ÄMTER OHNE AKTENORDNER? - E-Government & Gute Arbeit in der digitalisierten Verwaltung 06/2019 - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
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D I S K U R S 06/ 2019 Claus Zanker ÄMTER OHNE AKTENORDNER? E-Government & Gute Arbeit in der digitalisierten Verwaltung
WISO DISKURS 06/ 2019 Die Friedrich-Ebert-Stiftung Die FES ist die älteste politische Stiftung Deutschlands. Benannt ist sie nach Friedrich Ebert, dem ersten demokratisch gewählten Reichspräsidenten. Als parteinahe Stiftung orientieren wir unsere Arbeit an den Grundwerten der Sozialen Demokratie: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Als gemeinnützige Institution agieren wir unabhängig und möchten den pluralistischen gesellschaftlichen Dialog zu den politischen Herausforderungen der Gegenwart befördern. Wir verstehen uns als Teil der sozialdemokratischen Wertegemeinschaft und der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland und der Welt. Mit unserer Arbeit im In- und Ausland tragen wir dazu bei, dass Menschen an der Gestaltung ihrer Gesellschaften teilhaben und für Soziale Demokratie eintreten. Die Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung Die Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik verknüpft Analyse und Diskussion an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik, Praxis und Öffentlichkeit, um Antworten auf aktuelle und grundsätzliche Fragen der Wirtschafts- und Sozialp olitik zu geben. Wir bieten wirtschafts- und sozialpolitische Analysen und entwickeln Konzepte, die in einem von uns organisierten Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Praxis und Öffentlichkeit vermittelt werden. WISO Diskurs WISO Diskurse sind ausführlichere Expertisen und Studien, die Themen und politische Fragestellungen wissenschaftlich durchleuchten, fundierte politische Handlungsempfehlungen enthalten und einen Beitrag zur wissenschaftlich basierten Politikberatung leisten. Über den Autor dieser Ausgabe Claus Zanker, Diplom-Verwaltungswissenschaftler, ist Geschäftsführer der INPUT Consulting gGmbH, Stuttgart. Für diese Publikation ist in der FES verantwortlich Stefanie Moser ist in der Abteilung Wirtschaft- und Sozialpolitik für die Arbeits- bereiche Gewerkschaften und Digitalisierung verantwortlich. Max Ostermayer ist in der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik für den Arbeitsbereich Klima-, Umwelt-, Energie- und Strukturpolitik verantwortlich und leitet den Arbeitskreis Nachhaltige Strukturpolitik.
06/ 2019 WISO DISKURS Claus Zanker ÄMTER OHNE AKTENORDNER? E-Government & Gute Arbeit in der digitalisierten Verwaltung 3 VORWORT 4 ZUSAMMENFASSUNG 5 1 EINLEITUNG 6 2 ENTWICKLUNG UND STATUS QUO DER DIGITALEN VERWALTUNG IN DEUTSCHLAND 6 2.1 Von der elektronischen Datenverarbeitung zu digital vernetzten Verwaltungsprozessen 8 2.2 Stand der digitalen Verwaltung in Deutschland 10 2.3 Zwischenfazit: Digitalisierte Verwaltungs- und Arbeitsprozesse 11 3 DREI FALLSTUDIEN ZUR DIGITALISIERUNG IN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG 11 3.1 Bürgerdienste in der Kommunalverwaltung 11 3.1.1 Onlineangebote für Bürger_innen 12 3.1.2 Auswirkungen auf die Arbeit bei den Bürgerdiensten 14 3.2 Automatisierte Sachbearbeitung in der Finanzverwaltung 14 3.2.1 Digitalisierung der steuerlichen Fallbearbeitung 14 3.2.2 Auswirkungen auf die Arbeit in der Finanzverwaltung 16 3.3 Digitalisierte Aktenführung in Jobcentern 16 3.3.1 Einführung der E-Akte 17 3.3.2 Folgen für die Arbeit in den Jobcentern 19 3.4 Zwischenfazit: Starke, aber unterschiedliche Auswirkungen der Digitalisierung 21 4 DIGITALISIERUNG UND BESCHÄFTIGUNG IN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG 21 4.1 Automatisierung und Substitution von Arbeitsplätzen 22 4.2 Automatisierungspotenziale in der öffentlichen Verwaltung – Betroffenheit von Berufen und Qualifikationen 25 4.3 Prognosen zur Beschäftigungsentwicklung in der öffentlichen Verwaltung im Kontext der Digitalisierung 26 4.4 Zwischenfazit: Rückläufige Beschäftigungsentwicklung in der öffentlichen Verwaltung
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 2 27 5 DIGITALISIERTE ARBEIT IN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG – FAZIT UND GESTALTUNGSERFORDERNISSE FÜR GUTE ARBEIT 27 5.1 Neue Arbeitsteilung von Mensch und Technik: Ganzheitliche Arbeitsteilung gewährleisten 28 5.2 Digitalisierte Arbeit: Gesundes Arbeiten sicherstellen 28 5.3 Transparenz der Arbeit: Persönlichkeitsrechte und Datenschutz 28 5.4 Orts- und zeitflexible Arbeit: Chancen aktiv erschließen und Risiken in den Blick nehmen 29 5.5 Qualifizierung: Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit und Anpassung an neue berufliche Anforderungen 30 Abbildungsverzeichnis 30 Literaturverzeichnis 32 Abkürzungsverzeichnis 32 Verzeichnis der Expertengespräche
ÄMTER OHNE AKTENORDNER? WISO DISKURS 3 VORWORT Der öffentliche Dienst ist eine der zentralen Säulen unseres Betrachtung. Drei Fallbeispiele zeigen ganz konkret auf, welche Gemeinwesens. Egal ob auf der Ebene des Bundes, der Länder Auswirkungen die zunehmende Digitalisierung auf die Arbeit oder bei den Menschen vor Ort in der Gemeinde: er erbringt im öffentlichen Dienst bereits heute hat. Neben der Qualität essentielle Dienstleistungen, ohne die unser Alltag kaum denk- geht die Studie auch auf die Frage der Quantität von Beschäf- bar wäre. Angefangen von den Leistungen der öffentlichen tigung ein und analysiert die Rationalisierungspotenziale durch Daseinsvorsorge in den Kommunen – den Schulen, Kranken- den vermehrten Einsatz digitaler Technologien. und Rathäusern bis hin zur Steuerverwaltung kommen wir Auch wenn wir weit davon entfernt sind, dass unsere Anliegen als Bürgerinnen und Bürger tagtäglich mit ihm in Kontakt. in Zukunft nur noch von Maschinen bearbeitet werden, wird Und das zumeist auf persönlicher Ebene mit einem der zirka dabei deutlich, dass Gute Arbeit im öffentlichen Dienst in 4,6 Millionen Beschäftigten, die sich um unsere Anliegen Zeiten der Digitalisierung gestaltet werden muss. Das betrifft kümmern. Damit ist der öffentliche Dienst der größte Arbeit- einmal die Qualifizierung und Weiterbildung von Beschäftigten, geber in Deutschland. deren Tätigkeitsprofile in absehbarer Zeit weniger stark nach- Ähnlich wie der private Dienstleistungssektor und das gefragt werden. Und das betrifft eine Ausgestaltung digitaler produzierende Gewerbe ist auch der öffentliche Dienst im Arbeit, die die damit neu auftretenden