ARBEITSLOSE UNTER DRUCK - 2 Euro - Arge für Obdachlose
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Arge für Obdachlose Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten APRIL 2022 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis 2 Euro ARBEITSLOSE UNTER DRUCK
IMPRESSUM LESERBRIEFE UND REAKTIONEN Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur Brief für den Autor ohne Hoffnung sehr vernünftig. Er sparte alles und arbeitete Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich weiter im elterlichen Betrieb mit. Der jüngere als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen. Liebes Kupfermuckn-Team, ich bin eine lang- Sohn war ein abenteuerlicher Genosse und Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben jährige Leserin Ihrer tollen Zeitung! Nun hat zog mit dem Geld hinaus in die Welt. Er ver- dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge- mich der Leitartikel, in dem Betroffene aus ihrer prasste alles und führte ein Leben in Saus und schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach- Zeit im Gefängnis berichten, sehr nachdenklich Braus. Nach einiger Zeit ging ihm das Geld lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion. gestimmt und betroffen gemacht. Besonders fol- aus. Er hatte nichts mehr und schämte sich. Es gende Aussage eines anonymen Autors: »Noch blieb ihm aber nichts anderes über, als zu sei- Redaktion Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020 heute befinde ich mich in diesem Teufelskreis, nem Vater zurückzukehren, wenn er nicht ver- Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob- habe keine Perspektiven und kaum mehr Hoff- hungern wollte. Und wissen Sie, wie der Vater dachlose.at, www.kupfermuckn.at nung, dass sich mein Leben nochmals zum Bes- reagierte? Das ist der Knackpunkt der Ge- Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos: seren wendet.« Das hat mich mitten ins Herz schichte. Er stellte keine Fragen. Er fragte Heinz Zauner (hz), Chefredakteur getroffen. Denn es ist eine Sache unter schwieri- nicht, wo er gewesen war oder wo das Geld Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion gen Bedingungen leben zu müssen, aber noch hin war. Als der Vater seinen Sohn sah, rannte Christian Wögerbauer (cw), Redaktion Katharina Krizsanits (kk), Vertrieb, Layout etwas anderes gar keine Hoffnung mehr zu ha- (!) er ihm entgegen. Er umarmte und küsste ben. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, dass Sie ihn. Er weinte vor Freude. Sein Sohn war zu- Redakteure: Anna Maria, August, Christine, Claudia, dem Autor etwas weitergeben, aber ich bitte Sie rückgekommen. Das war alles, was zählt. Helmut, Heinz, Hermann, Johannes, Leo, Manfred F., Manfred R., Manfred S., Sonja, Ursula, Walter; hiermit trotzdem darum: Dann gab es eine Riesenparty. Titelfoto (hz): Manfred arbeitet im Trödlerladen Lieber Autor, ich habe Ihre Geschichte in der Auflage: 25.000 Exemplare Was ich damit sagen will? aktuellen Ausgabe der Kupfermuckn gelesen Bankverbindung und Spendenkonto und sie hat mich sehr berührt. Sie hatten wirk- Es ist nie zu spät zurückzukehren. Und es gibt Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz lich schwierige Lebensumstände, und vor al- nichts, was nicht vergeben werden kann. Und, IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L lem für den Tod Ihres geliebten Bruders dass es immer Grund zur Hoffnung gibt. Falls Ausgabe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck möchte ich Ihnen mein aufrichtiges Beileid Sie an Gott glauben, möchte ich Ihnen sagen, Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel- aussprechen. Ich weiß, wir kennen uns nicht, dass Gott für Sie da ist und mit Ihnen, und punkt in Oberösterreich haben, können sich Montag bis Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei den Ausgabestellen aber nachdem Sie geschrieben hatten, dass Sie dass er Ihnen entgegenläuft. Falls Sie nicht an melden und erhalten einen Verkäuferausweis. 50 Pro- kaum mehr Hoffnung haben, dass sich Ihr Gott glauben (was ich total verstehen könnte), zent des Verkaufspreises verbleiben den Verkäufern. Leben nochmals zum Besseren wendet, hatte möchte ich, dass Sie wissen, dass ich in Ge- Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel., ich das dringende Bedürfnis, Ihnen zu schrei- danken mit Ihnen bin und für Sie. Sie können 0732/770805-19 ben. Als Mensch und als Christin möchte ich mich gerne persönlich kontaktieren. Ich würde Soziales Wohnservice Wels, E 37, Salzburgerstraße 46, Ihnen sagen: Wir dürfen trotz allem immer mich sehr freuen, von Ihnen zu hören! Ich 4600 Wels, Tel. 07242/290663 Verein Wohnen Steyr, B 29, Hessenplatz 3, 4400 Steyr, hoffen. Wenn Sie gestatten, möchte ich noch merke gerade, dass meine Mail ziemlich lang Tel. 07252/50 211 eine Geschichte aus der Bibel mit Ihnen teilen geworden ist, und ich hoffe, dass es nicht zu Verein Wohnungslosenhilfe Mosaik, Gmundner Straße (von mir leicht abgeändert): Die Geschichte verrückt klingt. Aber es war mir einfach ein 102, 4840 Vöcklabruck, Tel. 07672/75145 des verlorenen Sohnes. Ein Vater hatte zwei Bedürfnis, auf diese berührende Geschichte in Medieninhaber und Herausgeber Söhne. Als sie erwachsen waren, erhielten sie Ihrer Kupfermuckn-Zeitschrift zu antworten. Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit- ihren Erbanteil und konnten mit dem Geld Danke und euch allen herzliche Grüße, zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11, 4020 Linz, www.arge-obdachlose.at machen, was sie wollten. Der ältere Sohn war Katrin Pointner International Die Kupfermuckn ist Mitglied beim »International Network of Street Papers« INSP Achten Sie bitte auf den Verkaufsausweis www.street-papers.com Liebe Leserinnen und Leser! Bitte kaufen Sie die Kupfermuckn ausschließlich bei Verkäuferinnen und Verkäufern mit sichtbar getra- genem und aktuellem Ausweis. Nur so können Sie sicher sein, Stadlbauer dass auch wirklich die Hälfte des Ertrages der Zielgruppe zu Gute Claudia kommt: Wohnungslosen und Menschen, die in Armut leben und Verkäuferausweis 2022 ihren Lebensmittelpunkt in Ober österreich haben. 2 04/2022
