Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick

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Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Alterssicherung in Deutsch-
land seit der Jahrtausend-
wende
Bestandsaufnahme und Ausblick

                                Auftraggeber
                                Gesamtverband der Deut-
                                schen Versicherungswirt-
                                schaft e. V., Berlin

                                Autoren
                                Dr. Oliver Ehrentraut
                                Dr. Stefan Moog
                                Gwendolyn Huschik

                                Freiburg,
                                März 2017
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Das Unternehmen im Überblick

Geschäftsführer
Christian Böllhoff
Präsident des Verwaltungsrates
Dr. Jan Giller
Handelsregisternummer
Berlin HRB 87447 B
Rechtsform
Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht
Gründungsjahr
1959
Tätigkeit
Die Prognos AG berät europaweit Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Auf Basis neutraler Analysen und fundierter Prognosen entwickeln wir praxisnahe Entscheidungs-
grundlagen und Zukunftsstrategien für Unternehmen, öffentliche Auftraggeber sowie internationale
Organisationen.
Arbeitssprachen
Deutsch, Englisch, Französisch
Hauptsitz                                        Weitere Standorte
Prognos AG                                       Prognos AG
Henric Petri-Str. 9                              Goethestr. 85
4010 Basel | Schweiz                             10623 Berlin | Deutschland
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Prognos AG                                       Prognos AG
Domshof 21                                       Science 14 Atrium; Rue de la Science 14b
28195 Bremen | Deutschland                       1040 Brüssel | Belgien
Telefon +49 421 517046-510                       Telefon +32 2808-7209
Telefax +49 421 517046-528                       Telefax +32 2808-8464
Prognos AG                                       Prognos AG
Schwanenmarkt 21                                 Heinrich-von-Stephan-Str. 23
40213 Düsseldorf | Deutschland                   79100 Freiburg | Deutschland
Telefon +49 211 91316-110                        Telefon +49 761 7661164-810
Telefax +49 211 91316-141                        Telefax +49 761 7661164-820
Prognos AG                                       Prognos AG
Nymphenburger Str. 14                            Eberhardstr. 12
80335 München | Deutschland                      70173 Stuttgart | Deutschland
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Internet
info@prognos.com
www.prognos.com
twitter.com/prognos_ag
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Inhalt
1   Einleitung                                                                    1

2   Hintergrund und Ziele der Rentenreformen                                      2
    2.1   Demografische Ausgangslage                                              2
    2.2   Ziele der Rentenreformen                                                3

3   Messung und Bewertung der Zielerreichung                                      7
    3.1   Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung bis 2040               7
          3.1.1   Annahmen und Methodik                                           8
          3.1.2   Ergebnisse                                                      9
          3.1.3   Zwischenfazit                                                  12
    3.2   Individuelle Versorgungsniveaus bis 2040                               12
          3.2.1   Annahmen                                                       13
          3.2.2   Ergebnisse                                                     13
          3.2.3   Zwischenfazit                                                  18
    3.3   Inanspruchnahme und Verbreitung der staatlich geförderten Zusatzvorsorge18
          3.3.1                                                   r-             19
          3.3.2   Betriebliche Altersversorgung                                  21
          3.3.3   Verbreitung der geförderten Zusatzvorsorge insgesamt           24
          3.3.4   Zwischenfazit                                                  25
    3.4   Fazit und Gesamtbewertung                                              26

4   Handlungsoptionen                                                            27

5   Literaturverzeichnis                                                         33

                                                                                   I
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:    Prognostizierte Entwicklung der Altersstruktur der Bevölkerung
                Deutschlands, 2002-2040                                               2

Abbildung 2:    Altersaufbau der Bevölkerung Deutschlands, 2015 und 2040              3

Abbildung 3:    Rentenzugangsalter und fernere Lebenserwartung von Männern im
                Alter von 65 Jahren, 1960-2012                                        7

Abbildung 4:    Entwicklung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung
                in unterschiedlichen Reformszenarien, 2000-2040                    10

Abbildung 5:    Entwicklung des Nettorentenniveaus vor Steuern in unterschiedlichen
                Reformszenarien, 2000-2040                                          12

Abbildung 6:    Nettorenten- und Gesamtversorgungsniveaus, 2030 und 2040             14

Abbildung 7:    Reformbedingte Versorgungslücken und Leistungshöhe der
                geförderten Zusatzvorsorge beim Eckrentner, 2030 und 2040            15

Abbildung 8:    Nettorenten und geförderte Zusatzvorsorge für ausgewählte
                Erwerbsbiografien, 2030 und 2040                                     16

Abbildung 9:    Deckelung der Ersparnis in Riester-Verträgen auf 2.100 Euro bzw.
                in bAV-Verträgen auf vier Prozent des Einkommens                     18

Abbildung 10:   Entwicklung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge,
                2002-2016                                                            19

Abbildung 11:   Verbreitung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge nach
                sozio-demografischen Merkmalen, 2013                                 20

Abbildung 12:   Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung, 2001-2015            22

Abbildung 13:   Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nach sozio-
                demografischen Merkmalen, 2013                                       23

Abbildung 14:   Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nach
                Unternehmensgröße, 2011                                              23

Abbildung 15:   Altersvorsorge in Deutschland, 2013                                  24

                                                                                      II
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:   Rentenreformen der letzten 25 Jahre                            4

Tabelle 2:   Zentrale Größen auf einen Blick                                8

Tabelle 3:   Annahmen zur Vorausberechnung der individuellen
             Sicherungsniveaus                                             13

Tabelle 4:   Nettorenten und geförderte Zusatzvorsorge für ausgewählte
             Erwerbsbiografien (in Euro)                                   16

Tabelle 5:   Zulageempfänger nach Vollständigkeit der Zulagen, 2011-2013   21

Tabelle 6:   Verbreitung der freiwilligen ergänzenden Altersvorsorge im
             internationalen Vergleich, 2013                               26

                                                                           III
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
1       Einleitung
Mit der Verabschiedung der als Riester-Reform bekannt gewordenen Rentenreform des
Jahres 2001 leitete der Gesetzgeber eine grundlegende Umstellung des deutschen Al-
terssicherungssystems ein.1 Durch eine Neufassung der Rentenanpassungsformel wurde
von der Ausrichtung der Beitragssätze an einem gewünschten Leistungsniveau Abschied
genommen und stattdessen die Ausrichtung des Leistungsniveaus an einer bestimmten
Beitragssatzobergrenze beschlossen.2 Mit dem auf die langfristige Stabilisierung der Bei-
tragssatzentwicklung abzielenden Wechsel hin zu einer einnahmebezogenen Ausgaben-
politik veränderte sich auch das Leistungsziel in der gesetzlichen Rentenversicherung
(GRV): Die Funktion der Lebensstandardsicherung wurde durch die Funktion der Basissi-
cherung abgelöst.3 Gleichzeitig setzte der Gesetzgeber mit der Einführung einer staatli-
chen Förderung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge Anreize zum Aufbau einer
zusätzlichen Quelle für (kapitalgedeckte) Alterseinkommen, mit der resultierende Versor-
gungslücken geschlossen werden sollen. Durch die Stärkung der zweiten und dritten
Säule sollte eine systematische Teilfundierung des deutschen Alterssicherungssystems
erfolgen.

Die Neuausrichtung des Alterssicherungssystems, die mit der Rentenreform des Jahres
2001 eingeleitet und mit der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors im Jahr 2004 sowie
dem Beschluss im Jahr 2007 zur schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze auf per-
spektivisch 67 Jahre weiter vorangetrieben wurde, war in den vergangenen Jahren wie-
derholt Gegenstand öffentlicher und politischer Diskussionen. Im Zentrum der jüngsten
Debatte steht dabei die Kritik, dass das gegenwärtige Drei-Säulen-System nicht hinrei-
chend vor Altersarmut schütze. Die staatlich geförderte Zusatzvorsorge sei zu unrentabel
und zu gering verbreitet, um die Senkung des Leistungsniveaus in der GRV kompensie-
ren zu können. Von verschiedenen Seiten wurden vor diesem Hintergrund Rufe nach ei-
ner Stabilisierung des Leistungsniveaus in der GRV und einer Rückabwicklung der Ren-
tenreformen laut.4

