LINZER HAFENGALERIE - 2 Euro - Arge für Obdachlose
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Arge für Obdachlose Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten Ausgabe 203 ı JUNI 2019 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis 2 Euro LINZER HAFENGALERIE
IMPRESSUM LESERBRIEFE UND REAKTIONEN Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur Kann man wirklich arm sein? schäftigt-Sein verlieren wir uns an materielle Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder Dinge und äußere Einflüsse und vergessen unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich Was bedeutet Armut für uns? als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen. dabei die Beziehung zu uns selbst und unseren Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben Mitmenschen. Ich glaube, wir müssen wieder dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge- schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene Für die meisten Menschen bedeutet »arm lernen, auf uns selbst zu hören, einen Raum bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach- sein«, nicht viel Geld zu haben. Somit drängt der Stille zu schaffen und zuzuhören, was lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion. diese Definition arme Menschen an den Rand diese Stille uns erzählt. Wir beschäftigen uns unserer Gesellschaft. in unserem Leben viel zu sehr mit unserer Redaktion Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020 Vergangenheit oder unserer Zukunft, sodass Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob- Die Definition von Armut entsteht also in un- wir den wichtigsten Moment unseres Lebens dachlose.at, www.kupfermuckn.at seren Köpfen, indem wir uns ein duales Ge- völlig ausser Acht lassen: den jetzigen Augen- Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos: dankenmodell zurechtlegen und uns anmaßen, blick. Wenn wir es schaffen, unsere Vergan- Heinz Zauner (hz), Chefredakteur erklären zu können, was »arm sein« bedeutet. genheit sein zu lassen, wie sie ist, und uns Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion nicht ständig ausmalen, wie unsere Zukunft Jedoch können wir nur definieren was Armut Daniel Egger (de), Redaktion und Vertrieb Walter Hartl (wh), Layout, Technik ist, weil wir anhand unserer dualen Denkmo- aussehen könnte, und stattdessen ganz be- delle glauben zu wissen, was Reichtum ist. wusst den jetzigen Moment betrachten, dann Redakteure: Angela, Anton, Anna Maria, August, Bertl, Solange also unser Denkmodell von »arm und eröffnet sich uns ein grenzenloses Gefühl von Christine, Claudia, Georg, Helmut, Heiku, Johannes, Manfred R., Manfred S., Manfred F., Sonja, Ursula, reich« ausschließlich an finanziellen Aspekten Freiheit, jenseits von arm und reich, gut oder Walter festgemacht wird, werden diejenigen, die schlecht. nicht viel Geld haben, sich selbst auch als arm Titelfoto (hz): Graffiti Mural Harbor Auflage: 31.000 Exemplare bezeichnen oder sehen. Auch ich befinde mich Finanzielle Armut kann somit eine enorme in einer Armuts-Situation. Das heißt, ich muss Chance für dich sein, dein Leben grundlegend Bankverbindung und Spendenkonto mit wenig Geld meinen Lebensunterhalt be- zu überdenken, deine festgefahrenen Gedan- Arge Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020 Linz streiten. Als arm sehe ich mich dennoch in kenmuster zu überprüfen und somit für dich IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L keinster Weise. Im Gegenteil. selbst eine Welt zu erschaffen, in der es un- Ausgabe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck wichtig ist, wieviel Geld du hast oder wieviele Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel- Seit ich 2018 meinen Job verlor und plötzlich Dinge du besitzst! Und dann entsteht das Ge- punkt in Oberösterreich haben, können sich Montag bis Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei den Ausgabestellen gar nichts hatte, begann ich mir selbst Fragen fühl, sich trotz gesellschaftlicher Definition melden und erhalten einen Verkäuferausweis. 50 Pro- zu stellen und machte mir Gedanken über das, von Armut reich zu fühlen. Innerer Reichtum, zent des Verkaufspreises verbleiben den Verkäufern. was man im Leben wirklich braucht und ob die gedankliche Freiheit zu haben, mich nicht Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel., das, was uns die Gesellschaft als wünschens- mehr an meine Vergangenheit zu klammern 0732/770805-19 wert und begehrenswert darstellt, nicht eher und mich nicht mehr um meine Zukunft zu Soziales Wohnservice Wels, E 37, Salzburgerstraße 46, eine Illusion ist denn die Realität. In der heuti- sorgen. Denn es sind und bleiben letztendlich 4600 Wels, Tel. 07242/290663 Verein Wohnen Steyr, B 29, Hessenplatz 3, 4400 Steyr, gen Welt gibt es viele Verlockungen und mate- nur Gedanken, die mein Kopf erzählt, und die Tel. 07252/50 211 rielle Dinge, die wir konsumieren können, nur mich von genau dem abhalten wollen, was Verein Wohnungslosenhilfe Mosaik, Gmundner Straße um uns scheinbar ein Stückchen zufriedener mein Leben eigentlich ausmacht: der jetzige 102, 4840 Vöcklabruck, Tel. 07672/75145 und erfüllter zu fühlen. Wir bauen, wenn man Moment. Armut ist somit nichts anderes, als Medieninhaber und Herausgeber so will, zu den Dingen eine Beziehung auf, die ein einfaches Leben, ein Leben in Einfachheit, Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit- aber niemals lange hält. Durch das immer und alles andere als etwas, wofür man sich zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11, 4020 Linz, www.arge-obdachlose.at fortwährende Konsumieren und dauernde Be- schämen muss! Bernhard Albin International Die Kupfermuckn ist Mitglied beim »International Network Achten Sie bitte auf den Verkaufsausweis of Street Papers« INSP www.street-papers.com Liebe Leserinnen und Leser! Bitte kaufen Sie die Kupfermuckn ausschließlich bei Verkäuferinnen und Verkäufern mit sichtbar getra- genem und aktuellem Ausweis. Nur so können Sie sicher sein, dass auch wirklich die Hälfte des Ertra- ges der Zielgruppe zugute kommt. Das sind Wohnungslose und Men- schen, die in Armut leben und ih- ren Lebensmittelpunkt in Ober österreich haben. 2 06/2019
