ARTIKELSERIE "ECMO IN DER WEHRMEDIZIN"
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ANÄSTHESIE/INTENSIVMEDIZIN ARTIKELSERIE „ECMO IN DER WEHRMEDIZIN“ Wehrmedizinische Relevanz der Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) – Teil I: Zur Rolle der ECMO auf den Intensivstationen des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz Relevance of ECMO in military medicine – Part I: The role of ECMO in intensive care at the Bundeswehr Central Hospital Koblenz Florian Meyer-Oschatz a, Matthias Endlich b, Richard Feyrer b, Daniel Bredenkötter c, Willi Schmidbauer c, Christoph Jänig c Zusammenfassung of the technology “Extracorporal Membrane Oxygena tion” (ECMO) over the last years presented new options Die konservative Behandlung intensivpflichtiger Patien- to treat patients who before had no chance to survive. ten im akuten Herz- und/oder Lungenversagen ist As combat related injuries like sepsis or severe thorax schwierig und in ihren Erfolgsaussichten limitiert. Die trauma can lead to ARDS ECMO is of relevance in mil- Entwicklung der Extrakorporalen Membranoxygenierung itary medicine. This item will be presented and dis- (ECMO) in den letzten Jahren hat hier neue Möglich- cussed by 3 articles in this journal. keiten zur Behandlung auch solcher Patienten eröffnet, This first article comprehensively describes the core die ohne diese Methode keine Überlebenschance ha- aspects of extracorporeal membrane oxygenation ben. Dieses gilt z. B. für ein akutes Lungenversagen bei (ECMO). It gives an overview over the scientific basis Sepsis und schwerem Thoraxtrauma und ist somit auch of ECMO, describes the general function, medical indi- im Rahmen der Behandlung einsatzbedingter Verlet- cation, contraindication and complications and discuss- zungen von Bedeutung. In drei Beiträgen soll deshalb es crew-resource-management aspects. die wehrmedizinische Relevanz dieser Behandlungs- Finally, the relevance of ECMO in the context of military methode erörtert werden. medicine is discussed an the experiences of the Bundes Diese erste hierzu vorliegende Arbeit umfasst die Kern- wehr Central Hospital Koblenz as a cardiosurgical cen- aspekte zum Thema der ECMO. Sie gibt einen Über- ter with ECMO capability in the system network of the blick über die wissenschaftlichen Grundlagen, be- Bundeswehr hospitals are presented. schreibt das generelle Funktionsprinzip, die Keywords: ARDS, respiratory failure, ECMO, blast-in- Indikationsstellung, Kontraindikationen sowie Kompli- jury, cardiac surgery, aeromedical evacuation kationen und diskutiert Aspekte des Crew-Ressource- Managements. Einleitung Abschließend erfolgt nach einer Diskussion der wehr- medizinischen Relevanz des Verfahrens eine Über- Die konservative Therapie intensivpflichtiger Patienten sicht der Datenlage der ECMO-Einheit des Bundes- im akuten Herz- und/oder Lungenversagen ist äußerst wehrzentralkrankenhauses (BwZKrhs) Koblenz als schwierig und in ihren Möglichkeiten begrenzt [3]. Hier kardiochirurgisches Zentrum mit ECMO-Fähigkeit im hielt bereits frühzeitig1 eine miniaturisierte Version einer Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser. Herz-Lungen-Maschine, die sogenannte Extrakorporale Schlüsselwörter: ARDS, Lungenversagen, ECMO, Membranoxygenierung (Extracorporal Membrane Oxy- blast-injury, Herzchirurgie, AirMedEvac, ECMO genation, ECMO), Einzug in die Therapie. Zu Beginn war das Verfahren mit einer Vielzahl von Komplikationen, wie Summary Blutungen, Hämolyse, Embolien und Thrombosen, be- Conservative