Die vorliegende Studie zieht vor dem Hintergrund der Diskussionen eine
zu den Folgen der Rentenreformen seit der Jahrtausendwende. Sie ist folgendermaßen
aufgebaut: Kapitel 2 erläutert Hintergrund und Ziele der Reformen. Darauf aufbauend un-
tersucht Kapitel 3, inwiefern die mit den Reformen verbundenen Ziele bisher und künftig
erreicht werden. Zu diesem Zweck erfolgen eine modellgestützte Vorausberechnung der
zukünftigen Entwicklung von Beitragssatz und Leistungsniveau in der GRV, eine Voraus-
berechnung der zukünftigen Gesamtversorgungsniveaus des Standardrentners und aus-
gewählter Erwerbsbiografien sowie eine empirische Analyse der bisherigen Inanspruch-
nahme und Verbreitung der staatlich geförderten Zusatzvorsorge. Abschließend diskutiert

1   Vgl. Schmähl (2011).
2   Vgl. Riedmüller/Willert (2006).
3   Vgl. Janda et al. (2014).
4   Die gegenwärtige Debatte um die Zukunftsfähigkeit des Alterssicherungssystems in Deutschland wurde im April 2016
    von einem Bericht des WDR befeuert. Thema des Berichts war das vermeintliche Legitimationsdefizit des Alterssiche-
    rungssystems angesichts der erwarteten Zunahme von Altersarmut und der vermeintlich geringen Rentabilität und Ver-
    breitung der zusätzlichen Altersvorsorge (WDR 2016). Die Kritik wurde u. a. seitens der Politik (vgl. DIE LINKE in Deut-
    scher Bundestag 2016a sowie Sigmar Gabriel in FAZ 2016), Gewerkschaften (vgl. Verdi-Chef Frank Bsirske in BZ Ber-
    lin 2016) und Wissenschaft (vgl. Fachinger 2016) aufgegriffen und mitunter zum Anlass genommen, eine rentenpoliti-
    sche Kurskorrektur zu fordern.

                                                                                                                           1
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Tabelle 1:        Rentenreformen der letzten 25 Jahre
Jahr     Reform und Inhalte

1992     Rentenreformgesetz 1992
               Kopplung der Rentenanpassung an die Nettolohnentwicklung
               Anhebung der Altersgrenzen
               Abschläge für Frühverrentung
               Neuordnung der rentenrechtlichen Zeiten
1996    Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz 1996
               Anhebung der Altersgrenzen
               Begrenzung der anrechnungsfähigen Zeiten
1999     Rentenreformgesetz 1999
               Einführung des demografischen Faktors
               Höhere Bewertung von Kindererziehungszeiten
1999     Rentenkorrekturgesetz und Haushaltssanierungsgesetz 1999
               Aussetzung des demografischen Faktors
               Bindung der Rentenanpassung an die Inflationsrate
2000     Gesetz zur Reform wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
               Wegfall der Berufsunfähigkeitsrente
               Einführung der zweistufigen Erwerbsminderungsrente
2001     Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG)
               Kopplung der Rentenanpassung an die Bruttolohnentwicklung
                                     -
               Höhere Bewertung von Kindererziehungszeiten
               Reform der Hinterbliebenenrente
2001     Altersvermögensgesetz (AVmG)
               Förderung der privaten Altersvorsorge
               Ausbau der betrieblichen Altersversorgung
2003     Grundsicherungsgesetz (GSiG)
               Grundsicherung im Alter
               Grundsicherung bei Erwerbsminderung
2004     Alterseinkünftegesetz
               Einführung einer Basisrente in der kapitalgedeckten Altersvorsorge
               Übergang zur nachgelagerten Besteuerung der Renten
2004     RV-Nachhaltigkeitsgesetz
               Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors
               Erneute Modifizierung der Rentenanpassung
               Neubewertung von Ausbildungszeiten
               Stufenweise Anhebung der Altersgrenzen
2007     RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz
               Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre bis 2029
               Änderung der Rentenanpassung
2014     RV-Leistungsverbesserungsgesetz
               Höhere Bewertung von Kindererziehungszeiten
               Vorzeitiger abschlagsfreier Rentenbezug für langjährig Versicherte
Quelle: Prognos 2016, eigene Darstellung nach Janda et al. (2014) und Bogedan/Rasner (2008)

                                                                                              4
Alterssicherung in Deutschland seit der Jahrtausendwende - Bestandsaufnahme und Ausblick
Besonders weitreichende Konsequenzen für das deutsche Alterssicherungssystem hatten
dabei die zu Beginn des neuen Jahrtausends verabschiedeten Rentenreformen, darunter
die als Riester-Reform bekannt gewordene Rentenreform des Jahres 2001. Hinter der
Verabschiedung des Altersvermögensergänzungsgesetzes (AVmEG) im Jahr 2001 stand
dabei die Absicht, den demografisch bedingten Anstieg des Beitragssatzes in der gesetzli-
chen Rentenversicherung auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 und 22 Prozent bis zum Jahr
2030 zu begrenzen. Zur Erreichung dieser Zielgrößen wurde eine Modifikation der Ren-
tenanpassungsformel beschlossen, welche mittel- bis langfristig zu einer Absenkung des
Nettorentenniveaus führt und damit die GRV entlastet. Die Modifikation umfasst dabei
zum einen die Koppelung der Rentenanpassung an die Bruttolohnentwicklung und zum
anderen die Aufnahme des sogenannten Altersvorsorge              Riester-Faktor in die
Rentenanpassungsformel. Letzterer sorgt seither dafür, dass die Mehrbelastung der Bei-
tragszahler durch die Aufwendungen für die zusätzliche Altersvorsorge auf die Leistungs-
empfänger gespiegelt wird. Um auch Pflichtversicherten mit niedrigen und mittleren Ein-
kommen die Aufbringung der finanziellen Mittel für eine zusätzliche Altersvorsorge zu er-
           6, verabschiedete der Gesetzgeber gleichzeitig das Altersvermögensgesetz
(AVmG). Mit der darin beschlossenen Einführung einer staatlichen Förderung der freiwilli-
gen kapitalgedeckten Altersvorsorge durch steuerliche Entlastung und Zulagen sollten für
diese Zielgruppe Anreize zur Bildung einer eigenen privaten und/oder betrieblichen Alters-
vorsorge gesetzt werden.7

Staatlich geförderte Zusatzvorsorge: Instrumente und geförderte Gruppen
Der Staat fördert den Aufbau einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge durch die steuerliche Ab-
setzbarkeit von Vorsorgebeiträgen oder durch Zulagen (Grund- und Kinderzulage, Berufseinstei-
gerbonus). Damit setzt er insbesondere für Personen, die Steuern entrichten, Personen mit Kindern
sowie für Berufseinsteiger Anreize zum Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge.
Die steuerliche Förderung gewinnt dabei mit zunehmendem Einkommen an Bedeutung. Unmittelbar
anspruchsberechtigt sind nach § 10a EStG alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sowie Be-
amte, in der GRV pflichtversicherte Selbstständige, Landwirte, Mini-Jobber mit Verzicht auf Versi-
cherungsfreiheit, Kindererziehende sowie Bezieher staatlicher Transferleistungen. Darüber hinaus
sind auch die Ehepartner von unmittelbar förderberechtigten Personen mittelbar förderberechtigt.
Um die volle Förderung zu erhalten, müssen Sparer jährlich vier Prozent ihres Vorjahresbruttoein-
kommens, maximal jedoch 2.100 Euro, in ihren Riester-Vertrag einzahlen. Die Einzahlungen in Ries-
ter-Verträge stammen aus verbeitragten Einkommen, die Auszahlungen sind in der Regel sozialver-
sicherungsfrei.
Zentrales Instrument im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ist die staatliche Förderung
der Entgeltumwandlung. Seit 2002 können sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Teil ihres
Bruttoentgelts bis zu maximal vier Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der GRV
vom Arbeitgeber einbehalten und steuer- und sozialabgabenfrei in eine Anwartschaft auf eine be-
triebliche Altersvorsorge umwandeln lassen. Während die Einzahlungen steuer- und beitragsfrei
sind, unterliegen die Auszahlungen der Steuer- und Beitragspflicht. Die nachgelagerte Verbeitragung
hat zur Folge, dass die Rentenansprüche an die GRV bei Erwerb einer geförderten betrieblichen
Altersvorsorge geringer ausfallen als in einer Situation ohne geförderte betriebliche Altersvorsorge.
Einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung hat jeder sozialversicherungspflichtig Beschäftigte,
wobei der Anspruch für tarifgebundene Arbeitnehmer unter einem Tarifvorbehalt steht.

Das Ziel der Stabilisierung der Beitragssatzentwicklung in der GRV wurde auch in den
nachfolgenden Jahren konsequent weiterverfolgt. Mit der Verabschiedung des RV-

6   Vgl. Deutscher Bundestag (2000).
7   Vgl. Deutscher Bundestag (2000) sowie Riedmüller/Willert (2006) und Schmähl (2011).