Lieber reich und gesund, als arm und krank Menschen in schwierigen Lebenslagen kämpfen oft an mehreren Fronten Lähmungserscheinungen aufgrund ten würde eine Umpolung von Linkshänder lich ist mir bewusst, dass ich mit meinen vie- auf Rechtshänder mindestens drei Jahre dau- len Diagnosen keine hundert Jahre alt werden einer Nervenschädigung ern. Zur Zeit bin ich dabei, die einfachsten kann. Und hier in Österreich kann ich es nicht Dinge mit meiner rechten Hand zu erledigen annähernd schaffen. Als ich damals in die Bis vor wenigen Monaten hätte ich mir nie und dadurch die Feinmotorik zu trainieren. Sucht schlitterte, war ein ähnlicher Unfall der träumen lassen, dass sich durch ein kleines Das empfinde ich als extrem anstrengend. Die Auslöser. Damals konnte ich noch nicht ah- Missgeschick mein ganzes Leben auf den Ärzte sehen gute Chancen, dass sich meine nen, dass dies vom Zeitlichen her jetzt schon Kopf stellen würde. Ich werde an folgendem linke Hand in den drei Jahren gut erholen mein halbes Leben in Anspruch nehmen Beispiel anführen, was ich damit meine: Ich wird. Somit habe ich Glück. Ich werde kein würde. Und wenn ich schätzen müsste, wird war in einem Rauschzustand. Als ich ein- dauerhafter Rechtshänder bleiben. Ich bin dies nicht das Ende meines Leides sein. Ich schlief, hatte ich eine richtig beschissene dankbar für diese Prognose. Und ich bin bin davon überzeugt, dass ich alles, was in Schlafposition. Die Durchblutung meiner lin- glücklich, dass die Selbstheilungskräfte mei- meiner Macht stand, getan und alle Mittel aus- ken Hand war stark beeinträchtigt. Lähmungs- nes Körpers immer noch da sind. Auch nach geschöpft habe, um hier in Österreich meine erscheinungen waren die Folge, die aufgrund diesen drei Jahren werde ich als Suchtkranker Genesung voranzutreiben. Jetzt werde ich ver- einer Nervenschädigung dauerhaft sind. Es mein Leben lang invalid bleiben. Aber die suchen, im asiatischen Raum Hilfe zu suchen wäre nicht ganz so dramatisch, wenn ich nicht Aussichten, meine linke Hand wieder wie ge- – was sowohl meine linke Hand angeht, als Linkshänder wäre. Laut der Aussage von Ärz- wohnt benutzen zu können, sind gut. Natür- auch meine Suchterkrankung. Dieser Gedanke 06/2019 3
Ich musste sehr oft hineingehen. Dann dauerte es immer mindestens eine Woche, bis ich es wieder verlassen durfte. Irgendwann fragte ich eine Schwester, ob ich nicht einen Melde- zettel haben könnte, da ich hier schon den Hauptwohnsitz anmelden könnte. Diese musste erst einmal lachen und meinte dann, dass dies nicht ginge. »Na gut, dann halt nicht«, dachte ich mir und nahm dies nicht weiter tragisch. In der Schmerz-Ambulanz blieb ich nach meinen Aufenthalten eine Weile Dauergast, da mein Hausarzt sich weigerte, mir mein notwendiges Morphium nachzufül- len. Etwa zwei Jahre später wechselte ich dann zu den »Barmherzigen Schwestern«, da ich mich dort besser aufgehoben fühlte. Die Ärzte und auch das Pflegepersonal waren freundlich und hilfsbereit. Ich gehe nicht sehr gerne ins Spital, nur, wenn es unbedingt sein muss. Demnächst muss ich wegen einer Au- genoperation wieder ins Krankenhaus. Seit etwa zehn Jahren kann ich nur noch auf einem Auge wirklich gut sehen. Lange Zeit habe ich einen Termin beim Augenarzt vor mir herge- schoben. Ich hatte einfach Angst, dass ich da- nach gar nichts mehr sehen könnte. Doch im Angela musste aufgrund ihrer MS-Erkankung und nach der Hüftoperation auf Reha. Foto: dw vergangenen Sommer musste ich hingehen, denn ich bemerkte, dass der »Graue Star« nun kommt nicht von irgendwoher. Ich habe es – alles ist mühsam. Ich war bis Dezember auch meinem zweiten Auge schwer zu schaf- genau durchkalkuliert. Die Voraussetzungen 2015 LKW-Fahrer und verlor meine Arbeit fen machte. Irgendetwas in mir sagte: »Wenn für eine Heilung sind im schwülen Klima Süd- aufgrund meiner Rückenprobleme. Die lan- du nicht bald gehst, wirst du immer schlechter asiens sehr gut. Die hohe Luftfeuchtigkeit von gen Fahrten von Wels nach Deutschland wa- sehen.« Also suchte ich mir einen Arzt im In- bis zu 95 Prozent führt dazu, dass die meisten ren so schmerzhaft, dass ich es irgendwann ternet heraus. Ich rechnete mit mindestens Giftstoffe sehr schnell ausgeschwitzt werden. nicht mehr ausgehalten habe. Das körperliche drei Monaten Wartezeit, doch ich wurde posi- Zudem ist die Umgebung bei weitem nicht so Leiden hatte dann auch Auswirkungen auf tiv überrascht. Es dauerte nur fünf Tage, bis feindselig, wie ich es hier empfinde. Zu guter meinen seelischen Zustand. Dreimal wurde ich hingehen durfte. Nach eingehenden Unter- Letzt bin ich auch der Meinung, dass ich mein ich bereits in der Nervenklinik aufgrund mei- suchungen erklärte mir der Arzt, dass es heut- Leben wieder auf die Reihe bekommen kann, ner wirklich schweren Depressionen behan- zutage kein Problem mehr sei, das vermeint- wenn ich mein »altes Team«, aber vor allem delt. Ich habe in meinem Leben alles verloren: lich blinde Auge zu heilen. Na gut, ganz blind meine Lebensabschnittspartnerin wieder sehe. Meine Ehe ging in die Brüche, mein Haus war es ja nicht, immerhin konnte ich hell und Ich werde mich in einem Land behandeln las- habe ich schon vor langer Zeit verloren, dunkel unterscheiden. Doch was ist das für ein sen, das für seine Mentalität und Neutralität ebenso meine selbständige Arbeit. Nun wohne Leben? Bisher ging es ja noch halbwegs. Mit bekannt ist und deren Ärzte unvoreingenom- ich im Obdachlosenheim. Tiefer kann es im einer Überweisung ging ich dann zu den men sind. Mike (Steyr) Leben wohl nicht mehr gehen. Gesundheit ist »Barmherzigen Brüdern«, wo ich einen Ter- mir im Moment aber das Wichtigste. Im Ob- min für die Voruntersuchung bekam. Diesen dachlosenheim gibt es einen Arzt, der zwei- nahm ich wahr, denn schließlich hatte ich wie- Der Arzt im Obdachlosenheim gibt der ein klein wenig Hoffnung auf ein halb- mal in der Woche zu uns kommt. Dort be- mir regelmäßig Schmerzmittel komme ich meine Schmerzmittel und notfalls wegs normales Leben. Die Ärzte erklärten mir auch eine Überweisung in ein Krankenhaus. alles und klärten mich auch über die Risiken Ich bin schon seit 25 Jahren zuckerkrank. Die Agim (Kupfermuckn-Verkäufer Linz) auf. Danach bekam ich noch zwei Termine. Krankheit ist schon so weit fortgeschritten, Der erste Termin wurde zur Katastrophe. Da dass ich spritzen muss. Vor allem leide ich nun ich aufgrund meiner Krebs-Behandlungen an meiner eingeschränkten Sehkraft. Zurzeit Während meiner Krebserkrankung schmerzempfindlich war, konnte keine Opera- bekomme ich regelmäßig eine Spritze in die musste ich oft ins Krankenhaus tion mit örtlicher Betäubung gemacht werden. Augen. Darüber hinaus machen mir auch an- Also hieß es, drei Wochen warten. Dann war dere körperliche Leiden das Leben schwer - Aufgrund meiner Krebserkrankung war ich es endlich soweit. Die Operation verlief gut. ich leide an ernsten Herzproblemen und an sehr oft im Krankenhaus. Als ich im April Ich konnte am Nachmittag wieder nach Hause kaputten Bandscheiben. Ich habe bereits vier 2008 ins Allgemeine Krankenhaus in Linz gehen. Nun kann ich wieder mit beiden Augen Stents in meinem Herzen. Cortison- und Mor- ging, hatte ich keine Ahnung, wie lange ich sehen. Ich bin glücklich. Danken möchte ich phiumspritzen helfen mir zeitweise, doch das drinnen bleiben müsste. Ich war mir sicher, an dieser Stelle den Ärzten, die mir geholfen ist immer nur ein Tropfen auf dem heißen dieses bald wieder gesund verlassen zu kön- haben. Ich bin sehr froh, dass wir hierzulande Stein. Oft kann ich weder liegen noch gehen nen. Doch das war nur ein Wunschgedanke. so ein gutes Gesundheitssystem haben und 4 06/2019
