ich würde sagen, zunächst einmal, hm, das machen, was man möchte.
                                              Unabhängigkeit
                                                                             6                   Und nicht das, was man denkt, machen zu müssen, weil vielleicht andere
                                              bei Entscheidungen
                                                                                                 Leute das von einem erwarten.« (Gf7)

                                                                                                 »(…) je höher es geht, desto mehr muss man sich bewusst werden, ist das
                                              Objektiver Erfolg
                                                                             7                   was für einen? Auch wenn die Anreize verlockend sind und die Trauben
                                              ist relativ
                                                                                                 irgendwie schon da hängen, braucht man nicht immer zugreifen.« (Gm6)

                                                                                                 »(…) auch mal Dinge zu wagen, wo man vielleicht gedacht hat, man
                                              Mutig und offen sein           12                  könnte es nicht oder es ist nichts für einen, also einfach mal probieren und
                                                                                                 wagen.« (Gf13)

                                              Sichtbar werden                12                  »(…) eher auffallen als wegducken.« (Gm8)

                 Aktiv sein                                                                      »Also es gab immer eine Art Vertrauensvorschuss, man traut jemandem
                                              Mit Leistung                                       das zu oder mir das zu, eine Aufgabe zu erledigen. Und diesen Vertrauens-
                                                                             7
                                              überzeugen                                         vorschuss muss man natürlich rechtfertigen und das muss man sich erst
                                                                                                 mal erarbeiten.« (Gm17)
                                                                                                                                                                                Abb. 2 Karrieretipps
                                                                                                 »Mit wem müsste ich sprechen, wenn ich da hinwill. Mit wem sollte ich          der Interviewpartner
                                              Netzwerken                     6
                                                                                                 Kontakt halten (…)« (Gf14)
                                                                                                                                                                                für Berufseinsteiger

                »(…) dass man weiß, wer man ist, was einen moti-                                         handeln, ist es dabei notwendig, sich selbst treu zu
                viert und was, was Stärken und Schwächen sind,                                           bleiben:
                Eigenbild, Fremdbild, (…) und jeder ist anders und
                jeder muss das für sich selbst definieren und für                                        »(…) ich finde es ganz wichtig, dass man versucht,
                sich selbst herausfinden.« (Gm19)                                                        bei sich zu bleiben, also nicht anders zu werden, als
                                                                                                         es wirklich, ja, seinen Überzeugungen entspricht,
                  Offenheit und Mut, aber auch ein                                                       denn für mich kann ich sagen, zahlt sich das am En-
                  Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten                                                de des Tages nicht aus, (…)« (Gf13)
                  tragen zur Identitätsentwicklung bei.
                                                                                                         Zentral ist es dabei auch, die eigenen Entscheidun-
                Die Entwicklung der Identität entsteht dabei durch                                       gen unabhängig von anderen zu treffen, sich durch
                eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit neu-                                         Beeinflussungen nicht verändern zu lassen und
                en Chancen und die Reflexion eigener Wünsche.                                            sich so nicht von seinen eigenen Werten, seiner
                Wie die Interviewpartner verdeutlichen, können da-                                       Leidenschaft und damit auch nicht von sich selbst
                bei Offenheit und Mut, neue Schritte zu wagen, hel-                                      zu entfernen:
                fen, um die Identitätsentwicklung voranzutreiben:
                                                                                                         »(…) aber ich finde ganz wichtig, sich da nicht in
                »Also, versucht doch wirklich was zu finden, was ihr                                     was reinreden zu lassen, auch nicht selbst zu ver-
                wirklich wollt. Und das kann man eigentlich nur fin-                                     biegen, also bei sich bleiben« (Gm6)
                den, indem man Dinge ausprobiert.« (Gf16)
                                                                                                         Hierbei wird deutlich, dass es in hohem Maße um
                Neben dem Bewusstsein für das individuelle Selbst-                                       Selbstführung geht, da so aktiv die eigenen Ziele
                bild ist die Leidenschaft für die berufliche Tätigkeit                                   angestrebt werden können. Auch Flexibilität ist für
                ein weiterer zentraler Tipp. Diese Leidenschaft in                                       die Identitätsentwicklung notwendig. Wie fünf der
                der eigenen Tätigkeit entwickelt sich dabei durch                                        Manager verdeutlichen, ist es zwar relevant, einen
                die Klarheit über sich selbst und das Berufsleben                                        Plan für das eigene Leben zu haben, jedoch auch,
                nach diesen Werten. Um möglichst authentisch zu                                          sich nicht strikt an diesen zu klammern, sondern