                                                                                                   5
Nachhaltigkeitsgesetzes im Jahr 2004 wurde zunächst die Einführung des Nachhaltig-
keitsfaktors in die Rentenanpassungsformel beschlossen. Dieser sorgt seither dafür, dass
ein Anstieg des Verhältnisses von Leistungsempfängern zu Beitragszahlern mit einem
entsprechend niedrigeren Wachstum der Rentenhöhe einhergeht. Damit wird die aus dem
demografischen Wandel resultierende Finanzierungslast gleichmäßiger auf Beitragszahler
und Leistungsempfänger verteilt.8 Als Gegenstück zu den Beitragssatzzielen der Riester-
Reform wurde mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz gleichzeitig eine Niveausicherungsklau-
sel verabschiedet, mit der ein Absinken des Nettorentenniveaus unter ein Mindestsiche-
rungsniveau von 46 Prozent bis zum Jahr 2020 und 43 Prozent bis zum Jahr 2030 verhin-
dert werden soll. Fortgesetzt wurde die beitragssatzorientierte Rentenpolitik mit der Ver-
abschiedung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes und der darin beschlossenen
schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre zwischen 2012 und
2029. Mit der Rente mit 67 soll die weitere Zunahme der Rentenbezugsdauern infolge
der steigenden Lebenserwartung kompensiert werden.9

Erst im Jahr 2014 wurden mit Verabschiedung des Rentenpakets und der darin enthalte-
                                                             ersicherte wieder Maßnahmen
ergriffen, die nicht auf die Stabilisierung des Beitragssatzes, sondern auf die Ausweitung
von Leistungen zielten.

Lebenserwartung, Lebensarbeitszeit und Renteneintritt 10
Wie viele andere entwickelte Volkswirtschaften steht Deutschland vor der Herausforderung, den de-
mografischen Wandel und seine Auswirkungen auf die umlagefinanzierten Sozialsysteme zu gestal-
ten. Die Lebenserwartung bei Geburt ist in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten deutlich
angestiegen; im Durchschnitt Jahr für Jahr um etwa zwölf Wochen. Das durchschnittliche Renten-
zugangsalter ist hingegen bis etwa zum Jahr 2000 deutlich gesunken. Die Gründe dafür lagen in
Fehlanreizen des Rentensystems, welche insbesondere auf die Rentenreform 1972 und die damals
eingeführte flexible Altersrente ohne Abschläge zurückzuführen sind. Zwischenzeitlich haben die
Rentenreformen 1992 und 1997 mit einer stufenweisen Anhebung der Altersgrenzen sowie der Ein-
führung von Rentenabschlägen zu einer Trendumkehr geführt.
Die mittlere fernere Lebenserwartung von 65-Jährigen ist seit Einführung der dynamischen Rente
(1957) durchschnittlich um sechs Jahre (fast sechs Wochen pro Jahr) angestiegen. In der Folge hat
sich die Rentenbezugsdauer drastisch verlängert, von durchschnittlich etwa 13 auf mittlerweile 19
Jahre. Heute liegt das durchschnittliche, tatsächliche Rentenzugangsalter (für Altersrenten) bei etwa
64 Jahren und damit zwei Jahre höher als noch vor 15 Jahren. Trotz dieses Anstiegs wird das ge-
setzliche Renteneintrittsalter damit aber weiterhin unterschritten (Abbildung 3).

8   Er bewirkt im Umkehrschluss aber auch, dass das Wachstum der Renten höher ausfällt, wenn das Verhältnis von Leis-
    tungsempfängern zu Beitragszahlern günstiger ausfällt. Dies war in etwa der Hälfte der letzten Jahre seit Einführung der
    Fall, vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (2015).
9   Vgl. Janda et al. (2014).
10 Vgl. Prognos (2016c).

                                                                                                                          6
Abbildung 3:                    Rentenzugangsalter und fernere Lebenserwartung von Männern im Alter von 65
                                Jahren, 1960-2012

                   68                                                                                             18
                                             Rentenzugangsalter Männer

                                                                                                                       fernere Lebenserwartung in Jahren
                   67                        fernere LEW Männer 65 J.                                             17

                   66                                                                                             16
 Alter in Jahren

                   65                                                                                             15

                   64                                                                                             14

                   63                                                                                             13

                   62                                                                                             12

                   61                                                                                             11

                   60                                                                                             10
                        1960   1965   1970     1975      1980      1985        1990   1995   2000   2005   2010
                                                                        Jahr
Quelle: Prognos 2016 nach Statistisches Bundesamt (2015) und Deutsche Rentenversicherung Bund (2015)

Durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz wird das gesetzliche Rentenzugangsalter im Zeit-
raum von 2012-2029 schrittweise um zwei Jahre erhöht. Dabei ist die Rente mit 67 im Grunde ein
demografischer Faktor für die gestiegene Lebenserwartung. Durch die Anhebung der Altersgrenzen
um zwei Jahre sorgt die Reform dafür, dass die hinzugewonnenen Lebensjahre nicht vollständig im
Ruhestand verbracht werden können, sondern angesichts der angespannten Finanzierungssituation
der GRV und im Sinne eines intergenerativen Lastenausgleichs nur zum Teil. Gemäß den Voraus-
berechnungen des Statistischen Bundesamts ist zu erwarten, dass die Lebenserwartung auch über
das Jahr 2029 hinaus weiter steigen wird, wenngleich sich die Dynamik gegenüber der Vergangen-
heit abschwächt. Für die künftige Rentenbezugsdauer ist vor allem die fernere Lebenserwartung bei
Rentenzugang, also im Alter von etwa 65 Jahren, von Bedeutung. Hier ist in Zukunft mit einem An-
stieg um etwa vier bis sechs Wochen pro Jahr zu rechnen. Entsprechend sollten künftig weitere
Anpassungen des Renteneintrittsalters folgen, um die Stabilität des Rentensystems nicht zu gefähr-
den.
Die Kurzstudie Lebenserwartung, Lebensarbeitszeit und Renteneintritt zeigt, welchen Einfluss die
Wahl des Renteneintrittsalters aus individueller Perspektive für die Renten der Versicherten hat,
welche Wirkungen sich auf dem Arbeitsmarkt ergeben, wie die Finanzierungssituation der Renten-
versicherung langfristig beeinflusst wird und welche Konsequenzen dies für den Staatshaushalt hat.
Dabei stützt sie sich auf aktuell verfügbare Daten und Statistiken sowie auf eigene Modellrechnun-
gen zur wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung.

3                       Messung und Bewertung der Zielerreichung
3.1 Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung bis 2040

Mit den Rentenreformen der Jahre 2001 und 2004 setzte der Gesetzgeber konkrete Ziele
für die Entwicklung von Beitragssatz und Leistungsniveau in der GRV bis zum Jahr 2030
fest. Als Obergrenzen für den Beitragssatz wurden 20 Prozent im Jahr 2020 sowie
22 Prozent im Jahr 2030, als Untergrenzen für das Sicherungsniveau vor Steuern 46 Pro-
zent im Jahr 2020 und 43 Prozent im Jahr 2030 beschlossen. Im folgenden Kapitel wird
mithilfe von modellgestützten Prognosen geprüft, ob die gesteckten Ober- bzw. Unter-
grenzen im veranschlagten Zeitraum eingehalten werden können. Zur Beantwortung der

                                                                                                                                                  7
Frage, wie es um die längerfristige finanzielle Nachhaltigkeit in der GRV steht, werden
Beitragssatz und Sicherungsniveau bis zum Jahr 2040 vorausberechnet. Zudem werden
die Wirkungen der einzelnen Reformen quantifiziert.

3.1.1     Annahmen und Methodik

Zur Vorausberechnung von Beitragssatz und Leistungsniveau müssen Annahmen zur
Entwicklung von deren zentralen Bestimmungsgrößen der demografischen und wirt-
schaftlichen Entwicklung getroffen werden. Die Annahmen zur demografischen Entwick-
lung basieren in vorliegender Studie auf Variante 2 der 13. koordinierten Bevölkerungsvo-
rausberechnung des Statistischen Bundesamts.11 Die Prognosen zur wirtschaftlichen Ent-
wicklung stammen aus der aktuellen Basisprognose des Prognos Economic Outlook
2016.12 Tabelle 2 fasst die zentralen demografischen und ökonomischen Rahmendaten
sowie ausgewählte Ergebnisse der Vorausberechnungen zusammen.

