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Didaktik der Physik Frühjahrstagung – virtuell 2021 Das Stellarium Gornergrat Sascha Hohmann*, Stéphane Gschwind+, Andreas Müller+, Jeffrey Nordine*, Timm RiesenX *IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, +Université de Genève, X Universität Bern hohmann@leibniz-ipn.de Kurzfassung Der Gornergrat in der Nähe des Matterhorns in der Schweiz ist einer der besten Standorte für ast- ronomische Forschung in Mitteleuropa. Bis 2010 wurde hier internationale Forschung betrieben, seitdem wird das Observatorium als pädagogisches robotisches Teleskop mit hervorragenden In- strumenten genutzt. Lehrende können für unterschiedliche Altersstufen über ein Webportal verschiedene pädagogische Aktivitäten buchen. Zu jeder Aktivität stehen Erläuterungen, Arbeitsblätter sowie Beobachtungs- aufträge zur Verfügung, die von den Lernenden selbstständig online gebucht und daraufhin vom Teleskop eigenständig aufgenommen werden können. Diese sind wenig später auf dem Portal ab- rufbar und können ausgewertet werden. In diesem Beitrag werden das Grundkonzept des Stellarium Gornergrat sowie einige Beispielakti- vitäten vorgestellt. 1. Einleitung Mittlerweile gibt es mehrere Remote-Teleskope, die Durch die flächendeckende Verfügbarkeit von sich an Schulen und die Öffentlichkeit (Citizen Sci- schnellem Internet – selbst an entlegenen Orten – ence) richten – und das aus gutem Grund. Das hohe bieten sich in der Astronomiedidaktik Möglichkei- Interesse und damit einhergehend die motivierende ten, die vor wenigen Jahrzehnten noch undenkbar Wirkung von astronomischen und astrophysikali- waren. Eine dieser Möglichkeiten ist der Einsatz von schen Themen ist eindeutig belegt [4], es lohnt sich Remote-Teleskopen, also ferngesteuerten oder sogar also, derartige Themen im Unterricht einzubauen. autonom arbeitenden Teleskopen, mit deren Hilfe Gleichzeitig ermöglichen Remote-Teleskope die sich aus dem Klassenzimmer eigene astronomische Aufnahme von eigenen, wissenschaftlichen Daten Bilder aufnehmen lassen. und gleichzeitig das Arbeiten an echten wissen- schaftlichen Problemen, was ebenfalls positive Ef- Remote Teleskope sind im wissenschaftlichen Be- fekte auf Motivation und Lerneffekte hat [5, 6]. reich schon seit langer Zeit üblich, da sie nicht auf Gerade die Anreise zu den entlegenen Orten, an die Anwesenheit des Forschenden am Standort des denen die besten Beobachtungsbedingungen herr- Teleskopes erfordern – je nach Teleskop ist entwe- schen, ist mit einer ganzen Schulklasse aber auf- der ein Techniker vor Ort oder das Teleskop arbeitet wändig und teuer und damit in den meisten Fällen vollständig autonom. Dies ermöglicht es, Teleskope unmöglich, daher bieten sich Online-Lösungen dafür an unzugänglichen Orten aufzustellen, da diese oft- an. mals die besten Beobachtungsbedingungen (wenig Lichtverschmutzung, geringe Luftfeuchtigkeit, große Gleichzeitig bieten diese Online-Lösungen einen Höhe) bieten. Viele der besten Teleskope der Welt Einblick in die Arbeit von Astronomen und Astro- befinden sich daher in der Atacama-Wüste in Chile physikern: Die wenigsten Wissenschaftler sind vor [1], die Remote-Steuerung ermöglicht aber auch den Ort, wenn ein Teleskop Bilder aufnimmt, sondern Schritt aus der Atmosphäre in den Weltraum, wie sie buchen Beobachtungszeit an einem Instrument, das Hubble Space Telescope und andere Weltraum- das sich eventuell am anderen Ende der Welt befin- teleskope schon seit vielen Jahren eindrucksvoll det – dies unterscheidet sich stark von der Vorstel- beweisen (siehe [2] für eine detaillierte Beschrei- lung vom Astronomen, der nachts durch sein Tele- bung). skop die Sterne beobachtet. Mit den neuen, über die ganze Welt verstreuten Klar ist aber auch, dass ein Remote-Teleskop nicht Teleskopen wurden in den Sternwarten Europas und den eigenen Blick durch ein Teleskop ersetzen kann Nordamerikas Kapazitäten frei, die teilweise zu und soll. Damit die Schülerinnen und Schüler den Bildungszwecken freigegeben wurden. Ein frühes Prozess von der Bestellung eines Bildes über die (aber noch bestehendes) Beispiel ist das berühmte Aufnahme bis hin zur Bereitstellung nachvollziehen Mt. Wilson Observatorium in Kalifornien, das im können sollte dies zuvor im Unterricht besprochen Jahr 1993 im Zuge des TIE-Projektes (Telescopes in und eine eigene visuelle Beobachtung mit einem Education) 36 Beobachtungsnächte zu Bildungs- Teleskop vor Ort durchgeführt werden [7]. zwecken bereitstellte [3]. 35
Hohmann et al. Abb. 1: Das Stellarium Gornergrat (linke Kuppel) mit dem Kulmhotel Gornergrat und mit Blick auf das Matterhorn. Foto: T. Riesen, https://stellarium-gornergrat.ch/. Um einen sinnstiftenden Einsatz der Remote- werden. Diese werden dann vom Teleskop automa- Teleskope zu gewährleisten genügt es aber nicht, nur tisch durchgeführt und anschließend zum Download Bilder mit einem Teleskop aufzunehmen. Wesentli- bereitgestellt. Zusätzlich zu reinen Beobachtungen cher Bestandteil des Lernprozesses ist natürlich auch stehen aber auch vollständig ausgearbeitete Aktivitä- die Arbeit mit den aufgenommenen Daten. Da die ten für verschiedene Altersstufen – von der Grund- Entwicklung entsprechender Aktivitäten zeitauf- schule (ab etwa 8 Jahren) bis zum Ende der Schul- wändig ist und auch ein vertieftes astronomisches zeit – zur Verfügung. Diese beinhalten alle nötigen Hintergrundwissen erfordert, kann dies nicht von Informationen für Lehrende und Lernende, Arbeits- allen Lehrkräften geleistet werden. Entsprechende blätter, Aufgaben und natürlich die zugehörigen Angebote sind demensprechend zentral für Remote- Beobachtungsaufträge auf Deutsch und Französisch, Teleskope im Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeits- so dass das zuvor angesprochene geringe Angebot bereich, wie es etwa beim englischsprachigen Faul- erweitert wird. Für besonders interessierte Schüle- kes Telescope Project (http://www.faulkes- rinnen und Schüler gibt es auch die Möglichkeit, telescope.com/) der Fall ist. Im deutsch- und franzö- Matura- bzw. Facharbeiten anzufertigen, wobei das sischsprachigen Raum ist das Angebot von speziell Stellarium die technische Unterstützung übernimmt, zugeschnittenen Materialien nach unserem Kennt- während die grundlegende Betreuung durch eine nisstand deutlich geringer. Lehrkraft erfolgt. Für den Fall, dass Beobachtungen aufgrund des 2. Das Stellarium Gornergrat – Geschichte und Konzept Wetters oder technischer Probleme fehlschlagen sollten, stehen für alle Aktivitäten archivierte Bilder Seit den 1960er Jahren befindet sich auf dem Gor- zur Verfügung. Das gesamte Angebot ist selbstver- nergrat in der Südschweiz, ganz in der Nähe des ständlich kostenlos, lediglich eine Registrierung im Matterhorns und oberhalb von Zermatt, eine Stern- Online-Portal ist notwendig. warte. Hier wurde bis in die 2010er Jahre astronomi- sche Spitzenforschung betrieben [8]. Durch die ho- Standort Hauptaufgabe he, abgeschiedene Lage bieten sich hervorragende Universität Bern Management