Arbeitsrecht - AnwaltZertifikatOnline Leseprobe www.juris.de/azo

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Arbeitsrecht

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            Das AnwaltZertifikatOnline steht für neun Rechtsgebiete zur Verfügung:

                   Arbeitsrecht
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            Fortbildung war noch nie so einfach:
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                quartalsweise Prüfung zur Dokumentation des Weiterbildungserfolgs
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                im Rahmen der DAV-Fortbildungsbescheinigung
                DAA-Zertifikat über absolviertes Selbststudium und Lernerfolgskontrollen einfach ausdrucken und
                bei Ihrer zuständigen Rechtsanwaltskammer bzw. dem DAV einreichen

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Stand: Juni 2021
AnwaltZertifikatOnline
Arbeitsrecht ­­­– Leseprobe

     Herausgeberin:               Edith Linnartz, RA'in, Koblenz                                       www.AnwaltZertifikat.de

                                                                                                       Erscheinungsdatum:
                                                                                                       10.11.2020

                                                                                                       Erscheinungsweise:
                                                                                                       vierzehntäglich

                                                                                                       Bezugspreis:
                                                                                                       8,- € monatlich
                                                                                                       zzgl. MwSt.
                                                                                                       (6,- € für DAV-Mitglieder)
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     22/2020                                                                                           Prüfungsgebühr

     Inhaltsübersicht:

                                                                                   e
                   AUFSÄTZE

     Anm.   1      Editorial 22/2020 – Die voreilige Zeugnisklage

                                                                              ro b
                                                    p
                   von Edith Linnartz, RA‘in, Koblenz

                                               es e
     Anm.   2      Das Berufungsverfahren im arbeitsgerichtlichen Verfahren (Teil 1):
                   Statthaftigkeit der Berufung, Formalien der Berufungseinlegung und

                                        L
                   Berufungsfrist
                   von Dr. Kirstin Maaß, RA'in und FA'in für Arbeitsrecht, Holthausen & Maaß, Köln

                   ENTSCHEIDUNGSANMERKUNGEN

     Anm.   3      Auslegung eines Prozessvergleichs: Eigenständige Abrechnungs- und
                   Zahlungsverpflichtung?
                   Anmerkung zu BAG, Urteil vom 27.05.2020, 5 AZR 101/19
                   von Dr. Jens Tiedemann, RiArbG

     Anm.   4      Verweigerung der Teilnahme an amtsärztlicher Untersuchung als
                   Abmahnungsgrund?
                   Anmerkung zu LArbG Nürnberg, Urteil vom 19.05.2020, 7 Sa 304/19
                   von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG a.D.

     Anm.   5      Unterschied von Mitteilungspflicht und prozessualer Darlegungslast des
                   Arbeitgebers bei Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
                   wegen beabsichtigter außerordentlicher Kündigung nach § 626 BGB
                   Anmerkung zu BAG, Urteil vom 07.05.2020, 2 AZR 678/19
                   von Jan Aufterbeck, RA, Rechtsanwaltskanzlei Aufterbeck, Düsseldorf

                    Zitiervorschlag: Linnartz, AnwZert ArbR 22/2020 Anm. 1
                    ISSN 1865-8814

     juris GmbH, Am Römerkastell 11, 66121 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: info@juris.de
     Das AnwaltZertifikatOnline sowie die darin veröffentlichten Anmerkungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil darf (auch nicht
     auszugsweise) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden.
     © juris GmbH 2020

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Arbeitsrecht ­­­– Leseprobe
                                              AnwZert ArbR 22/2020

   AUFSÄTZE                                               so ist dieses Vorgehen ohne weiteres als mutwillig
                                                          anzusehen.2
    1
                                                          Allerdings macht das LArbG Hamm eine Ein-
   Editorial 22/2020 – Die voreilige                      schränkung. Da sich die Erfolgsaussichten und
   Zeugnisklage                                           weitere Rahmenbedingungen im Laufe eines Pro-
                                                          zesses ändern können, stellt es für die Frage der
   von Edith Linnartz, RA‘in, Koblenz                     Mutwilligkeit auf den Zeitpunkt der Beschlussfas-
                                                          sung ab. Entscheidend ist nämlich, wie sich die
                                                          Gegenseite im Laufe des Prozesses verhalten hat.
                                                          Hat sie beispielsweise zu erkennen gegeben, dass
   Liebe Kolleginnen und Kollegen,                        sie den Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeits-
                                                          zeugnis in keinem Fall erfüllen will, geht das Ge-
   oftmals wird – auch in Prozesskostenhilfe-Ver-         richt davon aus, dass auch eine außergerichtliche
   fahren – in Bestandsschutzstreitigkeiten oder bei      Geltendmachung erfolglos geblieben wäre.3 Denn
   Zahlungsklagen daneben auch noch Klage auf Er-         anderenfalls hätte die klägerische Partei aufgrund
   teilung eines qualifizierten Zeugnisses erhoben.       Prozessarmut keine Chance, ihren Anspruch noch

                                                                      e
   Hier ist – so das LArbG Hamm in einem aktuellen        durchzusetzen. Allerdings genügt hierzu allein ein

                                                                    b
   Beschluss1 – Vorsicht geboten, wenn der Arbeit-        klageabweisender Antrag nicht. Denn oftmals wird

                                                                 ro
   geber nicht zuvor außergerichtlich vergeblich zur      dann dennoch in den weiteren Ausführungen mit-
   Erteilung des qualifizierten Zeugnisses aufgefor-      geteilt, dass – zumindest – der Zeugnisanspruch

                                                p
   dert worden ist. Denn ansonsten kann dem Kläger        kurzfristig erfüllt wird.

                                            s e
   im Rahmen des PKH-Verfahrens vorgeworfen wer-

                                 Le
   den, die Klageerhebung sei mutwillig erfolgt mit       In dem vom LArbG Hamm zu entscheidenden
   der Folge, dass Prozesskostenhilfe diesbezüglich       Fall hatte die Beklagte in ihrem Klageabweisungs-
   versagt wird.                                          schreiben ausgeführt, dass „die Erfüllung der in
                                                          diesem Verfahren geltend gemachten Ansprüche
   „Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechts-       abgelehnt“ wird. Dies genügte dem LArbG Hamm
   verteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozess-     für eine ausdrückliche Verweigerung der Erfüllung
   kostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdi-       des Zeugnisanspruchs durch die Gegenseite ab
   gung aller Umstände von der Rechtsverfolgung           Eingang des maßgeblichen Schreibens, was dazu
   oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl          führte, dass die Klage auf Erteilung eines qualifi-
   eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.“ So     zierten Zeugnisses (nicht mehr) mutwillig war.
   lautet der § 114 Abs. 2 ZPO. Das LArbG Hamm
   bejaht eine solche Mutwilligkeit bei einem An-         Wurde tatsächlich jedoch einmal voreilig Klage
   spruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnis-     auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses er-
   ses. Denn nach § 109 GewO besteht ein gesetz-          hoben, kann sich die Erfolgsaussicht nachträglich
   licher Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten     gleichwohl noch ergeben, wenn der Arbeitgeber
   Zeugnisses nur dann, wenn der Arbeitnehmer aus-        das Zeugnis nicht zeitnah erteilt und damit durch
   drücklich ein solches verlangt. Tut er dies nicht,     sein Verhalten deutlich werden lässt, dass eine au-
   besteht von Gesetzes wegen nur ein Anspruch auf        ßergerichtliche Geltendmachung erfolglos gewe-
   ein einfaches Zeugnis. Vor dem Verlangen nach          sen wäre.4
   einem qualifizierten Arbeitszeugnis ist der Arbeit-
   geber nicht verpflichtet, von sich aus ein solches     Die heutige Ausgabe des AnwaltZertifikatOnline
   zu erstellen. Der Anspruch auf ein qualifiziertes      ArbR 22/2020 widmet sich dem Berufungs-
   Arbeitszeugnis besteht daher erst ab Geltendma-        verfahren im arbeitsgerichtlichen Verfahren
   chung. Vorher ist eine diesbezüglich erhobene Kla-     (Aufsatz 2). RA‘in Dr. Kirstin Maaß stellt im ers-
   ge mutwillig. Bei einem Anerkenntnis der Gegen-        ten Teil ihres zweiteiligen Beitrags zum Berufungs-
   seite hätte die Klägerseite in diesem Fall die Kos-    verfahren die einer Berufung fähigen Urteile, die
   ten zu tragen. Dieses Kostenrisiko würde eine Par-     Statthaftigkeit der Berufung sowie insbesondere
   tei, die die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen    die Formalien der Berufungseinlegung dar und er-
   hat, nicht eingehen. Wurde daher Klage auf ein         läutert Fragen der Berufungsfrist. Weitere wichti-
   qualifiziertes Zeugnis erhoben, ohne dass dieses       ge Problembereiche, die mit dem Berufungsver-
   vorher erfolglos außergerichtlich verlangt wurde,      fahren einhergehen, beispielsweise die Form der
                                                          Berufungseinlegung und Berufungsbegründung,

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Arbeitsrecht ­­­– Leseprobe
                                              AnwZert ArbR 22/2020

  die Berufungsbeantwortung, die Anschlussberu-          tritt der formellen Rechtskraft, und Devolutivef-
  fung, die Berufungsrücknahme und der Prüfungs-         fekt, d.h. das Verfahren wird in der nächst höheren
  umfang des Berufungsgerichts, erfolgen in einem        Instanz anhängig. Allerdings sind sowohl bei der
  zweiten Teil.                                          Einlegung als auch bei der Begründung Formalien
                                                         und Fristen einzuhalten. Handwerkliche Fehler in
  Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit, und vor allem:       diesem Zusammenhang führen häufig bereits zur
  Bleiben Sie gesund!                                    Unzulässigkeit der Berufung.

