Ansätze zur Begrenzung der Fehleranfälligkeit und des Auf-wands von Konzentrationszo-nenplanungen
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I Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Ansätze zur Begrenzung der Fehleranfälligkeit und des Auf- wands von Konzentrationszo- nenplanungen Ein Beitrag zur Stabilisierung der Flächenauswei- sung für die Windenergie #22 | 04.08.2021 erstellt von Dr. Nils Wegner, LL.M. (Stockholm) ISSN 2365-7146
II Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen Zitiervorschlag: Wegner, Ansätze zur Begrenzung der Fehleranfälligkeit und des Aufwands von Konzentrationszonenplanungen, Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 22 vom 04.08.2021. Entstanden im Rahmen des Vorhabens: „Rechtliche Analyse neuer Herausforderungen für das Planungs- und Genehmigungsrecht bei der Flächenbereitstellung und -realisierung für den Ausbau der Windenergie an Land (NeuPlan Wind)“ Stiftung Umweltenergierecht Friedrich-Ebert-Ring 9 97072 Würzburg Telefon Vorstand +49 931 794077-0 Thorsten Müller und Fabian Pause, LL.M. Eur. Telefax Stiftungsrat +49 931 7940 77-29 Prof. Dr. Helmuth Schulze-Fielitz Prof. Dr. Franz Reimer E-Mail Prof. Dr. Monika Böhm wegner@stiftung-umweltenergierecht.de Spendenkonto Sparkasse Mainfranken Würzburg Internet IBAN: DE16 7905 0000 0046 7431 83 www.stiftung-umweltenergierecht.de BIC: BYLADEM1SWU
III Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung _____________________________________________________________ 1 A. Einleitung ___________________________________________________________________ 2 B. Ansätze zur Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Planungsaufwand _____ 4 I. Materiell-rechtliche Fehlerquellen _______________________________________________________ 4 1. Rechtliche und praktische Schwierigkeiten bei der Identifikation harter Tabuzonen _ 4 a) Die Tabuzonenrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ____________________ 4 b) Kritik der Tabuzonenrechtsprechung _______________________________________________ 6 aa) Unklare und widersprüchliche Einordnung von Gebietskategorien _______________ 6 bb) Erhöhter Planungsaufwand durch fehlerhafte Dogmatik ________________________ 7 cc) Zwischenfazit ___________________________________________________________________ 9 c) Vorschläge für einen veränderten Umgang mit Tabuzonen__________________________ 9 aa) Rückbesinnung auf eine klare Unterscheidung von Planungs- und Genehmigungsebene ______________________________________________________________ 9 bb) Gesetzgeberische Definition harter Tabukriterien________________________________ 11 cc) Vorschläge eines Verzichts auf die Unterscheidung harter und weicher Tabuzonen ________________________________________________________________________________ 12 dd) Bewertung und eigener Vorschlag _____________________________________________ 14 (1) Handlungsspielraum des Gesetzgebers zur Ausgestaltung der Konzentrationszonenplanung ______________________________________________________ 14 (2) Notwendigkeit ergänzender Regelungen zur Vermeidung von Missbrauchsmöglichkeiten _________________________________________________________ 17 d) Zwischenergebnis_________________________________________________________________ 18 2. Die unzureichende quantitative Steuerungswirkung des Substanzgebots __________ 18 a) Verständnis des Substanzgebots als Ausdruck des Verbots der Verhinderungsplanung _____________________________________________________________________________________ 19 b) Das Fehlen einer quantitativen Vorgabe zur Gewährleistung der Flächen- und Ausbauziele im Bundesrecht _________________________________________________________ 20 c) Mengenvorgaben als Mittel der Mengensteuerung und Bezugspunkt gerichtlicher Kontrolle ____________________________________________________________________________ 21 d) Zwischenergebnis_________________________________________________________________ 22 3. Unklarheiten über die erforderliche Untersuchungs- und Abwägungstiefe _________ 22 4. Dichtezentren als planerischer Ansatz zur Bewältigung des Artenschutzes_________ 25 a) Dogmatische Verortung im Rahmen der Konzentrationszonenplanungen __________ 27 b) Rechtmäßigkeitsanforderungen ___________________________________________________ 27
IV Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen c) Planerische Vorbereitung artenschutzrechtlicher Ausnahmen: Quelle erhöhten Planungsaufwands? _________________________________________________________________ 28 II. Formell-rechtliche und sonstige Fehlerquellen ________________________________________ 29 1. Bekanntgabe von Planentwürfen und Plänen ______________________________________ 30 a) Planentwürfe _____________________________________________________________________ 30 b) Bekanntgabe der Genehmigung von Flächennutzungsplänen ______________________ 31 2. Erforderlichkeit der Ausfertigung __________________________________________________ 32 3. Der Umgang mit Masseneinwendungen und Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung ____________________________________________________________ 33 C. Fazit ________________________________________________________________________ 35
1 Zusammenfassung Grundvoraussetzung für das Erreichen der bei Konzentrationszonenplanungen besei- Ausbauziele für die Windenergie an Land tigt und verschiedene formelle Fehlerquel- ist die ausreichende Bereitstellung geeig- len solcher Planungen abgestellt werden neter Flächen. Raumplanerisch erfolgt die können. Mit den Dichtezentren wird Bereitstellung ganz überwiegend mit dem schließlich ein planerischer Ansatz für eine Instrument der sog. Konzentrationszonen- verbesserte Bewältigung des Artenschut- planung in Verbindung mit der Privilegie- zes auf Planungsebene untersucht und die rung der Windenergienutzung im bauli- Voraussetzungen formuliert, unter denen chen Außenbereich. Das Instrument der auch der Windenergieausbau von seiner Konzentrationszonenplanung leidet jedoch Verwendung profitieren kann. aufgrund seiner Komplexität einerseits un- ter einer erheblichen Fehleranfälligkeit, was in vielen Fällen trotz immensen Planungs- aufwands zur gerichtlichen Aufhebung sol- Kernergebnisse cher Pläne führt. Andererseits fehlt es aktu- ▶ Die Fehleranfälligkeit und auch der Pla- ell an einer echten Mengensteuerung, um nungsaufwand von Konzentrationszo- die Ausweisung einer ausreichenden nenplanungen kann unter Bewahrung Menge an Flächen sicherzustellen. des Zusammenspiels von allgemeiner Die vorliegende Würzburger Studie zum Außenbereichsprivilegierung der Wind- Umweltenergierecht schließt eine dreitei- energie und der Möglichkeit ihrer lige Untersuchung zur Flächensteuerung räumlichen Beschränkung (sog. Plan- bei der Windenergie an Land ab, die zu- vorbehalt) mittels verschiedener Maß- nächst eine umfassende Analyse der Feh- nahmen gesetzgeberisch adressiert lerquellen von Konzentrationszonenpla- werden. nungen und sodann Vorschläge für den ▶ Durch eine punktuelle Modifikation des Umgang mit Fehlern und zur Begrenzung Zusammenspiels von Außenbe- der Fehlerfolgen umfasste. Es wird im nun- reichsprivilegierung und Planvorbehalt mehr letzten Schritt gezeigt, wie das der- könnte der Gesetzgeber einen Verzicht zeitige System der Flächensteuerung für auf die strenge Unterscheidung harter die Windenergie an Land fortentwickelt und weicher Tabuzonen bewirken. Ein werden kann, um Fehleranfälligkeit und solcher Verzicht sollte jedoch unbe- Aufwand einzelner Planungen zu begren- dingt um eine stärkere bundesrechtli- zen. Dabei sollen die grundlegenden Ele- che Mengensteuerung ergänzt werden, mente des derzeitigen Systems, insbeson- um nicht ungewollt Missbrauchsmög- dere Außenbereichsprivilegierung