Belastungssituationen Umbruch. Die Digitalisierung hält Einzug und verändert die minimiert. Den Rahmen muss ein entsprechender Tarifvertrag Art wie wir mit dem Staat interagieren. So werden Termine setzen. für viele Behördengänge immer häufiger online vergeben, Nur so wird im öffentlichen Dienst in der Zukunft gelten: und auch die papierlose Steuererklärung ist schon Realität. Digitale Arbeit ist Gute Arbeit. Im Rahmen des E-Government sollen in den nächsten Jahren weitere Leistungen digitalisiert werden. Das händische Aus- füllen von Formularen könnte bald der Vergangenheit angehören. MAX OSTERMAYER Für die Bürgerinnen und Bürger wie auch für die Wirtschaft Friedrich-Ebert-Stiftung wird damit vieles einfacher. Gleichzeitig bringt die Digitalisierung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine große WOLFGANG PIEPER Menge an Veränderungen mit sich. Die Art der Arbeit, die ver.di – Mitglied des Bundesvorstands dadurch entstehenden Belastungen und die Qualifikationsan- forderungen befinden sich im Wandel. Während bereits ausgiebig darüber diskutiert wird, welche Jobprofile beispiels- weise in der Industrie bald der Vergangenheit angehören könnten, ist diese Debatte für den öffentlichen Dienst aber noch relativ jung. Wird die menschenleere Fabrik oft als Schreckensszenario für drohende Massenarbeitslosigkeit ins Feld geführt, so scheint die vollautomatisierte Verwaltung mehr als eine Verheißung, denn als Dystopie wahrgenommen zu werden. Die vorliegende Studie, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Gewerkschaft ver.di gemeinsam beauftragt wurde, stößt in diese Lücke. Auf Grundlage der Trends und Ent- wicklungen, die bei der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung zu beobachten sind, stellt sie die Beschäftigten dieses Bereiches des öffentlichen Dienstes ins Zentrum der
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 4 ZUSAMMENFASSUNG Seit rund zwei Jahrzehnten wird unter dem Begriff „E-Government“ Die Digitalisierung der Verwaltungsverfahren und Arbeits- das Ziel verfolgt, Verwaltungsleistungen elektronisch über prozesse hat auch quantitative Beschäftigungsfolgen in der das Internet für Bürger_innen und Unternehmen zugänglich öffentlichen Verwaltung. Auf Basis einer Studie des Instituts zu machen und mithilfe digitaler Technologien die Verwaltungspro- für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt sich im Ver- zesse effizienter zu gestalten. Die Bestandsaufnahme 20 Jahre gleich zur Gesamtwirtschaft zwar ein insgesamt geringeres später fällt jedoch eher ernüchternd aus: Trotz einiger erfolgreicher Automatisierungspotenzial. Dennoch können Büro- und Ver- Projekte wie die elektronische Steuererklärung ELSTER sind waltungsberufe mit mittleren Anforderungen von Automatisie- bislang viele Ziele zum Onlineangebot von Verwaltungsleis- rung stark betroffen sein. Insbesondere einfachere Sachbear- tungen und bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen beitungsaufgaben eignen sich aufgrund ihrer hohen Routine- nicht erreicht. Mit der Verabschiedung des E-Government- anteile für die Automatisierung. Ein geringes Substitutionspo- Gesetzes im Jahr 2013 und des Onlinezugangsgesetzes (OZG) tenzial weisen hingegen soziale und erzieherische Berufe auf, im Jahr 2017 ist der Anspruch verbunden, die wesentlichen in denen zwölf Prozent der Beschäftigten in der öffentlichen rechtlichen und technischen Hemmnisse zu beseitigen und bis Verwaltung tätig sind. Die Arbeitsmarktprognosen des Bundes- Ende 2022 die für Bürger_innen und Unternehmen wichtigsten ministeriums für Arbeit und Soziales zeigen eine insgesamt leicht Verwaltungsleistungen über ein einheitliches Verwaltungsportal positive Beschäftigungsentwicklung bis 2030 in Deutschland – online bereitzustellen. auch für ein als „beschleunigte Digitalisierung“ bezeichnetes Trotz des noch als unzureichend wahrgenommenen Angebots Szenario. Allerdings ist zu konstatieren, dass insbesondere für digitaler Verwaltungsleistungen ist die Arbeit in der öffentlichen die Anwenderbranchen digitaler Technologien, zu denen auch Verwaltung bereits stark digitalisiert. Rund 90 Prozent der die öffentliche Verwaltung gehört, eine rückläufige Beschäfti- Beschäftigten arbeiten mit elektronischen Kommunikationsmedien, gungsentwicklung erwartet wird. Die negativen Beschäftigungs- knapp zwei Drittel mit digitalen Arbeitsmitteln. Die digitale folgen verschärfen sich dieser Prognose zufolge bei einer Durchdringung der Arbeitsprozesse nimmt in nahezu allen forcierten Digitalisierung. Unabhängig vom genauen Umfang Bereichen mit der Einführung neuer IT-Anwendungen immer des Beschäftigungsrückgangs erwarten alle einschlägigen weiter zu. Die vorliegende Studie hat anhand von drei Fallbeispielen Studien eine Verschiebung der Beschäftigten- und Qualifika- analysiert, wie sich die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung tionsstruktur durch die Anwendung digitaler Technologien. durch die Nutzung digitaler Kommunikations- und Interaktionska- Davon betroffen ist auch die öffentliche Verwaltung, mit einer näle mit Bürger_innen (kommunale Bürgerämter), die (Teil-) insgesamt reduzierten Nachfrage nach Berufen auf Helfer- und Automatisierung von Sachbearbeitungsaufgaben (Finanzver- Fachkraftniveau und einem steigenden Bedarf an hoch- waltung) und durch die Digitalisierung der Aktenführung qualifizierten Beschäftigten. (Jobcenter) verändert. Die Ergebnisse zeigen in Abhängigkeit Aufgrund dieser Folgen der Digitalisierung für die Arbeit von der Tätigkeit ganz unterschiedliche Auswirkungen der in der öffentlichen Verwaltung ergeben sich Gestaltungsnot- Digitalisierung auf die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung. wendigkeiten zu den Themen Arbeitsteilung von Mensch und Diese reichen von der Automatisierung von Arbeitsprozessen Technik, gesundes Arbeiten, Persönlichkeitsrechte und Daten- verbunden mit dem Wegfall von Tätigkeiten oder der Reduzierung schutz, orts- und zeitflexibles Arbeiten sowie bei der Sicherung einer ganzheitlichen Aufgabenerledigung, über den starken der Beschäftigungsfähigkeit und Anpassung an neue berufliche Anstieg des Anteils an Bildschirmarbeit mit damit einhergehenden Anforderungen durch Qualifizierung. körperlichen Belastungen sowie einer erhöhten Transparenz der Arbeit mit erweiterten Überwachungsmöglichkeiten bis hin zu mehr Optionen für orts- und zeitflexibles Arbeiten mit den ambivalenten Folgen von mehr Selbstbestimmung versus mehr Entgrenzung von Arbeit und Privatleben.
