Ansätze zur Begrenzung der Fehleranfälligkeit und des Auf-wands von Konzentrationszo-nenplanungen

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I

         Würzburger Studien zum Umweltenergierecht

       Ansätze zur Begrenzung der
       Fehleranfälligkeit und des Auf-
       wands von Konzentrationszo-
       nenplanungen

       Ein Beitrag zur Stabilisierung der Flächenauswei-
       sung für die Windenergie

       #22 | 04.08.2021

       erstellt von
       Dr. Nils Wegner, LL.M. (Stockholm)

ISSN 2365-7146
II Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen

Zitiervorschlag:
Wegner, Ansätze zur Begrenzung der
Fehleranfälligkeit und des Aufwands von
Konzentrationszonenplanungen,
Würzburger Studien zum Umweltenergierecht
Nr. 22 vom 04.08.2021.

Entstanden im Rahmen des Vorhabens:
„Rechtliche Analyse neuer Herausforderungen für
das Planungs- und Genehmigungsrecht bei der
Flächenbereitstellung und -realisierung für den
Ausbau der Windenergie an Land (NeuPlan Wind)“

Stiftung Umweltenergierecht
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III

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung _____________________________________________________________ 1

A. Einleitung ___________________________________________________________________ 2

B. Ansätze zur Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Planungsaufwand _____ 4
I. Materiell-rechtliche Fehlerquellen _______________________________________________________ 4
   1. Rechtliche und praktische Schwierigkeiten bei der Identifikation harter Tabuzonen _ 4
     a) Die Tabuzonenrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ____________________ 4
     b) Kritik der Tabuzonenrechtsprechung _______________________________________________ 6
       aa) Unklare und widersprüchliche Einordnung von Gebietskategorien _______________ 6
       bb) Erhöhter Planungsaufwand durch fehlerhafte Dogmatik ________________________ 7
       cc) Zwischenfazit ___________________________________________________________________ 9
     c) Vorschläge für einen veränderten Umgang mit Tabuzonen__________________________ 9
       aa) Rückbesinnung auf eine klare Unterscheidung von Planungs- und
       Genehmigungsebene ______________________________________________________________ 9
       bb) Gesetzgeberische Definition harter Tabukriterien________________________________ 11
       cc) Vorschläge eines Verzichts auf die Unterscheidung harter und weicher Tabuzonen
           ________________________________________________________________________________ 12
       dd) Bewertung und eigener Vorschlag _____________________________________________ 14
          (1) Handlungsspielraum des Gesetzgebers zur Ausgestaltung der
          Konzentrationszonenplanung ______________________________________________________ 14
          (2) Notwendigkeit ergänzender Regelungen zur Vermeidung von
          Missbrauchsmöglichkeiten _________________________________________________________ 17
     d) Zwischenergebnis_________________________________________________________________ 18
   2. Die unzureichende quantitative Steuerungswirkung des Substanzgebots __________ 18
     a) Verständnis des Substanzgebots als Ausdruck des Verbots der Verhinderungsplanung
      _____________________________________________________________________________________ 19
     b) Das Fehlen einer quantitativen Vorgabe zur Gewährleistung der Flächen- und
     Ausbauziele im Bundesrecht _________________________________________________________ 20
     c) Mengenvorgaben als Mittel der Mengensteuerung und Bezugspunkt gerichtlicher
     Kontrolle ____________________________________________________________________________ 21
     d) Zwischenergebnis_________________________________________________________________ 22
   3. Unklarheiten über die erforderliche Untersuchungs- und Abwägungstiefe _________ 22
   4. Dichtezentren als planerischer Ansatz zur Bewältigung des Artenschutzes_________ 25
     a) Dogmatische Verortung im Rahmen der Konzentrationszonenplanungen __________ 27
     b) Rechtmäßigkeitsanforderungen ___________________________________________________ 27
IV Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen

     c) Planerische Vorbereitung artenschutzrechtlicher Ausnahmen: Quelle erhöhten
     Planungsaufwands? _________________________________________________________________ 28
II. Formell-rechtliche und sonstige Fehlerquellen ________________________________________ 29
   1. Bekanntgabe von Planentwürfen und Plänen ______________________________________ 30
     a) Planentwürfe _____________________________________________________________________ 30
     b) Bekanntgabe der Genehmigung von Flächennutzungsplänen ______________________ 31
   2. Erforderlichkeit der Ausfertigung __________________________________________________ 32
   3. Der Umgang mit Masseneinwendungen und Digitalisierung der
   Öffentlichkeitsbeteiligung ____________________________________________________________ 33

C. Fazit ________________________________________________________________________ 35
1

Zusammenfassung
Grundvoraussetzung für das Erreichen der        bei Konzentrationszonenplanungen besei-
Ausbauziele für die Windenergie an Land         tigt und verschiedene formelle Fehlerquel-
ist die ausreichende Bereitstellung geeig-      len solcher Planungen abgestellt werden
neter Flächen. Raumplanerisch erfolgt die       können. Mit den Dichtezentren wird
Bereitstellung ganz überwiegend mit dem         schließlich ein planerischer Ansatz für eine
Instrument der sog. Konzentrationszonen-        verbesserte Bewältigung des Artenschut-
planung in Verbindung mit der Privilegie-       zes auf Planungsebene untersucht und die
rung der Windenergienutzung im bauli-           Voraussetzungen formuliert, unter denen
chen Außenbereich. Das Instrument der           auch der Windenergieausbau von seiner
Konzentrationszonenplanung leidet jedoch        Verwendung profitieren kann.
aufgrund seiner Komplexität einerseits un-
ter einer erheblichen Fehleranfälligkeit, was
in vielen Fällen trotz immensen Planungs-
aufwands zur gerichtlichen Aufhebung sol-       Kernergebnisse
cher Pläne führt. Andererseits fehlt es aktu-   ▶ Die Fehleranfälligkeit und auch der Pla-
ell an einer echten Mengensteuerung, um           nungsaufwand von Konzentrationszo-
die Ausweisung einer ausreichenden                nenplanungen kann unter Bewahrung
Menge an Flächen sicherzustellen.                 des Zusammenspiels von allgemeiner
Die vorliegende Würzburger Studie zum             Außenbereichsprivilegierung der Wind-
Umweltenergierecht schließt eine dreitei-         energie und der Möglichkeit ihrer
lige Untersuchung zur Flächensteuerung            räumlichen Beschränkung (sog. Plan-
bei der Windenergie an Land ab, die zu-           vorbehalt) mittels verschiedener Maß-
nächst eine umfassende Analyse der Feh-           nahmen gesetzgeberisch adressiert
lerquellen von Konzentrationszonenpla-            werden.
nungen und sodann Vorschläge für den            ▶ Durch eine punktuelle Modifikation des
Umgang mit Fehlern und zur Begrenzung             Zusammenspiels von Außenbe-
der Fehlerfolgen umfasste. Es wird im nun-        reichsprivilegierung und Planvorbehalt
mehr letzten Schritt gezeigt, wie das der-        könnte der Gesetzgeber einen Verzicht
zeitige System der Flächensteuerung für           auf die strenge Unterscheidung harter
die Windenergie an Land fortentwickelt            und weicher Tabuzonen bewirken. Ein
werden kann, um Fehleranfälligkeit und            solcher Verzicht sollte jedoch unbe-
Aufwand einzelner Planungen zu begren-            dingt um eine stärkere bundesrechtli-
zen. Dabei sollen die grundlegenden Ele-          che Mengensteuerung ergänzt werden,
mente des derzeitigen Systems, insbeson-          um nicht ungewollt Missbrauchsmög-
dere Außenbereichsprivilegierung einer-           lichkeiten bei der Flächenausweisung
seits und Beschränkungsmöglichkeit (sog.          für die Windenergie zu eröffnen.
Planvorbehalt) andererseits, erhalten blei-
ben. Der Vorschlag unterscheidet sich inso-     ▶ Die Berücksichtigung von Dichtezen-
weit von Ansätzen, die einen grundlegen-          tren im Rahmen von Konzentrationszo-
deren Systemwechsel vorschlagen.                  nenplanungen verspricht in der Theorie
                                                  einen verbesserten Ausgleich zwischen
Im Einzelnen werden Vorschläge für einen          Artenschutz und Windenergieausbau
verbesserten Umgang mit der Unterschei-           und kann dabei helfen, die Steuerungs-
dung harter und weicher Tabuzonen analy-          leistung planerischer Ausweisungen zu
siert und eingeordnet. Es wird gezeigt, dass      verbessern. Damit aber der Windener-
auch ein Verzicht auf diese Unterscheidung        gieausbau hiervon profitiert, müssen
in ihrer strengen Form möglich und dann           neben methodischen Fragen insbeson-
zu empfehlen ist, wenn sie mit einer ver-         dere auch die Anwendbarkeit des Aus-
stärkten Form einer bundesrechtlichen             nahmeregimes des Artenschutzrechts
Mengensteuerung für die Flächenauswei-            außerhalb der Dichtezentren sicherge-
sung einhergeht. Es wird zudem aufge-             stellt werden.
zeigt, wie Unklarheiten über die erforderli-
che Untersuchungs- und Abwägungstiefe
2 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen

