Altersteilzeit und Altersversorgung in der Metall- und Elektroindustrie
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Altersteilzeit und Altersversorgung in der Metall- und Elektroindustrie 15 Herbert Hofmann Neben den zentralen Entgeltfragen ist das Thema »ältere Beschäftigte« schon seit langem für die Tarifparteien von großer Bedeutung. Die Politikrichtung hat sich aber stark gewandelt. Hat man sich in der Vergangenheit vor allem darauf konzentriert, die Belegschaft zu verjüngen oder zu verkleinern, so stehen jetzt die Alterung der Gesellschaft und damit auch der Belegschaften und die Tragfähigkeit der Sozialversicherungen im Vordergrund. Dabei wird den Unternehmen zunehmend bewusst, dass sie eine demographiefeste Personalpolitik betreiben müssen, wofür sie die entsprechenden gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen brauchen. Deshalb hat der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie (Gesamtmetall) das ifo Institut beauf- tragt, Informationen über die Umsetzung vorhandener Regelungen und über die Vorstellungen und Interessen der Unternehmen der Metall- und Elektrobranche zu erheben. Die Schwerpunk- te der Erhebung bildeten die Altersteilzeit und die betriebliche Altersversorgung. Zudem wurde eine erste Bilanz der Umsetzung des Tarifvertrages über altersvorsorgewirksame Leistungen (TV AVWL) gezogen. Altersteilzeit ist ein Auslaufmodell. Sie ge- spielen die Tarifparteien. Das trifft im Be- hört zu einem wirtschaftspolitischen Pro- sonderen auf das Alterteilzeitgesetz (AtG) gramm, das auf eine Umverteilung der von 1996 und auf seine Folgegesetze zu, vorhandenen Arbeitsplätze von älteren Ar- weil hier – zumindest war dies intendiert beitnehmern auf jüngere arbeitsuchende – die Lasten, welche durch die Verab- Personen ausgerichtet war. Inzwischen ist schiedung älterer Arbeitnehmer entste- ein Politikwechsel eingetreten1, der län- hen, stärker von den Arbeitnehmern und gere Bezugszeiten von Lohnersatzleistun- Arbeitgebern getragen werden sollten. gen für ältere Arbeitnehmer, Arbeitszeit- Man wollte die schlimmsten Auswüchse verkürzung und den früheren Übergang der vorausgegangenen Frühverrentungs- in die Rente in den Hintergrund gedrängt praxis, insbesondere der sog. 59er-Re- hat zugunsten einer stärker aktivierenden gelung, vermeiden und Renten- und Ar- Sozialpolitik und längeren Wochen-, aber beitslosenversicherung möglichst von fi- auch Lebensarbeitszeiten. Die schrittwei- nanziellen Belastungen bewahren. se Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre, die 2012 einsetzen und 2029 Nach dem AtG ist das Vorliegen einer Ver- abgeschlossen sein wird, ist dafür genau- einbarung zwischen Arbeitgebern und Ar- so ein Beispiel wie die Abschaffung der beitnehmern eine wesentliche Vorausset- Förderung der Altersteilzeit durch die Bun- zung für eine Altersteilzeit. Besteht diese desagentur für Arbeit (BA). Diese Förde- Vereinbarung, dann kann die Arbeitszeit rung wird nur noch gewährt, wenn die Al- verringert werden, wobei die Verringerung tersteilzeit bis Ende 2009 angetreten wird. die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Stattdessen haben sich die Politikmaß- Arbeitszeit umfassen muss. Der Arbeitge- nahmen stärker der Förderung der Vor- ber ist verpflichtet, bei der Altersteilzeit das sorge für den Ruhestand zugewendet. Die Regelarbeitsentgelt des Teilzeitbeschäf- private Vorsorge soll die Lücke auffüllen, die sich beim staatlichen Umlagesystem tigten um mindestens 20% aufzustocken. auftut. Das bekannteste Ergebnis dieser Diese Aufstockung bleibt steuer- und ab- Politik ist die im Altersvermögensgesetz gabenfrei. Zudem ist das Unternehmen (AVmG) geregelte »Riester-Rente«, die verpflichtet, die Rentenbeiträge auf min- 2002 eingeführt wurde. destens 80% des Regelarbeitsentgeltes anzuheben. Das reduziert für die Arbeit- Eine entscheidende Rolle bei der Umset- nehmer die Einbußen bei den Ansprüchen zung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik auf die gesetzliche Altersrente. Aufgrund der Intention der Altersteilzeitgesetzge- bung, eine Beschäftigungsbrücke zwi- 1 Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitge- schen jung und alt zu schaffen, übernimmt berverbände (BDA) spricht sogar von einem Para- digmenwechsel bei der Altersarbeit (2000). die BA den Aufstockungsbetrag von 20% 61. Jahrgang – ifo Schnelldienst 3/2008