  Herzliche Grüße                                        Der vorliegende Beitrag soll in zwei Teilen ei-
                                                         nen Überblick über das Berufungsverfahren vor
  Edith Linnartz                                         dem Landesarbeitsgericht verschaffen. In einem
                                                         ersten Teil werden die berufungsfähigen Urteile,
  Herausgeberin                                          die Statthaftigkeit der Berufung sowie insbeson-
                                                         dere die Formalien der Berufungseinlegung und
                                                         Fragen der Berufungsfrist näher erläutert. In ei-
  1   LArbG Hamm, Beschl. v. 16.09.2020 - 5 Ta           nem nachfolgenden zweiten Teil wird eine Darstel-
      489/20.                                            lung der Form von Berufungseinlegung und Be-

                                                                  e
  2   LArbG Hamm, Beschl. v. 03.06.2019 - 5 Ta           rufungsbegründung, der Berufungsbeantwortung,

                                                                b
      195/19; LArbG Hamm, Beschl. v. 09.09.2015          der Anschlussberufung, der Berufungsrücknahme

                                                             ro
      - 5 Ta 477/15; LArbG Hamm, Beschl. v.              und des Prüfungsumfangs des Berufungsgerichts
      09.10.2014 - 5 Ta 351/14 n.v.; LArbG Hamm,         erfolgen.

                                        p
      Beschl. v. 09.12.2013 - 14 Ta 347/13; LArbG

                                   es e
      Hamm, Beschl. v. 14.05.2012 - 4 Ta 721/11          B. Die Rechtslage
      n.v.; LArbG Hamm, Beschl. v. 16.12.2004 - 4

                              L
      Ta 355/04; siehe aber auch LArbG Köln, Be-         I. Objektive Darstellung der Rechtslage
      schl. v. 03.04.2019 - 9 Ta 10/19; LArbG Köln,
      Beschl. v. 11.10.2017 - 9 Ta 176/17 Rn. 9.         Für das Berufungsverfahren im arbeitsgerichtli-
  3   So auch jetzt das LArbG Köln, Beschl. v.           chen Prozess gelten gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG die
      04.05.2020 - 1 Ta 59/20.                           Vorschriften der ZPO zur Berufung entsprechend,
  4   LArbG Köln, Beschl. v. 04.05.2020 - 1 Ta 59/20     soweit das ArbGG keine besonderen Bestimmun-
      Rn. 4 mit Verweis auf OLG Brandenburg, Be-         gen enthält. Zu den anwendbaren Bestimmungen
      schl. v. 18.04.2018 - 13 WF 68/18 Rn. 2; sowie     gehören insbesondere die Regelungen über
      Schultzky in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 114
      Rn. 45.                                                    •
                                                                 die Einlegung und die Begründung der
                                                                 Berufung (§§ 518-520 ZPO), unter Be-
      2                                                          achtung des § 66 Abs. 1 ZPO,
                                                              • die Prüfung der Zulässigkeit der Beru-
  Das Berufungsverfahren im                                      fung gemäß § 522 ZPO,
  arbeitsgerichtlichen Verfahren (Teil                        • die Anschlussberufung gemäß § 524
  1): Statthaftigkeit der Berufung,                              ZPO,
  Formalien der Berufungseinlegung und                        • den Berufungsverzicht gemäß § 515
  Berufungsfrist                                                 ZPO und
                                                              • die Rücknahme der Berufung gemäß
  von Dr. Kirstin Maaß, RA'in und FA'in für Arbeits-             § 516 ZPO.
  recht, Holthausen & Maaß, Köln                         1. Berufungsfähige Urteile

  A. Einleitung                                          Berufungsfähig sind grundsätzlich Endurteile des
                                                         Arbeitsgerichts. Anfechtbar sind ferner Teilurteile
  Mit Blick auf die arbeitsgerichtlichen Urteile der     gemäß § 301 ZPO, Vorbehaltsurteile nach § 302
  ersten Instanz ist stets die Berufung an das Lan-      ZPO, Ergänzungsurteile nach § 321 ZPO, Zwi-
  desarbeitsgericht als Rechtsmittel in Betracht zu      schenurteile über die Zulässigkeit der Klage ge-
  ziehen. Sie bezweckt die tatsächliche und recht-       mäß § 280 ZPO und nach § 5 Abs. 4 Satz 3
  liche Überprüfung von erstinstanzlichen Entschei-      KSchG sowie Urteile im Rahmen des einstweiligen
  dungen. Sie hat Suspensiveffekt (vgl. § 707 ZPO),
  d.h. ihre fristgerechte Einlegung hemmt den Ein-

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   Rechtsschutzes. Auch gegen zweite Versäumnis-           sich bei der Zwei-Wochen-Frist nicht um eine Not-
   urteile kann Berufung eingelegt werden.                 frist handelt.

   Nicht berufungsfähig sind hingegen Grundurteile         Die Berufung ist ferner gemäß § 64 Abs. 2b ArbGG
   gemäß § 304 ZPO und Zwischenurteile nach § 303          statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegen-
   ZPO, durch die über den Grund des Anspruchs             standes 600 Euro übersteigt. Der Beschwerde-
   oder einen Zwischenstreit entschieden wird sowie        wert wird ermittelt aus einem Vergleich zwischen
   erste Versäumnisurteile.                                erstinstanzlichem Antrag mit seiner Bescheidung
                                                           durch das angefochtene Urteil und dem Beru-
   Ist gegen Urteile des Arbeitsgerichts die sofortige     fungsantrag, also durch die Beschwer einer Partei.
   Beschwerde gegeben, ist eine Berufung ebenfalls         Dies bedeutet:
   nicht möglich.
                                                                  •   Bei einer uneingeschränkten Überprü-
   2. Statthaftigkeit der Berufung                                    fung des arbeitsgerichtlichen Urteils
                                                                      entspricht der Beschwerdewert dem
   Die Berufung ist statthaft, wenn sie vom Arbeits-                  im Urteil festgesetzten Urteilsstreit-
   gericht gemäß § 64 Abs. 2a ArbGG zugelassen                        wert.

                                                                       e
   wurde oder ein anderer der in § 64 Abs. 2b bis                 •   Bei einer eingeschränkten Berufung

                                                                     b
   2d ArbGG geregelten Fälle vorliegt. In § 64 Abs. 3                 gegen einzelne Streitgegenstände ist

                                                                  ro
   ArbGG sind die Zulassungsvoraussetzungen auf-                      der Beschwerdewert durch die Additi-
   geführt. Danach muss es sich entweder um ei-                       on der Streitgegenstände zu ermitteln.

