Innovation durch Biotechnologie - Zehn Jahre KMU-innovativ: Biotechnologie - BioChance - Bioökonomie.de

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Innovation
durch Biotechnologie
Zehn Jahre KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance
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Inhaltsverzeichnis

Vorwort                                                                                                                                                                      4

Biotechnologie als Innovationstreiber der Industrie                                                                                                                          6
Was ist Biotechnologie? ...................................................................................................................................................... 6
Woran wird geforscht? ........................................................................................................................................................ 7
Branche mit hoher innovationskraft und Wachstumsdynamik ................................................................................. 8

Spitzenforschung im Mittelstand finanzieren                                                                                                                               10
Zehn-Punkte-Programm „vorfahrt für den Mittelstand“. 10
KMu-innovativ: investitionsrisiko mindern ................................................................................................................. 11
I 13
I 15

Hightech-Forschung für eine biobasierte Wirtschaft                                                                                                                        16
Fördermaßnahme für unternehmen aus der Bioökonomie attraktiv ...................................................................... 18

Hightech-Werkzeuge für die Bioanalytik                                                                                                                                    20
R 21
Maßgeschneiderte Peptide aus dem laserdrucker ...................................................................................................... 22
L 23

Moderne Landwirtschaft und gesunde Ernährung                                                                                                                              24
R 24
A
N .......................................................................... 29
H ........................................................................................................ 30
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Neue Therapien und effiziente Diagnostik                                                                                                     32
Mit einer innovativen technologie zu stabilen impfstoffen ..................................................................................... 33
N. 35
I ........................................................................................................ 36

Nachhaltige und umweltfreundliche Industrie                                                                                                  38
Biobasierte Werkzeuge und Plattformtechnologien für den industriellen einsatz fit machen. 38
D 40
U. 42

Ausblick und Service                                                                                                                         44
I. 47

Impressum                                                                                                                                    49
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                             Vorwort

Der Aufbau einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaft hängt in besonderem Maße
von biotechnologischen Innovationen ab. Durch sie verringern wir unsere Abhängig-
keit von fossilen Rohstoffen, verschwenden weniger Ressourcen und schützen Klima
und Umwelt. Als eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts eröffnet die Biotechno-
logie Innovationspotenziale für viele Branchen: die Ernährungs- und Landwirtschaft,
die Medizin, die Chemie-, Kosmetik- und Pharmaindustrie.

Die Biotechnologie-Branche besteht größtenteils aus kleinen und mittleren Unterneh-
men (KMU). Die Förderung des innovativen Mittelstandes hat für das Bundesministe-
rium für Bildung und Forschung eine hohe Priorität. Sie ist in der Hightech-Strategie
der Bundesregierung, in der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ und
im Zehn-Punkte-Programm „Vorfahrt für den Mittelstand“ fest verankert. Mit diesen
Aktivitäten setzen wir wichtige Impulse, um kleine und mittlere Unternehmen gezielt
zu unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft weiter zu
stärken.

Die Förderrichtlinie „KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance“ ist dafür ein gutes
Beispiel. Mit ihrer Themenbreite und flexiblen, an die Herausforderungen der Biotech-
nologie-Branche angepassten Rahmenbedingungen unterstützt sie seit zehn Jahren
erfolgversprechende, anwendungsbezogene Forschungs- und Entwicklungsprojekte im
Mittelstand – angefangen bei neuen therapeutischen Ansätzen über umweltfreundliche
Technologien für die Industrie bis hin zu innovativen Züchtungsverfahren im Agrar-
sektor.

Auf den folgenden Seiten finden sich spannende Einblicke in die große Vielfalt an
biotechnologischen Innovationen, die in den vergangenen zehn Jahren auf den Weg
gebracht werden konnten. Diese Innovationskraft eröffnet den Unternehmen neue
Wachstumsperspektiven und sichert unsere Zukunft.

Prof. Dr. Johanna Wanka
Bundesministerin für Bildung und Forschung
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Biotechnologie als innovationstreiBer der industrie                                                             5

                            Wachsende, biobasierte Wirtschaft
                            Die deutsche Biotechnologie-Branche wächst seit Jahren kontinuierlich und bildet
                            einen zentralen Eckpfeiler für den Aufbau einer biobasierten Wirtschaft. Die aktuell
                            rund 600 Unternehmen in Deutschland liefern Innovationen für unterschiedlichste
                            Industriebranchen und sind international wettbewerbsfähig. Der Standort Deutschland
                            profitiert von einer dynamischen Szene, die mehrheitlich aus kleinen und mittleren
                            Unternehmen (KMU) besteht. Sie können sich auf eine exzellente wissenschaftliche In-
                            frastruktur und hochqualifizierte Fachkräfte stützen. Die wirtschaftlichen Kennzahlen
                            der Branche der letzten Jahre unterstreichen die positive Entwicklung und bilden den
                            globalen Wachstumstrend der Biotechnologie auch auf nationaler Ebene ab.

                            Mit der Maßnahme „KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance“ fördert das Bundes-
                            ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den Sektor seit 2007. In zehn Jahren
                            wurden für die Unterstützung von rund 260 Einzel- und Verbundvorhaben mehr als
                            230 Millionen Euro Fördermittel bereitgestellt. Inhaltlich decken die Projekte das
                            gesamte Spektrum der Biotechnologie und Life Sciences ab. Sie befassen sich mit der
                            Entwicklung neuer Therapien und Diagnostika, mit Forschungstools und Innovationen
                            aus der Bioökonomie, die sowohl Pflanzen- und Lebensmittelforschung als auch die
                            industrielle Biotechnologie umfassen.
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Biotechnologie als Innovationstreiber der Industrie

Biotechnologische Innovationen sind eine zentrale      gie zugeordnet werden. Das Durchschnittsalter einer
Säule für den Aufbau einer nachhaltigen, biobasier-    deutschen Biotechnologie-Firma liegt bei mittlerweile
ten Wirtschaft. Sie sind der Schlüssel für effektive   elf Jahren. Aber einige Firmen haben inzwischen auch
Therapien und präzise Diagnostik im Gesundheitswe-     ein für die risikoreiche Branche respektables Alter
sen. Sie legen den Grundstein für umweltschonende      von dreißig Jahren und mehr erreicht. Ein Motor
und ressourceneffiziente Verfahren in der Industrie.   beim Aufbau der Branche war Ende der 90er Jahre
Von diesem Wachstumstrend hat auch die deutsche        der BioRegio-Wettbewerb des Bundesministeriums
Biotechnologie-Branche profitiert: Über die letzten    für Bildung und Forschung (BMBF). Daraus sind viele
Jahre hinweg hat sich das Anwendungsspektrum der       heute noch aktive regionale Biotechnologie-Netzwer-
Produkte, Verfahren und Dienstleistungen kontinuier-   ke entstanden. Deutschlandweit sieht die Situation
lich erweitert.                                        dabei sehr unterschiedlich aus: Der Süden und Westen
                                                       des Landes sind sehr stark, ebenso die Hauptstadtre-
                                                       gion im Osten. Die meisten Unternehmen befinden
War die Biotechnologie-Branche in Deutschland vor      sich in Bayern und Berlin-Brandenburg, gefolgt von
dreißig Jahren noch ein übersichtliches Betätigungs-   Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
feld für eine Handvoll Unternehmen, so ist sie heute
ein dynamischer Sektor mit Wachstumsperspektiven,
dessen Innovationskraft in viele Industriebranchen     Was ist Biotechnologie?
ausstrahlt. Aktuellen Branchenerhebungen der
BIOCOM AG zufolge, die auf Basis von Kriterien der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit        Doch womit beschäftigen sich Biotechnologen genau?
und Entwicklung (OECD) jährlich die Lage der Bio-      Biotechnologie ist eine anwendungsorientierte Wis-
technologie-Branche in Deutschland erfassen, können    senschaft an der Schnittstelle von Biologie, Medizin,
hierzulande rund 600 Unternehmen der Biotechnolo-      Chemie und Ingenieurswissenschaften. So arbeiten
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Biotechnologie als innovationstreiBer der industrie                                                           7

