Vielfacher Wandel für die Spielfähigkeit - Beratergruppe ...
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Debatte Vielfacher Wandel für die Spielfähigkeit Barbara Buzanich-Pöltl / Frank Boos Organisationen, Management und Teams sollen heute agiler werden, um besser mit den neuen Gegebenheiten zurechtzukommen. Das Ziel ist, im Spiel zu bleiben und die Spiel- fähigkeit zu entwickeln. Dafür müssen Organisationen einiges umstellen und viele Hebel in Bewegung setzen. Drei dieser Hebel sind: Purpose, Rollen und Meetings. Mit ihnen gelingt es, eine agile Transformation erfolgreich zu gestalten. Illustration: iStock/ma_rish 54 changement!
Debatte S olche Aussagen sind vielen bekannt: „Eigent- gaben, Meetings sind klar ausgerichtet, Aufgaben lich verbringe ich viel zu viel unproduktive werden erledigt und das Team selbst entwickelt sich Zeit in Meetings.“ „Die Führungskräfte oder auch weiter. Es werden sinnvolle Entscheidungen Kollegen und Kolleginnen haben nicht alle Informa- getroffen, die zu Innovation führen. Auch die Art tionen, damit sie wichtige Entscheidungen gut tref- der Zusammenarbeit verändert sich durch die neue fen können.“ „Wir verwenden viel zu wenig Ressour- Form der Meetings. Viele neue Rollen entstehen und cen, um über Innovation und Neues nachzudenken Rollen statt Personen stehen im Mittelpunkt. Um und ersticken in Routine.“ das Ganze zusammenzuhalten, kennen agile Orga- Wir alle kennen diese Sätze und haben solche nisationen ihren Purpose, den Daseinszweck, den oder ähnliche Beobachtungen gemacht. Führungs- Grund, wozu es genau diese Organisation gibt. Der kräfte und Mitarbeitende erleben einen steigenden Purpose ist mehr als ein Ziel, denn er ist immer da, Druck und erhöhte Anforderungen. Die Organisati- kann jedoch nie ganz erreicht werden. onen, das Management und die Teams sollen agiler Purpose, Rollen und Meetings sind drei Ansatz- werden, um besser mit den neuen Gegebenheiten punkte, oder wie wir sagen: Hebel, um Organisatio- zurechtzukommen. Möglicherweise wurden auch nen spielfähiger zu machen. Wir kennen neun He- schon einige Methoden ausprobiert: Scrum, Design bel, die agile Transformationen vorantreiben (siehe Thinking und auch Prototyping. Aber die Lage hat Abbildung 1), doch selten wird man alle gleichzeitig sich nicht wesentlich verbessert. Vom gewünschten in Bewegung setzen. Daher empfehlen wir hier mit Ziel sind viele nach wie vor weit weg. drei Hebeln zu beginnen: Rollenkonzept, Meeting Mastery von agilen Teams und Purpose. Drei Hebel, um Spielfähigkeit zu gewinnen Gleich vorweg: Es liegt nicht an der Methode, denn keine dieser Methoden – oder eine andere – führt ans Ziel. Es geht um etwas anderes: Es gilt, eine neue Spielfähigkeit zu erlernen. Agile Organisati- onen wollen antwortfähig sein, mitgestalten und als spielendes Team wahrgenommen werden, das mit Überraschungen genauso fertig wird, wie es Standardsituationen lösen kann. Genau solche Fä- #1 Entscheidung higkeiten fordern die Digitalisierung, der verstärkte #2 Kultur Wettbewerb und die höhere Komplexität. Der Fokus #3 Purpose lautet heute nicht mehr „Wir sollen effizient in jeder #4 Rolle Hinsicht sein“, sondern „Wir wollen agil und spiel- #5 Wachsen & Entwickeln #6 Skills fähig sein“. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Or- #7 Führung & Macht ganisationen aber vieles umstellen. #8 agile Teams Das Ziel, agile Spielfähigkeit zu erreichen, klingt #9 soziale Innovation verlockend: Im Team kennen alle die eigenen Auf- Abbildung 1: Neun Hebel der agilen Transformation 03 April 2021 55