                                          p
   ne Rechtssache mit grundsätzlicher Bedeutung                   •   Unstatthaft ist eine Berufung, wenn

                                     es e
   (Nr. 1) handeln oder um eine privilegierte Streitig-               sich der Berufungskläger bei einem
   keit mit tarifvertraglichem Bezug (Nr. 2). Die Beru-               teilbaren Streitgegenstand in seiner

                               L
   fung ist schließlich wegen Divergenz zuzulassen,                   Begründung nur gegen eine Verurtei-
   d.h. wenn das Arbeitsgericht in der Auslegung ei-                  lung wendet, die unterhalb des Be-
   ner Rechtsnorm von einem ihm im Rechtsstreit                       schwerdewertes liegt.
   vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Par-
   tei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von ei-        Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung ist der
   nem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Lan-         Zeitpunkt der Einlegung der Berufung2.
   desarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung
   auf dieser Abweichung beruht. Dieser Zulassungs-        3. Berufungsschrift
   grund dient der Wahrung der Rechtseinheit im Be-
   zirk des jeweiligen Landesarbeitsgerichts.              Die Berufungseinlegung erfolgt nach § 519 ZPO
                                                           durch Einreichung einer Berufungsschrift beim
   Die Zulassungsentscheidung erfolgt von Amts we-         zuständigen Landesarbeitsgericht. Gemäß § 519
   gen und ist im Urteilstenor aufzunehmen. Das            Abs. 2 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeich-
   zuständige Landesarbeitsgericht ist an die Zu-          nung des Urteils, gegen das die Berufung gerich-
   lassung gebunden. Durch die Aufnahme der Zu-            tet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses
   lassungsentscheidung soll die Partei bereits vor        Urteil Berufung eingelegt wird, enthalten. Zudem
   der Urteilszustellung eindeutig erkennen können,        ist auf die genaue Bezeichnung von Berufungsklä-
   ob und ggf. in welchem Umfang ihr die Möglich-          ger und Berufungsbeklagtem zu achten. Die Beru-
   keit zur Rechtsmitteleinlegung eröffnet worden          fungsschrift hat zudem die Unterschrift des postu-
   ist. Diese Voraussetzungen sind nur erfüllt, wenn       lationsfähigen Prozessbevollmächtigten (vgl. § 11
   aus dem verkündeten Tenor und ungeachtet ei-            ArbGG) zu enthalten. Mit ihr soll zudem gemäß
   ner möglichen Beschwer für die Partei ersichtlich       § 519 Abs. 3 ZPO eine Ausfertigung oder beglau-
   ist, ob das Gericht die Voraussetzungen des § 64        bigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorge-
   Abs. 2a ArbGG bejaht hat, was insbesondere bei          legt werden.
   teilbaren Streitgegenständen von Bedeutung sein
   kann1. Unterbleibt die Zulassung (ggf. auch verse-      Praxishinweis: Die Beifügung einer Ausfertigung
   hentlich), kann innerhalb von zwei Wochen ab Ver-       bzw. Abschrift des angefochtenen Urteils emp-
   kündung des Urteils eine entsprechende Ergän-           fiehlt sich auf jeden Fall. Das erstinstanzliche Ur-
   zung beantragt werden. Wird kein Antrag gestellt,       teil ist eine wichtige Auslegungshilfe. Kann bspw.
   ist die Berufung nicht zugelassen. Bei Fristversäu-     die Identität des angefochtenen Urteils nicht zwei-
   mung findet keine Wiedereinsetzung statt, da es         felfrei aus der Berufungsschrift festgestellt wer-

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   den, kann das beigefügte Urteil durch das Landes-      ser Rechtsprechung folglich auch ohne qualifizier-
   arbeitsgericht hinzugezogen werden.                    te elektronische Signatur formgerecht per E-Mail
                                                          übermittelt werden. Auf diese Weise wahrte der
   Die Berufung kann nicht unter einer Bedingung          Schriftsatz aber nur dann die Rechtsmittelfrist,
   eingelegt werden. Sie ist als Prozesshandlung be-      wenn er dem zuständigen Gericht – mit der in Ko-
   dingungsfeindlich. Dies gilt auch für die Einlegung    pie wiedergegebenen Unterschrift des Prozessbe-
   der Berufung unter der Bedingung der Bewilligung       vollmächtigten versehen – noch innerhalb der Frist
   von Prozesskostenhilfe3.                               in ausgedruckter Form vorlag. Ob angesichts des
                                                          neugefassten § 46c ArbGG diese Rechtsprechung
   4. Frist zur Einlegung und zur Begründung              noch aufrechterhalten werden kann, bleibt abzu-
      der Berufung                                        warten. Daher sollte höchst vorsorglich von einer
                                                          Übermittlung per E-Mail abgesehen werden.
   Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt
   gemäß § 517 ZPO einen Monat, für ihre Begrün-          Auch eine Berufungseinlegung bzw. -begründung
   dung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwei Monate.        über das besondere elektronische Anwaltspost-
                                                          fach (beA) ist zulässig. Gemäß § 46c Abs. 5 ArbGG
   Die Frist für die Berufungseinlegung ist eine sog.     ist das elektronische Dokument zu dem Zeitpunkt

                                                                      e
   Notfrist. Sie kann folglich weder verlängert noch      eingegangen, in dem es von der für den Empfang

                                                                    b
   verkürzt werden. Bei ihrer Versäumung ist aller-       bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert

                                                                 ro
   dings eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand       worden ist. Entscheidend ist somit nicht der Aus-
   nach den §§ 233 ff. ZPO möglich.                       druck des Dokuments, sondern der Zeitpunkt der

                                               p
                                                          Speicherung.

                                           s e
   Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in

                               Le
   vollständiger Form abgefassten Urteils. Die Be-        Praxishinweis: Versendet ein Rechtsanwalt die
   rechnung der Fristen richtet sich nach § 222 ZPO,      Berufungsschrift über das beA an das Landesar-
   §§ 187, 188 BGB. Fällt das Fristende auf einen         beitsgericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständi-
   Samstag, Sonntag oder Feiertag, endet die Frist        ge Personal dahingehend zu belehren, dass stets
   folglich am nächsten Werktag. Die Berufung kann        der Erhalt der automatisierten Eingangsbestäti-
   auch noch am letzten Tag der Berufungsfrist bis        gung nach § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG zu kontrol-
   24:00 Uhr eingelegt werden. Der Einwurf in ei-         lieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest
   nen Nachtbriefkasten ist fristwahrend. Behauptet       stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen7
   der Berufungsführer, der Eingangsstempel sei un-
   richtig, da der Nachtbriefkasten aus technischen       Die Berufungsfrist beginnt spätestens mit Ablauf
   Gründen nicht richtig funktioniert habe oder bei       von fünf Monaten nach Verkündung des Urteils.
   der Abstempelung ein Fehler unterlaufen sei, ist       Folglich muss die Berufung spätestens zu diesem
   es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur       Zeitpunkt eingelegt werden, selbst wenn bis da-
   Aufklärung notwendigen Maßnahmen zu ergrei-            hin von dem erkennenden Arbeitsgericht kein voll-
   fen4.                                                  ständig abgesetztes Urteil zugestellt wurde. Er-
                                                          folgt die Zustellung des Urteils erst nach Ablauf
   Bei der Übermittlung der Berufungsschrift durch        der Fünf-Monats-Frist, reicht es für eine ordnungs-
   Telefax muss der Übermittlungsvorgang bis 24:00        gemäße Berufungsbegründung, wenn der Beru-
   Uhr abgeschlossen sein. Eingegangen ist die Beru-      fungskläger die fehlenden Entscheidungsgründe
   fung auf diesem Wege dann, wenn die Empfangs-          rügt8.
   signale von der technischen Empfangseinrichtung
   des Gerichts (Telefaxgerät, Computer etc.) voll-       Eine Berufungseinlegung vor Verkündung des Ur-
   ständig aufgezeichnet worden sind5. Dabei ist zu       teils ist unzulässig. Allerdings kann die Berufung
   beachten, dass gemäß § 130 Nr. 6 ZPO bei einer         schon vor Zustellung des verkündeten Urteils ein-
   Übermittlung durch Telefax die Unterschrift auf        gelegt und begründet werden.9 Der Rechtsmittel-
   dieser Telekopie ausreichend ist.                      führer trägt aber in diesem Fall das Risiko, dass die
                                                          Berufung unzulässig ist, wenn er mit seinen Aus-
   § 46c ArbGG sieht als weitere Möglichkeit vor,         führungen die Urteilsgründe verfehlt10.
   Schriftsätze, Anlagen, Erklärungen etc. als elek-
   tronisches Dokument, nach Ansicht des BAG6 so-         Voraussetzung für den Fristbeginn ist eine rich-
   gar per E-Mail, zu übermitteln. Eine Berufungs-        tige Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 9 Abs. 5 Satz
   einlegung bzw. -begründung konnte nach die-            3 ArbGG). Ist eine Belehrung über die der Beleh-

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  rungspflicht unterliegenden Punkte unterblieben           schrift beim erstinstanzlichen Gericht so rechtzei-
  oder objektiv unrichtig erteilt, ist die Einlegung ge-    tig eingegangen ist, dass bei Weiterleitung des
  mäß § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG grundsätzlich inner-          Schriftsatzes an das zuständige Rechtsmittelge-
  halb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung        richt ohne weiteres zu erwarten gewesen wäre,
  zulässig.                                                 dass die Berufungsschrift dort noch innerhalb der
                                                            Berufungseinlegungsfrist eingeht. In einem sol-
  Die Frist zur Begründung der Berufung kann ge-            chen Fall darf die Partei nach den Grundsätzen der
  mäß § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG einmalig auf An-             fairen Verfahrensgestaltung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
  trag vom Vorsitzenden verlängert werden, wenn             Art. 20 Abs. 3 GG) nicht nur auf die Weiterleitung
  nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit           des Schriftsatzes, sondern auch darauf vertrauen,
  durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder          dass dieser noch fristgerecht beim zuständigen
  wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt. Eine           Gericht eingeht18.
  zweite Verlängerung der Berufungsbegründungs-
  frist ist ausgeschlossen11. Dabei ist es auch un-         Bei der Versäumung der Berufungsbegründungs-
  erheblich, ob der Vertreter der Gegenpartei einer         frist kann Wiedereinsetzung in den vorherigen
  Fristverlängerung zugestimmt hat12.                       Stand beantragt werden.