Biotechnologen sowohl mit kleinen Organismen wie         sequenzierung oder Big Data, Gentechnik, Phänotypi-
Viren oder Bakterien als auch mit Pflanzen und Tieren    sierung oder molekulare Bildgebung – das Repertoire
sowie mit einzelnen Bestandteilen von ihnen wie          an Möglichkeiten wächst beständig und bildet eine
Zellen oder Biomolekülen. Darauf aufbauend werden        immer breitere Basis für Innovationen in unterschied-
Technologien erforscht und Produkte, Verfahren oder      lichsten Anwendungsfeldern. Mit biotechnologischen
Dienstleistungen entwickelt und vermarktet. Die          Methoden und Verfahren lassen sich Medikamente
OECD hat die Biotechnologie daher als „Anwendung         entwickeln, neue Pflanzensorten züchten, Lebensmit-
von Wissenschaft und Technik auf lebende Organis-        tel herstellen oder Alltagsprodukte wie Waschmittel
men oder Teile von ihnen“ definiert. Mit anderen Wor-    und Kosmetika produzieren. Nicht zuletzt vor diesem
ten: Die Einsatzmöglichkeiten der Biotechnologie sind    Hintergrund wird die Biotechnologie auch als wichti-
nicht auf ein Gebiet oder eine Industrie beschränkt,     ger Innovationstreiber beim Aufbau einer nachhalti-
sondern sehr vielfältig. Nicht umsonst bezeichnen Ex-    gen, biobasierten Wirtschaft betrachtet.
perten sie als Schlüsseltechnologie, die Innovationen
für die gesamte biobasierte Wirtschaft liefert – von
der Gesundheitswirtschaft über die Chemieindustrie       Woran wird geforscht?
bis hin zum Agrar- oder Lebensmittelsektor.

Großes Repertoire an Hightech-Werkzeugen                 Die Bandbreite der Biotechnologie schlägt sich in
Die Biotechnologie ist zudem gar keine so neue Wis-      den Tätigkeitsfeldern der Biotechnologie-Firmen in
senschaft. Schon sehr lange nutzen Menschen lebende      Deutschland nieder (siehe Grafik S. 8). Die Mehrheit
Mikroorganismen, etwa bei der Herstellung von Bier,      konzentriert sich auf den Gesundheitssektor: Fast
Wein und Brot. Was die moderne Biotechnologie            die Hälfte aller deutschen Biotechnologie-Firmen
ausmacht, ist der gezielte Einsatz von molekularbio-     erforscht neue Therapien oder Diagnostika. Vor allem
logischen Methoden und Verfahren. Die Grundlagen         Technologieplattformen, die sich als Ansatzpunkt zur
hierfür wurden erst mit den wachsenden Erkennt-          Behandlung unterschiedlicher Krankheiten einsetzen
nissen der Mikrobiologie im 18. und 19. Jahrhundert      lassen, stehen oftmals im Fokus. Das zweitwichtigste
gelegt, beispielsweise durch die Entdeckung der ersten   Segment der Branche sind Forschungsdienstleister.
Enzyme als Biokatalysatoren oder von Bakterien als       Rund ein Drittel der Firmen kann so bezeichnet wer-
Produzenten für medizinische Wirkstoffe. Mit dem         den. Sie sind nicht ausschließlich in einem speziellen
wachsenden Fortschritt in den Biowissenschaften          Feld aktiv, sondern erbringen überwiegend Services
und der Verfahrenstechnik hat sich der Werkzeugkas-      für andere Biotechnologie-Firmen oder sind als Zulie-
ten in der Biotechnologie stetig erweitert. Ob Genom-    ferer für diese tätig.
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I

Biologisierung und Digitalisierung der Industrie              sche, diagnostische und therapeutische Anwendungen
Gemessen an den absoluten Zahlen sind die Segmente            genutzt werden und die Präzision von Behandlungen
der industriellen Biotechnologie sowie der biotechno-         deutlich verbessern. In den Agrarwissenschaften
logische Agrarsektor in Deutschland vergleichsweise           erfordern neueste Verfahren – etwa die automatisier-
klein. Dennoch wird ihnen eine große Bedeutung                te Phänotypisierung und die Präzisionszüchtung –
beigemessen. Dies liegt vor allem daran, dass sie techno-     ebenfalls eine immer umfassendere Auswertung von
logische Neuerungen in größere Branchen wie die Che-          Daten. Auch hier sind die Werkzeuge der Bioinformatik
mie-, die Kosmetik- oder die Ernährungsindustrie hin-         wertvoll, um das in den Forschungsarbeiten erzeugte
eintragen können und auf diese Weise einen wichtigen          Wissen effizient zu nutzen und einzusetzen.
Beitrag zur Biologisierung der Industrie leisten. Immer
mehr Firmen haben sich zudem auf Bioinformatik spe-
zialisiert und bringen damit die Digitalisierung in der       Branche mit hoher Innovationskraft
Biotechnologie-Branche voran. So erfordern moderne            und Wachstumsdynamik
Hochdurchsatzverfahren die systematische Erfassung
und Analyse immer größerer Datenmengen. Ganze
Genome einer steigenden Anzahl von Menschen sowie             All diese Entwicklungen zeigen: Forschung und
Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren sind bereits             Entwicklung (F&E) sind das A und O für Firmen in der
sequenziert. Darüber hinaus wird zunehmend verstan-           Biotechnologie. Die Ausgaben für F&E sind dabei ein
den, wann und warum Gene aktiv werden (Epigenetik).           wichtiger Gradmesser der Innovationskraft. Sie liegen
Auch die Rolle der Gesamtheit der Proteine (Proteom)          in Deutschland pro Jahr bei etwa 1 Milliarde Euro.
und der Stoffwechselprodukte (Metabolom) wird inzwi-          Gleichzeitig hat sich die Branche über die vergan-
schen analysiert, sodass zahlreiche Datensätze vorlie-        genen Jahre hinweg als Wachstumsmotor erwiesen:
gen und zu hochrelevanten Informationen verarbeitet           Zuletzt wurden in Deutschland mehr als 3 Milliar-
werden können. Dank der Digitalisierung sowie der             den Euro Umsatz erwirtschaftet, Tendenz steigend.
Verfügbarkeit effzienter Bioinformatik-Tools können           Weiteres Kapital (2016: 505 Millionen Euro) fließt über
die vorhandenen Datensätze inzwischen für prognosti-          private Investoren, die Börse oder strategische Koope-
                                                              rationen in die Firmen – Finanzmittel, die aufgrund
                                                              der langen, oft mehr als zehn Jahre andauernden
                                                              Entwicklungsphasen und Innovationszyklen in den
  Tätigkeitsfelder der Biotechnologie-Firmen in Deutschland
                                                              vielen kleinen Unternehmen auch gebraucht werden.
                                                              Zuletzt konnten deutsche Firmen hier etliche Erfol-
  49,7% Gesundheit/Medizin
                                                              ge – auch auf internationaler Ebene – vermelden. Sie
                                                              unterstreichen die hohe Qualität und Attraktivität der
  5,1% Bioinformatik
                                                              hierzulande entwickelten Technologien.