                02/2020                                                                                                                                                                          zfo | 75
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S chwerpunkt                                     E xp e r te n – H e rausforder un g für die Führ un g

                                                        offen und neugierig zu sein, um sich selbst zu fin-           soll. Wie soll es weitergehen und das dann selbst
                                                        den. Aus dieser kontinuierlichen Weiterentwick-               positiv angehen.« (Gf16)
                                                        lung entsteht aus Sicht der Befragten Spaß und
                                                        daraus resultiert auch eine erfolgreiche Karriere:            In ihren Aussagen zeigen die Manager dabei auf,
                                                                                                                      dass aus ihrer heutigen Sicht rückblickend kein
                                                        »(…) sondern mich drauf konzentrieren, wer bin ich,           nachhaltiger Erfolg entstehen kann, wenn ein Indi-
                                                        wo bin ich gut drin, wo bin ich nicht so gut drin, was        viduum nicht eigenständig agiert und authentisch
                                                        macht mir Spaß, (…) von innen heraus – sich über-             ist. Sie raten dabei sogar davon ab, für einen objek-
                                                        legen – unabhängig davon, was das Umfeld sagt,                tiven Karriereerfolg wie Macht oder Geld auf Au-
                                                        für sich selbst zu erkennen halt, okay, das, das will         thentizität zu verzichten:
                                                        ich machen, darauf hätte ich Bock. Und das dann
                                                        auch zu machen. Und dann wird man auch gut drin.              »(…) bei seinen Werten einfach auch zu bleiben,
                                                        Und dann hat man auch Spaß dran. Und dann wird                sich nicht für Geld zu verkaufen und zu verstellen.«
                                                        man auch entsprechend seine Karriere machen                   (Gf13)
                                                        (…)« (Gm19)
                                                                                                                      Für international berufserfahrene Manager in heuti-
                                                        Auch raten die Interviewpartner dazu, auf sich                gen Organisationen ist somit ausschlaggebend,
                                                        selbst im Unternehmen durch herausragende Leis-               durch authentisches Handeln die eigene berufliche
                                                        tungen aufmerksam zu machen, sichtbar zu werden               Identität zu entwickeln und sich so selbst treu zu
                                                        und über den Tellerrand zu schauen anstatt unter-             bleiben. Dadurch entstehen für sie Spaß an der Ar-
                                                        zugehen. Hierbei gilt es auch, Netzwerke aufzubau-            beit und langfristiger Karriereerfolg. Weiter geför-
                                                        en und zu pflegen und dabei zu zeigen, was einem              dert werden kann diese Entwicklung aus Sicht der
                                                        selbst wichtig ist:                                           Interviewpartner dabei durch kontinuierliches Ler-
                                                                                                                      nen und Entwickeln der eigenen Fähigkeiten und
                                                        »(…) kommuniziert das auch im Unternehmen. Sagt               ein gutes Durchhaltevermögen. Rückblickend hal-
                                                        auch, was ihr wollt. In welche Richtung es gehen              ten die Befragten es für sinnvoll, auf Teile des ob-
                                                                                                                      jektiven Karriereerfolgs zu verzichten. Sie verwei-
                                                                                                                      sen auf die Relevanz unabhängiger Entscheidun-
