RUNDFUNK 2021 SCHULJAHR 2020/2021 - HERMANN-LIETZ-SCHULEN
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INHALTS VERZEICHNIS AKTUELLES Editorial Sabine Hasenjaeger 3 Rhododendronfest: Abschied von Hohenwehrda 4 Abschiedsfeier der Klassen 10 R und FOS 12 6 Abschied nach 16 Jahren: Sabine Hasenjaeger 8 Dank an Sabine Hasenjaeger 11 Neues Leiterehepaar Müller im Interview 12 Neue Jahrestasse, neues Motto: „Neue Wege“ 14 MENSCHEN Gespräch mit Hausdame Daniela Biehl 15 Jan Staudigl – eine Lietzer Erfolgsgeschichte 16 Seit zehn Jahren in Hohenwehrda: Carsten Hühn 18 „Isi“ ist Rentner, ihm geht’s gut 20 Kurze Wege zum FOS-Erfolg: Hanna Bailly 22 PROJEKTE Familienabende der Schlossmädchen 24 UNTERRICHT „Natur als Grundlage allen Seins“ 25 Iserv – die digitale Unterrichts-Plattform 26 Freunde und Förderung: Orientierungsstufe 5/6 28 Die Antike lebt 29 Wahlfach Theater dreht einen Film 30 VERSCHIEDENES Maître, es schmeckt! 31 Eine ungewöhnliche Reise durch Schweden 32 „Rocket“ – Gelassenheit auf vier Hufen 35 Impressum/Herausgeber: Lietz Internat Hohenwehrda, Schloss Hohenwehrda 2, D - 36166 Haunetal Tel: +49 (0) 6673 9299-0, Fax: +49 (0) 6673 9299-40 hohenwehrda@lietz-schule.de, www.internat-hohenwehrda.de Redaktionsteam: Martin Batzel, Christoph Winter August 2021 Durch sich ständig ändernde Corona-Vorgaben sind in dieser Ausgabe auf Fotos Personen mit oder 2 ohne Masken zu sehen. Selbstverständlich werden die AHA-Regeln bei uns streng eingehalten. Im Interesse der Lesbarkeit verzichten wir auf geschlechtsbezogene Formulierungen. INHALTSVER ZEICHNIS Selbstverständlich sind uns alle Geschlechter gleichermaßen willkommen.
NEUE WEGE Begonnen hat alles mit einem wichtige Beiträge geleistet, so dass Stein, den ich in Oberbayern wir zwar mit Blessuren, aber doch aus der Isar fischte und nach Ho- heil am Schuljahresende angekom- henwehrda brachte – Symbol für men sind. Und dank der Kreativität „Wir bauen gemeinsam einen etlicher Kollegen entstanden dann Weg in Hohenwehrda“. ja doch noch kleinere Events und ein Weihnachtsessen mit Weih- Steinig wurde der Weg der letz- nachtsfeier fand trotz allem statt. ten 16 Jahre tatsächlich: beein- Vor allem: Danke, dass alle ihre druckend gepflastert mit schönen Zuversicht und gute Laune und Sinn runden und gemusterten, hier und für Fröhlichkeit behalten haben! da auch kantigen Steinen. Die Menschen in und um Hohenwehr- Das Schuljahresende soll geprägt da, Schüler, Eltern, verantwort- sein von festlichem Miteinander, liche Gremien, aber vor allem wenn auch nicht als großes Rho- die Kollegen vor Ort, haben Ho- dodendronfest. henwehrda trotz des einen oder anderen Stolpersteines erfolgreich Nun gilt es neue Entscheidungen als Team in die Zukunft gebaut zu treffen: Was wird mitgenom- oder begleitet. men von der Wegstrecke der ver- gangenen Jahre. Welche Richtung Dass dann ein Steinschlag – Co- wird eingeschlagen. Wie wird rona – uns die Wegstrecke der der Weg weiter gestaltet. Es gilt letzten Monate versperrte, hat nie- neue Wege zu beschreiten und si- mand erwartet. Wir wollten noch cher in die Zukunft zu bauen. Mit ein Haus am Wegrand bauen, Herrn Müller und seiner Frau sind Ich lade alle ehemaligen Schüle- Konzepte und Ideen weiter ver- die richtigen und erfahrenen Bau- rinnen und Schüler herzlich ein, folgen, die Internationalisierung meister gefunden. So wünsche ich langjährige Ehemalige wie jetzi- vorantreiben und vieles mehr. dem Ehepaar Müller und Hohen- ge Abgänger aus der jüngeren Stattdessen haben wir unsere Zel- wehrda Stabilität, Blühen und Ge- Vergangenheit, sich an der Ge- te aufgeschlagen, auf Feste und deihen auf einem guten Weg in staltung des Netzwerkes zu betei- Highlights und Rituale verzichtet die nächsten Jahre. ligen und Ideen einzubringen. Ihr und monatelang das Hindernis werdet auch selbst von dem Netz- Corona versucht zu bezwingen. Den Stein aus der Isar gibt es noch werk profitieren. Aber Unterricht fand bei alledem in Hohenwehrda und ich überrei- immer statt! che ihn gern den neuen Baumeis- Ich freue mich auf die Begegnun- tern – dem Ehepaar Müller. gen und den Austausch mit euch! Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen aller Bereiche, dass wir Meine eigene Rolle wird in der Also: Auf Wiedersehen! diese Zeit mit all ihren Herausforde- kommenden Zeit die Mitwirkung rungen, Einschränkungen, Sorgen an Fragen der Akquise in der Herzlich und Ängsten bestehen und über- Stiftung sein. In diesem Zusam- winden konnten. Mit Ausdauer, menhang geht es nicht zuletzt Kreativität und flexiblem Handeln um das Ausbauen eines stabilen und sehr viel Einsatz haben alle Altbürger-Netzwerkes. Sabine Hasenjaeger 3 EDITORIAL
INHALTSVERZEICHNIS Rhododendronfest: Abschied von Hohenwehrda fällt schwer „Sie haben uns ein Zuhause gegeben“ „Hohenwehrda war in den vergangenen eineinhalb Jahren oftmals eine Idylle in einer Zeit, in der die Welt verrücktspielt.“ Mit diesen Worten eröffnete Sabine Hasenjaeger, Internats- und Schulleiterin des Lietz Internats Hohenwehrda, die Abschluss-Zusammen- kunft des Schuljahres. „Wir konnten in dieser Idylle Din- schichten aus dem Zusammen- an Unterstützung und Förderung ge tun, die woanders nicht mög- leben, vielen netten Gesten und sowie viele gute Gespräche: „Sie lich waren“ – so wie die Feier- Geschenken, aber auch mit waren für uns wie eine Ersatzmut- lichkeiten beim Rhododendronfest freundlich verpackter Kritik und ter, haben uns ein Zuhause gege- zum Jahresabschluss, das kleine Anregungen für den weiteren ben“, sagte Zaineb. Benedikt aus Schulfest tags zuvor und auch die Lebensweg verabschiedeten die der 10 G, dessen Weg weiter Verabschiedung der Abgangsklas- Internatsfamilieneltern die ihnen nach Bieberstein führt und Hohen- sen 10 R und FOS 12 (siehe dazu anvertrauten Jugendlichen. wehrda seit der fünften Klasse be- auch Text und Fotos auf den Sei- suchte, zog seine eigene Bilanz: ten 6 und 7 dieser Ausgabe). Doch es war auch ein Tag, an „Ich bin hier von einem kleinen, dem Schülerinnen und Schüler herausfordernden Kind zu einem Mit Anekdoten aus dem All- sich bedankten für viel Fürsorge, großen, herausfordernden Kind tag des Internats, lustigen Ge- ein offenes Ohr, ein großes Maß geworden und bin dankbar dafür. 4 AKTUELLES