treatment of intensive care patients with haftet. Erst mit Entwicklung moderner Membranoxyge- acute respiratory distress syndrome (ARDS) is highly natoren konnte die Komplikationsrate deutlich gesenkt difficult and often of limited success. The development werden [29]. a Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Koblenz b Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik XVII – Herzchirurgie 1 Erste Ansätze zur Anwendung eines kardiopulmonalen Bypasses zur c Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik X – Anästhesie, Inten- Therapie des ARDS reichen zurück in die 1970er Jahre. Ab Anfang des sivmedizin und Notfallmedizin 21. Jahrhunderts nahm die Entwicklung dann einen raschen Fortgang. WMM 2020 – 64(10-11) 389
ANÄSTHESIE/INTENSIVMEDIZIN Tab.1: Berlin-Definition des ARDS (nach [26]) Die ersten Studien erbrachten den Nachweis eines Über- chen [13]. Eine verminderte Herzleistung führt zu einer lebensvorteils bei Neugeborenen und Kleinkindern, nicht notwendigen Steigerung der Katecholamin-Therapie, was aber bei Erwachsenen [2]. Die im Laufe der letzten De- die Sauerstoffversorgung des Gewebes verschlechtert kaden immer wiederkehrenden viralen Epidemien und und somit einen Circulus vitiosus auslöst und nicht selten Grippewellen führten zu einem stetigen Anstieg der Häu- figkeit der ECMO-Therapie. Ziel zahlreicher Forscher ist es, den Nutzen der ECMO-Therapie gegenüber der kon- servativen Behandlung des ARDS zu belegen [18, 21]. In unserer Arbeit fokussieren wir auf Erwachsene mit einem akuten Lungenversagen (Acute Respiratory Di- stress Syndrome, ARDS), dessen auslösende Faktoren mannigfaltig sind. So können z. B. eine schwere Infektion der Lunge, eine Sepsis oder ein starkes Thoraxtrauma in ein ARDS münden. Die Inzidenz des ARDS liegt in Europa bei 7/100 000 Einwohnern [20, 28]. Definiert wird es nach der Berlin- Definition [26], sein Schweregrad wird nach dem Horo- vitz-Quotienten (Verhältnis von PaO2 zu FiO2) eingeteilt (Tabelle 1). Ein ARDS weist eine hohe Letalität zwischen 43 % und 48 % auf [23, 28, 29]. In diesen Fällen kann gemäß ak- tueller Therapieempfehlungen ein Einsatz der extra-kor- poralen Membranoxygenierung (ECMO) erfolgen (Ab- bildung 1). ARDS-Therapiekonzepte – Vor und Nachteile Im Rahmen der ARDS-Therapie wurden verschiedenste Therapiekonzepte wissenschaftlich aufgearbeitet. Vor- teile ergaben sich hierbei z. B. für die lungenprotektive Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina [6], die Bauchlage [5, 9, 12] sowie die neuromuskuläre Blockade [17, 23]. Eine lungenprotektive Beatmung im Rahmen einer kon- servativen ARDS-Therapie kann neben den vorteilhaften Effekten auf die Oxygenierung auch nachteilige Effekte auf andere Organsysteme haben. So kann eine ange- passte lungenprotektive ARDS-Beatmung zu einem Anstieg des intrathorakalen Druckes und des pulmonal- arteriellen Widerstandes führen und somit eine Rechts- Abb. 1: Patient in Bauchlage mit laufender ECMO (Cardiohelp® der Fa. Maquet) auf der operativen Intensivstation des BwZKrhs Koblenz herzbelastung bis hin zum Zirkulationsversagen verursa- 390 WMM 2020 – 64(10-11)