und Tech- Beobachtungsbedingungen – nur wenige Orte in (Schweiz) nik Mitteleuropa weisen eine derart geringe Lichtver- Universität Genf Entwicklung pädagogi- schmutzung in Kombination mit trockener Atmo- (Schweiz) scher Aktivitä- sphäre auf. Trotzdem sind die Bedingungen in Chile ten/Sequenzen nochmals besser, so dass die astronomische For- Hochschule für Technik Software schung am Gornergrat eingestellt wurde. Die Uni- und Architektur Frei- versitäten Bern und Genf wollten den Standort aber burg (Schweiz) nicht einfach aufgeben, so dass das Konzept des Institut für die Pädago- Entwicklung pädagogi- Stellarium Gornergrat entwickelt wurde – des ersten gik der Naturwissen- scher Aktivitä- Remote Teleskops der Schweiz, das nur zu Bil- schaften und Mathema- ten/Sequenzen dungs- und Öffentlichkeitsarbeitszwecken genutzt tik (IPN) in Kiel wird. 2017 wurde die Sternwarte in der linken Kup- (Deutschland) pel in Abbildung 1 in Betrieb genommen (siehe auch Tab. 1: Hauptstandorte- und Aufgaben. [9, 10]), mittlerweile sind hauptsächlich vier Stand- orte daran beteiligt (siehe Tab. 1). Mehr als 2800 Buchungen im Jahr 2019 und mehr als 2000 im Jahr 2020 (trotz Schulschließungen Das Stellarium Gornergrat richtet sich dabei insbe- wegen der Corona-Pandemie) zeigen, dass das Pro- sondere an Schulen. Mithilfe des pädagogischen jekt bereits gut angenommen wird. Insgesamt ist Portals auf der Website (https://stellarium- etwa die Hälfte der Buchungen erfolgreich, ein Vier- gornergrat.ch/) können Beobachtungen gebucht tel der Nächte bietet perfekte Beobachtungsbedin- 36
Das Stellarium Gornergrat gungen (d.h. die gesamte Nacht ist praktisch wol- Arbeitsblätter und zusätzlichen Informationen). Die kenfrei). freien Beobachtungen sind also insbesondere bei schulischen Ideen und Projekten geeignet, bei denen 3. Das Internetportal eigene Bilder benötigt werden. Ein zentraler Bestandteil des Stellarium Gornergrat Wir sind immer an Projektideen, die auf freien Be- ist das Internetportal, über das sämtliche Buchungen obachtungen basieren, interessiert! bequem erledigt werden können. Das Portal ist über die Website erreichbar, im Anhang befinden sich Aktivität Stufe Status einige Screenshots des Portals und des Buchungs- Berge auf dem Mond B/C Fertig vorgangs. Hier findet man eine Liste aller buchbaren Das Einmaleins des B Fertig Beobachtungen, unterteilt in drei Kategorien: Nachthimmels Der Krebsnebel C Fertig 3.1. Pädagogische Aktivitäten Die Phasen des Mondes A Fertig Pädagogische Aktivitäten sind das Kernstück des Die Wanderung der Sterne A Fertig Stellarium Gornergrat. Hier findet man komplett Jupiters Großer Roter B/C Fertig ausgearbeitete Aktivitäten, die meistens zwischen Fleck zwei und vier Schulstunden füllen. Die Aktivitäten Cepheiden D In Arbeit bestehen aus Lehrer- und Schülerdokumenten, die Exoplaneten D In Arbeit teilweise noch um Zusatzdokumente ergänzt wer- Parallaxe C In Arbeit den. Tab. 2: Fertige und geplante Aktivitäten. In den Lehrerdokumenten sind sowohl allgemeine Informationen zu Lernzielen, Lernmethoden, veran- 3.3. Maturaarbeiten schlagter Zeit und Schwierigkeitsstufe bzw. Voraus- Am Stellarium können auch Matura- bzw. Fachar- setzungen als auch Arbeitsblätter mit Lösungen beiten angefertigt werden, die aber durch eine Lehr- enthalten. Die Schülerdokumente enthalten die ent- kraft an der eigenen Schule betreut werden. Die sprechenden Arbeitsblätter ohne Lösung sowie In- unter Maturaarbeiten gespeicherten Beobachtungen formationen zu den