einer- lichkeiten bei der Flächenausweisung seits und Beschränkungsmöglichkeit (sog. für die Windenergie zu eröffnen. Planvorbehalt) andererseits, erhalten blei- ben. Der Vorschlag unterscheidet sich inso- ▶ Die Berücksichtigung von Dichtezen- weit von Ansätzen, die einen grundlegen- tren im Rahmen von Konzentrationszo- deren Systemwechsel vorschlagen. nenplanungen verspricht in der Theorie einen verbesserten Ausgleich zwischen Im Einzelnen werden Vorschläge für einen Artenschutz und Windenergieausbau verbesserten Umgang mit der Unterschei- und kann dabei helfen, die Steuerungs- dung harter und weicher Tabuzonen analy- leistung planerischer Ausweisungen zu siert und eingeordnet. Es wird gezeigt, dass verbessern. Damit aber der Windener- auch ein Verzicht auf diese Unterscheidung gieausbau hiervon profitiert, müssen in ihrer strengen Form möglich und dann neben methodischen Fragen insbeson- zu empfehlen ist, wenn sie mit einer ver- dere auch die Anwendbarkeit des Aus- stärkten Form einer bundesrechtlichen nahmeregimes des Artenschutzrechts Mengensteuerung für die Flächenauswei- außerhalb der Dichtezentren sicherge- sung einhergeht. Es wird zudem aufge- stellt werden. zeigt, wie Unklarheiten über die erforderli- che Untersuchungs- und Abwägungstiefe
2 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen A. Einleitung Die ausreichende Flächenverfügbarkeit ist Flächennutzungsplanebene die zunächst notwendige Voraussetzung dafür, dass die allgemein im gesamten baulichen Außen- Ausbauziele des Erneuerbare-Energien-Ge- bereich geltende Privilegierung von Wind- setzes (EEG 2021) im Bereich der Windener- energievorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 gie an Land erreicht werden können. Ge- BauGB in ihrer Wirkung auf bestimmte Flä- mäß § 4 Nr. 1e) EEG 2021 soll die installierte chen konzentriert. Im Ergebnis soll so der Leistung von Windenergieanlagen an Land allergrößte Teil des Außenbereichs von bis 2030 auf 71 GW ausgebaut werden und Windenergieanlagen freigehalten, diesen damit einen ganz wesentlichen Beitrag zur aber zugleich weiterhin substanziell Raum Erzeugung einer jährlichen Strommenge eingeräumt werden 4. An die mit diesen Pla- aus erneuerbaren Energien von über 376 nungen verbundene Ausschlusswirkung Terrawattstunden beitragen 1. Nach der An- außerhalb der ausgewiesenen Konzentrati- passung des Klimaschutzgesetzes infolge onsflächen stellt das Bundesverwaltungs- des Beschlusses des Bundesverfassungsge- gericht hohe Anforderungen und fordert richts vom 24.03.2021 2 scheint zudem gar insbesondere ein schlüssiges gesamträum- eine weitere Anhebung der Ausbaupfade liches Planungskonzept 5. für die Windenergie erforderlich zu sein, In der Praxis zeigt sich, dass zahlreiche sol- auch wenn sie einstweilen bei der Anpas- cher Planungen in der gerichtlichen Kon- sung des EEG 2021 unterblieben ist. Unter- trolle scheitern und teils ganz 6 oder jeden- suchungen legen nahe, dass die bislang falls hinsichtlich der von ihnen ausgehen- planerisch für die Windenergienutzung den Ausschlusswirkung 7 gerichtlich aufge- ausgewiesenen oder in Planentwürfen ent- hoben werden. In der Folge können Wind- haltenen Flächen für die Umsetzung der energievorhaben nicht selten 8 wieder auch notwendigen Ausbaupfade kurzfristig noch außerhalb der ausgewiesenen Flächen rea- ausreichen. Mittel- und langfristig ist je- lisiert werden, wenn dem nicht Planungs- doch eine zusätzliche Bereitstellung von träger mit Plansicherungsinstrumenten Flächen nötig 3. oder Landesgesetzgeber mit sog. „Wind- Die bisherige Flächenbereitstellung für die energie-Moratorien“ 9 zuvorkommen. Plane- Windenergie an Land wurde planungs- rische Steuerung findet hier dann nur ein- rechtlich in erster Linie mittels sog. Kon- geschränkt und kleinräumig auf alleiniger zentrationszonenplanungen erreicht. Dabei Grundlage des gesetzgeberischen Planer- wird durch Aktivierung des sog. Planvorbe- satzes nach § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 BauGB halts nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB auf Raum- ordnungs- oder 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 21. Juli 2014 BGBl. I OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.05.2019 – OVG 2 A S. 1066), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. 4.19, juris Rn. 36. Dezember 2021 (BGBl. I S. 3138) geändert worden ist. 7 So aufgrund prozessualer Beschränkungen im Falle 2 BVerfG, Beschl. vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 u. a. der Normenkontrolle von Flächennutzungsplänen mit 3 UBA, Climate Change 38/2019, Analyse der kurz- und den Wirkungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, BVerwG, mittelfristigen Verfügbarkeit von Flächen für die Wind- Urt. v. 13.12.2018 – 4 C 3/18, juris Rn. 29. 8 energienutzung an Land, 2019, S. 122 f. zu Abschätzun- Zur Möglichkeit des Wiederauflebens älterer Planfas- gen mit Blick auf die Ausbaupfade des EEG 2017 bzw. sungen, Kerkmann, Anmerkung zu einer Entschei- den hierauf bezogenen Szenarien des Netzentwick- dung des BVerwG, Urteil vom 13.12.2018 (4 C 3/18), lungsplans Strom. NVwZ 2019, 494 (495); Raschke, Die Reichweite der 4 2019 wurden deutschlandweit Flächen im Umfang Statthaftigkeit der Normenkontrolle gegen Planungen von 3.131,4 km2 (0,9 % der Gesamtfläche) der Windener- mit Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, gienutzung zur Verfügung gestellt bzw. sollten ihr ZfBR 2019, 329 (332 ff.). 9 nach Planentwürfen zur Verfügung gestellt werden. In Schleswig-Holstein galt ein solches Moratorium auf Dabei bestanden erhebliche Unterschiede zwischen landesrechtlicher Grundlage zwischen 2016 und Ende den einzelnen Ländern. Vgl. Tabelle 6, UBA, ibid., S. 62. 2020. Es ist dort nach mehrfacher Verlängerung mit In- 5 St. Rspr., siehe nur BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, krafttreten der neuen Regionalpläne ausgelaufen. In juris Rn. 9. Brandenburg gilt in Regionen ohne wirksame Kon- 6 zentrationszonenplanung seit Mai 2019 ein vergleich- Im Falle von Normenkontrollen von Regionalplanun- bares Moratorium. gen mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB,
3 statt 10. Ein Verlust an Akzeptanz des Wind- für die Planungsträger keine Option ist, energieausbaus bei betroffenen Anwoh- wenn man eine Steuerung des Windener- nern und Entscheidungsträgern steht hier gieausbaus erreichen will und Windener- in der Folge zu befürchten. giegegner kein Interesse daran haben, Kon- zentrationszonenplanungen zu beklagen, Um dem zu begegnen, wurde eine umfas- da deren Aufhebung wieder zur ursprüngli- sende Untersuchung in drei Schritten chen Öffnung des Außenbereichs führt. durchgeführt: Ausführliche Fehlerquellen- Wie zu zeigen sein wird, bedarf dieser Me- analysen einschlägiger Gerichtsentschei- chanismus jedoch eine Ergänzung durch dungen haben gezeigt, dass solche Pläne explizite Mengenzielvorgaben für die Flä- an einer Mehrzahl unterschiedlicher mate- chenausweisung. riell- und formell-rechtlicher Fehler schei- tern 11. Allein eine Ausweitung von Vorschrif- Die vorliegende Darstellung geht ihrer Ziel- ten zur Begrenzung der Fehlerfolgen und richtung nach über jüngste Vorschläge zur auch ein verbesserter Umgang mit Planauf- Weiterentwicklung bzw. gänzlichen Neu- hebungen 12, wie sie in einem zweiten aufstellung der planerischen Steuerung der Schritt vorgeschlagen wurden, können die Windenergie 13 hinaus. Es sollen nicht nur Planungen zwar kurzfristig stabilisieren Wege aufzeigt werden, wie eine ausrei- helfen, dürften den festgestellten Zustand chende Flächenmenge innerhalb des etab- aber nicht entscheidend verbessern. lierten Planungssystems gesichert werden kann. Dieser Aspekt wird auch hier adres- Vor diesem Hintergrund wurde nunmehr siert, wenngleich nicht voll entfaltet, da er zum Abschluss des Dreischritts der Versuch bereits an anderer Stelle beschrieben unternommen, Vorschläge zur Vermeidung wurde 14. Der Fokus liegt vielmehr darauf, typischer Fehler zu entwickeln. Die darge- die Konzentrationszonenplanungen selbst stellten Vorschläge richten sich insbeson- zu stabilisieren, das heißt insbesondere ge- dere an den Gesetzgeber und sollen die- richtsfester zu machen sowie den Pla- sem Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, nungsaufwand zu verringern und damit die um die Fehleranfälligkeit von Konzentrati- Funktionsfähigkeit der planerischen Steue- onszonenplanungen, aber auch den mit rung zu verbessern. Dabei sind die Überle- ihnen verbundenen Planungsaufwand zu gungen zudem beschränkt auf die Modifi- reduzieren. Dabei müssen die Änderungen kation von Konzentrationszonenplanungen zugleich eine Flächenverfügbarkeit sicher- i. S. v. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, ohne die stellen, wie sie zur Erreichung der Ausbau- Grundbausteine dieser Steuerung – allge- ziele ausreichend ist. Hierfür muss das meine Außenbereichsprivilegierung einer- grundlegende Zusammenspiel der Außen- seits und Planvorbehalt andererseits – in bereichsprivilegierung der Windenergie ei- Frage zu stellen. Hierauf bezogene Vor- nerseits und des Planvorbehalts anderer- schläge 15 werden allein am Rande in die Be- seits gewahrt werden. Dieses führt schon trachtung einbezogen. heute dazu, dass planerische Untätigkeit 10 Danach sind Windenergieanlagen im Außenbereich Regelungsvorschlag, 28.01.2021 sowie das zugrunde lie- nur dort unzulässig, wo ihnen ein öffentlicher Belang gende Gutachten von Kment, Sachdienliche Änderun- des § 35 Abs. 3 BauGB entgegensteht. gen des Baugesetzbuchs zur Förderung von Flächen- 11 Wegner, Fehlerquellen von Windkonzentrationszo- ausweisungen für Windenergieanlagen, Gutachten im nenplanungen, Würzburger Berichte Nr. 14 vom Auftrag der Stiftung Klimaneutralität, Dezember 2020. 14 7.9.2015 sowie Nr. 37 vom 14.12.2018. Ebenfalls erschie- UBA, Climate Change 21/2020, Wegner/Kahles/Bau- nen in ZfBR 2016, 548 ff. bzw. ZfBR 2019, 230 ff. knecht/Ritter/Heinemann/Seidl, Bundesrechtliche 12 Wegner, Ansätze zum Umgang mit Fehlern und zur Mengenvorgaben bei gleichzeitiger Stärkung der kom- Begrenzung der Fehlerfolgen bei Windkonzentrations- munalen Steuerung für einen klimagerechten Wind- zonenplanungen, Würzburger Berichte zum Umwelte- energieausbau, Juli 2020. 15 nergierecht Nr. 39 vom 6.3.2019; zu entsprechenden So insbesondere die Vorschläge betreffend die Ein- Vorschlägen siehe auch Schmidt-Eichstaedt, Die har- führung eines Fachplanungsregimes für die Windener- ten und weichen Tabuzonen bei der Windenergiepla- gie bei Verheyen, Ausbau der Windenergie an Land: nung und die Beachtlichkeit etwaiger Fehlzuordnun- Beseitigung von Ausbauhemmnissen im öffentlichen gen, ZfBR 2019, 434 ff. sowie ders., Vorschlag 3, in: FA- Interesse, Gutachten im Auftrag von Greenpeace Wind, Gesetzgeberische Möglichkeiten für eine rechts- Energy, Mai 2020 sowie Rodi, Das Recht der Windkraft- sichere Konzentrationszonenplanung, 2020, S. 18 ff.. nutzung zu Lande unter Reformdruck, ZUR 2017, 658 ff. 13 Siehe Stiftung Klimaneutralität, Wie kann die Verfüg- In diese Richtung auch bereits Hermes, Planungs- barkeit von Flächen für die Windenergie an Land rechtliche Sicherung einer Energiebedarfsplanung – schnell und rechtssicher erhöht werden? – Ein ein Reformvorschlag, ZUR 2014, 259 ff.
4 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen B. Ansätze zur Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Planungsaufwand I. Materiell-rechtliche Fehlerquellen 1. Rechtliche und praktische Schwierigkeiten bei der Identifikation Unter den materiell-rechtlichen Fehlerquel- harter Tabuzonen len 16 von Konzentrationszonenplanungen sticht insbesondere die nach der Recht- a) Die Tabuzonenrechtsprechung des Bun- sprechung des Bundesverwaltungsgerichts desverwaltungsgerichts erforderliche Unterscheidung von harten Nach der Rechtsprechung des Bundesver- und weichen Tabuzonen 17 als erster Arbeits- waltungsgerichts ist bei der Erarbeitung ei- schritt der Erstellung des geforderten ge- nes schlüssigen gesamträumlichen Pla- samträumlichen Planungskonzepts hervor. nungskonzepts als Voraussetzung für die Schwierigkeiten bereitet hier in erster Linie Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 S. 3 die rechtssichere Identifikation harter BauGB im ersten Schritt eine Unterschei- Tabuzonen (hierzu unter 1.) 18. Weitere Feh- dung von harten und weichen Tabuzonen lerquellen stellen der quantitative Aspekt erforderlich 19. Dogmatisch begründet wird der Anforderung, der Windenergie substan- dies durch das Gericht mit den unter- ziell Raum zu schaffen (sog. Substanzgebot, schiedlichen rechtlichen Eigenschaften bei- hierzu unter 2.), Unklarheiten über die im der Flächenkategorien. Unter harten Einzelfall notwendige Abwägungs- und Un- Tabuzonen werden dabei solche Flächen tersuchungstiefe (hierzu unter 3.) sowie der verstanden, auf denen eine Realisierung Umgang mit dem Artenschutz auf Pla- von Windenergievorhaben auf unabseh- nungsebene (hierzu unter 4.), dar. bare Zeit aus rechtlichen (bspw. aus den Lärmgrenzwerten folgende Schutzab- stände) oder tatsächlichen Gründen (bspw. mangelnde Windhöffigkeit) schlechter- dings ausgeschlossen ist 20. Der Ausweisung solcher Flächen stehe das Erforderlichkeits- gebot gem. § 1 Abs. 3 BauGB 21 bzw. § 2 Abs. 1 ROG 22 entgegen. Sie seien deshalb bereits vor der Abwägung aus dem Aufstellungs- prozess auszuscheiden. Der 16 Vgl. Wegner, Fehlerquellen von Konzentrationszo- Konzentrationszonen: zum Verständnis des § 35 Abs. 3 nenplanungen, Würzburger Berichte zum Umwelte- S. 3 BauGB, DVBl 2015, 1346 ff.; Wagner, Die Pflicht zur nergierecht Nr. 14 vom 07.09.2015, S. 5 ff. sowie Nr. 37 Ausweisung harter Tabuzonen als Kardinalfehler des vom 14.12.2018, S. 8 ff. Tabuzonenkonzepts, VerwArch 2020, 220 ff.; Agatz, Ein 17 Die Verwendung der Begriffe Tabuzonen, -flächen Rechtsrahmen für den Windenergieausbau, ZUR 2020, und Tabukriterien ist in der Literatur nicht ganz ein- 584 (595); FA-Wind, Gesetzgeberische Möglichkeiten heitlich. Nach hiesigem Verständnis werden als für eine rechtssichere Konzentrationszonenplanung, Tabuzonen oder -flächen die als solche identifizierten 2020; Kindler, Zur Steuerungskraft der Raumordnungs- Flächen in einem Plangebiet bezeichnet. Unter planung, 2018, S. 160 ff.; Thomann, Konzentrationsflä- Tabukriterien werden dagegen diejenigen Merkmale chen für Windenergieanlagen in Flächennutzungsplä- verstanden, die von Planungsstellen zugrunde gelegt nen, 2018, S. 328 ff. 19 werden, um Tabuflächen im Rahmen der Untersu- St. Rspr. seit BVerwG, Beschl. v. 15.09.2009 – 4 BN chung des Plangebietes zu identifizieren. 25.09; BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, juris Rn. 10. 18 20 Diese ist auch Hauptkritikpunkt der Stimmen in der Siehe nur BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, juris Rn. rechtswissenschaftlichen Literatur, siehe nur Hend- 10 sowie bereits BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01, ju- ler/Kerkmann, Harte und weiche Tabuzonen: Zur Mi- ris Rn. 17. sere der planerischen Steuerung der Windenergienut- 21 BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, juris Rn. 12. zung, DVBl 2014, 1369 ff.; Tyczewski, Konzentrationszo- 22 nen für Windenergieanlagen rechtssicher planen – Illu- Vgl. hierzu Wagner, Die Pflicht zur Ausweisung har- sion oder Wirklichkeit, BauR 2014, 934 (935 ff.); Erb- ter Tabuzonen als Kardinalfehler des Tabuzonenkon- guth, Bindung und Abwägung bei der Planung von zepts, VerwArch 2020, 220 (239).