ANÄSTHESIE/INTENSIVMEDIZIN zum Multi-Organ-Versagen (MOV) führt. Die ECMO-The- Es ergab sich eine Reduktion der Mortalität in der ECMO- rapie sorgt für eine adäquate Oxygenierung sowie De- gegenüber der CMV-Gruppe von 11 %, allerdings ohne carboxylierung. Dies ermöglicht es, die Beatmungsthera- statistische Signifikanz, dennoch mit einem Trend zum pie sowie das Katecholaminregime zu deeskalieren und Nutzen der ECMO-Therapie. Darüber hinaus ist der fängt somit einen Teil der Nebenwirkungen einer konven- Hauptkritikpunkt an der Studie, dass auf Anordnung der tionellen ARDS-Intensivtherapie ab [1, 10]. betreuenden Ärzte des CMV-Armes bei 28 % aller Patien- ten aus dieser Gruppe während der Behandlung ein The- Studienlage zur ECMO rapiewechsel hin zur ECMO-Gruppe vollzogen wurde. CESAR-Trial Somit erscheint ein Vergleich der beiden Kollektive wenig Beschäftigt man sich heutzutage mit der ECMO-Therapie sinnvoll. Doch gerade dieser o. g. Schwachpunkt ist unse- bei Erwachsenen mit ARDS, so ist es unerlässlich, die rer Meinung nach die größte Stärke dieser Arbeit. Es ist zwei wichtigsten Studien der letzten Jahre zu dieser The- bemerkenswert, dass die betreuenden Ärzte bei 28 % der matik zu kennen. Die erste Studie: „Conventional Venti- CMV-Patienten unter konservativer Therapie, die alle von latory Support vs Extracorporeal Membrane Oxygenation Experten auf dem Fachgebiet der konventionellen Beat- for Severe Adult Respiratory Failure“ (der sogenannte mungstherapie bei ARDS erhobenen Standards berück- CESAR-Trial) beschäftigte sich mit der Frage nach einer sichtigte, keine Überlebenschancen sahen. Sie sahen Mortalitätsreduktion bei ARDS-Patienten und wurde 2009 deshalb, basierend auf ihrer medizinischen Expertise, die publiziert [19]. Hier waren 180 Patienten mit schwerem ECMO als Ultima-Ratio-Therapie an. In Anbetracht des Lungenversagen einer ECMO-Gruppe oder einer Kont- hohen Prozentsatzes (28 %) von Therapieumstellungen rollgruppe mit konventioneller Ventilation zugeteilt wor- kann man postulieren, dass basierend auf den heutigen den. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem Lung- internationalen, intensivmedizinisch und herzchirurgi- Injury-Score > 3,0 oder einer unkompensierten schen Fachstandards der praktizierenden Ärzte Erwach- Hyperkapnie mit einem pH < 7,2. Der primäre Endpunkt senen mit ARDS deutlich bessere Überlebenschancen „Tod oder schwere Behinderung nach 6 Monaten“ wurde unter Verwendung einer modernen ECMO-Therapie ein- in der ECMO-Gruppe bei 37 %, in der Kontrollgruppe bei geräumt werden – ein starkes Signal in Punkto ECMO- 53 % (p = 0,03) erreicht. Damit wurde erstmals an er- Therapie und Überleben bei ARDS-Patienten. wachsenen Patienten ein Vorteil zugunsten einer ECMO- Behandlung gezeigt. Zur ECMO-Therapie Allerdings weist das Design der Studie Mängel auf; unter anderem wird kritisiert, dass 22/90 Patienten zwar der Funktionsweise der ECMO-Therapie ECMO-Gruppe zugeteilt wurden, jedoch aufgrund ra- Moderne ECMO-Systeme zeichnen sich durch ein kom- scher Besserung oder Tod keine ECMO erhielten. Zudem paktes Design aus. Prinzipiell ist zu unterscheiden zwi- wurden die Patienten der Kontrollgruppe nach individu- schen einem Verfahren mit (venovenöse-ECMO, vv-EC- ellen Vorstellungen in den teilnehmenden Kliniken be- MO) und ohne Pumpensystem (interventional Lung handelt, weshalb nur in 70 % eine protektive Beatmung Assist, iLA). Die iLA-Verfahren werden im Weiteren nicht durchgeführt wurde. Alle Patienten der ECMO-Gruppe weiter berücksichtigt, da die für diese Verfahren vorlie- wurden für die Intervention nach Leicester (UK) gebracht, gende Indikation durch die Systeme mit Pumpensystem sodass zudem ein Bias durch die Verlegung in ein spe- auch abgedeckt werden. Bei schwerem hypoxischem zialisiertes Zentrum anzunehmen ist. Lungenversagen steht die Verbesserung der Oxygenie- rung im Vordergrund, bei Vorliegen einer