                                                              Die positive Dynamik schlägt sich auch in wachsen-
  31,9% Nicht-spezifische                                     den Mitarbeiterzahlen nieder. Insgesamt rund 19.000
        Dienstleistungen
                                                              Menschen sind in Firmen beschäftigt, die sich in ihren
                                                              Aktivitäten hauptsächlich auf die Biotechnologie
                                                              konzentrieren (siehe Karte S. 9). Hinzukommen wei-
                                                              tere rund 20.000 Mitarbeiter in Firmen, in denen die
  10,1% Industrielle
        Biotechnologie                                        Biotechnologie einen Teilbereich darstellt. Damit sind
                                                              allein in Deutschland knapp 40.000 Menschen in der
  3,2% Agrobiotechnologie                                     kommerziellen Biotechnologie tätig. In den über 200
                                                              Forschungseinrichtungen forschen und arbeiten noch
  Quelle: The German Biotech Sector 2016, BIOCOM AG           einmal mindestens 30.000 Personen auf dem Gebiet
                                                              der Biotechnologie.
Biotechnologie als innovationstreiBer der industrie                                                                                             9

Anzahl der Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland und ihre Mitarbeiter, verteilt nach Bundesländern

                                                  22

                            15                                                                                    Anzahl der Firmen
  6                                             1.030
                                                                 20
                                  230                                                                                            0–25

                                                                                                                                 26–49
 100
                                                                 490                                                             50–79

                                        37                                   67                                                  >80

                                                        13                                33                      Anzahl der Mitarbeiter
                                        540
                                                                            1.540
                     88                                                                                                          0–99
                                                        370                               870                                    100–299
                                                                       29
                                                 10                                                                              300–499
                                 34
                    3.970                                                           530                                          500–999

                                                210                                                                              1.000–1.499
               17
                             1.560
                                                                                                                                 1.500–2.999

           650
      3                                                 106                                                                      >3.000
          70
                             93

                                                        3.650

                            3.010

                                                                                                Quelle: The German Biotech Sector 2016, BIOCOM AG

Weiteres Wachstum der Branche erwartet                                        Insgesamt kann beobachtet werden, dass vor allem
Das Rückgrat der Branche stellen kleine und mittlere                          mittelgroße KMU dank der guten Auftragslage
Unternehmen (KMU) dar. Fast jede zweite Firma (46%)                           vermehrt Personal einstellen und in Forschung und
zählt weniger als zehn Mitarbeiter. Ihr relativer Anteil                      Entwicklung investieren. Experten rechnen daher
sinkt aber, was für eine wachsende Reife der Branche                          auch in Zukunft mit einem weiteren Wachstum der
spricht. Die Anzahl an Unternehmen, die zwischen                              gesamten Branche.
zehn und fünfzig Mitarbeiter beschäftigen, lag in den
vergangenen Jahren stets bei rund 40%. Firmen mit
mehr als 100 Mitarbeitern sind noch die Ausnahme
(8%), aber ihre Anzahl steigt.
Spitzenforschung im Mittelstand finanzieren

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind in der        Umgang mit natürlichen Ressourcen. Die Innovati-
biologischen Spitzenforschung Vorreiter des technolo-    onskraft der Biotechnologie unterstützt damit den
gischen Fortschritts. Mit ihren biobasierten Verfahren   Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft. Die dynami-
und innovativen Biotechnologie-Produkten legen sie       sche Entwicklung von Start-ups und Firmen in der
die Basis für nachhaltiges Wirtschaften. Die gezielte    Biotechnologie belegt diesen Trend (siehe Kapitel
Förderung des forschenden Mittelstandes spielt für das   „Biotechnologie als Innovationstreiber der Industrie“,
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)       S. 6). In vielen Industriebranchen haben sich KMU
eine wichtige Rolle beim Aufbau einer Bioökonomie.       aus der Biotechnologie als Innovationsmotor etabliert
Im Rahmen des Zehn-Punkte-Programms „Vorfahrt für        und leisten mit ihren neuen Produkten einen wichti-
den Mittelstand“ zählt die Förderinitiative „KMU-in-     gen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit der deut-
novativ: Biotechnologie – BioChance“ zu den zentralen    schen Wirtschaft.
Maßnahmen.

                                                         Zehn-Punkte-Programm
Die deutsche Industrie bleibt nur dann wettbewerbs-      „Vorfahrt für den Mittelstand“
fähig, wenn sie ambitioniert forscht und regelmäßig
in die Entwicklung neuer Verfahren, Technologien
und Produkte investiert. Der innovative Mittelstand      Die Umsetzung kostenintensiver und risikoreicher
ist in dieser Hinsicht ein zentraler Treiber, denn       Projekte in Forschung und Entwicklung ist in der Wirt-
bei der Erschließung von Märkten können kleinere         schaft, vor allem in forschungsintensiven Branchen
Firmen schneller und flexibler agieren. So werden hier   wie der Biotechnologie, stets eine Herausforderung für
vielfach nicht nur neue Ideen generiert, sondern auch    kleine und mittlere Unternehmen. Ob Prototypenent-
im Markt erprobt und umgesetzt. Dies gilt insbeson-      wicklung, Prozess-Upscaling, Diagnostik- oder The-
dere mit Blick auf den effizienten und nachhaltigen      rapieentwicklung – damit gute Ideen aus dem Labor
spitzenforschung im mittelstand finanzieren                                                                   11

nach mehrjähriger Forschungs- und Entwicklungspha-      teten „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie
se auch ihren Weg in den Markt finden, sind oftmals     2030“ von Anfang an eine hohe Priorität eingeräumt.
hohe Investitionen nötig. Dies gilt insbesondere für    Wichtigster Baustein ist die Fördermaßnahme „KMU-
neue Prozesse und Produkte aus der Pharma- oder         innovativ: Biotechnologie – BioChance“.
Chemieindustrie, die ein komplexes Zertifizierungs-
und Zulassungsprozedere durchlaufen müssen, bevor
sie überhaupt kommerzialisiert werden dürfen. Mit       KMU-innovativ:
dem Zehn-Punkte-Programm „Vorfahrt für den Mit-         Investitionsrisiko mindern
telstand“ will das BMBF den innovativen Mittelstand
branchenübergreifend dabei unterstützen, in diesem
Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben. Als wichtiger       KMU-innovativ konnte bereits auf den Erfahrungen
Baustein der Hightech-Strategie der Bundesregierung     früherer Initiativen im Rahmenprogramm Biotech-
zielt das Programm darauf ab,                           nologie aufbauen. So hatte das BMBF mit den Förder-
                                                        maßnahmen BioChance (1999–2003) und BioChance-
→ die KMU bei der Forschung und Entwicklung             Plus (2004–2007) gute Ergebnisse erzielt. Der Vorteil:
  (F&E) in Schlüsselbereichen der Wirtschaft zu         Die Rahmenbedingungen der Förderung waren auf
  unterstützen,                                         die speziellen Bedürfnisse und den höheren Kapital-
→ die Unternehmen mit anderen Akteuren entlang          bedarf der damals noch sehr jungen Biotechnologie-
  der Wertschöpfungskette zu vernetzen und              KMU und ihrer anspruchsvollen F&E-Projekte zuge-
→ ihnen einen vereinfachten Zugang zu öffentlicher      schnitten.
  Förderung zu gewähren.
                                                        Insgesamt wurden im Rahmen von BioChance und
Das Bundesforschungsministerium verfolgt dabei          BioChancePlus rund 170 Millionen Euro für insge-
einen umfassenden Ansatz, der auch die Entwicklung      samt 220 biotechnologische Projekte zur Verfügung
neuer Geschäftsmodelle einbezieht. Fragen der Ar-
beitsgestaltung, der Qualifizierung und der Fachkräf-
tegewinnung werden zum Teil in anderen Maßnah-
men adressiert. Die Mittelstandsförderung setzt auf       Die Vorteile von KMU-innovativ
vier zentrale Handlungsfelder:
                                                          1. Übergreifende, verlässliche Beratung:
1. Stärkere Beteiligung von KMU in den dynamischen
   Schlüsselbereichen der deutschen Wirtschaft            Die Bundesregierung hat einen Lotsendienst für
2. Ausbau der Zusammenarbeit von KMU mit starken          Unternehmen eingerichtet, der als zentrale Stelle
   Partnern wie Unternehmen, Hochschulen und              alle Fragen zu Fördermöglichkeiten beantwortet:
   Forschungseinrichtungen                                www.foerderinfo.bund.de/kmu
3. Verbesserter Zugang zu Fachkräften durch Nach-
   wuchsförderung und Fortbildung                         2. Schnelles Verfahren:
4. Leichterer Zugang zu den Förderangeboten sowie
   eine Vereinfachung der Förderformate                   Die Begutachtung einer Projektskizze und die
                                                          Prüfung des Antrags dauern jeweils in der Regel
Innovationen für eine nachhaltige Bioökonomie             zwei Monate.
Der innovative Mittelstand ist auch gefragt, wenn es
darum geht, Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachs-          3. Ideal für Förderneulinge:
tum im Rahmen der Bioökonomie zusammenzufüh-
ren und Deutschland beim Auf- und Ausbau einer            Auch kleine und junge Unternehmen haben eine
biobasierten Wirtschaft zu unterstützen. Deswegen         Chance.
wurde der Mittelstandsförderung in der 2010 gestar-
12                                                                          innovation durch biotechnologie