                                                                        e
  Der Antrag auf Fristverlängerung muss innerhalb           II. Rechtliche Würdigung

                                                                      b
  der jeweiligen Frist bei Gericht eingehen, kann

                                                                   ro
  aber noch nach Fristablauf beschieden werden13.           Ist man erstinstanzlich unterlegen, ist zunächst zu
                                                            prüfen, ob eine Berufung Sinn ergibt. Hat das Ge-

                                            p
  Die Gründe für die Fristverlängerung sind im An-          richt erster Instanz rechtliche Fragen unzutreffend

                                       es e
  trag glaubhaft zu machen. An die Darlegung eines          bewertet oder rechtliche Fehler gemacht, ist ei-
  erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der             ne Berufungseinlegung sinnvoll. Auch sind viele

                                 L
  Fristverlängerung sind bei einem ersten Antrag            Rechtsfragen umstritten und können von einem
  keine hohen Anforderungen zu stellen. Grund-              anderen Gericht durchaus anders beurteilt wer-
  sätzlich reicht der Hinweis auf das Vorliegen ei-         den. Ebenso kann eine Berufung Sinn ergeben,
  nes solchen Grundes – etwa Urlaubsabwesenheit,            wenn eine andere Beurteilung der festgestellten
  Arbeitsüberlastung oder das Erfordernis weiterer          Umstände und Tatsachen des Falles möglich er-
  Abstimmung zwischen Prozessbevollmächtigtem               scheint. Es gilt aber stets – bereits aus Kostenas-
  und Partei – aus, ohne dass es einer weiteren             pekten –, die realistischen Erfolgschancen einer
  Substantiierung bedarf14. Die Prozessbevollmäch-          Berufung im konkreten Fall auszuloten.
  tigten können grundsätzlich erwarten, dass dem
  Antrag entsprochen wird, wenn einer der im Ge-            Hinzukommt, dass das Rechtsmittel der Berufung
  setz genannten Gründe vorgebracht wird15. Das             nicht ohne Tücken ist. Dabei hat der arbeitsrecht-
  Gesetz enthält keine Regelung über die Dauer              liche Praktiker zu beachten, dass handwerkliche
  der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.           Fehler im Zusammenhang mit der Zulässigkeit
  Diese bestimmt sich nach dem Antrag des Beru-             der Berufung nicht nur im Berufungsverfahren vor
  fungsklägers und der durch die Verlängerung ein-          dem Landesarbeitsgericht geprüft werden. Auch
  tretenden Verzögerung des Verfahrens. Eine Ver-           das BAG als Revisionsgericht prüft diese. Denn
  längerung der Frist ist daher auch um mehr als ei-        die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraus-
  nen Monat zulässig16.                                     setzung für das gesamte weitere Verfahren und
                                                            ist nach der Einlegung der Berufung, also auch
  Praxishinweis: Die Zurückweisung des Fristver-            vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prü-
  längerungsantrags ist unanfechtbar (§ 225 Abs. 3          fen19. Selbst wenn also das Landesarbeitsgericht
  ZPO). Es empfiehlt sich daher, sich vor Fristablauf       die Berufung für zulässig erachtet hat, prüft das
  bei Gericht zu erkundigen, wie der Antrag beschie-        BAG als Revisionsgericht, ob die Berufung zuläs-
  den wurde. Eine Verpflichtung des Prozessbevoll-          sig, insbesondere ordnungsgemäß begründet war.
  mächtigten hierzu besteht allerdings nicht 17.
                                                            C. Auswirkungen für die Praxis
  Die Einreichung einer Berufungsschrift bei dem
  mit der Sache erstinstanzlich befassten, für das          Der arbeitsrechtliche Praktiker sollte sowohl bei
  Rechtsmittel aber unzuständigen Gericht wirkt             der Abfassung als auch bei der Einreichung
  sich nur dann nicht auf die Versäumung der Be-            von Berufungsschrift und Berufungsbegründung
  rufungseinlegungsfrist aus, wenn die Berufungs-           größtmögliche Sorgfalt walten lassen. Die maß-

                                                     - Seite 8 -
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  geblichen Fristen sind zu kennen und selbstver-        17       BGH, Beschl. v. 05.06.2012 - VI ZB 16/12 -
  ständlich zu beachten. Das erstinstanzliche Urteil              NJW 2012, 2522.
  ist sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher    18       BVerfG, Beschl. v. 20.06.1995 - 1 BvR 166/93
  Hinsicht einer gewissenhaften und genauen Ana-                  - NJW 1995, 3173; LArbG Berlin-Branden-
  lyse zu unterziehen. Die tragenden Urteilsgründe                burg, Urt. v. 03.04.2018 - 21 Sa 387/18 - BB
  sind herauszuarbeiten und eine Auseinanderset-                  2018, 1395.
  zung mit jedem einzelnen Argument des Arbeits-         19       BAG, Urt. v. 26.04.2017 - 10 AZR 275/16;
  gerichts ist unerlässlich.                                      BAG, Urt. v. 19.07.2016 - 2 AZR 637/15.

  D. Literaturempfehlungen                               ENTSCHEIDUNGSANMERKUNGEN
  Ganz, Der Weg zur zulässigen Berufung – ein Fahr-           3
  plan, ArbR 2014, 169.
                                                         Auslegung eines Prozessvergleichs:
  Sagan/Schneider, Anforderungen an die Beru-            Eigenständige Abrechnungs- und
  fungsschrift: „Aktenzeichen XY ungelöst“?, NZA         Zahlungsverpflichtung?
  2011, 1138.

                                                                         e
                                                         Orientierungssätze:

  1    Koch in: ErfKomm, § 64 ArbGG Rn. 5 m.w.N.

                                                                    ro b
                                                         1. Die Auslegung einer typischen Vergleichs-
                                                         regelung unterliegt, selbst wenn der mate-

                                          p
       BAG, Urt. v. 27.01.2004 - 1 AZR 105/03 - NZA      rielle Regelungsgehalt des Vergleichs aus-

                                        e
  2

                                     es
       2004, 1239.                                       schließlich individuell bestimmt ist, einer
  3    BGH, Beschl. v. 24.03.2009 - VI ZB 89/08 -        vollen revisionsrechtlichen Überprüfung.

                                L
       NJW-RR 2010, 278.
  4    BGH, Beschl. v. 28.01.2020 - VI ZB 38/17 -        2. Verpflichtet sich der Arbeitgeber in ei-
       NJW 2020, 1225.                                   nem gerichtlichen Vergleich zur ordnungs-
  5    BAG, Urt. v. 13.12.2012 - 6 AZR 303/12 - NZA      gemäßen Abrechnung eines Arbeitsverhält-
       2013, 636; BGH, Beschl. v. 15.07.2008 - X ZB      nisses, zielt dies auf eine Berechnung an-
       8/08 - NJW 2008, 2649.                            hand außerhalb des Vergleichs vorzufinden-
  6    BAG, Beschl. v. 11.07.2013 - 2 AZB 6/13 -         der, von ihm unabhängig anzuwendender
       NZA 2013, 983; BGH, Beschl. v. 04.12.2008         Rechtsnormen ab. Befand sich der Arbeitge-
       - IX ZB 41/08 - NJW-RR 2009, 357.                 ber im Abrechnungszeitraum mit der Annah-
  7    BAG, Beschl. v. 07.08.2019 - 5 AZB 16/19 -        me der Arbeitsleistung in Verzug, sind des-
       NZA 2019, 279.                                    halb neben der Bestimmung des § 615 Satz
  8    BAG, Urt. v. 13.09.1995 - 2 AZR 855/94 - NZA      1 BGB, die den Vergütungsanspruch des Ar-
       1996, 446.                                        beitnehmers aus § 611 Abs. 1 BGB (seit dem
  9    BAG, Urt. v. 06.03.2003 - 2 AZR 596/02 - NZA      01.04.2017: § 611a Abs. 2 BGB) aufrechter-
       2003, 814.                                        hält, auch § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Nr. 1
  10   BAG, Urt. v. 16.06.2004 - 5 AZR 529/03 - AP       KSchG heranzuziehen.
       Nr 2 zu § 551 ZPO 2002.
  11   BAG, Urt. v. 18.09.1997 - 2 AZR 37/97; BAG,       3. Der Vergleich knüpft an eine Vergütungs-
       Urt. v. 13.09.1995 - 2 AZR 855/94 - NZA           berechnung anhand außerhalb des Ver-
       1996, 446.                                        gleichs vorzufindender Rechtsnormen an.
  12   BAG, Urt. v. 07.11.2012 - 7 AZR 314/12 - NZA      Für das Verständnis, die Parteien hätten da-
       2013, 1035.                                       mit einen eigenständigen Rechtsgrund für
  13   BAG, Urt. v. 08.06.1994 - 10 AZR 452/93 -         die Vergütung schaffen wollen, bedürfte
       NJW 1995, 548.                                    es besonderer Anhaltspunkte, die zweifels-
  14   BGH, Beschl. v. 09.05.2017 - VIII ZB 69/16 -      frei auf einen entsprechenden Parteiwillen
       NJW 2017, 2041; BAG, Beschl. v. 20.10.2004        schließen lassen. Solche Anhaltspunkte lie-
       - 5 AZB 37/04 - NZA 2004, 1350.                   gen nicht vor. Weder die Vergleichsrege-
  15   BAG, Beschl. v. 20.10.2004 - 5 AZB 37/04 -        lungen im Übrigen noch die im Zeitpunkt
       NZA 2004, 1350.                                   des Zustandekommens des Vergleichs be-
  16   BAG, Beschl. v. 16.07.2008 - 7 ABR 13/07 -        stehende Interessenlage der Parteien spre-
       NZA 2009, 202.                                    chen für einen Willen, vorliegend eine ei-