ÄMTER OHNE AKTENORDNER? WISO DISKURS 5 1 EINLEITUNG Ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst ebenso wie eine die Besteuerungsverfahren in Finanzämtern sowie weitere moderne und effektive öffentliche Verwaltung sind wesentlich geeignete Verwaltungsverfahren nahezu vollautomatisiert für das staatliche Handeln, für eine funktionierende Gesellschaft durch IT-Systeme, also ohne Zutun eines „Amtsträgers“, und damit auch wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche erledigt und entsprechende „Verwaltungsakte“ erlassen Wirtschaft in Deutschland. Wie im privaten Dienstleistungs- werden. sektor und im produzierenden Gewerbe macht der Einzug Diese Entwicklungen werden weitreichende Folgen für Arbeit digitaler Technologien zur Erbringung verschiedener Dienst- und Beschäftigung haben. Die Arbeitsorganisation, -inhalte leistungen auch vor dem öffentlichen Dienst nicht halt. und -anforderungen der Arbeitnehmer_innen und Beamt_innen Insbesondere für den Bereich der öffentlichen Verwaltungen werden sich angesichts einer zunehmend digitalen, flexiblen gab und gibt es eine Reihe politischer Initiativen und Gesetzes- und vernetzten Dienstleistungserbringung auch im öffentlichen reformen, die einerseits digitale Technologien nutzen, um das Dienst und der öffentlichen Verwaltung weiter grundlegend Verwaltungshandeln effizienter zu gestalten, und die andererseits wandeln. Dabei ist bisher noch nicht absehbar, ob für die über moderne Informations- und Kommunikationstechnologien Beschäftigten die Chancen oder Risiken überwiegen werden. Zugang zu Verwaltungsleistungen ermöglichen. Die unter Diese Studie analysiert die Digitalisierung im Bereich der dem Begriff „Electronic Government“ subsumierten digitalen öffentlichen Verwaltung ebenso wie die daraus resultieren- Verwaltungsprozesse und Onlineangebote sind dabei in ganz den Folgen für die dort Beschäftigten. Sie beginnt in Kapitel 2 unterschiedlichem Maße in den Verwaltungen auf Bundes- mit einer Darstellung der Entwicklung des E-Governments in und Landesebene sowie bei den Kommunalverwaltungen Deutschland und beschreibt den Status quo der Umsetzung implementiert. Sie reichen von der Onlinebeantragung digitaler Verwaltungsprozesse bei Bund, Ländern und Ge- amtlicher Urkunden, über die Auswahl von Wunschkennzeichen meinden. Die weitere Untersuchung digitaler Anwendungen der Kfz-Zulassungsstellen bis hin zur elektronischen Abgabe und ihre Folgen für die Arbeit der Beschäftigten erfolgt in der Steuererklärung. Um weitere Anwendungen elektronischer Kapitel 3 anhand von drei Fallstudien: zum Onlineangebot Verwaltungsprozesse zu ermöglichen und deren Benutzung kommunaler Bürgerdienste, zu automationsgestützten Steuer- zu forcieren, verabschiedete der Bundestag im Jahr 2013 das verfahren in der Finanzverwaltung sowie zur Digitalisierung „Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie der Aktenführung in Jobcentern der Bundesagentur für Arbeit zur Änderung weiterer Vorschriften (E-Government-Gesetz)“ und kommunaler Träger. Die Einführung neuer Technologien mit dem Ziel, „durch den Abbau bundesrechtlicher Hindernisse und Anwendungen hat nicht nur Folgen für die Arbeitsinhalte die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu und Prozesse, sondern kann sich auch auf die Anzahl der Arbeits- erleichtern“ (Deutscher Bundestag 2012: 2). Ein weiterer wichtiger plätze auswirken. Diese Effekte für die öffentliche Verwaltung Schritt zur Verwirklichung einer digitalen Verwaltung erfolgte und die dort Beschäftigten werden in Kapitel 4 dargestellt. mit dem 2017 verabschiedeten Onlinezugangsgesetz (OZG). Das Kapitel 5 gibt ein abschließendes Fazit und benennt die Es verpflichtet Bund und Länder, bis 2022 ihre Verwaltungs- zentralen Handlungsfelder für eine gute und sozial gerechte leistungen auch elektronisch über ein einheitliches Verwaltungs- Gestaltung digitalisierter Arbeit in der öffentlichen portal anzubieten. Während bisherige E-Government-Initiativen Verwaltung. primär auf das Onlineangebot von Verwaltungsleistungen und eine Effektivierung des Verwaltungshandeln ausgerichtet waren, wurden durch das in der Öffentlichkeit kaum beachtete „Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“ außerdem die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, damit das Verwaltungshandeln selbst durch digitalisierte Prozesse automatisiert erfolgen kann. Seit 2017 können beispielsweise
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 6 2 ENTWICKLUNG UND STATUS QUO DER DIGITALEN VERWALTUNG IN DEUTSCHLAND Die Entwicklung des E-Governments in Deutschland und der Datenverarbeitung einer „Verwaltungsinformatik“ zu einer aktuelle Stand bei der Umsetzung digitaler Verwaltungsprozesse nahezu durchgängig IT-basierten Bearbeitung von Verwaltungs- in Bund, Ländern und Gemeinden stehen im Vordergrund der prozessen vollzogen, wie er dem Leitbild des „Electronic folgenden Abschnitte. Ausgehend von den politischen Ziel- Government“ entspricht. setzungen wird analysiert, in welchen Bereichen die digitale Unter „E-Government“ wird die „Abwicklung geschäftlicher Durchdringung der öffentlichen Verwaltung schon vorangeschrit- Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten ten ist, wo Defizite bestehen, aber auch welche Maßnahmen (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikations- ergriffen wurden und wie erfolgreich deren Umsetzung ist. techniken über elektronische Medien“ verstanden (Lucke/ Reinermann 2000: 1). Dabei geht es sowohl um Government- Prozesse zwischen Verwaltung und Bürger_innen sowie Unter- 2.1 VON DER ELEKTRONISCHEN DATEN- nehmen, aber auch um die elektronische Abwicklung verwaltungs- VERARBEITUNG ZU DIGITAL VERNETZTEN interner Vorgänge. Seit Beginn der Diskussion und Umsetzung VERWALTUNGSPROZESSEN des E-Government-Ansatzes war die verstärkte IKT-Nutzung immer mit dem Ziel einer Modernisierung des Verwaltungshan- Die Digitalisierung der Arbeits- und Geschäftsprozesse in der delns verbunden. Bei der Digitalisierung der öffentlichen Ver- öffentlichen Verwaltung ist ein Thema, das so alt ist wie die waltung geht es also „nicht nur um eine reine ‚Elektrifizierung‘ Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) der bisherigen Aktivitäten“ (Prognos/Behörden Spiegel 2017: 4), in Betrieben und Unternehmen. Bereits seit den 1960er Jahren sondern auch um die „Transformation von Behördenstrategien beschäftigte man sich mit der Frage, welchen Beitrag die […] und Dienstleistungsmodellen“ (Capgemini Consulting o. J.: 2) elektronische Datenverarbeitung leisten könne, um die Geschäfts-, oder gar um eine „Neuerfindung der Verwaltung“ (Lenk/ Verwaltungs- und Arbeitsprozesse auch im öffentlichen Dienst Traunmüller 1999). Die Autoren des „Trendreports digitaler effizienter und besser zu gestalten (Genscher 1970; Lenk/ Staat“ gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie erwarten, Traunmüller 1999; Traunmüller/Lenk 2017). Der erste Schritt in dass im öffentlichen Sektor wie in der Privatwirtschaft mit der der sich entwickelnden „Verwaltungsinformatik“ war die Nutzung digitaler Technologien „die bisherigen Geschäfts- bzw. IT-gestützte Speicherung und automatisierte Verarbeitung Organisationsmodelle grundlegend infrage gestellt werden“ großer Datenmengen in zentralen behördlichen Rechenzentren. (Prognos/Behörden Spiegel 2017: 4). In den 1990er Jahren verbreitete sich der IT-Einsatz durch die Ob die Anwendung digitaler Technologien allerdings der computerbasierte Bearbeitung von Verwaltungsaufgaben. (alleinige) Schlüssel zu einer umfassenden Transformation der Neben Standardsoftware wurden dafür verwaltungsspezifische öffentlichen Verwaltung sein kann und die teilweise disruptiven Fachanwendungen der zentralen Rechenzentren in den Dienst- Veränderungen in der Wirtschaft durch neue digitale Geschäfts- stellen der öffentlichen Verwaltung genutzt. Ein Großteil der modelle auch auf den öffentlichen Sektor übertragbar sind, muss Verwaltungsaufgaben in Kommunen sowie Landes- und hinterfragt werden. Bereits in den Anfangsjahren der Diskussion Bundesbehörden wurde so durch den IT-Einsatz erfasst. Das um die verheißungsvollen Perspektiven des Electronic Governments Internet veränderte ab den 2000er Jahren die Digitalisierungs- wurde konstatiert, dass die formulierten Erwartungen an die konzepte in der öffentlichen Verwaltung nochmals umfassend positiven Wirkungen der IT-Nutzung im öffentlichen Sektor und führte zu einer weiteren Diffusion der IKT-Anwendung „inzwischen Dimensionen angenommen [haben], die eher von im öffentlichen Sektor. Ziel der IT- und Internetnutzung war Wunschdenken als von rationaler Analyse zeugen. Trotz nun die internetbasierte Kommunikation, die Vernetzung und interessanter Ansätze und einiger respektabler Erfolge ist Integration von Verwaltungsprozessen innerhalb und zwischen absehbar, dass sich viele der mit dem neuen Paradigma des den Behörden sowie im Kontakt mit den Bürger_innen. Damit E-Government verbundenen Hoffnungen nicht erfüllen werden. war ein wesentlicher Schritt von der elektronischen Es besteht sogar die Gefahr, dass die überzogenen Erwartungen
ÄMTER OHNE AKTENORDNER? WISO DISKURS 7 in Enttäuschung umschlagen und einer pauschalen Diskre- Abbildung 1 ditierung des E-Government Vorschub leisten“ (Winkel 2004). Hochgerechnete Aufwände und Einsparpotenziale Abstrahiert man etwas von den fast schon als verheißungs- für die TOP-60-Verwaltungsleistungen voll kommunizierten politischen Leitbildern einer digitalen Nutzer_innen Verwaltung gesamt Verwaltung und richtet stattdessen den Blick auf die mit der Digitalisierung im öffentlichen Sektor verfolgten Ziele, so sind Aufwand (in Mio. Euro) 6.327 2.146 8.473 diese zwar weitaus „handfester“, aber dennoch nicht weniger Aufwand nach Optimierung (in Mio. Euro) 4.123 1.445 5.568 Einsparpotenzial (in Mio. Euro) 2.203 701 2.904 ambitioniert und nicht immer frei von Widersprüchen. Das relatives Einsparpotenzial 34,8 % 32,7 % 34,2 % Regierungsprogramm des Bundes „Digitale Verwaltung 2020“ zielt beispielsweise zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes Quelle: Fromm et al. 2015: 77. auf ein effektives, transparentes, effizientes, barrierefreies, bürger- und unternehmensfreundliches Verwaltungshandeln (vgl. Bundesministerium des Innern 2014: 10). Die Verwaltung reduzieren, die Einsparung wäre aber in absoluten Werten mit soll damit schneller, partizipativer und beteiligungsfreundlicher 701 Millionen Euro pro Jahr eher gering. Den höchsten Anteil ausgestaltet werden. Es geht um die Verbesserung der Verwal- des Einsparpotenzials auf Nutzerseite dürfte vor allem bei tungsleistungen für die Bürger_innen, um mehr Bürgerbeteiligung, Unternehmen zu veranschlagen sein, die in weitaus intensiverem um Effektivität und Effizienz durch kürzere Bearbeitungszeiten Kontakt zur öffentlichen Verwaltung stehen als der/die „normale“ und bessere Dienstleistungen. Ähnlich ambitioniert formulieren Bürger_in, der/die im Durchschnitt nur zwei Mal pro Jahr in Beck et al. (2017) ihre Erwartungen an eine digitale Verwaltung: Kontakt zu Behörden tritt. Sie „kann die Bedürfnisse der Bürger und Unternehmen genauer Eine große Herausforderung bei der Etablierung digitaler bestimmen, zielgruppengerechte Angebote aufbauen und staatliche Verwaltungsangebote ist die föderale Struktur der Bundes- Ziele effektiver erreichen. Sie kann die eigene Auslastung republik mit ihrer Vielzahl unterschiedlicher Zuständigkeiten präziser prognostizieren und Ressourcen effizienter einsetzen. von Bundesbehörden, den Verwaltungen der 16 Bundesländer Sie kann Prozesse vereinfachen und Schnittstellen automatisieren. und der kommunalen Selbstverwaltung von rund 11.000 Sie kann Missbrauch staatlicher Leistungen mit intelligenter Städten, Gemeinden und Landkreisen. Diese Heterogenität Datenanalyse besser verhindern, präventive Maßnahmen erschwert durchgängige Entscheidungsprozesse und die zielgenau ausrichten. […] Insgesamt bietet die Digitalisierung Verständigung auf einheitliche IT-Standards. Um dennoch der deutschen Verwaltung die Chance, ihre vielfältigen Aufgaben eine bundesweit koordinierte Digitalisierung der öffentlichen zum Wohl von Wirtschaft und Gesellschaft besser zu erfüllen“ Verwaltung zu erreichen und die Zusammenarbeit zwischen (Beck et al. 2017: 11). Bund und Ländern im Bereich der IT rechtlich zu ermöglichen, Unstrittig ist ein wesentliches Ziel des E-Governments die wurde im Jahr 2010 der Art. 91c in das Grundgesetz eingefügt. höhere Effizienz des Verwaltungshandelns. Durch die Realisierung Die Bundesländer können dieser Grundgesetznorm zufolge digitalisierter Verwaltungsprozesse sollen Einsparpotenziale auf bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Nutzer- und Verwaltungsseite realisiert und Verwaltungsleistungen Aufgabenerfüllung benötigten informationstechnischen Systeme durch die Reduzierung von Bearbeitungszeiten verbessert werden. zusammenarbeiten, gemeinsame Standards und Sicherheits- Nach einer Evaluierungsstudie des Nationalen Normenkontroll- anforderungen festlegen und die informationstechnischen rats1 können durch die Nutzung von E-Government-Angeboten Systeme auch gemeinsam betreiben. Zur Ausführung des Art. für die TOP-60-Verwaltungsleistungen 34,2 Prozent der bisherigen 91c Grundgesetz wurde im gleichen Jahr ein IT-Staatsvertrag Kosten eingespart werden (siehe Abbildung 1). 