gestellt. Damit gelang es, das Investitionsrisiko für    technologie-Firmen, die schon mit Produkten und
die Unternehmen zu mindern und eine erhebliche           Dienstleistungen im Markt aktiv sind, verschafft
Anzahl an innovativen Ideen aus den Life Sciences        die Fördermaßnahme den nötigen Freiraum, um
für verschiedene Branchen und Anwendungszwecke           sich neuen Themenfeldern und Märkten zu öffnen.
voranzutreiben. Eine Ex-Post-Evaluationsstudie des       „KMU-innovativ“ ist aber auch ein Instrument, um
Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung            KMU verschiedener Branchen zusammenzuführen
(ZEW) bescheinigte dem KMU-Förderformat in der           bzw. gänzlich neue Produkte zu entwickeln. Gerade
Biotechnologie eine positive Wirkung und stellte eine    die breiten Einsatzmöglichkeiten moderner lebens-
hohe Zufriedenheit der Antragsteller fest. Schon zuvor   wissenschaftlicher Methoden sind hierfür bestens
standen die erfolgreichen Fördermaßnahmen für            geeignet.
KMU in der Biotechnologie auch Pate für die Initiati-
ve „KMU-innovativ“, die 2007 gestartet wurde.            Breites inhaltliches Spektrum abgedeckt
                                                         Ein Blick auf die 260 Projekte, die seit 2007 im Rahmen
Durch Förderung neue Märkte erschließen                  von „KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance“
Im Fokus der Maßnahme stehen anwendungsorien-            bewilligt wurden, zeigt die hohe Attraktivität der
tierte, risikoreiche Hightech-Forschungsprojekte aus     Fördermaßnahme für die Firmen: die Projekte decken
dem innovativen Mittelstand. Mit „KMU-innovativ:         das gesamte Spektrum der Biotechnologie und Life
Biotechnologie – BioChance“ wird die Biotechno-          Sciences ab – von der Entwicklung neuer Therapien
logie als eines von neun Technologiefeldern gezielt      und Diagnostika bis hin zu Forschungstools und Inno-
adressiert. Für junge Firmen, die dem akademischen       vationen aus der Bioökonomie, die sowohl neuartige
Umfeld noch sehr nahestehen, bietet die Maßnah-          Analysegeräte, als auch Ansätze für die Pflanzen-
me die Möglichkeit, ein risikoreiches F&E-Projekt        forschung und Lebensmittelherstellung oder für die
in Richtung Markt zu entwickeln. Älteren Bio-            industrielle Biotechnologie umfassen (siehe Grafik).
                                                         Seit 2013 werden Medizintechnik-Firmen in der Maß-
                                                         nahme „KMU-innovativ: Medizintechnik“ unterstützt.
                                                         Zuvor wurden sie als Teil der Life Sciences betrachtet
     KMUi Biotechnologie: Themenverteilung 2008–2016
     260 Projekte (582 Zuwendungen)                      und konnten sich bei „KMU-innovativ: Biotechnologie
                                                         – BioChance“ um Förderung bewerben.
           Bioökonomie              Therapeutika
           Forschungstools          Diagnostika          Mit dem Ende 2010 vollzogenen Übergang vom Rah-
           Sonstiges                Medizintechnik
                                                         menprogramm „Biotechnologie – Chancen nutzen
     21%                                                 und gestalten“ zur „Nationalen Forschungsstrategie
     6%                                                  BioÖkonomie 2030“ beteiligen sich inzwischen auch
                                                         zunehmend Unternehmen an der Fördermaßnahme,
                                                         die im Agrarsektor, in der Lebens- und Futtermit-
     20%                                                 telbranche, in der Pflanzen- und Tierzucht tätig
                                                         sind oder sich mit der stofflichen bzw. energetischen
                                                         Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen befassen.
                                                         Auf diese Weise trägt die Fördermaßnahme dazu bei,
     24%
                                                         dass innovative Ansätze für den Ausbau einer bioba-
                                                         sierten Wirtschaft gestärkt werden.

     3%                                                  Förderung bietet Zukunftsperspektive
     26%                                                 Für Dieter Berg, Vorsitzender des Gutachtergremiums
                                                         von „KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance“,
     Quelle: Projektträger Jülich (Stand 01/2017)        fällt das Fazit nach zehn Jahren Förderung positiv
                                                         aus: Für die geförderten Unternehmen aus Biotech-
spitzenforschung im mittelstand finanzieren                                                                          13

NACHGEFRAGT

„Genau so etwas
braucht man als Firma“
Prof. Dr. Christine Lang,
Geschäftsführerin, Organobalance GmbH

Christine Lang ist Mikrobiologin und war 2001 Mit-         Was schätzen Sie an KMU-innovativ, wo sehen Sie
gründerin der Berliner Organobalance GmbH. Bekannt         Änderungsbedarf?
ist das Unternehmen für seine umfangreiche Sammlung
mikrobieller Stämme, insbesondere Hefen und Milch-         Lang — Das Besondere: Es ist völlig themenoffen und
säurebakterien. Lang ist außerdem Professorin an der       lässt verschiedene Formate zu – entweder kann man
Technischen Universität Berlin und Co-Vorsitzende des      alleine Anträge stellen oder ein Netzwerk mit Part-
Bioökonomierates, der als Expertengremium die Bun-         nern zusammenstellen. Das macht es extrem flexibel.
desregierung auf dem Weg in eine biobasierte Wirtschaft    Genau so etwas braucht man in einer Firma. Wenn
berät. In einem KMU-innovativ-Projekt entwickelte          man mehr Eigenkapital hat, kann man sogar große
Organobalance Verfahren, um Hefezellen als Verpa-          Schritte wagen. Das Fördervolumen ist groß genug,
ckungskapseln für bioaktive Wirkstoffe zu nutzen. Das      dass auch ein Verbund sinnvoll zusammenarbeiten
Unternehmen führt im Rahmen der „Innovationsinitiati-      kann. Wenn ich mir etwas wünschen könnte: Man
ve Industrielle Biotechnologie“ die strategische Allianz   sollte sich von den halbjährlichen Bewerbungsfristen
GOBI – „Good Bacteria and Bioactives in Industry“, an      verabschieden. Und bei der Auswahl der Gutachter
der auch die Firmen Bionorica und Evonik beteiligt sind.   sollten genügend Experten mit Industrie-Hintergrund
Im Jahr 2016 wurde Organobalance vom dänischen             an Bord sein.
Biotechnologie-Konzern Novozymes übernommen.
                                                           Wie hat Ihnen die Förderung in der Firmengeschichte
                                                           geholfen?
Frau Lang, wieso ist KMU-Förderung so wichtig?
                                                           Lang — Für unser KMU-innovativ-Projekt brauch-
Lang — Gerade in der Biotechnologie kommen die Inno-       ten wir zunächst die Unterstützung akademischer
vationen aus den KMU. Es gibt dabei aus meiner Sicht       Partner. Wir konnten dann eine Technologiebasis
zwei Typen von Firmen: die einen können tatsächlich        aufbauen, die universell einsetzbar ist. Grundsätz-
„disruptive“ Innovationen anbieten, also Technologien,     lich hat uns gerade die öffentliche Förderung immer
die bisherige Prozesse oder Produkte komplett ersetzen.    wieder erlaubt, neue Technologien und Produkte zu
Die anderen schaffen auch Innovationen, sind aber          entwickeln – sehr nützlich ist auch das Instrument der
so mit ihren Prozessen beschäftigt, mit denen sie Geld     strategischen Allianzen. Sie ist für uns ein Gütesiegel
verdienen, dass sie seltener etwas grundlegend Neues       – wir arbeiten mit renommierten Partnern zusam-
wagen. Beide gehen bei ihren Forschungs- und Entwick-      men und können als KMU wirklich etwas bewegen.
lungsprojekten Risiken ein, die sie nicht allein tragen    Das hat auch unseren neuen Eigentümer Novozymes
können.                                                    überzeugt.
14                      innovation durch biotechnologie

     nologie und Life Sciences biete die Maßnahme einen
     wichtigen Baustein, um sich strategisch weiterzuent-
     wickeln.