A. Einleitung
Die ausreichende Flächenverfügbarkeit ist                         Flächennutzungsplanebene die zunächst
notwendige Voraussetzung dafür, dass die                          allgemein im gesamten baulichen Außen-
Ausbauziele des Erneuerbare-Energien-Ge-                          bereich geltende Privilegierung von Wind-
setzes (EEG 2021) im Bereich der Windener-                        energievorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5
gie an Land erreicht werden können. Ge-                           BauGB in ihrer Wirkung auf bestimmte Flä-
mäß § 4 Nr. 1e) EEG 2021 soll die installierte                    chen konzentriert. Im Ergebnis soll so der
Leistung von Windenergieanlagen an Land                           allergrößte Teil des Außenbereichs von
bis 2030 auf 71 GW ausgebaut werden und                           Windenergieanlagen freigehalten, diesen
damit einen ganz wesentlichen Beitrag zur                         aber zugleich weiterhin substanziell Raum
Erzeugung einer jährlichen Strommenge                             eingeräumt werden 4. An die mit diesen Pla-
aus erneuerbaren Energien von über 376                            nungen verbundene Ausschlusswirkung
Terrawattstunden beitragen 1. Nach der An-                        außerhalb der ausgewiesenen Konzentrati-
passung des Klimaschutzgesetzes infolge                           onsflächen stellt das Bundesverwaltungs-
des Beschlusses des Bundesverfassungsge-                          gericht hohe Anforderungen und fordert
richts vom 24.03.2021 2 scheint zudem gar                         insbesondere ein schlüssiges gesamträum-
eine weitere Anhebung der Ausbaupfade                             liches Planungskonzept 5.
für die Windenergie erforderlich zu sein,
                                                                  In der Praxis zeigt sich, dass zahlreiche sol-
auch wenn sie einstweilen bei der Anpas-
                                                                  cher Planungen in der gerichtlichen Kon-
sung des EEG 2021 unterblieben ist. Unter-
                                                                  trolle scheitern und teils ganz 6 oder jeden-
suchungen legen nahe, dass die bislang
                                                                  falls hinsichtlich der von ihnen ausgehen-
planerisch für die Windenergienutzung
                                                                  den Ausschlusswirkung 7 gerichtlich aufge-
ausgewiesenen oder in Planentwürfen ent-
                                                                  hoben werden. In der Folge können Wind-
haltenen Flächen für die Umsetzung der
                                                                  energievorhaben nicht selten 8 wieder auch
notwendigen Ausbaupfade kurzfristig noch
                                                                  außerhalb der ausgewiesenen Flächen rea-
ausreichen. Mittel- und langfristig ist je-
                                                                  lisiert werden, wenn dem nicht Planungs-
doch eine zusätzliche Bereitstellung von
                                                                  träger mit Plansicherungsinstrumenten
Flächen nötig 3.
                                                                  oder Landesgesetzgeber mit sog. „Wind-
Die bisherige Flächenbereitstellung für die                       energie-Moratorien“ 9 zuvorkommen. Plane-
Windenergie an Land wurde planungs-                               rische Steuerung findet hier dann nur ein-
rechtlich in erster Linie mittels sog. Kon-                       geschränkt und kleinräumig auf alleiniger
zentrationszonenplanungen erreicht. Dabei                         Grundlage des gesetzgeberischen Planer-
wird durch Aktivierung des sog. Planvorbe-                        satzes nach § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 BauGB
halts nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB auf Raum-
ordnungs- oder

 1
  Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 21. Juli 2014 BGBl. I            OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.05.2019 – OVG 2 A
 S. 1066), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21.        4.19, juris Rn. 36.
 Dezember 2021 (BGBl. I S. 3138) geändert worden ist.              7
                                                                    So aufgrund prozessualer Beschränkungen im Falle
 2
     BVerfG, Beschl. vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 u. a.          der Normenkontrolle von Flächennutzungsplänen mit
 3
   UBA, Climate Change 38/2019, Analyse der kurz- und              den Wirkungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, BVerwG,
 mittelfristigen Verfügbarkeit von Flächen für die Wind-           Urt. v. 13.12.2018 – 4 C 3/18, juris Rn. 29.
                                                                   8
 energienutzung an Land, 2019, S. 122 f. zu Abschätzun-             Zur Möglichkeit des Wiederauflebens älterer Planfas-
 gen mit Blick auf die Ausbaupfade des EEG 2017 bzw.               sungen, Kerkmann, Anmerkung zu einer Entschei-
 den hierauf bezogenen Szenarien des Netzentwick-                  dung des BVerwG, Urteil vom 13.12.2018 (4 C 3/18),
 lungsplans Strom.                                                 NVwZ 2019, 494 (495); Raschke, Die Reichweite der
 4
  2019 wurden deutschlandweit Flächen im Umfang                    Statthaftigkeit der Normenkontrolle gegen Planungen
 von 3.131,4 km2 (0,9 % der Gesamtfläche) der Windener-            mit Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB,
 gienutzung zur Verfügung gestellt bzw. sollten ihr                ZfBR 2019, 329 (332 ff.).
                                                                   9
 nach Planentwürfen zur Verfügung gestellt werden.                   In Schleswig-Holstein galt ein solches Moratorium auf
 Dabei bestanden erhebliche Unterschiede zwischen                  landesrechtlicher Grundlage zwischen 2016 und Ende
 den einzelnen Ländern. Vgl. Tabelle 6, UBA, ibid., S. 62.         2020. Es ist dort nach mehrfacher Verlängerung mit In-
 5
   St. Rspr., siehe nur BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11,    krafttreten der neuen Regionalpläne ausgelaufen. In
 juris Rn. 9.                                                      Brandenburg gilt in Regionen ohne wirksame Kon-
 6
                                                                   zentrationszonenplanung seit Mai 2019 ein vergleich-
  Im Falle von Normenkontrollen von Regionalplanun-                bares Moratorium.
 gen mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB,
3

statt 10. Ein Verlust an Akzeptanz des Wind-                 für die Planungsträger keine Option ist,
energieausbaus bei betroffenen Anwoh-                        wenn man eine Steuerung des Windener-
nern und Entscheidungsträgern steht hier                     gieausbaus erreichen will und Windener-
in der Folge zu befürchten.                                  giegegner kein Interesse daran haben, Kon-
                                                             zentrationszonenplanungen zu beklagen,
Um dem zu begegnen, wurde eine umfas-
                                                             da deren Aufhebung wieder zur ursprüngli-
sende Untersuchung in drei Schritten
                                                             chen Öffnung des Außenbereichs führt.
durchgeführt: Ausführliche Fehlerquellen-
                                                             Wie zu zeigen sein wird, bedarf dieser Me-
analysen einschlägiger Gerichtsentschei-
                                                             chanismus jedoch eine Ergänzung durch
dungen haben gezeigt, dass solche Pläne
                                                             explizite Mengenzielvorgaben für die Flä-
an einer Mehrzahl unterschiedlicher mate-
                                                             chenausweisung.
riell- und formell-rechtlicher Fehler schei-
tern 11. Allein eine Ausweitung von Vorschrif-               Die vorliegende Darstellung geht ihrer Ziel-
ten zur Begrenzung der Fehlerfolgen und                      richtung nach über jüngste Vorschläge zur
auch ein verbesserter Umgang mit Planauf-                    Weiterentwicklung bzw. gänzlichen Neu-
hebungen 12, wie sie in einem zweiten                        aufstellung der planerischen Steuerung der
Schritt vorgeschlagen wurden, können die                     Windenergie 13 hinaus. Es sollen nicht nur
Planungen zwar kurzfristig stabilisieren                     Wege aufzeigt werden, wie eine ausrei-
helfen, dürften den festgestellten Zustand                   chende Flächenmenge innerhalb des etab-
aber nicht entscheidend verbessern.                          lierten Planungssystems gesichert werden
                                                             kann. Dieser Aspekt wird auch hier adres-
Vor diesem Hintergrund wurde nunmehr
                                                             siert, wenngleich nicht voll entfaltet, da er
zum Abschluss des Dreischritts der Versuch
                                                             bereits an anderer Stelle beschrieben
unternommen, Vorschläge zur Vermeidung
                                                             wurde 14. Der Fokus liegt vielmehr darauf,
typischer Fehler zu entwickeln. Die darge-
                                                             die Konzentrationszonenplanungen selbst
stellten Vorschläge richten sich insbeson-
                                                             zu stabilisieren, das heißt insbesondere ge-
dere an den Gesetzgeber und sollen die-
                                                             richtsfester zu machen sowie den Pla-
sem Handlungsmöglichkeiten aufzeigen,
                                                             nungsaufwand zu verringern und damit die
um die Fehleranfälligkeit von Konzentrati-
                                                             Funktionsfähigkeit der planerischen Steue-
onszonenplanungen, aber auch den mit
                                                             rung zu verbessern. Dabei sind die Überle-
ihnen verbundenen Planungsaufwand zu
                                                             gungen zudem beschränkt auf die Modifi-
reduzieren. Dabei müssen die Änderungen
                                                             kation von Konzentrationszonenplanungen
zugleich eine Flächenverfügbarkeit sicher-
                                                             i. S. v. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, ohne die
stellen, wie sie zur Erreichung der Ausbau-
                                                             Grundbausteine dieser Steuerung – allge-
ziele ausreichend ist. Hierfür muss das
                                                             meine Außenbereichsprivilegierung einer-
grundlegende Zusammenspiel der Außen-
                                                             seits und Planvorbehalt andererseits – in
bereichsprivilegierung der Windenergie ei-
                                                             Frage zu stellen. Hierauf bezogene Vor-
nerseits und des Planvorbehalts anderer-
                                                             schläge 15 werden allein am Rande in die Be-
seits gewahrt werden. Dieses führt schon
                                                             trachtung einbezogen.
heute dazu, dass planerische Untätigkeit