Ich habe mich auf den Abschied Austausch engagieren. Willi Lan- hier gefreut, auch weil etwas ge (Musik, Familienvater Wald- Neues kommt; wie schwer mir der haus) geht in den Ruhestand. Abschied fallen würde, hätte ich Michael Klöppinger (Religion, nicht gedacht.“ Geschichte, Familienvater Forst- haus) verlässt Hohenwehrda aus Verabschiedet wurden auch Kol- persönlichen Gründen. Ebenfalls leginnen und Kollegen: Katrin ausgeschieden sind Manuel Wolf Schwanz (Schlossfamilie, Deutsch (IT) und Helmut Most (Nachtwäch- als Zweitsprache) verlässt Hohen- ter), der in Ruhestand geht. wehrda nach acht Jahren. Ihre Zu- Text: Martin Batzel kunft sieht sie als Lehrerin in Israel Fotos: Jens Terlinden, Yesid Lizarazo und möchte sich im interkulturellen Ehrungen und Anerkennungen Bestes Zeugnis: Mit dem Schmetterlingspreis als Budenpreis (schönstes Zimmer): 5/6: Sem Trommler Anerkennung für seine positive Ent- Carolin Kappel, Romy Weigert 8 G: Joschua Beuschlein wicklung in Hohenwehrda wurde Besondere Gildenleistung (Kapelle): 7/8 R: Niklas Heuer Joschua Beuschlein geehrt. Benjamin Buschbacher 9 G: Laura Schön, Bester Sportler (Hapkido & Kanu): Vincent Enges Henning Sendler Den Andreesen-Preis für ihre Musenpreis: Nikolaus Schumacher 9 R: Haris Holzmann besondere Leistungen und ihr Musik-Preis: Angelina Jung, Donya Jafari 10 G: Charlotte Sinz Engagement für die Schulgemein- Beste Lietzarbeit: Charlotte Sinz 10 R1: Adrian Rainer schaft erhielt Laura Schön. Nawi-Preis: Benjamin Schindler 10 R2: Ruben Liebermann Chemie-Preis: Andre Geyer FOS 11: Tabea Jung Für ihren Einsatz als Internats- Mathematik-Preis: Esther Wiesent sprecher und in der Gästeführung Theaterpreis: Gerda Schumacher, Bestes Zeugnis der Schule: wurden Donya Jafari und Benedikt Schecklmann, Niko Wellbrock Charlotte Sinz Adrian Rainer geehrt. „Waldwichtelpreis“: Andre Geyer Beste/r Klassenbuchführer/in: Esther Wiesent 5 AKTUELLES
INHALTSVERZEICHNIS Abschiedsfeier der Klassen 10 R und FOS 12 Ein Kissen für Kenneth „Möge sich der Weg vor deinen Füßen ebnen, möge der Wind in deinem Rücken sein. Härte möge dein Herz meiden und die Sonne dich stets wärmen.“ Mit einem irischen Reisesegen verabschiedete Sabine Hasenjaeger, Internats- und Schulleiterin in Hohenwehrda, die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen 10 R sowie Fachoberschule 12 in ihren nächsten Lebensabschnitt. Ob Auszeit, Schloss Bieberstein, vier, mit Sologesang und Chor. seines Morgengrußes durch Elias Fachoberschule Sozialwesen in Mit launigen, humorvollen, wert- an das „Röhren eines schwer Hohenwehrda oder eine andere schätzenden Worten und einigen verwundeten Elches“ erinnert. Wahl: „Möge jeder Tag sich von Schmonzetten aus dem Internats- Und das täglich. Malte aus der dir mit einer hellen Wolke verab- leben verabschiedeten sich die 10 R 2 dagegen dankte seinen schieden.“ Garniert wurde die Internatsfamilieneltern von ihren Lehrern und besonders Christian würdige Feier mit musikalischen Schützlingen. So fühlte sich Dr. Stöger, Sozialpädagoge im Lietz Beiträgen an Geige und Kla- Thomas Clark bei der Erwiderung Internat Hohenwehrda: „Bei ihm 6 AKTUELLES
hatte ich zwar keinen Unterricht, schied der Schlossmädchen. Mit aber den mag ich einfach so.“ dem Verabschiedungsritual und Auch die Abschiedsgeschenke einer mit Nützlichem und Nettig- der Internatsfamilieneltern waren keiten gefüllten Schultüte entlie- mit Bedacht gewählt: Ein Kissen ßen Sabine Hasenjaeger sowie für Kenneth; ein T-Shirt bedruckt Thomas Linß als stellvertretender mit Insiderwissen für Paul; ein Schulleiter die Schülerinnen und roter Teppich, eine „vernünftige Schüler in den nächsten Abschnitt Flasche Schampus“ und eine Kro- ihres Lebens. ne für Hanna und ein Schloss als Text: Martin Batzel Symbol der Freundschaft zum Ab- Fotos: Yesid Lizarazo, Jens Terlinden 7 AKTUELLES
INHALTSVERZEICHNIS Feier für Sabine Hasenjaeger – Abschied nach 16 Jahren „Starkes Fundament, Geduld, Verständnis und Weitsicht“ Sabine Hasenjaeger wurde nach 16 Jahren als Internats- und Schulleiterin in Hohenwehrda verabschiedet. Zahlreiche Redner sowie viele Gäste nahmen an der feierlichen Veranstaltung teil und würdigten damit die Verdienste und das große Engagement von Sabine Hasenjaeger. „Die Stiftung Deutsche Landerzie- lienstruktur orientiert und erinnerte Fulda, lobte die Weitsicht, mit der hungsheime hat Ihnen sehr viel zu an die Säulen, auf denen das Lietz in Hohenwehrda an das Thema verdanken. Sie sind eine hoch- Internat Hohenwehrda steht und FOS Sozialwesen herangegan- respektierte Persönlichkeit. Wer die unter der Leitung von Frau Ha- gen wurde: „Auch wegen des seine Aufgabe so wie Sie leisten senjaeger geschaffen wurden: Das Fachkräftemangels im sozialen Be- will, der braucht ein starkes Fun- musische Profil, der Schwerpunkt reich liegen sie voll im Trend.“ Rita dament. Sie sind fester Bestandteil Theater, die Digitalisierung sowie Schmidt-Schales nannte das Lietz- der Biographie vieler Schüler“, die Fachoberschule Sozialwesen. Internat einen Ort, der „Geborgen- sagte Dr. Wilhelm Schaffitzel, „Frau Hasenjaeger hat sich um die heit und Weltoffenheit“ ausstrahle. Vorstandsvorsitzender der Stiftung, Stiftung verdient gemacht.“ Außerdem: Welcher Schulleiter während der Verabschiedung von könne schon sagen, er habe ei- Sabine Hasenjaeger als Internats- Rita Schmidt-Schales, Schulamtsdi- nen Arbeitsplatz mit Blick auf einen und Schulleiterin des Lietz Internats rektorin des Staatlichen Schulamtes Pool, Tennisplatz und ein Schloss? Hohenwehrda. Als Dank der Stif- tung für 16 Jahre Leitung in Hohen- wehrda überreichte der Vorsitzen- de eine Gartenkeramik. Ernst-Friedrich Kellner, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Stiftung, betonte die Vorteile des Internatsle- bens, welches sich an einer Fami- 8 AKTUELLES
Mit einem „Kinderparadies für Christine Jesumann, stellvertre- Hohenwehrdas Internatsspreche- die Mittelstufe“ verglich Burkhard tende Vorsitzende des Altbür- rin Donya Jafari brachte es aus Werner, Koordinator der Leiterkon- gervereins, Heimpatin von Ho- Sicht der Schülerschaft auf den ferenz und Leiter des Lietz Inter- henwehrda und vor 55 Jahren Punkt: „Auch wenn wir die Regeln natsdorfs Haubinda, das Internat dort Abiturientin, sprach in ihrer verletzten, obwohl wir kurz zuvor im Haunetal. „Eingebettet in eine Dankesrede von „Kraft, Hoffnung, aufgeklärt worden waren, zeigten Landschaft, die rauh wirkt, aber Zuversicht, Vertrauen, Verständnis Sie Nachsicht mit uns und unseren herzlich ist.“ Burkhard Werner und Stärke, die du deinen Schü- Versäumnissen. Danke für Ihre Ge- erinnerte an die pädagogischen lerinnen und Schülern gezeigt und duld und Ihr Verständnis.“ und auch wirtschaftlichen Erfolge gegeben hast“. Text: Martin Batzel der Leiterin Sabine Hasenjaeger, Fotos: photoebene Marzena Seidel die nach Internats-Stationen in Gaienhofen am Bodensee, Zin- zendorf im Schwarzwald sowie Reichersbeuern in Bayern 2005 in Hohenwehrda begann. Weitere Impressionen auf der nächsten Seite! 9 AKTUELLES