     Insgsamt wurden von 2007 bis 2016 knapp 400 Mil-
     lionen Euro investiert. Die beteiligten Firmen haben
     hierbei einen Eigenanteil von etwa 160 Millionen Euro
     beigesteuert. In der Regel konnten die Unternehmen
     neue F&E-Projekte umsetzen, die ein Fördervolumen
     von 500.000 Euro bis 1 Million Euro besitzen. Wie
     die beteiligten Firmenvertreter unterstreichen, sind
     diese Volumina groß genug, um sinnvoll neue Ideen
     anzustoßen (siehe Interview auf S. 13 mit Christine
     Lang, Geschäftsführerin der Organobalance GmbH).
     Bis Ende 2016 fanden 19 Ausschreibungsrunden statt.
     Bis zu 70 Projektskizzen sind pro Runde eingetroffen;
     sie zu bewerten war die Aufgabe des interdisziplinär
     aus Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern zusam-
     mengesetzten Gutachtergremiums.

     Gutachter Berg bescheinigt den Anträgen im Inter-
     view (siehe S. 15) eine wachsende Qualität und unter-
     streicht die Bedeutung einer solchen Fördermaßnah-
     me für die Wirtschaft und den Standort Deutschland
     insgesamt: „Mit der Maßnahme versetzen wir KMU
     in die Lage, neue Märkte zu erobern oder die nächste
     Generation von Produkten und Dienstleistungen vo-
     ranzutreiben. Damit geben wir den Firmen auch eine
     Zukunftsperspektive und sichern Arbeitsplätze.“ Die
     Firmen selbst schätzen vor allem die hohe Flexibilität
     des Förderformats. Es sind Projekte möglich, die von
     einer Firma allein oder im Netzwerk mit Partnern
     durchgeführt werden.

     Geringe Bürokratie spricht kleine Firmen an
     Als ein weiteres Plus loben Firmen und Gutachter die
     klaren und einfachen Verfahrensabläufe, sodass auch
     Erstantragsteller keine hohen bürokratischen Hürden
     überwinden müssen. Zweimal im Jahr können sich
     die Firmen um Förderung bewerben. Schon innerhalb
     von acht Wochen nach der Skizzeneinreichung gibt es
     ein erstes Feedback. „Ich habe viele mutige und origi-
     nelle Ideen gerade von sehr kleinen Firmen gesehen.
     Sie profitieren auch von der engen fachlichen Betreu-
     ung durch den Projektträger Jülich“, betont Berg.
spitzenforschung im mittelstand finanzieren                                                                            15

NACHGEFRAGT

„Viele mutige und
originelle Ideen gesehen“
Prof. Dr. Dieter Berg,
Vorsitzender des Gutachtergremiums

Dieter Berg ist promovierter Biochemiker und seit 2007       anfangs mehr Anpassungsbedarf in den Anträgen und
im Ruhestand. Er kann auf eine lange Berufskarrie-           Diskussionen darüber, ob ein Projekt förderwürdig ist
re beim Pharmakonzern Bayer sowie der Agrarsparte            oder nicht. Heute sind wir mit der Qualität der Skizzen
Bayer Crop-Science zurückblicken, wo er zuletzt für die      mehrheitlich zufrieden. Nach zehn Jahren können wir
Koordination internationaler Forschungskooperationen         definitiv ein positives Fazit ziehen.
zuständig war. Im Rahmen seiner Arbeiten bei Bayer
konnte er Erfahrungen in der Wirkstoffentwicklung und        Welchen Einfluss hat eine Fördermaßnahme wie
im Pflanzenschutz sammeln. Er war an mehr als 100 Pa-        KMU-innovativ auf die Entwicklung der Biotechnolo-
tentanmeldungen und 80 Publikationen in wissenschaft-        gie-Branche in Deutschland?
lichen „Peer review“-Zeitschriften beteiligt. Parallel
hatte er als Professor eine Lehrtätigkeit für Biochemie an   Berg — Bei einer Branche, die mehrheitlich aus kleinen
der Universität Münster inne. Seit dem Ruhestand berät       und mittleren Firmen besteht, stärkt eine solche Maß-
er Start-ups und ist als Gutachter für die Europäische       nahme natürlich vor allem die Wettbewerbsfähigkeit.
Kommission sowie das Bundesministerium für Bildung           Gerade KMU müssen sich im Konkurrenzkampf mit
und Forschung tätig. Für die Fördermaßnahme „KMU-            Großkonzernen ganz genau überlegen, welche Pro-
innovativ: Biotechnologie – BioChance“ leitet er das         dukte sie entwickeln wollen und wo es sich lohnt zu
ehrenamtlich tätige Gutachtergremium mit Experten aus        investieren. Mit der Maßnahme versetzen wir KMU
Wissenschaft und Wirtschaft.                                 in die Lage, neue Märkte zu erobern oder die nächste
                                                             Generation von Produkten und Dienstleistungen vo-
                                                             ranzutreiben. Damit geben wir den Firmen auch eine
Herr Berg, Sie sind Vorsitzender des Gutachtergremi-         Zukunftsperspektive und sichern Arbeitsplätze. Für
ums und haben die Fördermaßnahme seit ihrem Start            manches Start-up war unsere Bewilligung auch der
vor zehn Jahren begleitet. Wie lautet Ihr Fazit?             Ritterschlag, um weitere Investoren zu überzeugen.

Berg — Ich bin sehr froh, so viele mutige und originelle     Wie sieht ein idealer Förderantrag aus?
Ideen aus der Biotechnologie und den Life Sciences –
auch von ganz kleinen Firmen – gesehen zu haben. Da          Berg — Er beschreibt ein F&E-Projekt, das das KMU
war das gesamte Spektrum von medizinischen Anwen-            allein nicht stemmen kann und das inhaltlich origi-
dungen, Diagnostik bis hin zur Landwirtschaft ver-           nell genug ist, um der Firma einen echten Mehrwert
treten. Aber es war natürlich auch ein Lernprozess von       zu bringen – mit Blick auf die Sicherung bzw. den
allen Seiten. Sowohl hinsichtlich der Inhalte als auch mit   Ausbau von Arbeitsplätzen oder die Stärkung der
Blick auf die Rahmenbedingungen gab es hier und da           Marktposition.
Hightech-Forschung für eine biobasierte Wirtschaft

Hightech-Forschung in der Biotechnologie ist extrem         Etliche Innovationen entstehen dabei an der Schnittstel-
vielfältig und besitzt eine hohe Relevanz für verschie-     le von Bio- und Ingenieurswissenschaften, ein wichtiger
denste Industriezweige: Ob Medizin, Landwirtschaft          Treiber ist zudem die Molekularbiologie. Wie hoch der
oder Chemie, ob Prozess oder Molekül – das Spektrum         Bedarf an einer Förderung von F&E-Projekten ist, zeigt
der Themen und Ideen, an denen Unternehmen in der           ein Blick in die Förderstatistik der Fördermaßnahme
Biotechnologie forschen, ist groß. Das spiegelt sich        „KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance“. Aus den
auch in der Vielfalt an Projekten wider, die im Rahmen      bis zu 70 eingereichten Ideenskizzen je Ausschreibungs-
der Fördermaßnahme „KMU-innovativ: Biotechnologie           runde erhalten etwa zehn bis zwanzig Vorschläge den
– BioChance“ unterstützt wurden.                            Zuschlag. Insgesamt wurden Zuwendungen in Höhe von
                                                            durchschnittlich 10 Millionen Euro je Ausschreibungs-
                                                            runde verteilt.
Hochempfindliche Messmethoden, Hochdurchsatz-
verfahren, präzise molekulare Werkzeuge – die letzten
Jahre sind durch einen enormen Wissenszuwachs und              „Wir konnten durch die Themen-
technischen Fortschritt in den Lebenswissenschaften            offenheit bei KMU-innovativ gute
gekennzeichnet, der sich in einer hohen Forschungs-
und Entwicklungsintensität der Biotechnologie-Firmen
                                                               Ideen weitertreiben, die für uns mit
niederschlägt. Das Ziel dieser Anstrengungen ist klar:         unserem eingeschränkten Budget
neue intelligente Produkte, Verfahren und Dienstleis-          eigentlich zu riskant und aufgrund
tungen in den Markt bringen, die dem jeweiligen Unter-         der fehlenden wissenschaftlichen
nehmen einen Vorteil für seine Wettbewerbsfähigkeit
                                                               Daten noch zu sehr außerhalb des
bieten. Viele der Firmen sind sehr klein und arbeiten eng
mit Forschungseinrichtungen zusammen; der Techno-
                                                               Fokus der Investoren waren.“
logietransfer ist vielfach eine große Herausforderung.         Ingmar Hoerr, Gründer & Geschäftsführer, CureVac AG
hightech-forschung für eine biobasierte wirtschaft                                                             17