 10
  Danach sind Windenergieanlagen im Außenbereich              Regelungsvorschlag, 28.01.2021 sowie das zugrunde lie-
 nur dort unzulässig, wo ihnen ein öffentlicher Belang        gende Gutachten von Kment, Sachdienliche Änderun-
 des § 35 Abs. 3 BauGB entgegensteht.                         gen des Baugesetzbuchs zur Förderung von Flächen-
 11
   Wegner, Fehlerquellen von Windkonzentrationszo-            ausweisungen für Windenergieanlagen, Gutachten im
 nenplanungen, Würzburger Berichte Nr. 14 vom                 Auftrag der Stiftung Klimaneutralität, Dezember 2020.
                                                              14
 7.9.2015 sowie Nr. 37 vom 14.12.2018. Ebenfalls erschie-      UBA, Climate Change 21/2020, Wegner/Kahles/Bau-
 nen in ZfBR 2016, 548 ff. bzw. ZfBR 2019, 230 ff.            knecht/Ritter/Heinemann/Seidl, Bundesrechtliche
 12
   Wegner, Ansätze zum Umgang mit Fehlern und zur             Mengenvorgaben bei gleichzeitiger Stärkung der kom-
 Begrenzung der Fehlerfolgen bei Windkonzentrations-          munalen Steuerung für einen klimagerechten Wind-
 zonenplanungen, Würzburger Berichte zum Umwelte-             energieausbau, Juli 2020.
                                                              15
 nergierecht Nr. 39 vom 6.3.2019; zu entsprechenden             So insbesondere die Vorschläge betreffend die Ein-
 Vorschlägen siehe auch Schmidt-Eichstaedt, Die har-          führung eines Fachplanungsregimes für die Windener-
 ten und weichen Tabuzonen bei der Windenergiepla-            gie bei Verheyen, Ausbau der Windenergie an Land:
 nung und die Beachtlichkeit etwaiger Fehlzuordnun-           Beseitigung von Ausbauhemmnissen im öffentlichen
 gen, ZfBR 2019, 434 ff. sowie ders., Vorschlag 3, in: FA-    Interesse, Gutachten im Auftrag von Greenpeace
 Wind, Gesetzgeberische Möglichkeiten für eine rechts-        Energy, Mai 2020 sowie Rodi, Das Recht der Windkraft-
 sichere Konzentrationszonenplanung, 2020, S. 18 ff..         nutzung zu Lande unter Reformdruck, ZUR 2017, 658 ff.
 13
   Siehe Stiftung Klimaneutralität, Wie kann die Verfüg-      In diese Richtung auch bereits Hermes, Planungs-
 barkeit von Flächen für die Windenergie an Land              rechtliche Sicherung einer Energiebedarfsplanung –
 schnell und rechtssicher erhöht werden? – Ein                ein Reformvorschlag, ZUR 2014, 259 ff.
4 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen

B. Ansätze zur Begrenzung von
Fehleranfälligkeit und Planungsaufwand

I. Materiell-rechtliche Fehlerquellen                       1. Rechtliche und praktische
                                                            Schwierigkeiten bei der Identifikation
Unter den materiell-rechtlichen Fehlerquel-                 harter Tabuzonen
len 16 von Konzentrationszonenplanungen
sticht insbesondere die nach der Recht-                     a) Die Tabuzonenrechtsprechung des Bun-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts                     desverwaltungsgerichts
erforderliche Unterscheidung von harten                     Nach der Rechtsprechung des Bundesver-
und weichen Tabuzonen 17 als erster Arbeits-                waltungsgerichts ist bei der Erarbeitung ei-
schritt der Erstellung des geforderten ge-                  nes schlüssigen gesamträumlichen Pla-
samträumlichen Planungskonzepts hervor.                     nungskonzepts als Voraussetzung für die
Schwierigkeiten bereitet hier in erster Linie               Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 S. 3
die rechtssichere Identifikation harter                     BauGB im ersten Schritt eine Unterschei-
Tabuzonen (hierzu unter 1.) 18. Weitere Feh-                dung von harten und weichen Tabuzonen
lerquellen stellen der quantitative Aspekt                  erforderlich 19. Dogmatisch begründet wird
der Anforderung, der Windenergie substan-                   dies durch das Gericht mit den unter-
ziell Raum zu schaffen (sog. Substanzgebot,                 schiedlichen rechtlichen Eigenschaften bei-
hierzu unter 2.), Unklarheiten über die im                  der Flächenkategorien. Unter harten
Einzelfall notwendige Abwägungs- und Un-                    Tabuzonen werden dabei solche Flächen
tersuchungstiefe (hierzu unter 3.) sowie der                verstanden, auf denen eine Realisierung
Umgang mit dem Artenschutz auf Pla-                         von Windenergievorhaben auf unabseh-
nungsebene (hierzu unter 4.), dar.                          bare Zeit aus rechtlichen (bspw. aus den
                                                            Lärmgrenzwerten folgende Schutzab-
                                                            stände) oder tatsächlichen Gründen (bspw.
                                                            mangelnde Windhöffigkeit) schlechter-
                                                            dings ausgeschlossen ist 20. Der Ausweisung
                                                            solcher Flächen stehe das Erforderlichkeits-
                                                            gebot gem. § 1 Abs. 3 BauGB 21 bzw. § 2 Abs. 1
                                                            ROG 22 entgegen. Sie seien deshalb bereits
                                                            vor der Abwägung aus dem Aufstellungs-
                                                            prozess auszuscheiden. Der

 16
   Vgl. Wegner, Fehlerquellen von Konzentrationszo-          Konzentrationszonen: zum Verständnis des § 35 Abs. 3
 nenplanungen, Würzburger Berichte zum Umwelte-              S. 3 BauGB, DVBl 2015, 1346 ff.; Wagner, Die Pflicht zur
 nergierecht Nr. 14 vom 07.09.2015, S. 5 ff. sowie Nr. 37    Ausweisung harter Tabuzonen als Kardinalfehler des
 vom 14.12.2018, S. 8 ff.                                    Tabuzonenkonzepts, VerwArch 2020, 220 ff.; Agatz, Ein
 17
   Die Verwendung der Begriffe Tabuzonen, -flächen           Rechtsrahmen für den Windenergieausbau, ZUR 2020,
 und Tabukriterien ist in der Literatur nicht ganz ein-      584 (595); FA-Wind, Gesetzgeberische Möglichkeiten
 heitlich. Nach hiesigem Verständnis werden als              für eine rechtssichere Konzentrationszonenplanung,
 Tabuzonen oder -flächen die als solche identifizierten      2020; Kindler, Zur Steuerungskraft der Raumordnungs-
 Flächen in einem Plangebiet bezeichnet. Unter               planung, 2018, S. 160 ff.; Thomann, Konzentrationsflä-
 Tabukriterien werden dagegen diejenigen Merkmale            chen für Windenergieanlagen in Flächennutzungsplä-
 verstanden, die von Planungsstellen zugrunde gelegt         nen, 2018, S. 328 ff.
                                                             19
 werden, um Tabuflächen im Rahmen der Untersu-                 St. Rspr. seit BVerwG, Beschl. v. 15.09.2009 – 4 BN
 chung des Plangebietes zu identifizieren.                   25.09; BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, juris Rn. 10.
 18                                                          20
   Diese ist auch Hauptkritikpunkt der Stimmen in der           Siehe nur BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, juris Rn.
 rechtswissenschaftlichen Literatur, siehe nur Hend-         10 sowie bereits BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01, ju-
 ler/Kerkmann, Harte und weiche Tabuzonen: Zur Mi-           ris Rn. 17.
 sere der planerischen Steuerung der Windenergienut-         21
                                                                  BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, juris Rn. 12.
 zung, DVBl 2014, 1369 ff.; Tyczewski, Konzentrationszo-     22
 nen für Windenergieanlagen rechtssicher planen – Illu-        Vgl. hierzu Wagner, Die Pflicht zur Ausweisung har-
 sion oder Wirklichkeit, BauR 2014, 934 (935 ff.); Erb-      ter Tabuzonen als Kardinalfehler des Tabuzonenkon-
 guth, Bindung und Abwägung bei der Planung von              zepts, VerwArch 2020, 220 (239).
5