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  genständige Vergütungspflicht zu begrün-           B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
  den oder auch nur die Anrechnung eines Zwi-
  schenverdienstes des Arbeitnehmers auszu-          Die Klägerin war bei der Beklagten mit einem
  schließen.                                         – einschließlich anteiligen Urlaubsgeldes – Brut-
                                                     tomonatsgehalt i.H.v. 2.687,50 Euro beschäf-
  4. Die Vereinbarung einer Abrechnung be-           tigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhält-
  reits entstandener und fälliger Entgeltan-         nis fristlos zum 30.09.2015, hilfsweise ordent-
  sprüche auf der Grundlage der Hälfte des           lich zum nächstmöglichen Termin „unter An-
  Durchschnittsverdienstes in einem rückwir-         rechnung bestehender Urlaubsansprüche“. In
  kenden Prozessvergleich bewirkt zwar, dass         dem nachfolgend geführten Kündigungsrechts-
  dem Arbeitnehmer für gesetzliche Feierta-          streit schlossen die Parteien am 15.03.2016
  ge, die in den Abrechnungszeitraum fallen,         beim Arbeitsgericht einen Vergleich folgenden
  ein geringeres Entgelt zusteht als nach der        Inhalts:
  ursprünglich im Arbeitsvertrag getroffenen
  Vergütungsregelung. Ein damit verbunde-            „1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete
  ner teilweiser Verzicht auf Feiertagsvergü-        aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kün-
  tung verstößt aber nicht gegen die Unab-           digung mit Ablauf des 31.1.2016.

                                                                  e
  dingbarkeit des Entgeltzahlungsanspruchs

                                                                b
  nach § 12 EntgFG, weil er bei der Beendigung       2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis

                                                             ro
  des Arbeitsverhältnisses und nach Eintritt         bis zu dessen Beendigung auf Basis eines Brut-
  der Fälligkeit des Entgeltzahlungsanspruchs        tomonatsgehalts i.H.v. 1.343,75 Euro ordnungs-

                                        p
  erfolgt. Sollte durch die vereinbarte Herab-

                                      e
                                                     gemäß ab und zahlt den entsprechenden Net-

                                   es
  setzung der Bruttomonatsvergütung der ge-          tobetrag, vorbehaltlich auf Dritte übergegange-
  setzliche Mindestlohn nach dem Mindestl-           ner Ansprüche, an die Klägerin aus.

                             L
  ohngesetz unterschritten worden sein, läge
  darin gemäß § 3 Satz 2 MiLoG kein Verstoß          3. Die Klägerin hat ihren Urlaub vollständig ein-
  gegen § 3 Satz 1 MiLoG.                            gebracht.

  Anmerkung zu BAG, Urteil vom 27.05.2020,           4. ….
  5 AZR 101/19
                                                     5. …
  von Dr. Jens Tiedemann, RiArbG
                                                     6. Darüber hinaus hat keine Partei mehr gegen
                                                     die andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhält-
                                                     nis und seiner Beendigung, unabhängig davon,
  A. Problemstellung                                 ob solche derzeit bekannt oder unbekannt sind
                                                     und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mö-
  Wenn in einem Prozessvergleich zwischen den        gen.“
  Parteien vereinbart wird, dass die Arbeitgebe-
  rin das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Been-      Das in Ziff. 2 genannte Gehalt entspricht 50%
  digung auf Basis eines betragsmäßig bestimm-       des bisherigen Bruttogehalts. Ab November
  ten Bruttomonatsgehalts ordnungsgemäß ab-          2015 erzielte die Klägerin in einem Arbeits-
  rechnet und den entsprechenden Nettobetrag         verhältnis mit einer anderen Arbeitgeberin ei-
  an den Arbeitnehmer auszahlt, vorbehaltlich auf    nen Verdienst, der 1.343,75 Euro brutto monat-
  Dritte übergegangener Ansprüche, wird damit        lich überstieg. Die Beklagte erteilte der Kläge-
  überhaupt eine eigenständige Zahlungs- und in      rin nach Abschluss des Vergleichs keine Abrech-
  der Folge eine eigenständige Abrechnungsver-       nungen und leistete an sie auch keine Zahlun-
  pflichtung begründet und haben die Parteien        gen. Die Klägerin versuchte vergeblich, im We-
  eine Regelung über die Anrechnung von Zwi-         ge der Zwangsvollstreckung die nach Ziff. 2 des
  schenverdienst i.S.v. § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11   Prozessvergleichs geschuldete Abrechnung im
  Nr. 1 KSchG getroffen?                             Wege der Ersatzvornahme durch einen Steu-
                                                     erberater vornehmen zu lassen. Das Landes-
                                                     arbeitsgericht lehnte diesen Antrag rechtskräf-
                                                     tig mit der Begründung ab, die Regelung ha-
                                                     be keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Darauf-

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   hin hat die Klägerin die vorliegende Klage er-        gütungsanspruch des Arbeitsnehmers aufrecht-
   hoben. Sie hat geltend gemacht, ihr stehe aus         erhält, auch § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Nr. 1
   Ziff. 2 des Vergleichs für die Zeit von Okto-         KSchG heranzuziehen, d.h. anderweitiger Ver-
   ber 2015 bis Januar 2016 Vergütung i.H.v. je-         dienst ist anzurechnen. Etwas anderes gilt nur,
   weils 1.343,75 Euro brutto (= insgesamt 5.375         wenn die Anwendung von § 615 Satz 2 BGB,
   Euro brutto) monatlich abzüglich bezogenen            § 11 Nr. 1 KSchG wirksam abbedungen worden
   Arbeitslosengeldes i.H.v. 1.294,28 Euro netto         ist (dazu BAG, Urt. v. 10.01.2007 - 5 AZR 84/06
   zu, wobei Zwischenverdienst nicht anzurechnen         Rn. 28).
   sei. Ferner begehrte die Klägerin die Erteilung
   von Lohnabrechnungen für die Monate Oktober           2. Ein Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht
   2015 bis einschließlich Januar 2016 über monat-       daraus, dass der sich aus der Abrechnung er-
   lich 1.343,75 Euro brutto. Das Arbeitsgericht hat     gebende Nettobetrag „vorbehaltlich auf Dritte
   die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsge-            übergegangener Ansprüche“, an die Klägerin
   richt hat ihr auf die Berufung der Klägerin statt-    auszuzahlen ist. Damit wird ersichtlich nur be-
   gegeben (LArbG Nürnberg, Urt. v. 09.01.2019 -         rücksichtigt, dass die Klägerin in Bezug auf die-
   4 Sa 306/18). Mit der vom Landesarbeitsgericht        se Ansprüche gemäß § 115 SGB X nicht mehr
   zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die        Forderungsinhaberin ist und deshalb auch von

                                                                     e
   Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.      der Beklagten keine Zahlung verlangen kann.

   Die Revision hatte vor dem BAG Erfolg.