Der Vorstand dankt Sabine Hasenjaeger Liebe Frau Hasenjaeger, von Amts wegen kommt dieses Gruß- und Dankeswort von mir. Ich betone dies deshalb, weil Sie in meinem Blickfeld erst vor gut zwei Jahren erschienen sind und umgekehrt. Angesichts der 16 Jahre, in denen Sie sich in der Leitung des Lietz Internates Hohenwehrda große Anerkennung erworben haben, ist der Zeitraum unseres Zusam- menarbeitens zu kurz, als dass mir persönlich eine angemessene Würdigung möglich wäre. Was ich aber weiß und spüre, ist, dass Sie eine hoch respektierte, beein- druckende und kompetente Per- sönlichkeit sind, der die Stiftung nicht so vorgestellt haben. Dieses und den Vorstand weiterhin un- und insbesondere Hohenwehrda Schicksal teilen Sie mit unserer terstützen werden bei Aktivitäten viel zu verdanken hat – die Mit- Bundeskanzlerin Angela Merkel, im Außenauftritt der Lietz-Schulen arbeiterschaft, die Schülerinnen die sicher auch nicht vorausge- und bei der Neuausrichtung der und Schüler und deren Eltern. Sie sehen hat, dass ihr letztes Jahr im Altbürgerarbeit, die wir uns vorge- blicken zurück auf 16 Jahre, die Amt diese Herausforderungen mit nommen haben. Ihnen – das habe ich selbst in mei- sich bringen würde. Ein kleiner ner kurzen Zeit deutlich gespürt – Trost vielleicht. Mit guten Wünschen Freude gemacht haben, manches für die Zukunft Mal auch Sorgen. Im Namen des Vorstandes danke ich Ihnen für Ihre Leistung und Ihr Ihr Ihr letztes Schuljahr war geprägt Engagement als Leiterin von Ho- von der Pandemie und deren henwehrda. Sie übergeben das Herausforderungen, die Sie gut Internat in erfahrene Hände. gemeistert haben. Es war aber Wilhelm Schaffitzel auch ein Jahr, wie Sie es sich ge- Und ich freue mich, dass Sie in rade für das Jahr des Abschieds reduziertem Rahmen die Stiftung 11 AKTUELLES
INHALTSVERZEICHNIS Neues Leiterehepaar Müller im Interview „Internat ist eine Lebensform“ Welche Werte ihnen wichtig sind, wie die perfekte Balance zwischen Nähe und Distanz aussieht, warum Sport genauso wichtig ist wie Mathematik und was moderne amerikanische Literatur mit all dem zu tun hat – das erklären Sonja und Jörg Müller im Gespräch mit Martin Batzel. Sehr geehrtes Ehepaar Müller, und in direkter Verlängerung Ehr- mit einer staatlichen Schule ver- herzlich Willkommen im Lietz lichkeit, Offenheit und Gerechtig- glichen werden, schon alleine, Internat Hohenwehrda. keit – gerade in der Internatspäda- weil sie eben keine Lern-Schule, Wenn Sie sich zu Beginn des gogik wichtigste Grundlage des sondern eine Lebens-Schule ist. Gesprächs bitte charakterisieren Handelns sein.“ Die intensive Gemeinschaft, die möchten – wofür und für kleinen Gruppen, die persönliche welche Werte stehen Sie als Beziehung zwischen Jugendlichen Leiterehepaar? Eine Internatsschule und Erwachsenen, die vielfältigen ist gleichzeitig auch ein Erfahrungen in der Natur, beim Wirtschaftsunternehmen. Lernen und Arbeiten, beim Sport Wie führt man erfolgreiche „Bei unserer pädagogischen Ar- und in der Kunst – Rahmenbedin- Pädagogik und wirtschaftliches beit standen jenseits aller päda- gungen, die eine staatliche Schu- Denken erfolgreich gogischen Leitlinien immer die le schlichtweg nicht bieten kann.“ zusammen? Kinder und Jugendlichen im Mit- telpunkt aller Überlegungen. Wir Worin sehen Sie die wichtigste verstehen uns in erster Linie als „Das scheint nur auf den ersten Grundlage für eine gute Potentialentwickler, deren wich- Blick ein Widerspruch zu sein. Internatspädagogik? tigste Aufgabe es sein muss, ih- Natürlich ist es unabdingbar, Und: Was macht gute ren Schützlingen das Rüstzeug das Profil einer Internatsschule zu Internatsfamilieneltern, Mentoren mitzugeben, das sie brauchen, schärfen und die Konzepte so und Internatslehrer aus? um in der unglaublich komple- weiterzuentwickeln, dass sie auch xen und schnelllebigen Welt des für die Zukunft tragfähig sind. Es 21. Jahrhunderts zu Lebensglück bedeutet aber nicht, sich hinter „Jede gute Internatsschule ist zu- und Lebenserfolg zu finden. Dazu Hochglanzbroschüren und unrea- nächst einmal eine Reflektion ihrer müssen sie zunächst erkennen, listischen Werbe-Claims zu verste- Schüler und Mitarbeiter, wobei im wer sie sind und was alles in ihnen cken, sondern selbstbewusst mit besten Fall das Ganze erheblich steckt. Nur so werden sie zu den einer empathischen und sympa- mehr ist als die Summe seiner Ein- einzigartigen Persönlichkeiten, die thischen Gemeinschaft aufzutreten zelteile. Jenseits einer soliden und in jedem Kind und Jugendlichen und Menschen vom großartigen jeweils aktuellen Ausbildung läuft angelegt sind. Wir sind überzeugt Wert einer guten Internatserzie- es bei allen Mitarbeitern einer gu- davon, dass es dafür ständiger hung zu überzeugen. Dafür stehen ten Internatsschule auf das Gleiche Rückmeldung von wohlmeinenden wir mit großer Begeisterung.“ hinaus: Wer genuine Freude an Erwachsenen bedarf, die sich der Arbeit mit Kindern und Jugend- nicht als beste Freunde sondern Welches sind aus Ihrer Sicht die lichen hat, wer diese Arbeit als Le- als Mentoren verstehen und immer Vorzüge einer Internatsschule bensform statt als Job genießt, wer bemüht sind, die perfekte Balance verglichen mit dem staatlichen achtsam, emphatisch, neugierig zwischen Nähe und Distanz und Schulsystem? und risikobereit ist und Vorbild sein zwischen Fördern und Fordern zu kann und möchte, ist bei uns genau finden. Und da diese Prozesse richtig – ganz gleich ob im Klas- auch immer Reibung erzeugen, „Eine Internatsschule wie Schloss senzimmer, in der Heimfamilie, in muss erzieherische Konsequenz – Hohenwehrda kann nicht wirklich Verwaltung, Küche oder Werkstatt. 12 AKTUELLES