dass man, wenn es notwendig ist, jederzeit in wollte sie niemals wegen meines Geburtstags Physio- und Ergotherapie. Auch der Blutdruck ein Krankenhaus gehen kann, ohne dafür be- oder wegen Weihnachten verschieben. Alles wurde regelmäßig kontrolliert. Mir wurde zahlen zu müssen. Das soll auch so bleiben. gut gegangen. Zwei Monate später kam ich mehr Blut als gewöhnlich abgezapft. Neben Sonja für vier Wochen nach Wilhering auf Reha. Es den Besuchen meiner Frau hatte ich den gan- war sehr anstrengend, aber einfach toll! Nach- zen Tag nichts zu tun als zu faulenzen. Das dem ich bis auf einige Ausnahmen zwei Jahre einzig Positive an diesem Aufenthalt - abgese- Nach der Diagnose MS bekam fast nur gelegen bin, sprang ich mit den hen von der Umstellung - war, dass ich einen ich Interferon und Cortison Schmerzmitteln von Null auf hundert. Es wa- Reha-Antrag stellen konnte. Dieser wurde ren oft sechs Therapien täglich, aber ich nach den Feiertagen bewilligt. Ich bekam Ich habe seit vielen Jahren »Multiple Skle- machte kleine Fortschritte. Die Kraft- und letzthin einen Anruf von der Reha-Klinik in rose« (MS), doch ich hatte - wie bei vielen Wassertrainings, das Laufband und die Sturz- Enns, die mir mitteilte, dass mein Antrag ge- Sachen - viele Schutzengel, denn der erste prophylaxe waren gut, aber am Besten waren nehmigt wurde. Fast zeitgleich bekam ich im große Schub kam erst vor ein paar Jahren. Ich für mich die Physio- und Ergotherapie. Ich Jänner auch noch das Schreiben von der PVA. bekam nach der Cortison-Therapie gleich In- hatte bald Muskelkater und freute mich darü- In der Reha-Klinik werde ich mich ganz be- terferon, das ich aber nach einem Monat wie- ber, denn ich spürte wieder Muskeln, von de- stimmt wieder erholen. Walter der absetzte, da es mir so schlecht ging wie nen ich gar nicht mehr wusste, dass ich sie noch nie. Ich wurde dann so fit, dass ich sogar hatte. Und dann waren noch die entspannen- wieder das Eislaufen versuchte. Das ging den Dinge wie Moorpackungen, Hydrojet und Die Bitte nach Codein-Tropfen beim letzten Mal schief. Nach dem Sturz hatte Massagen. Mein Ziel, ohne Hilfsmittel zu ge- wurde brüsk abgelehnt ich plötzlich Probleme in der rechten Hüfte, hen, habe ich nicht ganz erreicht, doch den bei der die Schmerzen immer größer wurden. Rollator bin ich großteils los. Kleine Wege Neulich passierte etwas, das nicht hätte pas- Als ich im August wegen einer neuen gehe ich wieder mit Walking-Stöcken. Der sieren dürfen. Ich war der festen Meinung, Schmerzmedikation im Krankenhaus war, wichtigste Teil meines Genesungsprozesses mein Suchtgift-Rezept würde erst am Montag wurde ich wieder mit Cortison behandelt und war allerdings: Positives Denken und die Mo- ablaufen. Es war Freitag, da stellte ich mich bekam Physiotherapie, die wegen der Hüfte tivation dafür. Die bekam ich von meiner Fa- an, um meinen Schluck Gift zu mir zu neh- aber nur teilweise gemacht werden konnte. milie und guten Freunden von der Kupfer- men. Doch die Frau Magistra machte mir klar, Eine Untersuchung war nicht nötig, da die muckn. Ich musste auch viel Leid bei anderen dass mein Rezept bereits am Donnerstag ab- Schmerzen ja angeblich eindeutig von der MS Patienten mitansehen und gewann auch liebe gelaufen sei. »Das neue Rezept habe ich ja, stammten. Nach zehn Tagen Nervenklinik war Freunde. Und jetzt habe ich auch wieder mehr aber es ist noch nicht vidiert«, sagte ich ver- ich wieder zu Hause. Doch drei Tage später Lust am Leben, denn wie heißt es so schön: zweifelt. »Bringen Sie es trotzdem, vielleicht stürzte ich plötzlich und schaffte es nicht mehr Aufgeben kann man einen Brief, sonst nichts. lässt sich etwas machen«, sagte sie. Voller aufzustehen. Ich brauchte sehr lange bis ich Ich danke all jenen Menschen, die mir wirk- Hoffnung tat ich das, nur leider war zu dieser kriechend mein Handy erreichen und den Not- lich viel geholfen haben, von ganzem Herzen! Zeit das Gesundheitsamt bereits geschlossen. arzt rufen konnte. Gleich danach kam mein Angela »Ohne Rückendeckung können wir nichts ma- ältester Sohn, der Gott sei Dank noch nicht in chen. Tut uns Leid«, hieß es. Drei Tage ohne der Arbeit war, denn ich hätte niemandem die Polamidon – eine schreckliche Situation für Türe öffnen können. Die Erinnerungen sind Ich bekam Massagen, jeden, der von dem elenden Zeug abhängig ist. etwas verschwommen, doch ich wurde mit der Physio- und Ergotherapie Was tun? Noch dazu keine Ahnung, wo sich Rettung ins Krankenhaus gebracht, wo ich die Giftlerszene heutzutage befindet. Der erste gleich mit Antibiotika versorgt wurde. Diag- Ich war im Dezember 2018 für eine Woche Tag war nicht so arg. Wir suchten die Ret- nose: Lungenentzündung. Und wieder hatte wieder im Neuromed Campus. Der Grund: Ich tungsnotstelle auf. Doch der Arzt wollte kein ich Glück im Unglück, denn im Krankenhaus bekam letztes Jahr eine schlimme Diagnose: wie immer geartetes Rezept schreiben. Auch konnte ich die Ärzte überreden, meine Hüfte »Parkinson«. Deshalb habe ich mit dem Arzt die Bitte nach Codein-Tropfen wurde abge- zu röntgen. Nach dem Ergebnis bekam ich einen Termin vereinbart. Und so lag ich vor lehnt. Ich war mutlos und hatte Angst, der gleich einen OP-Termin und eine Liste mit Weihnachten in einem Zimmer im Kranken- Entzug würde schlimmer werden. Ein Telefo- Reha-Kliniken. Die erste Operation auf die haus. Ich wurde medikamentös neu einge- nat mit der Suchtstation in der Nervenklinik ich mich freute war am 17. Dezember. Ich stellt. Darüber hinaus bekam ich Massagen, verlief negativ. Wir fuhren trotzdem hin. Zu 06/2019 5