5 Abwägungsentscheidung zuzuordnen sind bei der verbreitetsten dieser Verhältnisbil- dagegen die weichen Tabuzonen. Bei die- dungen (Gesamtfläche des Plangebiets ab- sen handele es sich um Potenzialflächen, züglich harter Tabuzonen im Verhältnis zu wenn auch um solche, auf denen aufgrund den Flächenausweisungen für die Wind- planerischer Erwägungen keine Windener- energie) ist der Umfang der vorhandenen gievorhaben zugelassen werden sollen harten Tabuzonen ein einzustellender Fak- (bspw. alle Formen vorsorgebezogener tor 27. Aus diesen Funktionen der Identifika- Siedlungsabstände). Die hierfür bestehen- tion harter Tabuzonen lässt sich auch auf den Gründe unterliegen der Abwägung die Motivation der Rechtsprechung schlie- nach § 1 Abs. 7 BauGB bzw. § 7 Abs. 2 S. 1 ßen, warum sie diese Unterscheidung mit ROG. Ihr Ausschluss ist insbesondere ge- so großer Vehemenz fordert. Sie dürfte in genüber dem Interesse an der Nutzung der erster Linie darin liegen, Verhinderungspla- Windenergie von Flächeneigentümern zu nungen effektiv und d. h. kontrollierbar zu rechtfertigen 23. vermeiden und damit ein Unterlaufen der gesetzgeberischen Entscheidung, die Funktion der Vorgabe, bereits im ersten Ar- Windenergie im Außenbereich zu privile- beitsschritt harte Tabuzonen zu identifizie- gieren, zu verhindern. Nach dessen Willen ren, ist eine Rationalisierung des Planungs- soll die Ausschlusswirkung des Planvorbe- prozesses. Die Planungsträger sollen davon halts nur dann greifen, wenn der Wind- abgehalten werden, voreilig Flächen aus energie an anderer Stelle auch wirklich ein dem weiteren Prozess auszuschließen, ob- Mindestmaß an Raum eingeräumt wurde 28. wohl auf ihnen die Realisierung von Wind- Die restriktive Zulassung der Flächenkon- energievorhaben rechtlich und tatsächlich tingentierung, die mit der Ausschlusspla- möglich ist 24. Insoweit zielt die Anforderung nung einhergeht, ist zudem eigentums- gerade auf die im Planungsprozess zu er- rechtlich begründet 29. langende Erkenntnis, dass auf vielen Flä- chen gerade keine unüberwindlichen Aus- Für die Planungsträger folgt aus dem Erfor- schlussgründe bestehen. Die hierzu spie- dernis der Identifikation harter Tabuzonen gelbildliche Erkenntnis des Umfangs harter ganz konkret, dass nicht lediglich solche Tabuzonen hat innerhalb der nach der Flächen auf ihre Vereinbarkeit mit dem pla- Rechtsprechung geltenden Anforderungen nerischen Erforderlichkeitsgebot zu prüfen zudem die Funktion, einen Maßstab für die sind, auf denen Windenergievorhaben zu- Überprüfung des Planungsergebnisses und gelassen werden sollen. Vielmehr sind die Frage zu gewinnen, ob der Windenergie harte Tabuzonen im gesamten Außenbe- substanziell Raum verschafft wurde 25. Aus reich zu identifizieren, d. h. auch die Flä- dieser Anforderung ergeben sich keine all- chen zu untersuchen und zu bewerten, die gemein quantifizierbaren Vorgaben für die später im Ausschlussbereich liegen sollen. im Mindestmaß auszuweisenden Flächen Es ist mithin diese Anforderung, aus der ein für die Windenergie. Das Substanzgebot ist nicht unbedeutender Teil des hohen Pla- vielmehr in der jeweiligen Planungssitua- nungsaufwands für Konzentrationszonen- tion zu konkretisieren, wofür das Bundes- planungen resultiert. verwaltungsgericht verschiedene, durch die oberverwaltungsgerichtliche Recht- sprechung zugelassene Verhältnisbildun- gen anerkennt 26. Überwiegend und so auch 23 BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11, juris Rn. 12 f. des Klimaschutzbelangs, ZfBR 2020, 20 (21). Kindler, Zur 24 Münkler, Flexible Steuerung durch Konzentrations- Steuerungskraft der Raumordnungsplanung, 2018, flächenplanung, NVwZ 2014, 1482 (1485); Alb- S. 177 f. 28 recht/Zschiegner, Die Unterscheidung harter und wei- Siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- cher Tabukriterien als fortwährendes Problem der schusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Windkonzentrationsflächenplanung, NVwZ 2019, 444 BT-Drs. 13/4978, S. 6; BT-Drs. 13/2208, S. 1, 5. (447). 29 Siehe bereits BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01, ju- 25 Hierzu ausführlich unter B. I. 2. ris Rn. 28 sowie 51 ff.; Gatz, Planerische Steuerung privi- 26 Auch hierzu näher unter B. I 2. legierter Außenbereichsvorhaben – unter besonderer 27 Berücksichtigung von Windenergieanlagen und ober- Siehe Gatz, Windenergieanlagen in der Gerichts- und flächennahem Rohstoffabbau -, NWVBl. 2019, 133 (137). Verwaltungspraxis, 3. Aufl. 2018, Rn. 98; Wagner, Das Gebot substanzieller Flächenausweisungen zugunsten der Windenergie als abwägungsrechtlicher Wirkung
6 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen b) Kritik der Tabuzonenrechtsprechung Realisierung von Windenergievorhaben drohten 33. Richtig daran ist, dass hinsicht- Die Kritik an der Rechtsprechung zur Iden- lich einzelner Flächentypen auch aktuell tifikation harter Tabuzonen richtet sich noch Widersprüche zwischen den Verwal- dann auch wenig überraschend gegen den tungsobergerichten bestehen 34. In anderen dadurch ausgelösten Planungsaufwand 30. der auch in aktuellen Veröffentlichungen Darüber hinaus wird beklagt, dass die Ein- angeführten Fälle dürfte jüngere Recht- ordnung zahlreicher Flächenkategorien als sprechung dagegen eine relative Klärung entweder harte oder weiche Tabuzone auf dieser Ebene gebracht haben 35, wenn nicht rechtssicher möglich sei 31. diese auch mitunter gerade einen differen- zierten Umgang mit Flächentypen verlan- aa) Unklare und widersprüchliche Ein- gen und einer pauschalen Einordnung in ordnung von Gebietskategorien entweder die eine oder die andere Katego- Rechtsunsicherheit, so wird geltend ge- rie eine Absage erteilt hat 36. macht, entstehe zunächst aus Widersprü- Schon länger ist in diesem Sinne etwa der chen in der Rechtsprechung der einzelnen Umgang mit der Flächenkategorie Wald Oberverwaltungsgerichte und fehlender geklärt, wonach auch zusammenhängende Klärung durch das Bundesverwaltungsge- Waldgebiete grundsätzlich nicht als harte richt selbst. Diesem ist die Klärung einzel- Tabuzonen eingeordnet werden können 37. ner Fragen häufig aus revisionsrechtlichen Abweichungen hiervon sollen nur dann Gründen nicht möglich 32. So werden Wider- möglich sein, wenn es sich um Waldge- sprüche u. a. gesehen bei der Einordnung biete handelt, die einen besonderen Schutz von Landschaftsschutzgebieten nach § 26 auf landesgesetzlicher 38 oder im Einzelfall BNatSchG, FFH- und Vogelschutzgebieten auch landesplanerischer Ebene genießen nach §§ 31 ff. BNatSchG, zusammenhängen- und auch die Erfüllung von Ausnahmetat- den Waldgebieten oder auch Gebieten, in beständen jedenfalls praktisch denen die Verwirklichung artenschutz- rechtlicher Verbotstatbestände bei einer 30 Statt vieler Hendler/Kerkmann, Harte und weiche Rechtsprechung von vor 