Angriffe mit Stichwaffen - Angriffe mit Messern, Hieb- oder Stichwaffen sind mitunter gefährlicher als mit Schusswaffen. Experten raten, Gefahren ...

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SELBSTSCHUTZ

                       Messerangriffe: Bei kurzer Distanz ist das rechtzeitige Ziehen   Test mit Schutzwesten der Polizei: Ballistische Gilets wurden
                       der Waffe nicht möglich; Hindernisse zur Deckung ausnützen.      nicht durchstochen.

                                            Angriffe mit Stichwaffen
                             Angriffe mit Messern, Hieb- oder Stichwaffen sind mitunter gefährlicher als mit Schusswaffen.
                                  Experten raten, Gefahren aus dem Weg zu gehen oder bei einem Angriff zu flüchten.
                              ewalttätige Auseinandersetzungen      einem Messer auf zwei Polizisten los.      ckierte die einschreitenden Polizisten

                       G      werden immer häufiger mit Mes-
                              sern oder gleichzusetzenden Ge-
                       genständen ausgetragen. Gegenüber
                                                                    Einer der Beamten zog seine Dienst-
                                                                    waffe und schoss auf den Mann. Ende
                                                                    Juni 2019 wurden Polizisten wegen ei-
                                                                                                               damit. Diese Entwicklungen zeigen,
                                                                                                               dass das Risiko für Polizisten wächst,
                                                                                                               bei Amtshandlungen mit einem bewaff-
                       Schusswaffen bietet ein Messer Vortei-       nes häuslichen Streits nach Wien-Favo-     neten Täter konfrontiert zu werden, der
                       le. Eine Stichwaffe ist leicht zu ver-       riten gerufen. Als sie in die Wohnung      entweder einen Angriff plant oder in
                       stecken, unauffällig zu ziehen, leicht er-   kamen, ging ein 73-Jähriger mit einem      letzter Konsequenz dazu bereit ist, sei-
                       hältlich, problemlos zu entsorgen und        Messer auf sie los. Ein Polizist wurde     ne Hieb- oder Stichwaffe gegen Exeku-
                       bei Kontrollen einfach zu rechtfertigen.     bei dem Einsatz verletzt. Ein Rumäne       tivbedienstete einzusetzen.
                       Für ihre Handhabung bei Angriffen ist        zog Ende 2018 in der Wiener Innen-
                       kein spezielles Training erforderlich.       stadt ein Messer und stach und schlug         Analyse von Angriffen. Patrice Bon-
                       Messerangriffe sind selbst von Profis        auf die Seitenscheibe eines Streifenwa-    nafoux, Urban Krav-Maga-Instruktor
                       kaum unbeschadet abzuwehren. Waren           gens ein. Der Mann wurde von Polizis-      und Vortragender am University Colle-
                       es früher eher Beziehungsstreitigkeiten,     ten überwältigt und festgenommen.          ge London, analysierte mehr als 150
                       bei denen ein Messer als Tatwaffe ver-                                                  Angriffe mit Hieb- und Stichwaffen,
                       wendet wurde, zeigte sich in den letzten        Waffengebrauchsanalyse. Die An-         die mittels Videokamera oder Handy
                       Jahren der Trend zu ethnischen Kon-          zahl der strafbaren Handlungen unter       aufgezeichnet und im Internet veröf-
                       flikten, bei denen Hieb- oder Stichwaf-      Verwendung einer Hieb- oder Stich-         fentlicht wurden. (www.urbanfitand-
                       fen eingesetzt werden.                       waffe gegen Polizisten stieg im Zehn-      fearless.com/2016/09/self-defence-
                           Laut Kriminalstatistik stieg die Zahl    Jahresvergleich (2009-2018) an. 2009       against-knife-attacks.html). Das Ergeb-
                       der Straftaten in Österreich im Zehn-        wurden 6 Fälle verzeichnet, 2017 46        nis: In 80 Prozent der Fälle wird die
                       Jahresvergleich (2009-2018) an, bei de-      und 2018 waren es 32 Fälle. Dazu           Waffe verdeckt am Körper getragen
                       nen Hieb- oder Stichwaffen mitgeführt        zählen der Widerstand gegen die            und erst unmittelbar vor oder während
                       worden sind: Waren es 2009 994 Fälle,        Staatsgewalt und der tätliche Angriff      des Angriffes erfasst und eingesetzt.
                       stieg die Zahl 2016 auf 5.186 an. 2017       auf einen Beamten. Die Analysestelle       Ein Erkennen der Waffe ist deshalb oft
                       betrug die Zahl 4.887, 2018 waren es         der Cobra analysierte 2017 52 Waffen-      sehr spät oder gar nicht möglich. Viel-
                       4.703 Fälle. Auch die Zahl der Fälle,        gebrauchsfälle von Polizisten, bei de-     fach wird der Angriff mit der waffen-
                       bei denen Hieb- und Stichwaffen als          nen die Täter 31-mal mit einer Stich-      freien Hand eingeleitet. Damit versucht
                       Tatmittel eingesetzt wurden, stieg im        waffe bewaffnet waren; 2018 waren es       der Angreifer, sein Opfer zu ergreifen
                       Zehnjahresvergleich an.                      39 Fälle.                                  oder dessen Arme zu blockieren (Zieh-
                                                                       Die Cobra-Analysestelle analysiert      bewegung der Dienstpistole). Die Auf-
                          Gewalt gegen Polizisten. Auch Poli-       seit zwölf Jahren sämtliche Waffenge-      merksamkeit des Opfers wird sich auf
                       zisten werden zunehmend mit Stich-           brauchsfälle der Polizei. Die Erkennt-     die freie Hand richten. Mehr als 70 Pro-
FOTOS: EKO COBRA/DSE