Abwägungsentscheidung zuzuordnen sind                           bei der verbreitetsten dieser Verhältnisbil-
dagegen die weichen Tabuzonen. Bei die-                         dungen (Gesamtfläche des Plangebiets ab-
sen handele es sich um Potenzialflächen,                        züglich harter Tabuzonen im Verhältnis zu
wenn auch um solche, auf denen aufgrund                         den Flächenausweisungen für die Wind-
planerischer Erwägungen keine Windener-                         energie) ist der Umfang der vorhandenen
gievorhaben zugelassen werden sollen                            harten Tabuzonen ein einzustellender Fak-
(bspw. alle Formen vorsorgebezogener                            tor 27. Aus diesen Funktionen der Identifika-
Siedlungsabstände). Die hierfür bestehen-                       tion harter Tabuzonen lässt sich auch auf
den Gründe unterliegen der Abwägung                             die Motivation der Rechtsprechung schlie-
nach § 1 Abs. 7 BauGB bzw. § 7 Abs. 2 S. 1                      ßen, warum sie diese Unterscheidung mit
ROG. Ihr Ausschluss ist insbesondere ge-                        so großer Vehemenz fordert. Sie dürfte in
genüber dem Interesse an der Nutzung der                        erster Linie darin liegen, Verhinderungspla-
Windenergie von Flächeneigentümern zu                           nungen effektiv und d. h. kontrollierbar zu
rechtfertigen 23.                                               vermeiden und damit ein Unterlaufen der
                                                                gesetzgeberischen Entscheidung, die
Funktion der Vorgabe, bereits im ersten Ar-
                                                                Windenergie im Außenbereich zu privile-
beitsschritt harte Tabuzonen zu identifizie-
                                                                gieren, zu verhindern. Nach dessen Willen
ren, ist eine Rationalisierung des Planungs-
                                                                soll die Ausschlusswirkung des Planvorbe-
prozesses. Die Planungsträger sollen davon
                                                                halts nur dann greifen, wenn der Wind-
abgehalten werden, voreilig Flächen aus
                                                                energie an anderer Stelle auch wirklich ein
dem weiteren Prozess auszuschließen, ob-
                                                                Mindestmaß an Raum eingeräumt wurde 28.
wohl auf ihnen die Realisierung von Wind-
                                                                Die restriktive Zulassung der Flächenkon-
energievorhaben rechtlich und tatsächlich
                                                                tingentierung, die mit der Ausschlusspla-
möglich ist 24. Insoweit zielt die Anforderung
                                                                nung einhergeht, ist zudem eigentums-
gerade auf die im Planungsprozess zu er-
                                                                rechtlich begründet 29.
langende Erkenntnis, dass auf vielen Flä-
chen gerade keine unüberwindlichen Aus-                         Für die Planungsträger folgt aus dem Erfor-
schlussgründe bestehen. Die hierzu spie-                        dernis der Identifikation harter Tabuzonen
gelbildliche Erkenntnis des Umfangs harter                      ganz konkret, dass nicht lediglich solche
Tabuzonen hat innerhalb der nach der                            Flächen auf ihre Vereinbarkeit mit dem pla-
Rechtsprechung geltenden Anforderungen                          nerischen Erforderlichkeitsgebot zu prüfen
zudem die Funktion, einen Maßstab für die                       sind, auf denen Windenergievorhaben zu-
Überprüfung des Planungsergebnisses und                         gelassen werden sollen. Vielmehr sind
die Frage zu gewinnen, ob der Windenergie                       harte Tabuzonen im gesamten Außenbe-
substanziell Raum verschafft wurde 25. Aus                      reich zu identifizieren, d. h. auch die Flä-
dieser Anforderung ergeben sich keine all-                      chen zu untersuchen und zu bewerten, die
gemein quantifizierbaren Vorgaben für die                       später im Ausschlussbereich liegen sollen.
im Mindestmaß auszuweisenden Flächen                            Es ist mithin diese Anforderung, aus der ein
für die Windenergie. Das Substanzgebot ist                      nicht unbedeutender Teil des hohen Pla-
vielmehr in der jeweiligen Planungssitua-                       nungsaufwands für Konzentrationszonen-
tion zu konkretisieren, wofür das Bundes-                       planungen resultiert.
verwaltungsgericht verschiedene, durch
die oberverwaltungsgerichtliche Recht-
sprechung zugelassene Verhältnisbildun-
gen anerkennt 26. Überwiegend und so auch

 23
      BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, juris Rn. 12 f.    des Klimaschutzbelangs, ZfBR 2020, 20 (21). Kindler, Zur
 24
    Münkler, Flexible Steuerung durch Konzentrations-            Steuerungskraft der Raumordnungsplanung, 2018,
 flächenplanung, NVwZ 2014, 1482 (1485); Alb-                    S. 177 f.
                                                                 28
 recht/Zschiegner, Die Unterscheidung harter und wei-              Siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
 cher Tabukriterien als fortwährendes Problem der                schusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau,
 Windkonzentrationsflächenplanung, NVwZ 2019, 444                BT-Drs. 13/4978, S. 6; BT-Drs. 13/2208, S. 1, 5.
 (447).                                                          29
                                                                    Siehe bereits BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01, ju-
 25
      Hierzu ausführlich unter B. I. 2.                          ris Rn. 28 sowie 51 ff.; Gatz, Planerische Steuerung privi-
 26
      Auch hierzu näher unter B. I 2.                            legierter Außenbereichsvorhaben – unter besonderer
 27
                                                                 Berücksichtigung von Windenergieanlagen und ober-
   Siehe Gatz, Windenergieanlagen in der Gerichts- und           flächennahem Rohstoffabbau -, NWVBl. 2019, 133 (137).
 Verwaltungspraxis, 3. Aufl. 2018, Rn. 98; Wagner, Das
 Gebot substanzieller Flächenausweisungen zugunsten
 der Windenergie als abwägungsrechtlicher Wirkung
6 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen

b) Kritik der Tabuzonenrechtsprechung                         Realisierung von Windenergievorhaben
                                                              drohten 33. Richtig daran ist, dass hinsicht-
Die Kritik an der Rechtsprechung zur Iden-
                                                              lich einzelner Flächentypen auch aktuell
tifikation harter Tabuzonen richtet sich
                                                              noch Widersprüche zwischen den Verwal-
dann auch wenig überraschend gegen den
                                                              tungsobergerichten bestehen 34. In anderen
dadurch ausgelösten Planungsaufwand 30.
                                                              der auch in aktuellen Veröffentlichungen
Darüber hinaus wird beklagt, dass die Ein-
                                                              angeführten Fälle dürfte jüngere Recht-
ordnung zahlreicher Flächenkategorien als
                                                              sprechung dagegen eine relative Klärung
entweder harte oder weiche Tabuzone
                                                              auf dieser Ebene gebracht haben 35, wenn
nicht rechtssicher möglich sei 31.
                                                              diese auch mitunter gerade einen differen-
                                                              zierten Umgang mit Flächentypen verlan-
aa) Unklare und widersprüchliche Ein-
                                                              gen und einer pauschalen Einordnung in
    ordnung von Gebietskategorien                             entweder die eine oder die andere Katego-
Rechtsunsicherheit, so wird geltend ge-                       rie eine Absage erteilt hat 36.
macht, entstehe zunächst aus Widersprü-                       Schon länger ist in diesem Sinne etwa der
chen in der Rechtsprechung der einzelnen                      Umgang mit der Flächenkategorie Wald
Oberverwaltungsgerichte und fehlender                         geklärt, wonach auch zusammenhängende
Klärung durch das Bundesverwaltungsge-                        Waldgebiete grundsätzlich nicht als harte
richt selbst. Diesem ist die Klärung einzel-                  Tabuzonen eingeordnet werden können 37.
ner Fragen häufig aus revisionsrechtlichen                    Abweichungen hiervon sollen nur dann
Gründen nicht möglich 32. So werden Wider-                    möglich sein, wenn es sich um Waldge-
sprüche u. a. gesehen bei der Einordnung                      biete handelt, die einen besonderen Schutz
von Landschaftsschutzgebieten nach § 26                       auf landesgesetzlicher 38 oder im Einzelfall
BNatSchG, FFH- und Vogelschutzgebieten                        auch landesplanerischer Ebene genießen
nach §§ 31 ff. BNatSchG, zusammenhängen-                      und auch die Erfüllung von Ausnahmetat-
den Waldgebieten oder auch Gebieten, in                       beständen jedenfalls praktisch
denen die Verwirklichung artenschutz-
rechtlicher Verbotstatbestände bei einer

