Aus der Krise in die Zukunft - Transformation mit der Kultur- und Kreativwirtschaft - Initiative Kultur- und ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Initiative Kultur- & Kreativwirtschaft der Bundesregierung Aus der Krise in die Zukunft Transformation mit der Kultur- und Kreativwirtschaft bmwi.de
Impressum Herausgeber Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Öffentlichkeitsarbeit 11019 Berlin www.bmwi.de Redaktion Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, Berlin Stand März 2021 Diese Publikation wird ausschließlich als Download angeboten. Gestaltung PRpetuum GmbH, 80801 München Bildnachweis 1:1 CONCERTS / Astis Krause / S. 12 AdobeStock / pronoia /S. 45 AdobeStock / tomozina1 / S. 36 – 37 Andreas Rickert Insta / S. 47 Bernd Wackerbauer / S. 42 Christian Krinninger / S. 53 Intraprenör / Carsten Maier / S. 20 klingklangklong / S. 55 Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes / S. 17 – 18, 21 – 23, 32 – 33 Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes / Max Bachmaier / S. 29 Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes / Mina Gerngross / Titel, S. 2 – 3, 6 – 7, 10, 14 – 15, 24 – 25, 34 – 35, 39, 48 – 49, 60, 61 Martin Kaelble / S. 43 More than shelters (MTS) 2016 / S. 41 Nina Straßner / S. 59 Paula Winkler / S. 57 Screenshot von https://1to1concerts.de/ / 20.07.21 / S. 12 Screenshot von https://keinerkommt.de / 20.07.21 / S. 13 Screenshot von https://unitedwestream.berlin / 20.07.21 / S. 13 Thomas Leidig / S. 63 UHLALA Group / S. 58 Unsplash / S. 56 Zentraler Bestellservice für Publikationen der Bundesregierung: E-Mail: publikationen@bundesregierung.de Telefon: 030 182722721 Bestellfax: 030 18102722721 Diese Publikation wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Die Publikation wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf nicht zur Wahlwerbung politischer Parteien oder Gruppen eingesetzt werden.
1 Inhalt Intro ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 3 Aus der Krise in die Zukunft..............................................................................................................................................................................................................................................................................4 Zusammen mit der Kultur- und Kreativwirtschaft eine lebenswerte Zukunft schaffen: über das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes....................................................................................5 Die Kultur- und Kreativwirtschaft und die Corona-Pandemie ................................................................................................ 7 Zur Betroffenheit der Kultur- und Kreativwirtschaft durch die Folgen der Corona-Pandemie.......................................................................................................................................................................................................................................................................8 Eine Branche in der Krise..........................................................................................................................................................................................................................................................................................9 Gute Ideen in der Pandemie....................................................................................................................................................................................................................................................................... 12 (Trotzdem) weitermachen: analoge und digitale Welt verbinden ............................................................................. 15 Ein Workshop in den virtuellen Alpen................................................................................................................................................................................................................................ 16 Wie funktioniert Kooperation im digitalen Raum? Sechs Learnings aus dem Innovation Camp Sprungkraft................................................................................................................................................. 20 Was kommt dann? Wie die Kreativwirtschaft eine Post-Corona-Welt entwirft 25 ......... SCHRITT 1: Zukünfte entwickeln................................................................................................................................................................................................................................................. 26 SCHRITT 2: Einen (pandemiesicheren) digitalen Innovationsort ins Leben rufen. Erkenntnisse aus dem Aufbau des Creative Lab COVID-19....................................................................................................................................... 30 Das Werteverständnis für eine zukunftsfähige Wirtschaft .......................................................................................................... 35 Aufbruch zu neuen Werten: eine Annäherung an den Transformationsbegriff......................................................... 36 Auf dem Weg zu einem „neuen Normal“................................................................................................................................................................................................................... 39 Beispiele für werteorientiertes Unternehmer-/innentum.............................................................................................................................................. 41 Eine feine Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Werten................................................................................................................................... 43 Future Mindset & Impact Investment................................................................................................................................................................................................................................ 44 Auf halber Strecke: Entwicklungen erkennen und voranbringen ............................................................................. 49 Trendmonitoring in der Kultur- und Kreativwirtschaft mithilfe von Big Data.............................................................. 50 „Wenn es um KI geht, kann Deutschland wirklich gut mithalten!“......................................................................................................... 51 Wo Künstliche Intelligenz und Kreativwirtschaft aufeinandertreffen.............................................................................................. 55 Diversität in Unternehmensstrukturen verankern............................................................................................................................................................................... 57 Wie geht es weiter? ............................................................................................................................................................................................................................................................................................... 61 Anhang ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 64