Tabelle 2:         Zentrale Größen auf einen Blick
                                                                    2015          2040
 Bevölkerung (Mio.)                                                 81,4           78,9
 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Mio.)                   31,1           28,3
 Rentnerinnen und Rentner (Mio.)                                    20,8           26,1
 Altenquotient (65+/20-64 Jahre)                                     35             55
 Beitragseinnahmen (Mrd. Euro)                                      191,2         340,9
 Bundeszuschüsse (Mrd. Euro)                                        68,1          119,3
 Rentenausgaben der GRV (Mrd. Euro)                                 243,2         450,0
 Kostenorientierter Beitragssatz (Prozent)                          18,7           23,8
 Nettorentenniveau vor Steuern (Prozent)                            48,1           41,9
Quelle: Prognos 2016

Zur Prognose der Entwicklung zentraler ökonomischer Größen wie Erwerbstätigkeit, Wirt-
schaftswachstum und Lohndynamik sowie der Entwicklungen der GRV wurden das Welt-
wirtschaftsmodell VIEW und das Sozialversicherungsmodell OCCUR der Prognos ge-
nutzt.

Das Prognos Weltwirtschaftsmodell VIEW
VIEW ist ein umfassendes makroökonomisches Modell, das 42 Länder und damit mehr als 90 Pro-
zent der Weltwirtschaft abdeckt. Es behandelt neben der Entstehung und Verwendung der produ-
zierten Güter und Dienstleistungen auch den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Finanzen und verbin-
det dabei alle beteiligten Länder systematisch über Exporte, Importe, Wechselkurse etc. miteinan-
der.
Mithilfe dieses globalen Prognose- und Simulationsmodells lässt sich detailliert und konsistent die
zukünftige Entwicklung der Weltwirtschaft und von einzelnen Volkswirtschaften darstellen. Interakti-
onen und Rückkopplungen zwischen einzelnen Ländern werden in dem Modell explizit erfasst und
modelliert. Seine analytische Aussagekraft geht daher weit über die isolierter Ländermodelle mit

11 Die Variante 2 der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung unterstellt, dass die Geburtenhäufigkeit auf dem
   heutigen Niveau von annähernd 1,4 Kindern pro Frau verharrt und die Lebenserwartung von Männern (Frauen) von
   aktuell 77,7 (82,8) bis 2060 auf 84,8 (88,8) Jahre ansteigt. Hinsichtlich der Außenwanderung wird ein langfristiger Wan-
   derungsgewinn von jährlich 200.000 Personen unterstellt. Vgl. hierzu StBA (2015).
12 Vgl. Prognos (2016a).

                                                                                                                          8
exogen gegebenen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hinaus. In der aktuellen Version um-
fasst VIEW die 42 gemessen an der Wirtschaftsleistung wichtigsten Länder der Welt und damit über
90 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
Ausgehend von zentralen exogen gesetzten Parametern wie etwa der Demografie, der zukünftigen
Entwicklung des internationalen Ölpreises oder der Konsolidierungsvorgaben für die staatlichen
Haushalte werden mit VIEW Prognosen für die Weltwirtschaft und die einzelnen Länder erstellt.
Detaillierte Informationen zum Prognos Weltwirtschaftsmodell VIEW finden Sie                  hier:
https://www.prognos.com/fileadmin/pdf/publikationen/Methode_Homepage_15072013.pdf
Das Prognos-Sozialversicherungsmodell OCCUR
OCCUR ist ein integriertes Prognose- und Simulationsmodell, welches die zukünftige Entwicklung
der Finanzierungsströme in und zwischen den Sozialversicherungssystemen detailliert abbildet. Die
Berechnungen von Einnahmen und Ausgaben der einzelnen Sozialversicherungszweige (Renten-,
Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) werden in einem konsistenten Referenzrahmen zur
weltwirtschaftlichen Entwicklung (VIEW) durchgeführt. Bevölkerungs- und Erwerbstätigenentwick-
lung setzen dabei auf dem makroökonomischen Szenario aus VIEW auf, können für Szenarienrech-
nungen aber beliebig variiert werden.
Endogene Ergebnisse von OCCUR sind u. a. die Entwicklung des aktuellen Rentenwerts, die durch-
schnittliche Zahl der Entgeltpunkte je Versicherten, das Nettorentenniveau und die Beitragssatzent-
wicklung. Die zentralen Ergebnisgrößen werden in Abhängigkeit des gesetzlichen Status quo oder
unter geeigneten Reformszenarien bestimmt. Dabei kommunizieren die einzelnen Sozialversiche-
rungszweige untereinander, wobei Rückkoppelungseffekte zwischen der Finanzierung des Sozial-
versicherungssystems und der wirtschaftlichen Entwicklung quantifiziert werden.

3.1.2   Ergebnisse

Beitragssatz
Gegenwärtig beläuft sich der Beitragssatz zur GRV auf 18,7 Prozent. Die gute Lage auf
dem deutschen Arbeitsmarkt und der einsetzende Renteneintritt der geburtenschwachen
Jahrgänge der letzten Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre haben in den letzten Jahren
dafür gesorgt, dass der Beitragssatz von 19,9 Prozent im Jahr 2011 auf den aktuellen
Wert gesenkt werden konnte. Die ursprünglich vorgesehene Absenkung auf 18,3 Prozent

               im Jahr 2014 nicht erfolgen.

Der Vergleich der Entwicklungen des Beitragssatzes mit und ohne Reformen zeigt, dass
die Reformen des vergangenen Jahrzehnts die Dynamik des Beitragssatzes bereits spür-
bar gedämpft haben. Ohne die Reformen hätte der Beitragssatz zwischen 2004 und 2016
deutlich oberhalb des Referenzpfades im gesetzlichen Status quo gelegen und wäre bis
zum Jahr 2016 auf 20,3 Prozent angestiegen.

In den nächsten Jahren wird sich der Beitragssatz vorrübergehend auf Höhe des aktuel-
len Werts stabilisieren. Mit dem im Jahr 2020 einsetzenden Eintritt der geburtenstarken
Jahrgänge der 1950er und 60er Jahre ist ab diesem Zeitpunkt mit einem kontinuierlichen
Anstieg von 19,4 Prozent auf 22,0 Prozent im Jahr 2030 zu rechnen. Die für die Jahre
2020 und 2030 gesteckten Beitragssatzobergrenzen können damit voraussichtlich einge-
halten werden. Im Jahr 2031 wird der Beitragssatz die 22-Prozent-Marke überschreiten
und bis zum Jahr 2040 auf 23,8 Prozent anwachsen (Abbildung 4).

                                                                                                  9
Auch hier zeigt der Vergleich der Entwicklung des Sicherungsniveaus mit und ohne Refor-
men, dass die Rentenreformen der Jahre 2001, 2004 und 2007 bereits zu einer deutlichen
Absenkung geführt haben. Ohne die Reformen wäre das Sicherungsniveau ab 2002 deut-
lich oberhalb des Referenzpfades im gesetzlichen Status quo gelegen und wäre bis zum
Jahr 2016 auf lediglich 52,1 Prozent abgesunken.

Bis zum Jahr 2020 wird das Sicherungsniveau auf 48,2 Prozent langsam absinken. An-
schließend wird sich diese Dynamik beschleunigen, sodass für das Jahr 2030 mit einem
Sicherungsniveau von 44,3 Prozent zu rechnen ist. Auch hier können die für die Jahre
2020 und 2030 gesteckten Mindestsicherungsziele somit voraussichtlich eingehalten wer-
den. Im Jahr 2034 wird das Sicherungsniveau die Mindestgrenze von 43 Prozent schließ-
lich unterschreiten und bis zum Jahr 2040 auf 41,9 Prozent absinken (Abbildung 5).

Der Vergleich der prognostizierten Entwicklung des Sicherungsniveaus mit und ohne Re-
formen zeigt, dass die Reformen der Jahre 2001 und 2004 zu einem stärkeren Rückgang
des Sicherungsniveaus führen werden, als dies ohne die Reformen der Fall gewesen
wäre:

       Ohne die Rentenreform des Jahres 2001 (Altersvermögensergänzungsgesetz,
       Altersvermögensgesetz) würde das Sicherungsniveau vor Steuern im Jahr 2040
       etwa 5,2 Prozentpunkte höher ausfallen.
       Ohne den im Jahr 2004 eingeführten Nachhaltigkeitsfaktor (RV-
       Nachhaltigkeitsgesetz) läge das Sicherungsniveau vor Steuern im Jahr 2040 etwa
       3,6 Prozentpunkte höher.

Anders verhält es sich mit der Rentenreform des Jahres 2007. Die seinerzeit beschlos-
sene Anhebung der Regelaltersgrenze stabilisiert zugleich den Beitragssatz und das Ren-
tenniveau:

                 Rente mit 67      -Altersgrenzenanpassungsgesetz) würde das Siche-
       rungsniveau vor Steuern im Jahr 2040 aufgrund der kürzeren Beitragszeiten und
       längeren Rentenbezugszeiten etwa 0,3 Prozentpunkte niedriger ausfallen.

