Auf Stand-by Bericht über die sechste Tagung der UN-Arbeitsgruppe für ein verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten ("Treaty") ...

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Februar 2021

                                                                                                       Auf Stand-by
                            Bericht über die sechste Tagung der UN-Arbeitsgruppe für ein
                 verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten („Treaty“)
                                                                                                                                          von Karolin Seitz

               Vom 26. bis 30. Oktober 2020 tagte die zwischenstaat-                   ten können. Es fanden daher keine zwischenstaatlichen
               liche Arbeitsgruppe zur Formulierung eines verbindlichen                Verhandlungen statt, sondern lediglich Diskussionen
               Abkommens zu Wirtschaft und Menschenrechten zum                         über den Abkommensentwurf. Wesentliche Streitpunkte,
               sechsten Mal im Menschenrechtsrat der Vereinten Nati-                   u.a. zur Frage des Anwendungsbereichs des Abkommens
               onen (UN) in Genf. Grundlage der Diskussionen war der                   und den Haftungsregeln wurden wieder aufgebracht und
               im August 2020 vom ecuadorianischen Vorsitzenden der                    konnten während der Tagung nicht beigelegt werden.
               Arbeitsgruppe vorgestellte zweite überarbeitete Abkom-
               mensentwurf („Second Revised Draft“).1                                  Ob die EU und ihre Mitgliedsstaaten sich bis zur ­nächsten
                                                                                       Tagung im Herbst 2021 endlich für ein Verhandlungs­
               Die Tagung war überschattet von den Auswirkungen der                    mandat für den Prozess durchringen werden, hängt stark
               COVID-19-Pandemie. Sie fand in einem hybriden Format                    vom Ambitionsniveau der angekündigten europäischen
               statt, d. h. mit der Möglichkeit zur Teilnahme vor Ort oder             Gesetzesinitiative und weiterer Initiativen, wie dem deut-
               virtuell. Von den 66 teilnehmenden Staaten erklärten                    schen Lieferkettengesetz ab. Eine aktive Beteiligung der
               viele, sie hätten aufgrund der COVID-19-Einschränkun-                   EU wird eine Signalwirkung auf andere bislang unbetei-
               gen keine abgestimmten Regierungspositionen vorberei-                   ligte Industrienationen haben.

               Im Juni 2014 beschloss der UN-Menschenrechts-                           wortung der Wirtschaft für den Schutz der Um-
               rat mit Resolution 26/9 die Einsetzung einer zwi-                       welt und der Menschenrechte wird weltweit immer
               schenstaatlichen Arbeitsgruppe und mandatierte                          stärker debattiert.
               sie damit,1 ein völkerrechtliches Abkommen zur
               menschenrechtlichen Regulierung von Konzernen                           Ende November 2020 wurde die Schweizer Volks-
               zu erarbeiten.2 Seither hat die UN-Arbeitsgruppe                        initiative für ein Lieferkettengesetz von einer
               sechsmal in Genf getagt, zuletzt vom 26. bis 30.                        knappen Mehrheit der Bevölkerung befürwortet,
               Oktober 2020. Der Prozess ist das Ergebnis jahr-                        aber scheiterte letztendlich nur am Ständemehr.3
               zehntelanger Bemühungen, verbindliche Regeln                            Im April 2020 hat EU-Justizkommissar Didier
               für Unternehmen auf globaler Ebene zu vereinba-                         Reynders angekündigt, im Frühjahr 2021 eine
               ren. Der Treaty-Prozess stellt die erste zwischen-                      Gesetzesinitia­tive auf europäischer Ebene vorzule-
               staatliche Initiative dar, über die unwirksamen frei-                   gen.4 Der Rat der EU unterstützte dieses Vorha-
               willigen Maßnahmen hinauszugehen.                                       ben mit einer Schlussfolgerung Anfang Dezem-
BRIEFING

                                                                                       ber 2020.5 Der US-amerikanische Kongress berät
               Die Debatten über ein völkerrechtliches Abkom-                          über ein Gesetz, das amerikanische Unterneh-
               men bewegen sich in einem gegenwärtig sehr dy-                          men verpflichten würde, nachzuweisen, dass ihre
               namischen politischen Umfeld. Über die Verant-
                                                                                       3	https://konzern-initiative.ch/medienmitteilung/mehrheit-der-
                                                                                          stimmberechtigten-fuer-mehr-konzernverantwortung/
               1 Chair-Rapporteur of the OEIGWG (2020a)                                4	https://www.business-humanrights.org/en/big-issues/mandatory-
               2	Der offizielle englische Name der Arbeitsgruppe lautet „open-ended      due-diligence/european-commission-consultation-on-proposed-due-
                  intergovernmental working group on transnational corporations and       diligence-law/
                  other business enterprises with respect to human rights“.            5	https://www.consilium.europa.eu/media/46999/st13512-en20.pdf
2   Briefing Februar 2021                                                                                                          Auf Stand-by