Plattformtechnologien als Motor für                      Personalisierte Medizin als Trend
den Fortschritt                                          Ein weiterer Schwerpunkt der Förderung lag auf
Ein Großteil der Fördermittel (25%) ist in die Ent-      Projekten, in denen neue Therapien (29%) und Diag-
wicklung vielversprechender Forschungstools              nostika (17%) entwickelt wurden. Traditionell ist ein
geflossen (siehe Grafik S. 19): Auf diese Weise stehen   Großteil der deutschen Biotechnologie-Firmen im
Forscherinnen und Forschern heute leistungsfähige        Gesundheitssektor aktiv, vor allem der Trend zur
Werkzeuge zur Verfügung, um beispielsweise schnel-       personalisierten Medizin erfordert ein hohes Maß an
ler als bisher auf die Spur wirksamer Medikamente zu     Forschung und Entwicklung. Mit der Unterstützung
kommen. Insgesamt wurden hier zwischen 2008 und          durch „KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance“
2016 knapp 60 Millionen Euro investiert.                 konnten die Unternehmen ihre Konzepte und Ideen
                                                         gezielt umsetzen, weitere Produktkandidaten im
Gerade die Bioanalytik, die sich mit der Analyse von     Portfolio voranbringen oder neue Diagnostik-Kits auf
Biomolekülen und biologischen Prozessen befasst, hat     den Markt bringen. Damit ist es mehrmals gelungen,
sich als Motor für den technologischen Fortschritt       das Interesse der internationalen Pharmaindustrie
in der Medizin, aber auch im Agrarsektor erwiesen.       bzw. von Investoren zu gewinnen (siehe Kapitel „Neue
Viele kleine und mittlere Firmen konnten im Rahmen       Therapien und effiziente Diagnostik“, S. 32). Bis Ende
der Fördermaßname leistungsfähige Plattformtech-         2012 wurden auch zahlreiche Medizintechnik-Projek-
nologien entwickeln, die sich erfolgreich im Markt       te innerhalb der Fördermaßnahme unterstützt. Der
behaupten und für ein breites Spektrum von Anwen-        Rückgang ab 2013 ist darauf zurückzuführen, dass es
dungen einsetzen lassen (siehe Kapitel „Hightech-        mit „KMU-innovativ: Medizintechnik“ ab diesem Jahr
Werkzeuge für die Bioanalytik“, S. 20).                  eine eigene Fördermaßnahme für diese Branche gibt.

                                                            „KMU-innovativ hat uns in der
                                                            Frühphase geholfen, unser inno-
                                                            vatives Peptidlaserdruckverfahren
                                                            in stabile und nachhaltige Produk-
                                                            tionsprozesse zu überführen. Ohne
                                                            diese Förderung wären wir sicher
                                                            nicht da, wo wir heute sind.“
                                                            Volker Stadler, Geschäftsführer PEPperPRINT GmbH
18                                                                                                 innovation durch biotechnologie

Fördermaßnahme für                                                       innovativen Forschungsansätzen. Gleiches gilt für
Unternehmen aus der                                                      Neuentwicklungen in der Ernährungsindustrie und
                                                                         im Lebensmittelsektor. Anders als Großkonzerne sind
Bioökonomie attraktiv                                                    KMU in der Lage, sich schnell an neue Herausforde-
                                                                         rungen anzupassen. Mit der Förderung durch KMU-
Im Rahmen von „KMU-innovativ: Biotechnologie –                           innovativ haben viele Firmen die Chance genutzt,
BioChance“ wurden in den vergangenen Jahren zahl-                        auch risikobehaftete Ansätze auszuprobieren und
reiche Projektideen aus der Bioökonomie gefördert;                       weiterzuentwickeln.
der Anteil lag im Durchschnitt bei 21%. Seit 2008 ist
die Höhe der jährlichen Zuwendungen in diesem The-
menfeld gestiegen (siehe Grafik unten). Insgesamt sind                       „Als Pflanzenzüchter, besonders
hier in den 18 Ausschreibungsrunden rund 45 Millio-                          bei Nordmanntannen, braucht
nen Euro Fördermittel geflossen (siehe Grafik S. 19).
                                                                             man einen langen Atem. Die
Nachhaltige Landwirtschaft                                                   KMU-Förderung ist flexibel und
Ein Schwerpunkt lag unter anderem darin, den                                 langfristig ausgelegt, sodass wir
Umbau hin zu einer nachhaltigen und ressourceneffi-                          selbst äußerst risikoreiche Züch-
zienten Landwirtschaft ein Stück weit mitzugestalten
                                                                             tungsprojekte stemmen können.“
(siehe Kapitel „Moderne Landwirtschaft und gesun-
de Ernährung“, S. 24). Gerade kleine und mittlere                            Hardy Dembny , Geschäftsführer Baumschulen Oberdorla GmbH
Unternehmen spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Denn die Entwicklung von Nutzpflanzen und Nutz-
tieren, die den hohen Anforderungen angesichts von                       Innovativer Umweltschutz
Klimawandel und Umweltschutz sowie einer steigen-                        Die Fördermaßnahme hat aber auch ihren Beitrag
den Weltbevölkerung gewachsen sind, verlangt nach                        dazu geleistet, industrielle Prozesse in der Wirtschaft

KMUi Biotechnologie: bewilligte Fördermittel von 2008–2016 in Millionen Euro pro Jahr

20

18                                                                                             Bioökonomie           Therapeutika
                                                                                               Forschungstools       Diagnostika
16                                                                                             Sonstiges             Medizintechnik*

14

12

10

 8

 6

 4

 2

 0
         2008            2009           2010          2011            2012              2013           2014        2015           2016

Quelle: Projektträger Jülich (Stand 01/2017)          *Seit 2013 wurden Medizintechnik-Projekte in „KMU-innovativ: Medizintechnik“ gefördert.
hightech-forschung für eine biobasierte wirtschaft                                                              19

nachhaltiger zu gestalten – ein Aspekt, in dem bio-           gehören Mikroorganismen, Zellen und Enzyme. Die
technologische Verfahren und biobasierte Hightech-            im Rahmen von KMU-innovativ geförderten Projekte
Werkzeuge gegenüber herkömmlichen Methoden                    unterstreichen beispielsweise, dass sich in erhebli-
oftmals punkten können. So bietet die Natur eine              chem Maße Energie und Ressourcen einsparen lassen,
große Vielfalt an biobasierten Werkzeugen, die in             wenn Enzyme als Biokatalysatoren zum Einsatz kom-
immer mehr Wirtschaftszweigen zur Biologisierung              men (siehe Kapitel „Nachhaltige und umweltfreundli-
von industriellen Prozessen beitragen können. Dazu            che Industrie“, S. 38).