schweren re- EOLIA-Trial spiratorischen Azidose liegt der Fokus auf Kohlendioxid- Wegen der Mängel im CESAR-Trial wurde eine interna- Elimination. Hier reicht ein geringerer Blutfluss aus, die tionale, multizentrisch-randomisierte Studie, „Extracorpo- sogenannte „low flow“-ECMO. real Membrane Oxygenation for Severe Acute Respirato- Heutiger Standard bei vv-ECMO-Systemen sind Zentri- ry Distress Syndrome“ (der sogenannte EOLIA-Trial) fugal- oder Axialpumpen, ein plasmaresistenter Poly- aufgelegt und 2018 publiziert [8]. COMBES und seine Methyl-Penten-Diffusions-Membran-Oxygenator sowie mitarbeitenden Kollegen schlossen über 6 Jahre 249 eine Wärmetauscheinheit. Die Kanülierung erfolgt in der Patienten in die randomisierten Arme ECMO- und CMV- Regel in Seldinger-Technik über die rechte oder linke (conventional mechnical ventilation) Therapie ein. Ziel der Vena femoralis. Hierüber wird eine lange, im Durchmes- Studie war es, eine Reduktion der Mortalität bei ARDS- ser an die physiologischen Anforderungen passend wähl- Patienten von mindestens 20 % zu erreichen. Im Gegen- bare Kanüle implantiert, über die venöses Blut zum Oxy- satz zum CESAR-Trial wurde strikt auf standardisierte genator gelangt. Als rückführendes Gefäß nutzt man Vorgehensweisen in den jeweiligen Therapie-Schenkeln meist herznahe, kaliberstarke Venen, wie z. B. die rechts- geachtet. Nachdem 75 % der Patienten eingeschlossen oder linksseitige Vena subclavia oder Vena jugularis in- waren, zeigte sich, dass das geplante Ziel nicht erreicht terna. Hier kommen kürzere, eher kleinlumige Kanülen, werden konnte und die Studie wurde abgebrochen. entsprechend den physiologischen Anforderungen frei WMM 2020 – 64(10-11) 391
ANÄSTHESIE/INTENSIVMEDIZIN Abb. 2: Schemazeichnung zur Technik der va- und vv-ECMO (Abbildung aus [24]) wählbar, zum Einsatz. Alternativ kann anstelle zweier Indikationen für ECMO-Therapie Kanülen eine Doppellumenkanüle (die sogenannte Ava- Die Indikation für eine vv-ECMO liegt vor, wenn trotz Aus- lon-Kanüle) verwendet werden. Diese ist für die Implan- schöpfung aller konservativen Therapiemöglichkeiten eine tation in die rechte Vena jugularis interna entwickelt wor- lebensbedrohliche Hypoxämie vorliegt (Tabelle 2). den und hat den wesentlichen Vorteil, dass Patienten Neben dem Einsatz der ECMO bei hypoxämischem Lun- während der ECMO-Unterstützung mobilisiert werden genversagen (Parameter siehe Tabelle 2) besteht eine können, allerdings ist die Anlage technisch aufwendiger. weitere Indikation bei persistenter Hyperkapnie mit res- Die systemische Antikoagulation erfolgt mit unfraktionier- piratorischer Azidose (arterieller pH < 7,25, paCO2 > 60 mm tem Heparin, wobei die Ziel-aPTT (aktivierte partielle Hg über > 6 h) im Rahmen der lungenprotektiven Beat- Thromboplastinzeit) in der Regel etwa beim 1,5-fachen mung. Darüber hinaus muss bei manchen Patienten mit der Norm liegt, bei Blutungsneigung auch niedriger. ARDS eine invasive, aggressive, nicht den Kriterien einer Tab. 2: Indikationen für eine vv- ECMO-Therapie 392 WMM 2020 – 64(10-11)