 30
   Statt vieler Hendler/Kerkmann, Harte und weiche             Rechtsprechung von vor 2015 begründet wird, da dies
 Tabuzonen: Zur Misere der planerischen Steuerung der          den naturgemäß iterativen Klärungsprozess der Recht-
 Windenergienutzung, DVBl 2014, 1369 (1371).                   sprechung kaum abzubilden in der Lage ist. Selbst
 31
  Zuletzt Wagner, Die Pflicht zur Ausweisung harter            wenn es nämlich an einer ausdrücklichen Aufgabe ei-
 Taubzonen als Kardinalfehler des Tabuzonenkonzepts,           ner Rechtsprechung fehlt, so kann anhand der Urteile
 VerwArch 2020, 220 (221).                                     anderer Gerichte gleichwohl mit gewisser Sicherheit
 32
                                                               auf einen Wandel der Rechtsprechung geschlossen
   Eine Entscheidung kann mit der Revision nur dann            werden. Die Frage ist dann allein, ob das so zu erzie-
 angegriffen werden, wenn die Entscheidung gem. § 137          lende Maß an Rechtssicherheit für die Praxis ausreicht
 Abs. 1 VwGO auf dem geltend gemachten Fehler „be-             oder nicht der Gesetzgeber schon zuvor oder ergän-
 ruht“. Da die Aufhebung von Konzentrationszonenpla-           zend handeln sollte.
 nungen vielfach aufgrund mehrerer selbständiger               36
 Rechtsverstöße erfolgt, ist die Revision zumeist nur            In diesem Sinne auch Gatz, Die planerische Steue-
 dann möglich, wenn sämtliche selbständigen Aufhe-             rung der Windenergienutzung, DVBl 2017, 461 (463).
                                                               37
 bungsgründe revisible Fehler aufweisen. Siehe hierzu            Aus der jüngeren Rechtsprechung siehe OVG Lüne-
 den Vorschlag von Agatz, Ein Rechtsrahmen für den             burg, Urt. v. 26.10.2017 – 12 KN 119/16, juris Rn. 70 ff. sowie
 Windenergieausbau, S. 28, abrufbar unter www.wind-            vom 15.03.2018 – 12 KN 38/17, juris Rn. 55, 60 ff.; OVG
 energie-handbuch.de/umweltrecht-fragen/.                      Münster, Urt. v. 6.12.2017 – 7 D 100/15.NE sowie Urt. v.
 33
   Wagner, Die Pflicht zur Ausweisung harter Taubzo-           6.3.2018 – 2 D 95/15.NE, juris Rn. 86, 98 m. w. N., 134 ff.
 nen als Kardinalfehler des Tabuzonenkonzepts, Ver-            und Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, juris Rn. 217 ff. Zur
 wArch 2020, 220 (225).                                        Entwicklung der Rechtsprechung bereits Wegner,
 34
                                                               Fehlerquellen von Windkonzentrationszonenplanun-
   So auch bei Naturschutzgebieten gem. 23 BNatSchG,           gen – Ein Update, Würzburger Berichte zum Umwelte-
 siehe einerseits OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v.              nergierecht Nr. 37 vom 14.12.2018, S. 13 f. Auch das Urteil
 23.05.2019 – OVG 2A 4.19, juris Rn. 91 für eine generelle     des OVG Lüneburg vom 13.07.2017 – 12 KN 206/15 weist
 Einordnung als harte Tabuzone; hierzu ebenfalls nei-          nicht in eine andere Richtung. Auch hier wird lediglich
 gend, aber dies i. E. offenlassend OVG Lüneburg, Urt. v.      die Möglichkeit für Ausnahmen offengelassen, nicht
 26.10.2017 – 12 KN 119/16, juris Rn. 91; nunmehr aber OVG     aber eine generelle Einordnung von Wald als hartes
 Lüneburg, Urt. 07.02.2020 – 12 KN 75/18, juris Rn. 95; ge-    Tabukriterium für möglich erklärt. In diesem Sinne
 gen eine pauschale Einordnung ohne differenzierte             auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.05.2019 – OVG
 Prüfung einer möglichen Befreiungslage dagegen                2 A 4.19, juris Rn. 102.
 OVG Münster, Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, juris Rn.    38
 162 ff.                                                         In diesem Sinne bereits OVG Weimar, Urt. v.
 35
                                                               08.04.2014 – 1 N676/12, juris Rn. 93.
   Nicht unproblematisch ist es, wenn die Kritik fehlen-
 der Rechtssicherheit allein unter Verweis auf
7

ausscheidet 39. Auch der Umgang mit arten-                       einerseits und die selbst gesteckten Flä-
schutzrechtlichen Verbotstatbeständen ist                        chenziele andererseits noch in einem aus-
nach der ausdrücklichen Abkehr des OVG                           geglichenen Verhältnis zueinander ste-
Berlin-Brandenburg von seiner bisherigen                         hen 46.
Rechtsprechung nunmehr in dem Sinne
geklärt, dass aus der potenziellen Verwirkli-                    bb) Erhöhter Planungsaufwand durch
chung artenschutzrechtlicher Verbotstat-                             fehlerhafte Dogmatik
bestände allein eine weiche Tabuisierung
                                                                 Wenn damit die Rechtsprechung jedenfalls
hergeleitet werden kann 40. Und auch Land-
                                                                 in vielen praktisch relevanten Fällen zu ei-
schaftsschutzgebiete können nach jünge-
                                                                 ner einheitlicheren Linie gefunden hat, so
rer Rechtsprechung nicht pauschal den
                                                                 wird die ebenfalls erhobene dogmatische
harten Tabuzonen zugeordnet werden 41.
                                                                 Kritik damit nicht obsolet. Dies gilt insbe-
Diese Nachweise stehen für einen breiten
                                                                 sondere dort, wo die Anwendung der
Trend, die Einordung von Flächentypen als
                                                                 Rechtsprechungsdogmen zu einem erheb-
harte Tabuzonen nur äußerst restriktiv zu-
                                                                 lichen Planungsaufwand führen, der selbst
zulassen 42. Nachdem die Rechtsprechung
                                                                 im Falle seiner Bewältigung keine Aufklä-
hier in der Folge der Leitentscheidungen
                                                                 rung der Sachverhalte in einer Weise er-
des Bundesverwaltungsgerichts in den Jah-
                                                                 reicht, dass sie sich rechtssicher unter die
ren 2009 43 und 2012 44 etwa für die Flächen-
                                                                 formulierten rechtlichen Maßgaben subsu-
kategorie Wald, aber auch hinsichtlich ver-
                                                                 mieren lassen 47. Dogmatisch verortet wird
schiedener Typen des Gebietsnaturschut-
                                                                 das Gebot zur Identifikation harter Tabuzo-
zes deutlich großzügiger verfahren war 45,
                                                                 nen von der Rechtsprechung im planeri-
haben die Gerichte inzwischen diesbezügli-
                                                                 schen Erforderlichkeitsgebot, genauer in
che Kritik aus der Literatur aufgenommen
                                                                 dessen Ausprägung als Vollzugsfähigkeits-
und wirken damit nicht zuletzt auch einer
                                                                 gebot. Dies führe nach allgemeiner Ansicht
Tendenz der Planungspraxis entgegen, zu
                                                                 zu einem Übergreifen von der Planungs-
viele Flächentypen den harten Tabuzonen
                                                                 auf die Verwirklichungsebene 48. Danach
zuzuordnen, um zu gewährleisten, dass die
                                                                 werde von den Planern zur Aufklärung
Anforderungen des Substanzgebotes