2015 begründet wird, da dies Tabuzonen: Zur Misere der planerischen Steuerung der den naturgemäß iterativen Klärungsprozess der Recht- Windenergienutzung, DVBl 2014, 1369 (1371). sprechung kaum abzubilden in der Lage ist. Selbst 31 Zuletzt Wagner, Die Pflicht zur Ausweisung harter wenn es nämlich an einer ausdrücklichen Aufgabe ei- Taubzonen als Kardinalfehler des Tabuzonenkonzepts, ner Rechtsprechung fehlt, so kann anhand der Urteile VerwArch 2020, 220 (221). anderer Gerichte gleichwohl mit gewisser Sicherheit 32 auf einen Wandel der Rechtsprechung geschlossen Eine Entscheidung kann mit der Revision nur dann werden. Die Frage ist dann allein, ob das so zu erzie- angegriffen werden, wenn die Entscheidung gem. § 137 lende Maß an Rechtssicherheit für die Praxis ausreicht Abs. 1 VwGO auf dem geltend gemachten Fehler „be- oder nicht der Gesetzgeber schon zuvor oder ergän- ruht“. Da die Aufhebung von Konzentrationszonenpla- zend handeln sollte. nungen vielfach aufgrund mehrerer selbständiger 36 Rechtsverstöße erfolgt, ist die Revision zumeist nur In diesem Sinne auch Gatz, Die planerische Steue- dann möglich, wenn sämtliche selbständigen Aufhe- rung der Windenergienutzung, DVBl 2017, 461 (463). 37 bungsgründe revisible Fehler aufweisen. Siehe hierzu Aus der jüngeren Rechtsprechung siehe OVG Lüne- den Vorschlag von Agatz, Ein Rechtsrahmen für den burg, Urt. v. 26.10.2017 – 12 KN 119/16, juris Rn. 70 ff. sowie Windenergieausbau, S. 28, abrufbar unter www.wind- vom 15.03.2018 – 12 KN 38/17, juris Rn. 55, 60 ff.; OVG energie-handbuch.de/umweltrecht-fragen/. Münster, Urt. v. 6.12.2017 – 7 D 100/15.NE sowie Urt. v. 33 Wagner, Die Pflicht zur Ausweisung harter Taubzo- 6.3.2018 – 2 D 95/15.NE, juris Rn. 86, 98 m. w. N., 134 ff. nen als Kardinalfehler des Tabuzonenkonzepts, Ver- und Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, juris Rn. 217 ff. Zur wArch 2020, 220 (225). Entwicklung der Rechtsprechung bereits Wegner, 34 Fehlerquellen von Windkonzentrationszonenplanun- So auch bei Naturschutzgebieten gem. 23 BNatSchG, gen – Ein Update, Würzburger Berichte zum Umwelte- siehe einerseits OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. nergierecht Nr. 37 vom 14.12.2018, S. 13 f. Auch das Urteil 23.05.2019 – OVG 2A 4.19, juris Rn. 91 für eine generelle des OVG Lüneburg vom 13.07.2017 – 12 KN 206/15 weist Einordnung als harte Tabuzone; hierzu ebenfalls nei- nicht in eine andere Richtung. Auch hier wird lediglich gend, aber dies i. E. offenlassend OVG Lüneburg, Urt. v. die Möglichkeit für Ausnahmen offengelassen, nicht 26.10.2017 – 12 KN 119/16, juris Rn. 91; nunmehr aber OVG aber eine generelle Einordnung von Wald als hartes Lüneburg, Urt. 07.02.2020 – 12 KN 75/18, juris Rn. 95; ge- Tabukriterium für möglich erklärt. In diesem Sinne gen eine pauschale Einordnung ohne differenzierte auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.05.2019 – OVG Prüfung einer möglichen Befreiungslage dagegen 2 A 4.19, juris Rn. 102. OVG Münster, Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, juris Rn. 38 162 ff. In diesem Sinne bereits OVG Weimar, Urt. v. 35 08.04.2014 – 1 N676/12, juris Rn. 93. Nicht unproblematisch ist es, wenn die Kritik fehlen- der Rechtssicherheit allein unter Verweis auf
7 ausscheidet 39. Auch der Umgang mit arten- einerseits und die selbst gesteckten Flä- schutzrechtlichen Verbotstatbeständen ist chenziele andererseits noch in einem aus- nach der ausdrücklichen Abkehr des OVG geglichenen Verhältnis zueinander ste- Berlin-Brandenburg von seiner bisherigen hen 46. Rechtsprechung nunmehr in dem Sinne geklärt, dass aus der potenziellen Verwirkli- bb) Erhöhter Planungsaufwand durch chung artenschutzrechtlicher Verbotstat- fehlerhafte Dogmatik bestände allein eine weiche Tabuisierung Wenn damit die Rechtsprechung jedenfalls hergeleitet werden kann 40. Und auch Land- in vielen praktisch relevanten Fällen zu ei- schaftsschutzgebiete können nach jünge- ner einheitlicheren Linie gefunden hat, so rer Rechtsprechung nicht pauschal den wird die ebenfalls erhobene dogmatische harten Tabuzonen zugeordnet werden 41. Kritik damit nicht obsolet. Dies gilt insbe- Diese Nachweise stehen für einen breiten sondere dort, wo die Anwendung der Trend, die Einordung von Flächentypen als Rechtsprechungsdogmen zu einem erheb- harte Tabuzonen nur äußerst restriktiv zu- lichen Planungsaufwand führen, der selbst zulassen 42. Nachdem die Rechtsprechung im Falle seiner Bewältigung keine Aufklä- hier in der Folge der Leitentscheidungen rung der Sachverhalte in einer Weise er- des Bundesverwaltungsgerichts in den Jah- reicht, dass sie sich rechtssicher unter die ren 2009 43 und 2012 44 etwa für die Flächen- formulierten rechtlichen Maßgaben subsu- kategorie Wald, aber auch hinsichtlich ver- mieren lassen 47. Dogmatisch verortet wird schiedener Typen des Gebietsnaturschut- das Gebot zur Identifikation harter Tabuzo- zes deutlich großzügiger verfahren war 45, nen von der Rechtsprechung im planeri- haben die Gerichte inzwischen diesbezügli- schen Erforderlichkeitsgebot, genauer in che Kritik aus der Literatur aufgenommen dessen Ausprägung als Vollzugsfähigkeits- und wirken damit nicht zuletzt auch einer gebot. Dies führe nach allgemeiner Ansicht Tendenz der Planungspraxis entgegen, zu zu einem Übergreifen von der Planungs- viele Flächentypen den harten Tabuzonen auf die Verwirklichungsebene 48. Danach zuzuordnen, um zu gewährleisten, dass die werde von den Planern zur Aufklärung Anforderungen des Substanzgebotes 39 Vgl. OVG Lüneburg, 13.7.17 – 12 KN 206/15, juris Rn. 49 die Bewertung der Naturschutzbehörden gerade nicht ff. für unbedingt verbindlich erklären, sodass es letztlich 40 Siehe OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.05.2019 – nach beiden Entscheidungen auf die objektive Rechts- OVG 2A 4.19, Rn. 120 ff.; zur bisherigen Rechtsprechung lage ankommt. Für die handelnden Immissionsschutz- des OVG Berlin-Brandenburg siehe Urt. v. 05.07.2017 – behörden dürfte der Konflikt gleichwohl kaum prak- OVG 2 A 2.16, Rn. 97. In diesem Sinne bereits Gatz, Die tisch lösbar sein. 42 planerische Steuerung der Windenergienutzung in der Hierunter fällt auch die restriktive Linie bei der Ein- Regional- und Flächennutzungsplanung, 2017, 461 (464 ordnung von FFH-Gebieten, die ebenfalls nur aus- f.) sowie Tyczewski, Konzentrationszonen für Wind- nahmsweise als harte Tabuzonen eingeordnet werden energieanlagen rechtssicher planen, BauR 2014, 934 können, siehe OVG Münster, Urt. v. 20.01.2020 – 2 D (939). 