ANÄSTHESIE/INTENSIVMEDIZIN lungenprotektiven Ventilation entsprechenden Beatmung systemischen Auswirkungen auf den Patienten, wie z. B. mit hohen Inspirationsspitzendrücken und hohen Unter- Blutung, heparininduzierte Thrombopenie (HIT) oder dis- stützungsdrücken > 15 cmH2O erfolgen, um eine adäqua- seminierte intravasale Koagulopathie (DIC). te Oxygenierung zu ermöglichen. In diesen Fällen ist eine anhaltende Verschlechterung des Patienten durch Zu- Wehrmedizinische Relevanz der ECMO nahme des beatmungsassoziierten Lungenschadens zu befürchten, weshalb hier der frühzeitige Einsatz einer Im Rahmen von wiederkehrenden lungenerkrankungs- ECMO-Therapie zur Lungenprotektion diskutiert werden assoziierten Epidemie- bzw. Pandemie-Wellen – wie kann [5, 7]. aktuell COVID-19 – werden selbst gut ausgestattete Ge- sundheitssysteme an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit Kontraindikationen für ECMO-Therapie gebracht. Der durch die Bundeswehr durchgeführte ent- Wesentliche Kontraindikationen sind potenziell zeitnahe lastende Patiententransport aus Italien und Frankreich zum Tode führende, nicht therapierbare Grunderkran- in deutsche Kliniken zeigte eindrücklich, wie wertvoll die kungen, Blutungen im ZNS sowie der kardiogene Schock. Expertise des Personals der Bundeswehrkrankenhäuser Beim kardialem Schockgeschehen kann auf ein veno-ar- (Bw(Z)Krhs) im Umgang mit ARDS-Patienten im Rahmen terielles ECLS-Verfahren („extracorporeal life support“) des strategischen Lufttransports (StratAirMedEvac) ist. gewechselt werden. Hierbei wird das gleiche System mit Die Auslöser eines ARDS bei Soldaten im Einsatz sind dem gleichen Setting wie für die ECMO-Therapie ver- ebenso vielfältig. Die Folgen eines schweren Thorax- wendet. Lediglich die Zuführung des arterialisierten traumas nach Explosions- oder Schussverletzung treten Blutes erfolgt nun über eine arteriell eingebrachte, klein- zeitlich versetzt ein, sind jedoch potenziell tödlich. Eine lumige Kanüle. Somit unterstützt bzw. ersetzt die Maschi- Auswertung des Afghanistaneinsatzes der Jahre 2005 ne dann Herz und Lunge. bis 2011 ergab, dass von 25 Soldaten, die eine Explo- Bei Indikationsstellung zur ECMO-Therapie sollte be- sionsverletzung der Lunge erlitten hatten, 14 im weiteren rücksichtigt werden, dass die ECMO-Therapie selbst zu Krankheitsverlauf die Diagnosekriterien eines ARDS er- keiner Besserung der Grunderkrankung führt, sondern füllten [4]. Auch schwere Infektionen der Lunge, wie In- lediglich vorübergehend den Gastransfer unterstützt und fluenza (letzter Influenza-B Ausbruch 2020 bei US-Streit- somit eine Deeskalation der Katecholamintherapie bzw. kräften im Bereich des TAAC N, RSM) oder atypische der Beatmungsparameter hin zur Lungenprotektion Pneumonien, treten nicht selten bei Soldaten im Einsatz ermöglicht und hilft, Zeit bis zu einer Erholung des er- auf. Weitere Auslöser für ein akutes Lungenversagen krankten Organs („bridge to recovery“) oder bis zu einer können eine nicht pulmonale Sepsis, die transfusions- organersetzenden Therapie („bridge to transplant“) zu assoziierte Lungenschädigung (TRALI), das Beinahe-Er- gewinnen, die gegebenenfalls für die Organheilung nötig trinken oder schwerste Verbrennungen sein. ist. Als Kontraindikation wird daher auch eine terminale Im Jahr 2005 stellte das US-Amerikanische Verteidi- Lungenerkrankung ohne Aussicht auf zeitnahe Lungen- gungsministerium das „Acute Lung Rescue Team“ transplantation angesehen. Eine vorausgehende Lang- (ALeRT) auf, welches über verschiedene extrakorporale zeitbeatmung (FiO2 > 90 %; Pinsp > 30 cmH20 für > 7 Tage) Unterstützungssysteme, inklusive ECMO, verfügte. Im sowie Begleiterkrankungen, wie Leberzirrhose oder chro- Zeitraum von 2005 bis 2011 wurde das Team 40-mal nisch-terminales Nierenversagen, verschlechtern die aktiviert und repatriierte 24 Patienten aus Kriegsgebieten Prognose erheblich und bedürfen einer patientenindivi- nach Deutschland [11]. In der Literatur finden sich u. a. duellen