                       waffen attackiert. Bei einem Einsatz         nisse fließen in die Aus- und Weiterbil-   zent der Angriffe starten innerhalb un-
                       Ende August 2019 wegen eines Streits         dung der Bediensteten ein. In den bis-     mittelbarer Nahdistanz (ca. 1 m). In
                       zwischen zwei Männern in einer               her 572 analysierten Fällen waren 378      mehr als der Hälfte aller Fälle, bei de-
                       Flüchtlingsunterkunft in Wien-Simme-         Verdächtige mit Stichwaffen bewaffnet,     nen das Opfer nach hinten auswich,
                       ring, ging ein 39-jähriger Afghane mit       etwa jeder dritte von ihnen (123) atta-    kam es aufgrund der massiven Druck-

                       ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 1-2/20                                                                                                    9
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ausübung durch den Täter zu einem                                                      tung und seiner Entschlossenheit, einem
Sturz. Etwa zwei Drittel aller Angriffe                                                lebensbedrohlichen Messerangriff auch
erfolgen mit „normalem Waffengriff“,                                                   mittels Waffengebrauchs ein Ende zu
ein Drittel mit dem „Eispickel-Griff“                                                  setzen. Bei einem überraschenden An-
(Stechen von oben). Ein Wechsel des                                                    griff, einem entschlossenen Angreifer
Griffes bzw. ein Handwechsel während                                                   oder einem Angriff aus dem Hinterhalt,
eines Angriffes erfolgen in seltenen                                                   muss aber auch bei Distanzen von sie-
Fällen. Die Hälfte aller Messerangriffe                                                ben Metern und mehr, mit einer Verlet-
dauerte 14 Sekunden oder weniger.                                                      zung der Einsatzkräfte gerechnet wer-
                                                                                       den.
    Angriffe mit Hieb- und Stichwaffen                                                    In diesem Zusammenhang wurde
sind grundsätzlich mit Lebensgefahr                                                    auch das neue ballistische Gilet mit
verbunden. Der Einsatz der dienstlichen                                                Stichschutzeinlage (BG-ST) der Poli-
Schusswaffe für Polizisten wird auf                                                    zisten getestet und bei keinem der Tests
Grund der Nahdistanz und der kurzen                                                    durchstochen. Auch Schutzwesten ohne
Reaktionsmöglichkeit (Ziehbewegung                                                     Stichschutzeinlagen boten hohen Schutz
und Schussabgabe) nur erschwert mög-         Von der Polizei sichergestellte Messer.   vor Messerstichen. Die Mehrzahl der
lich sein. Diese extrem kurze Zeitspan-                                                verwendeten Messertypen konnte dabei
ne bedeutet, dass es fast unmöglich ist,     Ausschlaggebend dafür ist die Reakti-     die Schutzwesten nicht durchstechen.
den ersten Stich/Schnitt zu verhindern,      onszeit, die der Angegriffene benötigt,   Im Gegensatz zum Stichschutz des BG-
wenn der Exekutivbedienstete nicht da-       um die Angriffshandlung und eine          ST sind jedoch äußere Umstände wie
mit rechnet. Eine weitere Konsequenz         Waffe zu erkennen und entsprechende       die Auftreffenergie, der Einstechwinkel
solcher Angriffe aus nächster Nähe be-       Abwehrhandlungen einzuleiten. Distan-     und die Stichtechnik ausschlaggebend,
steht darin, dass die einschreitenden Po-    zen bis drei Meter werden mit zwei bis    ob ein Durchstich gelingt oder nicht.
lizisten tendenziell fallen, wenn sie sich   drei Schritten überwunden, das Ziehen
rückwärts bewegen und damit versu-           eines Messers wird dabei erst sehr spät      Einsatztraining. Um die Erkenntnis-