                                                                ro b
                                                         3. Dass bei der Auszahlung des Nettoverdiens-
                                                         tes ein von der Klägerin im Streitzeitraum erziel-

                                          p
   Die Revision der Beklagten ist begründet, denn        ter anderweitiger Verdienst keine Erwähnung

                                     es e
   die Klage ist unbegründet.                            findet, rechtfertigt zudem nicht den (Umkehr-
                                                         )Schluss auf einen von den Parteien gewollten

                               L
   I. Die Klägerin hat zum einen aus Ziff. 2 des         Ausschluss von dessen Anrechnung. Dem steht
   Prozessvergleichs vom 15.03.2016 keinen An-           entgegen, dass die Anrechnung anderweitigen
   spruch auf Annahmeverzugslohn. Nach Auffas-           Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB ipso iure
   sung des BAG haben die Parteien in Ziff. 2 des        eintritt und in Höhe dieses Verdienstes bereits
   Vergleichs keine eigenständige, von außerhalb         die Entstehung des Anspruchs auf Annahme-
   des Prozessvergleichs bestehenden Anspruchs-          verzugsvergütung aus § 615 Satz 1 BGB aus-
   grundlagen losgelöste Pflicht der Beklagten be-       schließt. Selbst wenn die Beklagte davon aus-
   gründet. Dies ergibt sich aus einer Auslegung         ging, dass sie sich ab dem 01.10.2015 im An-
   gemäß den §§ 133, 157 BGB. Hiernach haben             nahmeverzug befand und sich damit für den
   die Parteien in Ziff. 2 des Vergleichs keinen         Streitzeitraum Zahlungsansprüche der Klägerin
   Rechtsgrund für eine eigenständige Zahlungs-          aus § 615 i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB ergeben konn-
   pflicht geschaffen, die über die gesetzlichen Be-     ten, zwingt dies aber nicht zu der Annahme, die
   stimmungen und insbesondere § 615 BGB hin-            Beklagte habe sich mit der Festlegung des hälf-
   ausgeht, denn es sollte nur „auf Basis von ...        tigen Bruttomonatsgehalts als Grundlage für die
   ordnungsgemäß“ abgerechnet werden.                    vorzunehmende Abrechnung mit der Klägerin
                                                         über die Zahlung dieses Betrags einigen und
   1. Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem ge-     entsprechend auf die Anrechnung anderweiti-
   richtlichen Vergleich, das Arbeitsverhältnis ab-      gen Verdienstes verzichten wollen. Ebenso gut
   zurechnen, wird dadurch im Zweifel nur die oh-        kann die Festlegung der Gehaltshöhe als zusätz-
   nehin bestehende Rechtslage bestätigt. Eine           licher Ausdruck einer gewollten Verteilung des
   „Abrechnung“ betrifft die tatsächlich bestehen-       sich aus der Ungewissheit über die Wirksamkeit
   den Ansprüche. Das Wort „ordnungsgemäß“               der fristlosen Kündigung ergebenden Prozessri-
   soll die vorzunehmende Abrechnung näher be-           sikos verstanden werden.
   schreiben. Es zielt auf eine Berechnung an-
   hand außerhalb des Vergleichs vorzufindender,         II. Die Klägerin hat auch keine Anspruch auf
   von ihm unabhängig anzuwendender Rechts-              Annahmeverzug gemäß § 615 BGB i.V.m. den
   normen (BAG, Urt. v. 19.05.2004 - 5 AZR 434/03        §§ 293 ff. BGB, da dieser mangels genauer An-
   Rn. 17). Befand sich der Arbeitgeber im Abrech-       gabe des Zwischenverdienstes unschlüssig ist.
   nungszeitraum mit der Annahme der Arbeits-            Dementsprechend kann sie für die streitgegen-
   leistung in Verzug, sind deshalb neben der Be-
   stimmung des § 615 Satz 1 BGB, die den Ver-

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  ständlichen Monate auch keine Lohnabrechnun-         musste sich der hier erkennende BAG-Senat be-
  gen mit dem begehrten Inhalt verlangen.              reits im Urteil vom 20.11.2019 (5 AZR 578/18)
                                                       mit der Auslegung eines Prozessvergleichs da-
                                                       hingehend befassen, ob von der unwiderrufli-
  C. Kontext der Entscheidung                          chen Freistellung des Arbeitnehmers von sei-
                                                       ner Arbeitspflicht während des Laufes der Kün-
  Vorliegend haben die Parteien sicherlich – wie       digungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung
  Ziff. 6 des Prozessvergleichs zu entnehmen ist       auch die Erfüllung des Anspruchs auf Freizeit-
  – gedacht oder zumindest gehofft, dass sie sich      ausgleich zum Zwecke des Abbaus eines posi-
  umfassend verglichen hätten und keine Folge-         tiven Saldos eines Arbeitszeitkonto erfasst ist,
  prozesse drohen. Regelungen in Prozessverglei-       was der Fünfte Senat verneint hat.
  chen haben allerdings nicht immer einen voll-
  streckungsfähigen Inhalt und können es auch
  oft genug nicht haben, da sie bewusst und ge-        D. Auswirkungen für die Praxis
  wollt unbestimmt formuliert und vom „Geis-
  te der gemeinsamen Verständigung“ getragen           Bei der vom BAG vorgenommenen Auslegung
  sind. Zum Schwur kommt es dann, wenn aus ei-         von Ziff. 2 erweist sich der Prozessvergleich für

                                                                    e
  nem Prozessvergleich vollstreckt werden soll.        die Klägerin wirtschaftlich als nahezu wertlos,

                                                                  b
                                                       weil sie nach ihrem eigenen Prozessvortrag be-

                                                               ro
  Da Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bzgl.               reits seit dem 09.11.2015 in einem neuen Ar-
  Ziff. 2 des Prozessvergleichs rechtskräftig ab-      beitsverhältnis mit einer anderen Arbeitgeberin

                                         p
  gewiesen waren, musste die Klägerin eine se-         stand und ihr dort erzielter Verdienst die Sum-

                                    es e
  parate Klage erheben, denn der Streit zwi-           me der hiesigen Klageforderungen überstieg.
  schen Parteien über den materiell-rechtlichen

                               L
  Inhalt eines Prozessvergleichs ist eine Frage, die   Vorliegend hätten die Parteien nach Auffassung
  nicht im Ursprungsverfahren, sondern in einem        des BAG, wenn sie denn bei Ziff. 2 des Pro-
  neuen Rechtsstreit zu klären ist (BAG, Urt. v.       zessvergleichs den Willen gehabt hätten, eine
  16.01.2003 - 2 AZR 316/01 Rn. 28). Demgegen-         von den rechtlichen Voraussetzungen des Ver-
  über ist die Frage, ob ein Prozessvergleich ein      gütungsanspruchs unabhängige und eigenstän-
  Verfahren beendet hat, durch Fortsetzung des         dige Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung
  vermeintlich nicht erledigten Rechtsstreits zu       des benannten Bruttobetrags (i.H.v. 1.343,75
  klären, sofern die Unwirksamkeit auf Umstän-         Euro) – ohne Anrechnung des unstreitigen Zwi-
  de gestützt wird, die bereits im Zeitpunkt des       schenverdientes, dessen Höhe die Klägerin aus
  Vergleichsabschlusses vorlagen (BAG, Urt. v.         vermeintlich prozesstaktischen Gründen nicht
  12.05.2010 - 2 AZR 544/08 Rn. 15 - NZA 2010,         angegeben hatte – zu begründen, dies ange-
  1250).                                               sichts der zugleich vereinbarten Pflicht zur „ord-
                                                       nungsgemäßen“ Abrechnung, die gerade die
  Prozessvergleiche sind ebenso wie Verträge, je-      Anwendung von § 615 Satz 2 BGB einschließt,
  denfalls wenn es sich bei den Vergleichsrege-        deutlich(er) zum Ausdruck bringen müssen. In-
  lungen um Formulierungen handelt, die bei den        sofern kann zukünftig nur empfohlen werden,
  Arbeitsgerichten oder zumindest von den je-          dass die Parteien im Prozessvergleich ausdrück-
  weiligen Vorsitzenden zur Beilegung einer Viel-      lich klarstellen, ob etwaiger Zwischenverdienst
  zahl von Rechtsstreitigkeiten verwendet wer-         nach § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Nr. 1 KSchG
  den, als sog. typische Erklärungen anzusehen.        anzurechnen ist, wobei im Zweifel – zugunsten
  Die Auslegung solcher typischer Klauseln un-         des Arbeitgebers – von einer Anrechnung aus-
  terliegt, selbst wenn der materielle Regelungs-      zugehen ist, da dies dem gesetzlichen Regelfall
  gehalt des Vergleichs ausschließlich individu-       entspricht.
  ell bestimmt ist, einer vollen revisionsrecht-
  lichen Überprüfung (BAG, Urt. v. 20.11.2019          Darüber hinaus müssen die Parteien, wenn sie
  - 5 AZR 578/18 Rn. 22 m.w.N.; BAG, Urt. v.           eine Verpflichtung nur Erteilung von Abrechnun-
  27.05.2015 - 5 AZR 137/14 Rn. 18 m.w.N.). Ent-       gen vereinbaren wollen, die nicht nur die de-
  sprechende Vergleichsklauseln sind nach den          klaratorische Wiedergabe von § 108 GewO be-
  §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien      inhaltet, sondern eine eigenständige Abrech-
  sie nach Treu und Glauben unter Berücksichti-        nungsverpflichtung begründen soll, dies eben-
  gung der Verkehrssitte verstehen mussten. So         falls ausdrücklich regeln. Im Zweifel ist von ei-

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   ner deklaratorischen Regelung auszugehen, die          lichen Untersuchung unberechtigt verwei-
   zudem regelmäßig unbestimmt ist und keinen             gert, rechtfertigt dies eine Abmahnung.
   vollstreckungsfähigen Inhalt hat, so dass Folge-
   prozesse gerade nicht vermieden werden. Im             Anmerkung zu LArbG Nürnberg, Urteil vom
   Ergebnis müssen entweder gerichtliche Verglei-         19.05.2020, 7 Sa 304/19
   che erheblich präziser gefasst oder es müs-
                                                          von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG a.D.
   sen grundsätzlich Folgestreitigkeiten in Kauf ge-
   nommen werden. Das „Vergleichsgeschäft“ der
   Instanzgerichte wird dadurch nicht einfacher.