Entscheidung. Bei Kontraindikationen für eine Fallberichte von ECMO-Einsätzen zur Repatriierung aus Antikoagulation ist der Einsatz einer längerfristigen EC- Afghanistan [14, 15]. Durch die räumliche Stationierung MO-Therapie schwer möglich, beziehungsweise sorg- des Teams in Deutschland am „Landstuhl Regional Me- fältig abzuwägen. dical Center“ war eine schnelle Erreichbarkeit der Krisen- regionen in Europa, Afrika und dem Mittleren Osten ge- Komplikationen bei der ECMO-Therapie währleistet. Durch eine interne Umstellung wurde die Trotz modernster Technik bleiben ECMO-Systeme inva- ECMO-Fähigkeit im Jahr 2014 im „San Antonio Military sive Verfahren zur Anwendung beim kritisch kranken Medical Center“ (SAMMC) zentriert und steht den US- Patienten mit potenziell lebensbedrohlichen Komplika- Streitkräften in Mitteleuropa nicht mehr zur Verfügung. tionen. Verlässliche wissenschaftliche Daten zu Kompli- Im Konzept über die Verfahren im StratAirMedEvac ist kationsraten findet man wenig. Ein Überblick aus dem eine Repatriierung von schwerverletzten Soldaten inner- ELSO-Register findet sich bei BRODIE et al [5]. halb von 24 Stunden nach Verwundung vorgesehen. Die Im Einzelnen unterscheidet man zwischen vaskulären Entwicklung eines ARDS im Einsatzland ist unter Ein- Komplikationen (wie Gefäßverletzung, Blutung, Throm- haltung dieser Zeitlinien unwahrscheinlich. Berücksich- bose, Embolie) und ECMO-bedingten Risiken, entweder tigt man aber Einsätze mit mehreren kleineren Verbän- technischer Art, wie Oxygenator-Clotting, Hämolyse, den und reduzierter Lufttransportkapazität oder Diskonnektion oder Dislokation sowie Infektion, oder mit Marineeinsätze mit dem oft daraus resultierenden ver- WMM 2020 – 64(10-11) 393
ANÄSTHESIE/INTENSIVMEDIZIN zögerten Erreichen einer speziellen intensivmedizini- BwZKrhs Koblenz im Schnitt 30 Patienten pro Jahr mit schen Behandlungseinheit („delayed evacuation care“), einer ECMO-/ECLS-Einheit. ist die Entwicklung eines ARDS nach den o.g. Auslösern Seit 2017 verfügt unser Krankenhaus über ein „out-of- deutlich wahrscheinlicher, da sich die Zeitlinie der Ret- hospital“ (OOH) ECMO-Team. Nach entsprechender tungskette verlängert. Alarmierung und Befundvalidierung ist ein Ausrücken in Bei Verwundeten mit schwerem ARDS kann die Repat- umliegende Krankenhäuser innerhalb von 10 Minuten riierung im Flächenflugzeug mit einer Kabinendruckhöhe möglich. Vor Ort wird der Patient gesichtet, medizinisch von rund 8 000 ft aufgrund der mit dem ARDS verbunde- triagiert und gegebenenfalls eine „ex domo“-ECMO- nen hochgradigen Oxygenierungsstörung problematisch Therapie mit nachfolgender Intensivverlegung in das werden. Kann eine höhenphysiologisch bedingte Verrin- BwZKrhs Koblenz begonnen. gerung des alveolären Sauerstoffpartialdrucks (Gesetz von Dalton) nicht durch die Erhöhung der inspiratorischen Entwicklung über die Zeit Sauerstofffraktion kompensiert werden, droht eine kriti- Am BwZKrhs Koblenz wurden in den Jahren 2016 bis sche Hypoxämie. In diesen Fällen bietet die ECMO- 2019 insgesamt 93 ECMO-/ECLS-Patienten versorgt Therapie eine sinnvolle Option. (35,5 % (n = 33) ECMO und 64,5 % (n=60) ECLS). In 18 Es lässt sich festhalten, dass die Etablierung und der Fällen wurde das OOH-ECMO-Team alarmiert, in 75 Fäl- Ausbau der ECMO-Kapazitäten am BwZKrhs Koblenz len wurde das Verfahren „in domo“ begonnen. Für diesen bereits jetzt ein wichtiger Faktor im Kontext zukünftiger Beitrag wurden lediglich Patienten mit isoliertem ECMO- Herausforderungen bei der Repatriierung