waren und mir schon so richtig schlecht war, ließ ich mich mit der Rettung ins Krankenhaus fahren. Zuerst kam ich in die Notaufnahme. Nach gründlichen Untersuchungen und einer Computer-Tomographie sagte die Ärztin, ich hätte eine beidseitige Nierenbecken-Entzün- dung und eine Harnwegs-Infektion. So wurde ich ins Ordensklinikum zu den »Elisabethi- nen« überstellt. Der Arzt, der mich dort auf- nahm, meinte, ich müsste diese Nacht bleiben und könnte wahrscheinlich am nächsten Tag wieder nach Hause. Daraus wurde aber nichts. Ich war zwei Wochen im Spital und wurde mit Antibiotika vollgepumpt. Ich war zum ersten Mal bei den Elisabethinen und bin begeistert von den Ärzten und dem professionellen Pfle- gepersonal. Sie waren alle recht freundlich. Trotzdem bin ich froh, dass ich nun wieder zu Hause sein darf. Manfred R. Rettung in letzter Not - ich lag zwei Wochen in der Wohnung Am Tag davor unternahm ich noch eine mehr- Kupfermucknverkäufer und Weitwanderer Johannes brach in seiner Wohnung zusammen. Er wurde nur deswegen stündige Wanderung. Am nächsten Morgen gefunden, weil er nicht mehr ins Verkäufer-Café kam und die Arge für Obachlose Nachschau hielt. Foto: hz konnte ich nicht aufstehen und kam nicht mehr aus dem Bett. Handy habe ich keines, meiner größten Überraschung fand sich ein auch noch nicht ganz da. Ich habe auch Übun- und so konnte ich keine Hilfe rufen, obwohl Arzt, der mir zuhörte. Schließlich, nach eini- gen für zu Hause mitbekommen. Diese werde mir in diesem Zustand ohnhehin schon alles gem Hin und Her, meinte er, ich könnte zwei ich nun weitermachen. Ohne Training und egal war. So lag ich zwei Wochen in der Woh- Tage stationär dort bleiben und so mein Pola- Disziplin geht im Leben eben nichts weiter. nung und habe nichts gegessen. Zum Trinken midon bekommen. Auch wegen der Gefahr, Jetzt muss ich mir beim Bandagisten noch robbte ich mühsam zur Wasserleitung und eines epileptischen Anfalles. Ich hätte ihn am eine Therapieknete und einen Softball besor- füllte mir eine Getränkeflasche. Da ich mehr- liebsten umarmt. So wurde ich für zwei Tage gen, damit ich auch die Übungen für die Fin- mals in der Woche zur Kupfermuckn und in in die Station D202 eingewiesen. Ich war ger weitermachen kann. Es war zwar anstren- die Wärmestube gehe, fragten sich die Be- rundum glücklich. Liebes Irrenhaus, vielen gend, aber das war es wert. Das Essen war treuer dort bald einmal, wo ich denn bliebe. Dank! Ich hatte schon die ganze Hoffnung übrigens sehr gut. Wir hatten beim Frühstück Die Leitung der Kupfermuckn organisierte verloren. Das passiert nie wieder! Ursula ein Buffet und mittags und abends drei Menüs dann eine Nachschau in meiner Wohnung. zur Auswahl. Das Wetter war regnerisch. Ein- Wolfgang Heller von der Wohnbetreuung mal hatten wir in der Nacht einen Sturm. »WieWo«, über die mir diese Wohnung ver- Dank der Reha fühle ich mich Wenn es geht, werde ich in zwei Jahren wie- mittelt wurde, kam mit einem Ersatzschlüssel, nun wieder wesentlich besser der dorthin fahren und mich stärken. Gesund- den ich beim Projekt hinterlassen habe, zur heit ist wohl das wichtigste Gut. Claudia Nachschau. Sonst wäre er sicher nicht in die Ich war vor kurzem drei Wochen auf Reha in Wohnung gekommen, öffnen konnte ich nicht Harbach. Seit 2006 leide ich an den Folgen mehr. Stark abgemagert bis auf 68 Kilogramm eines Bandscheiben-Vorfalls in der Halswir- Ich spiele nicht wegen jedem Weh- wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Dort belsäule, der in die linke Hand ausstrahlt. Ins- wechen den sterbenden Schwan wurde ich wieder aufgepäppelt. Woran ich ge- gesamt habe ich schon über 80 Therapien ge- nau leide, bekamen sie noch nicht heraus und macht, trotzdem wurde es nicht viel besser. Heuer hat es mich erwischt. Ich musste mich meinten, es könnten psychische Hintergründe Auf Reha wurde ich dann wieder durch ganz im Krankenhaus behandeln lassen. Ich glaube, sein. In den ersten Tagen konnte ich kaum gezielte Übungen und Therapieanwendungen jeder ist froh, wenn man das Spital von außen gehen. Nachdem ich noch nicht in meine wie Krafttraining, Moorvollbad, Infrarot, sieht und nicht von innen. Doch ist man auch Wohnung zurück kann, bleibe ich nun für ei- Massage, Ergotherapie, Einzel-Heilgymnas- froh, wenn man Schmerzen hat, dass man sich nige Wochen im Krankenzimmer der Caritas. tik, Ergometer-Training, Schwellstrombe- irgendwo hinwenden kann. So ging es auch Im Prinzip ist am Nachmittag immer wer da. handlung zum Muskelaufbau und regelmäßi- mir. Ich spürte schon, dass meine Nieren öf- Wenn man kann, muss man sich selbst versor- ger Unterwasser-Therapie gestärkt. Zumin- ters zwickten, doch ich schenkte dem wenig gen, aber die Sozialarbeiter helfen einem da- dest konnte ich in den drei Wochen schon ei- Aufmerksamkeit. Ich bin nicht der Typ, der bei. Mittlerweile geht es wieder halbwegs nen kleinen Erfolg erzielen. Ich kann die linke wegen jedem kleinen Wehwechen gleich zum bergauf. Das Schlimmste ist vorbei. Ich bin Hand wieder besser heben und kann allmäh- Arzt rennt oder den sterbenden Schwan spielt. schon tausende Kilometer durch Europa ge- lich wieder etwas spüren. Das Heiße ist aber Dieses Mal ließ es sich aber nicht mehr ver- wandert. Ich möchte wieder fit fürs Wandern noch lauwarm und die Kraft in den Fingern ist meiden. Da die Schmerzen schon zu heftig werden. Johannes D. 6 06/2019
Krankenzimmer und Help-Mobil Michaela Haunold setzt sich für die medizinische Versorgung im Obdachlosenbereich ein handlung enorme Folgekosten verhindern anrufen und um Rat fragen können. Es ist aber könnte. Außerdem brauchen wir eine Über- kein Arzt vor Ort, der jeden Menschen, der gangslösung für Obdachlose, die einen Pfle- kommt, untersucht und ihm die nötigen Medi- gebedarf aufweisen. kamente verschreibt. Unsere Krankenschwes- ter übernimmt die Pflege sowie das Ein- Welche gesundheitlichen Gefahren bringt Ob- schachteln der Medikamente. Im letzten Jahr dachlosigkeit mit sich? wurden 22 Personen im Krankenzimmer be- Erkältungen zum Beispiel wirken sich viel treut, wobei 18 davon Österreicher waren. stärker aus als bei Personen, die einen festen Wohnsitz haben. Ebenso sind Hauterkrankun- Gibt es Anregungen für Verbesserungen? gen viel häufiger, weil dieses Organ viel stär- Leider sind unsere Krankenzimmer nicht bar- kerer Belastung ausgesetzt ist. Der Zugang zu rierefrei. Unsere Klienten müssen selbständig Fachärzten ist auch viel schwieriger, wodurch die Treppen heraufkommen und sich teilweise Seit Sommer 2014 kooperieren das Rote manche Krankheiten viel zu spät entdeckt und auch selbst versorgen können, da es bei uns Kreuz, der Samariter-Bund, der Orden der behandelt werden. Auch der mangelhafte nur ein Mittagessen gibt. Zudem basiert dieses Barmherzigen Schwestern, der Lazarus- Impfschutz bei dieser Personengruppe ist im- Angebot auf einer Spendenzusage bis Ende Orden und die Caritas, um das Angebot des mer wieder ein Thema. Generell ist das Risiko des Jahres. Danach wissen wir noch nicht, wie Help-Mobils möglich zu machen. Im Som- für Infektionskrankheiten höher. Die Ernäh- es mit dem Krankenzimmer weitergeht. Auch mer 2018 kam nun auch das Angebot des rung spielt auch keine unwesentliche Rolle. der Bedarf an Hospizzimmern für Obdachlose Krankenzimmers der Caritas hinzu. Auf der Straße muss man essen, was man be- ist leider nicht gedeckt. Selbst unser Angebot kommt. Aus diesen Gründen ist auch die Le- ist nicht ausreichend, da wir im Winter von Warum braucht es solche Angebote? Woran benserwartung Obdachloser um circa zehn vier auf sechs Betten aufstocken mussten, um mangelt es im österreichischen Gesundheits- Jahre geringer. alle versorgen zu können. Eine