    Produktliefer­kette frei von Zwangsarbeit aus chi-
                                                                                 An der 6. Tagung nahmen die folgenden
    nesischen Um­erziehungslagern ist. Das Repräsen-
                                                                                 Staaten teil:
    tantenhaus hat dem Gesetz mit überwältigender
    Mehrheit bereits im September 2020 zugestimmt.6                              Ägypten, Äquatorialguinea, Äthiopien, Afghanistan,
    In mehreren EU-­    M itgliedsländern gibt es parla-                         Albanien, Algerien, Argentinien, Armenien,
    mentarische oder zivil­gesellschaftliche Initiativen,                        Aserbaidschan, Australien, Bangladesch, Belgien,
    den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte                                 Bolivien, Botswana, Brasilien, Burkina Faso, Burundi,
    in Lieferketten stärker zu regulieren.7 So hat sich                          Chile, China, Dänemark, Deutschland, Ecuador,
    auch in Deutschland die Bundesregierung zur Ein-                             El Salvador, Fiji, Finnland, Frankreich, Ghana,
    führung eines Lieferkettengesetzes ausgesprochen,                            Griechenland, Großbritannien, Guatemala, Haiti,
    streitet aber seit Monaten über dessen Ausgestal-                            Indien, Indonesien, Iran, Irak, Kamerun, Katar, Kenia,
    tung.8                                                                       Kuba, Malaysia, Mexiko, Marokko, Mozambique,
                                                                                 Namibia, Nepal, Niederlande, Pakistan, Panama,
                                                                                 Philippinen, Portugal, Russland, Schweden, Schweiz,
    Im August 2020 hatte die ecuadorianische Ver-
                                                                                 Senegal, Slowenien, Spanien, Sudan, Südafrika,
    handlungsführung einen zweiten überarbeiteten
                                                                                 Thailand, Togo, Tschechien, Türkei, Tunesien, Ukraine,
    Abkommensentwurf („Second Revised Draft“)
                                                                                 Uruguay, Venezuela.
    vorgelegt, der als Grundlage der sechsten Tagung
    der UN-Arbeitsgruppe diente. Laut einhelliger
    Meinung mehrerer Rechtsexpert*innen und zivil-                             nach Genf gereist, um die Tagungen zu verfolgen
    gesellschaftlicher Organisationen besteht hinsicht-                        und eigene Erfahrungen und Stellungnahmen in
    lich einiger Formulierungen immer noch Verbes-                             die zwischenstaatlichen Debatten einzubringen.
    serungsbedarf, allerdings sei der gegenwärtige Ent-                        Diese Beiträge stellten ein zentrales Element der
    wurf nun verhandlungsbereit.9                                              Tagung dar. Die Reisebeschränkungen aufgrund
                                                                               der COVID-19-Pandemie erlaubten es zivilgesell-
    Dieser Meinung ist beispielsweise Surya Deva, Pro-                         schaftlichen Akteuren im Jahr der sechsten Tagung
    fessor für Recht an der City University of Hong                            nicht, vor Ort teilzunehmen. Die Global Cam­
    Kong. So sei der Entwurf politisch besser umsetz-                          paign to Reclaim Peoples Sovereignty, Dismantle
    bar, ohne dabei die notwendige regulierende Aus-                           Corporate Power and Stop Impunity befürchtete
    richtung des Abkommens übermäßig zu beein-                                 daher, dass eine sinnvolle Beteiligung zivilgesell-
    trächtigen. So versuche er, einen Ausgleich zwi-                           schaftlicher Akteure nicht gewährleistet werden
    schen den konkurrierenden Interessen von Staaten,                          könne. Sie forderte lediglich Konsultationen über
    Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organi-                            den neuen Abkommensentwurf durchzuführen
    sationen zu schaffen.10                                                    und noch keine zwischenstaatlichen Verhandlun-
                                                                               gen zu starten.11 Solche direkten zwischenstaatli-
    Beteiligung überschattet von COVID-19                                      chen Verhandlungen hatte u.a. Brasilien am Ende
                                                                               der fünften Tagung 2019 gefordert.
    Die sechste Tagung war beeinträchtigt durch die
    Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Sie fand                               Zu Verhandlungen kam es während der sechs-
    in einem hybriden Format statt, d. h. mit der Mög-                         ten Tagung schließlich nicht. Einige Staatenver-
    lichkeit zur Teilnahme vor Ort in Genf oder vir-                           treter*innen erklärten, sie hätten aufgrund der
    tuell. In den vergangenen Jahren waren rund 200                            COVID-19-Einschränkungen keine abgestimm-
                                                                               ­
    Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisa­                          ten und detaillierten Regierungspositionen zum
    tionen und von Betroffenengruppen aus aller Welt                           gegenwärtigen Abkommensentwurf vorbereiten
                                                                               können. Persönliche informelle Treffen für weitere
    6	https://cleanclothes.org/news/2020/us-house-of-representatives-votes-
                                                                               Vereinbarungen zwischen Staatenvertreter*innen
        to-take-action-against-forced-labour-in-cotton-supply-chains           waren ebenso nicht möglich.
    7	https://corporatejustice.org/news/16793-mandatory-human-rights-due-
        diligence-an-issue-whose-time-has-come
                                                                               Den Einschränkungen durch die COVID-19-Pan-
    8	Stand 14.01.2021
    9	Vgl. https://www.globalpolicy.org/component/content/article/265-
                                                                               demie zum Trotz nahmen 66 UN-Mitgliedsstaa-
        policy-papers-archives/53230-pm-treatylieferkette100820.html und       ten sowie Palästina und der Vatikan an der sechs-
        http://opiniojuris.org/2020/09/08/bhr-symposium-the-business-          ten Tagung teil. Zahlreiche zivilgesellschaftliche
        and-human-rights-treaty-in-2020-the-draft-is-negotiation-ready-
        but-are-states-ready/ und http://opiniojuris.org/2020/09/07/           Organisationen schalteten sich aus aller Welt zu
        symposium-the-2nd-revised-draft-of-a-treaty-on-business-and-human-     und brachten mehr als 100 Stellungnahmen live
        rights-moving-slowly-in-the-right-direction/
    10	https://opiniojuris.org/2020/09/08/bhr-symposium-the-business-and-
        human-rights-treaty-in-2020-the-draft-is-negotiation-ready-but-are-    11	https://www.stopcorporateimpunity.org/wp-content/uploads/2020/08/
        states-ready/                                                              Statement_GC_2nd-draft-TNCs_ENG.pdf
3   Briefing Februar 2021                                                                                           Auf Stand-by