Debatte Abbildung 2: Agile Teams differenzieren bewusst in ihrem Tun. Dafür nutzen sie eine gemeinsame Landkarte, die vier Räume von agilen Teams 1 Role-Making, Role-Taking und Rollen-Vielfalt nicht eine Rolle, sondern ich habe eine Rolle.“ Wenn Damit Organisationen agiler werden, brauchen sie Rollen wie Kostüme ausgezogen, gewechselt und mehr Flexibilität und Klarheit für ihre Mitspieler verbessert werden können, ohne dabei die Person und Mitspielerinnen: Sie können unterschiedliche selbst in den Mittelpunkt zu stellen, lässt es sich Rollen einnehmen, bei Bedarf schnell wechseln und leichter spielen. arbeiten dadurch wirksam. Mit einer gemeinsamen Praxis wird das möglich. Durch Role-Making wer- den die Rollen laufend entwickelt, angepasst und 2 Meeting Mastery in agilen Teams explizit beschrieben. Immer mit dem Fokus auf Agile Teams differenzieren bewusst in ihrem Tun. den gemeinsamen Zweck und die Ziele in der Zu- Dafür nutzen sie eine gemeinsame Landkarte: die kunft. Der Vorteil: Man richtet sich nicht an aktuel- vier Räume von agilen Teams (siehe Abbildung 2). len Personen und Funktionen aus, sondern es wird Diese Räume trennen zwischen: zukunftsgerichtet daran gearbeitet, was abgedeckt werden muss. – operativem Arbeiten wie Rollen Role-Taking unterstützt die Mitspieler und synchronisieren und Neues entwickeln, Mitspielerinnen dabei, die Fähigkeiten und Kompe- – organisationalen Themen wie Governance tenzen zu entwickeln, die es für Rollenübernahmen und Ziele, und -wechsel braucht. Dabei werden auch Prinzipi- – interpersönlichen Themen wie en aus der angewandten Improvisation geübt: zum Teamentwicklung sowie Beispiel das Agieren aus dem „Hier-und-Jetzt“, eine – persönlicher Entwicklung. „Ja-und-Haltung“ oder lustvolles Scheitern. Rollen-Vielfalt fokussiert auf das Gelingen, mehrere Rollen einnehmen zu können und fördert 3 Purpose das Wechseln von Rollen innerhalb von Teams. Dieser Hebel beschäftigt sich mit dem „Wofür“ und Dieser Hebel trennt bewusst zwischen Rollen wie dieser umgesetzt werden kann: und Person. Dahinter steht der Gedanke: „Ich bin „ Damit Organisationen agiler – Wofür machen wir uns auf den Weg? – Was ist unser Auftrag in der Gesellschaft? – Was wollen wir tun? werden, brauchen sie mehr Das sind nicht nur Fragen, mit denen sich die gesam- te Organisation auseinandersetzt, sondern mit ihnen Flexibilität und Klarheit für ihre setzen sich auch Teams auseinander. Der Purpose gibt Teams die Orientierung im eigenen Unterneh- Mitspieler und Mitspielerinnen. men und richtet die Aktivitäten und Rollen aus. Er 56 changement!
Debatte Abbildung 3: Rollenbeschreibung ist immer wieder wie das warme Feuer in der Mitte, liche Zwecke haben? Welche zusätzlichen Rollen um das sich alle versammeln und zeigt auf, welche brauchen wir, damit wir unseren Purpose erfüll- Wege in die gemeinsame Richtung führen. ten? Neben klassischen Rollen wie Leitung Brand & Communication, oder Leitung HR können auch Rollen wie Feel Good Manager entstehen, die sich Drei Phasen einer Schleife um die Belange dieses Teams kümmert. Jede Rol- le wird im Detail beschrieben (siehe Abbildung 3) Die Logik, der wir folgen, orientiert sich entlang der und die Rollen werden von Personen übernommen Schleife: Aufsetzen, Üben, Evaluieren, Anpassen. und energetisiert. Im letzten Schritt wird eine prototypische 1. Phase: Aufsetzen Meeting-Struktur entwickelt, die sich an den Zwe- In der ersten Phase geht es darum, die Rahmenbe- cken der vier Räume ausrichtet. Hilfreich ist es, dingungen zu schaffen. Gestartet wird mit einem Experten und Expertinnen zu involvieren, die ver- Purpose-Prozess: Was ist unser Auftrag als Organi- schiedene agile Meeting-Formate kennen, wie zum sation und als Management? Welche Aufgaben und Beispiel das holakratische Tactical- und Gover Verantwortungen liegen dahinter? Welche Prinzipi- nance-Meeting, Team-Retrospektiven, Stand-ups en sollen uns in Zukunft leiten, damit wir wirksam oder OKR-Meetings. werden? Ein Beispiel für so einen Purpose wäre: „We set the direction, lead and create the condi- 2. Phase: Üben tions for our people to achieve our vision.