Einrichtung, system? die Langzeitpflege für Obdachlose anbietet, Viele Gebrechen werden auf der Straße nicht Welche Erfahrungen macht ihr in eurer alltäg- wäre von Nöten. Niederschwellige Angebote besser. Zum Beispiel, wenn eine Wunde gut lichen Arbeit? für obdachlose Schwangere fehlen gänzlich. versorgt und trocken gehalten werden muss, Beim Help-Mobil werden unter Mithilfe eh- Wie vorhin schon besprochen, mangelt es an dann ist das auf der Straße relativ unrealis- renamtlicher Ärzte jeden Tag fünf bis 50 Men- Fachärzten für diese Klientel. Vor allem die tisch. Oder auch Personen mit einer Lungen- schen betreut. Zwei Drittel dieser Personen zahnärztliche Behandlung für nicht versi- entzündung oder mit Fieber, die nach der Ent- sind nicht versichert. Unsere Klienten kom- cherte Personen ist sehr spärlich ausgebaut. lassung aus dem Krankenhaus oft im Hand- men aus insgesamt 50 Ländern, bei einem Ich hoffe, dass wir zumindest einige dieser umdrehen wieder im Spital landen. Im Feb- Drittel handelt es sich um Österreicher. Auch Personen mit unseren Angeboten erreichen. ruar letzten Jahres wurde dann eine nicht ver- Menschen mit chronischer Erkrankung wie So kann nicht nur vielen Menschen geholfen, sicherte Person von der Palliativstation entlas- zum Beispiel Diabetes Mellitus kommen zu sondern auch eine ganze Menge an Folgekos- sen, die nur noch ungefähr zwei Wochen zu uns, die dann auf Insulin eingestellt werden. ten für das System verhindert werden. Einer leben hatte. Da habe ich mir gedacht, das kann Oder auch Personen, denen wir den Gips ent- Person konnten wir zum Beispiel durch das doch nicht sein, dass wir in Österreich Leute fernen müssen. Natürlich geht es aber oft auch Krankenzimmer eine Beinamputation erspa- zum Sterben auf die Straße setzen. Zum Glück um einfache Wundversorgung. Unsere Klien- ren. Foto: hz, Text: de haben wir einen privaten Spender gefunden, tel umfasst Menschen von Jung bis Alt. Im der uns dieses Projekt finanziert. Beim Thema Krankenzimmer hingegen betreuen wir Men- Krankenzimmer: Help-Mobil war der Gedanke jener, dass es schen, die aus dem Krankenhaus oder direkt Montag bis Donnerstag 15:30-17 Uhr Menschen gibt, die aus verschiedensten Grün- vom Arzt kommen, sei es nach Operationen Freitag: 12-14 Uhr - Tel.: 0676/87768017 den keine Versicherung haben. Und dann gibt oder in Akutfällen mit Lungenentzündung es gerade im Obdachlosenbereich Personen, oder ähnlichem. Voraussetzung für die Inan- Help-Mobil: die zwar versichert sind, aber aus anderen spruchnahme des Krankenzimmers ist eben, Montag 17 Uhr Dom, 18:45 Uhr Volksgarten Gründen wie zum Beispiel Scham keinen Arzt dass zuvor ein Arzt einen Blick darauf gewor- Freitag 17 Uhr Dom, 18:45 Uhr Martin- aufsuchen. Eine Einrichtung für Nicht-Versi- fen hat. Wir haben das Glück, zwei ehrenamt- Luther-Platz. Ehrenamtliche Ärzte für das cherte fehlt, die durch schnelle, gezielte Be- liche Ärzte zu haben, die wir im Bedarfsfall Help-Mobil werden gesucht! 06/2019 7
Ein Bruderkuss im Linzer Hafen Mural Harbor - Europas größte Graffiti- und Muralismo-Galerie Die Geschichte von Mural Harbor beginnt im Jahr 2012 Anlass zu dieser Tour war der Kupfermucknkalender 2019, mit der Gestaltung eines überdimensionalen Wandgemäl- in dem wir sehenswerte Orte in Linz präsentierten - so auch des im Linzer Hafen. 2019 sind es bereits mehrere hundert das riesige Bild einer Schlange an einem der Hafengebäude Graffitis und Murals (Wandbilder) von Künstlern und (Bild rechts Mitte). Daraufhin folgte die Einladung, zur Sai- Künstlerinnen aus 30 Nationen. Die »gelben Westen der soneröffnung gemeinsam eine »Mural Boat Tour« zu unter- Linz AG« legten wir bei der Hafentour nicht aus Protest ge- nehmen. Wir treffen unseren Guide Michael Url in der Zent- gen eine menschenferne Politikerkaste - so wie in Frankreich rale, dem »Mural Harbor Artspace«. Da die Galerie in einem - an, sondern, weil die Graffiti-Galerie sich nicht in einem Betriebsgelände, dem Hafen der Linz AG, liegt, müssen wir Museum, sondern in einem Industriehafen befindet, der noch gelbe Schutzwesten anziehen, was heutzutage schon als re- in Betrieb ist. Die vielen Widersprüche machen die Tour im volutionäres Statement durchgehen kann. Apropos Revolu- Linzer Hafen natürlich besonders spannend und münden tion: Ursprung solcher Wandbilder sei der »Muralismo«, er- im von Gerhard Haderer entworfenen Bruderkuss des klärt unser Guide. So sollten etwa in Mexiko der - großteils Linzer Sprayers Shed mit dem natürlichen Feind aller aus Analphabeten bestehenden - Bevölkerung die Errungen- Sprayer, dem Polizisten. Prädikat: Absolut sehenswert! schaften der Revolution in Wandbildern nähergebracht wer- 8 06/2019
den. Der Maler Diego Rivera wurde damals aufgrund seiner riesigen politisch-revolutionären Wandbilder (Murales) welt- berühmt. Heute erinnert man sich an ihn eher als Geliebten der Malerin Frida Kahlo. Wandmalereien wurden auch zur Unterstützung von Impfkampagnen und anderer Anliegen weltweit eingesetzt. Auch in der Linzer Hafengalerie wurden zahlreiche Bilder mit dem Pinsel gemalt. Als Graffiti zur Jugendkultur wurde Die heutige Bedeutung des Wortes Graffiti sei übrigens auf die Sprayerszene, die in den 70er-Jahren im New Yorker Stadtteil Bronx entstand, zurückzuführen. Graffitis werden zumeist unter einem Pseudonym und illegal gefertigt. Das Wort steht als Sammelbegriff für thematisch und gestalte- risch unterschiedliche sichtbare Elemente wie Bilder, Schrift- züge oder Zeichen, die mit verschiedenen Techniken auf Oberflächen im öffentlichen Raum erstellt werden. Ur- sprünglich wurden sie als Zeichen der Hip-Hop-Jugendkultur bekannt. Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre wurde im heruntergekommenen Stadtteil Bronx mit vielen eingeschla- genen Fensterscheiben und Straßenzügen, in die sich kaum einmal die Polizei wagte, Namen oft erst mit Filzstiften an die Wände geschrieben. Besonders bekannt wurde ein Pizza- bote, der überall Zeichen seiner Anwesenheit hinterließ. Dar- aus entwickelte sich das sogenannte »Style writing«, meist anonyme Namenskürzel mit Buchstaben und Zahlen. Zahl- lose dieser Kürzel zieren auch die Wände einiger Linzer Ha- fengebäude. Ein bekannter Linzer Graffiti-Künstler trägt den Namen »Shed«. Vor Jahren war er in Europa als Sprayer un- terwegs, bis er schließlich in Mailand verhaftet wurde, das Sprayen sein lassen wollte und sich mehr dem Malen mit Öl widmete. Unten rechts hat er sich in einem Selbstportrait als Sprayer dargestellt. Davor stehend erzählt unser Guide Mi- chael Url von den vielen interessanten Hintergründen der großflächigen Kunstwerke. Provokation oder Kunst am Bau? In der Sprayerszene gilt der Spruch: »A Kiwara is ka Ha- wara« (Ein Polizist ist kein Freund), so würde man zumindest annehmen. Aber