Welche Bedeutung haben bei Internatspädagogik die praktische Arbeit sowie die Bereiche Sport und musischer Zweig? Praktische Arbeit, Sport und Musi- sches müssen gleichberechtigten Platz im Tagesablauf der Kinder und Jugendlichen finden wie Mathematik und Deutsch. Für die Persönlichkeitsentwicklung haben sie überragende Bedeutung. Ins- besondere die Theaterarbeit soll- te unbedingter Bestandteil einer ganzheitlichen Erziehung sein.“ Wie sieht für Sie die optimale Form des schulischen Lernens aus? Und welche Rolle spielen bei der Optimierung des Lernens die digitalen Medien? Je ein Teenager und ein junger Erwachsener bitten Sie um Lesetipps: „Wir glauben, dass Lernen un- Welche Empfehlungen bedingt individualisiert werden geben Sie? und fächer- und jahrgangsüber- greifend stattfinden sollte und dem „Bulimie“-Lernen unbedingt lich eBooks. Es ist einfach zu ver- „Als Anglist bin ich ein großer Fan der Kampf anzusagen ist. Dass führerisch, an jedem Ort dieser moderner amerikanischer Literatur. dies in der heutigen Zeit nur mit Welt eine ganze Bibliothek bei Es gibt dort aktuell unendlich viele einer sinnvollen Unterstützung sich zu führen und jederzeit auf großartige Talente. Für Teenager durch digitale Medien wirklich jedes Buch zugreifen zu können.“ würde ich die Romane von John gelingen kann, ist für uns selbst- Greene empfehlen – z.B. „Eine erklärend. Bezüglich der Digitali- wie Alaska“ oder „Das Schicksal Ihre Einschätzung bitte: sierung von Lernprozessen sehen ist ein mieser Verräter“. Für junge Wirkt das gedruckte wir in Hohenwehrda durchaus Erwachsene darf es dann auch et- Wort fort? noch dringenden Handlungs- was tiefgründiger sein. Zu meinen bedarf. Wir freuen uns auf die absoluten Favoriten gehören „Al- Herausforderung.“ „Das tut es ganz sicher. Wir haben les Licht, das wir nicht sehen“ von uns immer bemüht, Kindern und Anthony Doerr und „Der Distelfink“ Jugendlichen den unschätzbaren von Donna Tartt. Andererseits sam- Gedrucktes Buch oder eBook? Wert des Lesens nahezubringen. meln wir aber auch Erstausgaben Was nehmen Sie im Koffer mit Die Möglichkeit, mit einem Buch der Romane von Stephen King.“ in Ihren nächsten Urlaub? die Tür zu einer ganz anderen Foto: Jens Terlinden Welt aufzustoßen, sollte keinem Kind verschlossen bleiben. Lesen „Nachdem wir uns lange bemüht ermöglicht Erfahrungen, die ein Herzlichen Dank für hatten, dem gedruckten Buch treu Film oder ein Computerspiel nie das Gespräch! zu bleiben, lesen wir nun seit doch vermitteln kann – und es macht schon zehn Jahren fast ausschließ- neugierig und empathisch.“ 13 AKTUELLES
INHALTSVERZEICHNIS Niklas Brühl aus der Klasse 5 gewinnt Wettbewerb Neue Jahrestasse, neues Motto: „Neue Wege“ „Ich finde, die Tasse schaut gut aus.“ Niklas Brühl ist mit seinem Werk zufrieden. „Unser Kunstlehrer Jens Terlinden hat es noch verfeinert.“ Mit seiner Idee eines gewundenen Konkurrenz aus allen Altersstufen Weges durch ruhige, freundliche des Lietz Internats Hohenwehrda Landschaften, vorwiegend gehal- durch – von den Jüngsten bis zur ten in den Farben gelb, blau und Fachoberschule 12. grün, möchte Niklas Hoffnung machen. „Ich habe mit Absicht Wo könnte dieser Weg entlang- nicht das Thema Corona gewählt. führen? „Wo er hinführt? Ich weiß Davon haben wir die Nase doch es nicht, hatte keine konkrete Vor- alle voll.“ stellung. Der Weg kann überall sein“, sagt Niklas, der sich bei Der Weg, der auf der Jahresmotto- der Wahl des Motivs von seiner tasse zu erkennen ist, führt durch Fantasie hat leiten lassen: „Ich eine schöne, sanfte Gegend, hatte kein Vorbild. Es gibt so viele aber sein Ziel ist nicht sichtbar. Mit schöne Gegenden, so viele schö- seiner Idee „Neue Wege“ setz- ne Länder. Aber ich bin in den Fe- te sich der 12 Jahre alte Niklas, rien lieber daheim.“ Schüler der fünften Klasse, gegen Text und Foto: Martin Batzel 14 AKTUELLES
Gespräch mit Hausdame Daniela Biehl „Ich freue mich über den Besuch von Altbürgern!“ Sie ist seit zehn Jahren in Hohenwehrda und zuständig für den hauswirtschaftlichen Bereich. Was Daniela Biehl auch nach so einer langen Zeit noch überraschen kann, was ihr bei ihrer Arbeit besonders wichtig ist und über welche Überraschungen sie sich besonders freut, erklärt die Hausdame im Interview. Liebe Frau Biehl, seit einem Jahr- Welche Überraschungen erfreu- zehnt arbeiten Sie bei der Stif- en Sie besonders? tung. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum. In Hohenwehrda „Es freut mich immer, wenn ehe- sind Sie als Hausdame verant- malige Schüler, also Altbürger, uns wortlich für den hauswirtschaftli- besuchen!“ chen Bereich. Würden Sie zustim- men, dass den Reinigungskräften Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit neben der ureigenen Aufgabe besonders wichtig? eine wichtige pädagogische Auf- gabe zukommt? „Besonders wichtig ist mir, einen Beitrag zu leisten, dass es den „ Ja, sicher, da stimme ich zu. Schülerinnen und Schülern und Nach Möglichkeiten unterstützen den Angestellten hier im Internat wir als Damen, die sich um die Hohenwehrda gut geht.“ Reinigung der Häuser kümmern, die Internatsfamilieneltern bei ihrer Worin liegt für Sie der besondere pädagogischen Arbeit, beson- Reiz der Arbeit im Lietz Internat ders betrifft das den Bereich von Hohenwehrda? Ordnung und Sauberkeit in den Wohnbereichen.“ „Wir sind hier wie eine große Fa- milie. Der enge Kontakt mit den Hat sich Ihre Arbeit im Laufe des Kindern bereitet mir viel Spaß. Es Jahrzehnts verändert? Arbeit in einem Internat bedeutet ist sehr interessant, die Kinder he- Flexibilität und bisweilen täglich ranwachsen zu sehen und sie auf „Eigentlich nicht, sie ist in etwa neue Herausforderungen: Kann ihrem Lebensweg auf HL ein Stück gleich geblieben. Aber man kann Sie nach einem Jahrzehnt noch zu begleiten.“ sicher sagen, dass wir durch Co- etwas überraschen? rona mehr Aufgaben haben.“ Wenn Sie ein Fazit ziehen… „Corona hat mich überrascht! Das war eine große Überraschung „…dann ist für mich auch nach für uns alle – nicht nur in Hohen- zehn Jahren im Lietz Internat Ho- wehrda. Im Internatsleben gibt es henwehrda die Arbeit hier wie ein immer mal wieder kleine Überra- Fünfer im Lotto.“ schungen, somit wird es auch nie Text und Foto: Martin Batzel langweilig.“ 15 MENSCHEN