100/17.NE, juris Rn. 157 und bereits Urt. v. 5.7.2017 – 7 D 41 In diesem Sinne OVG Münster, Urt. v. 6.3.2018 – 2 D 105/14.NE, juris Rn. 61 wenn hier auch die Frage letztlich 95/15.NE, Rn. 154 sowie Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, noch offenblieb; mit gleicher Tendenz, wenn auch juris Rn. 139 ff., 151, wonach lediglich offenbleibt, ob eine ebenfalls unentschieden bleibend OVG Lüneburg, Urt. Einordnung als harte Tabuzone dann möglich ist, v. 26.10.2017 – 12 KN 119/16, juris Rn. 91. wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Be- 43 BVerwG, Beschl. v. 15.09.2009 – 4 BN 25.09. freiung von Verbotsregelungen objektiv offensichtlich 44 BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11. nicht vorliegen. Auch diesbezüglich hat das OVG Ber- 45 lin-Brandenburg seine bisherige gegenteilige Recht- Zum Beispiel der Qualifikation zusammenhängender sprechung inzwischen aufgegeben, siehe Urt. v. Waldgebiete siehe bereits die Nachweise in Fn. 37. 46 23.05.2019 – OVG 2 A 4.19, juris Rn. 99. Unsicherheit be- Zum Substanzgebot ausführlich unten unter B. I. 2. steht allerdings zu der Frage, ob es bei der auf Pla- 47 Zu dieser Kritik siehe zuletzt Wagner, Die Pflicht zur nungsebene erforderlichen Prognose letztlich auf die Ausweisung harter Tabuzonen als Kardinalfehler des Stellungnahmen der Fachbehörden oder eine mög- Tabuzonenkonzepts, VerwArch 2020, 220 (232 ff. m. w. licherweise hiervon abweichende „objektive Befrei- N.). ungslage“ ankommt. Entgegen Agatz, Ein Rechtsrah- 48 Erbguth, Bindung und Abwägung bei der Planung men für den Windenergieausbau, ZUR 2020, 584 (595) von Konzentrationszonen: zum Verständnis des § 35 dürfte zwar zwischen der Entscheidung des 8. Senats Abs. 3 S. 3 BauGB, DVBl 2015, 1346 (1348, 1350); sich an- des OVG Münster, Urt. v. 21.04.2020 – 8 A 311/19, juris Rn. schließend Kindler, Zur Steuerungskraft der Raumord- 60 einerseits und des 2. Senats des OVG Münster, Urt. v. nungsplanung, 2018, S. 163; siehe auch Wagner, Klima- 17.01.2019 – 2 D 63/17.NE, juris Rn. 148 andererseits kein schutz durch Raumordnung, NuR 2019, 159 (166). Widerspruch bestehen, da letztlich beide Senate – wenn auch mit unterschiedlichen Formulierungen –
8 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen verschiedenster Fälle verlangt, sich in die Tabuflächen einordneten, wenn eine Aus- Position des Sachbearbeiters auf Genehmi- nahme oder Befreiung durch diese nicht in gungsebene hineinzuversetzen und die Zu- Aussicht gestellt wird, geht die Rechtspre- lassungsprüfungen bereits auf Planungs- chung inzwischen davon aus, dass den be- ebene zu antizipieren. Hierdurch sollen Pla- hördlichen Stellungnahmen zwar eine In- ner die notwendigen Kenntnisse erlangen, dizfunktion zukomme, es aber letztlich auf um das Vorliegen harter Tabuzonen sicher das Vorliegen einer objektiven Befreiungs- feststellen zu können. Während sich die lage ankomme, die vom Planungsträger hierauf bezogene Kritik der Literatur in ers- festzustellen sei und ggf. auch von der Stel- ter Linie an die Rechtsprechung richtet, lungnahme der jeweiligen Fachbehörde verweist etwa Gatz insoweit an den Gesetz- abweichen könne 52. geber: Der Übergriff auf die Genehmi- Praktische Schwierigkeiten sind mit dem gungsebene resultiere danach schlicht aus Übergriff von der Planungsebene auf die den Besonderheiten des gesetzgeberisch Genehmigungsebene insbesondere geschaffenen Steuerungsmodells des § 35 dadurch verbunden, weil Ausnahme- und Abs. 3 S. 3 BauGB 49. Befreiungsentscheidungen auf Zulassungs- Die vorgenannte Anforderung des Über- ebene regelmäßig an spezifische Parame- oder Vorgriffs auf die Zulassungsebene ter konkreter Windenergieanlagen und ih- führt zunächst zu einer Unsicherheit der res konkreten Standortes anknüpfen. Planer über die jeweils notwendige Unter- Standort, Anlagentyp und deren Parameter suchungstiefe, da diese erheblich über das sind im Zeitpunkt der Planung vielfach übliche Maß dessen hinaus geht, was auf aber noch nicht bekannt. Rechtsprechung Planungsebene – zumal auf Ebene der und Verwaltungspraxis versuchen dem Raumordnung – erforderlich ist. Hierauf dadurch abzuhelfen, dass den Planungsträ- wird noch zurückzukommen sein 50. Kriti- gern gestattet wird, die Planung kompen- siert wird aber unabhängig hiervon, dass satorisch auf Grundlage sog. Referenzanla- selbst für den Fall, dass die Planer den für gen durchzuführen, d. h. den Planungen ei- sie untypischen Planungsaufwand bewälti- nen gedachten typischen Fall zugrunde zu gen, unsicher bleibt, ob dadurch die Sach- legen, und hierauf bezogen die Ausnahme- verhalte in einer Weise aufgeklärt werden und Befreiungsentscheidungen der Geneh- können, wie sie für die Subsumtion unter migungsebene oder auch die Bemessung die rechtlichen Obersätze notwendig ist. Im von Siedlungsabständen 53 in den Blick zu Fokus stehen hier Konstellationen, in de- nehmen. Dass damit die erzeugten Unsi- nen die Zulässigkeit von Windenergieanla- cherheiten aufgefangen werden können, gen auf Genehmigungsebene von der Er- wird allerdings bezweifelt. Vielmehr werden teilung einer Ausnahme oder Befreiung solche Behelfswege als Quelle weiterer von einem grundsätzlich bestehenden Bau- Rechtsunsicherheiten angesehen 54, was die verbot abhängt 51. Auf Planungsebene wer- insoweit einschlägige Rechtsprechung den sie auch als „Hineinplanen in eine Aus- durchaus auch widerspiegelt. Hier gibt es nahme- oder Befreiungslage“ bezeichnet. zahlreiche Beispiele, in denen Spielräume Während die Planungsträger in solchen der Planungsträger zwar angeführt wur- Fällen teils auf Äußerungen der Fachbehör- den, dies im konkreten Fall aber nichts da- den im Rahmen der Behördenbeteiligung ran änderte, dass die vorgenommene Ein- abstellten und Flächen als harte ordnung beanstandet wurde 55. Insoweit 49 54 Gatz, Die planerische Steuerung der Windenergie- Hendler/Kerkmann, Harte und weiche Tabuzonen: nutzung, DVBl 2017, 461 (467). Zur Misere der planerischen Steuerung der Windener- 50 Siehe unter B. I. 3. gienutzung, DVBl 2014, 1369 (1373); Erbguth, Bindung 51 und Abwägung bei der Planung von Konzentrationszo- Problematisch sind dabei wiederum diejenigen Fälle, nen: zum Verständnis des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, DVBl in denen das Vorliegen einer Ausnahme- oder Befrei- 2015, 1346 (1351); kritisch auch Kindler, Zur Steuerungs- ungslage nicht ohnehin offensichtlich ist oder, umge- kraft der Raumordnungsplanung, 2018, S. 164 f. kehrt, diese nicht offensichtlich ausgeschlossen wer- 55 den können. Hierzu bereits Wegner, Fehlerquellen von Windkon- 52 zentrationszonenplanungen, Würzburger Berichte OVG Münster, Urt. v. 6.3.2018 – 2 D 95/15.NE, juris Rn. zum Umweltenergierecht Nr. 14 vom 7.9.2015, S. 12; OVG 158; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.02.2020 – 12 KN 182/17, ju- Lüneburg, Urt. v. 23.6.2016 – 12 KN 64/14, juris Rn. 68 f. ris Rn. 125. Gegenbeispiele gibt es aber auch hier, siehe OVG Lü- 53 OVG Münster, Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, juris neburg, Urt. v. 15.3.2018 – 12 KN 38/17, juris Rn. 57 ff. zur Rn. 113.