               Studiendesign                                                                                          gen, denn rückblickend haben sie für sich gute
           In einer qualitativen Studie wurden deutsche Manager mit internationaler                                   Entscheidungen getroffen, wenn diese auf den ei-
           Erfahrung aufbauend auf ihren individuellen Karrierewegen unter anderem                                    genen Werten und Leidenschaften und nicht auf
           gefragt, welche drei Karrieretipps sie Berufseinsteigern aus heutiger Sicht für                            Erwartungen von außen basierten. Damit verlieren
           eine erfolgreiche Karriere mitgeben würden. Diese Expertentipps beinhalten                                 traditionelle »Karriereleitern«, bei denen die einzig
           »lessons learned« aus den eigenen Erfahrungen verbunden mit dem individu-                                  mögliche Richtung »nach oben« ist und das Ableh-
           ellen Blick der Interviewpartner auf die heutigen Generationen. Mittels eines                              nen einer hierarchisch höheren Position negativ
           Schneeballprinzips wurden 26 Teilnehmer für leitfadengestützte, teilnarrative                              ausgelegt wird, teilweise ihren Reiz. Förderlich sind
           Interviews gewonnen. Die Interviews wurden persönlich, per Telefon oder per                                offene und flexible Karrierewege, die nicht festge-
           Videotelefonie von Februar 2015 bis Oktober 2016 geführt. Die transkribierten                              legt, sondern veränderbar sind und den Experten
           Interviews wurden mithilfe des Datenanalyseprogramms MAXQDA einer                                          Freiräume lassen. Es zeigt sich eine gute Passung
           inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Im An-                                 zu der in heutigen Unternehmen oftmals gewünsch-
           schluss daran erfolgten eine deduktiv-induktive Kategorienbildung und                                      ten unternehmerischen Grundhaltung, die Eigenin-
           Anwendung. Die befragten Experten gehören unterschiedlichen Branchen, z. B.                                itiative und -verantwortung einschließt.
           Automotive, Beratung, Handel, Technologie, und unterschiedlichen Funktions-
           bereichen, z. B. HR, Marketing, Sales und General Management, an. Im Schnitt
                                                                                                                       Erfolgreiche Manager raten davon ab,
           verfügten die Befragten über 16 Jahre Berufserfahrung und wiesen im Durch-
                                                                                                                       zugunsten von Macht oder Geld auf Authen­
           schnitt ein Alter von 42 Jahren auf. Beide Geschlechter waren in etwa gleich
                                                                                                                       tizität zu verzichten.
           stark vertreten (14 Frauen/12 Männer).
           Mit dem gewählten Forschungsdesign sind Verzerrungen, z. B. durch das
           Sensemaking in der Retrospektive, verbunden, die jedoch in Kauf genommen
                                                                                                                        Implikationen für Führungskräfte
           werden. Zudem kann die Bereitschaft, über die eigene Karriere zu sprechen,
           möglicherweise zu einer Selbstselektion und einer damit verbundenen
                                                                                                                      Führungskräfte sind durch diese Erkenntnisse auf
           eingeschränkten Generalisierbarkeit geführt haben. Daher ist anzunehmen,
                                                                                                                      neue Art gefordert. Es gilt, den Wissensarbeitern
           dass vor allem Teilnehmer, die ihren eigenen Karriereweg als erfolgreich
           bewerten, sich für ein Interview bereit erklärten und beruflich unzufriedene                               Freiraum, Autonomie und Individualität einzuräu-
           Menschen dagegen eher nicht teilnahmen. Mittels weiterführender quantitati-                                men und sie so zu einer selbstständigen und unab-
           ver Längsschnittstudien könnte diesen Verzerrungen entgegengewirkt werden.                                 hängigen Arbeitsweise zu befähigen. Ein höherer
                                                                                                                      Grad an Selbstführung beinhaltet das Setzen eige-