                                                          A. Problemstellung
   E. Weitere Themenschwerpunkte der Ent-
   scheidung                                              Das LArbG Nürnberg hatte zu entscheiden,
                                                          ob ein Arbeitnehmer abgemahnt werden kann,
   Die vorliegend vereinbarte Reduzierung des             wenn er die Teilnahme an einer aufgrund von
   monatlichen Vergütungsanspruchs für die Zeit           § 3 Abs. 5 TV-L angeordneten ärztlichen Unter-
   nach der Kündigung auf 50% führt auch nicht zu         suchung verweigert.

                                                                      e
   einer unwirksamen Verkürzung von Ansprüchen

                                                                    b
   der Klägerin auf Feiertags- und Urlaubsvergü-

                                                                 ro
   tung. Zum einen kann die Klägerin auf derartige        B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
   Ansprüche, wenn sie denn bereits entstanden

                                           p
   und – insbesondere wegen der Beendigung des            Der klagende Arbeitnehmer, Jahrgang 1962,

                                      es e
   Arbeitsverhältnisses – fällig sind, ohne Verstoß       hatte sich Anfang 2019 geweigert, sich dem
   gegen § 12 EFZG, verzichten (Linck in: Schaub,         ärztlichen Dienst der Polizei zur ärztlichen Un-

                                 L
   Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Aufl., § 98 Rn. 150;       tersuchung vorzustellen, die der Arbeitgeber
   Müller-Glöge in: MünchKomm BGB, 8. Aufl., § 12         unter Bezug auf § 3 Abs. 5 TV-L angeordnet
   EFZG Rn. 8; Reinhard in: ErfKomm, 20. Aufl.,           hatte. Im Jahr 2018 war der Kläger an insge-
   § 12 EFZG Rn. 5; Schmitt in: Schmitt/Schmitt,          samt 75 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Ab De-
   Entgeltfortzahlungsgesetz, 8. Aufl., § 12 Rn. 28).     zember 2018 war der Kläger für einen Zeitraum
   Zum anderen liege, wenn durch die vereinbarte          von mehr als vier Monaten arbeitsunfähig er-
   Herabsetzung der Bruttomonatsvergütung der             krankt. Der Kläger meinte, während einer beste-
   gesetzliche Mindestlohn unterschritten würde,          henden Arbeitsunfähigkeit bestehe keine Ver-
   darin auch kein Verstoß gegen § 3 Satz 1 Mi-           pflichtung, sich der ärztlichen Untersuchung zu
   LoG, denn gemäß § 3 Satz 2 MiLoG kann der              stellen. Darauf wurde der Kläger abgemahnt.
   Arbeitnehmer in einem vor Gericht in mündli-
   cher Verhandlung geschlossenen Vergleich auf           Das LArbG Nürnberg sah – wie die Vorinstanz
   bereits entstandene Mindestlohnansprüche ver-          – die Abmahnung als gerechtfertigt an und ver-
   zichten (Franzen in: ErfKomm, 20. Aufl., § 3 Mi-       neinte einen Anspruch auf Entfernung der Ab-
   LoG Rn. 5; Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohn-           mahnung aus der über den Kläger geführten
   gesetz, 2. Aufl., § 3 Rn. 48; Trümner in: HK-Mi-       Personalakte.
   LoG, 2. Aufl., § 3 Rn. 48 f.; Vogelsang in: Schaub,
   Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Aufl., § 66 Rn. 41).       In der Weigerung des Klägers sieht das Lan-
                                                          desarbeitsgericht einen Grund, der die ordentli-
                                                          che Kündigung rechtfertigen könne, wobei nach
    4                                                     Auffassung des BAG auch eine außerordentli-
                                                          che Kündigung in einer solchen Situation in Be-
   Verweigerung der Teilnahme an                          tracht komme. Die Weisung aufgrund von § 3
   amtsärztlicher Untersuchung als                        Abs. 5 TV-L erfülle die dort genannten Voraus-
   Abmahnungsgrund?                                       setzungen, weil angesichts des Umfangs der bis
                                                          zur Weisung eingetretenen krankheitsbeding-
   Orientierungssatz zur Anmerkung:                       ten Arbeitsunfähigkeit eine hinreichende Veran-
                                                          lassung für den Ausspruch der Weisung bestan-
   Wird die Teilnahme an einer aus hinreichen-            den habe. Weitere Voraussetzungen stelle die
   der Veranlassung vom Arbeitgeber aufgrund              Regelung nicht auf. Insbesondere setze sie nicht
   von § 3 Abs. 5 TV-L angeordneten ärzt-                 voraus, dass die angewiesene Person im Zeit-

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                                            AnwZert ArbR 22/2020

   punkt der Untersuchung arbeitsfähig sei. Der         de Recht, den eigenen Gesundheitszustand ge-
   Arbeitgeber müsse also nicht zuwarten, bis die       heim zu halten (EuGH, Urt. v. 05.10.1994 - C-
   Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt sei.              404/92 P Rn. 17 - NJW 1994, 3005, 3006 „X/
                                                        Kommission“). Jeder Eingriff in diesen Aspekt
   Das sich aus § 3 Abs. 5 TV-L ergebende Bestim-       des Rechts auf Achtung der Privatsphäre bedarf
   mungsrecht hat der Arbeitgeber nach Auffas-          deshalb nach Art. 8 Abs. 2 EMRK einer gesetzli-
   sung des LArbG Nürnberg entsprechend § 106           chen Grundlage. Ein inhaltsgleiches Recht ent-
   Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB nach billi-            hält Art. 7 GRCh; die Voraussetzungen eines Ein-
   gem Ermessen ausgeübt. Der Kläger hat zudem          griffs ergeben sich aus Art. 52 Abs. 1 Satz 1
   nach Meinung des Landesarbeitsgerichts keine         GRCh, der ebenfalls eine gesetzliche Grundlage
   – sonstigen – Gründen vorgetragen, die eine Be-      für eine Beschränkung voraussetzt. Art. 8 EM-
   folgung der Weisung zu dem in ihr genannten          RK ist nach Art. 6 Abs. 3 EUV ein allgemeiner
   Zeitraum unmöglich oder unzumutbar gemacht           Grundsatz des Unionsrechts und gehört damit
   hätten.                                              dem primärrechtlichen Rechtskreis des Unions-
                                                        rechts an, gilt also nicht nur als einfaches Bun-
                                                        desgesetz.
   C. Kontext der Entscheidung

                                                                    e
                                                        Art. 8 Abs. 1 GRCh, Art. 16 Abs. 1 AEUV gewähr-

                                                                  b
   § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L berechtigt wie § 3 Abs. 4     leisten das Recht auf Schutz der personenbezo-

                                                               ro
   Satz 1 TVöD den Arbeitgeber, bei begründe-           genen Daten. Die Eingriffsvoraussetzungen er-
   ter Veranlassung Beschäftigte zu verpflichten,       geben sich aus Art. 8 Abs. 2 Satz 1 GRCh. Zur

                                         p
   durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen,          Durchführung von Art. 8 GRCh wie auch von

                                    es e
   dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich ge-     Art. 7 GRCh ist die Datenschutz-Grundverord-
   schuldeten Leistung in der Lage sind. Bei dem        nung (DSGVO) erlassen worden, wie deren Er-