Wenn AMS-Leistungen gestrichen werden Betroffene berichten über ihren Kampf um die existentielle Absicherung Sperren vom AMS machen mein und meiner Betreuungs-Person weiterleiten. nicht auskennen. An dieser AMS-Stelle sind Ich weiß jedoch nicht einmal, wer für mich die Mitarbeiter übrigens ausgesprochen schweres Leben noch schwerer zuständig ist. Meine Bitte wurde jedendoch freundlich und hilfsbereit! Jedenfalls suchte ignoriert. Und so bekomme ich nur Vorschläge ich dort nach Jobs und war dann wieder im Als AMS-Kundin ist meine Situation nicht von Jobs, bei welchen man entweder viel ste- Krankenstand. Da bekam ich genau dieses Jo- besonders gut: Ich hatte einen schmerzhaften hen oder schwer schleppen muss. Abermals bangebot. Sicherheitshalber rief ich beim Bandscheibenvorfall, der zweite kündigt sich rief ich beim AMS an und fragte, ob irgend- AMS an und sagte, dass ich mich bei diesem bereits an. Außerdem gehöre ich mit meinen wer Zeit für mich und meine Anliegen hat, Arbeitgeber nicht melden könne, da ich krank 53 Jahren bereits zum »alten Eisen«. Letztens und ob die Betreuungs-Person überhaupt sei. Damals lag ich im Bett, da ich nicht ein- brachte ich den Befund zum AMS, mit der schon einen Blick in meine Befunde und die mal mehr gehen konnte vor lauter Schmerzen. Bitte, er möge mir angemessene Jobvor- MRT-Bilder geworfen hat. Kurz darauf wurde Ich kam dann zweieinhalb Wochen in die Ner- schläge anbieten. »Ich kann weder lange ste- ich zum ersten Mal gesperrt. Erst später erfuhr venklinik wo ich Physiotherapie, Strombe- hen noch schwer heben«, erklärte ich ihm. ich den wahren Grund. Angeblich deshalb, handlungen, Infusionen und Arztgespräche »Ein abwechslungsreicher Job, wo man ge- weil ich mich bei einem Bäckermeister nicht bekam. Gegen Ende der Behandlung wurde hen, sitzen und auch ein wenig stehen kann, gemeldet hatte, was jedoch nicht der Wahrheit ich infiltriert. Kurz darauf wurde ich erneut wäre für mich optimal«, fügte ich hinzu. »Wir entspricht. Ich fahre sogar immer zur Außen- gesperrt. Diese Sperre wurde dann zwar vom werden das Beste für Sie tun«, sagte der Herr. stelle des AMS am Bahnhof in Linz, damit mir AMS wieder zurückgezogen, aber auch nur Er werde meine Bitte schriftlich festhalten jemand bei der Jobsuche hilft, sollte ich mich deshalb, weil ich ihnen gesagt habe, dass ich 04/2022 3
mich an eine Zeitung wenden werde. Es hat nicht lange gedauert, und ich wurde wieder gesperrt. Ich hatte nicht länger die Kraft, wie ein David gegen Goliath anzukämpfen. Ich zog dann um, und bat das AMS, mir eine zweiwöchige Pause zu gewähren, da es auch mit der Post nicht funktionierte. Aber irgend- wie wurde auch diese Bitte nicht zur Kenntnis genommen. Obwohl die Dame am Telefon sagte: »Kein Problem, wir werden es Ihrer Betreuerin bekannt geben.« Und was pas- sierte? Ich wurde wieder gesperrt. Nun sitze ich da ohne Einkommen. Ich muss nicht nur mich, sondern auch noch mein Kind und zwei Katzen versorgen. Nicht einmal einen Aktiv- pass kann ich bekommen, geschweige denn, etwas zu Essen. Leider bin ich kein Einzelfall. Ich habe Geschichten von Menschen gehört, die sind noch schlimmer dran. Ich würde gerne arbeiten gehen. Es sollte jedoch ein Job sein, der meine Rückenschmerzen nicht noch schlimmer macht. Wenn man vom AMS zwei- mal gesperrt wird, dann wird man beim dritten Aktion am Taubenmarkt zum Tag der Arbeitslosen, Foto: Bischöfliche Arbeitslosenstiftung Mal abgemeldet und ist nicht mehr versichert. Bei mir lauten nun die Bedingungen: Erst 28 Tage arbeiten, dann kann ich wieder um das Tag der Arbeitslosen am 30. April Arbeitslosengeld ansuchen. Nicht versichert sein heißt, nicht mehr zum Arzt gehen dürfen, keine Medikamente mehr bekommen, die ich Den Tag der Arbeitslosen am 30. April rauf«. Ein degressives Arbeitslosengeld leider regelmäßig brauche. Ich bin am Rande braucht es so dringend wie in den vergan- löst nicht die Probleme bei der Arbeitssu- der Verzweiflung. Es ist ein furchtbarer Teu- genen Jahren. Auch wenn viele offene che. Die Zuverdienstmöglichkeit durch felskreis, ein Alptraum, in welchem ich mich Stellen gemeldet sind, gibt es doch nicht eine geringfügige Beschäftigung muss er- befinde. Hoffentlich wird alles irgendwann für jede/n Arbeitssuchende/n einen pas- halten bleiben. wieder gut. Maria senden Arbeitsplatz. Ein Beitrag von Die komplette Sperre von Arbeitslosengeld Christian Winkler – Geschäftsführer der oder Notstandshilfe ist eine existenzbedro- »Bischöflichen Arbeitslosenstiftung«. hende und menschenunwürdige Bestrafung Dank eines Kurses über das AMS und muss daher abgeschafft werden. bin ich wieder voller Hoffnung Die Arbeitslosenversicherung mehr auf Langzeitarbeitslosigkeit erfordert mehr in- menschliche Bedürfnisse auszurichten, dividuelle Beratung oder einen existenzsi- Die letzten Monate waren anstrengend, da ich muss ebenso Ziel der anstehenden Reform chernden Arbeitsplatz in gemeinnützigen, die Chance wahrgenommen habe, wieder auf sein, wie die Arbeitslosigkeit tatsächlich auf sozialökonomischen Betrieben oder eine dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Jeden Frei- ein unvermeidbares Ausmaß zu reduzieren. – bis zu hundert Prozent – geförderte Be- tag und Samstag musste ich wieder die Schul- Es ist besser, Beschäftigung zu finanzieren, schäftigung in öffentlichen oder gemein- bank drücken. Ich machte die Ausbildung frei- als Arbeitslosigkeit. nützigen Einrichtungen. willig, und das auch nur deswegen, dass ich Arbeitslosen Menschen Unwilligkeit zu un- Junge Menschen mit schlechteren Schul- vom AMS endlich meine Ruhe habe. Vor zwei terstellen, ermöglicht Maßnahmen wie de- zeugnissen haben kaum Chancen in Aus- Monaten habe ich den theoretischen Teil der gressives Arbeitslosengeld, Zuverdienst ab- wahlverfahren für Lehrstellen, auch wenn Ausbildung positiv abgeschlossen. Wir hatten schaffen, Zumutbarkeitsbestimmungen ver- nun mehr offene Lehrstellen gemeldet auch genug Zeit zum Vorbereiten und die not- schärfen etc., mit dem Ziel einer Erhöhung sind. Für alle jungen Menschen bis 25 wendigen Unterlagen hierzu. Wieder zu ler- des Drucks auf Arbeitssuchende zu diskutie- Jahre braucht es einen garantierten Ausbil- nen, das war für mich eine ziemliche Umstel- ren. Das Menschenbild in der politischen dungsplatz damit sie einen Berufsab- lung, zumindest auf eine Prüfung. Doch ich und öffentlichen Diskussion muss geändert schluss oder zumindest eine Teilqualifizie- schaffte es und bin froh darüber, zu wissen, und den betroffenen Menschen wieder eine rung erreichen können. dass ich noch nicht ganz zum »alten Eisen« Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben gehöre. Nach einem Praktikum möchte ich in ermöglicht werden. Die zentralen Forderun- Die Aktionsgemeinschaft veranstaltet heuer dem noch sehr jungen Beruf als »Alltagsbe- gen dabei sind: am 29. April eine Kundgebung, bestehend gleiterin« Fuß fassen. Das Land Oberöster- aus arbeitslos.selbstermächtigt, Arbeitslosen- reich hat dieses Berufsbild im vorigen Jahr ins as Arbeitslosengeld soll dauerhaft auf D stiftung AUGE, Caritas, KAB, ÖGB-OÖ, So- Leben gerufen, damit Menschen mit besonde- mindestens 70 Prozent des Letztbezuges lidarwerkstatt, Sozialplattform, Volkshilfe, ren Bedürfnissen und Beeinträchtigungen angehoben werden. Dazu gibt es Anfang u.a. Nähere Informationen unter www.ar- mehr Unterstützung bekommen. Ich hoffe, Mai das Volksbegehren »Arbeitslosengeld beitslosenstiftung.at dass ich bald durchstarten kann. Sonja 4 04/2022