INHALTSVERZEICHNIS Jan Staudigl – eine Lietzer Erfolgsgeschichte aus Hohenwehrda und Bieberstein „Internat muss man erleben, um es zu verstehen“ Jan trägt nicht nach – das erleichtert den Einstieg in das Gespräch. „Aber bitte glauben Sie mir, ich war es damals nicht. Ich war jung, heute verstehe ich Ihre Verärgerung. Aber Sie waren im Unrecht.“ Die Entschuldigung seines ehema- wollte dort sein.“ Er entscheidet. see. Socken, Seife, Schokoriegel ligen Familienvaters, vor mehr als Seine Eltern überlassen ihm die – alles weg; die vielen Lollis, die einem Jahrzehnt stinksauer wegen Wahl, tragen den Entschluss mit. Jan in der Hütte zuvor kauft, sind eines Ereignisses bei einer Famili- Nach einem kurzen Aufenthalt im auch nicht mehr zu retten. Und drei enfahrt nach Heidelberg, nimmt Forsthaus wechselt Jan ins Neben- Tage in den Bergen liegen noch Jan ohne zu zögern an. Alles okay, haus. Sozialpädagoge Carsten vor der Gruppe. Man hilft sich, längst abgehakt. Es wird eine Hühn wird dort sein Familienvater. steht füreinander ein, teilt Deo und spannende Unterhaltung mit einem Die sehr gute Beziehung wirkt heu- Duschzeug, tauscht Kleidung („Von jungen Mann, der reflektiert über te noch nach, regelmäßig gibt es Andi Christel bekam ich einen sich, seine Schullaufbahn und sei- Kontakt. Seine Zeit in Hohenwehr- Pulli“), die Zahnbürste aber nicht. nen bisherigen Lebensweg spricht. da bezeichnet Jan als „aufregende Auch in den Bergen gibt es eine Jan Staudigl kommt im staatlichen Zeit eines Pubertierenden“; gerne Grenze, aber in der nächsten Hüt- Schulsystem mit 30, 35 Kindern in denkt er zurück an die unerlaubten te eine neue Zahnbürste. Andreas einer Klasse nicht klar; Jan ist ein Exkursionen ins Dorf Wehrda und Christel aus Bamberg und Jan Stau- aktives Kind. „Fünf von meiner Sor- an die nötige Vorsicht und aufge- digl aus Nürnberg wechseln spä- te damals in einer Klasse – dann brachte Mühe, „damit Herr Müller ter gemeinsam von Hohenwehrda ging nichts mehr und die Post ab.“ uns nicht erwischt“. Oder auch an nach Bieberstein; beide bestehen Wenn Jan Staudigl heute über sei- die mehrtägige Wanderung der dort ihr Abitur, ihre Freundschaft ne Zeit als junger Mensch redet, Klasse 9 G im Berchtesgadener besteht noch heute. Füreinander analysiert er selbstkritisch seinen Land. Jan wandert ungern, aber einstehen, Freunde fürs Leben ge- Weg von der Mittelstufe bis zum die Tour in den Bergen soll den winnen – auch das lehrt und bietet Abitur. Begleitet wird er dabei von Zusammenhalt der Klasse stärken das Internatsleben bei Lietz. den Pädagogen der beiden Lietz- und ist Teil des pädagogischen Internate Hohenwehrda und Bie- Konzepts des Lietz Internats Hohen- Jan gefällt es. Auch in Schloss Bie- berstein. „Ich war ein aufgeweck- wehrda. Gleich am ersten Tag ver- berstein erfährt er die Vorzüge und ter Junge, der nicht ins staatliche liert Jan seinen Rucksack – ob kurz Ansprüche des Internats. Natürlich Schulsystem passte. Dass ich kein vor oder hinter der „Saugasse“, gibt es Pflichten, die Vorbereitung schlechter Mensch bin, konnte ich einem sehr steilen Anstieg, weiß auf das Abitur fordert Einsatz und in beiden Internaten beweisen.“ er nicht mehr. An den Rest erinnert Disziplin. „Aber das Leben war Grundsätzlich empfiehlt er ein In- er sich gut. Die Gruppe macht auch unbeschwert, wir hatten ternat als Station im Leben, sagt Pause, Jan auch, im Moment der Spaß.“ Jan schlägt die Brücke von aber auch: „Es muss auf den Typ Unaufmerksamkeit passiert es. Sein seiner Internatszeit zu aktuellen Er- Mensch passen.“ Rucksack steht auf einer Plattform eignissen. Nicht nur in Zeiten wie nahe am Abgrund. Zu nahe. Ir- der Pandemie mit Kontakt- und Aus- Mit zwölf Jahren wechselt Jan ins gendetwas darin weckt das Inter- gangssperren, Sportverbot in der Lietz Internat Hohenwehrda, geht esse eines Hundes; ein neugieriger Öffentlichkeit, Versammlungsverbot in die 8. Klasse im Gymnasial- Stupser, noch einer – und der Ruck- bietet ein Internat viele Möglichkei- zweig. „Ich habe mich aktiv für sack rutscht über die Kante, fällt ten: „Immer ist jemand da, wenn Hohenwehrda entschieden, ich hunderte Meter in Richtung Königs- man reden will.“ Und wenn man 16 MENSCHEN
seine Ruhe sucht – auch okay. Lieblingsfächer sind Mathematik, „Sie“ eh komisch. „Wenn man zu- Die Jahre im Internat in zwei, drei er belegt den Leistungskurs. Physik, sammen ein Getriebe in ein Auto Sätzen zusammen zu fassen, sei Wirtschaftswissenschaften. Sport hebt, wäre es mir fremd, wenn schlichtweg nicht möglich. „Es war und Geschichte passen auch. man sich dabei siezt.“ eine geile Zeit. Wer das verstehen möchte, muss es erlebt haben.“ Jan „Für meinen Berufsweg habe ich Jan Staudigl ist heute ein junger denkt mit Wohlwollen zurück an das Abi nicht unbedingt benötigt.“ Mann, der sich gerne mit alten Hohenwehrda und Bieberstein. In Aber die Allgemeine Hochschulrei- Autos und alter Antriebstechnik be- Hohenwehrda wird die Basis ge- fe spart Zeit, hilft auch formal. Die schäftigt. Sein erstes großes Projekt legt, in Bieberstein aufgebaut und Handwerkskammer verkürzt die steht kurz vor dem Abschluss: Ein zum Abitur geführt. Zum Internat Ausbildung zum Kraftfahrzeugme- Golf der ersten Generation, Bau- in der Rhön fällt Jan Staudigl ein chatroniker um ein Jahr. Viel wichti- jahr 1974, mit Vergaser. Wie man ger: Jan kann schon, was einen solchen Vergaser einstellt, seine Mitauszubildenden lernt Jan weder in der Ausbildung erst noch mühsam üben noch beim Meisterkurs. Die Fähig- müssen. „Lernen zu ler- keit, wie man sich Wissen aneig- nen“ ist wesentlicher Be- net, lernt er als Lietz-Schüler. Noch standteil des Unterrichts so ein Vorteil. Das Vergasereinstel- in den beiden Internaten. len ist nun kein Problem. Im Jahr Betriebswirtschaftslehre, vor der Meisterprüfung liegt das Marketing, Buchhaltung Projekt „Golf I“ unvollendet in der in der Meisterschule lau- Werkstatt. Während der Woche fen gut. Jan ist gut vor- kümmert sich Jan um die Kunden- bereitet und besteht die autos, am Wochenende lernt er für Meisterprüfung mit der die Meisterprüfung. Der Golf war- Note 1,9. Der Meister- tet auf ihn zerlegt und gereinigt in brief hängt in seinem allen Einzelteilen. „Schon vor der Büro im Kfz-Betrieb seiner Schulzeit habe ich Dinge hinter- Eltern in Nürnberg. Jan fragt.“ Das Gros seiner Spielzeuge soll den Betrieb fortfüh- zerlegt Jan bis in die Kleinteile und ren. Seine Schwestern, baut sie wieder zusammen. Wis- Zwillinge und drei Jahre sen wollen, was drin sei, das ma- älter, haben andere Plä- che für ihn einen guten Kfz-Meister ne. Sie studieren Jura und aus. Der „Golf I“, ein Sammlerstück BWL. Sicher können sie mit 120 000 Kilometern auf dem mit Fachwissen unterstüt- Tacho, wird bei Jan bleiben. 150 zen, aber an den Autos bis 200 Arbeitsstunden stecken schraubt ihr Bruder. Es ist drin. Vielleicht wird aus dem Golf ein Familienunternehmen. ein Ausstellungsstück für den Ver- Jans Mutter arbeitet im kaufsraum. Auf die Straße kommt Stichwort ein: „Selbstständig wer- Büro, sein Vater kümmert sich um der Wagen nur bei 25 Grad den, Eigenverantwortung lernen Büro und Verkauf. Fünf Mechaniker Celsius und wolkenlosem Himmel. und übernehmen“ – für sich, sein arbeiten in der Werkstatt. Formal Ohne Ausnahme. Zimmer, seine schulische Leistung, hat Jan noch einen Vertrag als An- sein Leben. Auf Schloss Bieberstein gestellter, er wächst in die Rolle des Jan Staudigl ist 22 Jahre alt und lernt Jan auch, sich um seine Wä- Vorgesetzten hinein, auch wenn er vergeben. Seine Freundin und er sche zu kümmern. Da ist er 15. In über sich sagt: „Ich werde mit 22 möchten Kinder, aber noch nicht der E-Phase wohnt Jan bei Rainer Jahren nicht als Chef auftreten.“ heute und auch nicht morgen. Lange neben der Sporthalle; dann Seine Kollegen duzt er; das funktio- Würde er seinen Kindern ein In- wechselt er ins Schloss. „War be- niert, einer ist jünger, vier sind älter. ternat empfehlen? „Wenn sie die quemer.“ Die Wege sind kürzer. Sie respektieren seine Ansagen. gleiche Erfahrung machen wollen Renate Thomale wird seine Fami- „Auf Bieberstein habe ich die Leh- wie ihr Papa, dann würde ich sie lienmutter und hat maßgeblichen rer auch geduzt und gelernt, dass bei diesem Plan unterstützen. Ja.“ Anteil am Erfolg: „Sie hat mich mo- ein ‚Du‘ nichts mit Respektverlust zu Text: Martin Batzel tiviert, das Abi zu schaffen.“ Seine tun hat.“ In der Werkstatt sei ein Foto: Jan Staudigl 17 MENSCHEN