 39
       Vgl. OVG Lüneburg, 13.7.17 – 12 KN 206/15, juris Rn. 49    die Bewertung der Naturschutzbehörden gerade nicht
 ff.                                                              für unbedingt verbindlich erklären, sodass es letztlich
 40
     Siehe OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.05.2019 –           nach beiden Entscheidungen auf die objektive Rechts-
 OVG 2A 4.19, Rn. 120 ff.; zur bisherigen Rechtsprechung          lage ankommt. Für die handelnden Immissionsschutz-
 des OVG Berlin-Brandenburg siehe Urt. v. 05.07.2017 –            behörden dürfte der Konflikt gleichwohl kaum prak-
 OVG 2 A 2.16, Rn. 97. In diesem Sinne bereits Gatz, Die          tisch lösbar sein.
                                                                  42
 planerische Steuerung der Windenergienutzung in der                 Hierunter fällt auch die restriktive Linie bei der Ein-
 Regional- und Flächennutzungsplanung, 2017, 461 (464             ordnung von FFH-Gebieten, die ebenfalls nur aus-
 f.) sowie Tyczewski, Konzentrationszonen für Wind-               nahmsweise als harte Tabuzonen eingeordnet werden
 energieanlagen rechtssicher planen, BauR 2014, 934               können, siehe OVG Münster, Urt. v. 20.01.2020 – 2 D
 (939).                                                           100/17.NE, juris Rn. 157 und bereits Urt. v. 5.7.2017 – 7 D
 41
    In diesem Sinne OVG Münster, Urt. v. 6.3.2018 – 2 D           105/14.NE, juris Rn. 61 wenn hier auch die Frage letztlich
 95/15.NE, Rn. 154 sowie Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE,      noch offenblieb; mit gleicher Tendenz, wenn auch
 juris Rn. 139 ff., 151, wonach lediglich offenbleibt, ob eine    ebenfalls unentschieden bleibend OVG Lüneburg, Urt.
 Einordnung als harte Tabuzone dann möglich ist,                  v. 26.10.2017 – 12 KN 119/16, juris Rn. 91.
 wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Be-             43
                                                                       BVerwG, Beschl. v. 15.09.2009 – 4 BN 25.09.
 freiung von Verbotsregelungen objektiv offensichtlich            44
                                                                       BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11.
 nicht vorliegen. Auch diesbezüglich hat das OVG Ber-             45
 lin-Brandenburg seine bisherige gegenteilige Recht-               Zum Beispiel der Qualifikation zusammenhängender
 sprechung inzwischen aufgegeben, siehe Urt. v.                   Waldgebiete siehe bereits die Nachweise in Fn. 37.
                                                                  46
 23.05.2019 – OVG 2 A 4.19, juris Rn. 99. Unsicherheit be-             Zum Substanzgebot ausführlich unten unter B. I. 2.
 steht allerdings zu der Frage, ob es bei der auf Pla-            47
                                                                    Zu dieser Kritik siehe zuletzt Wagner, Die Pflicht zur
 nungsebene erforderlichen Prognose letztlich auf die             Ausweisung harter Tabuzonen als Kardinalfehler des
 Stellungnahmen der Fachbehörden oder eine mög-                   Tabuzonenkonzepts, VerwArch 2020, 220 (232 ff. m. w.
 licherweise hiervon abweichende „objektive Befrei-               N.).
 ungslage“ ankommt. Entgegen Agatz, Ein Rechtsrah-                48
                                                                    Erbguth, Bindung und Abwägung bei der Planung
 men für den Windenergieausbau, ZUR 2020, 584 (595)
                                                                  von Konzentrationszonen: zum Verständnis des § 35
 dürfte zwar zwischen der Entscheidung des 8. Senats
                                                                  Abs. 3 S. 3 BauGB, DVBl 2015, 1346 (1348, 1350); sich an-
 des OVG Münster, Urt. v. 21.04.2020 – 8 A 311/19, juris Rn.
                                                                  schließend Kindler, Zur Steuerungskraft der Raumord-
 60 einerseits und des 2. Senats des OVG Münster, Urt. v.
                                                                  nungsplanung, 2018, S. 163; siehe auch Wagner, Klima-
 17.01.2019 – 2 D 63/17.NE, juris Rn. 148 andererseits kein
                                                                  schutz durch Raumordnung, NuR 2019, 159 (166).
 Widerspruch bestehen, da letztlich beide Senate –
 wenn auch mit unterschiedlichen Formulierungen –
8 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen

verschiedenster Fälle verlangt, sich in die                   Tabuflächen einordneten, wenn eine Aus-
Position des Sachbearbeiters auf Genehmi-                     nahme oder Befreiung durch diese nicht in
gungsebene hineinzuversetzen und die Zu-                      Aussicht gestellt wird, geht die Rechtspre-
lassungsprüfungen bereits auf Planungs-                       chung inzwischen davon aus, dass den be-
ebene zu antizipieren. Hierdurch sollen Pla-                  hördlichen Stellungnahmen zwar eine In-
ner die notwendigen Kenntnisse erlangen,                      dizfunktion zukomme, es aber letztlich auf
um das Vorliegen harter Tabuzonen sicher                      das Vorliegen einer objektiven Befreiungs-
feststellen zu können. Während sich die                       lage ankomme, die vom Planungsträger
hierauf bezogene Kritik der Literatur in ers-                 festzustellen sei und ggf. auch von der Stel-
ter Linie an die Rechtsprechung richtet,                      lungnahme der jeweiligen Fachbehörde
verweist etwa Gatz insoweit an den Gesetz-                    abweichen könne 52.
geber: Der Übergriff auf die Genehmi-
                                                              Praktische Schwierigkeiten sind mit dem
gungsebene resultiere danach schlicht aus
                                                              Übergriff von der Planungsebene auf die
den Besonderheiten des gesetzgeberisch
                                                              Genehmigungsebene insbesondere
geschaffenen Steuerungsmodells des § 35
                                                              dadurch verbunden, weil Ausnahme- und
Abs. 3 S. 3 BauGB 49.
                                                              Befreiungsentscheidungen auf Zulassungs-
Die vorgenannte Anforderung des Über-                         ebene regelmäßig an spezifische Parame-
oder Vorgriffs auf die Zulassungsebene                        ter konkreter Windenergieanlagen und ih-
führt zunächst zu einer Unsicherheit der                      res konkreten Standortes anknüpfen.
Planer über die jeweils notwendige Unter-                     Standort, Anlagentyp und deren Parameter
suchungstiefe, da diese erheblich über das                    sind im Zeitpunkt der Planung vielfach
übliche Maß dessen hinaus geht, was auf                       aber noch nicht bekannt. Rechtsprechung
Planungsebene – zumal auf Ebene der                           und Verwaltungspraxis versuchen dem
Raumordnung – erforderlich ist. Hierauf                       dadurch abzuhelfen, dass den Planungsträ-
wird noch zurückzukommen sein 50. Kriti-                      gern gestattet wird, die Planung kompen-
siert wird aber unabhängig hiervon, dass                      satorisch auf Grundlage sog. Referenzanla-
selbst für den Fall, dass die Planer den für                  gen durchzuführen, d. h. den Planungen ei-
sie untypischen Planungsaufwand bewälti-                      nen gedachten typischen Fall zugrunde zu
gen, unsicher bleibt, ob dadurch die Sach-                    legen, und hierauf bezogen die Ausnahme-
verhalte in einer Weise aufgeklärt werden                     und Befreiungsentscheidungen der Geneh-
können, wie sie für die Subsumtion unter                      migungsebene oder auch die Bemessung
die rechtlichen Obersätze notwendig ist. Im                   von Siedlungsabständen 53 in den Blick zu
Fokus stehen hier Konstellationen, in de-                     nehmen. Dass damit die erzeugten Unsi-
nen die Zulässigkeit von Windenergieanla-                     cherheiten aufgefangen werden können,
gen auf Genehmigungsebene von der Er-                         wird allerdings bezweifelt. Vielmehr werden
teilung einer Ausnahme oder Befreiung                         solche Behelfswege als Quelle weiterer
von einem grundsätzlich bestehenden Bau-                      Rechtsunsicherheiten angesehen 54, was die
verbot abhängt 51. Auf Planungsebene wer-                     insoweit einschlägige Rechtsprechung
den sie auch als „Hineinplanen in eine Aus-                   durchaus auch widerspiegelt. Hier gibt es
nahme- oder Befreiungslage“ bezeichnet.                       zahlreiche Beispiele, in denen Spielräume
Während die Planungsträger in solchen                         der Planungsträger zwar angeführt wur-
Fällen teils auf Äußerungen der Fachbehör-                    den, dies im konkreten Fall aber nichts da-
den im Rahmen der Behördenbeteiligung                         ran änderte, dass die vorgenommene Ein-
abstellten und Flächen als harte                              ordnung beanstandet wurde 55. Insoweit

 49                                                            54
   Gatz, Die planerische Steuerung der Windenergie-              Hendler/Kerkmann, Harte und weiche Tabuzonen:
 nutzung, DVBl 2017, 461 (467).                                Zur Misere der planerischen Steuerung der Windener-
 50
      Siehe unter B. I. 3.                                     gienutzung, DVBl 2014, 1369 (1373); Erbguth, Bindung
 51
                                                               und Abwägung bei der Planung von Konzentrationszo-
   Problematisch sind dabei wiederum diejenigen Fälle,         nen: zum Verständnis des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, DVBl
 in denen das Vorliegen einer Ausnahme- oder Befrei-           2015, 1346 (1351); kritisch auch Kindler, Zur Steuerungs-
 ungslage nicht ohnehin offensichtlich ist oder, umge-         kraft der Raumordnungsplanung, 2018, S. 164 f.
 kehrt, diese nicht offensichtlich ausgeschlossen wer-         55
 den können.                                                     Hierzu bereits Wegner, Fehlerquellen von Windkon-
 52
                                                               zentrationszonenplanungen, Würzburger Berichte
    OVG Münster, Urt. v. 6.3.2018 – 2 D 95/15.NE, juris Rn.    zum Umweltenergierecht Nr. 14 vom 7.9.2015, S. 12; OVG
 158; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.02.2020 – 12 KN 182/17, ju-     Lüneburg, Urt. v. 23.6.2016 – 12 KN 64/14, juris Rn. 68 f.
 ris Rn. 125.                                                  Gegenbeispiele gibt es aber auch hier, siehe OVG Lü-
 53
  OVG Münster, Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, juris       neburg, Urt. v. 15.3.2018 – 12 KN 38/17, juris Rn. 57 ff. zur
 Rn. 113.
9