ein Stück weiter treffen wir wieder auf Shed, diesmal in liebevoller Umarmung mit einem Polizisten beim versöhnlichen Bruderkuss. Entworfen wurde das Bild vom Linzer Karikaturisten Gerhard Haderer. Die Diskussion zwischen Shed und Haderer beim Entwurf und der Entste- hung des Bildes kann man in einem Video im Mural Harbor Artspace erleben. Damit eine gezeichnete Vorlage zum rie- sengroßen Bild wird, verwenden Graffiti-Künstler meist ei- nen Raster und aus einem Zentimeter wird dann ein Meter auf der Gebäudewand. Das Bild will vielleicht auch den Wi- derspruch aufdecken zwischen dem sonst anonymen, illega- len Sprayer und der Einladung, als »Kunst am Bau« den Linzer Hafen zu verschönern. Das kommt unter dem städti- schen Motto »Linz verändert« den großen Stadtentwick- lungsplänen im Linzer Hafen sicher sehr entgegen. Am Ende unseres Weges entlang des Hafenbeckens liegt dann das Schiff »MS Eduard«, welches mit seinem Namen dort stolz den vielen Anglizismen der Sprayerszene trotzt. Auf der MS Eduard lassen sich bequem circa 300 große Kunstwerke vom Hafenbecken und von der Donau aus bewundern. Die Künst- 06/2019 9
ler kommen aus aller Welt, meist kennt sich die Szene und viele melden sich selbst. Sie erhalten kein Honorar, aber es werden die Kosten für den Aufenthalt, die Miete von Hebe- bühnen und die Spraydosen bezahlt. Diese Kosten können mehrere tausend Euro betragen. Es wurden bei großflächigen Bildern mitunter schon an die tausend Spraydosen benötigt. Weltweit gibt es natürlich auch wenige Möglichkeiten, derart großflächige Bilder zu gestalten und so zieht es die Szene nach Linz. »Street Art« ist übrigens ein weiterer englischer Begriff, den Michael Url erklärt. Hier überwiegt in einer nichtkommerziellen Form der Kunst im öffentlichen Raum der Bildanteil. Für großes Aufsehen sorgte unlängst der Street Art Künstler Banksy, der für seine Späße bekannt ist und etwa seine Werke in Museen einschmuggelt. Sein Werk „Girl with the Balloon“ wurde für 1,4 Millionen Pfund bei Southe- bys versteigert. Anschließend wurde das Bild von einem eingebauten Schredder fast vollkommen zerstört. Banksy, dessen Gesicht nicht bekannt ist, wollte damit gegen die Kommerzialisierung der Kunst protestieren. Das geschred- derte Bild ist allerdings heute wahrscheinlich noch mehr wert als vorher. Kim Kardashian und ein geschlachteter Steinbock Bereits zum zweiten Mal gastierte der aus Melbourne stam- mende Künstler »Lushsux« im Linzer Hafen. Seine bevor- zugten Motive sind prominente und bekannte Persönlichkei- ten aus der Internet-Szene. Im Herbst 2017 sprayte er viele großflächige Portraits, etwa von Kim Kardashian (siehe Ti- telseite) oder von Connor McGregor (Bild rechts), dem le- gendären Mixed-Martial-Arts-Kämpfer. Viele Motive haben einen Bezug zu Linz oder Österreich. Der belgische Künstler »ROA« wollte ursprünglich einen Wal sprayen. Als er darauf aufmerksam gemacht wurde, dass Österreich nicht am Meer liegt, gestaltete er einen geschlachteten Steinbock. Da die Künstler ihre Motive frei wählen können, waren die Organi- satoren in Sorge, was denn der Generaldirektor zu dieser blutigen Szene sagen würde. Es stellte sich heraus, dass die- sem als Jäger das Bild sehr gefällt. Initiator von Mural Har- bor ist übrigens Leonhard Gruber, dessen Ideen, dem Grau im Hafen zu entrinnen, scheinbar auch die Stadtteilentwick- lung begleiten beziehungsweise vorantreiben. Bootstouren und Graffiti-Crashkurse Nach einer einstündigen Bootstour versuchen wir es selbst mit dem Sprayen. Unser Guide Michael gibt einige Tipps und schon ist auch die Straßenzeitung Kupfermuckn im Hafen verewigt. Wobei Graffitis ja der Witterung ausgesetzt sind und irgendwann einmal wieder verschwinden oder übermalt werden. Zurück im Mural Harbor Artspace können wir »In- door« noch einige Arbeiten bewundern oder - wie im Bild links oben - Teil des Kunstwerks werden. >> Zwischen April und Oktober werden an jedem Samstag von 15 bis 17 Uhr Bootstouren in den Hafen und dazu Graf- fiti-Crashkurse angeboten. Auch Rundgänge und individuelle Ausflüge ins Graffiti-Gelände sind möglich. Fachkundige Guides berichten über Künstler und Kunstwerke. Internet: www.muralharbor.at. Text und Fotos: hz 10 06/2019
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Es tut mir so schrecklich leid! Für einen Schritt zur Versöhnung ist es nie zu spät Ich bin im Nachhinein gesehen hatte. So nächtigte ich mehrere Monate in der Ungefähr drei Monate nach der Trennung ver- Putzkammer einer Firma, bei der ich auch zu- kaufte ich gerade vor der Passage in Linz, als froh, dass alles so gelaufen ist stellte. Und eines Tages rief ich dann bei der plötzlich meine Kinder vor mir standen und »Arge für Obdachlose« an und erkundigte mich fragten, was ich denn hier machte. Zuvor Die Beziehung zu meiner ersten Frau, mit der mich wegen einer Wohnung. Ich telefonierte hatte ich drei Monate lang nichts von ihnen ich auch vier Kinder habe, ging vor langer mit einer Mitarbeiterin namens Helga, die mir gehört oder gesehen. Also erklärte ich ihnen, Zeit um Weihnachten in die Brüche. Deswe- sagte, dass sie sich melde, sobald eine Woh- was die Kupfermuckn sei und zeigte ihnen gen zog ich aus dem gemeinsamen Haushalt nung für mich frei wäre. Zudem gab sie mir auch gleich einen Bericht über mich in der aus und verabschiedete mich von den Kin- den Tipp, mich bei der Straßenzeitung Kup- Zeitung. Wir gingen gemeinsam auf ein Eis dern. Ich sagte ihnen: »Wir werden uns schon fermuckn zu melden, da ich dort ein bisschen und besprachen die ganze Angelegenheit. Ich wieder mal sehen.« Von meiner damaligen Geld dazuverdienen könnte. So landete ich bei erklärte ihnen meine Situation, sagte ihnen, Frau bekam ich noch die Telefonnummer der der Kupfermuckn und verfasste zusammen wie es mir ginge, und dass ich hoffentlich bald »Arge für Obdachlose«, bei der ich anrufen mit dem früheren Leiter Bruno meine erste über die Arge eine Wohnung bekäme. Wir sollte, wenn ich eine Wohnung suche. Damals Geschichte für die Zeitung. Auch mit dem sprachen uns gut aus und meine Kinder konn- trug ich noch die Kronen-Zeitung aus, wes- Verkauf fing ich gleich an, wobei sich die Zei- ten meine Ansichten nachvollziehen und mir halb ich Zugang zu einigen Gebäuden in Linz tung anfangs eher schleppend verkaufen ließ. verzeihen. Nach dem Gespräch tauschten wir 12 06/2019