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E r fol gsfa kto re n in der n euen Ar b eitswel t                                                        S chwerpunkt

                ner Ziele und das Finden intrinsisch motivierender
                Aufgaben ebenso wie den produktiven Umgang mit                                                   Impulse für die Praxis
                weniger motivierenden Aspekten, die trotzdem er-                                             • Für Wissensarbeiter entstehen Spaß an der Arbeit und Erfolg durch Aktivität,
                ledigt werden müssen. Führungskräfte können ihre                                               eine kontinuierliche Identitätsentwicklung und die Authentizität in ihren
                Mitarbeiter unterstützen, indem sie deren Selbst-                                              Tätigkeiten.
                vertrauen, eine eigenständige Zielsetzung oder ei-                                           • Der subjektive Karriereerfolg gewinnt gegenüber objektiven Karriere-
                ne erhöhte Kompetenz zur Problemlösung fördern.17                                              indikatoren wie Einkommen oder Führungsspanne an Bedeutung.
                Eine gute Selbstführungskompetenz trägt nicht nur                                            • Durch eine Förderung der Selbstführung ihrer Mitarbeiter können Führungs-
                zur beruflichen Arbeitsleistung in zunehmend kom-                                              kräfte motivieren und so wichtige Leistungsträger an ihre Organisation
                plexeren Organisationen bei, sondern auch zu                                                   binden.
                Wohlbefinden und Gesundheit.18                                                               • Bereits Berufseinsteiger sollten ihre eigene Identitätsentwicklung aktiv vor-
                   Die Entwicklung zur Selbstführung kann dabei                                                antreiben und bei Karriereentscheidungen den eigenen Werten treu bleiben.
                durch regelmäßige Führungsgespräche unterstützt
                werden. Für Führungskräfte gilt es, eine Vertrauens-
                                                                                                             Führungskräfte werden quasi zu Karriere­
                beziehung mit ihren Wissensarbeitern aufzubauen,
                                                                                                             beratern, die maßgeblich die Identitäts­
                um durch glaubwürdiges Feedback zu spiegeln,
                                                                                                             entwicklung ihrer Mitarbeiter unterstützen.
                welche Stärken, Leistungen und Außenwirkung sie
                wahrnehmen und welche Karriereschritte mögliche                                          Die Studie zeigt, dass international erfolgreiche
                Optionen für die Zukunft darstellen. Führungskräfte                                      Manager viele Voraussetzungen für eine gesunde
                werden so zu Karriereberatern und unterstützen                                           Entwicklung auch in schnelllebigen Zeiten und in
                maßgeblich die Identitätsentwicklung ihrer Mitar-                                        agilen Strukturen mitbringen. Gleichzeitig wird es
                beiter. In dieser Rolle können Führungskräfte ihre                                       zur neuen Rolle der Führungskräfte, die positive
                Mitarbeiter ermutigen, an die eigenen Fähigkeiten                                        Haltung zur Identitätsentwicklung und Selbstfüh-
                zur Problemlösung zu glauben, und durch Em-                                              rung zu erhalten und weiter zu fördern.
                powerment, z. B. das vertrauensvolle Übertragen
                von Verantwortungsbereichen, ihr selbstständiges                                         Anmerkungen
                Handeln weiter fördern. Es gilt dabei, mit Blick auf                                     1 Rehm, S. et al.: Wissensarbeit in modernen Arbeits-
                                                                                                           welten: Ein Zukunftsbild. In: gfwm Themen, 2013, H. 4,
                die Mitarbeiterpotenziale und Interessen durch he-
                                                                                                           S. 8–15.
                rausfordernde Aufgaben sowie ergänzende Ent-                                             2 Kels, P./Kaudela-Baum, S.: Führungsbeziehung in
                wicklungsangebote Mitarbeiter dabei zu unterstüt-                                          Expertenorganisationen gestalten. Navigation zwi-
                zen, die eigenen Ziele und Werte zu kennen und                                             schen Selbst- und Organisationsbezug. In: Kels, S./
                damit ihr Selbstbild zu schärfen. Diese unterstüt-                                         Kaudela-Baum, S. (Hrsg.): Experten führen. Modelle,
                                                                                                           Ideen und Praktiken für die Organisations- und
                zende, wertschätzende und gleichzeitig konstruk-
                                                                                                           Führungsentwicklung, Wiesbaden 2019, S. 17–30.
                tiv-fordernde Haltung fördert Selbstverantwortung,                                       3 Hackl, B. et al.: New Work: Auf dem Weg zur neuen
                Commitment und einen individuell passenden Kar-                                            Arbeitswelt, Wiesbaden 2017.
                riereerfolg.

                       Zusammenfassung                                                                       Abstract
                   Eine beruflich erfolgreiche und zufriedenstellende Karri-                             A professionally successful and satisfying career is main-
                   ere ist vor allem auf drei Faktoren zurückzuführen: eine                              ly due to three factors: an independently developed pro-
                   eigenständig erarbeitete berufliche Identität mit Leiden-                             fessional identity with passion for the chosen career
                   schaft für den gewählten Weg, Authentizität einschließ-                               path, authenticity including honest reflection on one’s
                   lich einer ehrlichen Reflexion eigener Stärken und einer                              own strengths and inner independence, and the willing-
                   inneren Unabhängigkeit sowie ein aktives Handeln mit                                  ness to stand out through performance and courage in
                   der Bereitschaft, sich durch Leistung und Mut abzuhe-                                 everyday professional life. These are the conclusions and
                   ben. Zu diesen Erkenntnissen und Karriereempfehlungen                                 career recommendations for the next generation deriving
                   für die nächste Generation kommt eine qualitative Stu-                                from a qualitative study. In the study international expe-
                   die, in der international erfahrene Manager zu ihrem ei-                              rienced managers were asked about their career paths.
                   genen Karriereweg befragt wurden. Für die Praxis bedeu-                               Consequently, leaders need to consider the increasing
                   tet dies, dass Führungskräfte gefordert sind, die höhere                              importance of authenticity and subjective career success
                   Bedeutung von Authentizität und subjektivem Karriereer-                               in their leadership style. In line with the requirements of
                   folg in der Führung zu berücksichtigen. Passend zu den                                agile organizations in today’s world, the individual sup-
                   Anforderungen zunehmend agiler Organisationen in der                                  port of leaders should be used to enable development
                   heutigen Zeit geht es darum, mit persönlicher Unterstüt-                              opportunities of professionals through challenges, and
                   zung Entwicklungschancen über berufliche Herausforde-                                 thus, promote the self-management of employees.
                   rungen zu ermöglichen und damit die Selbstführung von
                   Mitarbeitern zu fördern.