verwundeter Bedarf ohne primär oder sekundär nachgeschaltetem Soldaten sind. Die ECMO-Fähigkeit sollte aus unserer ECLS-Bedarf ausgewählt (insgesamt 33 Patienten). Bei Sicht zukünftig im Portfolio von StratAirMedEvac-Optio- diesen war die Hauptdiagnose ARDS (n = 29). Drei Pa- nen enthalten sein. tienten hatten aufgrund eines Traumas ein respiratori- sches Globalversagen entwickelt. Ein Patient erlitt nach Aktuelle Datenlage im BwZKrhs Koblenz komplexer Lungenoperation ein Lungenversagen. Bei 21,2 % (n = 7) erfolgte die Implantation der ECMO-Einheit Seit der Etablierung der Klinik für Herzchirurgie im durch das OOH-Team. BwZKrhs im Jahr 1995 gehört auch die ECMO-Therapie 72,7 % (n = 24) der Patienten waren Männer, 27,3 % zu einem Standard-Verfahren. Das BwZKrhs Koblenz (n = 9) Frauen. Anlagebedingte Komplikationen gab es in behandelt im Jahr etwa 50 Patienten mit akutem Lungen- lediglich einem Fall (3 %), hier allerdings bedingt durch versagen. Dank eines hochspezialisierten interdiszipli- massiv erhöhten BMI und beidseits eingebluteten Leis- nären ECMO-Teams, bestehend aus Fachärzten für ten. Generell lag der anlagebedingte Verbrauch von Ery- Herzchirurgie, Anästhesie und Intensivmedizin, Kardio- throzyten-Konzentraten (EK) sehr niedrig. 90,9 % aller logie sowie Kardiotechnikern, verfügt das BwZKrhs Ko- Patienten benötigten keine Bluttransfusion zur Stabilisie- blenz über eine leistungsstarke ECMO-Abteilung mit rung nach ECMO-Einbau. derzeit 6 ECMO-/ECLS-Geräten der Firmen Gettinge® Führende Todesursache war ein, zumeist von einem und LivaNova®. septischen Geschehen verursachtes, Multi-Organ-Ver- Nach gängigen Leitlinien und Expertenmeinung wird Kli- sagen (MOV) mit 70,6 % (n = 12), gefolgt von therapie- niken mit ECMO-Fähigkeit eine Mindestanzahl von 20 refraktären Lungengerüsterkrankungen mit 17,6 % (n = Anwendungen pro Jahr empfohlen. Zurzeit versorgt das 3). 11,8 % (n = 2) der Patienten verstarben an einer dis- Tab. 3: Übersicht über die vv-ECMO-Daten des BwZKrhs Koblenz von 2016 - 2019 394 WMM 2020 – 64(10-11)
ANÄSTHESIE/INTENSIVMEDIZIN seminierten intravasalen Gerinnungsstörung und daraus somit ein Zeitfenster zur Therapie der Grunderkrankung resultierenden Blutungskomplikationen. 48,5 % (n = 16) öffnen. Wichtig hierbei sind der standardisierte, zeitlich aller Patienten überlebten den intensivmedizinischen rechtzeitige Einsatz des Systems sowie eine lungenpro- Aufenthalt. In der OOH-Gruppe lag das Überleben bei tektive Ventilation mit kleinen Tidalvolumina, reduziertem 42,9 % (n = 3) – bei allerdings sehr kleinem Patienten- Beatmungsdruck und angepasster inspiratorischer Sau- gut –, in der „in domo“-Gruppe überlebten 50 % (n = 13) erstoffkonzentration. der Patienten (Tab. 3). Noch wesentlicher und somit essenziell für den Erfolg der ECMO-Therapie ist die Verfügbarkeit von herzchir- Diskussion und Fazit urgischem wie kardiotechnischem Wissen sowie ein in- terdisziplinäres ECMO-Team mit Experten aus Herzchi- Durch den Einsatz modernster Techniken und Materia- rurgie und Kardiotechnik, Anästhesie, Intensivmedizin lien verfügen die ECMO-Geräte heutzutage über ein und Kardiologie. Auch sollte eine jährliche Mindestanzahl kompaktes Design mit geringer Fremdoberfläche. Plas- von 20 ECMO-Therapien unserer Meinung nach nicht madichte Gasaustauschfasern und strömungsoptimierte unterschritten werden. Bei adäquater Anwendung der Blutpumpen mit guter Langzeitfunktion verringern das ECMO-Therapie werden die Nebeneffekte einer konven- Blutzelltrauma entscheidend, wodurch