    oder per Videobotschaft ein. Insbesondere Panama,         Der EU-Vertreter beendete sein Statement damit,
    ­Mexiko, Ecuador, Brasilien, Namibia, die Philip-         dem Vorsitzenden zu versichern, dass die EU den
     pinen, China, Russland und Palästina beteiligten         Prozess weiterhin verfolge und an den Debatten
     sich an der sechsten Tagung mit substanziellen Bei-      teilnehmen werde.
     trägen. Darüber hinaus meldeten sich wenige wei-
     tere Staaten zu Wort. Gegenüber den vergangenen          In den weiteren Sitzungen stellte die EU einzelne
     Jahren war die mündliche Beteiligung seitens der         Rückfragen bzgl. der Artikel, ohne jedoch alterna-
     Staaten während der sechsten Tagung insgesamt            tive konkrete Formulierungsvorschläge zu ­machen.
     geringer. Aufgrund des hybriden Tagungsformats           Schließlich hat die EU auch nach sechsjährigem
     waren spontane Diskussionen erschwert und ein in-        Bestehen des Prozesses noch kein Verhandlungs-
     formeller Austausch zwischen den Beteiligten nicht       mandat.
     möglich.
                                                              Einige EU-Mitgliedsstaaten, darunter Belgien,
    Die Position der EU und der Bundesregierung               Finnland, Frankreich, Irland, Italien, die Niederlan-
                                                              de, Österreich, Polen und Spanien hatten sich eine
    Der Großteil der 12 anwesenden EU-Mitglieds-              aktivere Beteiligung der EU gewünscht.13 Laut Ge-
    staaten ließ sich durch den Europäischen Auswärti-        sprächen mit Vertreter*innen dieser Regierungen
    gen Dienst (EAD) vertreten. Hatten sich während           scheitere das momentan jedoch vor allem am Euro­
    der vorherigen Tagung noch Frankreich, Belgien            päischen Auswärtigen Dienst und der EU-Kom-
    und Spanien mit eigenen, wenn auch sehr allge-            mission. Diese hätten sich bislang recht passiv
    meinen Stellungnahmen eingebracht, so meldete             verhalten, auch nach Aufforderung weder eine
    sich während der sechsten Runde nur Frankreich            strukturierte und koordinierte Analyse des Ab-
    mit einem Bericht über die Erfahrungen des fran-          kommenstextes vorgenommen noch in die Wege
    zösischen Lieferkettengesetzes zu Wort.                   geleitet und Abstimmungen bzgl. der sechsten Ta-
                                                              gung sehr kurzfristig eingeleitet.14 Da es sich hin-
    In seinem Eingangsstatement erklärte der                  sichtlich der Regelungsinhalte des Abkommens um
    EAD-Vertreter, dass ein völkerrechtliches Abkom-          ein „gemischtes Abkommen“ mit ausschließlichen
    men dann einen Mehrwert vorweisen könne, wenn             Kompetenzbereichen der EU (z. B. die gemeinsame
    es den Zugang zu Recht für Betroffene von Men-            Handelspolitik) und gemeinsamen Kompetenzbe-
    schenrechtsverletzungen durch Unternehmen ver-            reichen der EU und der EU-Mitgliedsstaaten (z. B.
    bessern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für            im Bereich des Umweltschutzes, des Binnenmark-
    alle Unternehmen weltweit schaffe.12 Er erinnerte         tes oder der justiziellen Zusammenarbeit) handelt,15
    an grundlegende Bedingungen, die das Abkom-               bedarf es für ein EU-Verhandlungsmandat außer-
    men einhalten müsse: Es müsse alle Unternehmen            dem einer klaren Analyse des Abkommensentwurfs
    adressieren, mit den UN-Leitprinzipien zu Wirt-           bzgl. der Kompetenzverteilung, deren Erstellung
    schaft und Menschenrechten übereinstimmen, tat-           auch Aufgabe des EAD wäre.
    sächlich umsetz- und durchsetzbar sein und von
    einer entscheidenden Anzahl von UN-Mitglieds-             In einem gemeinsamen Video kritisierte eine Ko-
    staaten unterstützt werden. Der EU-Vertreter be-          alition europäischer zivilgesellschaftlicher Organi-
    grüßte die weiteren Annäherungen des neuen Ab-            sationen die zurückhaltende Beteiligung der EU
    kommensentwurfs gegenüber diesen Bedenken.                scharf.16
    Der Text weise allerdings weiterhin wesentliche
    Defizite auf, insbesondere hinsichtlich seiner Be-        13	Antwort der Niederländischen Regierung auf eine Frage des
    ziehung zu den UN-Leitprinzipien und anderen                  Parlaments vom 24.06.2020: https://www.tweedekamer.
    internationalen Regelungen zur justiziellen Zu-               nl/downloads/document?id=5089e178-5881-438f-8ec3-
                                                                  af6618588801&title=Verslag%20van%20een%20schriftelijk%20
    sammenarbeit sowie hinsichtlich des Anwendungs-               overleg%20over%20toezeggingen%20gedaan%20tijdens%20het%20
    bereichs. Es bestünden immer noch Unklarheiten                Algemeen%20Overleg%20Internationaal%20Maatschappelijk%20
                                                                  Verantwoord%20Ondernemen%20%28IMVO%29%20van%203%20
    mit Blick auf die Regelungen zur zivil- und straf-            maart%202020%20%28Kamerstuk%2026485-326%29.doc,
    rechtlichen Haftung, zum anzuwendenden Recht                  S. 34, Frage 89
    und zur Gerichtsbarkeit. Außerdem würden sich             14	So der Vertreter des Auswärtigen Amts in einer Anhörung des
                                                                  Menschen­rechtsausschusses im Bundestag (Heute im Bundestag
    noch nicht ausreichend Staaten an den Verhandlun-             Nr. 1190 vom 5.11.2020: https://www.bundestag.de/hib#url=
    gen beteiligen.                                               L3ByZXNzZS9oaWIvODA0MDMyLTgwNDAzMg==&mod=mod454590)
                                                                  und Regierungsvertreter*innen anderer EU-Mitgliedsstaaten im persön-
                                                                  lichen Gespräch.
    12	https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/   15	Vgl. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=LEGISSUM
        WGTransCorp/Session6/GeneralStatements/IOs/EU_            %3Aai0020.
        statement_6th%20session_IGWG%20LBI_item%204.docx      16	https://twitter.com/i/status/1322107383901020165
4   Briefing Februar 2021                                                                                                        Auf Stand-by