                              L
   beauftragten Arzt kann es sich nach § 3 Abs. 5       wägungsgrund Nr. 1 ausweist. Das Recht auf
   Satz 2 TV-L um einen Amtsarzt handeln, soweit        Schutz personenbezogener Daten besteht nach
   sich die Betriebsparteien nicht auf einen ande-      Art. 16 Abs. 1 AEUV unabhängig davon, ob ent-
   ren Arzt geeinigt haben. § 3 Abs. 4 Satz 2 TVöD      sprechend Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh zur Durch-
   stellt auf einen Betriebsarzt bzw. eine Betriebs-    führung der Art. 7 GRCh weitere Bestimmungen
   ärztin ab, soweit sich die Betriebsparteien nicht    im Unionsrecht getroffen worden sind.
   auf eine andere Ärztin bzw. einen anderen Arzt
   geeinigt haben. Die Ausübung der sich aus § 3        Art. 9 Abs. 1 DSGVO verbietet die Verarbei-
   Abs. 5 Satz 1 TV-L, § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD erge-     tung von Gesundheitsdaten. Zu diesen Daten
   benden Rechte, eine entsprechende arbeitsver-        gehören nach dem Erwägungsgrund Nr. 35 der
   tragliche Nachweispflicht für einzelne Beschäf-      DSGVO alle Daten, die sich auf den Gesund-
   tigte zu begründen, ist Teil der Wahrnehmung         heitszustand einer betroffenen Person beziehen
   des in § 106 Satz 1 GewO geregelten Direktions-      und aus denen Informationen über den frühe-
   rechts des Arbeitgebers.                             ren, gegenwärtigen und künftigen körperlichen
                                                        oder geistigen Gesundheitszustand der betrof-
   Die genannten tariflichen Erweiterungen des          fenen Person hervorgehen. Das schließt Infor-
   in allgemeiner Form in § 106 GewO gere-              mationen etwa über Krankheiten, Behinderun-
   gelten Direktionsrechts hat das LArbG Nürn-          gen, Krankheitsrisiken, Vorerkrankungen, klini-
   berg ungeprüft als zulässig eingestuft und sich      sche Behandlungen oder den physiologischen
   nicht die Frage gestellt, ob die tariflichen Er-     oder biomedizinischen Zustand der betroffenen
   mächtigungen einen zulässigen Eingriff in das        Person unabhängig von der Herkunft der Da-
   Grundrecht auf informationelle Selbstbestim-         ten ein, ob sie nun von einem Arzt oder sonsti-
   mung des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG    gem Angehörigen eines Gesundheitsberufes, ei-
   darstellen. Das BVerfG hält das, bezogen auf ei-     nem Krankenhaus, einem Medizinprodukt oder
   ne aufgrund von § 44 Abs. 6 BBG erlassene Wei-       einem In-Vitro-Diagnostikum stammen.
   sung zur ärztlichen Untersuchung der Dienstfä-
   higkeit, für möglich (BVerfG, Einstweilige Anord-    Nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO findet diese VO An-
   nung v. 13.05.2020 - 2 BvR 652/20 Rn. 13).           wendung auf die ganz oder teilweise automati-
                                                        sierte Verarbeitung personenbezogener Daten
   Die gleiche Problematik besteht im Hinblick          sowie auf die nichtautomatisierte Verarbeitung
   auf das sich aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergeben-         personenbezogener Daten, die in einem Datei-

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Arbeitsrecht ­­­– Leseprobe
                                            AnwZert ArbR 22/2020

  system gespeichert sind oder gespeichert wer-        seinen bzw. ihren diesbezüglichen Pflichten
  den sollen. Dateisysteme sind nach Art. 4 Nr. 6      nachkommen kann, soweit dies nach Unions-
  DSGVO alle strukturierten Sammlungen perso-          recht oder dem Recht der Mitgliedstaaten oder
  nenbezogener Daten, die nach bestimmten Kri-         einer Kollektivvereinbarung nach dem Recht
  terien zugänglich sind, unabhängig davon, ob         der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien
  diese Sammlung zentral, dezentral oder nach          für die Grundrechte und die Interessen der be-
  funktionalen oder geografischen Gesichtspunk-        troffenen Person vorsieht, zulässig ist. Art. 9
  ten geordnet geführt wird. Personalakten erfül-      Abs. 2 Buchst. b DSGVO lässt als Eingriffser-
  len diese Voraussetzungen, so dass es nicht          mächtigung neben einer Rechtsvorschrift des
  darauf ankommt, ob sie automatisiert geführt         jeweiligen Mitgliedstaates auch eine Kollektiv-
  werden. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 15 der           vereinbarung genügen. Insoweit begegnet die
  DSGVO soll der Schutz personenbezogener Da-          Anwendung von § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L bzw. § 3
  ten technikneutral sein. Lediglich Akten oder        Abs. 4 Satz 1 TVöD keinen unionsrechtlichen Be-
  Aktensammlungen sowie ihre Deckblätter, die          denken, um das Verbot des Art. 9 Abs. 1 DSGVO
  nicht nach bestimmten Kriterien geordnet sind,       aufzuheben.
  sollten nach diesem Erwägungsgrund nicht in
  den Anwendungsbereich dieser Verordnung fal-         Es genügt jedoch nicht, dass eine gesetzliche

                                                                    e
  len.                                                 Regelung oder eine Kollektivvereinbarung die

                                                                  b
                                                       Verarbeitung der in Art. 9 Abs. 1 DSGVO ge-

                                                               ro
  Da jedenfalls das zusammenfassende Ergebnis          nannten sensiblen personenbezogenen Daten
  der aufgrund der vom Kläger verlangten ärztli-       für bestimmte arbeitsrechtliche Zwecke als er-

                                         p
  chen Untersuchung beim Arbeitgeber Bestand-          forderlich definiert und die Erforderlichkeit im

                                    es e
  teil der Personalakte geworden wäre, sind die        konkret geregelten Fall zweifelsfrei gegeben ist.
  Voraussetzungen für eine Anwendung der DSG-          Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO verlangt zu-

                               L
  VO erfüllt. Personalakten gehören auch bei nicht     sätzlich, dass in der die Befreiung vom Verbot
  automatisierter Führung zu den Akten, die nach       des Art. 9 Abs. 1 DSGVO regelnden Rechtsvor-
  bestimmten Kriterien geordnet sind.                  schrift bzw. Bestimmung des Kollektivvertrages
                                                       auch geeignete Garantien für die Grundrech-
  Das Verarbeitungsverbot in Art. 9 Abs. 1 DSG-        te der Betroffenen einerseits und ihrer Interes-
  VO erfasst nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO bereits das       sen andererseits enthalten sind, diese Fragen
  Erheben personenbezogener Daten, aber auch           also mitgeregelt sind, um auf diese Weise den
  deren Weitergabe an den Arbeitgeber. Dement-         besonderen Schutz der in Art. 9 Abs. 1 DSG-
  sprechend laufen Ermächtigungen, wie sie in § 3      VO genannten besonderen personenbezogenen
  Abs. 5 Satz 1 TV-L, § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD enthal-   Daten unmittelbar zu gewährleisten und die-
  ten sind, sich aber auch aus Bestimmungen wie        sen Schutz nicht nur der allgemeinen Verant-
  § 44 Abs. 6 BBG und § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG erge-     wortlichkeit derjenigen Stelle zu überlassen, die
  ben, unmittelbar dem strikten Verbot des Art. 9      spezifische personenbezogene Daten verarbei-
  Abs. 1 DSGVO zuwider und müssen unangewen-           tet (v. Roetteken, ZBR 2017, 145, 149 f.; ZBR
  det bleiben, soweit sich nicht aus Art. 9 Abs. 2     2013, 361, 369 f.).
  DSGVO die – ausnahmsweise – Berechtigung zur
  Verarbeitung von Gesundheitsdaten ergibt. Ei-        Die besonderen Garantien müssen sich vor al-
  ne solche Ermächtigung besteht immer dann,           lem auf die Durchführung des Grundsatzes der
  wenn der oder die Betroffene in die jeweilige        Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSG-
  Verarbeitung einwilligt (Art. 9 Abs. 2 Buchst. a     VO) und des Grundsatzes der Speicherbegren-
  DSGVO). Da der Kläger hier keine solche Einwil-      zung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. e DSGVO) beziehen,
  ligung erteilt hatte, kann die Verarbeitung nur      aber auch darauf, wie die Grundsätze der Inte-
  auf Grundlage von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSG-       grität und Vertraulichkeit (Art. 5 Abs. 1 Buchst. f
  VO zulässig gewesen sein.                            DSGVO) in Bezug auf diese besondere Art von
                                                       Daten gewahrt werden. Da es keine besonde-
  Voraussetzung dieser Ermächtigung ist die Er-        ren Rechtsvorschriften zur Gestaltung von Per-
  forderlichkeit der Datenverarbeitung, damit der      sonalakten für Beschäftigte im Arbeitsverhält-
  Verantwortliche oder die betroffene Person die       nis gibt und die beamtenrechtlichen Vorschrif-
  ihm bzw. ihr aus dem Arbeitsrecht und dem            ten jedenfalls die Grundsätze des Art. 5 Abs. 1
  Recht der sozialen Sicherheit und des Sozial-        Buchst. c, e DSGVO nicht umsetzen, besteht in-
  schutzes erwachsenden Rechte ausüben und             soweit eine datenschutzrechtliche Regelungslü-

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