Beobachtungsaufträgen. entstammen weitestgehend aus abgeschlossenen Die Aktivitäten werden dabei in vier Schwierigkeits- oder noch laufenden Arbeiten und bieten eine Orien- stufen unterteilt, wobei bei jeder Aktivität die detail- tierung, was am Stellarium möglich ist. Auf der lierteren Voraussetzungen nochmals aufgelistet Homepage findet sich unter dem Reiter „Matura“ werden: auch eine Auflistung bereits abgeschlossener Arbei- A. Allgemeine Öffentlichkeit und Kinder von ten. Mögliche Themen sind etwa die Detektion von 8 bis 15 Jahren (Primar- und Sekundarstufe Exoplaneten, Distanzmessungen mit unterschiedli- I). Es sind weder physikali- chen Methoden oder Astrofotografie mit einem sche/astronomische noch mathematische Fokus auf Bildbearbeitung. Grundkenntnisse erforderlich. 4. Die Instrumente B. Kinder und Jugendliche von 13 bis 16 Jah- ren (Sekundarstufe I). Elementare Grundla- Nicht jedes Teleskop eignet sich zur Beobachtung gen der Mathematik, Physik und Astrono- von jedem Objekt, daher ist das Stellarium Gorner- mie sind erforderlich. grat mit einer Auswahl an Instrumenten (3 Telesko- C. Jugendliche von 16 bis 19 Jahren (Ende pe, eine Spiegelreflexkamera für ausgedehnte Struk- Sekundarstufe I bis Sekundarstufe II). Es turen und eine AllSky Kamera) ausgestattet. Diese werden komplexere Themen behandelt, die ermöglichen die Beobachtung unterschiedlichster insbesondere einen höheren Mathematisie- Objekte. Vier der fünf Instrumente können über das rungsgrad aufweisen. Auch physikalische Internetportal angesteuert werden, eines ist für visu- und astronomische Grundlagen und Grund- elle Beobachtungen vor Ort ausgerüstet. Die Tele- vorstellungen werden vorausgesetzt. skope und die Spiegelreflexkamera sind an einer D. Besonders motivierte Jugendliche, spezielle Hauptmontierung befestigt und können automatisch Astronomiekurse und Maturaarbeiten (Se- mit verschiedenen Geschwindigkeiten nachgeführt kundarstufe II). Es werden komplexere, of- werden, um längere Belichtungszeiten zu ermögli- fenere Probleme behandelt, die einen um- chen. fangreichen mathematischen Apparat und fortgeschrittene Kenntnisse in Physik und Astronomie voraussetzen. Es steht eine stetig wachsende Anzahl an Aktivitäten zur Verfügung (siehe Tab. 2). 3.2. Freie Beobachtungen Freie Beobachtungen ermöglichen die Buchung von Bildern ohne weitere, zugehörige Dokumente (wie 37
Hohmann et al. 4.1. Das DeepSky Teleskop TAO 150 mit einer Öffnung von 150 Millimetern Das größte Instrumente ist ein 60cm Riccardi Fast und einer Brennweite von 1100 Millimetern (Abb. Astrograph (RiFast) von Officina Stellare mit einer 4). In Kombination mit einer großen Auswahl an Brennweite von 2280 Millimetern (siehe Abb. 2). Okularen handelt es sich um einen guten Allrounder, Mit ihm kann man insbesondere lichtschwache Ob- auch wenn die visuelle Beobachtung nicht die jekte wie Galaxien und Nebel abbilden (siehe z.B. Hauptaufgabe des Stellarium Gornergrat ist. Abb. 7), es ist aber auch zur Beobachtung ausge- 4.4. ConstellationCam dehnter Objekte (etwa des Vollmondes) geeignet. Für große, ausgedehnte Strukturen wie Sternbilder Dank CCD Kamera und Filterrad (RGB und klar) und Konstellationen steht die ConstellationCam zur sind auch Farbaufnahmen möglich, zudem stehen Verfügung (Abb. 3). Es handelt sich um eine Canon diverse spezielle Filter (wie ein H-Alpha-Filter so- 60Da Spiegelreflexkamera mit einem Canon 24-105 wie Filter mit engen Durchlassbereichen) zur Verfü- Millimeter Objektiv, geschützt von einem Gehäuse gung. der Universität Bern. Abb. 4: Das visuelle Teleskop und die ConstellationCam. Abb. 2: Das RiFast-Teleskop. Credit: Stellarium Gorner- Credit: Stellarium Gornergrat. Foto: T. Riesen, grat. Foto: T. Riesen, https://stellarium- https://stellarium-gornergrat.ch/instrumente/. gornergrat.ch/instrumente/. 