Ich beschloss, mich nicht zu äußersten Fall, also wenn das AMS der Mei- Ich konnte über das AMS nung wäre, dass die »Arbeitswilligkeit« auf fürchten, jedenfalls nicht zu sehr Dauer zu wenig oder gar nicht gegeben ist, einen Staplerschein machen steht auch die Option einer dauerhaften Ein- Corona, die Pandemie mit all den einschnei- stellung des Bezugs samt Versicherung im Mit 57 Jahren ist es sehr schwer, eine Arbeit denden Veränderungen auch in der Wirt- Raum. Ja, diese Rute wurde mir bereits ins zu finden. Ich bin ein Langzeitarbeitsloser, schafts- und Arbeitswelt (Stichwort: »Kurzar- Fenster gestellt. Soll ich mich jetzt fürchten? wenn man das so sagen kann. Circa vier Jahre beit« im Lockdown, Stichwort: »Härtefall- Ich habe beschlossen, mich von nun an nicht war ich jedoch tatsächlich nochmals in einem Fonds« und »Ausgleichszahlungen«) ist lang- mehr zu fürchten. Das AMS – so fair muss Beschäftigungsverhältnis. Eigentlich bin ich sam vorbei, die Entwicklung der Wirtschaft man sein – kennt nicht nur Druck und Sankti- gelernter Fliesenleger. Diesen Beruf habe ich geht wieder sehr nach oben. Demzufolge sind onen, es kennt auch Wohltaten, die es einem jedoch niemals ausgeübt, trotz Gesellenprü- auch auf dem Arbeitsmarkt wieder viele Jobs angedeihen lässt, wenn man nur kooperiert. fung. Nach der Lehre bin ich einfach auf und ausgeschrieben, und so sinken auch die Ar- Im Augenblick stehe ich so beispielsweise im davon gegangen. Ich war Schausteller, Kü- beitslosen-Zahlen. Das ist natürlich eine große Genuss einer solchen »Wohltat«: Ich darf über chengehilfe und einige Winter lang Liftwart in Chance auch für Langzeit-Arbeitslose wie das »bfi« an einem dreimonatigen »Job-Coa- Tirol. 1995 wurde ich obdachlos und soff lei- mich. Auf der anderen Seite jedoch steigt auch ching« teilnehmen. Eine sehr nette Dame der bereits wie ein Loch. So stand ich bald da, ohne Erspartes. Außer der Schaustellerei konnte ich keine Arbeit mehr ausüben. Da bekam ich jedoch nur einen Mindestlohn. Für eine Wohnung reichte es auf keinen Fall. Doch »Das Arbeitslosengeld soll dauerhaft dann ging es bergauf in meinem Leben: Im Jahr 2005 habe ich dann den Kupfermuckn- auf mindestens 70 Prozent des Letztbezuges Verkauf als zweite Einnahmequelle entdeckt. angehoben werden.« Christian Winkler Auch im Trödlerladen bekam ich die Chance, beim Übersiedeln mitzuhelfen. Über das AMS machte ich dann den Staplerschein. Und über der Druck, den das Arbeitsmarkt-Service und nimmt sich da meiner liebevoll an. Das ist den Sozialverein B37 bekam ich 2008 einen (möglicherweise auch bald – über Gesetzes- sehr wohltuend und beruhigend, und so habe Platz in einer betreuten Wohngemeinschaft. änderungen) die Bundesregierung auf Men- ich einen guten Grund, doch zumindest für 2009 machte ich einen Alkoholentzug in Bad schen, die aktuell nicht in einem Dienstver- diese Zeit mit ihr – und halt dann auch mit Hall und blieb viele Jahre trocken. Einmal hältnis stehen wieder deutlich an. Den ver- dem AMS – zu kooperieren (und mich nicht hatte ich noch einen Rückfall. Der liegt sieben schärften Druck vom AMS her habe ich selbst wieder gleich abzumelden). Eine weitere Jahre zurück. Von 2013 bis 2014 bekam ich jetzt auch schon mitbekommen: Der von mir »Wohltat«: Es gibt seit heuer in Oberöster- eine Anstellung als Küchengehilfe und dann über die Jahre immer wieder geübten Praxis, reich einen neuen Beruf, der nennt sich »All- einen sicheren Job als Lagerarbeiter. Nach mich nur eine oder maximal zwei Wochen im tagsbegleiterIn«. Zu diesem neuen Beruf gibt Corona war ich kurz arbeitslos. Ich suchte Monat beim Arbeitsmarkt-Service als »jobsu- es auch eine Ausbildung, die das Land Ober- wieder weiter. Derzeit arbeite ich über das chend« zu melden, soll anscheinend ein Rie- österreich bezahlt. Dieser Beruf – und die FAB als Küchengehilfe in der »offenen Kan- gel vorgeschoben werden. Das AMS sieht Ausbildung – hat nun mein echtes Interesse tine« in Urfahr. Gandhi diese meine Praxis als »vermittlungserschwe- geweckt. Ich möchte diese dreimonatige Aus- rend« an, und mir wurde schon angekündigt, bildung gerne machen und habe mich auch dass bei jeder zukünftigen Wieder-Abmel- schon zu einem entsprechenden Info-Abend Derzeit bin ich nicht vermittlungs- dung geprüft würde, ob der Grund dafür nicht angemeldet. »Werma schaun, vielleicht wird fähig, da ich zu instabil bin in der Verweigerung einer anstehenden Ar- das was?« Ich danke auf jeden Fall den Mitar- beitsaufnahme besteht. In dem Fall könnte beitenden des AMS, dass es nicht nur Druck Insgesamt bin ich trotz meines Alters, ich bin dann auch eine Sperre nach Paragraph zehn und Sanktionen, sondern auch »Wohltaten« erst 29 Jahre alt, seit 14 Jahren immer wieder (wieder acht Wochen) verhängt werden. Im und Chancen für mich über hat. Johannes Klientin des AMS. Für einen Außenstehenden 04/2022 5
klingt das wahrscheinlich nicht besonders er- baulich. Wer jedoch meine Lebensgeschichte kennt, mit all den Misshandlungen, der nickt vielleicht verständnisvoll. So haben das AMS und ich schon eine lange Geschichte mitein- ander. Unterschiedliche Kurse und Pro- gramme habe ich dort schon absolviert wie etwa der »Wiedereinstieg ins Berufsleben«. Ich habe zwar fünf Mal hintereinander eine Lehre begonnen, diese jedoch nie abgeschlos- sen. Das liegt nicht daran, dass ich etwa faul oder dumm wäre. Ich habe bloß keine Kraft, etwas über einen längeren Zeitraum durchzu- ziehen. Meine unverarbeiteten Kindheitstrau- mata blockieren alles in meinem Leben. Mein AMS-Betreuer meinte letzthin, ich sei psy- chisch instabil. Das hat er richtig erkannt. In diesem Zustand hätte wohl kein Chef Freude, mich zu sehen. Derzeit beginne ich mit dem »Stand-Up«, einem Programm des Vereins Promente. Das erspart mir nun den Weg zum AMS. Leider habe ich nur einen Pflichtschul- abschluss. Was wird wohl die Zukunft mit sich bringen? Jasmin Auch für meine Betreuer ist es Drohende Streichung des Zuverdienstes zum AMS-Geld nicht einfach, mich zu vermitteln Manfred (54 J.) erhält ein Arbeitslosen- Durch die Unterstützung bei der Existenzsi- Ich war bis ins Jahr 2005 mit großer Freude geld von 717 Euro im Monat. Im »Tröd- cherung – wie sie in der Tagesstruktur der am Bau tätig. Dieser Beruf war einfach groß- lerladen« des Vereines Arge für Obdach- Wohnungslosenhilfe des Landes OÖ vorge- artig. Leider wurden mein Kreuz und meine lose gibt es die Möglichkeit der tageweisen sehen ist –, konnte er wieder eine eigene Knie immer schlechter. Schließlich wurden Beschäftigung für wohnungslose Men- Wohnung finden und nun auch wieder den meine Beschwerden so massiv, dass ich meh- schen in Oberösterreich. Diese können bis Zugang zum Arbeitslosengeld erhalten. rere Monate in den Krankenstand musste und zur Geringfügigkeitsgrenze (im Jahr 2021 nicht mehr am Bau arbeiten konnte. Beim sind das 475,86 Euro im Monat) zum Ar- Keine Chance ohne Trödlerladen AMS war man sehr um mich bemüht. Ich be- beitslosengeld dazuverdienen. kam Schulungen, doch leider keinen Job. Es Ohne die Unterstützung durch den Trödler- kam so weit, dass man mir am AMS mitteilte, Manfred absolvierte die Hotelfachschule in laden wäre Manfred dauerhaft aus allen so- ich soll um die Pension ansuchen. Ich dachte, Bad Leonfelden und war 24 Jahre im Gast- zialen Sicherungssystemen gefallen und so das sei unmöglich, da ich doch noch so jung gewerbe beschäftigt. Neun Jahre leitete er in der Obdachlosigkeit geblieben. Nun war. Doch schließlich stellte ich einen Antrag. selbständig Lokale in Salzburg. Eine Schei- macht er eine Ausbildung an der FH