AUF DEM WEG INS GIGABIT-ZEITALTER - DAS TELEKOMMUNIKATIONSMODERNISIERUNGSGESETZ SCHAFFT EINEN MODERNEN RECHTSRAHMEN FÜR DEN ...

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AUF DEM WEG INS GIGABIT-ZEITALTER - DAS TELEKOMMUNIKATIONSMODERNISIERUNGSGESETZ SCHAFFT EINEN MODERNEN RECHTSRAHMEN FÜR DEN ...
WIRTSCHAFTSPOLITIK   IM FOKUS

                                                     AUF DEM WEG INS
                                                    GIGABIT-ZEITALTER
                                                    DAS TELEKOMMUNIKATIONSMODERNISIERUNGSGESETZ
                                                       SCHAFFT EINEN MODERNEN RECHTSRAHMEN FÜR
                                                     DEN TELEKOMMUNIKATIONSMARKT IN DEUTSCHLAND
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S C H L A G L I C H T E R S E P T E M B E R 2 021
AUF DEM WEG INS GIGABIT-ZEITALTER - DAS TELEKOMMUNIKATIONSMODERNISIERUNGSGESETZ SCHAFFT EINEN MODERNEN RECHTSRAHMEN FÜR DEN ...
IM FOKUS     WIRTSCHAFTSPOLITIK

                                                                         1
                                                                           MINDESTENS

                                                                                    GIGABIT
                                                                                    PRO SEKUNDE

S
       chnelle und zuverlässige Internetzugänge
       sind für unsere heutige Wirtschaft und Ge-                        sollen die Netze der
       sellschaft unverzichtbar. Ob auf dem Land                         Zukunft ermöglichen.
oder in der Stadt: Ohne eine leistungsfähige Inter-
netverbindung geht es nicht mehr. Das wird gera-
de in Zeiten des Homeoffice, täglicher Videokonfe-
renzen und des virtuellen Schulunterrichts in der
Pandemie deutlicher denn je. Das Telekommuni­
ka­tionsmodernisierungsgesetz zur Umsetzung des
europäischen Kodex und zur Modernisierung des          Das TKMoG betrifft zahlreiche Themenbereiche in
Telekommunikationsrechts (TKMoG) leistet einen         Verantwortung des BMWi wie die Markt­regulierung,
wichtigen Beitrag für mehr Geschwindigkeit und         den Schutz der Endkunden, das institutionelle Ge-
Verlässlichkeit im Internet.                           füge oder auch den Bereich der öffentlichen Sicher-
      Den Gesetzentwurf hatten Bundeswirtschafts-      heit. In den Kompetenzbereich des Ko-Federführers
ministerium (BMWi) und Bundesverkehrsminis-            BMVI fallen mit der Frequenzpolitik, den Wege-
terium (BMVI) gemeinsam vorgelegt. Bundesrat           rechten sowie dem Universaldienst bzw. dem Recht
und Bundestag haben mit ihrer Zustimmung im            auf schnelles Internet ebenso wichtige Themen, die
Frühjahr den Weg frei gemacht, den bisherigen          für den Ausbau der digitalen Infrastruktur und für
nationalen Rechtsrahmen grundlegend neu zu jus-        die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse
tieren. Dem vorangegangen war ein sehr intensiver      von zentraler Bedeutung sind. Im Rahmen dieses
Abstimmungsprozess, der mit der Veröffentli-           Artikels legen wir den Fokus auf die Kernthemen

                                                                                                                                   15
chung der Eckpunkte zur Novelle des Telekommu-         in BMWi-­Zuständigkeit in den Bereichen Markt-
nikationsgesetzes im Februar 2019 begann und sei-      regulierung und Kundenschutz.