Insgesamt würde das Sicherungsniveau ohne die drei Reformschritte damit im Jahr 2040
um etwa 8,5 Prozentpunkte höher ausfallen als im gesetzlichen Status quo. Die Reform
des Jahres 2001 ist dabei für über die Hälfte des Gesamteffekts verantwortlich. Auch hier
leistet die im Zuge der Reform erfolgte Umstellung von der Nettolohn- auf die modifizierte
Bruttolohnanpassung einen weitaus größeren Beitrag zum Gesamteffekt als die Einfüh-
rung des Altersvorsorgeanteils bzw.              -       .

                                                                                         11
3.2.1    Annahmen

Zur Potenzialrechnung von Riester-Rente und betrieblicher Altersversorgung über Entgelt-
umwandlung sind zunächst einige Annahmen zu treffen, u. a. über die Verzinsung, die
Sparquote und die zugrundeliegende Lebenserwartung (Tabelle 3).

Tabelle 3:        Annahmen zur Vorausberechnung der individuellen Sicherungsniveaus
 Beginn der Sparphase:          2002
                                 - Die Sparphase berücksichtigt die Einphasung der Riester-Treppe
                                   zwischen 2002 und 2009.13
 Ende der Einzahlungen:         2029 bzw. 2039
                                 - Das letzte Jahr der Einzahlung ist das Jahr vor dem Renteneintritt,
                                   sofern ein Einkommen erzielt wurde (beim Eckrentner ist das der
                                   Fall, in den typisierten Berufsbiografien nicht immer).
 Verzinsung:                    1,5 Prozent (real) in Anspar- und Auszahlungsphase
                                 - Der Zinssatz wird um jeweils 0,5 Punkte nach oben und unten vari-
                                   iert, um die Ergebnisse einem Sensitivitätscheck zu unterziehen.
 Sparquote:                      - Riester-Rente: 2,0 und 4,0 Prozent des jeweiligen Jahreseinkom-
                                   mens (max. 2.100 Euro)
                                 - Betriebliche Altersversorgung: 4,0 Prozent des jeweiligen Jahres-
                                   einkommens (max. 4,0 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze)
                                 - Die betriebliche Altersversorgung aus Entgeltumwandlung ist im Al-
                                   ter kranken- und pflegeversicherungsbeitragspflichtig, die Riester-
                                   Rente ist beitragsfrei.
 Lebenserwartung bei            22 Jahre (2030) bzw. 23 Jahre (2040)
 Renteneintritt:                    - Die fernere Lebenserwartung basiert auf der Generationen-
                                        sterbetafel des Statistischen Bundesamts, gemittelt und ge-
                                        rundet für Frauen und Männer. Ferner wurde ein Sicherungs-
                                        zuschlag aufgenommen, um Selektionseffekte zu berücksich-
                                        tigen.
 Kosten:                        10,0 Prozent des jährlichen Sparbetrags
Quelle: Prognos 2016

3.2.2    Ergebnisse

Versorgungsniveau des                            s
Durch die im Zuge der Riester-Reform erfolgte Modifikation der Rentenanpassungsformel
ergibt sich unter den aufgeführten Annahmen                                     im Jahr
2040 bei 47 Entgeltpunkten folgendes Bild: Im gesetzlichen Status quo (SQ) erreicht er
ein Nettorentenniveau von 43,7 Prozent. Ohne die Riester-Reform hätte er von einem
Nettorentenniveau in Höhe von 47,2 Prozent profitiert. Die durch die Riester-Reform be-
dingte Rentenlücke beläuft sich damit auf 3,5 Prozentpunkte. Mit kapitalgedeckter Zusatz-
vorsorge kann der Eckrentner die Lücke allerdings ausgleichen und sogar überkompen-
sieren. Bei Bezug einer Riester-Rente erreicht er mit einem Gesamtversorgungsniveau

13 Die Einphasung der Riester-Treppe bis zum Jahr 2009 wurde im Altersvermögensergänzungsgesetz (2001) festge-
   schrieben. Seither wurde der Zeitraum der Einphasung jedoch zweimal gestreckt. Zunächst erfolgte im Rahmen des
   RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (2004) eine Verlängerung bis zum Jahr 2010. Anschließend wurde im Rahmen des Geset-
   zes zur Rentenanpassung (2008) eine Verlängerung der Einphasung bis zum Jahr 2012 festgesetzt.

                                                                                                               13
Nettorente   Riester-            mit                   mit                       mit
                  ohne        SQ     Lücke         Riester-Rente         Riester-Rente                  bAV
                  Refor-                          (Sparquote 2%)        (Sparquote 4%)
                   men                            Zins 1,5% (real)      Zins 1,5% (real)        Zins 1,5% (real)
                                               -0,5%-           +0,5%- -0,5%-           +0,5%- -0,5%-           +0,5%-
                                                         --                      --                      --
                                               Punkte           Punkte Punkte           Punkte Punkte           Punkte
Sozialpädagogin mit 2 Kindern
2030 (Jg. 1963)    1.499    1.339     125       -11     1.447     12    -22     1.551     24    -22     1.536    24
2040 (Jg. 1973)    1.912    1.636     182       -20     1.801     23    -37     1.929     42    -35     1.915    41
Buchhalter
2030 (Jg. 1963)    2.206    1.971     183       -17     2.136     19    -30     2.250     33    -33     2.272    37
2040 (Jg. 1973)    2.752    2.354     262       -32     2.611     37    -52     2.736     60    -58     2.803    67
Teamleiterin
2030 (Jg. 1963)    2.183    1.951     182       -17     2.115     18    -29     2.226     33    -32     2.250    36
2040 (Jg. 1973)    2.807    2.401     267       -31     2.655     36    -50     2.773     58    -57     2.857    66
Ingenieur
2030 (Jg. 1963)    2.469    2.206     205       -20     2.397     22    -32     2.491     35    -39     2.559    44
2040 (Jg. 1973)    3.122    2.671     297       -37     2.956     42    -54     3.058     62    -68     3.196    79
Quelle: Prognos 2016

Die Ergebnisse für typisierte Berufe zeigen zudem, dass die Riester-Lücke für besserver-
dienende                                                                  -
die nominale Fixierung der steuerlichen Förderung auf einen Höchstbetrag von
2.100 Euro. Aktuell sind etwa 15 Prozent der Riester-Sparer hiervon betroffen. Bis zum
Jahr 2030 dürfte der Anteil jedoch auf etwa ein Drittel und bis 2040 auf ungefähr die
Hälfte ansteigen. Damit werden auch zunehmend Durchschnittsverdiener an den Riester-
Deckel stoßen. Der Riester-Deckel bedeutet auch, dass zumindest Teilgruppen der Ries-
ter-Sparer im Vergleich zu Anwärtern auf eine betriebliche Altersversorgung im Hinblick
auf die steuerlich geförderte Dotierungsmöglichkeit benachteiligt werden. Bei der betriebli-
chen Altersversorgung ist die Obergrenze höher und wächst durch die Koppelung an die
Beitragsbemessungsgrenze der GRV (derzeit 4 % der Beitragsbemessungsgrenze, künf-
tig voraussichtlich 8 %15) bei steigenden Einkommen mit. Abbildung 9 zeigt die Wirkung
dieser unterschiedlichen Fördergrenzen im Zeitverlauf exemplarisch für zwei Erwerbsbio-
grafien bezogen auf die aktuelle Rechtslage.

15 Vgl. Bundesregierung (2016).

                                                                                                                      17
mittelbar förderberechtigt sind. Die SOEP-Auswertungen zeigen, dass der Verbreitungs-
grad der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge im Jahr 2013 systematisch mit ver-
schiedenen sozio-demografischen Merkmalen variierte. Vergleichsweise stark verbreitet
war sie unter Personen im Alter zwischen 35 und 55 Jahren, Alleinerziehenden und Paa-
ren mit Kindern sowie unter Personen mit höherem Bildungsniveau. Unter jüngeren und
älteren Personen, Single-Haushalten und Paaren ohne Kinder, Personen mit niedrigem
Bildungsniveau sowie Geringverdienern war sie hingegen relativ schwach verbreitet
(Abbildung 11).