INHALTSVERZEICHNIS Diplom-Sozialpädagoge Carsten Hühn: Seit zehn Jahren in Hohenwehrda Ein Lebenslauf muss nicht mit dem Lineal gezogen sein Die Pläne sehen anders aus, aber dann kommt die Anfrage: „Können Sie sich vorstellen, intern zu werden?“ Carsten Hühn kann, möchte die Entscheidung für ein neues Lebensmodell aber mit seiner Frau absprechen. Zwei Stunden später ruft sie zurück – geht nicht vorher, sie befindet sich in einem Meeting – und sie stimmt zu. Das Ehepaar Hühn mit Hund der Grundstein gelegt worden An seine erste Abfahrt erinnert zieht ein ins Lietz Internat Hohen- ist für das, was sie heute sind.“ er sich gut, aber auch an seine wehrda. Zehn Jahre ist das her, Carsten Hühn formt in den zehn Glücksgefühle, „wenn alle Kinder Carsten Hühn feiert in diesem Jahr Jahren Lietz-Lounge und Billard- und ich nach einer Woche im sein Betriebsjubiläum. raum zu einem sozialen Treffpunkt; Schnee gesund und ohne Brüche er überwindet seine Ängste und wieder im Bus nach Hohenwehr- Fünf Jahre wohnt die Familie im da saßen“. Nebenhaus, betreut eine Jun- genfamilie, wird wegen der Zwar wohnt Carsten Hühn inzwi- Mischung aus Verständnis, kla- schen mit seiner Familie wieder in rer Ansprache und Geduld ge- Hünfeld, doch er springt immer schätzt. „Mir ist wichtig, dass wieder ein, wenn in Hohen- die Kinder, mit denen ich zu- wehrda Familienarbeit zu sammenarbeite, sagen: Der übernehmen ist, schätzt Hühn ist korrekt.“ die Abwechslung, die ihm seine Aufgabe bietet. Zu Beginn seiner Zeit in „Man kann in Hohen- Hohenwehrda trägt Cars- wehrda seine Interessen ten Hühn die Haare schul- einbringen, sich verwirkli- terlang. Mit der Zeit werden chen. Jeder Tag bringt eine sie kürzer, der Bart bleibt. Vor neue Herausforderung.“ etwas mehr als zehn Jahren steigt er für wenige Wochen mit Die Kinder spüren: Carsten einer Teilzeitstelle ein, wird Pate Hühn versteht sie, kennt manche im Forsthaus, dann kommt der ihrer Nöte und vielleicht auch Anruf und der Umzug ins Neben- Zweifel aus eigener Erfahrung. haus. Zu einigen der Jungs, die steht mit Mitte 30 erstmals auf Mit 16 geht er von der Schule ab, Carsten Hühn in den fünf Jahren Skiern. Auf dem Südtiroler Berg ihm genügt die mittlere Reife. Vor- als Mentor betreut, hat er heute Plose, seit Jahrzehnten Ziel der erst. „Ich hatte damals keine Lust noch gute Kontakte, sieht ihren Hohenwehrdaner Wintersportex- auf Schule, wollte etwas lernen, Werdegang mit großem Interes- kursionen im Februar, lernt Hühn Geld verdienen.“ Carsten Hühn se. „Es tut gut und ist schön zu se- die Koordination von Stöcken und absolviert eine Ausbildung zum hen, was aus ihnen geworden ist; Brettern. „Ein tolles Erlebnis.“ Maler und Lackierer. „Ich wollte zu spüren, dass in Hohenwehrda auch immer etwas mit Menschen 18 MENSCHEN
Am Schachspiel, das er schon früh für sich entdeckt, reizt ihn: „Man ist ganz bei sich.“ In der Schachgilde, die Carsten Hühn in Hohenwehrda leitet, macht er die Erfahrung: „Auch Schüler, die mo- torisch unruhig sind, werden beim Schach ruhig, sind voll auf das Spiel und die Züge konzentriert.“ Später klopft er Doppelkopf, po- kert, räumt bei Preisskat-Turnieren ab. Dafür bleibt heute wenig Zeit – Familie, Beruf, Autos rücken in den Vordergrund. Auf die Frage machen, aber mit 16 ist die Ein- Er pflegt und hegt die Fahrzeuge. nach drei Wünschen muss Cars- sicht nicht da, dass dies nur über „Das ist ein schöner Ausgleich.“ ten Hühn nicht lange nachden- die Schule und Abschlüsse geht.“ Der Stolz seiner Fahrzeugflotte: ken: „Dass mein Sohn gut gelingt; Auch beim Teenager mit Wurzeln Ein E30 Baur Cabrio, grau, Bau- Gesundheit für meine Familie und in Osthessen ist dies ein Prozess, jahr 1983. Mit viel, viel Chrom. dass meine Arbeit als Sozialpäd- an dessen Ende er feststellt „In der „Der hat viel Fläche, die ich put- agoge positiv wirkt.“ Ausbildung habe ich gemerkt, zen muss.“ Text und Fotos: Martin Batzel dass Schule doch seinen Reiz hat. Und ich habe profitiert da- von, dass unser Bildungssystem offen ist und man Interessen, die sich mit der Zeit entwickeln, auch später verwirklichen kann.“ Nach dem Fachabi mit Schwerpunkt So- zialwesen folgt das Studium und der Abschluss als Diplom-Sozial- pädagoge. Carsten Hühn ist 43 Jahre alt. Wenn er heute mit Schü- lern über ihre Entwicklung spricht, dann kennt er manche ihrer Ängs- te, Unsicherheiten, Zweifel, man- chen Ärger und Frust aus eigener Erfahrung. Ein Lebenslauf muss nicht mit dem Lineal gezogen sein, um als erfolgreich zu gelten. Familie, Kind, Hund, Schach, alte BMW – damit gestaltet Carsten Hühn seine Freizeit. Vier Wagen, darunter zwei Cabrios, stehen da- heim in den Garagen in Hünfeld. 19 MENSCHEN