4.5. Die AllSky-Kamera 4.2. Der Planetenjäger Außerhalb der Kuppel befindet sich das letzte In- Die Beobachtung von Planeten erfordert ein deutlich strument: Die AllSky-Kamera (Abb. 5). Hierbei kleineres Sichtfeld – der Takashi Mewlon 250 Re- handelt es sich um eine OMEA 8M Monochrome flektor (Abb. 3) ist mit einem Sichtfeld von 1,5 mal von Alcore, die mithilfe einer Fisheye-Linse den 2 Bogenminuten, einer Öffnung von 250 Millime- gesamten Himmel abbilden kann (siehe Abb. 6). tern und einer Brennweite von 3000 Millimetern Anders als die übrigen Instrumente ist die AllSky- perfekt dafür geeignet (siehe Abb. 3, unten links). Kamera auch tagsüber aktiv, man kann also den Mit dem Teleskop können aber auch einzelne Krater Lauf der Sonne, aber auch der Sterne beobachten – auf dem Mond abgelichtet werden. Die angeschlos- oder einfach das Wetter überprüfen. sene Kamera kann nicht nur Farbbilder, sondern auch Videos aufnehmen. Abb. 3: Der Planetenjäger mit einer Aufnahme von Jupi- ter. Credit: Stellarium Gornergrat,. Foto: T. Riesen, Abb. 5: Die AllSky-Kamera. Credit: Stellarium Gorner- https://stellarium-gornergrat.ch/instrumente/. grat. Foto: T. Riesen, https://stellarium- gornergrat.ch/instrumente/. 4.3. Visuelles Teleskop Um auch bei Führungen eine Beobachtung zu er- 5. Beispielaktivitäten möglichen steht ein visuelles Teleskop ohne ange- Im Folgenden werden ein paar Beispielaktivitäten schlossene Kamera zur Verfügung – ein Takashi kurz vorgestellt. Detaillierte Informationen und 38
Das Stellarium Gornergrat weitere Aktivitäten findet man entweder in den Do- 5.3. Berge auf dem Mond (Stufe C) kumenten zur jeweiligen Aktivität auf der Homepa- Mit älteren Schülerinnen und Schülern können auch ge oder bei Ekström et al. [9] bzw. Gschwind et al. mathematisch anspruchsvollere Themen behandelt [10]. werden. So kann beispielsweise mithilfe geometri- 5.1. Die Wanderung der Sterne (Stufe A) scher und trigonometrischer Methoden anhand ihrer Die Wanderung der Sterne ist eine Aktivität, die sich Schattenwürfe die Höhe von Bergen auf dem Mond auch als Einstieg in die Astronomie anbietet. Mithil- bestimmt werden (Abb. 8) – ähnlich der Methode, fe der AllSky-Kamera wird der Nachthimmel in wie Galileo es gemacht hat. Dies ist (auch) aus his- regelmäßigen Abständen fotografiert, so dass die torischen Gründen interessant, schließlich war die Bewegung der Sterne infolge der Erdrotation sicht- Erkenntnis, dass der Mond keine perfekte Kugel ist, bar wird. Hierbei werden einige Grundlagen der ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem Astronomie gelegt: Die Schülerinnen und Schüler modernen Weltbild. lernen, wie Tag und Nacht entstehen, wieso sich Sterne zu bewegen scheinen und auch, was zirkum- polare Sterne sind. Abb. 6: Aus mehreren Einzelaufnahmen überlagertes Bild zur Wanderung der Sterne, aufgenommen mit der AllSky- Kamera. Foto: S. Hohmann. 5.2. Galaxien-Zoo (Stufe B) Für Lernende, die bereits ein paar Grundlagen der Astronomie kennen, bietet sich beispielsweise die Aktivität „Galaxien-Zoo“ an. Hier werden verschie- dene Galaxientypen behandelt und reale Galaxien werden diesen zugeordnet sowie nach der Hubble- Sequenz klassifiziert. Diese Aktivität zeigt auch die Leistungsfähigkeit des DeepSky-Teleskopes (Abb. 7). Abb. 8: Bild des Halbmondes und geometrische Methode zur Bestimmung der Höhe der Berge auf dem Mond. Foto: J. Weder, untere Abb.: S. Hohmann. Abb. 7: M81 und M82. Foto: M. Longhitano. 39