4 INTRO Aus der Krise in die Zukunft den Folgen der Pandemie am stärksten betroffenen von Wiebke Müller, Kompetenzzentrum Kultur- und Branchen. Die Rückschläge zeigen sich nicht nur in Kreativwirtschaft des Bundes, Berlin Analysen, sondern haben eine lebhafte Debatte um den Stellenwert kultur- und kreativwirtschaftlicher Angebote ausgelöst. Erinnern Sie sich noch an den Moment, in dem Ihnen klar wurde, dass das Thema COVID-19 Diese Publikation wirft daher zunächst einen wahrscheinlich nicht nur für ein paar Wochen die genaueren Blick auf die Branche in der Krise, bevor Titelseiten zieren, sondern einschneidende Auswir- sich der Fokus auf die Zukunft richtet und Fragen kungen mit sich bringen wird? Bei mir war es der geklärt werden wie: Wie lassen sich kooperative 10. März 2020: als angekündigt wurde, dass bis Projekte in den digitalen Raum übersetzen? Wie Ostern keine Theatervorstellungen und Konzerte entstehen Zukunftsvisionen (und wieso sind sie mehr stattfinden dürften. Bis dahin war ich ver- überhaupt notwendig)? Wo finden sich in Trans- wöhnt vom kulturellen Angebot Berlins und fand formationsprozessen Ansatzpunkte für die Kultur- den Gedanken befremdlich, dass Theater und Kon- und Kreativwirtschaft? Und schließlich: Welche zertsäle nun für ganze sechs Wochen schließen Zukunftsthemen spielen konkret eine Rolle? sollten. Sie werden beim Lesen immer wieder Verweise auf Seitdem hat sich viel verändert. Wir hantieren das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirt- selbstverständlich mit neuen Begrifflichkeiten wie schaft des Bundes finden. Als Teil des Kompetenz- „Inzidenz“ und „Lockdown“, gestalten unser sozia- zentrums-Teams kann ich sagen: Auch für uns ging les Leben nach Anzahl der Kontakte und Möglich- es nach Beginn der Pandemie keineswegs wie keiten des Abstandhaltens, haben sogar neue gewohnt weiter. Doch aus der Entwicklung digitaler Begrüßungsrituale. Schnell wurden Schwächen im Veranstaltungsformate und dem Kontakt mit zahl- Gesundheits- und Bildungssystem sichtbar; gleich- reichen inspirierenden Personen haben wir viele zeitig normalisierte sich die Nutzung digitaler Räu Erkenntnisse gezogen, die wir mit Ihnen teilen me für den Austausch und macht sie auch zukünf- möchten. Haben Sie Gedanken zu den angespro- tig als umweltverträglichere Alternative zum chenen Themen? Dann schreiben Sie uns: Fliegen attraktiv. Kurz gesagt: Während das öffent- presse@kreativ-bund.de. liche Leben an vielen Stellen brachlag, wurde der Bedarf für Veränderungen und ein Umdenken Machen wir uns auf den Weg! umso offensichtlicher. Aus dem Krisenmodus her- aus die Welt so zu formen, dass wir nicht nur resili- enter gegenüber unvorhersehbaren Ereignissen werden, sondern vielen Menschen eine lebens- werte Zukunft ermöglicht wird, ist allerdings eine enorme Herausforderung. Der Titel „Aus der Krise in die Zukunft“ gilt dem- nach für Wirtschaft und Gesellschaft im Ganzen, aber auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft im Speziellen. Während sie in der Vergangenheit mit ihren Methoden und Ansätzen bereits viele Impulse bei Innovations- und Transformationsprozessen einbringen konnte – Impulse, die momentan drin- gend gebraucht werden –, gehört sie zu den von
INTRO 5 Zusammen mit der Kultur- und Kreativ Vernetzung & Plattform VERNETZUNG wirtschaft eine lebenswerte Zukunft & PLATTFORM schaffen: über das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes Mit einer Vielzahl von Projekten und Veranstaltun- Wir befinden uns in einer Zeit der Transformation. gen – vom Kongress bis zur Roadshow – gibt das Themen wie Digitalisierung, Struktur- und Klima- Kompetenzzentrum Akteurinnen und Akteuren wandel fordern Wirtschaft und Gesellschaft heraus. aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft die Mög- Zusätzlich sorgt die Pandemie für viel Unsicherheit lichkeit, die vielfältigen Herangehensweisen der und Veränderung. Kultur- und Kreativwirtschaft kennenzulernen und gemeinsame Fragestellungen miteinander zu dis- Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen neue Wege kutieren. gegangen werden. Das erfordert kreative Heran gehens- und innovative Denkweisen. Genau darin liegen die Potenziale der Kultur- und Kreativwirt- ANALYSE schaft. Deshalb ist es das Ziel des Kompetenzzent- Analyse & TRENDS & Trends rums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, Chancen für Kooperationen aufzuzeigen und Syn- Das Kompetenzzentrum stellt wichtige Daten und ergieeffekte im Zusammenspiel der Kultur- und Fakten zur Kultur- und Kreativwirtschaft zur Ver- Kreativwirtschaft mit anderen Branchen und fügung und informiert über die neusten Entwick- Bereichen nutzbarer zu machen. lungen der Branche. In wissenschaftlichen Analysen werden zukunftsweisende Themen der Kultur- und Mit der Entwicklung von neuen Konzepten und Kreativwirtschaft unter die Lupe genommen und Impulsen, der Initiierung von Projekten und For- ihre Verbindung zu anderen Bereichen in Wirt- maten sowie fortlaufenden Analysen stärkt es die schaft und Gesellschaft aufgezeigt. Branche langfristig und bereitet einen nachhalti- gen und fruchtbaren Boden für die Zukunftsgestal- Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirt- tung mit der Kultur- und Kreativwirtschaft. schaft des Bundes ist Teil der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung. Das Angebotsspektrum des Kompetenzzentrums gliedert sich in drei Bereiche: Entwicklung &ENTWICKLUNG Innovation & INNOVATION Das Kompetenzzentrum arbeitet selbst mit Metho- den aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, um Neues voranzutreiben. Regelmäßig bringt es Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen Branchen zusam- men, um diese Ansätze zu nutzen und innerhalb kurzer Zeit innovative Lösungen zu konkreten Herausforderungen zu generieren.
8 D I E K U LT U R - U N D K R E AT I V W I RT S C H A F T U N D D I E CO R O N A- PA N D E M I E Zur Betroffenheit der Kultur- und und Journalisten sowie Fotografinnen und Foto- Kreativwirtschaft durch die Folgen der grafen des Pressemarkts und der Rundfunkwirt- Corona-Pandemie schaft mit Fokus auf der Veranstaltungsberichter- von Antonia Koch, Kompetenzzentrum Kultur- und stattung zählen hier zu den Betroffenen ebenso Kreativwirtschaft des Bundes, Berlin wie der auf Veranstaltungen konzentrierte Werbe- markt. Darüber hinaus ziehen Produktionsstopps, Einzelhandelsschließungen und gestiegene Hygie- Die Pandemie hat die deutsche Kultur- und Krea- neauflagen wirtschaftliche Folgen nach sich. tivwirtschaft im vergangenen Jahr stark getroffen. Umsatzverluste von insgesamt 22,4 Mrd. Euro im Durch viele nicht standardisierte Schaffens- und Jahr 2020 markieren den größten Rückschlag für Produktionsprozesse innerhalb der Kultur- und die Branche seit Beginn des Monitorings. Kreativwirtschaft führen bereits einzelne Ausfälle und Unsicherheiten in der Auftrags- und Logistik- Die Auswirkungen der Krise betreffen die verschie- kette zu einer Unterbrechung in der gesamten Ver- denen Teilmärkte unterschiedlich stark, was erneut gütungspraxis entlang der Wertschöpfungskette. die strukturelle Heterogenität der Kultur- und Kre- Vor allem Solo-Selbstständige und Freiberuflerin- ativwirtschaft widerspiegelt. Vordergründig treffen nen und Freiberufler treffen die Folgen in beson Veranstaltungsausfälle vor allem den Live- und derem Maße. Für einen Großteil dieser Beschäfti- Bühnenbereich in der Musikwirtschaft sowie die gungsgruppen haben die massiven Umsatzeinbußen darstellenden Künste, die Kinos und die Filmwirt- weitreichende Konsequenzen für die Sicherung schaft. Aber auch selbstständige Journalistinnen ihres persönlichen Lebensunterhalts. Abbildung 1: Der Werbemarkt liegt beim geschätzten Umsatz 2020 (25,4 Mrd. Euro) auf dem Niveau von 2013. Die Größe der Kugel gibt den Anteil am Gesamtumsatz der KKW an. Umsatzrückgänge werden gerundet ausgewiesen.