St. Pöl- Nach einem halben Jahr wurde mir die I-Pen- dung, Rückgang der Geschäftszahlen und in ten zum Sozialarbeiter und hofft so, am Ar- sion für ein Jahr zugesagt. Das Jahr verging. der Folge ein Burnout warfen den Gastrono- beitsmarkt wieder eine Chance zu erhalten. Dann wieder dieselbe Prozedur: Ansuchen men aus der Bahn. Zur Überwindung des Eine Beschäftigung im Gastgewerbe kann er und Untersuchungen. Wieder bekam ich die Burnouts ging er ins Franziskanerkloster in – wie oben beschrieben – nicht mehr anneh- I-Pension für zwei Jahre. Danach beschlossen Salzburg und blieb dort einige Jahre. Als men. 51 Prozent (im Jahr 2020) der tage- die Herren von der PVA, ich sei wieder ar- seine Mutter im Jahr 2017 pflegebedürftig weise Beschäftigten im Arge-Tröderladen beitsfähig. Für mich nicht nachvollziehbar, wurde, kam er zurück nach Linz und mel- leben von AMS Geldleistungen (Arbeitslo- nach einem fünffachen Bandscheibenvorfall dete sich wieder arbeitssuchend. In die Gas- sengeld, Notstandshilfe) und nutzen die Zu- und dem Glasauge, welches ich seit dem tronomie wollte er wegen der Arbeitsum- verdienstmöglichkeit. Die Tagesstruktur sechsten Lebensjahr habe. Neuerdings spielt stände, die ihn in ein Burnout brachten und stellt einen wichtigen Bereich der Woh- auch mein rechtes Auge nicht mehr mit. Nun der Angst vor der Suchterkrankung nicht nungslosenhilfe dar. Gemeinsam gelingt stehe ich wieder vor den Toren des AMS. Es mehr zurück. Es wurden ihm aber nur Stel- dann sehr oft die Integration im Bereich ist mühsam und peinlich. Nun mache ich fünf len im Gastgewerbe angeboten. So meldete Wohnen und somit oft auch im Bereich Be- Eigenbewerbungen pro Woche und bekomme er sich zeitweise vom AMS-Bezug ab und schäftigung am ersten Arbeitsmarkt. So immer Absagen. Auf jeden Fall möchte ich an landete sogar in der Obdachlosigkeit. Unter- kann der Teufelskreis: »Keine Arbeit, keine dieser Stelle den Angestellten vom AMS, die stützung erhielt er schließlich im Arge Tröd- Wohnung – keine Wohnung, keine Arbeit« bis jetzt für mich zuständig waren, einmal in lerladen, bei dem er tageweise bis zur Ge- immer wieder durchbrochen werden. Foto aller Deutlichkeit sagen, dass ich ihre Arbeit ringfügigkeitsgrenze dazuverdienen kann. und Text: hz sehr zu schätzen weiß. Hermann 6 04/2022
AMS-Leistungs-Sperren mit fatalen Folgen Sozialarbeiter von WIEWO des Vereins Arge für Obdachlose fordern mehr Verhältnismäßigkeit Die Sozialarbeiter von WIEWO äußern den dringenden Wunsch nach mehr Ver- hältnismäßigkeit und einer besseren Zu- Reaktion der begleitenden Sozialar- sammenarbeit zwischen Behörden und So- beiter und Sozialarbeiterinnen: zialarbeit. Die nachfolgenden Fälle skizzie- ren, wie schmerzhaft AMS-Leistungssper- »In der Beratung erleben wir solche Bei- ren sein können. Die davon betroffenen spiele wöchentlich«, konstatiert Wolfgang Klienten werden derzeit alle von WIEWO Heller, Sozialarbeiter von WIEWO. begleitet und leben in Übergangswohnun- Grundsätzlich könne man davon ausgehen, gen in Linz. dass niemand freiwillig wohnungslos ist. Die Hilfesuchenden wünschen sich nichts Herr G. 62 Jahre lieber, als ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. »Viele Klienten haben soziale Herr G. war in der Notschlafstelle Linz unter- Defizite und sind psychisch sehr belastet. gebracht und bewohnt seit kurzem eine Über- Sie haben oft lange keinen fixen Platz, wo gangswohnung. Laut eigenen Angaben hat er nat keine Miete bezahlen. Logischerweise ist sie sich um ihre Angelegenheiten küm- seine Adressenänderung nach dem Umzug te- er auch nicht fähig, seine Grundbedürfnisse mern können«, ergänzt der Sozialarbeiter. lefonisch beim AMS bekannt gegeben. Eine aus eigener Kraft zu befriedigen. Auch er Im Fall von Herrn G. oder Herrn H. lässt es Termin-Information wurde jedoch an die Not- läuft Gefahr, gleich wieder wohnungslos zu sich nicht mit Sicherheit nachvollziehen, schlafstelle geschickt, welche Herr G. somit werden! bei wem der Fehler gelegen ist. Herr F. und nicht erhalten hat. Auf unsere Anfrage beka- Herr K. hätten schlichtweg eine Verpflich- men wir zu Antwort, dass er seine Adresse Herr H. 23 Jahre tung nicht geschafft. Die Folgen für alle nicht geändert hat. Als Folge wurde er als sind nicht nur verhältnismäßig hart, son- »AMS suchend« abgemeldet und sein An- Herr H. hat während der Phase seines Einzugs dern existenzbedrohend! spruch auf Sozialhilfe wurde gestrichen. in die Übergangswohnung einen Beratungs- termin telefonisch angenommen und auf einen Forderungen von WIEWO: Folgen: Herr G. hatte mindestens zwei Wo- Anruf gewartet. Wie es sich herausstellte, chen kein Einkommen. Er wurde beim AMS hätte er aber anwesend sein sollen. Ein Gutha- Falls es tatsächlich notwendig ist, restrik- wieder neu angemeldet und musste einen ben auf seinem Handy war nicht vorhanden. tive Maßnahmen zu setzen, wäre es sehr neuen Sozialhilfe-Antrag inklusive einer Be- So hat er sich leider erst zu spät beim AMS hilfreich, dies gestaffelt zu tun und nicht schwerde gegen die Einstellung Mitte Jänner gemeldet und nachgefragt, warum sich nie- gleich mit voller existenzbedrohender eingebringen. Dieser wurde noch nicht bear- mand gemeldet hat. Härte zu bestrafen. So könnte zuerst ein- beitet. Somit hat Herr G. seit Jänner 2022 kein mal eine Verwarnung ausgesprochen wer- Einkommen mehr. Er muss jedoch seine Miete Folgen: Zwei Wochen AMS-Sperre und ein den, bevor es zu einer mehrwöchigen bezahlen und läuft nun wieder Gefahr, erneut Monat kein Geld für Essen und Grundversor- Sperre der Leistungen kommt. Weiters wohnungslos zu werden. Aus eigener Kraft gung. wäre es – systemisch betrachtet -, sehr hilf- kommt er derzeit nicht durch. Wie das Ganze reich, wenn die Behörden näher mit den ausgeht, ist ungewiss! Herr K. 47 Jahre vorhandenen Sozialarbeitern und Sozialar- beiterinnen zusammen arbeiten würden. Herr F. 41 Jahre Herr K. bewohnt schon seit einiger Zeit eine So könnten diese etwa bei Problemen ver- Übergangswohnung. Er hat eine Bewerbung ständigt werden und als unterstützendes Herr F. war bis vor kurzer Zeit noch woh- übersehen und ist dieser somit nicht nachge- Bindeglied zwischen den Behörden und nungslos. Nun lebt er in einer Übergangswoh- kommen. dem Klientel agieren, was für beide Seiten nung. Im Zeitraum seiner Übersiedlung hat er positive Auswirkungen haben könnte. aufgrund seiner Wohnungslosigkeit eine Be- Folgen: Sechs Wochen AMS-Sperre! Er kann »Aktuell ist die Realität leider so«, betont werbung übersehen und es nicht geschafft, mindestens einen Monat seine Miete nicht be- Heller, »dass wir im Auftrag der OÖ Lan- dieser fristgerecht nachzukommen. zahlen. Auch ihm droht erneut die Gefahr, desregierung unsere Klienten dabei unter- wohnungslos zu werden. Es wird mindestens stützen sollen, wieder ein aktives Mitglied Folgen: Sechs Wochen AMS-Sperre! Ein- drei Monate dauern, bis er seinen Mietrück- unserer Gesellschaft zu werden und die spruch abgelehnt! Herr F. ist gerade in die stand beglichen hat. In diesem Zeitraum ist er strengen Maßnahmen der Behörden (letzt- Wohnung eingezogen und um Stabilisierung aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage, endlich der Politik) selbigen Versuch kon- bemüht, kann jedoch mindestens einen Mo- seine Grundbedürfnisse selbst zu befriedigen! terkarieren.« Text: WIEWO 04/2022 7