die Telefonnummern aus und blieben von da nur nachfragen, wie es unseren Eltern geht. che Studien und Titel er alles hatte. Bei der an in Kontakt. Ich bin im Nachhinein gesehen Aber was soll´s. Ich kann das nun auch nicht anschließenden Zeremonie sagte ich ihm, dass sehr froh, dass alles so gelaufen ist, weil ich mehr rückgängig machen. Ich weiß sehr wohl, ich Essen und Getränke für mich und meine seitdem wieder eine gute Beziehung zu mei- dass ein alkoholisierter Zustand keine Ent- Tochter selber bezahle, denn von so einem nen Kindern habe. Kurze Zeit später erhielt schuldigung ist. Da ich auch für die Kupfer- arroganten Scheißkerl will ich nichts anneh- ich eine Wohnung über die Arge. Der Rest ist muckn schreibe, versuche ich es nun auf die- men. Dies konnten alle Anwesenden hören. Geschichte! Bertl sem Weg. Liebe Schwester, ich bitte dich um Ich verließ mit meiner Tochter das Lokal. Entschuldigung und Versöhnung. Es würde Dann sah ich diese sogenannte Familie und mich freuen, wenn wir uns demnächst zu ei- Verwandten nie wieder. In den fünfzehn Jah- »Du bist für mich gestorben«, nem Kaffeetratsch treffen könnten. Ja, das ren habe ich zweimal versucht, ihn zum Ge- hast du gesagt wäre eine große Freude! Da du leider sehr burtstag und Weihnachten anzurufen, doch er weit von mir entfernt wohnst und aufgrund ignorierte meine Anrufe. Herr »Ing. Mag. Es fällt mir schwer, diesen Bericht zu schrei- deiner Selbständigkeit viel Stress hast, würde Dr.«, mein Hass auf dich ist mittlerweile so ben. Denke ich an dich, steigen sehr gemischte ich mich freuen, wenn du vorab schon einmal groß geworden, dass ich dir alles wünsche, Gefühle in mir auf, auch Zorn und Bitternis diese schriftliche Entschuldigung annehmen was man nicht einmal seinem Todfeind über dein Verhalten. Aber auch Erinnerungen, würdest. Hoffentlich können wir beide bald wünscht. Walter die du mit mir teilst. Ein Monat London, ein wieder normal miteinander reden. Leo Monat Paris - viele große und kleine Reisen und Abenteuer. Und dann dieses verfluchte Meine Schwester und ich Weihnachtsfest. Der große Knall, ohne ir- Versöhnung? Nein danke, verstanden uns nicht mehr gendwelche Vorzeichen oder Vorkommnisse. dazu wird es nie kommen! »Du bist für mich gestorben«, hast du gesagt. Im Jahr 2013 eskalierte die Situation zwischen Friss, Vogel, oder stirb! Ich war fassungslos. Versöhnung gibt es keine mehr. Aus folgen- meinen Geschwistern und mir. Freilich gab es »Warum, Petra?« Ich bekam keine Antwort. dem Grund: Es fing damit an, dass mein Bru- auch früher schon Streitereien. Es flogen nicht Dass mein Leben ein ganz anderes war, als der nach einem Lehrabschluss, zwei erlernten nur einmal die Fetzen. Ein schlimmes Ereig- deines und du damit nicht einverstanden Berufen und einem drauffolgenden HTL-Ab- nis im Juni 2013 entzweite uns dann endgül- warst, war mir irgendwie klar. Aber gleich schluss, auch noch studieren ging und zwei tig. Meine Schwester kritisierte die Art und »Du bist für mich gestorben«, war doch harter Titel dafür bekam - Ingenieur und Magister. Weise, wie ich um meinen verstorbenen Sohn Tobak. Im Grunde genommen hoffe ich nach Das war aber noch nicht alles. Er absolvierte trauerte. Es ist in den letzten Jahren so viel all den Jahren immer noch auf eine Antwort. die Universität und hatte dann auch noch den passiert, was ich ihr gerne erzählen würde. Ich hätte dir niemals zugetraut, dass du dir Doktor-Titel in der Tasche. Wann immer er bei Doch dies scheint nicht möglich zu sein. Wer nach dem Tod unserer Eltern mit einer Aus- Mutter zu Besuch war, überschlug sie sich vor weiß, denkt sie noch an mich? Liebe Schwes- rede den Schlüssel zu ihrer Wohnung ver- lauter Stolz auf ihn. Bei diesen Besuchen re- ter, auch wenn ich mir denken kann, dass du schaffst. Aber nicht, um Blumen zu gießen, dete ich wenig, da sich alles nur um meinen diese Zeilen nicht liest, sollst du wissen, dass sondern um alles, was von Wert war, an dich Bruder drehte und ich all das nicht mehr hören ich dich nie vergessen habe. Es wäre schön, zu reißen. Wie kaltherzig muss man dazu konnte und wollte. Einmal sprach mich meine wenn wir uns einmal treffen und über alles sein? Es gibt mir einen Stich ins Herz, wenn Mutter darauf an, warum ich denn so reser- reden könnten, was damals passiert ist. Mitt- ich an dich denke – was ist aus uns geworden? viert sei. Sie bekam zur Antwort. »Ich habe lerweile sind viele Jahre ins Land gezogen. Vielleicht liest du ja diese Zeilen und gehst in keine Lust, mich einzuschleimen! Es kotzt Wir könnten uns doch wieder versöhnen. dich. Du hast noch immer eine Schwester, die mich an und überhaupt werde ich bei den Mich interessiert doch auch, wie es dir und sich nichts sehnlicher wünscht als ein klären- nächsten Treffen nicht mehr dabei sein.« Eine deiner Familie so ergangen ist, während dieser des Gespräch. Ursula weitere seelische Wunde riss sich auf, als Zeit, als wir keinen Kontakt hatten. Vielleicht meine Verwandtschaft nicht zu meiner Hoch- kann uns ja jemand behilflich sein, der mich zeit erschien. Auch meine Frau mieden alle und meine Schwester von früher kennt und Liebe Schwester, ich bitte dich wie die Pest. Dieses Verhalten änderte sich noch Kontakt zu ihr hat. Natürlich will ich sie inständig um Verzeihung erst, als ich durchsickern ließ, dass ich die zu nichts zwingen, doch ein Treffen wäre Scheidung eingereicht hatte. Mir war das egal, schön, wenn es möglich ist. Sonja Ich hatte am Faschingsmontag dieses Jahres da ich ohnehin keine Familie und Verwandt- wieder einmal etwas zu tief ins Glas geschaut. schaft mehr hatte. Dann kam das Unvermeid- Seit vielen Jahren kämpfe ich gegen meine liche: Meine Mutter starb an Krebs. Am Kran- Ich habe das Glück verspielt, lei- Alkoholkrankheit an, da ich durch den Suff kenbett, bevor sie den letzten Atemzug der. Meinen Mädchen alles Gute! schon einiges vermasselt habe. So auch vor machte, sollte ich meinen Bruder nur noch ein Kurzem: Zu sehr später Stunde wollte ich einziges Mal sehen - bei der Beerdigung. Meine Gedanken hier niederzuschreiben, be- dann noch in einem ziemlich betrunkenen Zu- Beim Trauergottesdienst bedankte er sich, freit mich ein bisschen von der Last auf mei- stand mit meiner Schwester telefonieren. Als dass ich gekommen war, so als gehörte ich ner Seele! Ostern, Muttertag oder Weihnach- sie mir erklären wollte, dass sie und ihr Mann nicht zur Familie. Bei der Verabschiedung be- ten sind für mich die schlimmsten Zeiten. schon geschlafen hätten, wurde ich wütend. dankte er sich für den Kranz. Ich fragte ihn, Meine beiden wunderbaren Töchter leben lei- Wir begannen zu streiten und beschimpften warum. Keine Antwort. Die Abschiedsrede der nicht bei mir, was zwar nicht anders gehen uns heftig. Kaum war ich am nächsten Tag war der absolute Höhepunkt. In seiner Rede würde, da ich nicht stabil genug wäre, um nüchtern, habe ich diese Aktion auch schon vor versammelter Verwandtschaft, Freunden mich richtig und voller Energie um ihre Be- wieder bereut. Ich dachte mir: »Warum musste und Nachbarn ließ er durchblicken, dass ich dürfnisse zu kümmern. Ich bin süchtig und es so weit kommen?« Eigentlich wollte ich ja nicht studiert hatte und er damit angab, wel- emotional instabil. Darüber hinaus habe ich 06/2019 13