16 Forschungsergebnisse des Einkommens sowie die Aufstockung der Kasten Rentenversicherungsbeiträge für die Wie- Die M+E-Industrie und ihr Arbeitgeberverband derbesetzung eines durch ein Altersteilzeit- Unter der Bezeichnung »Metall- und Elektroindustrie« (M+E-Industrie) verhältnis frei gewordenen Arbeitsplatzes versammeln sich zentrale Branchen der deutschen Industrie und der Wirt- schaft insgesamt. Dazu gehören u.a. der Maschinenbau, der Fahrzeugbau, durch einen gemeldeten Arbeitslosen oder die Elektrotechnik und die Metallverarbeitung. Rund 11% aller Erwerbstäti- einen Auszubildenden nach Abschluss der gen und 55% der Erwerbstätigen des verarbeitenden Gewerbes arbeiten in Ausbildung.2 Unternehmen des M+E Bereichs. Rund 60% der industriellen und 13% der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung wird hier erbracht. Zudem handelt es sich um sehr exportstarke Branchen. Im Jahr 2006 gab es in der Metall- und Ein Anspruch auf Erstattungsleistungen Elektroindustrie rund 22 300 Betriebe (4 100 in den neuen Bundesländern), durch die BA besteht nur, soweit es einen in denen ca. 3,4 Mill. Beschäftigte arbeiteten, rund 12% davon in den neuen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder Bundesländern. Die Beschäftigungsentwicklung ist jedoch eine Geschichte des Rückgangs auf Raten. In den siebziger Jahren gab es in diesen Indust- eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer riebranchen noch deutlich mehr als 4 Mill. Beschäftigte allein in den alten gibt. Wie zu erwarten, haben die Tarifver- Bundesländern. tragsparteien den gesetzlichen Rahmen für Bei den zur M+E-Industrie gehörenden Branchen ist der Organisationsgrad ihre Interessen genutzt. So ist es den Ge- der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer traditionell hoch. Hier spielen, wie werkschaften gelungen, in mehreren Tarif- generell in den klassischen Industriezweigen, die Verbands- bzw. Flächen- verträgen weitreichende Verbesserungen der tarifverträge noch eine dominierende Rolle. Aber seit Mitte der achtziger Jahre und verstärkt in den neunziger Jahren lässt die Organisationsquote gesetzlich vorgesehenen ATZ-Leistungen zu auch im traditionellen Metall- und Elektrobereich nach. Gesamtmetall ist der realisieren. Die tarifvertraglichen Regelungen Dachverband der Arbeitgeberverbände der M+E-Industrie. Die Reichweite setzten zumeist an der Aufstockung der Leis- der Verbände von Gesamtmetall erstreckte sich Mitte der achtziger Jahre tungen an, versuchten Rentenabschläge noch annähernd auf 80% der metall- und elektroindustriellen Beschäftigung. Im Jahr 2006 waren es noch 57% in den alten und 17% in den neuen Bun- auszugleichen und einen Rechtsanspruch desländern (ohne Mitglieder deren Mitgliedschaft keine Tarifbindung bein- der Arbeitnehmer zu verankern. In der Me- haltet). In den alten Bundesländern sind rund 23% der Firmen in den Arbeit- tall- und Elektroindustrie (M+E-Industrie), zu geberverbänden der M+E-Industrie organisiert. In den neuen Bundeslän- dern liegt der Anteil mit ca. 6% deutlich niedriger. der zentrale Branchen des verarbeitenden Gewerbes gehören, wurden seit 1997 meh- rere Tarifverträge zur Altersteilzeit geschlos- fragung richtete sich an alle ca. 6 000 