                                                                                                                                   S C H L A G L I C H T E R S E P T E M B E R 2 021
nen Abschluss in der Zustimmung des Bundesrates
am 7. Mai 2021 fand.                                   VOM „HOCHGESCHWINDIGKEITSNETZ“
      Ergebnis ist ein umfangreiches Werk von 230      ZUM „GIGABITNETZ“
neugefassten Paragraphen allein im Telekommuni-
kationsgesetz (TKG) und von 57 geänderten weiteren     Ganz oben auf der politischen Prioritätenliste steht
Gesetzen und Verordnungen. Die neuen Regelungen        der schnellere und flächendeckende Ausbau von
treten am 1. Dezember 2021 in Kraft, damit sich ins-   Gigabitnetzen. Vor diesem Hintergrund wird mit
besondere die Telekommunikationsunternehmen            dem TKMoG ein Ordnungsrahmen geschaffen, der
und die Bundesnetzagentur auf die neuen Rege-          wichtige Impulse für Investitionen und Innovatio-
lungen einstellen und vorbereiten ­können.             nen setzt, um den marktgetriebenen Ausbau der
      Das TKMoG stellt einen zeitgemäßen und zu-       digitalen Infrastruktur voranzubringen.
kunftsorientierten Rechtsrahmen für den deut-               Ausgerichtet ist die Regulierung künftig auf      IN KÜRZE
schen Telekommunikationsmarkt und seine End-           einen flächendeckenden Ausbau von Telekommu-
kunden dar. Das Gesetz dient dabei in erster Linie     nikationsnetzen mit besonders hoher Kapazität.         Das neue Gesetz
                                                                                                              gibt wichtige Im-
der Umsetzung des Europäischen Kodex für die           Hierbei handelt es sich um Telekommunikations-
                                                                                                              pulse für Investi-
elektronische Kommunikation („Kodex“), der 2018        netze, die Geschwindigkeiten von mindesten einem
                                                                                                              tionen in den
in Kraft getreten ist. Dieser spiegelt die Marktent-   Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) erreichen können.         schnelleren und
wicklungen seit der letzten großen Überarbeitung       Damit wird auch in regulatorischer Hinsicht die        flächendecken-
des Rechtsrahmens 2009 wider und ist Weichen-          Abkehr vom klassischen Kupferkabel vollzogen: Das      den Ausbau von
steller für den modernisierten nationalen Tele-        bisherige Regulierungsziel von mindestens 50 Me-       Gigabitnetzen.
kommunikationsrechtsrahmen.                            gabit pro Sekunde (Mbit/s) wird damit weiterent-
                                                       wickelt. Der marktgetriebene Wechsel von der alten
                                                       Kupferkabel- auf die neue Glasfaserwelt wird mit
                                                       rechtlichen Leitplanken abgesichert, um einen ge-
                                                       ordneten Übergang für Wettbewerb und Endnutzer
                                                       zu gewährleisten.
AUF DEM WEG INS GIGABIT-ZEITALTER - DAS TELEKOMMUNIKATIONSMODERNISIERUNGSGESETZ SCHAFFT EINEN MODERNEN RECHTSRAHMEN FÜR DEN ...
WIRTSCHAFTSPOLITIK                         IM FOKUS

                                                    ABBILDUNG 1: VERTEILUNG DER VERMARKTETEN BANDBREITEN
                                                    bei vertraglich gebuchten Festnetz-Breitbandanschlüssen (in Mio.)

                                                                                                         14,1
                                                                                                  13,4
                                                                                                                                                                                        MODERNISIERUNG –
                                                                             9,6
                                                                                                                           9,1
                                                                                                                                 10,6
                                                                                                                                                                                        VOM STANDARD DER
                                                                                    8,1                                                                                                 ALTEN KUPFERKABEL
                                                                                                                                                                                        HIN ZUR NEUEN
                                                      2,9                                                                                                                               GLASFASERWELT.
                                                            2,3
                                                                                                                                                         1,0
                                                                                                                                                  0,2
                                                      < 10 Mbit/s         10 bis < 30 Mbit/s   30 bis < 100 Mbit/s   100 Mbit/s bis < 1 Gbit/s     > 1 Gbit/s
                                                            2019            2020
                                                    Quelle: BNetzA Jahresbericht 2020, S. 55

                                                    Zugleich muss ein modernisierter Telekommuni-
                                                    kationsrechtsrahmen auch mit der technischen
                                                    Entwicklung Schritt halten. Für die Nutzer spielt es
                                                    eine zunehmend geringere Rolle, ob sie sich zur                                       dass Nutzer – so, wie sie vom Telekom-Netz ins              IN KÜRZE
                                                    Kommunikation eines „klassischen“ Telekommu-                                          Vodafone-Netz telefonieren oder SMS schreiben
                                                    nikationsdienstes (Telefon, SMS) bedienen oder ob                                     können – auch vom WhatsApp-Messenger-Dienst                 Die Kommuni-
16