INHALTSVERZEICHNIS Geschichten aus dem Berufsleben des Hohenwehrdaner Kochs Wilbert Isslei „Isi“ ist Rentner, ihm geht’s gut Auf der Rückseite der Ansichtskarte aus Ibiza steht in jugendlicher Handschrift eine Wertschätzung mit Augenzwinkern: „Ob Spinne, Ratte oder Maus – „Isi“ macht einen Hamburger draus.“ Wilbert Isslei, in Hohenwehrda, ich mir einen Traum erfüllt.“) will die Küche, bevor nicht aufgeräumt im Haunetal und für diejenigen, bewegt werden, ebenso das ist.“ Niemals, ohne Ausnahme. die ihn kennen, kurz „Isi“, freut E-Bike; 1.800 Quadratmeter ist Das gilt für „Isi“ und auch seine sich auch heute noch über die das Grundstück mit Haus und Gar- Frau Ulrike. Wer kocht besser? Urlaubsgrüße ehemaliger Schüler ten groß. Die Hütten darauf baut er Ulrike Isslei bekennt: „Mein Mann. des Lietz Internats Hohenwehrda. selbst, die Anlage mit vielen We- Meistens fange ich an, dann steigt Er hebt die Karten auf in seinem gen, Rasen und einem Nutzgarten er mit ein.“ Es gibt wenige Ausnah- kleinen Privatarchiv mit Fotos und legt er in Eigenarbeit an. Seine Be- men: An Bolognese-Soße gehe er Texten von Buffets und Schulfesten, schäftigung im Winter: Bücher le- nicht dran, an die Schweizer Spe- von Schul-Fahrten nach Südtirol sen, Ski alpin und Langlauf – auch zialität „Älplermaccaroni“ auch zum Skifahren auf der Plose, hu- auf selbstgespurten manitären Touren mit Kleider- und Loipen im Haune- Sachspenden zu einer befreun- tal und der Rhön. deten Schule in Slowenien und nach Rumänien. Im Oktober ver- Wie früher in Ho- gangenen Jahres geht „Isi“ in den henwehrda gilt Ruhestand – nach 34 Jahren und heute am Herd im sechs Monaten als Küchenchef in Eigenheim in Hau- Hohenwehrda. netal-Neukirchen: Am Ende des Ta- Ihm geht es gut als Rentner, er ges muss die Kü- hat wenig Zeit und viel zu tun. che sauber sein. Das Wohnmobil („Damit habe „Keiner verlässt Vorbereitung zum Weihnachtsessen, 1998 20 MENSCHEN
nicht. Die isst er aber gerne; eben- Schluss in Mainz. Reicht auch. nach Geschlechtern. Ist damals so Rindfleisch mit Meerrettichsoße; „Isi“ fährt danach Bahn und mit halt so. „Isi“ aber schmiert erst Fisch in allen Variationen, Steak dem TEE „Rheingold“, einem Schinkenbrote, dann den Nacht- und Salat gehen auch immer. Die 1.-Klasse-Barwagenzug, quer wächter. So funktioniert’s. Am 14. Arbeitsteilung setzt sich bei der durch Europa. Stationen sind August 1987: Uli und „Isi“ heira- Gartenarbeit fort: „Ich hacke die Frankfurt, Amsterdam, München, ten. Den zwölf Jahre dauernden Löcher, meine Frau wirft die Kartof- Genf, Brüssel, Paris – zweimal in Anlauf bis zur Hochzeit erklärt feln rein, ich schaufele wieder zu.“ der Woche. 05.00 Uhr Abfahrt Wilbert Isslei so: „Wir hatten doch vorher keine „Isi“ und Ulrike har- Zeit.“ Und was ist monieren, kennen mit seinem Ziel, die sich seit 46 Jahren. Welt zu erkunden? Als Rentner sei er gut „Das geht solange zu ertragen, sagt sie gut, bis die Liebe über ihren Mann. kommt. Dann sind Manchmal besser dir die Füße und als vorher. Das soll Hände gebunden.“ er aber nicht hören. Er sagt: „Frau, wenn Sein berufliches es jetzt nicht klappt, Nomadenleben dann wird es eh endet am 1. April nichts mehr.“ 1986. „Isi“ wird sesshaft und mit 28 Raus aus Wehrda, Jahren Küchenchef die Welt kennen in Hohenwehrda. lernen. Das ist sein Zehn Frauen und Ziel als junger ein Mann arbei- Mann. Wilbert Isslei ten damals im Un- kocht nach seiner tergeschoss des Ausbildung in Bad Schlosses. Moder- Salzschlirf auch im nisierungen und Kensington Hilton in der Einsatz neuer London und 1978 Maschinen führen im Hilton in Mainz dazu, dass die beim Staatsbesuch Mitarbeiterzahl der Königin von sinkt. Geht aber England. 300 Kör- nicht anders. Was be Spargel, 250 Liter Soße Hol- Frankfurt Hauptbahnhof, 21.55 macht einen guten Küchenchef landaise, 6000 Kartoffeln wer- Uhr Ankunft München, Eintritt ins aus? „Ausgeglichenheit, Loyalität, den tourniert, 1200 Gäste sind Hofbräuhaus spätestens 22.25 Teamgeist, Menschen motivieren im Mainzer Schloss. Während Uhr. Die Taktung damals ist eng. zu können – und wenn es auch der Zeit in Mainz holt er sich Auto- mal lauter wird. Doch man besteht gramme der Sänger Udo Jürgens, Die entscheidenden Stationen nur als harmonisches Team.“ Peter Maffay, Roland Kaiser und des Fahrplans seines Lebens ruft Roger Whittaker, haut für den „Isi“ problemlos ab: Geboren am Nach 34 Jahren und sechs Mona- hungrigen Schlagersänger Rober- Pfingstsamstag 1958 in Haunetal- ten ist im Oktober 2020 Schluss, to Blanco („Ein bisschen Spaß Wehrda; Sommer 1975: Uli und bedingt durch Corona gibt es nur muss sein“) sechs Hummer in die „Isi“ lernen sich kennen. Beide ar- einen leisen Abschied. Pfanne und trifft beim Abräumen beiten bei der Bahn, er als Koch, des Fischbuffets die Discogruppe sie als gelernte Hotelfachfrau. Bei Im Fotoalbum in „Isis“ kleinem Pri- Boney M. Deren Sängerin Liz Mit- den Freischichten zwischen zwei vatarchiv klebt neben der Karte chell ist spät dran und bedankt Fahrten schlafen sie im Wohnheim aus Ibiza noch eine aus Madrid. sich bei ihm für das Warten mit am Frankfurter Hauptbahnhof, die Auf ihr steht: „I miss your cooking.“ einem gehauchten Wangenkuss. Männer im rechten Gang, die Text: Martin Batzel Nach drei Karnevalsaisons ist Frauen im linken, streng getrennt Fotos: Uli Mayer, Martin Batzel 21 MENSCHEN
INHALTSVERZEICHNIS Hanna Bailly verlässt Hohenwehrda mit dem Fachabi – ein Blick zurück auf fünf Jahre Lietz Kurze Wege zum Erfolg Hanna Bailly, im Dezember 2001 geboren in Kairo, aufgewachsen in Hanau, kam im März 2016 ins Lietz Internat Hohenwehrda. Vor wenigen Tagen bestand sie ihr Fachabitur mit Schwerpunkt Sozialwesen. Im Gespräch blickt Hanna zurück auf ihre Zeit in Hohenwehrda. Herzlichen Glückwunsch zum Und nach Neuseeland, dem 2016 bist du nach Hohenwehrda Fach-Abi, wie zufrieden bist du 1. Teil der großen Freiheit… gekommen – wie siehst du deine mit dir und deinen Leistungen? „…planen wir sechs Monate in persönliche Entwicklung? „Ich habe das Beste gegeben, Australien.“ „Auf dem Campus ist es natürlich eine Zwei vor dem Komma, aber etwas enger, daheim kann ich den die Abiprüfungen waren schwe- Also Teil 2 der großen Freiheit: Menschen eher aus dem Weg ge- rer, als ich erwartet habe.“ Gibt es dort nicht viele giftige und hen. Das ist hier manchmal etwas gefährliche Tiere? schwieriger. Aber man kann es Sechs Jahre lang war Hohen- „ Ja, und ich habe Angst vor Spin- natürlich auch so sehen: Man fühlt wehrda dein zweites Zuhause. nen. Aber manchmal muss man sich nie alleine. In Hohenwehrda Wie stark sind die Erinnerungen sich seinen Ängsten eben auch habe ich gelernt, richtige, tiefge- an deinen ersten Tag in Ho? stellen.“ hende Freundschaften aufzubau- „Ich erinnere mich sehr gut. Wir en. Im schulischen Bereich wurde durften unsere Handys nicht he- Und nach Australien folgt die ich zielstrebiger, habe Erfolge rausholen, im ersten Unterrichts- große Freiheit Teil 3 oder der Ein- gespürt. Daheim habe ich für die block am Montag stand ich erst stieg ins Berufsleben? Schule gelernt, aber keine Erfolge alleine da. Aber das war schnell „Der Einstieg ins Berufsleben, so gesehen. Das wurde hier in Ho- vorbei, nach zwei Tagen kannte ist der Plan. Eine Option ist der henwehrda anders.“ ich jeden. Mit solch einer Situati- Bereich Mode & Design und zu on hatte ich noch nie Probleme.