Langzeitanwen- tionellen Beatmungstherapie abgeschwächt und beat- dungen über Wochen möglich werden. mungsinduzierte Lungenschäden minimiert. Extrakorporale Lungenunterstützungsverfahren sind bei In Zusammenschau aller Daten und unter Einbeziehung adäquater Indikationsstellung und unter Einhaltung der unserer Expertise sind wir der Meinung, dass unter den Therapiestandards ein ergänzendes Therapieverfahren o. g. Voraussetzungen durch eine ECMO-Therapie das bei der intensivmedizinischen Behandlung von ARDS- Überleben der Patienten günstig beeinflusst werden Patienten. Während einerseits die Effektivität des Ver- kann. fahrens in Bezug auf den Gastransfer gut belegt ist, muss andererseits ein hohes Maß an Aufmerksamkeit auf Das Literaturverzeichnis finden Sie in der E-Paper- potenziell gravierende Komplikationen gerichtet werden. Version dieses Beitrags (www.wmm-online.de). Technische oder klinische Probleme können akut lebens- bedrohlich sein, so dass Erfahrung und interdisziplinäre Diese Artikelserie wird in den nächsten Ausgaben fort- Zusammenarbeit wesentlich sind. gesetzt mit einem Beitrag zur Implementierung einer Die wissenschaftliche Studien- und Datenlage ist bisher ECMO-Fähigkeit in das StratAirMedEvac-System der nicht sehr umfangreich. Eine eindeutige Einordnung der Bundeswehr und einer Kasuistik zum externen Einsatz ECMO-Therapie, bzw. die Ermittlung ihres Stellenwertes des herzchirurgischen Notfallteams. ist deshalb heutzutage noch nicht möglich. Die aufge- arbeiteten Daten aus dem BwZKrhs Koblenz decken sich Literatur weitgehend mit der Datenlage in der bisher zugänglichen 1. Agerstrand CL, Bacchetta MD, Brodie D: ECMO for adult respira- Fachliteratur. tory failure: current use and evolving applications. ASAIO J 2014; 60: 255-262. Fazit 2. Andrews AF, Roloff DW, Bartlett RH: Use of extracorporeal membra- ne oxygenators in persistent pulmonary hypertension of the newborn. Die ECMO-Therapie kann bei ARDS-Patienten mit le- Clin Perinatol 1984; 11: 729-735. bensbedrohender Hypoxie den Gastransfer sichern und 3. Bartlett RH, Andrews AF, Toomasian JM, et al.: Extracorporeal mem- brane oxygenation for newborn respiratory failure: forty-five cases. Surgery 1982; 92: 425-433. 4. Braun M, Goldmann K: Das primäre Explosionstrauma der Lunge - Erfahrungen der operativen Intensivstation des Bundeswehrzen- tralkrankenhauses Koblenz aus sechs Jahren Afghanistaneinsatz. WMM 2015; 59(11): 334-339. 5. Brodie D, Bacchetta M: Extracorporeal membrane oxygenation for ARDS in adults. N Engl J Med 2011; 365(20): 1905–1914. 6. Brower RG, Matthay MA, Morris A, et al.: Ventilation with lower tidal volumes as compared with traditional tidal volumes for acute lung injury and the acute respiratory distress syndrome. N Engl J Med 2000; 342: 1301-1308. 7. Combes A, Bacchetta M, Brodie D, Müller T, Pellegrino V: Extracor- poreal membrane oxygenation for respiratory failure in adults. Curr Opin Crit Care 2012; 18: 99–104. 8. Combes A, Hajage D, Cappelier G, et al.: Extracorporeal Membrane Oxygenation for Severe Acute Respiratory Distress Syndrome. N Engl J Med. 2018 May 24; 378(21): 1965-1975. 9. Dalton HJ: There and back again: does prone positioning have any value in respiratory failure? Crit Care Med 2002; 30: 1658-1659. 10. Fan E, Gattinoni L, Combes A, et al.: Venovenous extracorporeal Abb. 3: Oxygenatoreinheit einer ECMO (Fa. Maquet) membrane oxygenation for acute respiratory failure: A clinical review WMM 2020 – 64(10-11) 395
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