    Im Juli 2020 hatten bereits 75 Europaabgeordne-                         Lieferkettengesetz gefallen sei. Nachdem im Juli
    te in einem gemeinsamen Brief an die Kommis-                            2020 das niederschlagende Ergebnis des Monito-
    sion ein EU-Verhandlungsmandat für den Treaty-­                         rings zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und
    Prozess gefordert.17 Sie betonten darin, dass sich die                  Menschenrechte veröffentlicht wurde, kündigte die
    beiden Prozesse - die europäische Initiative für                        Bundeskanzlerin ein Lieferkettengesetz an.
    eine rechtliche Verankerung von menschenrecht-
    lichen Sorgfaltspflichten und die Debatten über                         Laut des Zuständigen im Auswärtigen Amt, Hol-
    einen T
          ­ reaty - zunehmend annäherten. Sie erklär-                       ger Dreiseitl, sind sich die Ressorts, ähnlich wie bei
    ten weiter:                                                             dem Lieferkettengesetz, jedoch nicht einig in ihrer
                                                                            Positionierung gegenüber dem UN-Treaty.23 „Mit
    „Die EU hat die in den EU-Verträgen verankerte                          der Ausgestaltung der Eckpunkte und einem kon-
    Verpflichtung, das Prinzip des Multilateralismus                        kreten Gesetzesentwurf wird sich absehbar auch
    aufrechtzuerhalten, eine Pflicht, die sie in verwandten                 die Ressortabstimmungen zum ­          Treaty-Prozess
    Bereichen wie Handel und Investitionen verteidigt und                   deutlich verändern“,24 so Dreiseitl. Ob der aktuelle
    aufrechterhält. Die EU muss diesen Wert im Bereich der                  Treaty-­Entwurf grundsätzlich verhandlungs­f ähig
    Menschenrechte und der Umwelt aufrechterhalten, indem                   sei, sei im Moment auch als eine politische und
    sie sich am Vertragsprozess beteiligt, und sie muss ihre                nicht nur rechtliche Frage zu sehen.
    Rolle als globale Führungsmacht wahrnehmen, indem
    sie sich für den Prozess einsetzt und ihre Partnerländer                Inhaltlich stellt sich die Bundesregierung hinter die
    ermutigt, sich daran zu beteiligen.“ 18                                 gemeinsame Stellungnahme der EU: Für den Er-
                                                                            folg eines völkerrechtlichen Vertrags seien aus Sicht
    Die Bürgermeister*innen von Barcelona, Marseille                        der Bundesregierung drei Punkte zentral: Das Ab-
    und Straßburg sowie mehrere Stadträt*innen unter­                       kommen müsse alle Unternehmen erfassen, sich an
    stützten die Forderung der EU-Abgeordneten.19                           den UN-Leitprinzipien orientieren und realistisch
                                                                            umsetzbar sein. Bemängelt wird an dem Prozess
    Auch das Europäische Netzwerk Nationaler Men-                           ebenso die fehlende „Zugkraft“. Wichtige Indus-
    schenrechtsinstitute (ENNHRI) begrüßte die Ver-                         trienationen würden dem Prozess bislang fernblei-
    besserungen des zweiten überarbeiteten Abkom-                           ben.25
    mensentwurfs in einer gemeinsamen Stellungnah-
    me und forderte die EU und ihre Mitgliedsländer                         Über den Inhalt der Verhandlungen –
    dazu auf, sich aktiver in die Verhandlungen ein-                        Wiederaufflammen alter Streitpunkte
    zubringen.20 Das Deutsche Institut für Menschen-
    rechte erklärte: „Es gibt nun wirklich keine über-                      Am ersten Tag der Verhandlungen bekräftigten
    zeugenden Sach-Argumente mehr, die dagegen-                             viele der anwesenden Staaten ihre Unterstützung
    sprechen, sich an den weiteren Verhandlungen und                        für den Prozess.26 Die einzige deutliche Ablehnung
    dem Feinschliff des Textes zu beteiligen.“ 21                           gegenüber dem Prozess wurde von der Vertreterin
                                                                            der Regierung Großbritanniens vorgebracht. Die
    Die Bundesregierung unterstützt den Prozess                             Schweiz erklärte, an der Tagung nur beobachtend
    offiziell.22 Sie nahm beobachtend an der Tagung                         teilzunehmen. China führte aus, dass der gegen-
    teil, brachte sich aber nicht mit eigenen Stellung-                     wärtige Entwurf für sie keine Verhandlungsbasis
    nahmen ein. Im Jahr 2019 erklärte die Bundes­                           darstelle. Er würde Unternehmen eine unzumut-
    regierung noch, sie könne sich erst dann gegenüber                      bare Last auferlegen.
    dem UN-Treaty-­Prozess positionieren, wenn die
    Entscheidung in Deutschland für oder gegen ein                          Von vielen Staaten wurde begrüßt, dass der ge-
                                                                            genwärtige Entwurf die Reichweite der Sorg-
    17	https://oezlem-alev-demirel.de/wp-content/uploads/2020/07/          faltspflicht eines Unternehmens nicht mehr nur
        20200720-Letter-requesting-a-negociation-mandate.pdf
                                                                            auf andere Unternehmen entlang ihrer Liefer­kette
    18	Ebd.
    19	https://bindingtreaty.org/local-authorities-in-support-to-the-un-
                                                                            begrenze, zu denen es vertragliche Beziehungen
        binding-treaty/
    20	http://ennhri.org/wp-content/uploads/2020/10/ENNHRI-Statement-
        on-EU-and-its-Member-States-involvement-in-the-development-of-a-    23	https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/Bericht_Fachgesprch_
        Treaty-on-Business-and-Human-Rights.pdf                                 UN-Treaty_und_Umweltaspekte-10-2020.pdf, S. 6.
    21	https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/    24	Ebd.
        Publikationen/Stellungnahmen/Stellungnahme_Wer_setzt_sich_mit_      25	Heute im Bundestag Nr. 1190 vom 5.11.2020: https://www.bundestag.
        an_den_Verhandlungstisch.pdf, S. 13.                                    de/hib#url=L3ByZXNzZS9oaWIvODA0MDMyLTgwNDAzMg==
    22	Heute im Bundestag Nr. 1190 vom 5.11.2020: https://www.bundestag.       &mod=mod454590
        de/hib#url=L3ByZXNzZS9oaWIvODA0MDMyLTgwNDAzMg==&                    26	Vgl. Stellungnahmen der einzelnen Staaten unter https://www.ohchr.
        mod=mod454590                                                           org/EN/HRBodies/HRC/WGTransCorp/Session6/Pages/Session6.aspx.
5   Briefing Februar 2021                                                                                      Auf Stand-by