Abbildung 11: Verbreitung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge nach sozio-
              demografischen Merkmalen, 2013
                                                 35,0
 Anteil der Personen mit einem Riester-Vertrag

                                                                                  31,3                                                                                                                                               31,1
                                                                                                                                                        30,0                                                                                                     29,5
                                                 30,0                    28,3                                                                                                                                          28,3
                                                                                                                                                                                                                                                   27,4

                                                 25,0                                                                                                                                            23,9
                                                                22,3                                            23,0

                                                                                                                                                                                       19,3
                   (Prozent)*

                                                 20,0
                                                                                                                                                                                                         17,1

                                                 15,0
                                                                                           12,4     12,1                            12,2
                                                                                                                                                                            9,5
                                                 10,0
                                                        5,7
                                                  5,0

                                                  0,0
                                                                                                                                                         Paar mit Kindern

                                                                                                                                                                                                          1. Quintil

                                                                                                                                                                                                                        2. Quintil

                                                                                                                                                                                                                                      3. Quintil

                                                                                                                                                                                                                                                    4. Quintil

                                                                                                                                                                                                                                                                  5. Quintil
                                                                                                     Singles

                                                                                                                                                                             Niedrig
                                                                                                                 Alleinerziehende

                                                                                                                                     Paar ohne Kinder

                                                                                                                                                                                                  Hoch
                                                        17-24

                                                                 25-34

                                                                          35-44

                                                                                   45-54

                                                                                            55-64

                                                                                                                                                                                        Mittel

                                                                             Alter                             Haushaltstyp                                                 Bildungsniveau               Erwerbseinkommen
* Anteil an allen Personen im erwerbsfähigen Alter.
Quelle: Prognos 2016, eigene Berechnung und Darstellung nach SOEP v30

Das sinkende Leistungsniveau in der GRV wird sich künftig v. a. auf die Altersversorgung
von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen auswirken. Weitere unmittelbar
förderberechtigte Personengruppen wie Beamte sowie mittelbar förderberechtigte Perso-
nen, die im Jahr 2012 zusammen über zehn Prozent aller Zulagenempfänger ausmach-
ten, werden voraussichtlich weniger stark betroffen sein. Zur Berechnung des Gesamtver-
breitungsgrads der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge wurde aus diesem Grund
die Zahl aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen (Pflichtversicherte der
GRV) als Basis herangezogen. Den SOEP-Auswertungen zufolge besparte im Jahr 2012
ein knappes Drittel (31 Prozent) dieser Personen aktiv einen Riester-Vertrag.

Ausschlaggebend für die Schließung der aus dem sinkenden Rentenniveau resultieren-
den Versorgungslücken ist neben der Verbreitung der geförderten privaten Altersvorsorge
deren Umfang. Hier zeigen die Ergebnisse der ZfA-Statistik, dass etwas mehr als die
Hälfte der Empfänger der Grundzulage sowie etwas mehr als zwei Drittel der Empfänger
der Kinderzulage ihren Zulagenanspruch zu 100 Prozent ausschöpfen. Gleichzeitig erhal-
ten ein knappes Fünftel der Empfänger der Grundzulage sowie ein Zehntel der Empfän-
ger der Kinderzulage weniger als 50 Prozent der Zulagen (Tabelle 5).

                                                                                                                                                                                                                                                                               20
Tabelle 5:         Zulagenempfänger nach Vollständigkeit der Zulagen, 2011-2013*
                           Anteil der Zulagenempfänger in Prozent
                            2011               2012***             2013***
 Grundzulage
    100%                     56,4                57,5               56,7
    90%-100%                  6,9                6,8                 6,8
    75%-90%                   7,9                7,6                 7,7
    50%-75%                  11,8                10,8               10,9
Abbildung 13: Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nach sozio-demografischen
              Merkmalen, 2013
                                                               60,0
  Anteil der Personen mit bAV-Anwartschaften (Prozent)*

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           50,3
                                                               50,0

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          39,2
                                                               40,0
                                                                                                                                                                                                                                                           35,8

                                                                                                        30,3                                                              30,4
                                                               30,0                           28,3                  27,6
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           25,8
                                                                                                                                       23,7                                                   23,2                                          24,1
                                                                                     19,7
                                                               20,0                                                                                                                                                                                                                       17,6
                                                                                                                                                   15,9

                                                               10,0     7,5                                                                                                                                                      8,1
                                                                                                                                                                                                                                                                            5,7

                                                                0,0                                                                                                                            Paar mit Kindern

                                                                                                                                                                                                                                                                            1. Quintil

                                                                                                                                                                                                                                                                                              2. Quintil

                                                                                                                                                                                                                                                                                                            3. Quintil

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              4. Quintil

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            5. Quintil
                                                                                                                                                                                                                                  Niedrig
                                                                                                                                        Singles

                                                                                                                                                       Alleinerziehende

                                                                                                                                                                           Paar ohne Kinder

                                                                                                                                                                                                                                                               Hoch
                                                                         17-24

                                                                                      25-34

                                                                                               35-44

                                                                                                            45-54

                                                                                                                     55-64

                                                                                                  Alter                                           Haushaltstyp                                                                   Bildungsniveau  Mittel                     Erwerbseinkommen

* Anteil an allen Personen im erwerbsfähigen Alter.
Quelle: Prognos 2016, eigene Berechnung und Darstellung nach SOEP v30

Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nach Betriebsgröße
Zwischen der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und der Betriebsgröße besteht ein en-
ger Zusammenhang. Während nahezu alle Großunternehmen in Deutschland ein System der be-
trieblichen Altersversorgung eingerichtet haben, besteht bei kleinen Unternehmen deutlicher Nach-
holbedarf. Lediglich 34 Prozent der Betriebe mit bis zu vier Mitarbeitern verfügten im Dezember 2015
über ein System der betrieblichen Altersversorgung. Bei den Unternehmen mit fünf bis neun Mitar-
beitern waren es immerhin 61 Prozent. Auch der Anteil der Mitarbeiter, die über Anwartschaften auf
eine betriebliche Altersversorgung verfügen, fällt in großen Unternehmen deutlich größer aus als in
klein- und mittelständischen Unternehmen (Abbildung 14).
Abbildung 14: Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nach Betriebsgröße, 2015

                                                                  >1.000                                                                                                                                                                                                                                                         97
                                                                                                                                                                                                                                                                                 83

                                                                 500-999                                                                                                                                                                                                                                                               98
                                                                                                                                                                                                                                                          65
                                                                 200-499                                                                                                                                                                                                                                                      96
                                                                                                                                                                                                                            55
                                    Anzahl der Beschäftigten

                                                                 100-199                                                                                                                                                                                                                                                      96
                                                                                                                                                                                                                  46

                                                                      50-99                                                                                                                                                                                                                                              94
                                                                                                                                                                                         41

                                                                      20-49                                                                                                                                                                                                              84
                                                                                                                                                                   36

                                                                      10-19                                                                                                                                                                                           77
                                                                                                                                                                                         41
                                                                        5-9                                                                                                                                                                 61
                                                                                                                                                  32

                                                                        1-4                                                                        34
                                                                                                                                  25
                                                                                 0                     10                    20        30                                 40                                         50           60                           70      80                            90                               100
                                                                                                                                                                                                                  Prozent
                                                                                                                                   Betriebsstätten mit bAV                                                                                       Beschäftigte mit bAV

Quelle: TNS Infratest Sozialforschung 2016

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         23
3.3.4    Zwischenfazit

Mit der Stärkung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge im Jahr 2001 beabsichtigte
der Gesetzgeber, insbesondere Gering- und Mittelverdiener zum Aufbau einer zusätzli-
chen Altersvorsorge zu bewegen. Damit sollte zur Schließung von Versorgungslücken, die
sich aus dem absinkenden Rentenniveau ergeben, beigetragen werden. Ein bestimmter,
optimaler Verbreitungsgrad wurde dabei allerdings nicht definiert.

Die vorgestellten Analysen zeigen, dass die Einführung der staatlichen Förderung zu ei-
ner weiten, aber nicht flächendeckenden Verbreitung der geförderten privaten und be-
trieblichen Altersvorsorge geführt hat. Die Frage, inwieweit die an das Altersvermögens-
gesetz gestellten Erwartungen damit erfüllt wurden, kann aufgrund der fehlenden gesetzli-
chen Festlegung eines bestimmten, optimalen Verbreitungsgrads nicht zweifelsfrei beant-
wortet werden. Grundsätzlich kann angesichts der deutlichen Zunahme des Verbreitungs-
grads auf über 50
                                                    ehr wurde ein großer Anteil der sozial-
versicherungspflichtig Beschäftigten zum Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Al-
tersvorsorge bewegt. Ein signifikanter Teil der Nicht-Teilnehmer besitzt anderweitige Ver-
mögen und hat daher womöglich weder Bedarf noch Interesse an einem zusätzlichen Vor-
sorgeweg. Dabei spielt auch das Alter der betrachteten Personen eine wichtige Rolle: Die
Gruppe der Pflichtversicherten der GRV umfasst an beiden Enden der Altersverteilung
Personen, für die eine private oder betriebliche Zusatzvorsorge entweder zu früh oder zu
spät kommt. Rentennahe Jahrgänge haben nur relativ kleine reformbedingten Rentenlü-
cken zu erwarten und sich im Laufe ihres Erwerbslebens ggf. für andere Vorsorgeformen
entschieden. Für Menschen in Ausbildung oder Berufseinsteiger liegt das Thema Alters-
vorsorge hingegen häufig noch in weiter Ferne.23 Schließlich darf nicht vergessen werden,
dass die Zusatzvorsorge auf rein freiwilliger Basis erfolgt. Vor diesem Hintergrund ist ein
Gesamtverbreitungsgrad von über 50 Prozent als Erfolg zu werten. Die Riester-Reform
hat damit durchaus die Erwartungen erfüllt, die man realistischer Weise an sie stellen
konnte.