Hohmann et al. Abb. 9: Nachweis des Exoplaneten Kelt-23 a mithilfe eines Transits (blaue Kurve) im Vergleich zu einigen Referenzsternen .Bild: Alexis Graf [13, S. 21]. 5.4. Exoplaneten (in Arbeit, Stufe D) 6. Ausblick Mit fortgeschrittenen Lernenden kann man sich mit Für die Zukunft sind deutliche Erweiterungen des aktueller Forschung beschäftigen – beispielsweise Stellarium Gornergrat geplant. Es werden permanent mit der Suche nach Planeten in anderen Sternensys- neue Aktivitäten entwickelt und bereits bestehende temen. Dies ist insbesondere bemerkenswert, da Aktivitäten werden verbessert, zudem wird das An- Exoplaneten die Voraussetzung für außerirdisches gebot auf weitere Sprachen ausgedehnt (aktuell Leben außerhalb des Sonnensystems sind, das ist Deutsch und Französisch, geplant sind weiterhin Platz 1 der Themen, die von Schülerinnen und Schü- Italienisch und Englisch). lern als interessant eingestuft werden [4]. Dazu kommt, dass die erste Entdeckung eines Exoplane- Aber nicht nur die Weiterentwicklung des Angebots ten, der einen Hauptreihenstern umkreist, gerade an einzelnen Aktivitäten ist angedacht, auch die etwas mehr als 25 Jahre her ist (51 Pegasi b im Jahr Verknüpfung der Aktivitäten untereinander soll 1995, [11]), die erste Entdeckung einer so genannten verbessert werden. Es sind längere Sequenzen ge- Supererde sogar nur 15 Jahre (Gliese 876 d im Jahr plant, die aufeinander aufbauen. Unterschieden wer- 2005, [12]). Seitdem wurden mehr als 4000 Exopla- den dabei längere Projekte, die sich über mehrere neten entdeckt, die Suche nach weiteren Planeten ist Wochen bis zu einem Halbjahr ziehen, und wieder- nach wie vor aktuell. kehrende kürzere Einheiten, bei denen in jedem Schuljahr aufeinander aufbauende Aktivitäten mit Die Suche nach Exoplaneten ist also ein hochaktuel- ansteigendem Niveau behandelt werden. les wissenschaftliches Thema – und am Stellarium Gornergrat möglich. Eine entsprechende Aktivität ist Speziell die Frage nach Lerneffekten, die über die in Arbeit, als Maturaarbeit (Facharbeit) ist dies be- rein astronomischen Inhalte hinausgehen, soll unter- reits mehrfach erfolgreich durchgeführt worden sucht werden, etwa in Hinblick auf das Verständnis (Abb. 9). von Nature of Science oder der Scientific Literacy. 40
Das Stellarium Gornergrat Dafür bietet sich der Einsatz in Schülerlaboren wie für Bildungszwecke. In: Astronomie und der Kieler Forschungswerkstatt an. Raumfahrt im Unterricht [11] Mayor, Michel und Queloz, Didier (1995): A 7. Zum Schluss… Jupiter-Mass Companion to a Solar-Type Star. Wir sind immer dankbar für Rückmeldungen über In: Nature 378(6555), S. 355-359, DOI: durchgeführte Aktivitäten. Was hat gut geklappt, 10.1038/378355a0 was weniger gut? Gab es Schwierigkeiten oder [12] Rivera, Eugenio; Lissauer, Jack; Butler, Robert; Missverständnisse? Wir freuen uns über jede Art Marcy, Geoffry; Vogt, Steven; Fischer, Daniel; von Feedback! Brown, Thomas, Laughlin, Gregory und Henry, Gregory (2005): A ~ 7.5 Earth-Mass Planet or- 8. Literatur biting the Nearby Star, GJ 876. In: Astrophysi- [1] Jorda, Stefan (2018): Astronomie auf höchster cal Journal, 634, S. 625-640, DOI: Ebene. In: Physik Journal, 17(12), S. 46-49 10.1086/491669 [2] Gomez, Edward; Fitzgerald, Michael (2017): [13] Graf, Alexis (2020): Exkursion ins unbekannte Robotic Telescopes in Education. In: Astrono- Bekannte. Nachweis eines Exoplaneten mithilfe mical Review, 13(1), S. 28-68, DOI: der Transitmethode. Maturaarbeit, 10.1080/21672857.2017.1303264 https://stellarium-gornergrat.ch/wp- [3] Cohen, Jarrett (1997): Students as Astronomers. con- Gaining a New Vision with the Mount Wilson tent/uploads/2020_Maturaarbeit_Exoplaneten_ Telescope. In: Insights, 2: Alexis-GRAF.pdf https://www.hq.nasa.gov/hpcc/insights/vol2/stu dents.htm Danksagung [4] Sjøberg, Svein, & Schreiner, Camilla (2010): Ein besonderer Dank geht an Kathrin Altwegg, Hans The ROSE project: An overview and key fin- Balsiger, Willy Benz, Erwin Flückiger, Kevin Heng, dings. Oslo, Norwegen: University of Oslo, Didier Queloz und Stephane Udry für ihren Einsatz http://roseproject.no/ für die (natur-)wissenschaftliche Bildung. [5] Saavedra, Anna; Liu, Ying und Haderlein, Weiterhin bedanken wir uns für die finanzielle Un- Shira Korn (2021): Knowledge in Action Effi- terstützung durch den Schweizerischen National- cacy Study over two Years. CESR Report Se- fonds (CRA-GI2_139898, CRAGP2_151518) und ries, Los Angeles, USA: University of Southern die Ingrid-und-Wilfried-Kuhn-Stiftung für physika- California, lische Bildung. https://cesr.usc.edu/KIA_publications Ein besonderer Dank geht auch an unsere Sponso- [6] Krajcik, Joseph; Schneider, Barbara; Miller, ren: Dem Center for Space and Habitability der Emily; Chen, I-Chien, Bradford, Lydia, Bartz, Universität Bern, der Naturwissenschaftlichen Fa- Kayla; Baker, Quinton; Palinscar, Annemarie; kultät der Universität Genf, dem HFSJG, der Bur- Peek-Brown, Deborah und Codere, Susan (2021): Assessing the Effect of Project-Based gergemeinde Zermatt, dem Astronomischen Institut Learning on Science Learning in Elementary der Universität Bern, dem Space Research & Plane- tary Sciences Institut der Universität Bern, dem Schools. Michigan, USA: Michigan State Uni- Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der versity, https://mlpbl.open3d.science/techreport [7] Slater, Timothy (2018): To Telesope or Not to Wissenschaftlichen Forschung, der Akademie der Telescope? In: Fitzgerald, M. et al. (Hrsg.): Naturwissenschaften Schweiz, dem Kulmhotel Gor- Robotic Telescopes, Student Research and nergrat, dem Physiscope der Universität Genf sowie Education Proceedings, Vol. 1, No. 1, S. 40-45, dem Verkehrshaus der Schweiz. DOI: 10.32374/rtsre.2017.004 [8] High Altitude Research Stations Jungfraujoch & Gornergrat (HFSJG), https://www.hfsjg.ch/de/gornergrat/geschichte/ [9] Ekström, Silvia; Frey, Jonas; Gschwind, Stéphane; Hohmann, Sascha; Müller, Andreas; Riesen, Timm-Emanuel; Ruffieux, Simon und Schlatter, Peter (2021): Stellarium Gornergrat – A Swiss Robotic Observatory for Education and Citizen Science. In: SPG Mitteilungen, 63, S. 36-41 [10] Gschwind, Stéphane; Hohmann, Sascha; Mül- ler, Andreas und Riesen, Timm-Emanuel (zur Veröffentlichung akzeptiert): Das Stellarium Gornergrat. Ein ferngesteuertes Observatorium 41
Hohmann et al. Anhang Abb. 10: Die Website des Stellarium Gornergrat, Abb. 12: Auswahl des Beobachtungsobjektes und des https://stellarium-gornergrat.ch/. Zeitpunkts, https://stellarium-gornergrat.ch/portal/activity/14/book. Abb. 13: Zusammenfassung des Beobachtungsauftrages, https://stellarium- gornergrat.ch/portal/booking/10814/resume. Abb. 11: Auswahl der Aktivität, https://stellarium- gornergrat.ch/portal/. 42
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