2 Bei der Ver- vereinbart und auf dieser Grundlage der IT-Planungsrat als waltung selbst ließe sich ein Einsparpotenzial von 32,7 Prozent politisch-strategisches Steuerungsgremium für die Zusammen- gegenüber den bisherigen Kosten realisieren. Insgesamt beliefe arbeit von Bund und Ländern im Bereich der öffentlichen IT sich die Kosteneinsparung durch die Digitalisierung der genannten eingerichtet. Dieser hat den Auftrag, „die IT der öffentlichen Verwaltungsprozesse auf knapp 3 Milliarden Euro pro Jahr (vgl. Verwaltung durch koordinierte föderale IT-Planungen, Schaffung Fromm et al. 2015: 77). von IT-Standards und gemeinsam betriebene Anwendungen Der größte Teil davon liegt jedoch auf Nutzerseite und ergibt sicher, leistungsfähig, professionell und kostengünstig sich aus dem reduzierten zeitlichen Aufwand, der in Summe auszurichten“ (Bundesministerium des Innern 2017). Dem auf 2,2 Milliarden Euro veranschlagt wird. Auf Verwaltungsseite IT-Planungsrat gehören die IT-Beauftragten von Bund und ließen sich die Kosten zwar auch relativ (um rund ein Drittel) Ländern an, an den Sitzungen können beratend Vertreter_innen der Kommunen sowie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz 1 Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) ist ein von der Bundesregierung teilnehmen. Zur Umsetzung seines Auftrags hat der IT-Planungsrat bestelltes Beratungsgremium zum Bürokratieabbau in Deutschland mit Sitz in eine Nationale E-Government-Strategie beschlossen, die Berlin. Gemäß § 1 des Gesetzes zur Einsetzung eines Normenkontrollrats hat regelmäßig fortgeschrieben wird und aus den in Abbildung 2 dieser die Aufgabe, „die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Maßnah- dargestellten Zielen und Maßnahmen besteht. men auf den Gebieten des Bürokratieabbaus und der besseren Rechtsetzung zu unterstützen. Er prüft insbesondere die Darstellung des Erfüllungsaufwan- Auf Bundesebene sind Ziele und Maßnahmen zum E-Government des neuer Regelungen für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und öffentliche im Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“ beschrieben. Verwaltung auf ihre Nachvollziehbarkeit und Methodengerechtigkeit sowie Das Programm wurde 2014 beschlossen und bildet einen wichtigen die Darstellung der sonstigen Kosten der Wirtschaft, insbesondere für die Baustein zur Verwirklichung der „Digitalen Agenda 2014 – 2017“ mittelständischen Unternehmen“ ( vgl. Nationaler Normenkontrollrat o. J.). (vgl. Bundesministerium des Innern 2014). Es soll insbesondere 2 Bei den hier untersuchten TOP-60 Verwaltungsleistungen handelt es sich um die bei der Behördenrufnummer 115 am häufigsten nachgefragten die zügige und bundesweite Umsetzung des im Jahr 2013 Leistungen. verabschiedeten E-Government-Gesetzes befördern. Mit diesem
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 8 Abbildung 2 Nationale E-Government-Strategie Staatsziele und geltendes Recht Ziele der Nationalen E-Government-Strategie A B C D E Nutzen für Bürger_innen, Wirtschaftlichkeit, Informationssicherheit Transparenz und Zukunftsfähigkeit Unternehmen und Effizienz und und Datenschutz gesellschaftliche und Nachhaltigkeit Verwaltung Leistungsfähigkeit Teilhabe 1. Der Zugang wird allen 6. Prozessketten sind 9. Die Schutzmaßnahmen zur 12. Open Data und 14. Bund, Länder und potenziellen Nutzer_innen ebenenübergreifend und Gewährleistung der Informationsfreiheit Kommunen unterstützen eines Dienstes ermöglicht. kundenorientiert optimiert Informationssicherheit sind werden gefördert. Innovationsfähigkeit und 2. Der Zugang ist sowie durchgängig angemessen und 13. Die Partizipation von Veränderungsbereitschaft. barrierefrei, die Bedienung digitalisiert. verlässlich. Bürger_innen und 15. Inhalte, Basisdienst, nutzerfreundlich. 7. Die Zusammenarbeit von 10. Der technische und Unternehmen wird Anwendungen und 3. Die Nutzer_innen haben Bund, Ländern und organisatorische gefördert. Infrastruktur lassen sich einfachen und sicheren Kommunen erfolgt Datenschutz wird bündeln und wiederver- Zugang zur Verwaltung. regelmäßig IT-unterstützt. gewährleistet. wenden. 4. Verwaltungsangelegenhei- 8. Der Aufbau der IT ist 11. Das E-Government ist 16. E-Government leistet ten lassen sich über das angemessen modular und auch in Krisensituationen einen wichtigen Beitrag Internet abschließend einfach. funktionsfähig. zur ökologischen elektronisch erledigen. Nachhaltigkeit. 5. Die Verwaltung verfügt über Kompetenz im E-Government. Quelle: IT-Planungsrat 2016. Gesetz will der Bund den Aufbau digitaler Angebote erleichtern ausgehen würde, befinden sich demgegenüber noch immer in und zugleich rechtliche Barrieren, wie die Zulässigkeit elektronischer der Konzeptions- und Anlaufphase. Bei Fortsetzung dieses Nachweise und Authentifizierungsverfahren bei der Nutzung geringen Tempos wird Deutschland den Anschluss an die solcher Verwaltungsleistungen, verringern. Das E-Government- führenden E-Government-Nationen in Europa und außerhalb auf Gesetz des Bundes gilt für die Bundesverwaltung und die Ver- absehbare Zeit nicht erreichen – zum Unmut seiner Bürger und waltungstätigkeiten von Kommunen und Bundesländern, sofern Unternehmen“ (Nationaler Normenkontrollrat 2017: 36). sie als „Auftragsverwaltung“ Bundesgesetze vollziehen. Für die 19. Legislaturperiode von 2017 bis 2021 hat sich die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag vom Februar 2018 auf weitere Digitalisierungsschritte verständigt: So soll die durch 2.2 STAND DER DIGITALEN VERWALTUNG das „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungs- IN DEUTSCHLAND leistungen“ (Onlinezugangsgesetz) vom August 2017 normierte Verpflichtung zur Vernetzung aller Onlineangebote von Bund, Trotz der vielfältigen Initiativen und gesetzlichen Maßnahmen Ländern und Kommunen zu einem Portalverbund vorangetrieben der Bundesregierung sind die digitalen Verwaltungsangebote werden. Damit soll das Auffinden digitaler Leistungsangebote in Deutschland im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich vereinfacht und den Bürger_innen über ein einheitliches Nutzer- entwickelt. Im EU-Digitalisierungsindex für den Bereich digitale konto ein barriere- und medienbruchfreier Zugang 3 zu elek- Verwaltungsservices liegt Deutschland auf Platz 19, weit hinter tronischen Verwaltungsleistungen aller Behörden ermöglicht den hier führenden Ländern Finnland, Estland, Spanien, den werden. Niederlanden, Dänemark, Litauen und Schweden. Neben diesem Portalverbund werden Bund, Länder und Auch der Jahresbericht 2017 des Nationalen Normenkon- Kommunen durch das Onlinezugangsgesetz verpflichtet, bis 2022 trollrats weist auf die deutlich ausbaufähigen digitalen Verwal- alle hierfür geeigneten Verwaltungsleistungen über die Verwal- tungsangeboten hin: „Trotz wachsenden Problembewusstseins tungsportale anzubieten. Vom IT-Planungsrat als koordinierender in Politik und Verwaltung fällt die Digitalisierungsbilanz der 18. Legislaturperiode (2013 – 2017) insgesamt unzureichend aus. 3 Ein barriere- und medienbruchfreier Zugang zu elektronischen Verwal- Lediglich einfachere Vorhaben aus dem E-Government-Gesetz, tungsleistungen zielt auf online angebotene Verwaltungsleistungen, die wie z. B. die Einführung von De-Mail, Barrierefreiheit und auch für Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen nutzbar sind (z. B. vereinfachte Sprache, Option zur Schriftvergrößerung, Einsatz von elektronische Zahlungsverfahren konnten verwirklicht werden. Gebärdensprache, Vorlesefunktion) und die vollständig im Internet elek- Wichtige Teilprojekte des Regierungsprogramms, von denen ein tronisch genutzt werden können, ohne dass hierzu noch weitere Medien deutlich größerer Impuls für digitale Verwaltungsangebote wie z. B. Papierdokumente erforderlich sind.