    hat, sondern nun alle Geschäftsbeziehungen eines                    die Regelung zur Beweislastumkehr und zum In-
    Unter­nehmens miteinschließt. Diese Regelung                        formationszugang für Betroffene von Menschen-
    entspricht auch dem Verständnis der UN-Leit-                        rechtsverletzungen weiter zu stärken.
    prinzipien. U. a. von Brasilien jedoch wurde die
    Reichweite der Sorgfaltspflicht als zu weitgehend                   Änderungswünsche wurden insbesondere für den
    betrachtet.                                                         Artikel 8 zur Haftung gemacht. Hier wäre eine bes-
                                                                        sere Unterscheidung zwischen zivil- und strafrecht-
    Viele Staaten lobten die Verbesserung des Entwurfs                  lichen Instrumenten unbedingt notwendig. China
    hinsichtlich einer stärkeren Berücksichtigung von                   erklärte, dass das bestehende deliktsrechtliche Ent-
    Aspekten der Geschlechtergerechtigkeit.                             schädigungssystem ausreichend sei und es keinen
                                                                        Grund gebe, darüberhinausgehende Haftungsstan-
    Da es erneut nicht zu tatsächlichen Verhandlun-                     dards zu etablieren. Brasilien und Russland spra-
    gen kam, wurden auch in diesem Jahr keine Streit­                   chen sich gegen eine strafrechtliche Verantwortung
    themen beigelegt.                                                   juristischer Personen für Menschenrechtsverletzun-
                                                                        gen aus. Palästina schlug einen Mittelweg vor: Ju-
    Ein wesentlicher Streitpunkt der vergangenen Ta-                    ristische Personen sollten nur in Fällen von Kriegs-
    gungen kam auch während der sechsten Tagung                         verbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit
    wieder auf: Die Frage, welche Unternehmen von                       und anderen schwerwiegenden Verstößen gegen
    dem Abkommen betroffen sein sollen. Der zweite                      (humanitäres) Völkerrecht strafrechtlich verant-
    überarbeitete Entwurf sieht vor, dass sowohl trans-                 wortlich sein. Umstritten war insbesondere Artikel
    nationale Konzerne als auch andere Unternehmen,                     8.7 zur Haftung eines Unternehmens für Schäden
    inklusive staatseigener Unternehmen, unter den                      eines von ihm kontrollierten Unternehmen. Ägyp-
    Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Kleine                      ten befürwortete den Absatz, während M        ­ exiko
    und mittelständische Unternehmen sollen entspre-                    vorschlug, faktische Kontrolle durch rechtliche
    chend ihrer Größe, dem Sektor, ihrem operativen                     Kontrolle zu ersetzen und den Anwendungsbereich
    Umfeld, und der Schwere der menschenrechtlichen                     damit weiter einzugrenzen. China kritisierte den
    Auswirkungen erleichterte Pflichten haben. China,                   Absatz stark, da er das gesellschaftsrechtliche Tren-
    Indien, Südafrika, Pakistan, Kuba, Venezuela, Mo-                   nungsprinzip verletze.
    zambique und die Philippinen forderten, das Ab-
    kommen auf transnationale Konzerne zu beschrän-                     Auch die Regelungen zur Jurisdiktion (Artikel 9),
    ken. Ecuador, Panama, Mexiko, Namibia und die                       also vor welchen Gerichten in welchem Land im
    EU hingegen befürworteten einen Anwendungs-                         Schadensfall Klagen zulässig sein sollen und welches
    bereich auf alle Unternehmenstätigkeiten.                           Recht anzuwenden ist (Artikel 11), sind umstritten.
                                                                        Brasilien forderte in diesem Zusammenhang das
    Brasilien und China betrachteten die Einführung                     Subsidiaritätsprinzip, d. h. dass zuerst der nationa-
    einer umweltbezogenen Sorgfaltspflicht als prob-                    le Rechtsweg auszuschöpfen sei. Während Nami-
    lematisch,27 wohingegen Ägypten und der Vatikan                     bia, Ecuador, Chile, Ägypten und die Philippinen
    diese neue Regelung im Entwurf begrüßten. Zivil-                    die Abschaffung des forum non conveniens-Grund-
    gesellschaftliche Organisationen forderten, explizit                satz befürworteten, plädierten Brasilien, Russland
    zu machen, dass eine umweltbezogene Sorgfalts-                      und China für dessen Beibehaltung. China hob an
    prüfung auch mit Haftung verbunden ist.                             dieser Stelle erneut hervor, dass durch die Rege-
                                                                        lungen nicht in die staatliche Souveränität einge-
    Viele Delegierte und Vertreter*innen zivilgesell-                   griffen werden dürfe. Russland argumentierte, dass
    schaftlicher Organisationen maßen insbesondere                      es wichtig sei, über ein möglichst breites Spektrum
    Artikel 4 zu den Rechten der Betroffenen große                      von Gründen zu verfügen, aufgrund derer die An-
    Bedeutung zu, während andere Delegationen den                       erkennung und Vollstreckung von Gerichtsent-
    Artikel als unangemessen, nicht komplementär zu                     scheidungen anderer Länder verweigert werden
    nationalem Recht oder als zu belastend für Staaten                  könne.
    kritisierten und die Definition von „Opfern“ als zu
    breit ausgelegt betrachteten. Zivilgesellschaftliche                Große Uneinigkeit zwischen den Staaten wurde
    Organisationen forderten                                            deutlich mit Blick auf Artikel 14.5 zum Verhältnis
                                                                        des Abkommens zu Handels- und Investitionsab-
                                                                        kommen, der den Regelungen eines Treatys Vor-
                                                                        rangstellung gegenüber den Regelungen aus In-
    27	https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/
        WGTransCorp/Session6/GeneralStatements/States/Brazil_General_   vestitionsabkommen einräumt. Russland und Bra-
        statement.docx                                                  silien beispielsweise forderten die Streichung des
6   Briefing Februar 2021                                                                                                             Auf Stand-by