Mitgliedsfirmen. Die sen. Der letzte Vertrag, der Tarifvertrag »Bruttoaufstockungs- Rücklaufquote lag mit 1 204 verwertbaren Fragebögen bei modell«, wurde Mitte 2004 vereinbart. Unter anderem sieht rund 20%. Im Folgenden werden die wichtigsten Umfrage- er eine Aufstockung des Verdienstes auf 82% des Vollzeit- ergebnisse vorgestellt, wobei diese – je nach Aussageziel – Nettoeinkommens und einen Ausgleich des Rentenbeitrags entweder mit der Zahl der Betriebe oder mit der Beschäf- auf 90% des Regel-Arbeitsentgeltes vor. tigtenzahl gewichtet wurden.4 Die Auswertung beschränkt sich auf die alten Bundesländer. In den neuen Bundeslän- Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zie- dern ist der Organisationsgrad gering (Für Informationen zur hen in der Regel auch eine Anpassung der Tarifpolitik nach M+E-Industrie und zur Arbeitgeberorganisation vgl. Kasten). sich. Die gravierendste Veränderung für die Altersteilzeit ist der Beschluss, die staatliche Förderung dieser Form des Übergangs in die Rente zum 31.12 2009 auslaufen zu las- Altersteilzeit als Vorruhestandsregelung sen. Für die Tarifparteien stellt sich die Frage, wie sie auf die Reformen reagieren sollen und wie sie ihrerseits die Ta- In den organisierten Unternehmen der M+E Industrie stellt rifpolitik neu ausrichten können. Um die Erfahrungen, Erwar- die Altersteilzeit ein wichtiges Instrument der Personalpoli- tungen und Interessen der Unternehmen angemessen in tik dar. Insgesamt nutzen es rund 50% der Betriebe. In die- ihre Überlegungen einbeziehen zu können, haben die Ar- sen Betrieben arbeiten aber 87% der Beschäftigten, weil die beitgeberverbände der M+E-Industrie (Gesamtmetall) das größeren Betriebe mit 200 und mehr Beschäftigten fast ifo Institut beauftragt, ihre Mitgliedsunternehmen zum The- durchweg Altersteilzeit durchführen (vgl. Tab. 1). Obwohl das ma Altersteilzeit und Altersversorgung zu befragen.3 The- Wort Altersteilzeit zu der Auffassung verführen könnte, dass matisiert wurde also nicht nur die Altersteilzeit, sondern, dem hier tatsächlich Teilzeitarbeit verrichtet wird, ist Altersteilzeit Politikwechsel folgend, auch die betriebliche Altersversor- in der Regel eigentlich ein Mittel der Frühverrentung. Ganz gung. Die im Frühjahr 2007 durchgeführte schriftliche Be- überwiegend wird die Altersteilzeit im »Blockmodell«, bei der auf eine Vollzeitphase eine Freistellungsphase folgt, wahr- genommen. Der Schwerpunkt bei den vereinbarten Laufzei- 2 Bei kleinen Betrieben ist die Fördervoraussetzung auch dann erfüllt, wenn ein Auszubildender eingestellt wird. 3 Das ifo Institut hat bereits 2003 im Auftrag von Gesamtmetall eine Befra- gung zur »Altersteilzeit und Altersversorgung« durchgeführt. Die aktuelle 4 Dieses, als »Designgewichtung« bekannte Vorgehen, passt die Ergebnis- Umfrage baut auf dem Fragenprogramm von 2003 auf. In diesem Aufsatz se an die nach Branchen und Größenklassen bekannten Strukturen der werden aber nur die Ergebnisse der Umfrage 2007 dargestellt. Grundgesamtheit an. ifo Schnelldienst 3/2008 – 61. Jahrgang
Forschungsergebnisse 17 Tab.1 a) Ausgewählte Ergebnisse zur Altersteilzeit (ATZ) in der M+E Industrie Betriebe mit … Beschäftigten 20–49 50–199 200–499 500–999 1 000 + Insg. in % Betriebe mit ATZ 15 68 96 96 99 51 Realisiertes Modell: Blockmodell 96,5 97,7 99,6 99,8 98,7 98,2 kontinuierliches Modell 3,5 2,3 0,4 0,2 1,3 1,8 Wiederbesetzungsquote 71 56 61 61 67 60 Ohne Förderung: Abschaffung ATZ 31 40 33 30 16 35 Abschaffung Anspruch 29 28 37 38 52 30 Leistungsreduzierung 40 32 30 32 32 35 a) Nur Mitgliedsunternehmen der Arbeitgeberverbände der M+E-Industrie in den alten Bundesländern. Gewichtet mit der Zahl der Betriebe. Quelle: ifo-Umfrage zur Altersteilzeit und Altersversorgung in der M+E-Industrie 2007. ten liegt bei sechs Jahren. Davon machen nach Angaben der Regelaltersgrenze liegt. In rund 53% der Betriebe ist das der Betriebe rund 32% aller Altersteilzeitbeschäftigten Ge- der vorherrschende Typ. brauch. 