Hilfreiche Begleitung zu Ämtern und Behörden Neues Projekt des »Unabhängigen LandesFreiwilligenzentrums« in Kooperation mit der Armutskonferenz Mit dem neuen Projekt »Mitgehen« bietet das Unabhängige LandesFreiwilligenzentrum hilfreiche Begleitung an. (Foto: dieziwi.at) »Mitgehen« ist ein Projekt der gewünscht, der mich begleitet. Armutskonferenz, des »Unab- Doch das war nicht möglich, da hängigen LandesFreiwilligen- oft keiner Zeit hatte, oder ich zentrums« und der Plattform mich geschämt habe, jemanden »Gemeinsam gegen Armut und zu bitten damit er mich begleitet. Ausgrenzung«. Solche Erfahrungen zeigen, dass es für alle Seiten positive Auswir- Viele Menschen, die in prekären kungen haben kann, wenn Men- Lebenslagen sind, erleben oft Si- schen in schwierigen Lebenslagen tuationen, in denen sie sich ab- bei derartigen Gängen begleitet wertend und auch ungerecht be- werden. Eine Begleitperson wirkt handelt fühlen. Termine auf Äm- oft deeskalierend und gibt der be- ter und Behörden, aber auch bei gleitenden Person das Gefühl der Ärzten, in Krankenhäusern oder Sicherheit. Viele Betroffene haben bei Gutachtern können ein Gefühl aber nicht die Möglichkeit, bei so- der Beschämung auslösen, das an zialen Einrichtungen oder Peers Betroffenen nicht spurlos vorü- eine Begleitung anzufragen. Darü- bergeht. Diese Erfahrungen füh- ber hinaus führen prekäre Lebens- Ablauf bei ULF ren zu Stress und gesundheitli- lagen häufig zur sozialen Isola- chen Belastungen. Viele Men- tion, wodurch es auch an Freunden Wie kommt man zu einer Begleitung? schen, die zum Beispiel durch oder Bekannten fehlt, die man 1. Betroffene geben dem »Unabhängigen LandesFreiwilligen- Arbeitslosigkeit, Armut oder eine diesbezüglich um Unterstützung zentrum« (ULF) persönlich, telefonisch oder per E-Mail ihren sichtbare Behinderung benachtei- bitten könnte. Mitgeh-Wunsch bekannt: Termin, Dauer, Zweck, Treffpunkt, ligt sind, machen häufige und an- Ich selber habe die Erfahrung des Kontaktdaten für Rückfragen. dauernde Beschämungserfahrun- Begleitens gemacht. Ich bot 2. Der Mitgeh-Wunsch (Termin, Ort, Treffpunkt und Zweck) gen. Freundinnen an, sie zu Stellen zu wird von ULF an die Freiwilligen ausgeschrieben. Auch ich muss sagen, dass ich begleiten, wo sie sich nicht aus- 3. Ein Freiwilliger meldet sich für die Begleitung des Termins mich oft nicht sehr wohl gefühlt kannten oder einfach Angst hat- an. ULF bestätigen dem Freiwilligen und der Person mit habe, wenn ich als Bittstellerin ten vor dem nächsten Termin, da Mitgeh-Wunsch Termin und Treffpunkt. wieder einmal zum Amt musste. sie zuvor beschämt wurden. Al- 4. Treffpunkt ist maximal eine Stunde vor dem Termin an einem Meistens wurde ich beschämt mit leine durch meine Anwesenheit konsumfreien Ort. Betroffene haben so die Möglichkeit, den den Worten: »Was wollen Sie wurde mit den Frauen oftmals an- Freiwilligen zu schildern, was ihnen bei der Begleitung be- denn schon wieder hier« konfron- ders umgegangen. Die Menschen, sonders wichtig ist und in welcher Form sie sich eine Unter- tiert. Na, was wohl, wenn ich die gegenübersaßen wurden stützung erwarten. Auch die Freiwilligen können anhand ei- beim Sozialamt war? »Geld na- freundlicher und wir hatten nicht ner von ULF zur Verfügung gestellten Checkliste Fragen türlich, das ich brauchte, um mein mehr so ganz das Gefühl eines stellen. Leben einigermaßen bestreiten zu ungeliebten Bittstellers. 5. Gemeinsam geht‘s zum Termin. können.« Oder im Krankenhaus, Darum startete das Projekt »Mit- 6. Im Anschluss wird das Gespräch noch kurz gemeinsam re- als ich noch keine E-Card hatte: gehen«, bei dem Freiwillige Be- flektiert. Ich kam mir vor, als wäre ich ein troffene zu Ämtern, Gesundheits- Patient dritter Klasse, obwohl es einrichtungen, Schulen, Vermie- ULF ist das Kompetenzzentrum für freiwilliges Engagement in das ja anscheinend schon lange tern, Arbeitgebern und vielem OÖ. Es motiviert Menschen dazu, freiwillig tätig zu sein und nicht mehr gibt. Ich hätte mir zu mehr, was benötigt wird, beglei- begleitet sie bei ihrem Engagement. dieser Zeit oft einmal jemanden ten. Text: Sonja 8 04/2022
Crashkurs -Technik Im Rahmen des Kulturprojekts »Street Art – Soziale Randgruppen ins Bild setzen«, einer Initiative des Förderprogramms »LINZim- PULS 2021«, haben die Aktivisten von Mural Harbor gemeinsam mit der Kupfermuckn einen Workshop zum Thema »Stencil-Tech- nik« angeboten. Mit großem Engagement und Kreativität wurden in der Schablonen-Technik, welche u.a. durch den Künstler Banksy bekannt geworden ist, kleine Kunstwerke geschaffen. Der Work- shop war ein weiteres Puzzle-Teil eines umfangreichen Projektes, das in den kommenden Wochen und Monaten mit weiteren Aktio- nen fortgesetzt wird. Fotos: cw
Solidarität mit wohnungslosen Menschen 1.100 Menschen in Wohnungsnot finden beim Verein »Arge für Obdachlose« Unterstützung Die fünf Projekte des Vereines »Arge für Obdachlose« bieten Un- terstützung durch Hilfe zur Beschäftigung und Hilfe zum Wohnen Hilfe durch Beschäftigung im Arge Trödlerladen in Linz sowie Delogierungsprävention im Mühlviertel an. Trotz der Der Trödlerladen schlägt drei Fliegen auf einen Schlag. Es gibt Be- schwierigen Arbeitsbedingungen im zweiten Corona-Jahr fanden schäftigung für Wohnungslose, wir tun etwas für den Umweltschutz 1.100 Menschen Hilfe in akuter Wohnungsnot. Wichtig war für uns in Linz, und wir bieten ein günstiges Warenangebot für sozial benach- der Schutz der oft gesundheitlich angeschlagenen Klienten, aber teiligte Menschen an. Im Jahr 2021 arbeiteten 166 Personen im Tröd- auch der Schutz der Bevölkerung. Es wurden tausende Masken lerladen mit. Diese konnten 35.957 Stunden beschäftigt werden. Bei verteilt und mehrere Impftermine mitorganisiert. Dadurch konn- 105 Haus- und Wohnungsräumungen und knapp 300 kleineren Abho- ten sogenannte »Cluster« in der Wohnungslosenhilfe weitgehend lungen wurden sehr viele Möbel, Elektrogeräte, Geschirr, Kleidung vermieden werden. So konnten unsere Hilfsangebote alle aufrecht und anderer Hausrat abgeholt und ins Lager in die Goethestraße 93 erhalten werden, denn auch die Wohnungslosigkeit kennt keinen gebracht und wieder in den Warenkreislauf geschickt. Dort wurden Lockdown. Durch die großzügige Unterstützung der Bevölkerung die Waren sortiert. Vieles wurde wiederverwendet, was ansonsten auf unsere Spendenaufrufe konnten wir viele Wohnungslose in einfach entsorgt worden wäre. Nach der Aufbereitung in unseren Existenznöten unterstützen. Dafür herzlichen Dank. Werkstätten wurden viele Möbel, Elektrogeräte, Geschirr, Textilien und Bücher in die Geschäftslokale Goethestraße 93 und Bischofstraße 7 gebracht und dort zum Kauf angeboten. Somit bieten wir ein güns- tiges, breit gefächertes Warenangebot an. Trotz der Schließzeiten des Geschäftes während des Lockdowns konnten