    ­ bsatzes, wohingegen Panama, Mexiko, Palästina,
    A                                                                        pflicht. Außerdem sei es nicht akzeptabel, dass ein
    Chile und Aserbaidschan ihn stark befürworteten                          Unternehmen nicht nur für die Verursachung und
    und zivilgesellschaftliche Organisationen eine wei-                      den Beitrag zu einer Menschenrechtsverletzung,
    tere Verschärfung forderten.                                             sondern auch für den Fall, dass das Unterneh-
                                                                             men diese nicht verhindere, haftbar gemacht wer-
    Der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC)                              den könne. Außerdem enthalte der Entwurf keine
    brachte sich gemeinsam mit weiteren Gewerk-                              „safe harbour“-Regelung, d. h. dass Unternehmen,
    schaftsverbänden mit zahlreichen Stellungnahmen                          die entsprechende Sorgfaltsmaßnahmen vorweisen
    ein und erkannte den gegenwärtigen Entwurf als                           könnten, von der Haftung für Menschenrechtsver-
    gute Grundlage für weitere Verhandlungen an.28                           letzungen automatisch befreit werden. Eine Be-
    Verbesserungen wären notwendig dahingehend,                              weislastumkehr und eine zusätzliche umweltbezo-
    dass das Abkommen Gewerkschafter*innen als                               gene Sorgfaltspflicht seien nicht akzeptabel.
    Menschenrechtsverteidiger*innen anerkenne und
    sie in die Sorgfaltspflichtprozesse einbezogen wer-                      Dass der gegenwärtige Entwurf nicht verhandel-
    den sollten. Es müsse eine größere Klarheit bzgl.                        bar sei, dieser Meinung ist auch Claire Methven
    des Verhältnisses zwischen der Haftung für Men-                          ­O’Brian vom Dänischen Menschenrechtsinstitut.30
    schenrechtsverletzungen und der Haftung für feh-                          So sei er rechtlich inkohärent und Staaten würden
    lende oder mangelhafte Durchführung von men-                              dem Vertrag in dieser Form nicht zustimmen. Als
    schenrechtlichen Sorgfaltsprozessen geschaffen                            Alternative schlug sie eine Rahmenkonvention vor,
    werden. Sie bedauerten auch, dass anders als noch                         die auf den UN-Leitprinzipien beruhe und zu-
    im Entwurf von 2019, Betroffene nicht mehr in                             nächst wenige staatliche Verpflichtungen beinhalte,
    ihrem Heimatland Klage gegen das verantwortli-                            aber sukzessive durch zusätzliche Standards erwei-
    che Unternehmen einreichen könnten. Wanderar-                             tert werden könne.
    beiter*innen beispielsweise, die in ihr Heimatland
    zurückgekehrt seien, hätten oftmals nicht die Mög-                       Allerdings gibt es bislang keine Anzeichen dafür,
    lichkeit in das Land des Unternehmens oder des                           dass es eine größere Zustimmung, gerade auch von
    Vorfalls zu reisen, um dort vor Gericht zu gehen.                        großen Industrienationen, für ein solches Rahmen-
    Außerdem forderten die Gewerkschaften einen                              abkommen gibt. Fraglich ist auch, ob ein Rahmen-
    starken Kontrollmechanismus für das Abkommen                             übereinkommen einen substanziellen Mehrwert
    in Form eines internationalen Gerichtshofs.                              gegenüber dem aktuellen Entwurf biete. Zentrale
                                                                             Elemente wie ein Abhilfemechanismus und eine
    Die Wirtschaft wurde durch die Internationale                            verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflicht
    Handelskammer (ICC), die Internationale Arbeit-                          würden in einem solchen Rahmenabkommen aller
    geberorganisation (IOE) und den US-amerikani-                            Voraussicht nach nicht aufgenommen.
    schen Rat für Internationale Wirtschaft (USCIB)
    vertreten. Sie betrachten den gegenwärtigen Ent-                         Der weitere Verlauf
    wurf als nicht verhandelbar, lehnen ihn in seiner
    Ganzheit ab und fordern, dass die Arbeitsgruppe                          Anders als in den vergangenen Jahren wurden am
    einen kompletten Kurswechsel einschlägt.29 Die                           letzten Tag der Tagung die Schlussfolgerungen der
    Wirtschaftsverbände sind der Meinung, der Ent-                           Arbeitsgruppe und des Vorsitzenden ohne Vor-
    wurf versäume es, praktische und effektive Wege                          kommnisse angenommen.31 Staaten, Wissenschaft,
    zur Abhilfe auf lokaler Ebene zu skizzieren. Außer-                      Zivilgesellschaft und Wirtschaft haben nun bis
    dem würde er weiter von den UN-Leitprinzipien                            Februar 2021 Zeit, in Form einer übersichtlichen
    abweichen und schaffe dabei große Unsicherheiten                         Tabelle konkrete Änderungsvorschläge am aktu-
    über Rollen, Verantwortlichkeiten und Erwartun-                          ellen Abkommensentwurf einzureichen.32 In einer
    gen. Der Entwurf beinhalte eine zu breite Defini-                        zweiten Tabelle können generelle Kommentare
    tion von Opfern und eine zu weite Regelung der                           und Fragen zur Klärung einzelner Artikel einge-
    Gerichtsbarkeit und des anwendbaren Rechts. Er                           stellt werden. Im März 2021 wird das Sekreta­riat
    umfasse eine zu weite und für ein Unternehmen
    nicht zu kontrollierende Reichweite der Sorgfalts-
                                                                             30	https://www.cambridge.org/core/journals/american-journal-of-
                                                                                 international-law/article/transcending-the-binary-linking-hard-and-soft-
                                                                                 law-through-a-ungpsbased-framework-convention/9EC58B32613692F3
    28	https://www.ituc-csi.org/IMG/pdf/legally_binding_instrument_en.pdf       8BD4ACC3581E44F6
    29	https://www.ioe-emp.org/fileadmin/ioe_documents/publications/        31	https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/WGTrans-
        Policy%20Areas/business_and_human_rights/EN/20201007_N325_               Corp/Session6/IGWG_DraftReport6thSession.docx
        Annex_Final_Position_on_the_second_revised_treaty_on_business_       32	https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/WGTransCorp/Session6/
        and_human_rights.pdf                                                     Pages/Session6.aspx
7   Briefing Februar 2021                                                                                            Auf Stand-by