                02/2020                                                                                                                                                               zfo | 77
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S chwerpunkt                                     E xp e r te n – H e rausforder un g für die Führ un g

                                                        4 Brown, A.: Identities and Identity Work in Organiza-                      of the Authenticity Scale. In: Journal of Counseling Psy-
                                                           tions. In: International Journal of Management Reviews,                  chology, 55. Jg., 2008, H. 3, S. 385–399.
                                                           17. Jg., 2015, H. 1, S. 20–40.                                      11   Wood, A. et al., a. a. O.
                                                        5 Ibarra, H.: Provisional Selves. Experimenting with                   12   Metin, U. B. et al.: Authenticity at work. A job-demands
                                                           Image and Identity in Professional Adaptation. In:                       resources perspective. In: Journal of Management Psy-
                                                           Administrative Science Quarterly, 44. Jg., 1999, H. 4,                   chology, 31. Jg., 2016, H. 2, S. 483–499.
                                                           S. 764–791; Schein, E. H.: Career Dynamics: Matching                13   Van den Bosch, R./Taris, T.: Authenticity at Work. Its
                                                           individual and organizational needs, London 1978.                        Relations With Worker Motivation and Well-being. In:
                                                        6 Brown, A., a. a. O.                                                       Frontiers in Communication, 3. Jg., 2018, Article 21,
                                                        7 Kernis, M./Goldman, B.: A multicomponent conceptua-                       S. 1–11.
                                                           lization of authenticity. Theory and research. In: Advan-           14   Van den Bosch, R./Taris, T., a. a. O.
                                                           ces in experimental social psychology, 38. Jg., 2006,               15   Metin, U. B. et al., a. a. O.
                                                           S. 283–357.                                                         16   Die Abkürzung für die Interviewpartner beinhaltet die
                                                        8 Mainiero, L./Sullivan, S.: Kaleidoscope careers. An                       Nationalität (G), das Geschlecht (M/W) und die chrono-
                                                           alternate explanation for the »opt-out« revolution. In:                  logische Folge der Interviews (1–26).
                                                           Academy of Management Executive, 19. Jg., 2005, H. 1,               17   Manz, C./Sims, P.: The New SuperLeadership. Leading
                                                           S. 106–123.                                                              others to lead themselves, San Francisco 2001.
                                                        9 Svejenova, S.: »The Path with the Heart«. Creating the               18   Keller, C./Knafla, I.: Selbstführung als zentrale Kompe-
                                                           Authentic Career. In: Journal of Management Studies,                     tenz in digitalen und flexiblen Arbeitswelten. In: Negri,
                                                           42. Jg., 2005, H. 5, S. 947–974.                                         C. (Hrsg.): Führen in der Arbeitswelt 4.0, Berlin 2019,
                                                        10 Wood, A. et al.: The Authentic Personality. A Theoretical                S. 137–153.
                                                           and Empirical Conceptualization and the Development

       Prof. Dr. rer. pol. Nicole Böhmer                                           Prof. Dr. rer. pol. Heike Schinnenburg                   Imke Wargin, B. A.
       Professorin für Betriebswirtschaftslehre,                                   Professorin für Betriebswirtschaftslehre,                Mitarbeiterin Forschungsstelle Karriere
       insbes. Personalmanagement,                                                 insbes. Personalmanagement,                              und Talent Management,
       Hochschule Osnabrück                                                        Hochschule Osnabrück                                     Hochschule Osnabrück
       n.boehmer@hs-osnabrueck.de                                                  h.schinnenburg@hs-osnabrueck.de                          imke.wargin@hs-osnabrueck.de

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