D I E K U LT U R - U N D K R E AT I V W I RT S C H A F T U N D D I E CO R O N A- PA N D E M I E 9 Es steht fest, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft Eine Branche in der Krise auch 2021 mit extremen Herausforderungen von Johannes Tomm, Kompetenzzentrum Kultur- umgehen muss. Neben strengen Hygieneauflagen und Kreativwirtschaft des Bundes, Berlin und einer nur langsamen und schrittweisen Öff- nung der Wirtschaft muss sich die Branche auch „alten“ Aufgaben stellen, die durch die Pandemie Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben eine zusätzliche Dynamik bekommen haben. Das die Gesamtwirtschaft Deutschlands im vergange- betrifft den verschärften Preiswettbewerb auf digi- nen Jahr hart getroffen. Besonders starke Umsatz- talen Märkten ebenso wie die Machtkonzentration einbrüche hatte die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Plattformökonomie oder wirtschaftsgeogra- zu verzeichnen: Der Rückgang hat einzelne Teil- fische Herausforderungen wie die Verödung von branchen auf das Umsatzniveau von vor 2003 Innenstädten. zurückgeworfen. Diese erschreckenden Ergebnisse spiegeln die spezifische Situation von Kreativen An diesen Stellen zeigt die Branche aber auch ihr und Kulturschaffenden im wirtschaftspolitischen Innovationspotenzial. Die Neugestaltung von Kontext der Corona-Krise wider. Strukturen und Prozessen ist ein integraler Bestandteil der Kultur- und Kreativwirtschaft. Mit- Die Pandemie wird die Branche in ihrer Struktur hilfe ihres kreativen Werkzeugkastens verschiebt nachhaltig verändern. Auch wenn wir 2021 wieder sie ständig ihre eigenen Grenzen und zeigt neue zu einem „neuen Normal“ zurückkehren können, Möglichkeiten für andere Wirtschafts- und Gesell- werden uns die Auswirkungen in den kommenden schaftsbereiche auf – ob neue, hybride Veranstal- Jahren beschäftigen. Szenarien, die das Kompetenz- tungsformate, spielerische und digitale Lösungen zentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes im Bildungsbereich oder ein neues Instrumenta- für 2021 erstellt hat, machen deutlich, dass die rium für die digitale Arbeitswelt. Branche auf das Umsatzniveau von 2015 zurückfal- len wird, selbst wenn sie sich in diesem Jahr wieder positiv entwickelt. INFO Die Post-Corona-Phase wird durch unterschiedlich Im Bereich Analyse & Trends informiert das gelagerte Problemstellungen und Herausforderun- Kompetenzzentrum der Kultur- und Kreativwirt- gen begleitet werden, die die wirtschaftliche, gesell- schaft des Bundes seit April 2020 fortlaufend zur schaftliche und strukturelle Erholung der Branche Betroffenheit der Kultur- und Kreativwirtschaft maßgeblich bestimmen. Der Umsatzrückgang ist durch die Folgen der Corona-Pandemie. Die hier dabei nur ein Aspekt. Viel entscheidender wird genannten Zahlen beziehen sich auf das Betrof- sein, welche Akteurinnen und Akteure ihre Selbst- fenheitspaper vom Februar 2021. Mehr Infos ständigkeit aufgeben und in andere Tätigkeitsfelder finden Sie auf der Website des Kompetenzzen wechseln, welche Angestellten ihren Beruf nicht trums. mehr ausüben können, welche Häuser und Unter- nehmen ihre Tore schließen und wie viele Menschen aufgrund der Situation nicht den Schritt in die Kreativbranche wagen. Die Kultur- und Kreativ- wirtschaft gilt als vielfältige und heterogene Bran- che – dementsprechend sind diese Entwicklungen im kreativen und kulturellen Ökosystem mit gro- ßer Sorge zu betrachten.
10 KO P F Z E I L E Johannes Tomm, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, Berlin Der Gestaltungswille ist geblieben Auch wenn sie den massiven, plötzlichen Einbruch der Existenzgrundlage vieler Akteurinnen und Trotz eigener Betroffenheit sind viele Akteurinnen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft keines- und Akteure der Branche mit neuen Ideen, innova- wegs kompensieren konnten, so haben diese tiven Herangehensweisen und digitalen Geschäfts- Ansätze dennoch ein weiteres Mal das Innovati- modellen der Krise entgegengetreten. Sie haben onspotenzial der Branche und ihren Willen zum das getan, was ihre originäre Tätigkeit ausmacht: Gestalten gezeigt. Doch ab einem gewissen Punkt als Gestalterinnen und Gestalter des Neuen der leiden auch Kreativität und Durchhaltevermögen Unsicherheit begegnen. Sie haben Angebote ge angesichts von Existenzangst und Insolvenz. Die macht, Lösungen präsentiert, Analoges mit Digita- gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Rele- lem kombiniert und damit der Gesellschaft ein vanz dieser Branche muss daher mit spezifischen Stück weit durch die Krise geholfen: gemeinsam Unterstützungsmaßnahmen weiter gestärkt wer- tanzen mit UNITED WE STREAM, persönliche den. Wenn wir irgendwann die Corona-Krise über- musikalische Begegnungen mit 1:1 Concerts, eine standen haben sollten, sind wir auf die Vielfalt von neue Meetingkultur mit „Wonder“ und neue For- kreativen Impulsen angewiesen. Denn genau ge men der digitalen Vernetzung mit Journee, Theater nommen stecken wir mitten in einer Reihe von vorstellungen und Bildungsangebote im Livestream, Krisen – und zwischen Klimaschutz und Nachhal- VR- & AR-Anwendungen in unterschiedlichsten tigkeitszielen ist die Kultur- und Kreativwirtschaft Kontexten – die Liste ist lang. Die entstandenen eine Branche, die schon heute wichtige Lösungen Angebote wurden mit neuen und neu-kombinier- für eine gemeinsame Zukunft entwirft und in ten Monetarisierungsmodellen verknüpft. Geschäftsmodelle übersetzt.
D I E K U LT U R - U N D K R E AT I V W I RT S C H A F T U N D D I E CO R O N A- PA N D E M I E 11 Was für den Re-Start benötigt wird ten Herausforderungen zu fördern. Der Staat ist demnach als kreativer Vorreiter und aktiver Nach dem Ende der Einschränkungen beginnt die Ermöglicher von Innovationen in der Kultur- und Phase des „Wiederhochfahrens“, in vielen Fällen Kreativwirtschaft gefragt. sogar des kompletten Re-Starts. Sie wird zeigen, ob sich die Branche erholen kann und der Umsatz- Bezogen auf die aktuelle Situation bedeutet das rückgang aufzufangen oder gar umzudrehen ist. Es konkret, dass Akteurinnen und Akteure der Bran- gilt in dieser Phase, neue Strukturen zu entwickeln, che sich von staatlicher Seite schnellstmöglich Pla- weitere Unterstützungs- und Investitionsprogramme nungssicherheit und Perspektiven für die kulturel- zu lancieren und die Kultur- und Kreativwirtschaft len und kreativen Bereiche wünschen. Das hieße als attraktives Berufsfeld mit vielen Perspektiven zum Beispiel, dass Szenarien der Öffnung und des zu etablieren. „Wiederhochfahrens“ länderübergreifend entwor- fen und vermittelt werden würden. Intensivierte Dabei sollten insbesondere die Klein- und Kleinst- Aktivitäten zur Stimulierung von Unternehmens- unternehmen, Solo-Selbstständigen und Freiberuf- gründungen und -wachstum könnten die Über- lerinnen und Freiberufler in den Fokus genommen windung der entstandenen Abwärtsdynamik und werden. Sie machen über 97 Prozent aller Unter- der damit verbundenen Unsicherheiten bedeuten, nehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft aus (vgl. neue Investitionsprogramme würden die Resilienz Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft und Zukunftsfähigkeit bestehender Unternehmun- 2019) und sind maßgeblich von den pandemiebe- gen stärken und das vielfältige Ökosystem der Kul- dingten Einschränkungen betroffen. Sie sind die tur- und Kreativwirtschaft stabilisieren. Um den (Innovations-)Treibenden der Branche, die Wirt- aufgezeigten Herausforderungen und Problemen schaft und Gesellschaft gestalten, Neues ausprobie- zu begegnen, benötigt es neue Geschäftsmodelle, ren, Schnittstellen zu anderen Branchen und Berei- Produkte und Dienstleistungen – Angebote, die alte chen erkennen und bespielen, Inspiration und und neue Nachfragen bedienen. Geht der Staat hier Innovation zwischen Wirtschaft und Kultur voran- als Akteur voraus, sollte er neben dem Erhalt und treiben und vorleben. Diese gilt es gerade jetzt in der Stabilisierung der Wirtschaft in neuen Pro- ihrer unternehmerischen Freiheit zu stärken und grammen ebenfalls anstreben, notwendige Mög- flexible und regional angepasste Lösungen zu för- lichkeitsräume für Innovationen und gesellschaft- dern, die neue wirtschaftliche Aktivitäten schaffen liche Zukunftsszenarien zu bieten. und öffentliches Leben ermöglichen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist viel mehr als Darüber hinaus bedarf es einer Neupositionierung vermeintlich verzichtbare Unterhaltung. Sie kann des Staates in seiner Rolle zwischen Krisenhelfer eine zentrale Rolle einnehmen, damit Wirtschaft und Zukunftsgestalter. Die US-amerikanische Öko- und Gesellschaft verändert, besser und nachhalti- nomin Mariana Mazzucato hat das Konzept des ger als zuvor aus der Krise heraustreten. Dement- „unternehmerisch tätigen Staates“ (Mariana Maz- sprechend wichtig ist es, in der nächsten Zeit zucato, The Entrepreneurial State, 2013) entworfen, besonderen Aufwand zu betreiben, um das Inno in dem der Staat durch Investitionen in Innovation vationspotenzial und die Vielfalt der Kultur- und eine dominante Rolle bei der Schaffung und Gestal Kreativwirtschaft zu bewahren. tung von Märkten einnimmt. Sie fordert, dass die Regierung vielfältige Netzwerke von Akteurinnen und Akteuren unterschiedlicher Spezialisierung und unterschiedlichen technischen Verständnisses zusammenbringt – mit dem Ziel, die Entwicklung neuer, origineller Ansätze zur Lösung der wichtigs-
12 D I E K U LT U R - U N D K R E AT I V W I RT S C H A F T U N D D I E CO R O N A- PA N D E M I E Gute Ideen in der Pandemie Mit digitalen Wissenslandkarten durch die von Wiebke Müller, Kompetenzzentrum Kultur- und Corona-Informationsflut navigieren: Kontextlab Kreativwirtschaft des Bundes, Berlin / Der Kontext Die Flut an Informationen zur Corona-Pandemie Während die Leitlinien zur Eindämmung der Aus- geht damit einher, dass es zunehmend schwerfällt, breitung von COVID-19 zu gravierenden Verände- sie in einen objektiven Gesamtkontext einzuord- rungen in nahezu allen Lebens- und Wirtschafts nen. Dort setzt das Kontextlab an, das digitale Wis- bereichen geführt haben, sind inmitten dieser sensmaps technisch und inhaltlich aufbereitet. Ihre Einschränkungen auch neue Projekte entstanden. Wissensmap zur Corona-Pandemie liefert Hinter- Im Rahmen der Kompetenzzentrums-Gesprächs- gründe und Zusammenhänge aus den Bereichen reihe „Die gute Idee“ erzählten Gäste von ihren Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft, Geschichte Erfahrungen und dem, was durch die Krise ent- und Politik. standen ist. Hier sind einige der „guten Ideen“: https://www.kontextlab.com Persönliche Konzerte im allerkleinsten Rahmen: Ein kooperatives Spiel über den alltäglichen 1:1 Concerts Ausnahmezustand: machina eX Mit dem Projekt 1:1 Concerts haben Franziska Rit- In der kriseninspirierten Spontanproduktion ter und ihre Teamkolleginnen und Teamkollegen LOCKDOWN des Game-Theater-Kollektivs eine Möglichkeit für ein reales Konzerterlebnis machina eX schlüpft das Publikum in die Rolle von geschaffen, das unter Berücksichtigung aller gel- Tess’ WG-Mitgliedern. Das Smartphone wird zum tenden Corona-Schutzmaßnahmen durchführbar Theatersaal und das Sofa zur Bühne. In Chats und ist und das Bedürfnis nach echten persönlichen Anrufen, an bekannten und unbekannten Orten Kontakten und unmittelbar geteilten musikali- des Internets, entfaltet sich eine Geschichte, die die schen Erlebnissen stillt: 1 Musiker/-in, 1 Zuhörer/- Spielenden aus ihren Wohnzimmern maßgeblich in, 2 Meter Abstand – die 1:1 CONCERTS trotzen mitbestimmen können. Ein Spiel über den alltägli- der Corona-Krise, schaffen künstlerische Kraftorte chen Ausnahmezustand und das Zusammensein in und erspielen Spendenbeiträge für die solidarische der Zeit der Isolation. Unterstützung in Not geratener Musikschaffender. https://www.machinaex.com https://1to1concerts.de
13 Eine virtuelle Expedition in die Welt der Wissenschaft: Museum für Naturkunde Berlin (MfN) Egal, ob es darum geht, die Stadtnatur auf Spazier- gängen mit einer App ganz neu zu erkunden, mit einer Animal-Beatbox experimentelle Stücke zu Ein Festival zur Unterstützung der Kulturszene, komponieren oder mit INSIDE TUMUCUMAQUE zu dem #keinerkommt: Gute Leude Fabrik dank Virtual Reality in das Naturschutzgebiet im Nordwesten Brasiliens einzutauchen: Das Museum Es war das Nicht-Festival des Jahres, das am 12. Mai für Naturkunde Berlin bietet Interessierten mit 2020 in Hamburg stattfand: Keiner kommt, alle #fürNatur digital zahlreiche Wege, um außerhalb machen mit. Angekündigt waren Größen von den des physischen Museumsbesuchs Natur zu erleben Beatles über Billie Eilish bis zu Ed Sheeran und und dabei Wissenswertes zu erfahren. Deichkind – keine der Bands und Künstlerinnen https://www.museumfuernaturkunde.berlin/de/ und Künstler trat jedoch beim #keinerkommt- museum/fuernatur-digital Festival auf einer Bühne auf. Der Erlös der Tickets kam der Hamburger Kulturszene zugute. Lars Den größten digitalen Club in heimische Meier, Initiator des #keinerkommt-Festivals: „Ver- Wohnzimmer bringen: Clubcommission Berlin rückte Zeiten brauchen verrückte Ideen, um die Krise erträglicher zu machen, und daher bewerben „Save Berlin’s Club Culture in Quarantine“ steht wir ein Festival, das es nicht gibt, mit Künstlerin- groß auf der Webseite von UNITED WE STREAM, nen und Künstlern, die nicht kommen, um Spen- einem Projekt der Berliner Clubcommission, das den zu sammeln mit Kreativität und Humor.“ Livestreams aus bekannten (während des Shut- https://keinerkommt.de downs leeren) Clubs auf diversen Online-Kanälen und dem Kultursender ARTE kostenfrei zur Verfü- Ein Hackathon gegen das Virus: 4Germany gung stellt und damit international Aufmerksam- keit erhält. Mehr als 28.000 Teilnehmende + 48 Stunden Zeit = https://unitedwestream.berlin 1.500 Lösungen zur Bewältigung der Corona-Krise: Der Hackathon #WirVsVirus der Bundesregierung hat gezeigt, was entsteht, wenn passende Rahmen geschaffen werden, in denen die Zivilgesellschaft koordiniert und interdisziplinär zusammenarbei- ten kann. https://wirvsvirus.org
14
15 (Trotzdem) weiter- machen: analoge und digitale Welt verbinden Mit Beginn der Pandemie wurde der Digitalisierung, insbesondere virtuellen Räumen, eine neue Bedeutung zugeschrieben. Für die Kultur- und Kreativwirt- schaft hat diese Entwicklung zwei große Auswirkungen: Zum einen mussten viele (Kultur-)Veranstaltungen in den virtuellen Raum ausweichen, zum anderen wurden dort auch neue digitale Geschäftsmodelle entdeckt. Nicht zuletzt mussten neue Wege gefunden werden, kollaborative Projekte und das vernetzte Denken in eine digitale Welt zu überführen, die dennoch Platz für analoge Erfahrungen lässt – ein signifikanter Wandel hin zu hybriden Veranstaltungen, die auch nach der Pandemie relevant bleiben werden.