    der Arbeitsgruppe eine zusammenfassende Ta-             Wichtig ist außerdem, dass Deutschland und die
    belle aller Eingaben veröffentlichen. Eine solche       EU mit weiteren Industrienationen ins Gespräch
    Vorgehensweise wird es ermöglichen, die detail-         über den UN-Treaty kommen und daran arbeiten,
    lierten Posi­tionen der verschiedenen Akteure bes-      mehr Staaten aus dem globalen Norden an den Ver-
    ser nachzuvollziehen und mögliche Streitpunkte          handlungstisch zu bringen. Schließlich hat die EU
    besser zu identifizieren. Bis zur nächsten Tagung       es selbst in der Hand, für die nötige Zugkraft zu
    der UN-Arbeitsgruppe, voraussichtlich im Herbst         sorgen.
    2021, wird der Vorsitzende mehrere informelle
    Konsultationen durchführen. Eine Expert*innen-          Die Dringlichkeit von notwendigen Verbesserun-
    gruppe soll ihn in der Erstellung des dritten über-     gen hinsichtlich des Menschenrechts- und Um-
    arbeiteten Entwurfs beraten, den er bis Ende Juli       weltschutzes in globalen Wertschöpfungsketten
    2021 vorlegen will. Die verschiedenen am Prozess        wurde während der COVID-19-Pandemie noch
    beteiligten Akteure werden ihrerseits vom Vor-          deutlicher. Die Pandemie trifft die Menschen in
    sitzenden ermutigt, Konsultationen auf regionaler       prekären Beschäftigungssituationen am Anfang
    und nationaler Ebene zu organisieren.                   vieler globalen Lieferketten am härtesten.33 Viele
                                                            Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirt-
    Fazit                                                   schaft haben das erkannt und haben Prozesse vo-
                                                            rangetrieben, klare Regeln für die Wirtschaft zu
    Die geringe staatliche Beteiligung, nicht zuletzt       schaffen. Gleichzeitig erhöht sich jedoch auch der
    aufgrund der COVID-19-Einschränkungen, er-              Druck gegen solche Regeln massiv, seien es groß
    laubte es während der sechsten Tagung erneut            angelegte Kampagnen seitens der Wirtschaft gegen
    nicht, grundsätzliche Streitpunkte zu überwinden.       entsprechende Regulierung in der Schweiz oder
    Zudem wurde nicht deutlich erkennbar, welchen           der monatelangen Blockade eines Gesetzes durch
    politischen Rückhalt der Prozess seitens aller betei-   das Wirtschaftsministerium in Deutschland. Es
    ligten Staaten hat.                                     stellt sich nun die Frage, welche Kräfte die Ober-
                                                            hand in dieser Debatte gewinnen werden und ob
    Ob es der EU gelingen wird, bis zur nächsten Ta-        der Wiederauf bau nach der COVID-19-Pandemie
    gung der Arbeitsgruppe endlich eine detaillierte        im Sinne eines „business as usual“ erfolgen wird
    Positionierung zum Abkommensentwurf und ein             oder die Weichen für eine solidarische, ökologisch
    gemeinsames Verhandlungsmandat vorzuweisen,             und sozial nachhaltige Wirtschaft gestellt werden.
    wird davon abhängen, wie sich die EU-Kommis-            Ein UN Treaty wäre ein Teil davon.
    sare und die einzelnen EU-Mitgliedssaaten dafür
    stark machen und Initiative ergreifen. Auch das
    Ambitionsniveau des für Frühjahr 2021 angekün-
    digten EU-Gesetzentwurfs von EU-Kommissar
    Reynders und die weiteren Entwicklungen bezüg-
    lich eines deutschen Lieferkettengesetzes werden
    entscheidend für das weitere Engagement der EU
    und ihrer Mitgliedsstaaten sein. Diese Entwicklun-
    gen werden aber auch Signalwirkung gegenüber
    anderen Industrienationen haben und den Trend
    hin zu gesetzlicher, menschenrechtlicher und um-
    weltbezogener Regulierung von Lieferketten wei-
    ter vorantreiben.