                                                                                                                                                                                                      kation zwischen
                                                    sie hierfür einen sogenannten Over-the-Top-Dienst                                     zum Telegram-Messenger-Dienst kommunizieren
                                                                                                                                                                                                      verschiedenen
                                                    (z. B. Messenger-Dienst) nutzen. Entscheidend ist                                     können, ohne dabei den Anbieter zu wechseln. Al-
                                                                                                                                                                                                      Messenger-
S C H L A G L I C H T E R S E P T E M B E R 2 021

                                                    die Funktionalität.                                                                   lerdings hat der europäische Gesetzgeber hier be-           Diensten kann ­
                                                                                                                                          wusst hohe Hürden eingezogen, so dass eine solche           in bestimmten
                                                    VON „NETZ ZU NETZ“ – KÜNFTIG AUCH VON                                                 Verpflichtung nur in bestimmten Ausnahmesitua-              Fällen angeord-
                                                    „MESSENGER ZU MESSENGER“?                                                             tionen, z. B. wenn die Kommunikation zwischen               net werden.
                                                                                                                                          Endnutzern nicht ausreichend sichergestellt ist, in
                                                    Um einen wirksamen Schutz der Endkunden si-                                           Betracht kommen kann.
                                                    cherzustellen, werden im modernisierten Rechts-
                                                    rahmen die Begriffsbestimmungen stärker an der
                                                    Funktionsweise und weniger an der spezifischen
                                                    technischen Umsetzung ausgerichtet. Der vom Ko-                                       ABBILDUNG 2: ENTWICKLUNG VON DATENVOLUMEN
                                                    dex neu eingeführte, etwas sperrige Begriff des                                       im Mobilfunk und versendeten Kurznachrichten im Vergleich
                                                    „nummernunabhängigen interpersonellen Tele-
                                                    kommunikationsdienstes“ führt dazu, dass künftig
                                                    auch Messenger-Dienste, E-Mail-Dienste oder Voi-
                                                    ce over IP-Anwendungen zweifelsfrei vom Rechts-
                                                    rahmen erfasst werden und die Anbieter dieser
                                                    Dienste bestimmte Verpflichtungen erfüllen müs-
                                                    sen, insbesondere in den Bereichen Verbraucher-
                                                    schutz und Sicherheit.
                                                          Das TKMoG schafft zudem die Voraussetzun-
                                                    gen dafür, dass die Bundesnetzagentur die Anbieter
                                                    von Messenger-Diensten verpflichten kann, ihre
                                                    Dienste interoperabel auszugestalten. Das bedeutet,

                                                                                                                                          Quelle: BNetzA Jahresbericht 2020, S. 65 f.
IM FOKUS           WIRTSCHAFTSPOLITIK

MARKTREGULIERUNG: IM ZEICHEN DES
GIGABITNETZAUSBAUS

                                                                                                    30
Wie schnell das neue Gigabitziel erreicht wird,                                                       KNAPP
hängt in erster Linie von den Marktakteuren ab.
Aktuell ist die Marktdynamik hoch: Die Investitio-
nen der Unternehmen waren dem Wettbewerber-                                                                                           MILLIONEN
verband VATM zufolge im letzten Jahr mit fast
zehn Mrd. Euro so hoch wie zuletzt vor 20 Jahren;
außerdem hat sich laut VATM die Anzahl gigabit-
                                                                                                      Anschlüsse sind laut VATM
fähiger Anschlüsse seit Ende 2018 von rund elf Mio.                                                   zurzeit gigabitfähig.
auf knapp 30 Mio. deutlich erhöht – Tendenz wei-
ter steigend (Abbildung 3).
      Diesen dynamischen Ausbauprozess unter-
stützt der neue Rechtsrahmen ganz konkret: Er
nimmt verstärkt den Ausbau neuer Gigabitnetze in                         bern möglich sind. Voraussetzung ist, dass wett-
den Blick, ohne dabei von der bewährten wettbe-                          bewerbsfördernde – d. h. offene, transparente und
werbsorientierten Regulierung Abschied zu neh-                           nichtdiskriminierende – Bedingungen für alle
men. Auch weiterhin geht es darum, Wettbewerbern                         Marktteilnehmenden vorliegen. Diese werden
Zugang zu den Netzen marktmächtiger Unterneh-                            durch – im Wettbewerbsrecht bereits etablierte –
men zu gewähren, um so die besten (Markt-)Er-                            „Verpflichtungszusagen“ des marktmächtigen
gebnisse für die Endnutzer zu erzielen. Gleichzeitig                     Unternehmens gewährleistet. Die Bundesnetz-
werden der Bundesnetzagentur als zuständiger                             agentur wird im Gegenzug auf weitere Verpflich-
Regulierungsbehörde neue Instrumente (bspw. Zu-                          tungen verzichten beziehungsweise den direkten
gangsverpflichtungen auch für nicht marktmäch-                           Regulierungseingriff reduzieren.
tige Unternehmen) an die Hand gegeben und ihr                                  Insgesamt sieht der neue Rechtsrahmen einen
bestehendes Instrumentarium wird flexibilisiert.                         flexibleren Einsatz des Regulierungsinstrumenta-