Verbreitung der freiwilligen ergänzenden Altersvorsorge im internationalen Vergleich
Zur Beurteilung des Verbreitungsgrads der ergänzenden Altersvorsorge in Deutschland erweist sich
der Vergleich mit Ländern, in denen die gesetzlichen Regelsysteme lediglich eine Basissicherung
leisten und die ergänzende Altersvorsorge auf freiwilliger Basis erfolgt, als aufschlussreich. Zu die-
sen Ländern zählen die Vereinigten Staaten, Kanada, Neuseeland, Großbritannien und Irland.24 Der
Vergleich zeigt, dass die private und betriebliche Altersvorsorge in Deutschland deutlich stärker ver-
breitet ist als in den genannten Ländern. Lediglich Neuseeland weist bei der privaten Altersvorsorge
einen höheren Verbreitungsgrad auf, der vermutlich u. a. auf die automatische Aufnahme in die er-
gänzende private Altersvorsorge mit Opting-Out zurückzuführen ist. Bei der betrieblichen Altersver-
sorgung weisen neben Deutschland auch die Vereinigten Staaten einen relativ hohen Verbreitungs-
grad auf. Hier dürften sich insbesondere die bekannten 401(k)-Sparpläne niederschlagen.

23 Vgl. Postbank (2016).
24 Vgl. Stöger (2011) und OECD (2015).

                                                                                                   25
Tabelle 6:          Verbreitung der freiwilligen ergänzenden Altersvorsorge im internationalen Ver-
                    gleich, 2013
                                   Private                Betriebliche                  Beide
                               Altersvorsorge          Altersversorgung                  (%)*
                                     (%)*                     (%)*
 Deutschland                         35,2                      56,4                      71,3
 Vereinigte Staaten                  22,0                      41,6                      47,1
 Kanada                              24,7                      25,7                         /
 Neuseeland                          72,9                       7,2                         /
 Großbritannien                      11,1                      30,0                      43,3
 Irland                              12,0                      31,0                      41,3
* Deutschland: Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Irland: Anteil an allen Erwerbspersonen. Rest: An-
teil an allen Personen im erwerbsfähigen Alter.
Quelle: Prognos 2016, eigene Darstellung nach OECD 2015

Gleichzeitig offenbaren die Untersuchungen jedoch, dass weiterhin Nachbesserungsbe-
darf seitens der Politik besteht. Insbesondere der geringen Verbreitung der staatlich geför-
derten Zusatzvorsorge unter Geringverdienern sowie in klein- und mittelständischen Un-
ternehmen sollte dabei mit Priorität nachgegangen werden.

3.4 Fazit und Gesamtbewertung

Mit den Reformen seit der Jahrtausendwende wurden im Wesentlichen zwei Ziele ver-
folgt: Erstens die Sicherung eines auch in Zukunft nachhaltig finanzierten gesetzlichen
Rentensystems. Zweitens die Teilfundierung des Umlageverfahrens über private und be-
triebliche Zusatzvorsorge mit staatlicher Förderung. Verknüpft sind die Ziele mit der Be-
dingung, dass die von den Leistungsrücknahmen der GRV betroffenen Personen die
Chancen der ersetzenden und ergänzenden Altersvorsorge auch tatsächlich wahrneh-
men.

Die vorliegende Bestandsaufnahme zeigt zunächst eines: Der demografische Wandel
                            . Die GRV wurde mit den Reformen der Jahre 2001, 2004 und
2007 schrittweise auf die Alterung der Bevölkerung vorbereitet und damit zukunftsfest ge-
macht. Im Ergebnis der Reformpolitik sinkt das Rentenniveau der GRV insbesondere ab
dem Jahr 2025 sukzessive ab. Im Gegenzug kann und konnte der zur Finanzierung der
künftigen Ausgaben notwendige Beitragssatzanstieg deutlich gedämpft werden. Unter
dem Strich ist die GRV damit mittelfristig nachhaltig finanziert. Das erste Ziel der Refor-
men darf somit als erreicht gelten.

Obwohl die Nettorenten auch zukünftig weiter ansteigen werden, wird die gesetzliche
Rente aufgrund des sinkenden Rentenniveaus in Zukunft immer weniger ausreichen, um
den im Erwerbsleben erlangten Lebensstandard im Alter fortzuführen. Die zum Ausgleich
dieser Versorgungslücken etablierten geförderten Zusatzrenten können trotz aktueller
Niedrigzinsphase dazu beitragen, die Leistungsrücknahmen in der GRV zu kompensieren.
Eine durchschnittliche private Ersparnisbildung in Höhe von zwei bis vier Prozent des je-
weiligen Jahreseinkommens reicht dazu aus. Dies gilt nicht nur für den standardisierten

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Eckrentner, sondern ebenfalls für typische Berufe und Erwerbsbiografien.25 Auch das
zweite Reformziel ist damit weitestgehend erfüllt.

Grundsätzlich gilt dies aber nur für Personen, die die seinerzeit geschaffenen Wege der
Zusatzvorsorge auch nutzen. Hier zeigt die vorliegende Analyse: Der Verbreitungsgrad
der geförderten Altersvorsorge ist besser als gemeinhin angenommen. 54 Prozent der
Pflichtversicherten in der GRV sparen aktiv entweder im Rahmen eines Riester-Vertrags
oder über den Weg der betrieblichen Altersversorgung. Weitere gut 22 Prozent verfügen
über andere Vermögen und dürften damit im Alter nicht alleine auf die GRV angewiesen
sein. Somit kann auch in Bezug auf die Verbreitung die geförderte Altersvorsorge als
durchaus erfolgreich bewertet werden.

Die positiven Befunde implizieren jedoch nicht, dass das gegenwärtige Alterssicherungs-
system keinerlei Verbesserungsbedarf aufweist. Vielmehr besteht sowohl hinsichtlich der
langfristigen finanziellen Nachhaltigkeit der GRV als auch hinsichtlich der privaten und be-
trieblichen Altersvorsorge an bestimmten Stellen Handlungsbedarf.

4      Handlungsoptionen
Im folgenden Kapitel werden vor dem Hintergrund der im Rahmen der vorliegenden Stu-
die gewonnenen Erkenntnisse sowie der aktuellen öffentlichen und politischen Debatte
ausgewählte Reformoptionen diskutiert. Dabei wird vor allem den beiden Fragen nachge-
gangen, die den Kern der Erfolgsbedingungen des rentenpolitischen Kurses ausmachen:
Leistet die Reformoption einen Beitrag zur finanziellen Nachhaltigkeit in der gesetzlichen
Rentenversicherung? Ist die Reformoption geeignet, die Verbreitung der ergänzenden
Vorsorge zu verbessern?

Sicherung der finanziellen Nachhaltigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung
In den vergangenen Jahren haben der moderate Anstieg des Verhältnisses von Leis-
tungsempfängern zu Beitragszahlern in der GRV sowie eine gute Lage am Arbeitsmarkt
zu einer vorübergehenden Entspannung der Finanzierungssituation in der GRV mit einem
Beitragssatz von unter 19 Prozent geführt. Diese erfreuliche Entwicklung darf jedoch nicht
darüber hinwegtäuschen, dass der demografische Druck auf die GRV ab dem Jahr 2020
deutlich zunehmen wird. Die Prognosen von Beitragssatz und Leistungsniveau in Kapitel
3.1 zeigen, dass die für das Jahr 2030 angestrebte Beitragssatzobergrenze von 22 Pro-
zent bereits im Jahr 2031 überschritten und das angestrebte Mindestsicherungsniveau
von 43 Prozent bereits im Jahr 2034 unterschritten wird.26 Es bestehen somit in den
nächsten Jahren und Jahrzehnten keine Spielräume für Leistungsausweitungen in der
GRV.27

25 Die zusätzlichen (individuellen und gesamtwirtschaftlichen) Potenziale einer im Zuge der steigenden Lebenserwartung
   auch verlängerten Lebensarbeitszeit wurden bereits an anderer Stelle nachgewiesen, vgl. Prognos (2016c).
26 Vgl. auch Werding (2014), Buslei/Peters (2016), Börsch-Supan/Bucher-Koenen/Rausch (2016) und Deutsche Bundes-
    bank (2016) für weitere Vorausberechnungen der Beitragssatz- und Leistungsniveauentwicklung.
27 Vgl. auch Halsch (2016) und Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016).