16 ( T R OT Z D E M ) W E I T E R M A C H E N : A N A LO G E U N D D I G I TA L E W E LT V E R B I N D E N Ein Workshop in den virtuellen Alpen basierten virtuellen Arbeitsräumen und -land- von Andreas Molitor, freier Journalist, Berlin schaften ausgeschrieben hat. Die Aufforderung: „Traumwelten kreieren und die Grenze des Gewohnten durchbrechen“. Die acht Gewinner- Virtuelle Arbeitswelten sind schon seit Länge- Entwürfe wurden mittlerweile frei zugänglich auf rem eine adäquate Alternative zu Meetings, der XR-Spaces-Plattform zum Ausprobieren aufge- Kongressen und Dienstreisen. Die Corona-Krise stellt. hat der Idee zusätzlichen Auftrieb verliehen. Zu den Vorreitenden in Deutschland zählt Wer sich die Zeit für eine Entdeckungsreise nimmt, XR HUB Bavaria, mit denen das Kompetenz- mag so bald nicht mehr aus der Virtualität auftau- zentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des chen. „Man ist global unterwegs, Ländergrenzen Bundes im Rahmen des Creative Labs koope- werden obsolet“, beschreibt Silke Schmidt, Leiterin riert. von XR HUB Bavaria Munich, die Faszination für Meetings im Cyberspace. Man kann sich mit Kolle- Wo soll der nächste Kreativ-Workshop stattfinden? ginnen und Kollegen, Geschäftspartnerinnen und Vielleicht in einer chilligen Bar, designt in poppi- Geschäftspartnern oder Konferenzteilnehmerin- gen Hippie-Farben? Die Bilanz-Pressekonferenz in nen und Konferenzteilnehmern aus der ganzen einer toskanischen Renaissance-Villa mit zypres- Welt „zeitgleich in einem virtuellen Raum treffen, sengesäumtem Garten? Die Vernissage in einer den man sich vorher ausgesucht hat, wie früher experimentellen Übersetzung von Goyas Radie- um ein Lagerfeuer herum“, erklärt sie. „Und man rung „Der Schlaf der Vernunft bringt Monster her- hat dabei das Gefühl, tatsächlich mit diesen Leuten vor“? Oder vielleicht doch lieber in den Poren eines an dem betreffenden Ort zu sein – das ist etwas riesigen rosafarbenen Meeresschwamms? Und all völlig anderes als eine Zoom-Konferenz, wo jeder dies auch noch ohne lange und beschwerliche An- hinter seiner Videokachel klebt.“ und Abreise mit gigantischem ökologischen Fuß- abdruck, ganz bequem vom Home Office aus. Die Arbeitsumgebungen des Ideenwettbewerbs von XR HUB wurden allesamt in Mozilla Hubs einge- Für die Menschen hinter dem Namen XR HUB richtet, einer der gängigsten Plattformen für VR- Bavaria zählt die Arbeit an solchen exotisch anmu- Treffen, die komplett im Browser läuft. Mozilla tenden Locations fast schon zur täglichen Routine. Hubs bietet den Vorteil, dass der Zugang nicht nur Das Münchner Team der vom Freistaat geförderten mit VR-Equipment möglich ist, sondern auch Initiative zur Stärkung des Medien- und Wirt- unkompliziert via PC, Tablet oder Smartphone. schaftsstandorts Bayern (mit weiteren Standorten „Diese leichte Zugänglichkeit über alle Devices ist in Nürnberg und Würzburg) arbeitet mit Hoch- uns wichtig, da eben noch nicht jeder eine VR- druck an der Entwicklung virtueller Arbeitswelten, Brille zu Hause hat – auch wenn das Erlebnis mit die in puncto Erlebnis und Zusammenarbeit weit VR-Brille in 3D nochmal ungleich großartiger ist“, über das nüchterne Kachelerlebnis von Zoom und so Silke Schmidt. ähnlichen Tools für Video-Konferenzen hinausge- hen. Meetings sind nur der Anfang XR HUB Bavaria war Partner des auf neue Lösun- Zwar stolpern die meisten, die zum ersten Mal vir- gen für die Zeit nach der Corona-Krise fokussierten tuelle Locations testen, anfangs noch recht unbe- Creative Lab COVID-19 des Kompetenzzentrums holfen durch die Räume und Landschaften. Aber Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Dazu die wenigen notwendigen Tastaturbefehle lernt passt auch ganz gut, dass der Hub mitten im Shut- jede-/r erstaunlich schnell: wie man miteinander down einen Ideenwettbewerb zu open-source- kommuniziert, sich mit ein paar Klicks zu einer
( T R OT Z D E M ) W E I T E R M A C H E N : A N A LO G E U N D D I G I TA L E W E LT V E R B I N D E N 17 Der virtuelle Veranstaltungsraum des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes wurde ebenfalls in Mozilla Hubs gebaut Gruppe anderer Avatare gesellt, die gerade in einer ren“, vermeldete ein Prototypen-Tester. Die Ein- Ecke zusammenstehen; wie man sich wieder ent- satzmöglichkeiten virtueller Locations seien fast fernt (wobei dann die Lautstärke des Gesprächs der unerschöpflich, so Silke Schmidt, auch jenseits von Gruppe abnimmt) und mit Avatar-Kolleginnen und Business-Meetings. Egal ob Präsentationen neuer Kollegen zum vertraulichen Gespräch an die Kaffee Fashion-Kollektionen, Kunstgalerien, Bühnenbil- bar zurückzieht. Fast alles, was erprobte Meeting- der für Theater oder Rathaussäle, in denen ein Bür- Teilnehmerinnen und Meeting-Teilnehmer aus der germeister-Avatar einer Gruppe von Schüler/- Welt des physischen Beisammenseins kennen, innen-Avataren Wissen über Kommunalpolitik Videovorführungen etwa oder PowerPoint-Präsen- vermittelt – vieles lasse sich ins Cyberspace verle- tationen, ist auch in digitalen Arbeitswelten prob- gen. lemlos möglich und noch viel mehr: 3D-Objekte können während eines Meetings in den Raum Zu den bislang konsequentesten Pionierinnen und geholt werden, die Teilnehmenden verteilen sich Pionieren der kommerziellen Nutzung virtueller um das Objekt herum und können es von allen Arbeitsumgebungen zählt die US-Immobilienmakler Seiten betrachten. Begehbare 360-Grad-Videos firma eXp Realty. Sie verzichtet auf teure Büroge- werden zum Erlebnis. Und in Sekundenschnelle bäude aus Beton und Glas und hat ihre Unterneh- lassen sich auch Expertinnen und Experten zu menszentrale komplett in die Cloud ausgelagert. einer Podiumsdiskussion herbeiholen. Im Flieger Dies hat dem Unternehmen nach eigenen Angaben sitzen sie nicht so schnell. schon vor Corona eine Wachstumsgeschwindigkeit ermöglicht, die mit physischen Standorten niemals Die bisherigen Feedbackrunden verliefen vielver- auch nur annähernd zu verwirklichen gewesen sprechend. „Es hat einen Riesenspaß gemacht, wäre. unsere Workshop-Gruppe in die ‚Alpen‘ zu entfüh-