ÄMTER OHNE AKTENORDNER? WISO DISKURS 9 Abbildung 3 EU-Digitalisierungsindex 2018 für den Bereich digitale Verwaltungsservices (E-Government) 70 60 53,88 48,83 50 40 30 20 in Prozent 10 0 FI EE ES NL DK LT SE AT IE LV MT PT FR EU BE GB CY LU SI DE BG IT SK CZ PL HR RO HU GR Quelle: Europäische Kommission 2018. Instanz wurden bisher 575 zu digitalisierende Leistungen (vgl. hier und im Weiteren Beck 2018). Manche Landesgesetze identifiziert.4 Wesentliche Leitlinie für die Auswahl der online normieren darüber hinausgehende Anforderungen an die anzubietenden Verwaltungsleistungen soll dem IT-Planungsrat öffentliche Verwaltung, wie beispielsweise die Einrichtung eines zufolge der hohe Nutzen für die Bürger_innen und Unternehmen landesweiten Verwaltungsportals und einer einheitlichen landes- sein – verwaltungsseitige Umsetzbarkeitsüberlegungen sollen weiten Bezahlplattform (Schleswig-Holstein), ermöglichen die bei der Auswahl nur eine nachgelagerte Rolle spielen (vgl. Einführung und Fortentwicklung elektronischer Verwaltungs- Stocksmeier/Sirko 2018: 15). Neben den verstärkten An- infrastrukturen, wie den einheitlichen Zugang zu allen Online- strengungen zur Realisierung eines umfassenden Online- Verwaltungsleistungen in Bayern5, schaffen die Voraussetzungen angebots von Verwaltungsleistungen sollen Initiativen für für eine über das bisherige Maß hinausgehende Bürgerbeteiligung mehr digitales Verwaltungshandeln künftig bereits auf der mittels elektronischer Verfahren (Nordrhein-Westfalen) oder gesetzgeberischen Ebene ansetzen. Alle bisherigen und erweiterte Möglichkeiten zur Akteneinsicht bei einer elektro- zukünftigen Gesetze werden gemäß den Vereinbarungen des nischen Aktenführung (Mecklenburg-Vorpommern). Die Koalitionsvertrags der Bundesregierung auf ihre Digitaltauglich- E-Government-Gesetze der Länder ermöglichen bei digitalen keit überprüft und sollen E-Governmentfähig gemacht werden. Verwaltungsverfahren die behördenübergreifende Zusammen- Auf Ebene der Bundesländer gibt es gleichfalls eine Reihe arbeit und gemeinsame Nutzung von IT-Infrastrukturen. Auch politischer Maßnahmen zur Förderung der digitalen Verwaltung. können die Bundesländer ihren Kommunen digitale Verwaltungs- In allen Ländern sind mittlerweile E-Government-Gesetze in infrastrukturen – sogenannte Basisdienste – für eine behörden- Kraft getreten, die sich auf die Landes- und Kommunalver- übergreifende Nutzung zur Verfügung stellen. Die bisher waltungen erstrecken und sich bei den Regelungsinhalten im angebotenen Dienste der Landesbehörden und insbesondere Wesentlichen am E-Government-Gesetz des Bundes orientieren die den Kommunen bereitgestellten Basisdienste genügen dabei aber nur ansatzweise den Anforderungen von medienbruchfrei zur Verfügung gestellten digitalen Verwaltungsleistungen. 4 Die online anzubietenden Verwaltungsleistungen wurden in sog. Sofern es sich nicht um Leistungen der Bundes- oder „Onlinezugangsgesetz(OZG)-Leistungen“ zusammenfasst. Die etwa 575 umzusetzenden OZG-Leistungen für Bürger_innen und Bürger sowie für Landesauftragsverwaltung (z. B. Sozialleistungen nach dem Unternehmen sind anhand von Lebens- und Geschäftslagen systematisiert. Sozialgesetzbuch, Einwohnermeldewesen nach Bundesmelde- Jedes dieser Lebens- bzw. Geschäftslagenpakete umfasst durchschnitt- gesetz) handelt, entscheiden die Kommunen im Rahmen der lich etwa zehn Verwaltungsleistungen. Die OZG-Leistungen für Bürger_innen kommunalen Selbstverwaltung eigenständig, inwiefern sie umfassen die Lebenslagen Familie & Kind (z.B. die Geburtsanzeige), Bil- dung (z.B. die Beantragung der Ausbildungsförderung BAföG), Arbeit gemeindliche Verwaltungsleistungen online anbieten. (z.B. die Einreichung der Einkommensteuererklärung) , Bauen & Wohnen Dementsprechend gibt es gerade auf der kommunalen Ebene (z.B. die Beantragung einer Baugenehmigung), Wohnen und Umzug (z.B. eine Vielfalt digitaler bzw. online angebotener Verwaltungs- die Wohnsitzmeldung), Engagement & Hobby (z.B. die Beantragung ei- leistungen und Dienste. Unterschiede zeigen sich bei online ner Ehrenamtskarte), Mobilität & Reisen (z. B. die Beantragung und Aus- stellung eines Anwohnerparkausweises), Gesundheit (z.B. die Anmeldung angebotenen Verwaltungsleistungen primär nach Gemeinde- bei der Krankenversicherung), Recht & Ordnung (z.B. Fundsachen), Ein- & größe. Kleine Gemeinden kommen mit einem umfassenden Auswanderung (z.B. die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis). Die on- Angebot digitaler Leistungen oft fachlich, finanziell und line angebotenen Leistungen für Unternehmen betreffen die Geschäftsla- personell an ihre Grenzen. Zudem führen die geringen Fall- und gen Unternehmensführung & -entwicklung (z.B. die Gewerbeanmeldung), Steuern & Zoll (z.B. die Umsatzwertsteueranmeldung), Forschung & För- Nutzerzahlen zu einem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis derung (z.B. die Patentanmeldung), Logistik & Transport (z.B. die Bean- digitaler Angebote, sodass Investitionen in digitale Angebote tragung einer Feinstaubplakette), Umwelt (z.B. einer Emmissionsgenehmi- in kleineren Gemeinden wirtschaftlich nur wenig sinnvoll gung), Bauen & Immobilien (z.B. die Beantragung einer Baugenehmigung), sind. Bei mittleren und insbesondere größeren Städten finden Recht & Ordnung (z.B. Durchführung Mahnverfahren). Weitere Infos zu den OZG-Leistungen finden sich unter www.it-planungsrat.de/DE/ITPla- nungsrat/OZG-Umsetzung/OZG_Umsetzung_node.html. 5 Vgl. hierzu www.freistaat.bayern.de.
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 10 sich einige digitale Leuchtturmkommunen, die bei der Digitali- Wenngleich bezüglich der vorhandenen Angebote und der sierung ihrer Leistungsangebote bereits weit vorangeschritten Nutzung durch die Bürger_innen noch Verbesserungsbedarf sind. Dabei reichen die Digitalisierungsstrategien weit über besteht, sollten die vorhandenen Defizite nicht darüber das eigentliche Verwaltungshandeln hinaus. In einigen hinwegtäuschen, dass die Geschäftsprozesse in der öffentlichen (größeren) Städten geht es zudem um die Entwicklung hin zu Verwaltung bereits weitgehend digitalisiert sind. Bei der einer „Smart City“, bei der Leistungen der Daseinsvorsorge Bewertung des E-Governments in Deutschland führt die wie Energie, Verkehr, Bildung, Umwelt digital vernetzt werden, starke Fokussierung auf das Vorhandensein von Onlineange- um daraus „intelligente“ Leistungen für Bürger_innen und boten für Bürger_innen möglicherweise „auf die falsche Fährte, Unternehmen zu entwickeln. wenn man die Bedeutung der Informatisierung für die Verwal- Trotz einiger innovativer Entwicklungen in Sachen Verwal- tungsarbeit und ihre Organisation ergründen will“ (Lenk tungsdigitalisierung in den Kommunen und der Vielzahl von 2011: 317). Die digitale Durchdringung der öffentlichen Ver- Onlineangeboten kleiner, mittlerer und großer Städte zeigt waltung zeigt sich auch an den IT-Ausgaben der öffentlichen sich insgesamt betrachtet ein ernüchterndes Bild: „eGovernment Hand in Höhe von 20 Milliarden Euro pro Jahr und an der ist noch nicht in der Fläche angekommen. Dies gilt insbesondere Feststellung, dass „die Arbeit bei einem Ausfall der IT in für den Kern einer wirksamen Umsetzung: der Bereitstellung nahezu allen Verwaltungsbereichen vollständig zum Erliegen medienbruchfreier Onlinedienste“, so das Fazit einer Analyse käme“ (Beck et al. 2017: 12). von gut 300 kommunalen Webportalen durch das Fraunhofer- Mit der Digitalisierung der internen Verwaltungsprozesse Kompetenzzentrum Öffentliche IT (Weber 2018: 178). Zu einer ist auch die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung zu einem ähnlichen Einschätzung gelangt auch der Leiter des Programm- hohen Anteil digitalisiert. Digitalisierte Arbeit wird verstanden bereichs „Digitalisierung“ des Deutschen Forschungsinstituts als Arbeit, die unter maßgeblicher Nutzung informations- und für öffentliche Verwaltung in einer Stellungnahme für den kommunikationstechnischer Arbeitsmittel (Computer) an Deutschen Bundestag: „In der Gesamtschau präsentiert sich Arbeitsgegenständen verrichtet wird, die als Informationen in die deutsche Verwaltung bisher vielmehr als umgekehrte digitalisierter Form vorhanden sind (vgl. Schwemmle/Wedde Digital-Pyramide: Das digitale Angebot ist tendenziell dort 2012: 12). Wie die Abbildung 4 zeigt, ist die Nutzung digitaler am schwächsten, wo der Leistungsbedarf am höchsten ist, Arbeitsmittel in der öffentlichen Verwaltung stärker verbreitet namentlich in den Gemeinden und in den Ländern […]. Der als im Dienstleistungssektor insgesamt. 