                                                                                                                                                                                 17
      Branchenlösungen, insbesondere solche, die                         riums vor, eng orientiert an einem konkret vorlie-
den Gigabit- und Glasfaserausbau voranbringen,                           genden Marktversagen. So führt beispielsweise die

                                                                                                                                                                                 S C H L A G L I C H T E R S E P T E M B E R 2 021
gewinnen an Gewicht. Hier hat das BMWi im Rah-                           Feststellung beträchtlicher Marktmacht nicht auto-
men der Verhandlungen zum Kodex erreicht, dass                           matisch zur Auferlegung von Regulierungsver-
deutliche Regulierungserleichterungen nicht nur                          pflichtungen, auch andere Maßnahmen wie
für Ko-Investitions-, sondern grundsätzlich für
unterschiedliche Kooperationsmodelle zwischen
marktmächtigen Unternehmen und Wettbewer-

                  ABBILDUNG 3: INVESTITIONEN IN SACHANLAGEN
                  auf dem Telekommunikationsmarkt (in Mrd. €) und Anzahl gigabitfähiger Festnetzanschlüsse (in Mio.) im Vergleich

                  Quelle: BNetzA Jahresbericht 2020, S. 53; VATM TK-Marktstudie 2019, S. 16; VATM Marktstudie 2020, S. 17; VATM 3. Marktanalyse Gigabit-Anschlüsse 2021, S. 3;
WIRTSCHAFTSPOLITIK        IM FOKUS

                                                     DER MARKTZUGANG
                                                     WIRD OFFENER
                                                    ­G ESTALTET –
                                                     DIE ENDNUTZER
                                                     PROFITIEREN.
18
S C H L A G L I C H T E R S E P T E M B E R 2 021