9 bestätigt sich die in der Literatur schon auch der verschiedentlich der Praxis ange- frühzeitig geäußerte Kritik 56. Der Recht- ratene Ausweg, im Zweifel über die rechtli- sprechung war es hier bislang nicht gelun- che Qualifikation einer Fläche bzw. eines gen, zu einer einheitlichen Linie zu finden 57. Flächentyps diesen doch als weiche Nunmehr hat das Bundesverwaltungsge- Tabuzone bzw. als weiches Tabukriterium richt allerdings klargestellt, dass den Pla- zu behandeln, von den Gerichten in unter- nungsträgern allein bei der Festlegung schiedlichem Maße toleriert wird und so weicher Tabuzonen ein Bewertungsspiel- seinerseits wiederum zur Fehlerquelle ge- raum zukommt, dem eine Zurücknahme rät 59. gerichtlicher Kontrolle entspricht. Bei der Identifikation harter Tabuzonen komme c) Vorschläge für einen veränderten Um- den Planungsträgern dagegen allein eine gang mit Tabuzonen Typisierungsbefugnis zu, deren Einhaltung Um die Rechtsunsicherheiten bei der Un- wiederum gerichtlich voll überprüfbar terscheidung harter und weicher Tabuzo- bleibt 58. Dass diese dogmatische Klärung nen zu verringern wurden von verschiede- auch zu einer gerichtsfesteren Anwendung ner Seite Vorschläge skizziert, die hier nä- von Bewertungsspielraum und Typisie- her betrachtet werden sollen. rungsbefugnis führt, erscheint jedoch eher fraglich. aa) Rückbesinnung auf eine klare Unter- cc) Zwischenfazit scheidung von Planungs- und Ge- nehmigungsebene Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Identifikation harter Tabuzonen So regt Erbguth an, dass der durch die An- nach wie vor erhebliche Probleme aufwirft forderung verursachte Übergriff von der und es bislang nicht gelungen ist, die Planungs- auf die Genehmigungsebene Rechtsfragen hinreichend einheitlich und dadurch aufgehoben und beide Ebenen klar zu beantworten. Auch wenn nach hier wieder konsequent zu trennen sind, indem vertretener Ansicht zahlreiche Einzelfragen schlicht solche Flächen als harte Tabuzo- als geklärt gelten müssen, so bleiben insge- nen ausgeschlossen werden, für die prima samt doch Zweifel in einem Umfang zu- facie eine Verbotswirkung besteht 60. Mögli- rück, die eine rechtssichere Planungspraxis che Ausnahmen sollen dann erst auf Zulas- nur schwerlich zulassen. Das iterative Vor- sungsebene über die Ausnahmeklausel des gehen oberverwaltungsgerichtlicher Klä- § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Beachtung finden, rung bleibt angesichts der Vielzahl immer wonach die Ausschlusswirkung von Kon- wieder entstehender Fragen und den pro- zentrationszonenplanungen ohnehin nur zessrechtlich bedingt seltenen Klärungs- „in der Regel“ gilt. versuchen des Bundesverwaltungsgerichts Ein rechtssicheres Vorgehen bei der Kon- problematisch. Zudem dürfte der attes- zentrationszonenplanung scheint so auf tierte Übergriff von der Planungs- auf die den ersten Blick möglich und auch der Pla- Genehmigungsebene in einzelnen Fall- nungsaufwand dürfte so nicht unerheblich gruppen auch weiterhin Schwierigkeiten reduziert werden können. Insbesondere mit sich bringen, die auch bei Anerken- würde sich auf Planungsebene die fehler- nung eines Bewertungsspielraums sowie anfällige Abschätzung erübrigen, ob die ob- einer Typisierungsbefugnis bestehen blei- jektiven Voraussetzungen einer Ausnahme ben dürften. Gezeigt hat sich zudem, dass oder Befreiung für ein konkretes Vorhaben Anerkennung von Spielräumen bei der Formulierung 63/17.NE, juris Rn. 57 ff. sowie bereits Urt. v. 06.03.2018 – weicher Tabukriterien auch im konkreten Fall. 2 D 95/15.NE, juris Rn. 173 ff. 56 59 Zur dogmatischen Kritik an diesen Figuren Erbguth, Für eine strikte Beschränkung dieses Wegs auf echte Bindung und Abwägung bei der Planung von Kon- Zweifelsfälle OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2020 – 12 KN zentrationszonen: zum Verständnis des § 35 Abs. 3 S. 3 75/18, juris Rn. 119 sowie OVG Berlin-Brandenburg, Urt. BauGB, DVBl 2015, 1346 (1351). v. 05.07.2018 – 2 A 2/16, juris Rn. 94 ff; einen weiterge- 57 Zur Anerkennung sowohl eines Beurteilungsspiel- henden Anwendungsbereich sieht dagegen OVG raums als auch einer Typisierungsbefugnis bei der Münster, Urt. v. 20.01.2020 – 2 D 100/17.NE, juris Rn. 111. 60 Identifikation harter Tabuzonen noch OVG Berlin-Bran- Erbguth, Bindung und Abwägung bei der Planung denburg, Urt. v. 05.07.2018 – 2 A 2/16, juris Rn. 96. von Konzentrationszonen: zum Verständnis des § 35 58 BVerwG, Beschl. v. 16.12.2019 – 4 BN 30/19, juris Rn. 8 Abs. 3 S. 3 BauGB, DVBl 2015, 1346 (1350). m. w. N.; vorgehend OVG Münster, Urt. v. 17.01.2019 – D
10 Begrenzung von Fehleranfälligkeit und Aufwand von Konzentrationszonenplanungen vorliegen oder nicht. Gleichwohl wären Potenzial des Vorschlags Erbguths zur auch hier weitere Fragen zu klären, welche Komplexitätsreduktion und zur Steigerung die Erfüllung der Verbotstatbestände selbst der Rechtssicherheit nur dann erreicht betreffen: Da die planerischen Ausweisun- wird, wenn auch die die Verbotsregelungen gen von Gebieten bzw. Flächen für die betreffenden Prognosen auf Planungs- Windenergie selbst die Verbotstatbestände ebene möglichst begrenzt werden. Dies nicht auszulösen vermögen 61, sondern erst würde jedoch um den Preis erfolgen, dass die späteren, im Zeitpunkt der Planung Flächen von erheblichem Umfang frühzei- noch hypothetischen Vorhaben dies ggf. tig aus der Planung ausgeschlossen und tun, ist auch bei diesem Vorgehen zu be- ihre Verfügbarkeit für Windenergievorha- stimmen, wie tiefgehend bereits auf Pla- ben auf Grundlage des beschlossenen nungsebene prognostisch zu prüfen ist, ob Plans nur noch im Wege der Abweichung ein Verbotstatbestand ausgelöst werden von der regelhaften Ausschlusswirkung wird und auf welchen Zeitpunkt für diese nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB möglich wäre. Prüfung abzustellen ist. „Was Verbotswir- Insoweit käme es darauf an, in welchem kung hat“ lässt sich ebenfalls zumeist nicht Umfang Flächen auf diesem Weg doch völlig abstrakt bestimmen. Ein Bezug zu noch zur Verfügung gestellt werden kön- dem betroffenen Vorhaben muss irgendwie nen. Zu beachten ist dabei, dass es insoweit hergestellt werden, will man nicht alle Flä- jedenfalls an der flächensichernden Funk- chen bereits dann aus der Planung heraus- tion der Ausweisungen fehlt, die bei diesem nehmen, wenn eine Verbotswirkung nur ir- Vorgehen unterblieben. D. h. auf den nun- gendwie denkbar ist, was bei sämtlichen mehr von der Planung ausgenommen Flä- naturschutzrechtlichen Schutzgebietskate- chen können – im Rahmen des Zulässigen – gorien genauso der Fall ist, wie beim Vorlie- gerade auch andere Raumnutzungen um- gen einzelner Exemplare besonders bzw. gesetzt werden, die dann Windenergienut- streng geschützter Arten im Sinne des be- zungen entgegenstehen. Doch auch die zu- sonderen Artenschutzrechts. Insoweit sätzliche Flächenbereitstellung auf diesem müsste wohl auch bei diesem Vorgehen je- Wege dürfte dadurch beschränkt sein, dass denfalls der Schutzzweck bestimmter es sich bei der „in der