22% strecken ihren Ausstieg aus dem Arbeitsle- ben jeweils über vier oder fünf Jahre, 11% über jeweils zwei Das Altersteilzeitgesetz will mit dem gleitenden Ausschei- oder drei Jahre. den älterer Arbeitnehmer auch eine »Beschäftigungsbrücke« für jüngere Arbeitsuchende bauen. Wenn (Teil-) Arbeitsplät- Die ursprüngliche Intention des Gesetzes war nicht der al- ze geräumt werden, dann können sie mit Arbeitslosen be- ternative Vorruhestand, so wie er sich letztendlich durch- setzt werden oder es kann für das Unternehmen möglich gesetzt hat. Durch das »Gesetz zu Förderung eines gleiten- werden, Auszubildenden nach dem Ausbildungsende zu den Übergangs in den Ruhestand« von 1996 sollte der all- übernehmen. Die Wiederbesetzung der Arbeitsstelle ist die mähliche Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit gefördert wer- wesentliche Voraussetzung dafür, dass die BA die gesetz- den. Faktisch wird beim Blockmodell mit der passiven Pha- lich vorgeschriebenen Zuschüsse übernimmt. Die Mitglieds- se der Ausstieg ruckartig vollzogen. Die Präferenzen der unternehmen von Gesamtmetall gaben an, dass sie im Arbeitnehmer und der Arbeitgeber für den Ausstieg sind Durchschnitt 60% der durch Altersteilzeit frei gewordenen auch in der Metall- und Elektroindustrie an den Umfrageer- Stellen mit Förderung durch die BA wiederbesetzt haben. gebnissen abzulesen. Der Teilzeitübergang – auch als kon- Damit lagen sie deutlich über dem bundesweiten Durch- tinuierliches Modell bezeichnet – spielt in der betrieblichen schnitt der gesamten Wirtschaft, der bei rund einem Drittel Praxis so gut wie keine Rolle. 99% der betroffenen Beschäf- der Stellen liegt. Besonders bei kleineren Betrieben mit bis tigten vollziehen ihre Altersteilzeit im Blockmodell. Dabei ist zu 50 Beschäftigten ist Altersteilzeit überwiegend mit der der faktische Übergang in die Nacherwerbslebensphase in Förderung durch die Bundesagentur und damit mit einer der Mehrzahl der Fälle mit einem vorzeitigen arbeitsrechtli- Wiederbesetzung verbunden. Allerdings ist hier festzuhal- chen Übergang in den Ruhestand gekoppelt. Nach Auskunft ten, dass die Überprüfung der Wiederbesetzung für kleine der Unternehmen gestaltet nur eine Minderheit der betrof- Betriebe sehr reduziert ausfällt. Ein Leistungsanspruch wird fenen Erwerbstätigen ihre Altersteilzeit so, dass sie sich über unwiderleglich vermutet, wenn der Arbeitgeber einen Arbeit- einen Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen (ab- nehmer einstellt oder einen sozialversicherungspflichtigen schlagsfreien) Regelaltersgrenze5 erstreckt. In nur 6% der Auszubildenden beschäftigt. Eine Prüfung, ob dabei ein auf- Betriebe ist das der vorherrschende Ausstiegstyp. Sehr viel häufiger liegt in den Betrieben der Fall vor, dass die Alters- grund von Altersteilzeit freigewordener Arbeitsplatz besetzt teilzeit auf das frühest mögliche rentenrechtlich erlaubte Aus- wird, erfolgt nicht. stiegsalter abzielt. Rund 40% der Betriebe melden dieses Szenario, wobei hier der Übergang in die Rente nicht unbe- dingt auf die Wünsche der Arbeitnehmer zurückzuführen ist, Wiederbesetzung – eine Förderung der sondern in den Betriebsvereinbarungen zwingend vorge- Ausbildung? schrieben sein kann. Überwiegend liegt der Altersteilzeit aber ein Verlaufstyp zugrunde, der auf eine Verrentung im Zeit- Allein an der relativ hohen Wiederbesetzungsquote in der raum zwischen dem frühest möglichen Rentenzugang und M+E-Industrie kann man nicht ablesen, ob die Altersteilzeit eine wirksame Beschäftigungsbrücke ist. Dazu müsste man die Art der Wiederbesetzung, die allerdings nicht Gegen- 5 Die Regelaltersgrenze liegt derzeit bei 65 Jahren. stand der Befragung war, genauer kennen. Für Altersteil- 61. Jahrgang – ifo Schnelldienst 3/2008