18 ( T R OT Z D E M ) W E I T E R M A C H E N : A N A LO G E U N D D I G I TA L E W E LT V E R B I N D E N Das Öko-Argument zog nicht richtig für eine Welt, die schlicht nicht mehr existiert.“ Auch bei Dienstreisen scheint der durch Corona Die ersten Experimente mit virtuellen Arbeitsum- ausgelöste Trend unumkehrbar. Eine bereits Ende gebungen liegen bereits einige Jahre zurück. Juli 2020 veröffentlichte branchenübergreifende Anfangs stand das Argument im Vordergrund, dass dpa-Umfrage unter deutschen Konzernen ergab, Flüge und Fahrten zu Kongressen und Meetings die dass die Unternehmen viele Treffen auch in Umwelt unnötig belasten. Doch solange schran- Zukunft virtuell abhalten wollen. „Die Pandemie kenloses Reisen noch problemlos möglich war und hat als Katalysator fungiert und der virtuellen die Budgets bewilligt wurden, fehlte der Idee virtu- Zusammenarbeit einen weiteren Schub gegeben“, eller Arbeitsräume die Wucht. Der Durchbruch so eine Sprecherin der Deutschen Post. blieb aus. Initiativen wie diese könnten ein wichtiges – und Die Corona-Krise, erzählt Silke Schmidt, hat das dringend benötigtes – Signal in Richtung der Kul- Konzept jetzt auf eine höhere Umlaufbahn kata- tur- und Kreativwirtschaft aussenden. Ein Großteil pultiert. Durch Corona wurde plötzlich ein riesiger der Branche ist nach wie vor stark von den Auswir- Markt für Treffen ohne physische Präsenz geschaf- kungen der Corona-Pandemie betroffen. Spricht fen; das Wort „Reisefreiheit“ bekommt eine neue man mit Verbands-Vertreterinnen und Verbands- Bedeutung. Die hippe Idee virtueller Arbeitswelten Vertretern aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, verwandelte sich quasi über Nacht zu einem ist die Verunsicherung, wie einzelne Akteurinnen Geschäftsmodell. Eine Rückkehr zum normalen und Akteure die nächsten Monate ökonomisch Kongress-, Meeting-, Messe- und Ausstellungsbusi- überstehen können, vielerorts geradezu greifbar. ness der Vor-Corona-Zeit wird es vermutlich auf „Wir stehen noch vor vielen Monaten, wo sich gar längere Sicht nicht geben. „Das gesamte Geschäfts- nichts tut“, resümierte Klaus Wollny, Vorstand des modell von Konferenzen“, urteilt der amerikani- Bundesverbandes der Konzert- und Veranstal- sche VR-Pionier Charlie Fink, „wurde entworfen tungswirtschaft e. V.
( T R OT Z D E M ) W E I T E R M A C H E N : A N A LO G E U N D D I G I TA L E W E LT V E R B I N D E N 19 Zehntausende Unternehmerinnen und Unterneh- Virtuelle Arbeitswelten könnten ein solches mer aus der Kreativ- und Kulturbranche, Betrei- Zukunftsprojekt, ein Anknüpfungspunkt für eine bende von Kinos, Clubs, Theatern und Galerien, Symbiose zwischen Kulturunternehmerinnen und Veranstalterinnen und Veranstalter von Live-Kon- Kulturunternehmern und „Tekkies“ sein. Menschen zerten und Events fiebern dem Tag entgegen, an wollen und müssen zusammenkommen, um Krea- dem die Corona-Beschränkungen fallen und sie tivität zu generieren. Videokonferenzen sind nicht wieder zum „Normalbetrieb“ zurückkehren können. die ideale Ideen-Brutstätte. „An bereits laufenden Die Hoffnung könnte sich jedoch als trügerisch Projekten zu arbeiten, ist die eine Sache“, erklärte erweisen: Abstands- und Hygieneregeln etwa, die Facebook-Chef Mark Zuckerberg kürzlich in einem uns vermutlich noch längere Zeit erhalten bleiben Interview den entscheidenden Unterschied, „aber werden, drohen so manches Geschäftsmodell zu neue Ideen zu entwickeln, das ist etwas völlig zerstören. anderes.“ Kein Zurück zur alten Welt Mit Beginn der Pandemie erhielten Menschen in vielen Teilen der Welt einen Vorgeschmack auf das Angesichts solch enormer Unwägbarkeiten halten Potenzial virtueller Locations. Im Juni etwa wurden viele eine Rückkehr zur heilen Welt der Zeit vor 600.000 Zuschauerinnen und Zuschauer Zeuge, als der Epidemie für illusorisch. Andreas Heinecke der französische Elektropop-Pionier Jean-Michel etwa, Erfinder der Hamburger Ausstellung „Dialog Jarre als Avatar in einem virtuellen Live-Konzert im Dunkeln“, in der blinde Guides die Besucherin- auftrat. Er stand mit VR-Helm in seinem Studio in nen und Besucher über einen lichtlosen Parcours der Nähe von Paris, wo seine Bewegungen aufge- mit normalen Alltagssituationen führen, eine Art zeichnet und in eine virtuelle Veranstaltungshalle Hybrid aus Kultur- und Sozialentrepreneur, hält übertragen wurden. den „Versuch, zu erhalten und zu retten, was zu ret- ten ist“, für völlig naiv – und möglicherweise für Direkt nach Beginn der Pandemie wurde sogar schlimmer als die Katastrophe selbst. „Denken wir eine komplette internationale Konferenz zu Virtual groß, weit und tief“, appelliert Heinecke an sich, an Reality, die IEEE VR 2020, coronabedingt von sein Team und an die gesamte Kultur- und Kreativ- Atlanta ins Cyberspace verlagert. „Emotionale Prä- wirtschaft. senz ohne körperliche Anwesenheit herzustellen, das ist ein harter Brocken“, lautete das nicht völlig Sein Appell scheint auf fruchtbaren Boden zu fallen. skepsisfreie Fazit eines Teilnehmers. Allerdings In einer Umfrage, die das Kompetenzzentrum Ende werde man wohl nicht darum herumkommen, April 2020 mit dem Deutschen Kulturrat zur Betrof- neue Wege zu finden, „wie wir das Erlebnis, einen fenheit der Branche von der Corona-Krise unter Raum mit jemanden zu teilen, herüberretten kön- den Verbänden durchgeführt hatte, äußerten viele nen in eine Zeit, in der das Diktat des körperlichen Befragte die Hoffnung, dass die Krise auch als Abstands gilt.“ Chance für zukunftweisende Innovationen gesehen wird. Julia Köhn, Projektleiterin des Kompetenzzen- trums, umreißt die Aufgabenstellung wie folgt: „Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine sehr innova tionsstarke Branche, die in der aktuellen Situation eine wichtige Rolle einnehmen kann. Die Heraus- forderung ist es zu erkennen, welche Chancen darin liegen, in bestimmten Bereichen nicht einfach zum Zustand vor Corona zurückzukehren, sondern etwas Neues zu schaffen und das dann auch umzusetzen.“