chen, ihrem Angreifer auszuweichen.          oder gar nicht wahrgenommen. Auf          se allen österreichischen Polizisten zu-
    Bei Angriffen mit Hieb- oder Stich-      größere Distanzen steigen die Chancen     gänglich zu machen, wurde für das Ein-
waffen müssen Exekutivbedienstete un-        der Polizisten, solche Angriffe unver-    satztraining ein separater Anhang über
abhängig von Geschlecht, Alter, Größe        letzt oder nur mit geringen Verletzun-    das „Erkennen und taktische Verhalten
und körperlichen Fähigkeiten alles tun,      gen zu überstehen. Der Ausgang ist da-    bei Angriffen mit Hieb- und Stichwaf-
um solchen Situationen lebend oder mit       bei abhängig von der Aufmerksamkeit       fen“ erstellt. Gemeinsam mit Ausbil-
möglichst geringen Verletzungen zu           des Polizisten sowie der Sicherungshal-   dern des Bundeseinsatztrainings, mit
entkommen. Die polizeiliche Schutz-                                                    externen Experten und unter Einbezie-
ausrüstung (die ballistische Überzieh-              S T I C H WA F F E N               hung internationaler Ausbildungsvor-
schutzweste oder das ballistische Gilet)                                               schriften zu diesem Thema, wurde ein
verbessern die Überlebenschancen bei           Handlungsempfehlungen                   Ausbildungsbehelf erstellt, der es den
Messerangriffen, aber sie gewähren                                                     Polizisten erleichtern soll, einen Mes-
keine hundertprozentige Sicherheit, da
                                                    für Polizisten                     serangriff so rasch wie möglich zu er-
sie nur den Oberkörper vor Angriffen          • Schutzweste vor dem Einsatz an-        kennen und Maßnahmen zu dessen Be-
schützen.                                     ziehen.                                  endigung (bis hin zum Schusswaffenge-
                                              • Einsatzort zu Beginn der Amts-         brauch) zu treffen. Damit die Erkennt-
   Versuchsreihe. Die Analysestelle der       handlung sondieren.                      nisse aus dem Waffengebrauch-Analy-
Cobra führte 2018 121 Testläufe mit           • „Alltagsgegenstände“ können zu         severfahren und die damit verbundenen
Polizisten durch, um herauszufinden,          Stichwaffen werden.                      Empfehlungen für die Aus- und Fortbil-
wie sich diese gegen einen Angreifer          • Erkennen und Ausnützen von Hin-        dung der Polizistinnen und Polizisten an
mit Stichwaffe zur Wehr setzen wür-           dernissen oder Deckungen, Positi-        die Einsatztrainerinnen und -trainer
den. Die Testreihe orientierte sich an        onsverlagerung während der Amts-         weitergegeben werden können, arbeiten
Versuchen der amerikanischen Polizei          handlung.                                Vertreter des BMI, des psychologischen
bzw. des FBI aus den späten 1990er-           • Visuelle Kontrolle der Hände des       Dienstes, der ASE/WEGA, des Bun-
Jahren. Die Distanzen zwischen An-            Gegenübers.                              deseinsatztrainings und der Cobra-Ana-
greifern und Polizisten betrugen zwi-         • Distanz zum Gegenüber wahren.          lysestelle zusammen. Drei Beamte der
schen 0,5 und 7 Metern. Trotz verbes-         • Bei Konfrontation mit Stichwaffen      Analysestelle sind Einsatztrainer, einer
serter Ausrüstung und umfangreicher           nicht zögern, Dienstwaffen einzuset-     davon Bundeseinsatztrainer. Dadurch
Ausbildung der österreichischen Polizis-      zen – Eigensicherung hat Priorität.      kann bei der Ausarbeitung von Fallana-
ten waren die Resultate nicht besser als      • Im Nahbereich: Setzen von Ab-          lysen genauer auf Taktiken eingegan-
die der amerikanischen Behörden vor           wehrtechniken (Erstmaßnahmen).           gen und eine mögliche Alternative auf-
                                                                                                                                  FOTOS: EKO COBRA/DSE