“ einem späteren Zeitpunkt der Ein- Hat dabei die engmaschige Ver- stieg in die Modefirma meiner knüpfung von Leben im Internat Nach dem Fachabi kommt nun Eltern; oder eben ein Beruf im Be- und Schule geholfen? die große Freiheit? reich Theater und Schauspiel.“ „ Ja, sehr sogar. In der Staatsschu- „Ein bisschen schon, ja; aber erst- le schreibt man einem Lehrer eine mal werde ich arbeiten und mein Alles keine medizinischen oder Mail, bekommt später eine Ant- eigenes Geld verdienen. Das ist pflegerischen Berufe – an wel- wort. Meistens, manchmal auch mir sehr wichtig!“ cher Stelle hilft dir dabei das vielleicht. In Hohenwehrda sehe Fachabitur mit Schwerpunkt So- ich meine Lehrer jeden Tag, auch Und dann kommt die große zialwesen? wenn ich an dem Tag keinen Un- Freiheit? „Wir haben in der Zeit der Fach- terricht bei ihnen habe. Meine „Mein beste Freundin Tamina und oberschule sehr viel soziale Kom- Fragen werden also schnell be- ich planen ein halbes Jahr „work petenzen erlernt und geübt. Sozi- antwortet. Vielleicht wohnt mein and travel“ in Neuseeland. Ta- ale Kompetenzen benötigt man in Lehrer sogar auf dem Campus, minas Bruder war dort, er sagt, jedem Beruf. Mit der sozialen Aus- dann kann ich klingeln und mir dort ist der schönste Platz, den es bildung, die ich in Hohenwehrda wird geholfen. Außerdem habe gibt.“ erhalten habe, kann ich in viele ich hier kurze Wege und keinen Berufe gehen.“ Heimweg von der Schule zum 22 MENSCHEN
Wohnort. Alles ist an einem Platz. lich bei sich haben. Aber ab ei- Die Struktur war für mich optimal, nem gewissen Alter würde ich, dadurch habe ich gelernt, Schule wenn es mir wirtschaftlich möglich und Freizeit in ein Gleichgewicht wäre, meinen Kindern einen Platz zu bringen.“ im Internat ermöglichen. Also lau- tet die Antwort auf die Frage: Ja. Wenn du deine Entwicklung in Denn im Internat findet man Freun- den fünf Jahren, in denen dich de fürs Leben.“ die Pädagogen in Hohenwehrda begleitet haben, beschreiben soll- Wenn die Feier vorbei ist, der test – welche Worte findest du? erste Abschieds-Blues sich gelegt „Als ich mit knapp 14 Jahren hat – was wirst du am meisten nach Ho kam, war ich ein junger vermissen? Mensch, vielleicht sogar ein we- „Den im Sommer herrlichen Swim- nig naiv. Aber immer herzlich. Ich ming-Pool. Und: Wenn man mit habe im Laufe der Jahre gelernt, einem Lehrer sprechen möchte, Dinge zu hinterfragen.“ dann klingelt man einfach an sei- ner Tür und fragt, ob er Zeit hat. Nehmen wir an, du sitzt in Neu- Und die Struktur im Tagesablauf seeland an der Küste und sollst werde ich sehr vermissen. Klar einem Menschen dort das Lietz nervt die einen manchmal auch, Internat Hohenwehrda in einem doch habe ich gelernt: Struktur Satz beschreiben. Wie sähe der hilft uns dabei, die gesteckten Zie- Satz aus? le zu erreichen. Hohenwehrda hat „Ich lebe in meiner Schule – und mich auf mein Leben vorbereitet das gerne.“ und dafür bin ich dankbar.“ Text: Martin Batzel Wenn du Kinder hättest, würdest Foto: privat du ihnen ein Internat empfehlen? „Natürlich möchte jede Mutter ihre Kinder so lange wie mög- FOS Sozialwesen Schülerinnen und Schülern mit einem Fachabi in der Fachrichtung Sozialwesen stehen verschiedene Wege offen – darunter ein Studium an einer Fachhochschule (beispielsweise Betriebswirtschaftslehre, Pflege- und Gesundheitswissenschaften, Soziale Arbeit, etc.); Berufsausbildungen im dualen System; eine schulische Ausbildung (beispielweise Erzieher/in, Ergotherapeut/in, Heilerziehungspfleger/in, Logopäde/in) 23 MENSCHEN
INHALTSVERZEICHNIS Familienabende der Schlossmädchen – Ziel: „Weg vom Konsum“ Von Henna-Händen, Kunst in Schwarz und Lieblingsplätzen Kleine Bilder, große Wirkung, klares Statement – aber leider nur für zwei Wochen. Dann sind die Henna-Motive auf Händen und Füßen durch den Gebrauch von Wasser und Seife schon wieder verschwunden. Doch der Spaß und die Erinnerung Schwanz die Möglichkeit, ihre „Kunst über Kunst – an einen kreativen Familienabend Perspektive exemplarisch darzustel- Acryl auf Vinyl“ mit hautverträglicher Farbe und len und selbst zu ergründen, was Klar ist das Kunst und kommt auf Fröhlichkeit bleibt. Die kunstvolle „ihr Internat“ ausmacht. Auch Fra- keinen Fall weg! Sondern an die Bemalung von Händen, Füßen und gen wie „was möchte ich gerne Wände im Mädchenbereich der Armen sorgte in Corona-Zeiten für verändern“ leiteten die erstellten Schlossetage. Motto des Abends: einen stimmungsvollen Abend – Fotos. „Großartige Eindrücke, die „Kunst über Kunst – Acryl auf Vi- entsprechend gab es dazu die besonders die Natur hervorheben nyl“. Ziel des Abends: „Weg passende Musik von Madonna. und das Bewusstsein dahingehend vom Konsum, hin zur Kreativität.“ Denn die Pop-Queen brachte den erweitern, sind daraus entstan- Inspiriert von femininen Deutsch- Trend der Henna-Bemalung in den den“, sagte Kim Sippel bei ihrem Rap-Klängen veredelten die Schü- 90er Jahren in die westlichen Kul- Abschied am Ende ihrer Anerken- lerinnen mit ihrer Internats-Famili- turen. Seinen Ursprung hat die Ver- nungszeit zur Sozialpädagogin. enmutter die Langspielplatten aus zierung mit Ornamenten als Braut- Gemeinsam mit Katrin Schwanz der Zeit lange vor „Spotify“ und bemalung und Teil des islamischen und der Familienpatin Verena Soundkarten mit persönlichen Hochzeitsrituals. Schwarz gestaltete sie den kreati- ven Abend. Sichtbar werden Spaß Lieblingsorte in Hohenwehrda und Kreativität in der Collage, wel- „Altes“ wird neu entdeckt, die che nun den Familienbereich im künstlerische Ader ausgelebt, die Mädchenstockwerk schmückt. eigene Perspektive verwirklicht: Wo bin ich gerne, wo ist mein Frauenpower mit Flowerpower Lieblingsort in Hohenwehrda? Markenklamotten sind vielleicht Bei einem gemeinsam gestalteten angesagt und mega-cool; doch Fotoprojekt nutzten die Schülerin- „selber machen“ ist mindestens nen der Internatsfamilie von Katrin ebenso cool. Dazu noch eine bunte Mischung aus Kreativität, Spontaneität und die richtige „Mu- cke“ – dann gibt‘s sehenswerte Er- gebnisse und schöne Stunden: Mit vielen Farben und Ideenreichtum Motiven und Mottos. „Es war ein gestalteten die Schlossmädchen unvergesslicher Abend mit viel ihre T-Shirts, indem sie zuvor inein- Inspiration, Kreativität, künstleri- ander gedrehte Stoffe mit mutigen schem Geschick und noch mehr Farbkombinationen überschütteten. Spaß“ sagte Lietz-Lehrerin Katrin Eine Stunde warten, dann war das Schwanz. Ergebnis sichtbar. In Zeiten der Texte: Katrin Schwanz, Kim Sippel, Martin Batzel Pandemie kann es auch beim Klei- Fotos: Katrin Schwanz dungsstil mal bunter werden. 24 PROJEKTE
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