KMUi Biotechnologie: bewilligte Fördermittel 2008–2016

     Bioökonomie               Therapeutika                         Bioökonomie             Therapeutika
     Forschungstools           Diagnostika                          Forschungstools         Diagnostika
     Sonstiges                 Medizintechnik                       Sonstiges               Medizintechnik

80
                                                              6%
70                                                            20%

60                                                            17%
50

40

30                                                            29%

20
                                                              4%
10
                                                              25%
 0
Fördermittel nach Kategorien – Runde 1–18 in Millionen Euro   Fördermittel nach Kategorien – Runde 1–18 in %

Quelle: Projektträger Jülich (Stand 01/2017)
Hightech-Werkzeuge für die Bioanalytik

Bahnbrechende Technologien haben die Analysemög-        Analyse von Genen, Proteinen und Stoffwechselpro-
lichkeiten für Lebensprozesse tiefgreifend verändert.   dukten sind bioanalytische Werkzeuge sehr wertvoll.
Hochempfindliche Messmethoden und Hochdurch-            Moderne Genomsequenziermaschinen liefern heute
satzverfahren ermöglichen es, Biomoleküle in Zellen     immer schneller und günstiger Daten über die Zu-
und Organismen mit neuer Präzision und nahezu           sammensetzung des Erbguts. Durch den Einsatz von
vollständig zu erfassen. Im Rahmen von „KMU-inno-       automatisierten und hochgradig parallelen Verfahren
vativ: Biotechnologie – BioChance“ haben deutsche       ist die Erbgutsequenzierung eine Hochdurchsatztech-
Unternehmen erfolgreich bioanalytische Instrumen-       nologie geworden. Ähnliche Entwicklungen gibt es
te und Plattformtechnologien entwickelt, die in der     in der Proteomik. Hier beschäftigen sich Forschende
akademischen Forschung und in der Pharmaindustrie       damit, die Vielfalt der Eiweißmoleküle in Zellen und
gefragt sind.                                           Organismen zu identifizieren und zu quantifizieren.
                                                        Die Metabolomik wiederum erfasst und charakteri-
                                                        siert die verschiedenen Stoffwechselprodukte (Meta-
Innovationen für die Biotechnologie entstehen oft an    bolite) eines Organismus. Auch hierfür sind moderne
der Schnittstelle von Biowissenschaften und Inge-       Bioanalytik-Werkzeuge elementar.
nieurswissenschaften. Dies gilt insbesondere mit
Blick auf die präzise und umfassende Analyse von        Trend zur Miniaturisierung
Biomolekülen und biologischen Prozessen. Denn die       Die „Omik“-Forschung steht auch beispielhaft für
Bioanalytik spielt in vielen Anwendungsfeldern in       den Trend zur Miniaturisierung von Geräten. Immer
Wissenschaft und Wirtschaft eine wichtige Rolle.        häufiger werden dabei biologische Funktionselemente
Treiber der Bioanalytik sind insbesondere die ra-       erfolgreich mit Mikrosystemtechnik kombiniert, um
santen Fortschritte in der Molekularbiologie. Eine      noch präzisere und schnellere Analysen durchzuführen.
wichtige Grundlage dafür haben neue, hochempfind-       Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland, die
liche bildgebende Verfahren gelegt. Aber auch bei der   mit Hightech-Werkzeugen und sogenannten Plattform-
hightech-werkzeuge für die bioanalytik                                                                                      21

technologien für die Biotechnologie und Biomedizin         Roboterplattform, auf der hunderte Mikroreaktoren
punkten können, sind häufig Ausgründungen aus Uni-         für Hochdurchsatzanalysen kombiniert sind. Die Platt-
versitäten und Forschungseinrichtungen. Viele haben in     form der neuesten Generation ermöglicht inzwischen
ihrer weiteren Entwicklung sogar mehrfach von einer        Analysen von Wirkstoffkandidaten mit einem Durch-
Förderung durch „KMU-innovativ: Biotechnologie –           satz von über 20.000 Substanzen pro Tag.
BioChance“ profitiert und bestehen heute erfolgreich
mit ihren Produkten auf dem Markt.                         Nischenprodukt global nachgefragt
                                                           Nanion zählt mittlerweile 80 Mitarbeiter weltweit.
                                                           Zu den Kunden gehören nahezu alle der Top-20-
Roboterplattform testet                                    Pharmaunternehmen der Welt. Aber auch akade-
zehntausende Wirkstoffe gleichzeitig                       mische Technologiezentren und Service-Einheiten
                                                           von Universitäten aus allen Teilen der Welt fragen
                                                           die Roboterplattform nach. Für die Entwicklung des
Zum Beispiel die Nanion Technologies GmbH aus              Systems wurden die Forscher von Nanion 2007 und
München: Als Hightech-Gerätehersteller hat sich            2014 für den Deutschen Zukunftspreis des Bundesprä-
das 2002 gegründete Unternehmen auf Messsysteme            sidenten nominiert.
spezialisiert, mit denen sich die Aktivität von Ionen-
kanälen in Zellen schnell und automatisiert studieren      Gleich zwei durch KMU-innovativ geförderte Projekte
lässt. Ionenkanäle sind Proteine, die in die Zellmem-      waren für Nanion wegweisend für die Entstehung
bran integriert sind und dort als Molekülschleusen         einer neuen Gerätefamilie, die unter dem Namen
agieren. Sie zählen zu den wichtigsten Angriffsstellen     „Orbit“ firmiert. Hervorgegangen sind sie aus den
für Medikamente. Deshalb sind Technologien wie die         Projekten „Poly-Ephys“ von 2008 bis 2011 und
von Nanion interessant für Pharmaunternehmen, die          „SyntHTEphsys“ von 2014 bis 2016 (Förderung:
Wirkstoffbibliotheken mit Millionen Substanzen nach        insgesamt 750.000 Euro). Anders als bei der Untersu-
dem besten Kandidaten für ein neues Medikament             chung von Zellen geht es hier darum, Ionenkanäle in
durchsuchen wollen.                                        künstlicher Umgebung herzustellen und elektrophy-
                                                           siologisch zu vermessen. Deshalb wurde ein Ionenka-
Winzige Sensoren auf Biochips                              nal-Messsystem geschaffen, das mit Lipidmembranen
Die Messinstrumente von Nanion basieren auf der            in Reaktionsgefäßen im Labor arbeitet. Ein solches
sogenannten Patch-Clamp-Methode. Dem Gründer               System ist insbesondere für die akademische Ionen-
Niels Fertig gelang es noch an der Ludwig-Maximili-        kanal-Forschung interessant. „Ohne die KMU-inno-
ans-Universität München, die einst sehr aufwendige         vativ-Förderung hätten wir dieses risikohafte, aber
Methode zu vereinfachen und in hohem Maße paralle-
lisiert ablaufen zu lassen. Er nutzte dazu Biochips, auf
denen sich winzige Sensoren und Verstärkerelektronik
befinden. Bringt man auf diese Apparatur Zellen auf,
sind in diesen Mikroreaktoren schnelle, automatisierte
Untersuchungen von elektrischen Strömen durch die
Ionenkanäle der Zellen möglich. Das Projekt wurde
anfangs durch die Fördermaßnahme BioChancePlus –
einem Vorläufer von KMU-innovativ – unterstützt.
Daraus ging ein automatisiertes Patch-Clamp-System
hervor, mit dem man die elektrischen Ströme von acht
Zellen gleichzeitig messen kann. Mit diesem System
eroberte Nanion ab 2007 den Markt. Im Jahr 2013
wurde es durch das SyncroPatch-System als wichtigstes      Die Nanion Technologies GmbH hat sich auf Messsysteme spezialisiert,
                                                           mit denen sich Zellen schnell und automatisiert analysieren lassen.
Produkt abgelöst. Hierbei handelt sich um eine flexible
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     Nervennetzwerke in unerreichter Präzision messen