                                                    Selbstverpflichtungen von Unternehmen sind mög-
                                                    lich Hierdurch entstehen größere Spielräume beim
                                                    Regulierer und den ausbauenden Unternehmen,
                                                    durch die Investitionsanreize für den Gigabitausbau     sächliche oder wirtschaftliche Hindernisse beste-
                                                    gesetzt werden.                                         hen und Mitnutzungsansprüche für die Versorgung
                                                          Eine weitere Entwicklung, die der Kodex und       der Endkunden durch konkurrierende Unterneh-
                                                    der neue Regulierungsrahmen aufgreifen, ist die         men nicht ausreichen.
                                                    seit der Liberalisierung der Märkte deutlich ge-
                                                    stiegene Anzahl ausbauender Player im Markt. Der        VERBRAUCHERRECHTE WERDEN GESTÄRKT
                                                    neue Rechtsrahmen nimmt in den Blick, dass lokale
                                                    „Bottlenecks“ – gerade im Bereich der leistungsfä-      Bereits das geltende TKG sorgt für ein im europäi-   IN KÜRZE
                                                    higen Glasfaser-Infrastrukturen – entstehen kön-        schen Vergleich hohes Verbraucherschutzniveau für
                                                    nen. Geraten Endnutzer in die Abhängigkeit eines        die Endkunden. Bei verschiedenen Themen, wie         Durch den neuen
                                                                                                                                                                 Kodex entsteht
                                                    einzelnen lokalen oder regionalen Anbieters, kann       beim Anbieterwechsel oder auch hinsichtlich der
                                                                                                                                                                 nun ein EU-weit
                                                    der Regulierer auch diese Unternehmen verpflich-        Transparenz im Endkundenmarkt, hat sich der
                                                                                                                                                                 einheitlich
                                                    ten, Wettbewerbern Marktzugang zu gewähren.             europäische den deutschen Gesetzgeber zum Vor-       großer Verbrau-
                                                    Aufgrund der erheblichen Eingriffsintensität und        bild genommen. Der Kodex schafft nun erstmalig       cherschutz.
                                                    einer im Einzelfall investitionshemmenden Wir-          ein EU-weit einheitlich hohes Verbraucherschutz-
                                                    kung ist eine solche Verpflichtung nur dort zulässig,   niveau und verfolgt einen sogenannten einge-
                                                    wo für den Aufbau paralleler Netzstrukturen tat-        schränkten Vollharmonisierungsansatz. Nur bei
                                                                                                            Themen, die nicht vom Kodex adressiert werden,
                                                                                                            haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eigene
                                                                                                            Regelungen einzuführen oder beizubehalten. Von
IM FOKUS         WIRTSCHAFTSPOLITIK

                    50 %
                     NUR

                    des Monatsentgelts muss der Nutzer
                    zahlen, wenn der Anbieter nur
                    50 % der zugesagten Übertragungs-
                    rate bereitstellt.                                                3 FR AGEN AN
                                                                                        STEFAN SCHNORR
                                                                               LEITER DER ABTEILUNG DIGITAL- UND
                                                                                  INNOVATIONSPOLITIK IM BMWI
diesem verbleibenden Spielraum hat der deutsche
Gesetzgeber bei Themen Gebrauch gemacht, die
Verbraucher immer wieder vor Herausforderungen                           WAS WAR AUS IHRER SICHT DAS DICKSTE
stellen.                                                                 BRETT, DAS IM GESETZGEBUNGSVERFAH-
                                                                         REN GEBOHRT WERDEN MUSSTE?
„LAHMES INTERNET“ UND „GEPLATZTER                                        Eindeutig das Thema „Streichung des Neben-
TECHNIKERTERMIN“                                                         kostenprivilegs“, weil hier die Interessenlage sehr
                                                                         heterogen war. Der Regierungsentwurf sah noch
So sind das Auseinanderfallen der vertraglichen                          eine Streichung mit einer Übergangsfrist bis zum
zur tatsächlichen Datenübertragungsrate und die                          1. Dezember 2023 vor. Schnell hat sich jedoch im
fehlenden rechtlichen Konsequenzen seit Jahren                           parlamentarischen Verfahren herausgestellt,
Hauptbeschwerdegründe im Telekommunikations-                             dass die Umlagefähigkeit erhalten bleiben, aber
markt und waren bereits mehrfach Gegenstand der                          „moderner“ werden sollte. Es sollten gezielt Anreize
Beratungen im Bundestag. Hier wurde nun erstmals                         für den Inhouse-Ausbau gesetzt werden. Nach

                                                                                                                                19
Abhilfe im Sinne von rechtlichen Konsequenzen                            vielen Runden stand dann ein neuer Kompromiss.
geschaffen: Das TKG enthält künftig ein propor-