wir vielen Menschen eine Beschäftigung geben. Markus (46) arbeitet im Trödlerladen Seit zwei Jahren arbeitet Markus im Trödlerladen meistens drei halbe Tage in der Woche. »Hauptsächlich gibt es Arbeit bei Wohnungsräu- mungen, aber auch in der Möbelhalle, beim Recycling oder in der Elek- trowerkstatt«, erzählt Markus: »Da ich in der Landesfeuerwehrschule früher eine Schadstoffausbildung absolviert habe, bin ich einmal in der Woche bei der Sondermüllsortierung eingeteilt. Vom Putzmittel bis zu Altlacken fallen verschiedene gefährliche Stoffe bei den Wohnungsräu- mungen an, die sortiert und über die Linz AG entsorgt werden müssen. Bei den Entsorgungsfahrten holen wir auf der Rückfahrt Elektrogeräte wie etwa die Waschmaschinen oder Herde ab, die wir reparieren, über- prüfen und günstig an Bedürftige abgeben. Ich bin gelernter Koch, war dann aber auch fünf Jahre bei einer Bestattung tätig. Ich war verheiratet und hatte ein geregeltes Leben. Nach der Scheidung und einer neuerli- chen Beziehung, die nicht lange hielt, zog ich nach Wien. 17 Jahre lang arbeitete ich mal hier, mal dort und war gerade vier Monate arbeitslos, als ich nach Linz zog. Bei meinem Freund Robert konnte ich vorüber- gehend wohnen. Er arbeitete bereits im Trödlerladen, und so kam ich auch zu meiner Beschäftigung. Besonders hat mir geholfen, dass ich dadurch auch zum Projekt Wieder Wohnen kam und im August vorletz- ten Jahres in eine Übergangswohnung ziehen konnte. Mit dem Arbeits- losengeld komme ich nicht aus, aber mit dem Zuverdienst vom Trödler- laden kann ich relativ bescheiden leben. Wegen eines Bandscheibenlei- dens kann ich als Koch nicht mehr einen ganzen Tag lang in der Küche stehen. Ich könnte mir vorstellen, wieder im Bereich Bestattung oder als Straßenbahnfahrer zu arbeiten. In der Zwischenzeit bin ich über die Arbeit im Trödlerladen froh. Das Leitungsteam ist für die Leute da, und man kann mit jedem Anliegen kommen. Wenn man sich bewährt, dann Oben: Team Trödlerladen: Gerhard Gahleitner, Stefan Ortmayr, Matthias Öhler, Birgit Hinter- gibt es auch verantwortungsvollere Aufgaben. In letzter Zeit war ich bei berger, Manuel Wiesinger, Hans Hattmannsdorfer, Johannes Kaser, Sabine Mair der 2-G-Kontrolle an den Verkaufstagen eingeteilt und über die WieWo Unten: Beschäftigung für Markus bei einer Wohnungsräumung, Fotos: Arge Trödlerladen spare ich gerade auf die Kaution für eine eigene Wohnung an.« 10 04/2022
sich heraus, dass sie trotz langjähriger Tätigkeit als Kellnerin und guten Arge Sie: Beratung und Wohnen für Frauen Deutschkenntnissen in Wort und Schrift, die Voraussetzungen für eine Der Verlust einer Wohnung heißt für viele Frauen nicht nur auf der Anmeldung bei Genossenschaftswohnungen nicht erfüllte. Grund dafür Straße zu stehen, sondern auch den Schutz und die Sicherheit, die eine war das fehlende A2-Sprachzertifikat. Glücklicherweise konnten wir eigene Wohnung bietet, zu verlieren. Besonders belastend ist ein Woh- Frau K. und ihren beiden Kindern eine Übergangswohnung vermitteln. nungsverlust für alleinerziehende Frauen und Schwangere, da sie die an Im Zuge der Intensivbegleitung wurde gemeinsam mit der Klientin ihre sich selbst gesetzten Erwartungen, ein sicheres zu Hause für sich und wirtschaftliche, soziale, gesundheitliche und persönliche Situation auf- ihre Kinder zu bieten, nicht erfüllen können. Auch die Altersarmut ist gearbeitet. Dazu zählten unter anderem auch die Organisation und ein besonders hervorstechendes weibliches Schicksal auf Grund der Kostendeckung der Sprachprüfung. Um die erlebte Gewalt aufzuarbei- gegenüber Männern um 42 Prozent niedrigeren Pension bei Frauen. Im ten, wurde Frau K. das Angebot einer kostenlosen Psychotherapie auf- Jahr 2021 konnten wir 181 Frauen mit unserem Angebot erreichen. Wir gezeigt. Beruflich will sie sich verändern, da die Arbeitszeiten in der bieten Unterstützung, einerseits durch Beratung und andererseits durch Gastronomie für die alleinerziehende Mutter eine nicht zu bewälti- Intensivbegleitung in neun Übergangswohnungen an. Unser Angebot gende Herausforderung sind. Sie möchte eine Umschulung zur Pflege- umfasst Klärung, Information und Hilfestellung bei der Wohnungs- so- helferin machen. Frau K. ist bereits mit dem AMS und mit einer Impla- wie Arbeitssuche, bei finanziellen und sozialen Angelegenheiten, psy- cement-Stiftung in Kontakt. So blickt sie zuversichtlich in die Zukunft. chischen und gesundheitlichen Problemen und bei der Weitervermitt- lung an andere soziale Einrichtungen. Darüber hinaus vergeben wir Meldeadressen, damit die Frauen gesetzliche Ansprüche geltend ma- chen können und so eigenständiges Wohnen mit diesem Schritt der Existenzsicherung erst realistisch wird. Frau K. »Ich habe mich so geschämt« Angst, Hilflosigkeit, Verzweiflung, keine Zukunftsperspektiven, so lässt sich die Gefühlslage von Frau K. beschreiben, als sie zu uns in die Beratung kommt. Sie ist Mutter von zwei kleinen Kindern im Alter von zwei und vier Jahren. Bis im Frühjahr letzten Jahres lebte sie mit ihrem Mann in einer 80 m² Wohnung. Dann verlor er den Job. Die dadurch aufkommenden Existenzängste versuchte er mit Alkohol zu verdrän- gen. Es kam vermehrt zu Streitigkeiten. Schließlich rastete er aus, zog sie an den Haaren und schlug sie das erste Mal. Sie war völlig perplex, dass ihr das alles passiert. Sie schämte sich und fühlte sich völlig hilflos und ohnmächtig. Seit diesem Vorfall kam es regelmäßig zu körperlicher Gewalt, Abwertungen und Beschimpfungen. Als Frau K. diese Situa- Oben: Arge Aktivprogramm – Besuch in der Indoor-Galerie von Mural Harbor, Foto: dw tion nicht mehr länger ertragen konnte, flüchtete sie mit ihren Kindern Unten: Team Arge Sie: Melanie Wagner, Marlene Babila, Karin Falkensteiner, Foto: hz und lediglich zwei Koffern zu einer Freundin. In der Beratung stellte 04/2022 11
Team WieWo: Isabella Gabauer, Wolfgang Heller, Lisa Wölfel und Marianne Huber, Foto: hz aufrecht zu halten. Weiters waren 60 Männer durchschnittlich drei bis sechs Monate bei uns nach dem Meldegesetz gemeldet. Wir beraten diese in Fragen der Existenzsicherung, rechtliche Ansprüche und unterstützen sie bei der Suche einer Wohnmöglichkeit und bei der Wohnungsfinanzie- rung. Die Gründe, warum man wohnungslos wird, sind sehr unterschied- lich und vielfältig: Verlust von Arbeit, Trennung oder Scheidung, psychi- sche oder physische Erkrankungen, mangelnde soziale Kontakte, feh- lende finanzielle Ressourcen, Mietrückstände oder Delogierungen. Meist spielen mehrere Faktoren zusammen. Durch die Betreuung fühlte sich alles nicht mehr so schwer an. Kalte Nächte, sinnlose Tage, soziale Isolation und Zukunftsängste. So beschreibt der 35-jährige Herr J. seine Zeit in der Wohnungslosigkeit. „Als ich zur WieWo in die Beratung bin, war ich schon seit Monaten ohne Wohnung. Die Nächte verbrachte ich in Notschlafstellen, die Tage Arge »Wieder Wohnen« für Männer in Tageszentren. Ich war umgeben von vielen Menschen, vielen Proble- men und wenig Perspektiven. Dies verstärkte auch mein Suchtverhal- 2021 fanden 160 wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte ten. Für mich war der Kontakt zur Arge WieWo die einzige Möglich- Männer Unterstützung. Dazu führten wir 107 Erstgespräche inklusive keit, wieder gesellschaftlich Fuß zu fassen. Es dauerte nicht lange, und Beratung, Information und Vermittlung. 