Regel“-Formulierung Schutzgebietsverordnungen in den Blick des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB regelungstech- genommen werden, weil viele der dort gel- nisch eben um eine Ausnahme handelt, de- tenden Verbote die Errichtung von Wind- ren Gebrauch jedenfalls die Grundzüge der energieanlagen gerade nicht hindern. Und Planung nicht in Frage stellen darf 62. Ob der für das Vorliegen von Exemplaren ge- vorangehende weitreichende Ausschluss schützter Arten müsste bestimmt werden, von Flächen im Planungsverfahren so kom- ob trotz der Dynamik des Naturgeschehens pensiert werden kann, erscheint jedenfalls und damit akzessorisch auch der Verbots- fraglich. Per Saldo verbliebe wohl ein er- wirkung, allein ihr Vorhandensein im Raum hebliches Minus an Flächen für die Wind- im Zeitpunkt des Planbeschlusses relevant energie, zumal zu bedenken ist, dass die ist oder eine Prognose anzustellen ist, ob Konfliktträchtigkeit der Flächenausweisung ihr Vorliegen die spätere Zulassung auf un- beim weiteren Ausbau der Windenergie absehbare Zeit ausschließt. Nichtsdestot- tendenziell noch zunimmt und damit ge- rotz wäre der Aufwand der notwendigen rade auch Flächen in den Blick zu nehmen Aufklärung verringert und die verbleiben- sind, die nicht konfliktfrei oder konfliktarm den Prognosen leichter durchführbar, da sind. Weicht man den Vorschlag Erbguths sie allein die Verbotsregelungen betreffen, dagegen auf, um den vorstehenden Erwä- die vielfach komplexeren Überlegungen zu gungen Rechnung zu tragen, müssten be- den Ausnahmeregelungen mithin unter- reits auf Planungsebene wiederum weiter- bleiben könnten. gehende Prognosen angestellt werden, was den erhofften Zugewinn an Rechtssicher- Gleichzeitig zeigen die vorstehenden Über- heit verringern und allenfalls eine kleinere legungen aber auch, dass das volle 61 62 So knüpfen die meisten Verbotstatbestände an be- BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01; Mitschang/Reidt, stimmten Handlungen an, die in aller Regel noch nicht in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35 durch die raumplanerische Ausweisung eines Vorha- Rn. 118. bens bzw. einer Fläche/eines Gebiets dafür, sondern erst durch dessen Realisierung erfüllt werden.
11 Verringerung des Planungsaufwands be- behandelt, bei denen eine Realisierung von deuten würde. Windenergievorhaben wegen entgegen- stehender Ziele der Raumordnung aus- bb) Gesetzgeberische Definition harter scheidet 66. Bei den relevanten Gebietsfest- Tabukriterien legungen in Raumordnungsplänen steht zudem jedenfalls den Landesgesetzgebern Vorgeschlagen wird zudem, dass die Anfor- ein Findungsrecht zu 67, so dass auch wei- derung an die Planung, harte Tabuzonen tere Gebietsarten geschaffen werden kön- zu identifizieren, nicht generell geändert, nen. Praktisch ist dies zwar bislang kaum sondern lediglich rechtssicherer gefasst geschehen. Ausgeschlossen ist dies jedoch werden müsse. Bei den hierauf abzielenden auch für die Zukunft nicht. Vorschlägen geht es deshalb in erster Linie nicht um eine Verringerung des Planungs- Dies schließt es zwar nicht aus, die prak- aufwands, sondern allein um eine Steige- tisch besonders relevanten Flächentypen rung der Rechtssicherheit. In der konkreten zuzuordnen. Auch hier bestehen jedoch Umsetzung gibt es gleichwohl erhebliche Schwierigkeiten. Zum einen entspringen Unterschiede bei den Vorschlägen. So wird Verbotswirkungen nicht selten den Landes- teilweise angeregt, dass die Unterschei- gesetzen oder – etwa im Naturschutz – ein- dung harter und weicher Tabukriterien ab- zelnen Schutzgebietsverordnungen. Beide schließend durch den Gesetzgeber mittels Ebenen weisen hier durchaus Unterschiede einer Zuordnung aller denkbaren Flächen- von Land zu Land auf. Im Bereich des Ge- kategorien erfolgen soll 63. Andere Stimmen bietsnaturschutzes hängt die Einordnung wollen dagegen allein bestimmte proble- zudem von den konkreten Schutzzwecken matische Fälle durch den Gesetzgeber re- der jeweiligen Schutzgebietsverordnungen geln lassen, im Übrigen aber auf die Verar- ab. Zudem würde der Gesetzgeber in eini- beitung der existierenden Maßgaben durch gen Konstellationen auf dieselben Prob- die Praxis vertrauen 64. leme stoßen, denen auch die Planungsträ- ger begegnen müssen. Insbesondere in Fäl- Einer abschließenden Zuordnung von Flä- len des Hineinplanens in Ausnahme- und chentypen durch den Gesetzgeber stehen Befreiungssituationen, die von der konkre- allerdings verschiedene Hürden entgegen, ten Vorhabenkonstellation und von Anla- die kaum zu überwinden sein dürften. Zu- genmodalitäten abhängen, kann auch der nächst würde der Gesetzgeber vor dem Gesetzgeber eine Zuordnung nur schwer- Problem stehen, dass die Bandbreite an lich abstrakt vornehmen. Flächentypen sich nicht abschließend be- stimmen lässt. Dies liegt zum einen daran, Erfolgversprechender dürfte es deshalb dass harte Tabuzonen nicht nur rechtlich sein, gerade die problematischen Konstel- begründet sind, sondern ihre Eigenschaft lationen nicht generell pauschal in die eine gerade auch durch tatsächliche Vollzugs- oder andere Richtung zuzuordnen, sondern hindernisse begründet werden kann 65. hier differenziert vorzugehen. So erscheint Rechtliche Gründe können zudem nicht al- durchaus eine pauschale Zuordnung bei- lein in bundes- wie landesrechtlichen Ver- spielsweise für die Frage möglich, welcher botstatbeständen bestehen, sondern viel- Siedlungsabstand zu bestimmten Bauge- mehr werden auch solche Flächen entspre- bietstypen der Baunutzungsverordnung chend, d. h. wie harte Tabuzonen oder auch hier pauschalierend 68 zu 63 65 So etwa ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin auf Zu den hier insbesondere relevanten Umständen der Tagung der Fachagentur Windenergie an Land Wagner, Die Pflicht zur Ausweisung harter Tabuzonen „Zukunft Windenergie – Klimaziele 2030“ Fachkonfe- als Kardinalfehler des Tabuzonenkonzepts, VerwArch renz am 25. + 26 März 2019 in Berlin, vgl. die Dokumen- 2020, 220 (223 f., 232 ff.). tation der FA-Wind, September 2019, S. 36 f. Ähnliche 66 Siehe nur OVG Lüneburg, Urt. v. 23.6.2016 – 12 KN Vorschläge werden allerdings immer wieder diskutiert. 64/14, Rn. 65; Gatz, Die planerische Steuerung der 64 So etwa Agora Energiewende, Rosenkranz/Schä- Windenergienutzung in der Regional- und Flächen- fer/Graichen, Sofortprogramm Windenergie an Land, nutzungsplanung, DVBl 2017, 461 (463). 2020, S. 27; Agatz, Ein Rechtsrahmen für den Wind- 67 Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. energieausbau, ZUR 2020, 584 (596); Gatz, Planerische 2018, § 7 Rn. 65. Teilweise wird zudem von einem Fin- Steuerung privilegierter Außenbereichsvorhaben – un- dungsrecht auch der Planungsträger ausgegangen, ter besonderer Berücksichtigung von Windenergiean- Grotefels, in: Kment, ROG, 2019, § 7 Rn. 41. lagen und oberflächennahem Rohstoffabbau, NWVBl. 68 2019, 133 (137). Dabei wäre zu prüfen, ob durch die Pauschalierung die vielfältigen Erscheinungsformen an
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