                                                                                                                                S C H L A G L I C H T E R S E P T E M B E R 2 021
tionales Minderungsrecht für Fälle nicht vertrags-                       WER HAT SICH WIE IN DIE DISKUSSIONEN
konformer Leistung sowie ein Sonderkündigungs-                           EINGEBRACHT?
recht. Kommt es bei Endkunden zu Abweichungen                            Unsere ersten Ansprechpartner waren die zustän-
zwischen der vertraglichen und der tatsächlichen                         digen Berichterstatter der Fraktionen. Daneben
Datenübertragungsrate, werden beispielsweise nur                         haben sich Mitglieder verschiedenster Arbeits-
50 statt der zugesagten 100 Mbit/s bereitgestellt,                       gruppen des Parlaments eingebracht. Wir haben
können sie das vertraglich vereinbare Entgelt in                         viele Ideen mit den Ressorts erörtert und Input
dem Verhältnis herabsetzen, in dem die tatsächli-                        der betroffenen Stakeholder und der Wissenschaft
che Leistung von der vertraglich vereinbarten Leis-                      erhalten. Und das alles förmlich auf den letzten
tung abweicht.                                                           Metern. Das Gesetzgebungsfahren musste ja in die-
      In dem genannten Beispiel würde dies bedeu-                        ser Legislaturperiode noch abgeschlossen werden.
ten, dass nur 50 % des monatlichen Entgelts bezahlt
werden müssten. Alternativ können die Endkunden                          SIND SIE MIT DEM KOMPROMISS ZUFRIEDEN?
den Vertrag außerordentlich ohne Einhaltung einer                        Sehr, denn die Materie ist komplex. Aufgrund des
Kündigungsfrist kündigen. Die Beweislast liegt                           bestehenden Dreiecksverhältnisses (Netzbetreiber,
beim Kunden; die Abweichung der Geschwindigkeit                          Hauseigentümer, Mieter) sind stets drei Parteien
muss durch das „Messtool“ der Bundesnetzagentur                          und mehrere Vertragsverhältnisse zu betrachten.
( www.breitbandmessung.de) oder durch ein an-                            Der Kompromiss bringt nun allen Beteiligten
deres, von der Bundesnetzagentur zertifiziertes                          Vorteile: Mieter werden in die Lage versetzt, ihren
Messtool nachgewiesen werden. Das Recht des Ver-                         TV-Anbieter frei auszuwählen; dadurch werden
brauchers zur Minderung besteht so lange fort, bis                       auch die wettbewerbsrechtlichen Probleme auf-
der Anbieter den Nachweis erbringt, dass er vertrags-                    gelöst. Die TK-Branche erhält zudem eine an­­
konform leistet.                                                         gemessene Übergangsfrist und es wird ein echter
                                                                         Anreiz für den Ausbau gebäudeinterner Netz-
                                                                         infrastrukturen gesetzt.
WIRTSCHAFTSPOLITIK   IM FOKUS

                                                         10 %
                                                         des Monatsentgelts kann der Kunde
                                                         bei Störungen zurückverlangen –
                                                                                                                              kann der Verbraucher für jeden versäumten Termin
                                                                                                                              eine Entschädigung in Höhe von zehn Euro oder
                                                         ab dem 5. Tag dann 20 %.                                             20 % des vertraglich vereinbarten Monatsentgeltes
                                                                                                                              verlangen. Die Regelung berücksichtigt dabei die
                                                                                                                              unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, denn auch
                                                                                                                              der Kunde selbst kann ursächlich für den fehlge-
                                                                      Auch fehlgeschlagene Technikertermine sind häu-         schlagenen Termin sein. Gleiches gilt für Störungen
                                                                      figer Anlass zur Beschwerde bei der Bundesnetz-         des Telekommunikationsdienstes, deren Ursache
                                                                      agentur oder Verbraucherschutzorganisationen. Bei       außerhalb des Einflussbereichs des Anbieters liegt.
                                                                      geplatzten Technikerterminen oder einem Ausfall         Auch hier kann sich der Anbieter in bestimmten
                                                                      des Telekommunikationsdienstes können Verbrau-          Fällen freimachen.
                                                                      cher künftig eine kurzfristige Entstörung oder in
                                                                      bestimmten Fällen auch eine Entschädigung vom           KÜNDIGUNGSRECHT WIRD GESTÄRKT
                                                                      Anbieter verlangen. Bislang verpflichtete das TKG
                                                                      nur das marktmächtige Unternehmen, einer Stö-           Auch im Vertragsrecht kommen erfreuliche Neue-
                                                                      rung unverzüglich nachzugehen – die Beseitigung         rungen auf die Verbraucher zu: Verbraucher können
                                                                      der Störung selbst war dabei nicht geschuldet. Die-     Verträge künftig nach einer automatischen Verlän-
                                                                      se Regelung wurde auf alle Anbieter ausgeweitet.        gerung jederzeit mit Monatsfrist kündigen. Sie kön-
                                                                      Zudem werden die Anbieter verpflichtet, die Stö-        nen also spätestens nach zwei Jahren und dann
                                                                      rung unverzüglich zu beheben. Kann die Störung          monatlich aus einem Vertrag heraus. Anbieter müs-
                                                                      innerhalb von zwei Arbeitstagen nicht beseitigt         sen vorher über diese Möglichkeit informieren. Bis-
                                                                      werden, sind Verbraucher zu entschädigen. Die           her war die Verlängerung um ein Jahr mit Kündi-
20