63 Prozent aller Beschäf- Bund ist zahlreichen Ländern und vor allem den Kommunen tigten in der öffentlichen Verwaltung nutzen für ihre Arbeit in vielen Bereichen um einige Längen voraus, z. B. bei der elektronische Geräte, 61 Prozent arbeiten in softwaregestütz- Umsetzung der E-Akte und der Implementierung der ten Arbeitsabläufen, und 89 Prozent nutzen für ihre Arbeit E-Rechnung. Soweit digitale Angebote bestehen, zeichnet elektronische Kommunikationsmedien wie E-Mail. sich jedoch ein Trend ab: Immerhin 62 % der Bürger, denen die digitalen Angebote ihrer Kommune bekannt sind, sind mit Abbildung 4 ihnen auch zufrieden. Die Zustimmung ist höher als in den Ausmaß und Formen digitalisierter Arbeit – Dienstleistungssektor Vorjahren. Viele Bürger wissen um die in der Zwischenzeit und öffentliche Verwaltung im Vergleich aufgebauten digitalen Angebote der Verwaltung aber nicht. Das überrascht nicht vollständig: Die Deutschen haben durch- elektronische Kommunikation 72 % 89 % schnittlich nur wenige Behördenkontakte – ca. 1,7 sind es im Arbeit mit unterstützenden Jahr“ (Martini 2017; ipima/Initiative D21 2016). elektronischen Geräten 55 % 63 % 50 % softwaregesteuerte Arbeitsabläufe 61 % 2.3 ZWISCHENFAZIT: DIGITALISIERTE 34 % internetbasiertes, gemeinsames Arbeiten VERWALTUNGS- UND ARBEITSPROZESSE 33 % Arbeit mit computergesteuerten 16 % Maschinen, Robotern 12 % Die Entwicklung des E-Governments liegt bei Bund, Ländern und Gemeinden in vielen Bereichen noch hinter den politischen Dienstleistungssektor Zielsetzungen zurück. Trotz vieler Anstrengungen zeigt sich, dass öffentliche Verwaltung, Sozialversicherung, Verteidigung die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren ein komplexes Anteil von Beschäftigten, die mit den jeweiligen digitalen Anwendungen arbeiten Unterfangen ist und der Erfolg neben einer guten technischen Quelle: Roth 2017, eigene Darstellung. Realisierung und Anwendungstauglichkeit maßgeblich von der Akzeptanz und der Nutzung durch die „Kund_innen“ (Bürger_ innen und die Unternehmen) abhängt. Bei manchen Digitalisierungs- maßnahmen ist dies nicht immer erkennbar gewesen, Verwaltungs- Auch die Arbeitsgegenstände in der öffentlichen Verwaltung digitalisierung wurde zum Teil als Selbstzweck betrieben, ohne sind – zumindest was die Verwaltung im engeren Sinne Sinnhaftigkeit und Nutzen für die Zielgruppe zu berücksichtigen. anbelangt – im Wesentlichen Informationen, die in Die mangelnde Akzeptanz des elektronischen Personalausweises digitalisierter Form vorliegen. Das Verwaltungshandeln ist im in seiner derzeitigen Ausgestaltung ist ein Beispiel hierfür. Wenn Kern bereits heute hochgradig digitalisierte Informationsarbeit. ein Nutzen und Komfortgewinn für die Bürger_innen dagegen erkennbar ist, werden entsprechende Angebote digitalisierter Verwaltungsleistungen auch genutzt, wie das Beispiel der elektronischen Steuererklärung ELSTER zeigt.
ÄMTER OHNE AKTENORDNER? WISO DISKURS 11 3 DREI FALLSTUDIEN ZUR DIGITALISIERUNG IN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG Die fortschreitende digitale Durchdringung der Verwaltungs- Nach den Ergebnissen des E-Government-Monitors 2017 nutzen prozesse verändert die Arbeit in nahezu allen Bereichen der bisher die meisten Bürger_innen verschiedene online verfügbare öffentlichen Verwaltung. Aufgrund der großen Bandbreite von Informationen über Zuständigkeiten und Öffnungszeiten von knapp 6.000 Verwaltungsleistungen lassen sich verallgemei- Behörden. Rund ein Drittel der Bürger_innen, die das Internet nerbare Aussagen über die Folgen der Digitalisierung auf die nutzen, vereinbaren bereits Behördentermine online oder laden öffentliche Verwaltung insgesamt nur schwer treffen. Im sich Formulare für Behördengänge aus dem Netz. Doppelt so Weiteren werden anhand von Fallstudien drei Beispielen viele, nämlich gut 70 Prozent, wünschen sich solche Möglichkei- analysiert, wie sich verschiedene digitale Anwendungen bei ten. Die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist bei Behörden von Bund, Ländern und Kommunen auf die Arbeit der Beantragung von Verwaltungsleistungen am größten. der Beschäftigten auswirken. Gegenstand der Fallstudien sind Während zwischen 8 und 13 Prozent solche Angebote derzeit Verwaltungsleistungen für Bürger_innen (Onlineangebote von nutzen, wünschen sich 50 bis 60 Prozent der Internetnutzer_ kommunalen Bürgerdiensten), die Nutzung digitaler Technologien innen dies künftig zu tun (Initiative D21/fortiss 2017).6 für (teil-)automatisierte Verwaltungsleistungen und Arbeitsprozesse (automationsgestützte Steuerverfahren in Finanzämtern) sowie Abbildung 5 die Digitalisierung interner Verwaltungsverfahren (E-Akte in Nutzung von Online-Bürgerinformation und -diensten Jobcentern). Die Ergebnisse der Fallstudien basieren auf Expertengesprächen mit Mitarbeiter_innen und Personalrät_innen Informationen zu Zuständigkeiten/Kontakt- 67 % der jeweiligen Behörden (siehe dazu das Verzeichnis der Experten- daten/Öffnungszeiten auf der Internetseite 81 % meiner Kommune gespräche). Die ausgewählten Fallstudien analysieren beispielhaft Informationen zu kommunalen Freizeit- 58 % wichtige Teilbereiche des E-Governments bei Behörden, die bei angeboten online nachsehen 78 % der Nutzung dieser digitalen Anwendungen als Vorreiter gelten. 66 % Online-Terminvereinbarung Sowohl das Onlineangebot von Verwaltungsleistungen wie 72 % auch die (teil-)Automatisierung von Verwaltungs- und Arbeits- Informationen oder Formulare zur Vorberei- 36 % prozessen und die Einführung einer medienbruchfreien Bear- tung und Abwicklung von Behördengängen 74 % beitung von Verwaltungsverfahren durch die digitale Akten- 13 % Führungszeugnis beantragen führung wird in Zukunft auch weitere Behörden und Tätigkeiten 60 % umfassen. Insofern greifen die analysierten Fallbeispiele stellver- Urkunden online bestellen 11 % 52 % tretend relevante digitale Anwendungen auf, die auch in anderen Bereichen und Tätigkeiten künftig zum Einsatz kommen und Infrastruktur-/Mängelmelder nutzen 8% 61 % nachhaltige Auswirkungen auf die Arbeit der dort Beschäftigten haben werden. nutze ich will ich künftig nutzen 3.1 BÜRGERDIENSTE IN DER Quelle: Initiative D21/fortiss 2017. KOMMUNALVERWALTUNG 3.1.1 ONLINEANGEBOTE FÜR BÜRGER_INNEN Um dem Ziel einer digitalen Verwaltung näherzukommen, 6 Die Ergebnisse basieren auf einer Repräsentativbefragung der Ini- fokussieren sich viele E-Government-Initiativen auf das Online- tiative D21 (Initiative D21/fortiss 2017) unter Internetnutzer_innen in angebot von Leistungen für Bürger_innen und Unternehmen. Deutschland und umfassen somit 90 Prozent der Bürger_innen.