18 Forschungsergebnisse Abb. 1 te man nicht einmal behaupten, dass die Al- Wiederbesetzung der durch ATZ frei gewordenen Stellen tersteilzeit ein wirkungsfähiges und kosten- Wiederbesetzungsgruppe seitig vertretbares Förderinstrument der be- Auszubildende in % ruflichen Ausbildung ist. Die Konsequenzen 100 aus der arbeitsmarktpolitisch wenig erfolg- 90 reichen Verabschiedung aus dem Arbeitsle- 80 übernommene Ausgebildete ben hat man bereits gezogen. Die Förderung 70 der Altersteilzeit wird nach derzeitigem Stand 60 nur noch für Arbeitnehmer gewährt, die bis 50 Ende 2009 eine entsprechende Vereinba- 40 sonstige Arbeitslose rung treffen.6 Ab 2010 wird es keine Neuzu- 30 gänge mehr geben. 20 Leistungsempfänger (ALG 1 und 2) 10 0 Altersteilzeit ja – aber bitte mit 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Förderung Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Berechnungen des ifo Instituts. Das Ende der geförderten Altersteilzeit be- Abb. 2 deutet nicht notwendig das Ende der Alters- Bedarf an ATZ und Abhängigkeit von der Förderung, alte Bundesländer teilzeit überhaupt. Wenn sich Arbeitgeber in % der Betriebe und Arbeitnehmer einig sind, so kann sie 100 Ohne BA-Förderung keine Altersteilzeit auch weiterhin über den Zeitraum bis zum 90 Ja, es gibt grundsätzlich künftig geltenden Rentenzugangsalter ver- einen Bedarf an ATZ 80 einbart werden. Einen grundsätzlichen Be- 70 darf an diesem personalpolitischen Instru- 60 ment sehen die Betriebe in der M+E-Indus- 50 trie mehrheitlich jedenfalls schon. In der Be- 40 fragung gaben dies insgesamt 61% an (vgl. Abb. 2). Allerdings wird die Rolle der Alters- 30 teilzeit in der Zukunft von den Groß- und 20 Kleinunternehmen deutlich unterschiedlich 10 bewertet. Bei den Kleinunternehmen (bis zu 0 50 Beschäftigten) sieht nur knapp die Hälf- 20–49 50–199 200–499 500–999 1 000 u. m. insgesamt Beschäftigungsgrößenklassen te einen Bedarf, während etwas mehr als 90% der Großunternehmen (1 000 und Quelle: ifo-Umfrage zur Altersteilzeit und Altersversorgung in der M+E-Industrie 2007. mehr Beschäftigte) diese Erwartung teilen. Trotz des Bedarfs bekunden die Betriebe zeit insgesamt liegen jedoch Zahlen der BA vor, die die Ver- aber überwiegend, dass sie Altersteilzeit nicht realisieren mutung nahe legen, dass die beschäftigungspolitischen werden, wenn die Förderung durch die BA im Falle der Wie- Erfolge gering sind. Der Anteil der eingegliederten Leistungs- derbesetzung wegfällt. Für fast drei Viertel der Verbands- empfänger an allen geförderten Altersteilzeitstellen ging von mitglieder in der M+E-Industrie spielt sie eine erhebliche etwas mehr als 50% im Jahr 1997 auf knapp 25% zurück Rolle bei der Entscheidung für die Altersteilzeit. Gerade die (vgl. Abb. 1). Am weitaus häufigsten werden junge Arbeit- kleinen Unternehmen, die ja auch die höchste Wiederbe- nehmer nach Abschluss ihrer Ausbildung vom Betrieb über- setzungsquote aufweisen, schließen Altersteilzeit ohne För- nommen. Seit das Gesetz auch die Einstellung von sozial- derung nahezu aus. versicherungspflichtigen Auszubildenden bei den kleineren Betrieben zu den Fördergründen zählt, werden noch weite- re 5% der durch Altersteilzeit frei gewordenen Stellen mit ATZ – Ende oder Wiederbelebung? Nicht-Arbeitslosen besetzt. Damit dürfte die ursprüngliche Rechtfertigung der Leistungserstattung, die auf der Gegen- Auf der Basis der Altersteilzeitgesetzgebung entwickelte sich rechnung mit den eingesparten Arbeitslosenausgaben be- auch eine tarifliche Ausgestaltung, bei der Ansprüche und ruhte, hinfällig sein. Durch die Einstellung und Übernahme (Zusatz-)Leistungen definiert wurden. Das Auslaufen der BA- von Auszubildenden könnten zwar auch Einsparungen ent- standen sein. Noch mehr aber ist zu vermuten, dass hier 6 Für den Staat ist aber auch dann die Altersteilzeit nicht kostenneutral, denn erhebliche Mitnahmeeffekte aufgetreten sind. Somit könn- die Steuer- und Abgabenfreiheit der Aufstockungszahlungen bleibt erhalten. ifo Schnelldienst 3/2008 – 61. Jahrgang