49 Männer konnten im Rahmen ich konnte bald in meine Übergangswohnung ziehen. Damals bezog ich unserer mobilen Wohnbetreuung begleitet werden. Im Jahr 2021 standen noch AMS-Geld. Um mein Einkommen zu verbessern, arbeite ich ein uns 21 Übergangswohnungen vom »Verein Wohnplattform« und zwei paar Mal die Woche im Arge Trödlerladen mit. Als besonders positiv vereinsinterne Wohnungen zur Verfügung. Die Männer, die in diese Woh- möchte ich die Betreuung der Sozialarbeiter nennen. Sie halfen mir, nungen einziehen, werden durch regelmäßige Gespräche und Hausbesu- einen Überblick über meine Angelegenheiten zu gewinnen und unter- che von uns begleitet. In dieser Begleitung sind vor allem Themen wie stützen mich, meine Probleme zu bewältigen. Dadurch haben sich Arbeit, Gesundheit, Auskommen mit finanziellen Mitteln, Schuldenregu- Dinge oft weniger schwer angefühlt. Im Sommer 2021 fand ich eine lierung, Kontakte zu Ämtern und Behörden, Beziehungen und das Ziel Arbeit. Ich bin froh, dass der Druck und Stress mit dem AMS endlich einer eigenen Wohnung von zentraler Bedeutung. Zusätzlich haben wir weg ist und ich finanziell stabiler bin. Wenig später konnte ich dann ein vielfältiges Aktivitäten- und Freizeitangebot. Vielen Klienten bleiben auch in eine eigene Genossenschaftswohnung ziehen. Zum Glück habe die positiven Gruppenerlebnisse in Erinnerung. Nach ein bis eineinhalb ich gemeinsam mit WieWo einiges angespart und mir so die Einzugs- Jahren beziehen die meisten eine eigene Wohnung von einer Genossen- kosten leisten können. Die eigene Wohnung und mein Job in der Gastro schaft. Nach Bedarf bieten wir eine Nachbegleitung von bis zu einem geben mir Sicherheit und Selbstvertrauen. Zudem möchte ich erwäh- Jahr an. Trotz der angespannten Situation der COVID-19-Pandemie ist es nen, dass ich auch schon über ein Jahr nüchtern bin. Mein Plan ist es, uns auch im Jahr 2021 gelungen, das Angebot für wohnungslose Männer den Privatkonkurs zu starten, um meine Schulden zu regulieren.« Die Straßenzeitung Kupfermuckn Unser 25-Jahres-Jubiläum in Zeiten der Pandemie fühlt sich an wie »Liebe in Zeiten der Cholera«, um es mit den Worten von G. Márques zu beschreiben, denn wir konnten nicht feiern. Dafür aber gab es High- lights wie etwa ein Städte-Urlaub nach Graz für unsere Redakteure oder neue T-Shirts für unsere Verkäufer. Zum Jubiläum führten wir eine Le- serbefragung durch. 82 Prozent der Leser sagen: »Die Kupfermuckn bietet eine unabhängige, authentische Berichterstattung.« Zwei Drittel der Leser behaupten, dass sich ihre Einstellung zu sozialen Randgrup- pen verbessert habe. Die Auflagenhöhe betrug im Jahr 2021 monatlich 25.000 bis 53.000 Exemplare. Pandemiebedingt ging die Auflage, die vorher doch konstant bei 30.000 lag, etwas zurück. Wichtig ist uns der Schutz der – oft gesundheitlich angeschlagenen – Klienten aber auch der Schutz unserer Leser. So wurden tausende Masken verteilt und ge- nau auf die gesetzlichen Schutzmaßnahmen geachtet. 260 Straßenzei- tungsverkäufer waren in ganz Oberösterreich im Einsatz. Ausgabestel- len gibt es neben Linz auch in Wels (Tageszentrum des Vereins Soziales Das Kupfermuckn-Leitungsteam: Christian Wögerbauer, Daniela Warger, Wohnservice), Steyr (Tageszentrum des Vereins Wohnen Steyr) und Katharina Krizsanits und Heinz Zauner, Foto: Veronika Saxinger Vöcklabruck (Wohnungslosenhilfe Mosaik). 12 04/2022
REWO – Delogierungsprävention Mühlviertel Das Projekt Rewo (regionales Wohnen) bietet seit 2003 Delogie- rungsprävention im Mühlviertel an. Unsere Beratung ist kostenfrei, anonym und richtet sich an Personen ab dem 18. Lebensjahr, Paare sowie Familien. Wir kommen zur Beratung vor Ort, d.h. die Beratung findet in den Wohnungen der Betroffenen statt. Unser Angebot richtet sich an Personen, die sich in Wohnschwierigkeiten befinden. In erster Linie versuchen wir, Delogierungen zu verhindern oder beim Woh- nungswechsel in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht zu bera- ten. Eine längerfristige Nachbegleitung ist in unserem Angebot ent- halten, um eine gesicherte Wohn- und Lebenssituation wiederherzu- stellen. In den Bezirken Perg, Freistadt, Rohrbach und Urfahr-Umge- bung wurden im letzten Jahr 325 Personen in 156 Haushalten beraten und begleitet. Bei 101 Haushalten kam es zur Wohnungssicherung, bei 33 Haushalten zum Wohnungswechsel und 3 Personen kamen in eine betreute Wohnform. So konnte für 88 Prozent der Hilfesuchen- den eine Wohnversorgung sichergestellt werden! Trotz der Einschrän- Team ReWo: Thomas Springer, Helga Fürlinger-Nagl, Michael Werbik, Foto: hz kungen durch die COVID-Pandemie fanden unsere Beratungen haupt- sächlich vor Ort statt. Der Verlust der Arbeit oder zumindest von Teilen des Einkommens, sowie die sehr niedrigen Sozialleistungen an seine Kinder nicht mehr leisten. Aufgrund von Existenzängsten und stürzen Menschen in existenzielle Notlagen. Im Jahr 2021 kamen wir Panikattacken war eine längere stationäre Behandlung nötig. Nach dem vermehrt mit Familien in Kontakt. In 41 Prozent, der von uns beglei- Wohnungsverlust konnte er bei einem Bekannten unterkommen. Herr teten Haushalte, lebten Kinder. Bei vielen Familien war das Einkom- K. erzählte aus Scham niemandem von seiner prekären Situation. Den men schon vor der Pandemie knapp. Durch die Pandemie wurde die Kontakt zu Freunden und Familie brach er weitgehend ab. Im August Situation zusätzlich verschärft. Auch für viele Menschen, die Sozial- fand er eine Wohnung und suchte auf Anraten der klinischen Sozialar- hilfe beziehen, ist die Situation prekär. Trotz steigender Fixkosten beiter bei unserem Projekt um Unterstützung bei den Einzugskosten an. wird nun, durch eine Änderung im Sozialhilfegesetz im Jahr 2020, die Mit Hilfe eines Mikrokredits unseres Vereins konnte er die Wohnung Wohnbeihilfe von der Geldleistung abgezogen. anmieten. Seine Zahlungsunfähigkeit wollte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht akzeptieren. Im Rahmen einer intensiven Nachbegleitung war Herr K. nach und nach bereit, seine momentane Situation zu akzep- Corona hat mich meiner Existenz beraubt tieren. Er fasste Mut und sprach mit seiner Familie offen über seine Herr K. hatte als selbstständiger Heilmasseur gearbeitet und keine fi- Situation. Diese unterstützt ihn nun mit den Unterhaltszahlungen für nanziellen Probleme. Aufgrund der COVID-Krise konnte er seiner Tä- die Kinder. Er legte sein Gewerbe ruhend, meldete sich beim AMS und tigkeit nicht mehr nachgehen. Eine Zeit lang lebte er von Ersparnissen. fand eine Anstellung als Masseur. Mittlerweile ist er bei der Schuldner- Er hoffte, dass sich die Situation bald wieder entspannt. Ohne Einkom- hilfe in Beratung. Um wieder finanzielle Stabilität zu erlangen, wurde men sah er sich dann jedoch gezwungen, seine Wohnung samt Praxis zu ein Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Herr K. lebt nun sehr reduziert kündigen. In dieser Situation konnte er auch die Unterhaltszahlungen und ist bemüht, sein Leben in den Griff zu bekommen. Links: Sekretariat: Veronika Saxinger; Geschäftsführung: Heinz Zauner und Marion Eberl Foto: dw Verein Arge für Obdachlose, Rechts: Vorstand: Margot Schiefermair, Christian Stark, Ernst Gansinger, Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel. 0732/770805, Susanne Lammer (Johannes Knipp, nicht auf dem Bild) Foto: hz verein@arge-obdachlose.at, www.arge-obdachlose.at 04/2022 13