“ Diese Phase ist aufregend und fordernd zugleich. Dieser Purpose gibt die notwendige Ausrich- Es gilt, das Ganze einfach auszuprobieren. Hier ein tung für den Hebel Rolle: Welche Rollen werden in paar Tipps, die unterstützen: diesem Team eingenommen? Welche Funktionen können aufgesplittet werden, weil sie unterschied- • Meetings werden moderiert. Dies kann durch ein erfahrenes Teammitglied gemacht werden oder zum Start von einer Expertin bzw. einem Experten. • In den Meetings selbst hilft es, Rollenklarheit her- Literaturtipp zustellen: In welchen Rollen bin ich hier? Welche Frank Boos; Barbara Themen bearbeite ich aus welcher Rolle heraus? Buzanich-Pöltl (2020): • Es gilt bei Projekten, Meetings und neuen Her- „Moving Organizations: ausforderungen zu fragen: Brauchen wir wirklich Wie Sie sich durch agile nur Rollen aus diesem Team oder brauchen wir Transformation krisenfest auch anderes Know-how? Es lohnt sich, mutig aufstellen“, Schäffer-Poeschel zu sein und auch temporäre, interdisziplinäre Teams zu schaffen. 03 April 2021 57
Debatte „ Im letzten Schritt wird eine prototypische Meeting-Struktur entwickelt, die sich an den Zwecken zu früher? Welche Wirkungen wurden erzielt? Was der vier Räume ausrichtet. passen wir an? Und wenn der Weg der agilen Trans- formation weiter beschritten werden soll: Welche der neun Hebel sind sinnvollerweise als nächstes anzugehen? • Team-Reflexionen und Feedback brauchen ausrei- chend Zeit: Was gelingt gut, was weniger? Was ist ungewohnt? Welche neuen Probleme entstehen Es braucht Teams, die sich durch das neue Arbeiten? Wo brauche ich Unterstüt- konsequent einlassen zung? Welche Spielregeln müssen wir ergänzen? • Zu empfehlen ist, kleine Lerneinheiten zu integrie- Unsere Erfahrung zeigt, dass die neun Hebel die ren, die agile Zusammenarbeit unterstützen. Die richtigen Ansatzpunkte für die agile Transformati- angewandte Improvisation hat einen Schatz an on sind. Und die drei hier dargestellten Hebel sind Übungen, um diese Fähigkeiten zu stärken. ein guter Einstieg. Es geht darum, Veränderung vo- • Man sollte auf die Transparenz von Rollen und ranzutreiben, die Wirkungen zu beobachten und zu Spielregeln achten. Ein Teil des Übens ist auch, lernen, wie es weitergeht. Eine agile Transformati- regelmäßig nachzusehen, wer für was verantwort- on erfordert allerdings den Wandel auf vielen un- lich ist. terschiedlichen Ebenen, denn die Spielfähigkeit zu • Man muss Durchhaltevermögen zeigen. In man- erhalten, ist das Ziel und für viele Organisationen chen Phasen fühlt sich das neue Arbeiten anstren- eine radikale Umstellung. gend an. Immer wieder entstehen Fragezeichen, Eine solche Umstellung wird besser in Teams ob das wirklich alles funktionieren kann. gemacht. Teams, die sich konsequent einlassen, • Der Spaß und das Feiern von Erfolgen sollte nicht werden viel lernen und sich selbst verändern. Sie vergessen werden. werden verbundener, fokussierter, klarer und auch die Personen selbst entwickeln sich weiter. Dann hö- 3. Phase: Evaluieren und Anpassen ren wir Sätze wie diese: „Ich hätte mir nie gedacht, Nach spätestens einem halben Jahr ist es an der Zeit dass wir so einen großen Sprung gemeinsam schaf- zu evaluieren: Was sind die größten Unterschiede fen können.“ Barbara Buzanich-Pöltl Frank Boos ist geschäftsführende Gesellschafterin der Beratergruppe ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratergruppe Neuwaldegg. Sie begleitet Organisationen in agilen Trans- Neuwaldegg. Seit Jahrzehnten berät er Organisationen im formationen, Kulturveränderungen und zum Thema Gender internationalen Kontext. Die Schwerpunkte seiner Arbeit Equality. Als Autorin, Speakerin und Ausbildnerin liebt sie der vergangenen Jahre sind Familienunternehmen und die es, ihre Expertise in lebendigen Formaten weiterzugeben. Weiterbildung von Managern und Managerinnen sowie von Kraft für ihr Tun geben ihr ihr Mann, ihre Teenager und Beratern und Beraterinnen. Er ist Autor und Herausgeber ihre Yogapraxis. zahlreicher Publikationen. 58 changement!
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