     Neurobiologen, die die komplexe Funktion des Ge-          eines Smartphones, nur 1.000-mal schneller.
     hirns und des Nervensystems verstehen wollen, sind        Neuronale Aktivität kann nicht nur gemessen,
     auf hochempfindliche und leistungsfähige Mess-            sondern auch stimuliert werden. Seit 2015 wird
     instrumente angewiesen. Ein solcher Messinstru-           der Chip unter der Bezeichnung CMOS-MEA5000
     mente-Bauer ist die mittelständische MCS Multi            vermarktet. Das 1996 gegründete Unternehmen
     Channel Systems GmbH in Reutlingen. Sie entwi-            ist seit 2014 ein Tochterunternehmen des US-
     ckelt Zubehör für die Elektrophysiologie, um zum          Konzerns Harvard Bioscience.
     Beispiel mit Mikroelektroden die elektrische Akti-
     vität von Zellen zu messen oder elektrische Stimu-
     lationen durchzuführen. Im Rahmen von „KMU-
     innovativ: Biotechnologie – BioChance“ hat das
     schwäbische Unternehmen von 2009 bis 2013 einen
     leistungsfähigen Neurochip entwickelt (Förderung:
     1,2 Millionen Euro). Partner in dem Verbundprojekt
     waren das Naturwissenschaftliche und Medizinische
     Institut (NMI) in Reutlingen und die Technische
     Universität Berlin. Der entwickelte Neurochip filmt
     die elektrische Aktivität und die Kommunikation
     eines Nervenzellnetzwerks mit Mikrosekunden- und          Mit dem Neurochip lässt sich die elektrische Aktivität von
     Mikrometer-Genauigkeit – also wie ein Kamerachip          Nervenzellnetzwerken in höchster Präzision messen.

vielversprechende Projekt seinerzeit definitiv nicht         Bedeutung. Peptide sind kleine Proteinfragmente, wie
angefasst“, sagt Firmengründer Fertig. Doch seit dem         sie etwa auf der Oberfläche von Zellen oder Erregern
Jahr 2014 ist die erste Generation der Orbit-Geräte          vorkommen. Auf einem Chip platziert, können sie
nun auf dem Markt erhältlich und die Verkaufszahlen          wie Köder an einer Angel genutzt werden, um an sie
steigen stetig. Fertig: „Hier zeigt sich, wie ein Nischen-   andockende Antikörper aus dem Blut von Patienten
produkt auf globaler Ebene sehr interessante Markt-          zu fischen. Nicht nur für diesen indirekten Nachweis
chancen eröffnen kann.“                                      von Infektionserregern im Blut sind sie geeignet.

                                                             Neue Lösung für Detailanalysen in der Medizin
Maßgeschneiderte Peptide                                     Mit den Chips lässt sich nach therapeutischen Peptiden,
aus dem Laserdrucker                                         Impfstoffen oder Biomarkern suchen. Darüber hinaus
                                                             kann auch die Struktur von Antikörpern im Detail
                                                             analysiert werden. Die Herstellung von Peptidchips
Biochips – auch Mikroarrays genannt – sind aus der           ist jedoch aufwendig und langwierig. Üblicherweise
biomedizinischen Forschung nicht mehr wegzuden-              müssen alle Peptide für einen Chip in ausreichendem
ken. Bereits winzige Proben von auf Oberflächen              Maßstab vorsynthetisiert werden, um dann von einem
aufgebrachten Biomolekülen genügen, um biologi-              Pipettier-Roboter auf eine Membran aufgetupft zu
sche Prozesse auf molekularer Ebene zu analysieren.          werden. Doch die Kapazitäten dieser mit Spot-Technik
Biochips werden dabei meist mit Erbsubstanz wie              gefertigten Chips sind begrenzt. Zudem sind sie sehr
DNA oder RNA bestückt. Für die meisten Lebensvor-            teuer. Das Start-up PEPperPRINT GmbH in Heidel-
gänge sind jedoch auch die Proteine von zentraler            berg hat eine Laserdruck-Maschine entwickelt, mit
hightech-werkzeuge für die bioanalytik                                                                                  23

der sich qualitativ hochwertige Mikroarrays in hoher      Stunde. Denn obwohl für die Reaktion eigentlich nur
Dichte mit bis zu 80.000 Peptiden herstellen lassen.      die DNA-Moleküle aufgeheizt werden müssten, wird in
Das Heidelberger Unternehmen wurde 2001 von               bisherigen Verfahren die gesamte Reaktionsflüssigkeit
Wissenschaftlern des Deutschen Krebsforschungszen-        erwärmt. Der Clou von GNA Biosolutions: Während
trums (DKFZ) gegründet. Auf dem Weg der Plattform         die Temperatur der gesamten Flüssigkeit konstant
zur Marktreife wurde das Unternehmen im Rahmen            gehalten wird, heizen kurze Laserpulse Goldnano-
von „KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance“           partikel auf, an denen die zu vervielfältigenden
unterstützt (Förderung: rund 1 Million Euro). Möglich     DNA-Abschnitte hängen. Das laserbasierte Aufheizen
wurde der Peptid-Laserdrucker durch Bio-Toner: An-        der Nanopartikel funktioniert etwa eine Million Mal
stelle von Farbpigmenten sind die Druckerpatronen         schneller als das bisherige Heizen der gesamten Flüs-
mit Aminosäurepartikeln gefüllt. Da Peptide aber aus      sigkeit. Binnen weniger Minuten kann so der gesamte
bis zu zwanzig verschiedenen Aminosäuren verknüpft        Vervielfältigungsprozess abgeschlossen werden.
werden müssen, sind auch zwanzig dieser Kartuschen
in einem Gerät unterzubringen. So ist eine Laser-         Entscheidungshilfe bei Keimdiagnostik
druckerplattform entstanden, die mit hoher Genauig-       Diese Turbo-PCR bedeutet nicht nur einen enormen
keit und großem Durchsatz beliebige Kombinatio-           Zeitgewinn bei der molekularbiologischen Forschung.
nen der Aminosäuren auf einer kleinen Glasplatte          Auch in der Klinik kann wertvolle Zeit gespart werden
nach und nach aufträgt und aneinander koppelt. Pro        – gerade dann, wenn es im Extremfall um schnelle
Quadratzentimeter können die Heidelberger bis zu          Entscheidungen geht, zum Beispiel in der Sepsis-
1.000 maßgeschneiderte Peptide unterbringen – ideal       Diagnostik oder bei der Suche nach multiresistenten
für biomolekulare Analysen im Hochdurchsatz. Das          Krankenhauskeimen. Auch bei der Keimdiagnostik in
System ist sehr flexibel und die hergestellten Biochips   der Lebensmittelprüfung, bei Fragen der Biosicherheit
sind deutlich kostengünstiger als bisherige Produkte.     oder akuten Virusepidemien können die Laser-PCR-
Eigenschaften, die die Pharmaindustrie offenbar           Analysen innerhalb von Minuten wertvolle Informa-
überzeugen: Nahezu alle Top-10-Pharmaunterneh-            tionen liefern. GNA Biosolutions wurde im Jahr 2010
men zählen zu den Kunden von PEPperPRINT.                 aus dem Institut für Photonik und Optoelektronik
                                                          der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität
                                                          ausgegründet. Die Entwicklung der Laser-PCR wurde
Laser-PCR: DNA kopieren                                   vom BMBF von 2011 bis 2013 unterstützt (Förderung:
im Turbomodus                                             300.000 Euro). Mit Erfolg: 2017 beschäftigt das Unter-
                                                          nehmen mehr als 20 Mitarbeiter und vermarktet die
                                                          Laser-PCR in verschiedenen Produktlinien.
Seit ihrer Entwicklung vor mehr als 30 Jahren hat
sich die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) als eine der
wichtigsten Standardmethoden der Biotechnologie
etabliert. Mit ihrer Hilfe lassen sich einzelne DNA-
Abschnitte gezielt vermehren. Dank der Förderung
unter dem Dach von „KMU-innovativ: Biotechnologie
– BioChance“ hat die Firma GNA Biosolutions GmbH
aus Martinsried ein hochinnovatives Turbo-Verfahren
entwickelt: Mit der sogenannten Laser-PCR dauert der
Vorgang nur noch wenige Minuten anstatt mehr als
eine Stunde. Bei einer PCR wird ein DNA-Abschnitt
in einem Reaktionsgefäß mithilfe von Kopier-Enzy-
men in wiederkehrenden Zyklen aus Aufheizen und
Abkühlen vervielfältigt. Das Problem: Das Verfahren
dauert pro Ansatz meist immer noch mehr als eine          Die Druckerpatronen der PEPperPRINT GmbH sind mit Aminosäuren gefüllt.
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