                                                            33	Paasch, Armin/Leifker, Maren/Saage-Maaß (2020): Globale Lieferketten
                                                                in der Corona-Krise: Menschenrechte auf dem Abstellgleis? Berlin:
                                                                Initiative Lieferkettengesetz. https://lieferkettengesetz.de/wp-content/
                                                                uploads/2020/06/Briefing-Juni-2020_Lieferketten-und-Corona_final.
                                                                pdf
8   Briefing Februar 2021                                                                                                                Auf Stand-by

      Weitere Informationen

      Chair-Rapporteur of the OEIGWG (2020a): Draft Report on the sixth session of the open-ended intergovernmental
      working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights.
      https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/WGTransCorp/Session6/IGWG_DraftReport6thSession.docx
      Chairmanship of the OEIGWG (2020b): Second revised draft legally binding instrument to regulate, in international
      human rights law, the activities of transnational corporations and other business enterprises.
      https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/WGTransCorp/Session6/OEIGWG_Chair-Rapporteur_second_
      revised_draft_LBI_on_TNCs_and_OBEs_with_respect_to_Human_Rights.pdf
      Martens, Jens/Seitz, Karolin (2016): Auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln. Der „Treaty-Prozess“ bei den
      Vereinten Nationen über ein internationales Menschenrechtsabkommen zu Transnationalen Konzernen und anderen
      Unternehmen. Berlin/Bonn/New York: Global Policy Forum/ Rosa Luxemburg Stiftung—New York Office.
      https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/UN_Treaty_online.pdf
      Seitz, Karolin (2020): Verhandlungspfad gefunden? Bericht über die fünfte Tagung der UN-Arbeitsgruppe zu einem
      verbindlichen Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechte („Treaty“). Berlin/Bonn: Global Policy Forum/Rosa-Luxemburg-
      Stiftung.
      https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/images/pdfs/Briefing_UNTreaty_5.Tagung.pdf
      Seitz, Karolin (2018): Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln. Bericht über die dritte Tagung
      der UN-Arbeitsgruppe für ein verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten („Treaty“). Berlin/Bonn:
      Global Policy Forum/Rosa-Luxemburg-Stiftung.
      https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPF-Briefing_Ein_weiterer_Schritt_Bericht_der_3.Tagung_zum_Treaty.pdf
      Seitz, Karolin (2016): Morality cannot be legislated, but behaviour can be regulated. Bericht über die zweite Tagung der
      UN-Arbeitsgruppe zur Erstellung eines verbindlichen Rechtsinstruments zu Wirtschaft und Menschenrechten,
      24.–28. Oktober 2016, Genf. Aachen/Berlin/Bonn: Brot für die Welt/Global Policy Forum/MISEREOR.
      https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPF-Briefing_1216_Zweite_Tagung_Treaty.pdf
      Treaty Alliance Deutschland (2020): Wichtiger Schritt für die menschenrechtliche und ökologische Ausrichtung der
      Weltwirtschaft. Stellungnahme der Treaty Alliance Deutschland zum zweiten überarbeiteten Entwurf für ein verbindliches
      UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten („Second Revised Draft“).
      https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/TreatyAllianz-D-Stellungnahme_2ndRevisedDraft_Sept-2020.pdf
      Berichte zu den einzelnen Verhandlungstagen der 6. Tagung:
      https://www.cora-netz.de/un-treaty-tagesberichte-von-der-6-verhandlungsrunde/
      UNTV Webcast der OEIGWG:
      http://webtv.un.org/meetings-events

    Impressum
    Auf Stand-by
    Bericht über die sechste Tagung der UN-Arbeitsgruppe für ein verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten („Treaty“)

    Herausgeber:                                Herausgeber:
    Global Policy Forum Europe e.V.             Rosa-Luxemburg-Stiftung
    Königstraße 37a                             Straße der Pariser Kommune 8 a
    53115 Bonn                                  10243 Berlin
    europe@globalpolicy.org                     info@rosalux.org
    www.globalpolicy.org                        www.rosalux.de
    Kontakt: Karolin Seitz                      Kontakt: Till Bender

    Autorin: Karolin Seitz
    Redaktionelle Mitarbeit: Till Bender, Jakob Scherer
    Gestaltung und Druck: www.kalinski.media
    Berlin / Bonn, Februar 2021

    Das Briefing ist Teil eines Kooperationsprojekts zwischen dem Global Policy Forum Europe und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, gefördert mit Mitteln des
    Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Für den Inhalt ist die Autorin selbstverständlich allein verantwortlich.
    Diese Publikation wird kostenlos abgegeben und darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden.
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