Was ich meinen Mädels noch zu sagen habe: Ich liebe euch so sehr, auch wenn ich nicht bei euch sein kann! Josi (Steyr) Möge uns der liebe Gott diese Gnade noch schenken Meine Schwester und ich sind altersmäßig so nahe beieinander wie sonst keine anderen Ge- schwister, nicht einmal 14 Monate. Als Kinder und auch in der Jugendzeit haben wir sehr viel Kontakt miteinander gehabt, auch im musika- lischen Sinn haben wir viel miteinander ge- macht wie etwa: Vierhändig Klavier-Spielen oder das gemeinsame Singen von Schubert- Liedern. Einmal, in der Jugendzeit, fuhren wir im Sommer mit dem Austria-Ticket gemein- sam kreuz und quer durch Österreich. Interes- santerweise kamen wir dabei auch nach Graz, wo sie jetzt schon seit vielen Jahren lebt – das konnten wir damals natürlich nicht wissen. Später hat sie dann geheiratet. Ich war am Anfang mit der jungen Familie in gutem Kon- takt, wir waren beide in Wien. Nach der Ge- burt ihrer ersten Tochter war diese das erste Kind, das ich als - damals frisch geweihter - Diakon taufen durfte. Zwei Jahre später dann das traurige Ereignis: Bei der Geburt der zweiten Tochter traten leider gröbere Kompli- mehrere psychische Diagnosen bekommen. für viele Tränen gesorgt, viele Sorgen verur- kationen auf. Es kam zu einer Gehirnblutung, Manches Mal jedoch bin ich sehr stabil. Und sacht und ihnen im Kleinkindalter zu viele die das Neugeborene letztendlich nicht über- da taucht dann immer wieder die Idee bei mir Dinge zugemutet habe, die sie nicht hätten lebte. Bei dem Begräbnis der Kleinen - in auf, meine Kinder zu mir zu holen. Es war gut, sehen und fühlen sollen. Das tut mir mehr als dieser unendlich schweren Stunde - durfte ich dass ich es nicht getan habe. Gut für meine leid, ist aber leider nicht mehr rückgängig zu auch wieder als Diakon dabei sein, durfte da Mädchen. Denn ich habe schon so oft mein machen. Einen herkömmlichen Muttertag! auch wieder meinen Dienst tun, vielleicht auf Leben gegen die Mauer gefahren, und jedes Das wäre ein unbezahlbares Geschenk! Leider diese Weise ein bisschen Trost spenden. Spä- Mal war es schlimmer als zuvor. Das macht auch undenkbar. Meine Mädchen haben durch ter hat sich Maria dann leider von mir abge- mich sowas von traurig und lässt mich bei- das mit uns Erlebte sicher nicht die beste Mei- wandt. So war sie seit dem Begräbnis meiner nahe resignieren. Mir kommen sogar in den nung über mich. Das, was sie über mich und Mutter vor zehn Jahren nie wieder in Traun- Träumen die Tränen. Ich vergoss sie sogar im ihren Vater erfahren haben, wird zum Teil kirchen, wo sich die restliche Familie doch Ausmaß von Wasserfällen. Denn es war kein wahr sein, aber zum andern Teil auch erfun- meistens ein paarmal im Jahr trifft. Den Grund Traum, sondern traurige Realität! Es war zwar den und erdacht. Und das hat dazu geführt, für ihr sehr deutliches Auf-Distanz-Gehen ein Traum, dass meine Tochter beim gemein- dass sich ihre Meinung über mich nicht ins kenne ich nicht. Sie meidet schon seit vielen samen Ausreiten einfach nicht mehr auffind- Positive entwickeln konnte. Denke ich. Ich Jahren den Kontakt. Wenn sie mir etwas vor- bar war und ich sie nicht einmal mit Hilfe ei- hoffe jedoch, dass ich ihnen irgendwann die zuwerfen hat, dann sollten wir einmal ver- nes Suchtrupps finden konnte. Nein, es war Wahrheit über mich und das Geschehene aus nünftig, auf Basis gegenseitiger Wertschät- die Sucht, die mich den Kontakt zu meinen meiner Sicht erzählen kann. Ich erwarte nicht, zung, darüber reden. Wie das gehen soll? Ich Kindern kostete. Dafür muss ich jeden Tag dass sie mir verzeihen, sondern meine Worte weiß es nicht. Irgendwer müsste einmal bereit bitterböse mit meinem Gewissen bezahlen. einfach zur Kenntnis nehmen und sich ihre sein zum ersten Schritt. Der andere Teil müsste Mein schlechtes Gewissen trieb mich noch Meinung darüber bilden werden. Ich habe das bereit sein zum zweiten Schritt. Ich glaube, tiefer in die Sucht hinein. Dabei würde ich mir Glück verspielt, leider. Ich wünsche meinen wir schaffen das beide nicht aus uns selbst. Da nur wünschen, mit meinen Mädchen so einen Mädchen alles, alles Gute. Ich wünsche ihnen, braucht‘s wohl auch noch einen Push vom kitschigen Ostersonntag mit Osterfrühstück, dass sich in allen Situationen das, was sie sich lieben Gott, einen himmlischen Gnaden-Im- Ostereier-Malen, Eier-Verstecken, Miteinan- wünschen, so gut es geht, erfüllt! Dass sie puls, um nicht zu sagen: einen kräftigen der Kochen und Essen und den ganzen Tag dort, wo sie leben, die Liebe und Aufmerk- »Arschtritt«. Ich würde mir eine Versöhnung, gemeinsam verbringen zu können. Und das samkeit, die sie benötigen, erhalten. Aber das ein Wieder-Herzlich-Miteinander-Umgehen- ohne die vorbelasteten Gefühle von allen Sei- glaube ich ohnehin. Ich bin dem Vater von Können, ein Wieder-in-Kontakt-Treten von ten. Denn, die Gefühls-Kombinationen, die da Jana und den Pflegeeltern von Zoe unendlich ganzem Herzen wünschen. Möge uns der liebe auf dem Tisch wären, wären mit einem bevor- dankbar dafür, dass sie sich so aufopfernd um Gott noch in diesem Leben diese Gnade stehenden Vulkanausbruch vergleichbar. Ich sie kümmern und ihnen alles, was sie so benö- schenken! Dein Bruder Johannes; Foto S. 12: weiß, dass ich viele Fehler gemacht und damit tigen, und mehr noch, ermöglichen. Danke! Heidi Rafetseder, S. 14: wh 14 06/2019
Gratwanderung durch das obdachlose Linz Einladung zur Sozialen Stadtführung 3. Juli um 16 Uhr und 12. Juli um 14 Uhr - Start in der Marienstraße 11 Mittwoch 3. Juli um 16 Uhr und Freitag 12. Juli um 14 Uhr lädt die Kupfermuckn interessierte Bürger zur sozialen Stadtfüh- rung ein. Schon seit 19 Jahren begleiten ehemals wohnungslose Guides die »Gratwanderung« durch Linz. Gestartet wird in der Redaktion der Kupfermuckn, Verein Arge für Obdachlose, Marienstraße 11 mit einem kleinen Video über die Stra- ßenzeitung. Dann gibt es eine eineinhalbstündige Wanderung vorbei an Linzer Wohnungsloseneinrichtungen (Wohnheim B 37, Obdachlosenstreetwork, Of(f)´nstüberl, Caritas Wärmestube, Arge-Trödlerladen, Vinzenzstüberl), Parks und öffent- lichen Plätzen, mit viel Gelegenheit zum Plaudern. 30 Gruppen aus Schulen, Politik etc. machen sich so jedes Jahr ein Bild von der Integration, aber auch der Ausgrenzung von Menschen, die am Rande unserer Gesellschaft leben müssen. Die Begleiter zeigen, wo engagiert geholfen wird und bringen auch ihre Lebensgeschichte ein. Bei Bedarf können für Gruppen weitere Termine angeboten werden. Die Teil- nahme ist grundsätzlich kostenlos. Die Guides freuen sich über freiwillige Spenden. Anmeldung erforderlich unter: Tel. 0732/770805 oder kupfermuckn@arge-obdachlose.at. 06/2019 15
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