bestätigt sich die in der Literatur schon                   auch der verschiedentlich der Praxis ange-
frühzeitig geäußerte Kritik 56. Der Recht-                  ratene Ausweg, im Zweifel über die rechtli-
sprechung war es hier bislang nicht gelun-                  che Qualifikation einer Fläche bzw. eines
gen, zu einer einheitlichen Linie zu finden 57.             Flächentyps diesen doch als weiche
Nunmehr hat das Bundesverwaltungsge-                        Tabuzone bzw. als weiches Tabukriterium
richt allerdings klargestellt, dass den Pla-                zu behandeln, von den Gerichten in unter-
nungsträgern allein bei der Festlegung                      schiedlichem Maße toleriert wird und so
weicher Tabuzonen ein Bewertungsspiel-                      seinerseits wiederum zur Fehlerquelle ge-
raum zukommt, dem eine Zurücknahme                          rät 59.
gerichtlicher Kontrolle entspricht. Bei der
Identifikation harter Tabuzonen komme                       c) Vorschläge für einen veränderten Um-
den Planungsträgern dagegen allein eine                     gang mit Tabuzonen
Typisierungsbefugnis zu, deren Einhaltung
                                                            Um die Rechtsunsicherheiten bei der Un-
wiederum gerichtlich voll überprüfbar
                                                            terscheidung harter und weicher Tabuzo-
bleibt 58. Dass diese dogmatische Klärung
                                                            nen zu verringern wurden von verschiede-
auch zu einer gerichtsfesteren Anwendung
                                                            ner Seite Vorschläge skizziert, die hier nä-
von Bewertungsspielraum und Typisie-
                                                            her betrachtet werden sollen.
rungsbefugnis führt, erscheint jedoch eher
fraglich.
                                                            aa) Rückbesinnung auf eine klare Unter-
cc) Zwischenfazit                                               scheidung von Planungs- und Ge-
                                                                nehmigungsebene
Zusammenfassend lässt sich festhalten,
dass die Identifikation harter Tabuzonen                    So regt Erbguth an, dass der durch die An-
nach wie vor erhebliche Probleme aufwirft                   forderung verursachte Übergriff von der
und es bislang nicht gelungen ist, die                      Planungs- auf die Genehmigungsebene
Rechtsfragen hinreichend einheitlich und                    dadurch aufgehoben und beide Ebenen
klar zu beantworten. Auch wenn nach hier                    wieder konsequent zu trennen sind, indem
vertretener Ansicht zahlreiche Einzelfragen                 schlicht solche Flächen als harte Tabuzo-
als geklärt gelten müssen, so bleiben insge-                nen ausgeschlossen werden, für die prima
samt doch Zweifel in einem Umfang zu-                       facie eine Verbotswirkung besteht 60. Mögli-
rück, die eine rechtssichere Planungspraxis                 che Ausnahmen sollen dann erst auf Zulas-
nur schwerlich zulassen. Das iterative Vor-                 sungsebene über die Ausnahmeklausel des
gehen oberverwaltungsgerichtlicher Klä-                     § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Beachtung finden,
rung bleibt angesichts der Vielzahl immer                   wonach die Ausschlusswirkung von Kon-
wieder entstehender Fragen und den pro-                     zentrationszonenplanungen ohnehin nur
zessrechtlich bedingt seltenen Klärungs-                    „in der Regel“ gilt.
versuchen des Bundesverwaltungsgerichts                     Ein rechtssicheres Vorgehen bei der Kon-
problematisch. Zudem dürfte der attes-                      zentrationszonenplanung scheint so auf
tierte Übergriff von der Planungs- auf die                  den ersten Blick möglich und auch der Pla-
Genehmigungsebene in einzelnen Fall-                        nungsaufwand dürfte so nicht unerheblich
gruppen auch weiterhin Schwierigkeiten                      reduziert werden können. Insbesondere
mit sich bringen, die auch bei Anerken-                     würde sich auf Planungsebene die fehler-
nung eines Bewertungsspielraums sowie                       anfällige Abschätzung erübrigen, ob die ob-
einer Typisierungsbefugnis bestehen blei-                   jektiven Voraussetzungen einer Ausnahme
ben dürften. Gezeigt hat sich zudem, dass                   oder Befreiung für ein konkretes Vorhaben

 Anerkennung von Spielräumen bei der Formulierung            63/17.NE, juris Rn. 57 ff. sowie bereits Urt. v. 06.03.2018 –
 weicher Tabukriterien auch im konkreten Fall.               2 D 95/15.NE, juris Rn. 173 ff.
 56                                                          59
   Zur dogmatischen Kritik an diesen Figuren Erbguth,           Für eine strikte Beschränkung dieses Wegs auf echte
 Bindung und Abwägung bei der Planung von Kon-               Zweifelsfälle OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2020 – 12 KN
 zentrationszonen: zum Verständnis des § 35 Abs. 3 S. 3      75/18, juris Rn. 119 sowie OVG Berlin-Brandenburg, Urt.
 BauGB, DVBl 2015, 1346 (1351).                              v. 05.07.2018 – 2 A 2/16, juris Rn. 94 ff; einen weiterge-
 57
   Zur Anerkennung sowohl eines Beurteilungsspiel-           henden Anwendungsbereich sieht dagegen OVG
 raums als auch einer Typisierungsbefugnis bei der           Münster, Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, juris Rn. 111.
                                                             60
 Identifikation harter Tabuzonen noch OVG Berlin-Bran-         Erbguth, Bindung und Abwägung bei der Planung
 denburg, Urt. v. 05.07.2018 – 2 A 2/16, juris Rn. 96.       von Konzentrationszonen: zum Verständnis des § 35
 58
  BVerwG, Beschl. v. 16.12.2019 – 4 BN 30/19, juris Rn. 8    Abs. 3 S. 3 BauGB, DVBl 2015, 1346 (1350).
 m. w. N.; vorgehend OVG Münster, Urt. v. 17.01.2019 – D
10 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen

vorliegen oder nicht. Gleichwohl wären                   Potenzial des Vorschlags Erbguths zur
auch hier weitere Fragen zu klären, welche               Komplexitätsreduktion und zur Steigerung
die Erfüllung der Verbotstatbestände selbst              der Rechtssicherheit nur dann erreicht
betreffen: Da die planerischen Ausweisun-                wird, wenn auch die die Verbotsregelungen
gen von Gebieten bzw. Flächen für die                    betreffenden Prognosen auf Planungs-
Windenergie selbst die Verbotstatbestände                ebene möglichst begrenzt werden. Dies
nicht auszulösen vermögen 61, sondern erst               würde jedoch um den Preis erfolgen, dass
die späteren, im Zeitpunkt der Planung                   Flächen von erheblichem Umfang frühzei-
noch hypothetischen Vorhaben dies ggf.                   tig aus der Planung ausgeschlossen und
tun, ist auch bei diesem Vorgehen zu be-                 ihre Verfügbarkeit für Windenergievorha-
stimmen, wie tiefgehend bereits auf Pla-                 ben auf Grundlage des beschlossenen
nungsebene prognostisch zu prüfen ist, ob                Plans nur noch im Wege der Abweichung
ein Verbotstatbestand ausgelöst werden                   von der regelhaften Ausschlusswirkung
wird und auf welchen Zeitpunkt für diese                 nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB möglich wäre.
Prüfung abzustellen ist. „Was Verbotswir-                Insoweit käme es darauf an, in welchem
kung hat“ lässt sich ebenfalls zumeist nicht             Umfang Flächen auf diesem Weg doch
völlig abstrakt bestimmen. Ein Bezug zu                  noch zur Verfügung gestellt werden kön-
dem betroffenen Vorhaben muss irgendwie                  nen. Zu beachten ist dabei, dass es insoweit
hergestellt werden, will man nicht alle Flä-             jedenfalls an der flächensichernden Funk-
chen bereits dann aus der Planung heraus-                tion der Ausweisungen fehlt, die bei diesem
nehmen, wenn eine Verbotswirkung nur ir-                 Vorgehen unterblieben. D. h. auf den nun-
gendwie denkbar ist, was bei sämtlichen                  mehr von der Planung ausgenommen Flä-
naturschutzrechtlichen Schutzgebietskate-                chen können – im Rahmen des Zulässigen –
gorien genauso der Fall ist, wie beim Vorlie-            gerade auch andere Raumnutzungen um-
gen einzelner Exemplare besonders bzw.                   gesetzt werden, die dann Windenergienut-
streng geschützter Arten im Sinne des be-                zungen entgegenstehen. Doch auch die zu-
sonderen Artenschutzrechts. Insoweit                     sätzliche Flächenbereitstellung auf diesem
müsste wohl auch bei diesem Vorgehen je-                 Wege dürfte dadurch beschränkt sein, dass
denfalls der Schutzzweck bestimmter                      es sich bei der „in der Regel“-Formulierung
Schutzgebietsverordnungen in den Blick                   des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB regelungstech-
genommen werden, weil viele der dort gel-                nisch eben um eine Ausnahme handelt, de-
tenden Verbote die Errichtung von Wind-                  ren Gebrauch jedenfalls die Grundzüge der
energieanlagen gerade nicht hindern. Und                 Planung nicht in Frage stellen darf 62. Ob der
für das Vorliegen von Exemplaren ge-                     vorangehende weitreichende Ausschluss
schützter Arten müsste bestimmt werden,                  von Flächen im Planungsverfahren so kom-
ob trotz der Dynamik des Naturgeschehens                 pensiert werden kann, erscheint jedenfalls
und damit akzessorisch auch der Verbots-                 fraglich. Per Saldo verbliebe wohl ein er-
wirkung, allein ihr Vorhandensein im Raum                hebliches Minus an Flächen für die Wind-
im Zeitpunkt des Planbeschlusses relevant                energie, zumal zu bedenken ist, dass die
ist oder eine Prognose anzustellen ist, ob               Konfliktträchtigkeit der Flächenausweisung
ihr Vorliegen die spätere Zulassung auf un-              beim weiteren Ausbau der Windenergie
absehbare Zeit ausschließt. Nichtsdestot-                tendenziell noch zunimmt und damit ge-
rotz wäre der Aufwand der notwendigen                    rade auch Flächen in den Blick zu nehmen
Aufklärung verringert und die verbleiben-                sind, die nicht konfliktfrei oder konfliktarm
den Prognosen leichter durchführbar, da                  sind. Weicht man den Vorschlag Erbguths
sie allein die Verbotsregelungen betreffen,              dagegen auf, um den vorstehenden Erwä-
die vielfach komplexeren Überlegungen zu                 gungen Rechnung zu tragen, müssten be-
den Ausnahmeregelungen mithin unter-                     reits auf Planungsebene wiederum weiter-
bleiben könnten.                                         gehende Prognosen angestellt werden, was
                                                         den erhofften Zugewinn an Rechtssicher-
Gleichzeitig zeigen die vorstehenden Über-
                                                         heit verringern und allenfalls eine kleinere
legungen aber auch, dass das volle