Wenn Bier und Schnaps in rauen Mengen fließen Kupfermuckn-Redakteure erinnern sich an ihre Rauschgeschichten Die letzten Bier trank lich voll. An ein Umfallen war Tankstelle schon offen hatte. So Der Rausch machte nicht zu denken. Mir sollte das musste ich gleich noch dorthin ich auf dem Heimweg recht sein. So floss ein Bier nach auf ein paar Bier gehen. Dieses mich nicht glücklich dem anderen, und auch ein Be- trank ich auf dem Nachhause- Es ist schon fast eine Ewigkeit such in der Schnapsbar durfte Weg. Schließlich waren es drei »Der Kirche« verdanke ich mei- her, als ich in Grein zum Volksfest nicht fehlen. Auch der Schnaps Kilometer Fußmarsch, die ich zu- nen ersten (und bis jetzt einzigen) ging. Es war ein Freitagabend und floss in rauen Mengen bis früh in rückzulegen hatte. Zu Hause an- Rausch. Ich war damals für ein ich machte mich zuerst auf den die Morgenstunden. Doch irgend- gekommen, legte ich mich für ein Jahr Praktikant in einer Pfarre im Weg zur Tankstelle, um ein paar wann muss mich die Müdigkeit paar Stunden nieder. Doch am 22.Bezirk in Wien. Und wir Bier zu trinken. Denn, vollkom- dann arg erwischt haben, denn bei selben Tag ging es am Abend machten einen Ausflug mit ab- men nüchtern auf einem Volksfest Tagesanbruch wurde ich von ei- gleich wieder weiter, wieder bis schießendem Heurigen-Besuch. zu sein, ist langweilig. Gegen 20 nem Mitarbeiter der Schausteller- in den Morgen des nächsten Ta- Anscheinend musste ich den Uhr ging dann die Post ab. Da an firma geweckt. Noch stockbesof- ges. Zu dieser Zeit hatte ich kein Wein, den ich trank, nicht selber diesem Abend die »Alpenrebel- fen machte ich mich auf den Problem mit dem Alkohol, aber bezahlen, und anscheinend wurde len« spielten, war das Zelt ziem- Heimweg. Da sah ich, dass die ein umso größeres ohne ihn. Leo mir immer wieder – ziemlich oft 14 04/2022
– nachgeschenkt … und anschei- nend habe ich mich auch nicht (entschlossen genug) dagegen ge- wehrt: Zum Schluss hatte ich ei- Testen Sie Ihre Alkoholabhängigkeit nen ordentlichen Rausch … spä- ter, zuhause in der Pfarre, musste Zählen Sie bitte die Punkte neben der Antwort, die Sie gewählt haben, zusammen und ich dann alles »wiedergeben« (ich vergleichen Sie diese mit den angegebenen Auswertungsergebnissen. erspare euch lieber die Details). Am nächsten Morgen hatte ich natürlich einen gewaltigen Kater. 1) Wie oft trinken Sie Alkohol? monatlich (2) Wirklich glücklich hat mich diese wöchentlich (3) Erfahrung nicht gemacht, zumin- nie (0) täglich oder fast täglich (4) dest hatte ich das jetzt auch ein- weniger als einmal im Monat (1) mal erlebt und konnte das abha- zwei- bis viermal im Monat (2) 8) Wie oft im letzten Jahr konnten Sie sich ken: Rausch gehabt – ja okay, ab- zwei- bis dreimal in der Woche (3) an Ereignisse des Vortages nicht erinnern, gehakt. Es gibt definitiv andere viemal oder öfters die Woche (4) weil Sie getrunken haben? Erfahrungen in meinem Leben, aus denen ich mehr gelernt und 2) Wie viele alkoholische Getränke konsu- nie (0) die mich glücklicher gemacht ha- mieren Sie an einem typischen Tag, an dem weniger als einmal im Monat (1) ben. Johannes Sie trinken? monatlich (2) wöchentlich (3) 1 oder 2 (0) täglich oder fast täglich (4) Sie nahmen mich mit 3 oder 4 (1) auf den Posten 5 oder 6 (2) 9) Sind Sie oder eine andere Person infolge 7 oder 8 (3) Ihres Trinkens verletzt worden? Ein herrlicher Sommertag an ei- 10 oder mehr (4) nem Samstag. Die Führerschein- nein (0) prüfung hatte ich vor drei Tagen 3) Wie oft trinken Sie sechs oder mehr alko- ja, aber nicht im letzten Jahr (2) geschafft, rechtzeitig zum 18. Ge- holische Getränke bei einer derartigen Gele- ja, während des letzten Jahres (4) burtstag. Der VW Käfer stand genheit? startbereit angemeldet hinter dem 10) Hat sich ein Verwandter oder Freund, Haus. Am frühen Nachmittag be- nie (0) ein Arzt oder eine andere medizinisch ge- schlossen wir, in unser Stammlo- weniger als einmal im Monat (1) schulte Person über Ihre Trinkgewohnheiten kal oben am Heuberg zu fahren. monatlich (2) beunruhigt gezeigt oder Ihnen empfohlen, Wir waren alle miteinander abso- wöchentlich (3) sich einzuschränken? lut gut drauf, schließlich feierten täglich oder fast täglich (4) wir meinen Führerschein. Es wa- nein (0) ren dann sechs Personen im Kä- 4) Wie oft im letzten Jahr haben Sie festge- ja, aber nicht im letzten Jahr (2) fer, anders ging´s halt nicht. Wir stellt, dass Sie mit dem Trinken nicht aufhö- ja, während des letzten Jahres (4) waren schon fast oben beim Gast- ren können, wenn Sie angefangen haben? haus angekommen, als uns von oben her die Gendarmerie entge- nie (0) ERGEBNIS: genkam. Ich bog sofort in eine weniger als einmal im Monat (1) kleine Nebenstraße ein, die zu ei- monatlich (2) Mehr als 5 Punkte: nem nahe gelegenen Bauernhaus wöchentlich (3) Ihr Alkoholkonsum hat ein Ausmaß erreicht, führte. Meine Freunde sahen, täglich oder fast täglich (4) das bereits gesundheitsschädlich sein könnte. dass die Gendarmerie uns bereits Besprechen Sie bitte Ihre Trinkgewohnheiten zum Bauernhaus folgte. Ich fuhr 5) Wie oft während des letzten Jahres waren und die einzelnen Testantworten mit einem Arzt sofort hinter das Bauernhaus und Sie nicht in der Lage, Ihre Aufgaben zu er- oder Psychologen Ihres Vertrauens, in einer Be- versteckte mich hinter dem Mist- füllen, weil Sie getrunken haben? ratungsstelle oder spezialisierten Ambulanz. haufen. Dort wartete ich kurz und überlegte, von welcher Richtung nie (0) sie kommen könnten. Dann gab weniger als einmal im Monat (1) Mehr als 8 Punkte: ich einfach Gas und fuhr vor- wöchentlich (3) Ihr Alkoholkonsum hat ein Ausmaß erreicht, wärts. Doch plötzlich standen die täglich oder fast täglich (4) das schädlich für Ihre Gesundheit ist. Sie sind Beamten vor mir: Stoßstange an stark gefährdet, alkoholabhängig zu werden Stoßstange mit der Gendarmerie 7) Wie oft im letzten Jahr hat es Ihnen leid und könnten bereits unter den Folgeerscheinun- vor dem Misthaufen. »Alle aus- getan oder haben Sie sich schuldig gefühlt, gen des Alkoholmissbrauchs leiden. Wenden steigen«, hieß es dann. »Aber nachdem Sie Alkohol getrunken haben? Sie sich bitte so rasch wie möglich an eine Be- Dalli!« Ich musste zum Gendar- ratungstelle oder spezialisierte Ambulanz. merie-Posten mitfahren. So ein nie (0) Pech! Ich war alkoholisiert, der weniger als einmal im Monat (1) © Weltgesundheitsorganisation (WHO) 04/2022 15
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