20 ( T R OT Z D E M ) W E I T E R M A C H E N : A N A LO G E U N D D I G I TA L E W E LT V E R B I N D E N Die SPRUNGKRAFT-Toolbox Wie funktioniert Kooperation im Das waren die Voraussetzungen, um in kleinen digitalen Raum? Sechs Learnings aus Teams an kreativen Lösungen für konkrete Frage- dem Innovation Camp Sprungkraft stellungen zu Themen wie Strukturwandel in länd- von Franziska Lindner, Kompetenzzentrum Kultur- lichen Räumen, Creative Bureaucracy oder neuen und Kreativwirtschaft des Bundes, Berlin Anwendungsformen für Künstliche Intelligenz zu arbeiten. Innovation Camps gehören zu den Formaten, die Mit Geltungsbeginn der Corona-Schutzmaßnah- das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirt- men wurde das Format neu gedacht. Zwar standen schaft des Bundes bereits seit 2017 durchführt. Innovationsentwicklung, der Einsatz kultur- und Mehrmals jährlich kommen Akteurinnen und kreativwirtschaftlicher Methoden, Rapid Prototy- Akteure verschiedener Bereiche und Branchen bei ping und Interdisziplinarität weiterhin im Mittel- der interdisziplinären Veranstaltung zusammen, punkt des Veranstaltungskonzepts, allerdings um kultur- und kreativwirtschaftliche Methoden wurde das Innovation Camp komplett digital anzuwenden und innerhalb von nur zwei bis drei transformiert: Digitale und analoge Inhalte wurden Tagen konkrete Lösungen zu einem gesellschaftlich miteinander verschränkt; statt einem analogen und wirtschaftlich relevanten Thema zu finden. Raum wurde eine dynamische Videokonferenz- plattform zum Treffpunkt; ein Design Sprint Noch bis Anfang 2020 basierte das Format auf ersetzte das Design Thinking; und es wurde ein folgenden Eckpfeilern: digitales Prototyping Studio für die Teilnehmerin- • ein außergewöhnlicher Ort nen und Teilnehmer eingerichtet. • rund 120 Teilnehmende aus diversen Branchen • 2,5 Tage Zeit
( T R OT Z D E M ) W E I T E R M A C H E N : A N A LO G E U N D D I G I TA L E W E LT V E R B I N D E N 21 Wie gelingen kreative Kooperationsprozesse im Lösung digitalen Raum? Hier sind die Learnings aus Tools (in diesem Fall: Wonder und Mural) sollten drei Tagen Innovation Camp Sprungkraft mit über überlegt ausgewählt werden und nicht zu häufig 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern: wechseln. Außerdem muss ein Einführungspro- gramm angeboten werden, z. B. in Form von Kurz- 1. Verbindlich & persönlich werden: anleitungen, Video-Tutorials oder kurzen Treffen das Event nach Hause schicken vorab im virtuellen Raum. Fehlender persönlicher Kontakt und vermeintliche 3. Flexibel bleiben: Anonymität bei einer Anmeldung im Netz können Ideationsprozesse so gestalten, dass diese eine Veranstaltung „unecht“ wirken lassen und sich in die aktuelle Situation von Home Office wenig Verbindlichkeit sowie eine hohe No-Show- und Ablenkung einfügen Rate nach sich ziehen. Um bei digitalen Veranstal- tungen mehr Bindung zu erreichen, kann die Ver- Anders als bei analogen Konferenzen können sich anstaltung auf anderem Wege in das analoge Leben Teilnehmende digital nur für bestimmte Programm der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eintreten. punkte zuschalten oder fallen durch die besondere Situation im Home Office (z. B. Homeschooling) für Lösung bestimmte Zeitslots ganz aus. Der Ideationsprozess Eine vorab an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollte an diese Aufmerksamkeitsdynamik angepasst verschickte Toolbox mit wichtigen Werkzeugen für sein. einen gelungenen Design Sprint fungiert als analoge Erinnerungsstütze und erzeugt gleichzeitig ein Lösung Gefühl von „Echtheit“. Im Falle des Innovation Einzelaufgaben während des Design Sprints for- Camps bestand die Box aus einem Festival-Batch mulieren, die die Teilnehmenden individuell und mit QR-Code zum Navigieren in den digitalen Räu- zu ihrer Wunschzeit bearbeiten können. Außerdem men, einem Canvas für Ideenskizzen, Nervennah- sollte ein Ideenteam sieben bis acht Personen um rung und nützlichen Hintergrundinformationen fassen, sodass die Gruppe auch bei einer oder zwei zur Veranstaltung. Auf diese Weise wurden mehrere fehlenden Personen arbeitsfähig bleibt. Sollte sich Sinne (Haptik, Geschmack) angesprochen. Zusätz ein Team dennoch auflösen, kann neu gemischt licher Nebeneffekt: Die Box wurde auf Social Media und verteilt werden. von einigen Teilnehmenden „unboxed“ und hat auf diese Weise Reichweite generiert. 2. Warmlaufen für digitale Tools: vorab Tutorials anbieten Der Einsatz interaktiver Tools verleiht einer digita- len Veranstaltung Dynamik. Es ist aber auch ein Experiment, das gute Vorbereitung und permanen- ten technischen Support erfordert. Egal welche digitalen Plattformen und Werkzeuge genutzt wer- den, es wird immer Personen geben, die mit dem gewählten Tool noch wenig vertraut sind. Es sollte daher ausreichend Zeit eingeplant werden, um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bereits vor Vom persönlichen Lieblingsplatz aus in den Ideationsprozess dem Start des Events die Tools näherzubringen. einsteigen
22 ( T R OT Z D E M ) W E I T E R M A C H E N : A N A LO G E U N D D I G I TA L E W E LT V E R B I N D E N Im Studio des Innovation Camps 4. Aufmerksamkeit halten I: einer Fernsehproduktionsfirma (in diesem Fall Alex „TV-Effekt“ statt Videokonferenz-Ästhetik Berlin) unter TV-Bedingungen bzgl. Kamera, Schnitt, Einblendungen und Live-Moderation pro- Die Zeit im Home Office hat uns gelehrt, dass duziert. Die Beantwortung von Fragen, die von der mehrstündige Videokonferenzen anstrengend und Community während des Livestreams gestellt wer- eintönig werden können. Eine dynamische, profes- den, erhöht die Bindung und den „Live“-Effekt. sionelle Videoproduktion trägt dazu bei, dass Zuschauerinnen und Zuschauer aufmerksam blei- 5. Gemeinschaftserlebnisse schaffen: ben und Inhalte gut aufnehmen können. Interaktion & Networking designen Lösung Interaktion & Networking funktioniert digital Es lohnt sich, eine Bühne im entsprechenden anders als bei analogen Veranstaltungen. Gleichzei- Design der Veranstaltung (z. B. Hintergründe) ein- tig braucht es Schnittstellen, um Zuschauerinnen zurichten, auf der das Programm stattfindet. Auch und Zuschauer Teil des Ganzen werden zu lassen. eine Weitwinkel-Kamera und adäquate Beleuch- Da physische Präsenz im digitalen Raum fehlt und tung machen bereits einen großen Unterschied. zusätzlich Unsicherheiten im Umgang mit den ver- Optimal wird das Programm direkt in einem Stu- wendeten Tools bestehen können, ist es sinnvoll, dio in Kooperation mit einem TV-Sender oder an dieser Stelle stärker zu kuratieren.