Forschungsergebnisse 19 Förderung bringt dieses Gefüge ins Wanken. Die Gewerk- dass sich Langzeitkontenmodelle, vor allem bei Großun- schaftsseite setzt sich für eine Fortsetzung der Altersteilzeit- ternehmen, noch weiter durchsetzen werden. regelungen inklusive Förderung durch die BA ein. Aus Sicht der Unternehmen stellt sich die Zukunft der tariflichen Re- gelungen anders dar. Aus den Umfrageergebnissen lässt Altersvorsorge statt Vermögensbildung sich ablesen, dass sie nach dem Auslaufen der BA-Förde- rung die Tarifverträge zur Altersteilzeit zu rund je einem Drit- Da sich die Politik von den Programmen der Frühverren- tel ganz abgeschafft oder in den Leistungen reduziert se- tung und des erleichterten Übergangs in die Nacherwerbs- hen möchten. Ein weiteres knappes Drittel wünscht sich phase weitgehend verabschiedet hat, müssen auch die Ta- als Reaktion auf die eingestellte Förderung eine Streichung rifpartner ihre Ausrichtung überdenken und neue Verhand- des Anspruchs der Arbeitnehmer (vgl. Tab. 1). Großunter- lungsziele definieren. Die politische Richtung hat sich auf nehmen mit 1 000 u. m. Beschäftigten wünschen sich die die Herausforderungen der Alterssicherung verlegt und tarifvertragliche Abschaffung deutlich seltener als kleinere stärkt dabei u. a. die kapitalgedeckte private Altersvorsor- Unternehmen. Für sie steht die Aufhebung des Anspruchs ge, welche die Lücken füllen soll, die sich beim staatli- im Vordergrund. chen Umlagesystem auftun. Das bekannteste Ergebnis die- ser Politik ist die »Riester-Rente«. Zu den bereits vorhan- Auch wenn sich die Politik von einer vorgezogenen Been- denen Bausteinen einer betriebliche Altersversorgung wur- digung des Erwerbslebens abgewendet hat, bleibt das The- de im April 2006 in der M+E-Industrie mit dem Tarifvertrag ma »Flexibilität des Ausstiegs« wohl auch weiterhin auf altersvorsorgewirksame Leistungen (TV AVWL) ein weite- der politischen Agenda und auf dem Forderungskatalog rer hinzugefügt. Mit diesem TV wurde der bestehende Ver- der Tarifpartner. Dass man der Altersteilzeit über die vor- trag über vermögenswirksame Leistungen von den Tarif- gesehene Frist hinaus wieder Leben einhauchen könnte, parteien zu einem Versorgungselement umgewandelt. Ver- ist unwahrscheinlich. Zu teuer für Sozialkassen sind sol- mögenswirksame Leistungen wurden als weitgehend un- che Programme, die es vor allem den Großunternehmen wirksam angesehen, um eine gerechtere Vermögensver- möglich machen, ihre Belegschaft zu verkleinern und zu teilung zu erreichen. Stattdessen sollen die 26,59 € die verjüngen. Die Vorruhestandorientierung ist damit nicht ver- ein Arbeitgeber monatlich leistet, zusammen mit den Bei- schwunden, sowohl Betriebe als auch Arbeitnehmer ha- trägen der Arbeitnehmer in die Altersversorgung fließen. ben ein Interesse an Optionen für eine flexible Gestaltung Den Arbeitnehmern stehen dabei prinzipiell verschiedene des Übergangs in den Ruhestand. Nach den richtigen, kon- Anlageformen zur Verfügung. Am häufigsten wurden in der sens- und vor allem tragfähigen Regelungen wird noch ge- Umfrage von den Betrieben »Riester-Verträge« und Ent- sucht. Unter den Alternativen zur Altersteilzeit legt man geltumwandlung genannt (44%). Mit steigender Betriebs- bei Gesamtmetall viel Wert auf »Lebensarbeitszeitkonten«. größe gewinnt auch die arbeitgeberfinanzierte betriebli- Künftig wollen die Verbände dieses Instrument verstärkt che Altersvorsorge, die von einer freiwilligen