                                                                      Höhe der Entschädigung beträgt – je nachdem, wel-       gung zum Ablauf des Jahres der Regelfall.
                                                                      cher Betrag höher ist – am dritten und vierten Tag           Insbesondere die Vertragslaufzeit war ein zwi-
S C H L A G L I C H T E R S E P T E M B E R 2 021

                                                                      fünf Euro oder 10 % und ab dem fünften Tag zehn         schen den Ressorts sehr intensiv diskutiertes The-
                                                                      Euro oder 20 % des vertraglich vereinbarten Mo-         ma. Erst im parlamentarischen Verfahren wurde
                                                                      natsentgelts. Wird ein vereinbarter Kundendienst-       entschieden, dass Endkundenverträge mit einer
                                                                      oder Installationstermin vom Anbieter versäumt,         anfänglichen Laufzeit von zwei Jahren – ohne
                                                                                                                              „Wenn und Aber“ – möglich bleiben. Die Anbieter
                                                                                                                              müssen künftig aber auch einen Vertrag mit einer
                                                               WICHTIGE NEUERUNGEN BEIM                                       Laufzeit von höchstens 12 Monaten anbieten, be-
                                                       VERBRAUCHERSCHUTZ IM TELEKOMMUNIKATIONS-                               vor es zu einem Vertragsschluss kommt.
                                                                SEKTOR „AUF EINEN BLICK“

                                                    • Anbieter sind vor Vertragsschluss verpflichtet, einem Verbraucher
                                                       einen Vertrag mit einer anfänglichen Laufzeit von höchstens zwölf
                                                       Monaten anzubieten.

                                                                                                                                     12
                                                    • Nach Ablauf der anfänglichen Mindestvertragslaufzeit kann der Ver-             MAXIMAL
                                                       trag mit einer Kündigungsfrist von einem Monat gekündigt werden
                                                       (bislang war die Verlängerung um ein Jahr der Regelfall).
                                                    • Anbieter müssen Störungen nicht nur unverzüglich nachgehen,
                                                                                                                                                            MONATE:
                                                       sondern diese binnen festgelegter Fristen beheben.
                                                    • Wird die Störung nicht binnen zwei Kalendertagen behoben oder
                                                       wird ein vereinbarter Kundendienst- oder Installationstermin vom
                                                       Anbieter versäumt, kann der Verbraucher festgelegte Entschädi-                 Auf Verträge mit einer solchen
                                                       gungszahlungen verlangen.                                                      (kürzeren) Laufzeit haben
                                                    • Wenn die tatsächliche von der vertraglich vereinbarten Datenüber-              Endkunden künftig ein Anrecht.
                                                       tragungsrate abweicht, hat der Verbraucher ein Minderungsrecht,
                                                       das so lange fortdauert, bis der Anbieter vertragskonform leistet.
IM FOKUS     WIRTSCHAFTSPOLITIK

                                                                            SONDERPROBLEM: CALL ID-SPOOFING

                                                                 Was ist das?
                                                                 Als Call ID-Spoofing wird das Manipulieren der bei einem Anruf auf
                                                                 dem Telefondisplay des Angerufenen angezeigten Rufnummer (Call ID)
                                                                 bezeichnet. Häufig wird die Call ID bewusst verändert, um eine
                                                                 bestimmte Identität vorzutäuschen und die Ermittlung des wahren
                                                                 Anrufers zu erschweren.

                                                                 Was ist erlaubt? Was ist verboten?
                                                                 Anrufer dürfen als Call ID nur bestimmte Rufnummern verwenden:
                                                                 Es muss sich um eine deutsche Rufnummer handeln und der Anrufer
                                                                 muss ein Nutzungsrecht an dieser Rufnummer haben. Sonderruf-
                                                                 nummern und Notrufnummern dürfen nicht verwendet werden. Stellt
                                                                 ein Anbieter von Telekommunikationsdiensten beim Verbindungs-
                                                                 aufbau fest, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, muss er
                                                                 künftig aktiv eingreifen.