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Die Ergebnisse der Vorausberechnungen für den gesetzlichen Status quo machen viel-
mehr deutlich, dass spätestens ab dem Jahr 2031 weitere Reformschritte nötig sein wer-
den, um eine signifikante Anhebung des Beitragssatzes sowie eine signifikante Absen-
kung des Leistungsniveaus zu verhindern. Grundsätzlich stehen hierfür drei Stellschrau-
ben zur Verfügung: Bundeszuschuss, Versichertenkreis sowie Regelaltersgrenze. Eine
stärkere Finanzierung aus dem Bundeshaushalt scheint ungeeignet, da die Höhe der
Bundeszuschüsse mit über 86 Mrd. Euro bereits heute beträchtlich ist und mit einer weite-
ren diskretionären Erhöhung vom Prinzip der Äquivalenz von Ein- und Auszahlungen Ab-
schied genommen würde. Dies gilt umso mehr, als dass auch in anderen staatlichen Be-
reichen und öffentlichen Haushalten die Mittel im demografischen Wandel knapper wer-
den.28

Inwiefern eine Ausweitung des Versichertenkreises eine Stabilisierung der Beitragssatz-
und Leistungsniveauentwicklung bewirken kann, hängt von der konkreten Ausgestaltung
einer solchen Maßnahme ab, da die zusätzlichen Beitragszahler die GRV zwar zunächst
entlasten, spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze und dem damit einhergehen-
den Beginn des Leistungsbezugs jedoch auch belasten. Mittelfristiges Entlastungspoten-
zial bietet die Eingliederung von jungen Selbstständigen und geringfügig beschäftigten
Berufsanfängern ab dem Jahr 2022. Diese Gruppe würde im Idealfall mindestens
45 Jahre lang Beiträge zur GRV zahlen und erst ab dem Jahr 2067 Leistungen beziehen.
Dadurch könnten bis zum Jahr 2050 der Beitragssatz um 0,8 Prozentpunkte gesenkt und
das Leistungsniveau um 1,0 Prozentpunkte erhöht werden.29 Langfristig betrachtet kann
jedoch auch die Ausweitung des Versichertenkreises den demografisch bedingten Finan-
zierungsdruck nicht von der GRV nehmen. Jede bislang versicherungsfreie Gruppe der
Bevölkerung ist eben selbst Teil der alternden Bevölkerung.

Als dritte Option kommt eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze in Betracht, die
sich angesichts des sich verlangsamenden, aber anhaltenden Anstiegs der Lebenserwar-
tung und damit einhergehend des sich vermutlich verbessernden Gesundheitszustands
auch in höherem Alter zur langfristigen Stabilisierung der Beitragssatz- und Leistungsni-
veaudynamik anbietet.30

Potenziale eines höheren Renteneintrittsalters
Die Dynamik der Beitragssatz- und Leistungsniveauentwicklung kann durch eine Erhöhung des Ren-
teneintrittsalters spürbar gedämpft werden. Würden die Versicherten ab dem Jahr 2030 tatsächlich
erst bei Erreichen der Altersgrenze von 67 Jahren in Rente gehen, würden im Jahr 2030 der Bei-
tragssatz um 0,9 Prozentpunkte niedriger und das Leistungsniveau um 1,1 Prozentpunkte höher
ausfallen. In den Folgejahren würden die Effekte des faktisch höheren Renteneintrittsalters kontinu-
ierlich nachlassen und sich ab dem Jahr 2040 auf eine Größenordnung von etwa 0,3 Prozentpunkten
beim Beitragssatz und etwa 0,4 Prozentpunkten beim Leistungsniveau belaufen. Bei einer Koppe-
lung von Lebenserwartung und Regelaltersgrenze ab dem Jahr 2030, sodass zwei Drittel der hinzu-
gewonnenen Lebenszeit in Arbeit und ein Drittel in Rente verbracht werden, würden die positiven

28 Vgl. u. a. Prognos (2016d), BMF (2016) und Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Ener-
   gie (2016).
29 Vgl. Prognos (2016e).
30 Vgl. auch Halsch (2016), Prognos (2016c), Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-
   lung (2016) und Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016).

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Effekte des späteren Renteneintritts mit einem um 0,7 bis 0,8 Prozentpunkte niedrigeren Beitrags-
satz sowie einem um ebenfalls 0,7 bis 0,8 Prozentpunkte höheren Leistungsniveau langfristig ver-
stetigt werden.31

Stärkung der geförderten Zusatzvorsorge
Seit Einführung der staatlich geförderten Riester-Rente und des Rechtsanspruchs auf
Entgeltumwandlung im Jahr 2002 hat die Verbreitung der privaten und betrieblichen Al-
tersvorsorge deutlich zugenommen. Dabei wurden jedoch nicht alle Gruppen gleicherma-
ßen erreicht. Insbesondere Geringverdiener und Mitarbeiter kleiner und mittlerer Unter-
nehmen verfügen bisher relativ selten über eine staatlich geförderte Zusatzvorsorge.
Grundsätzlich können eine mangelnde Fähigkeit oder ein mangelnder Wille zur Vorsorge
der weiteren Verbreitung in diesen Gruppen entgegenstehen. Ein zu geringes Einkom-
men, Mängel beim Marktangebot, fehlende Information oder fehlende Entscheidungsfä-
higkeit der Nachfrager in finanziellen Fragen erfordern dabei andere Ansatzpunkte als
etwa der fehlende                                                                . Ebenso
die bewusste Entscheidung gegen Vorsorge, weil sie beispielsweise trotz des Konsumver-
zichts keine Verbesserung der materiellen Situation im Alter erwarten lässt.

Bei dauerhaft zu geringen Einkommen während der Erwerbsphase sind Versicherungs-
systeme, bei denen die Leistungen proportional von der Höhe und der Länge der Bei-
tragszahlung
stellen. Dies gilt sowohl für die gesetzliche Rentenversicherung als auch für die kapitalge-
deckten privaten und betrieblichen Formen der Ergänzungsvorsorge. Im Rahmen der
Rentenpolitik kann diesen Betroffenen nur durch staatliche Unterstützung bzw. Umvertei-
lung geholfen werden. Im Zuge der Riester-Reformen wurde die Grundsicherung im Alter
und bei dauerhafter Erwerbsminderung geschaffen, die über Einkommens- und Vermö-
gensprüfung auf die Zielgruppe zugeschnitten wurde. Ferner stellt die Förderung über Zu-
lagen ein effektives Instrument dar, um Belastung in der Ansparphase für Geringverdiener
zu reduzieren. Bei nominal festgeschriebener Zulagenhöhe nimmt die Förderung je
nach Inflationsrate allerdings im Zeitverlauf ab.

Um spezifisch für Geringverdiener verstärkte Anreize zum Aufbau einer zusätzlichen Al-
tersvorsorge zu setzen, bedarf es zielgenauer Maßnahmen, wie der Anhebung der Zula-
gen für Personen mit geringer Sparfähigkeit. Die Erhöhung von Riester-Zulagen und die
geplante Unterstützung von Arbeitnehmern mit unterdurchschnittlichem Einkommen in der
betrieblichen Altersversorgung folgen diesem Ansatz. Der Verbreitungsgrad der geförder-
ten Zusatzvorsorge unter Geringverdienern könnte zudem durch eine reduzierte Anrech-
nung von Zusatzrenten bei Bezug von Grundsicherung im Alter gesteigert werden. Bisher
werden Renten aus der zusätzlichen Altersvorsorge vollständig auf die Grundsicherung im
Alter angerechnet. Somit kann es für Bezieher niedriger Einkommen rational sein, ledig-
lich in geringem Maße für das Alter privat oder betrieblich vorzusorgen.32 Der Versuch,
über die Anhebung des GRV-Rentenniveaus die drohende Altersarmut zu bekämpfen, ist
hingegen wenig erfolgversprechend.

31 Vgl. Prognos (2016c).
32 Vgl. Hagist (2016), Prognos (2017) und Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
   (2016).

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