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 12 Erklärtes politisches Ziel der Bundesregierung ist es, zur Zu den wichtigsten, auch quantitativ bedeutsamsten kommunalen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes bis 2022 insgesamt 575 Verwaltungsleistungen im Bereich der Bürgerdienste zählen Verwaltungsleistungen für Bürger_innen und Unternehmen die Meldevorgänge beim Wohnungswechsel sowie die Bean- digital zur Verfügung zu stellen. Weniger konkret ist jedoch die tragung und Ausstellung von Ausweis- und Reisepassdoku- angestrebte Leistungstiefe der im Internet angebotenen menten. Doch gerade in diesem Bereich scheitern Online- Verwaltungsleistungen. Diese kann von der allgemeinen angebote in der Regel an den rechtlichen Vorgaben, wie uns Information über die Leistung, Anschrift und Öffnungszeiten der ein Gesprächspartner aus ——— zuständigen Behörde, über die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme der Verwaltung einer „Wenn ich eine Anmeldung mit der Dienststelle bis hin zur Onlinebeantragung und -abwicklung deutschen Großstadt durchführe, muss der Kunde bzw. -bereitstellung der Leistung erfolgen. Letztere Form einer berichtet: „Wenn ich eine immer noch selbst kommen.“ Onlinetransaktion wäre beispielsweise die Onlinebeantragung Anmeldung durchführe, einer Verwaltungsleistung, die dann von der Behörde vollständig muss der Kunde immer noch selbst kommen, weil wir seinen digitalisiert abgewickelt oder das gewünschte „Produkt“ als Pass oder Personalausweis fortschreiben müssen, also da macht digitales Dokument online bereitgestellt wird (vgl. Hunnius et al. es wenig Sinn, so etwas über Portale zu lösen. Gleichfalls die 2015: 8). Beantragung von Reisepässen oder die Beantragung von Eine Studie von Bogumil et al. (2017) zur Situation von Personalausweisen, da ist immer noch das persönliche Bürgerämtern in deutschen Städten zeigt, dass diese zwar Erscheinen des Kunden erforderlich. Insofern ist das so ein Informationen zu den Bürgerdiensten im Internet anbieten, bisschen von den rechtlichen Voraussetzungen nicht ganz so teilweise Formulare online zur Verfügung stellen oder die glücklich gelöst“ (KO-2, Absatz 18). Wenngleich der Wunsch elektronische Beantragung der Verwaltungsleistung ermöglichen. nach einer Onlineerledigung von Einwohnermeldeangelegen- Die vollständige Onlineerledigung und Bereitstellung der heit hohe Priorität bei den Bürger_innen hat, ist die bei einem Leistung ist jedoch in der Regel nicht möglich, sodass der Wohnungswechsel erforderliche Um- und Anmeldung bei der Gang zur Behörde weiterhin erforderlich ist (vgl. Bogumil et zuständigen Gemeinde in Deutschland bis dato nicht online al. 2017: 25). Diese geringe Angebotstiefe kommunaler möglich. Erschwert wird ein internetbasiertes Meldeverfahren Bürgerdienste, die sich meist auf Onlineinformationen unter anderem auch durch gestiegene Nachweispflichten in beschränkt, wird auch durch unsere Expertengespräche Form einer schriftlichen Meldebestätigung des Vermieters/der bestätigt.7 Vermieterin, die seit der Verabschiedung des Bundesmelde- Ein Mitarbeiter im Bürgerbüro einer deutschen Großstadt gesetzes im Jahr 2015 der Meldebehörde vorzulegen ist. berichtete hierzu: „Bis jetzt, also aus meiner Erfahrung gibt es Damit sollen Scheinanmeldungen verhindert werden. Zwar (Onlineangebote) nur im Klein-Klein. [...] ist bei uns halt noch kann die Bestätigung auch elektronisch übermittelt werden, alles so in den Kinderschuhen, bei einer Änderung der Meldeadresse ist aber weiterhin zur ——— zumal ja auch kommunale Identitätsüberprüfung das persönliche Erscheinen bei der „Bis jetzt, also aus meiner Dienstleistungen ja meistens Meldebehörde erforderlich. Erfahrung gibt es (Onlineange- auch viel komplizierter und Die Beantragung verschiedener Nachweise und Beschei- bote) nur im Klein-Klein.“ komplexer sind, und auch wir nigungen wie Meldebestätigungen oder Führungszeugnisse haben auch so viele unterschiedliche Dienstleistungen, die mit können mittlerweile online beantragt werden. Allerdings ist einem relativ hohen Aufwand verbunden wären, wenn man hierzu eine eindeutige Identifizierung des Antragstellers/der diese digitalisieren wollte“ (KO-1, Absatz 50). Dieser Antragstellerin über eine qualifizierte elektronische Signatur, Praxisbefund deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie für ein De-Mail-Konto oder über den elektronischen Personalausweis den nationalen Normenkontrollrat aus dem Jahr 2015, in der bzw. bei Ausländer_innen der elektronische Aufenthaltstitel die Autoren feststellen: „Zwar kommt innerhalb der Ver- notwendig. Solche Authentifizierungsverfahren sind derzeit waltung diverse IT-Unterstützung zum Einsatz, doch aber kaum verbreitet. Einen elektronischen Personalausweis Bürgerinnen und Bürgern bleibt der Weg zum Amt in der inklusive des erforderlichen Lesegeräts beispielsweise haben Regel nicht erspart. Bislang sind in der Fläche fast nur deutlich weniger als fünf Prozent der Bürger_innen (vgl. Informationsangebote vorhanden. E-Government als Initiative D21/fortiss 2017). „Und das sind natürlich Quoten, medienbruchfreies, vollständig digitales Transaktions- und wo man jetzt nicht freudestrahlend sagen kann, wir bieten Interaktionsangebot zur ganzheitlichen Abwicklung von jetzt etwas an, aber es kann ——— Verwaltungsverfahren gibt es de facto nicht: Die Hälfte der keiner nutzen im Moment. „Wir bieten jetzt etwas an, aber es untersuchten Kommunen stellt jeweils nicht mehr als zwei Die Diskussion mit den kann keiner nutzen im Moment.“ Online-Dienste zur Verfügung“ (Fromm et al. 2015). neuen Personalausweisen, auch zehn Jahre nach der Einführung fehlt es bundesweit an 7 Im vorliegenden Fallbeispiel liegt der Fokus auf dem Onlineangebot Einsatzmöglichkeiten und das spiegelt sich natürlich auf der von Bürgerdiensten in den Kommunen. Dabei werden auf Basis von Ex- kommunalen Seite wider“ (KO-2, Absatz 20). pertengesprächen mit Mitarbeiter_innen und Vorgesetzten kommunaler Eine rechtssichere und für die Bürger_innen gleichzeitig Bürgerdienste, Beschäftigten in EDV-Abteilungen von Kommunen sowie Personalratsmitgliedern die Umsetzung und vorhandene Barrieren digi- praktikable Authentifizierung ist die wichtigste Voraussetzung taler Bürgerdienste dargestellt und die Auswirkungen auf die Arbeit der für ein weiterreichendes Angebot und die Nutzung von online Beschäftigten analysiert. Die Expertengespräche wurden mit Beschäftig- angebotenen Bürgerdiensten der Kommunen. Ist dies gewähr- ten von drei Kommunen unterschiedlicher Größe geführt. Darunter befin- leistet, können nach Einschätzung unserer Gesprächspart- den sich zwei Großstädte mit rund 610.000 Einwohner_innen (KO-1) und 360.000 Einwohner_innen (KO-2) sowie eine Kreisstadt mit 60.000 Ein- ner_innen auch einige Bürgerdienste online angeboten und wohner_innen (KO-3). abgewickelt werden: „Wenn es eine Vereinheitlichung in
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