                                                                 Was tun bei Call ID-Spoofing?
                                                                 Wenden Sie sich an die Bundesnetzagentur! Die Mitteilung eines Vorfalls
FREIE WAHL DES TV-ANBIETERS                                      kann bequem online mittels Beschwerdeformular erfolgen. Durch das
FÜR DIE MIETER                                                   TKMoG wird die Bundesnetzagentur im Bereich der Verfolgung von
                                                                 Rufnummernmissbrauch mit neuen Befugnissen ausgestattet. Sie
                                                                 kann die tatsächliche Rufnummer, von der der Anruf ausging, und
Obwohl die anfängliche Laufzeit bereits aufgrund
                                                                 ihren Inhaber ermitteln und gegen diesen ein Verfahren einleiten.
der gegenwärtigen Rechtslage zwei Jahre nicht                    Dieses kann u. a. zur Abschaltung der Rufnummer oder zur Auferle-
überschreiten darf, ist es in Deutschland nach wie               gung eines Bußgelds führen.
vor verbreitete Praxis, die monatlichen Grundge-
bühren für Breitbandanschlüsse (regelmäßig die
TV-Kabelanschlussgebühren) dem Mieter dauer-
haft über die Umlagefähigkeit der Betriebskosten

                                                                                                                                           21
in Rechnung zu stellen – unabhängig von der tat-
sächlichen Nutzung und ohne die Möglichkeit des       künftig nicht mehr geben wird. Vielmehr werden

                                                                                                                                           S C H L A G L I C H T E R S E P T E M B E R 2 021
Mieters, sich hiervon zu lösen (sogenanntes Neben-    die Preise von der Bundesnetzagentur netzüber-
kostenprivileg). Diese Vorgehensweise wird nach       greifend einheitlich festgelegt.
Ablauf einer Übergangsfrist zum 1. Juli 2024 unter-         Das Telekommunikationsmodernisierungs-
bunden. Für neu errichtete gebäudeinterne Glas-       gesetz greift darüber hinaus noch weitere Probleme
faser-Infrastrukturen wird zukünftig lediglich eine   auf, die regelmäßig Gegenstand von Beschwerden
zeitlich und der Höhe nach befristete Umlage der      bei der Bundesnetzagentur sind. So wird erstmals
Investitionskosten (Glasfaserbereitstellungsent-      die Möglichkeit geschaffen, Callcentern Vorgaben
gelt) möglich sein. Die Neuregelung sichert die       für die von ihnen genutzten Anwählprogramme zu
Wahlfreiheit der Verbraucher und stärkt den Wett-     machen, um Verbraucher besser vor belästigenden
bewerb um die Versorgung von Endnutzern mit           Anrufversuchen zu schützen. Zudem werden Preis-
Gigabitnetzen.                                        höchstgrenzen gesenkt und Angerufene künftig
                                                      besser vor Rufnummernmanipulationen (sog. Call
ENDE FÜR „MOBIL DEUTLICH TEURER“                      ID-Spoofing) geschützt.

Angaben wie „Der Mobilfunkpreis weicht ab“ oder
„Mobil deutlich teurer“ kennen alle Verbraucherin-                            KONTAKT
nen und Verbraucher. Verständnis für diese intrans-
                                                         JAN-HENDRIK PIEPER, JASMIN KOBIALKA
parente Preisdifferenzierung zwischen Festnetz und
                                                         DR. PHILIPP GRÜN
Mobilfunk haben die Wenigsten. Nun sorgt das             Referat: Telekommunikations- und Postrecht
TKMoG auch in diesem Bereich für Verbesserungen.
Das neue TKG schafft die Voraussetzungen dafür,          REBECCA HADER
dass es abweichende Mobilfunkpreise für Anrufe zu        Referat: Grundsatzfragen sowie regulierungs- und
Sonderrufnummern (z. B. Service-Dienste „0180“)          wettbewerbspolitische Fragen der TK- und Postpolitik

                                                         schlaglichter@bmwi.bund.de
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