 61                                                       62
   So knüpfen die meisten Verbotstatbestände an be-         BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01; Mitschang/Reidt,
 stimmten Handlungen an, die in aller Regel noch nicht    in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35
 durch die raumplanerische Ausweisung eines Vorha-        Rn. 118.
 bens bzw. einer Fläche/eines Gebiets dafür, sondern
 erst durch dessen Realisierung erfüllt werden.
11

Verringerung des Planungsaufwands be-                      behandelt, bei denen eine Realisierung von
deuten würde.                                              Windenergievorhaben wegen entgegen-
                                                           stehender Ziele der Raumordnung aus-
bb) Gesetzgeberische Definition harter                     scheidet 66. Bei den relevanten Gebietsfest-
    Tabukriterien                                          legungen in Raumordnungsplänen steht
                                                           zudem jedenfalls den Landesgesetzgebern
Vorgeschlagen wird zudem, dass die Anfor-
                                                           ein Findungsrecht zu 67, so dass auch wei-
derung an die Planung, harte Tabuzonen
                                                           tere Gebietsarten geschaffen werden kön-
zu identifizieren, nicht generell geändert,
                                                           nen. Praktisch ist dies zwar bislang kaum
sondern lediglich rechtssicherer gefasst
                                                           geschehen. Ausgeschlossen ist dies jedoch
werden müsse. Bei den hierauf abzielenden
                                                           auch für die Zukunft nicht.
Vorschlägen geht es deshalb in erster Linie
nicht um eine Verringerung des Planungs-                   Dies schließt es zwar nicht aus, die prak-
aufwands, sondern allein um eine Steige-                   tisch besonders relevanten Flächentypen
rung der Rechtssicherheit. In der konkreten                zuzuordnen. Auch hier bestehen jedoch
Umsetzung gibt es gleichwohl erhebliche                    Schwierigkeiten. Zum einen entspringen
Unterschiede bei den Vorschlägen. So wird                  Verbotswirkungen nicht selten den Landes-
teilweise angeregt, dass die Unterschei-                   gesetzen oder – etwa im Naturschutz – ein-
dung harter und weicher Tabukriterien ab-                  zelnen Schutzgebietsverordnungen. Beide
schließend durch den Gesetzgeber mittels                   Ebenen weisen hier durchaus Unterschiede
einer Zuordnung aller denkbaren Flächen-                   von Land zu Land auf. Im Bereich des Ge-
kategorien erfolgen soll 63. Andere Stimmen                bietsnaturschutzes hängt die Einordnung
wollen dagegen allein bestimmte proble-                    zudem von den konkreten Schutzzwecken
matische Fälle durch den Gesetzgeber re-                   der jeweiligen Schutzgebietsverordnungen
geln lassen, im Übrigen aber auf die Verar-                ab. Zudem würde der Gesetzgeber in eini-
beitung der existierenden Maßgaben durch                   gen Konstellationen auf dieselben Prob-
die Praxis vertrauen 64.                                   leme stoßen, denen auch die Planungsträ-
                                                           ger begegnen müssen. Insbesondere in Fäl-
Einer abschließenden Zuordnung von Flä-
                                                           len des Hineinplanens in Ausnahme- und
chentypen durch den Gesetzgeber stehen
                                                           Befreiungssituationen, die von der konkre-
allerdings verschiedene Hürden entgegen,
                                                           ten Vorhabenkonstellation und von Anla-
die kaum zu überwinden sein dürften. Zu-
                                                           genmodalitäten abhängen, kann auch der
nächst würde der Gesetzgeber vor dem
                                                           Gesetzgeber eine Zuordnung nur schwer-
Problem stehen, dass die Bandbreite an
                                                           lich abstrakt vornehmen.
Flächentypen sich nicht abschließend be-
stimmen lässt. Dies liegt zum einen daran,                 Erfolgversprechender dürfte es deshalb
dass harte Tabuzonen nicht nur rechtlich                   sein, gerade die problematischen Konstel-
begründet sind, sondern ihre Eigenschaft                   lationen nicht generell pauschal in die eine
gerade auch durch tatsächliche Vollzugs-                   oder andere Richtung zuzuordnen, sondern
hindernisse begründet werden kann 65.                      hier differenziert vorzugehen. So erscheint
Rechtliche Gründe können zudem nicht al-                   durchaus eine pauschale Zuordnung bei-
lein in bundes- wie landesrechtlichen Ver-                 spielsweise für die Frage möglich, welcher
botstatbeständen bestehen, sondern viel-                   Siedlungsabstand zu bestimmten Bauge-
mehr werden auch solche Flächen entspre-                   bietstypen der Baunutzungsverordnung
chend, d. h. wie harte Tabuzonen                           oder auch hier pauschalierend 68 zu

 63                                                         65
   So etwa ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin auf          Zu den hier insbesondere relevanten Umständen
 der Tagung der Fachagentur Windenergie an Land             Wagner, Die Pflicht zur Ausweisung harter Tabuzonen
 „Zukunft Windenergie – Klimaziele 2030“ Fachkonfe-         als Kardinalfehler des Tabuzonenkonzepts, VerwArch
 renz am 25. + 26 März 2019 in Berlin, vgl. die Dokumen-    2020, 220 (223 f., 232 ff.).
 tation der FA-Wind, September 2019, S. 36 f. Ähnliche      66
                                                              Siehe nur OVG Lüneburg, Urt. v. 23.6.2016 – 12 KN
 Vorschläge werden allerdings immer wieder diskutiert.      64/14, Rn. 65; Gatz, Die planerische Steuerung der
 64
   So etwa Agora Energiewende, Rosenkranz/Schä-             Windenergienutzung in der Regional- und Flächen-
 fer/Graichen, Sofortprogramm Windenergie an Land,          nutzungsplanung, DVBl 2017, 461 (463).
 2020, S. 27; Agatz, Ein Rechtsrahmen für den Wind-         67
                                                              Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl.
 energieausbau, ZUR 2020, 584 (596); Gatz, Planerische      2018, § 7 Rn. 65. Teilweise wird zudem von einem Fin-
 Steuerung privilegierter Außenbereichsvorhaben – un-       dungsrecht auch der Planungsträger ausgegangen,
 ter besonderer Berücksichtigung von Windenergiean-         Grotefels, in: Kment, ROG, 2019, § 7 Rn. 41.
 lagen und oberflächennahem Rohstoffabbau, NWVBl.           68
 2019, 133 (137).                                             Dabei wäre zu prüfen, ob durch die Pauschalierung
                                                            die vielfältigen Erscheinungsformen an
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