Betriebsver- einsetzen, um den Mitgliedsfirmen eine altersgerechte Per- einbarung abhängt, für die Verwendung der AVWL an Be- sonalpolitik zu erleichtern. Dabei geht es um das lebens- deutung. Bei bestehenden Wahlmöglichkeiten haben sich lange Ansparen von Arbeitszeitguthaben, die dann im hö- die Arbeitnehmer überwiegend (60%) für die Entgeltum- heren Alter zur Reduktion der Arbeitszeit oder zu einem frü- wandlung entschieden. heren Ausstieg aus der Berufstätigkeit ohne Einkommens- verluste eingesetzt werden können. Nach einem mit einem großen Finanz- und Versicherungsdienstleister vereinbar- Betriebliche Altersversorgung ten Modell können die Unternehmen Arbeitszeitguthaben nach Art einer Lebensversicherung, einer Überschussbe- Die betriebliche Altersversorgung ist eine der Säulen der teiligung oder einem Fonds anlegen. Die konkrete Ausge- Sicherung des Lebensstandards im Alter, auf die immer staltung der Finanzierung sowie die mögliche Verwendung mehr Hoffnung gesetzt wird. Um dieser Säule mehr Ge- – neben einem früheren Ruhestand ist auch an eine Aus- wicht zu verleihen, wurden in den vergangenen Jahren auch zeit zur beruflichen Weiterbildung oder Ähnlichem zu den- die Rahmenbedingungen verbessert. So wurde für Arbeit- ken – liegt bei den Vereinbarungen auf betrieblicher Ebe- nehmer seit 2002 das Recht auf Entgeltumwandlung ein- ne. Bis auf weiteres sind in den meisten Tarifbezirken je- geführt. Teile des Arbeitsentgeltes können steuer- und so- doch die tarifpolitischen Voraussetzungen noch nicht er- zialabgabenfrei zum Aufbau einer betrieblichen Alterver- füllt. Nur in wenigen dieser Bezirke ist der Weg für die Um- sorgung eingesetzt werden. Die ursprünglich vorgesehe- setzung von Arbeitszeitkonten frei. Das erklärt zum Teil ne Befristung der Sozialabgabenbefreiung bis 2008 wur- die Befragungsergebnisse zu diesem Thema. Nur in rund de inzwischen aufgehoben. Neben dieser arbeitnehmerfi- 7% der Betriebe werden Langzeitarbeitskonten bereits an- nanzierten Form der betrieblichen Vorsorge gibt es, so- geboten. Darüber hinaus prüft ein Fünftel der Befragten weit das Unternehmen diese Option anbietet, auch eine eine Einführung dieses Instruments. Das deutet darauf hin, arbeitgeberfinanzierte Form. 61. Jahrgang – ifo Schnelldienst 3/2008
20 Forschungsergebnisse Tab. 2 allem mit der »Riester-Rente« eine Alternati- Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ve, die, je nach Familien- und Einkommens- Betriebliche AV Anspruch / a) verhältnissen, attraktiver sein kann, niedrige b) vorhanden Nutzung Einkommensgruppen tun sich schwer, noch c) Betriebe Beschäf- Beschäftigte c) extra Geld zurückzulegen und, da zum Be- tigte des Tarifbereichs d) fragungszeitpunkt noch die Aufhebung der Anteile in % Sozialabgabenfreiheit der umgewandelten Arbeitgeberfinanzierte bAV 53 74 55 Entgelte im Jahr 2008 beschlossen war, hiel- Arbeitnehmerfinanzierte bAV (Entgeltumwandlung) 88 95 26 ten sich vielleicht auch einige Arbeitnehmer a) Ansprüche aus einer arbeitgeberfinanzierten Altersversorgung. – zurück. Berechnungen zeigen, dass speziell b) Arbeitnehmer die im März 2007 Entgeltumwandlung (ohne AVWL) für Niedrigverdiener die Entgeltumwandlung c) betrieben. – Alte Bundesländer. Gewichtet mit der Zahl der Betriebe. – d) Alte Bundesländer. Gewichtet mit der Beschäftigtenzahl in den ohne Beibehaltung der Sozialabgabenfreiheit Betrieben. im Vergleich zu den Alternativen (Riester-Ren- Quelle: ifo-Umfrage zur Altersteilzeit und Altersversorgung in der M+E- ten oder Direktzusage) unattraktiv ist (vgl. Industrie 2007. Recktenwald und Krüger 2005). Die Umfrage bei den in den Arbeitgeberverbänden organi- sierten M+E-Industriebetrieben zeigt, dass die betriebliche Fazit Altersvorsorge etabliert ist, gleichzeitig aber auch noch Po- tential zu einem weiteren