mehr als 20 Jahren. Vor allem bei An-         • Keine Maßnahme ohne Ausweich-          gezeigt werden.
griffen bis drei Meter Entfernung ist die     bewegung – in Bewegung bleiben.
Gefahr für Polizisten groß, durch Stich-      • Nachsichern zur Beendigung der            Verhaltenstipps. Angriffe mit Hieb-
waffen verletzt zu werden, bevor sie ei-      Notwehrsituation.                        und Stichwaffen, Injektionsnadeln oder
nem Angriff ein Ende setzen können.                                                    abgebrochenen Flaschen können gfähr-

10                                                                                            ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 1-2/20
Angriffe mit Stichwaffen - Angriffe mit Messern, Hieb- oder Stichwaffen sind mitunter gefährlicher als mit Schusswaffen. Experten raten, Gefahren ...
Messerangriff: Arme vom Körper weg-
                        strecken, um Distanz zu den lebens-
                        wichtigen Organen zu vergrößern.
                        licher sein als solche mit einer Schus-
                        swaffe. Markus Schimpl, ehemaliger
                        Trainer beim Jagdkommando des Bun-
                        desheeres und Sicherheitsexperte, hatte
                        vor Jahren einen Messerangriff abge-
                        wehrt. Er war mit zwei Kameraden in
                        Militär-Uniform unterwegs, als sie von
                        einem Mann angepöbelt wurden. „Er
                        hat uns nicht in Ruhe gelassen, ist auf
                        einmal mit einem Messer in der Hand
                        vor uns gestanden und hat uns angrei-
                        fen wollen“, schildert Schimpl. „Ich ha-
                        be mit meinen Händen seine Messer-
                        hand fixiert und ihm das Messer abge-
                        nommen. Das hat nur funktioniert, weil
                        ich rasch reagiert und Glück gehabt ha-
                        be, dass er mich nicht erwischt hat.“
                        Schimpl sagt, dass er aufgrund seiner
                        Nahkampfausbildung so gehandelt ha-
                        be. Er rät jedoch nicht dazu, einem An-
                        greifer mit Körperkraft das Messer ab-
                        zunehmen, denn die Gefahr, verletzt zu
                        werden, ist zu groß.
                            Grundsätzlich sollte man einen Sen-
                        sor für gefährliche Orte oder Situatio-
                        nen entwickeln. Wenn man einen mög-
                        lichen An- oder Übergriff erkennt, soll-
                        te man den Ort meiden, verlassen oder
                        sich verstecken. Hat man ein Hilfsmittel
                        bei der Hand und sieht keine Möglich-
                        keit zur Flucht, sollte man dieses einset-
                        zen; etwa mit einem Pfefferspray dem
                        Angreifer die Sicht zu nehmen.
                            Kommt man nicht mehr rechtzeitig
                        weg, hat man unbewaffnet kaum Chan-
                        cen zur Verteidigung. Experten raten, in
FOTO: WWW.SWEN-GRUBER

                        Bewegung zu bleiben und die Arme so-
                        weit es geht vom Körper wegzu-
                        strecken, um die Distanz vom Angreifer
                        zu den lebenswichtigen Organen zu ver-
                        größern.                             S. L.

                        ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 1-2/20
Angriffe mit Stichwaffen - Angriffe mit Messern, Hieb- oder Stichwaffen sind mitunter gefährlicher als mit Schusswaffen. Experten raten, Gefahren ... Angriffe mit Stichwaffen - Angriffe mit Messern, Hieb- oder Stichwaffen sind mitunter gefährlicher als mit Schusswaffen. Experten raten, Gefahren ... Angriffe mit Stichwaffen - Angriffe mit Messern, Hieb- oder Stichwaffen sind mitunter gefährlicher als mit Schusswaffen. Experten raten, Gefahren ...
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