Ausbau haben dürfte. In mehr als Die organisierten Unternehmen der M+E-Industrie haben die der Hälfte der Betriebe war eine arbeitgeberfinanzierte Ver- bisherige und noch wirksame Politik des vorzeitigen Über- sorgung zu einem der vorgegebenen Stichtage7 vorhanden gangs in den Ruhestand genutzt, um Beschäftigung abzu- (vgl. Tab.2). Mit der Betriebsgröße stieg auch die Häufigkeit bauen oder zu verjüngen. Dabei haben sich gesetzliche Rah- mit der eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversor- menvorgaben und Tarifverträge wirksam ergänzt. Die Ak- gung angeboten wurde. Somit fiel auch der Anteil der Be- zeptanz der Altersteilzeit als vorherrschende Form dieses schäftigten in Betrieben mit einem Angebot an alle Beschäf- zumindest faktisch frühzeitigen Übergangs in die Nacher- tigten mit drei Viertel deutlich größer aus. Allerdings hatten werbsphase ist bei den Unternehmen und den Arbeitneh- nicht alle Beschäftigten einen Anspruch auf diese Alterssi- mern sehr hoch. Das ändert sich jedoch mit einer Politik, die cherung. In rund einem Fünftel der Betriebe stellt die Zug- sowohl die Förderung solcher tarifvertraglichen Vereinbarun- hörigkeit zu einer bestimmten Arbeitnehmergruppe eine An- gen einstellen wird, als auch u.a. durch die Verlängerung des spruchsvoraussetzung dar. Bezogen auf alle Beschäftigten gesetzlichen Rentenzugangsalters insgesamt auf eine Be- der Grundgesamtheit haben zum Zeitpunkt der Umfrage et- endigung der Frühverrentungspraxis und eine Sicherung der was mehr als die Hälfte (55%) einen Anspruch aus einer ar- Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung ab- beitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung. zielt. Noch befindet man sich in einer Übergangsphase, aber es ist an den Umfrageergebnissen abzulesen, dass die Un- ternehmen die bisherige Praxis ohne Förderung durch die Entgeltumwandlung BA mehrheitlich nicht fortführen wollen. Darauf wird sich die zukünftige Tarifpolitik einstellen müssen. Aufgrund der andersartigen Voraussetzungen gibt es in deut- lich mehr Unternehmen eine arbeitnehmerfinanzierte als ei- Der Politikwechsel hin zur Stärkung der privaten Altersvor- ne arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersvorsorge. Knapp sorge stellt die Unternehmen genauso wie die Arbeitnehmer 90% der Mitgliedsunternehmen der Arbeitgeberverbände in und ihre jeweiligen Organisationen vor die Aufgabe, die be- der M+E-Industrie meldeten, dass diese Form der Vorsorge triebliche Altersvorsorge zu stärken. Grundlagen sind mit (Entgeltumwandlung) angeboten wurde (vgl. Tab. 2). Bei den den Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung und zur Um- großen Unternehmen liegt die Quote bei fast 100%. Im Durch- leitung der vermögenswirksamen Leistungen auf die alters- schnitt wurden mit dem Angebot ca. 95% der Beschäftig- vorsorgewirksamen Leistungen gelegt. ten erreicht. Deutlich seltener wurde das Angebot allerdings realisiert. Nur rund ein Viertel der Beschäftigten der Grund- gesamtheit legten einen Teil ihres Arbeitentgeltes unter die- Literatur ser Vorsorgeform zurück. Es gibt vielfältige Gründe für die- se relativ niedrige Quote. Zur Entgeltumwandlung gibt es vor Gesamtmetall (2007), Altersteilzeit und Altersversorgung in der M+E-Indus- trie, M+E-Materialien, Gesamtmetall, Berlin. Gesamtmetall (2007), div. Statistiken, http://www.gesamtmetall.de. Recktenwald und Krüger (2005), »Geförderte betriebliche Altersversorgung – Ein Vergleich zwischen Eichel-, Riester und Rürup-Förderung«, Betriebli- 7 Folgende Stichtage, die das Inkrafttreten von Tarifverträgen markieren, che Altersversorgung 60(4), 336–341. wurden vorgegeben: 31. Dezember 2001; 30. September 2003; 1. Okto- ber 2006. ifo Schnelldienst 3/2008 – 61. Jahrgang
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