( T R OT Z D E M ) W E I T E R M A C H E N : A N A LO G E U N D D I G I TA L E W E LT V E R B I N D E N 23 Lösung Über interaktive Kennenlernspiele oder Telegram- Live-Walks kann Interaktion aktiv ins Programm eingewoben werden. Kleine Spiele oder Fragestel- lungen (beim Innovation Camp z. B.: „Was ist dei- ner Meinung nach die wichtigste Erfindung der Menschheit?“), die den Teilnehmerinnen und Teil- nehmern im Laufe der Veranstaltungen auf den Weg gegeben werden, haben sich darüber hinaus als angenehmer Einstieg für erste Kennenlernge- spräche zwischen den Teilnehmenden erwiesen. 6. Aufmerksamkeit halten II: kurz und knackig – digitale Snacks Die Aufmerksamkeitsspanne ist digital deutlich kürzer als analog. Das sollte bei der Programmge- staltung berücksichtigt werden. Lösung Es ist ratsam, Talks und Diskussionen mit Expertin- nen und Experten sehr kurz und abwechslungsreich zu gestalten, beispielsweise durch fünfminütige Blitzvorträge und interaktive Feedback-Sessions. Die kurzen Clips eignen sich zusätzlich auch für Zusammen achtsam in den Tag starten: Bevor es digital losging, konnten sich alle Teilnehmenden bei einem Live-Audio-Walk über die Ausspielung in Social Media. Telegram an der frischen Luft einstimmen Fazit Der digitale Raum tickt anders. Veranstaltungskon- zepte müssen dementsprechend umgestellt wer- den. Doch schon die Berücksichtigung einiger zen- traler Aspekte kann eine Veranstaltung auch im virtuellen Raum zu einem großen Erfolg machen – und Sie dabei von allen positiven Aspekten (z. B. dem Wegfallen von Anfahrtswegen und neuen For- men des Nachhaltens von Ergebnissen) profitieren lassen. Möchten Sie mehr zu virtuellen und hybriden Ver- anstaltungskonzepten erfahren? Dann melden Sie sich bei uns via kontakt@kreativ-bund.de.
24
25 Was kommt dann? Wie die Kreativwirtschaft eine Post-Corona-Welt entwirft Während das Leben in mancher Hinsicht stehen geblieben ist, wurde es gleichzeitig immer wichtiger, sich zu überlegen: Was soll bleiben, wenn das alles vorbei ist? Welche Erkenntnisse haben wir erlangt? Und wie sieht eine Zukunft aus, in der Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur resilienter sind, sondern sich die Erfahrungen auch in positiver Weise (als Gelerntes) in der Zukunftsgestaltung niederschlagen? Der Austausch über diese Fragen ist in Pandemiezeiten zusätzlich erschwert. Auch das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes musste sich in dieser Hinsicht neu ausrichten. Zwei wesentliche Faktoren blieben allerdings: 1. Mit kreativwirtschaftlichen Methoden Zukunftsszenarien entwickeln, die so klar und greifbar sind, dass sie diskutierbar werden. 2. Einen Ort schaffen, an dem Kooperation und Austausch möglich ist – auch in digitaler/hybrider Form. Welche Aspekte bei diesen Schritten hin zum Entwurf einer Welt nach Corona beachtet werden müssen und welche Erfahrungen das Kompetenzzentrum damit gemacht hat, können Sie in diesem Kapitel lesen.
26 WA S KO M M T DA N N ? W I E D I E K R E AT I V W I RT S C H A F T E I N E P O S T- CO R O N A-W E LT E N T W I R F T SCHRITT 1: Zukünfte entwickeln von Deana Mrkaja, freie Journalistin und Zukunfts- forscherin, Berlin Digitalisierung, Klimawandel oder Virus-Pandemie Zukunft nicht vorhersehen, jedoch lassen sich aus – weltweit stehen der Markt und die Gesellschaft der Gegenwart heraus Entwicklungsstrukturen vor ungewissen Transformationsprozessen. Anstatt erkennen, die auf mögliche Zukunftsszenarien hin- diese auf uns zukommen zu lassen, können wir sie weisen. Damit diese Erkenntnisse in der Praxis aktiv mitgestalten. Durch die systematische Beschäf Anwendung finden können, müssen sie diejenigen tigung mit Zukunftsfragen sind Unternehmen oder erreichen, die an Lösungen und Prototypen für auch die Politik in der Lage, zukunftsorientierte zukünftige Herausforderungen arbeiten. Gemein- Strategien zu entwerfen und bessere Entscheidungen sam mit Methoden der Zukunftsforschung macht zu treffen. Methoden aus der Kultur- und Kreativ- die Kultur- und Kreativwirtschaft Zukünfte greif- wirtschaft, wie die Szenariotechnik, der Einsatz barer. Im Mittelpunkt steht das Bestreben, noch eines Futures Wheel oder die Erstellung von Narra- nicht eingetretene Entwicklungen bereits heute so tive Probes, helfen insbesondere Unternehmen real wie möglich erscheinen zu lassen. Die eigene dabei, neue mögliche Geschäftsfelder zu erkennen, Erfahrung wirft klarere Entscheidungs- und Hand- sich Veränderungen auf dem Markt schnell anzu- lungsoptionen auf. passen oder innovative Trends zu setzen. Auch das Kompetenzzentrum arbeitet mit solchen Methoden, Szenarien triggern vorhandenes Wissen über um Neues voranzutreiben: Bei Innovation Camps zukünftige Entscheidungsmöglichkeiten. Es mag oder in Creative Labs nutzen Akteurinnen und zu Beginn – gerade für Unternehmen – eine neue Akteure aus verschiedenen Branchen diese Ansätze Erfahrung sein, in Rollen zu schlüpfen, Geschich- und generieren innerhalb kurzer Zeit innovative ten zu erfinden oder der Fantasie einfach freien Lösungen zu konkreten Herausforderungen. Lauf zu lassen. Jedoch ist eine ungewohnte Denk- weise, dieser offene Brainstorming-Prozess, der Seit jeher ist die Zukunft eine Projektionsfläche für Schlüssel zur Entwicklung von Zukunftsszenarien. die Hoffnungen, Ängste und Pläne der Menschheit. Die Methode ermöglicht, denkbare Entwicklungen Ob mit Astrologie, dem Entwerfen von politischen der Zukunft zu analysieren und zusammen Utopien oder auch mit dem Orakel von Delphi – hängend darzustellen. Dabei wird der Denkprozess seit Jahrtausenden versuchen wir, Zukunftsbilder neu angeregt, das Einlassen auf mögliche Szenarien zu formen. Dabei spielt das Zukunftsdenken auch antizipiert und Kreativität gefördert. Szenarien im wirtschaftlichen Kontext eine große Rolle: Wir können eine Grundlage dafür sein, zu beurteilen, beobachten Trends und investieren, wir treffen was plausible Auswirkungen gegenwärtiger Ent- Prognosen und arbeiten an Innovationen. Doch wicklungen sind und wie man mit diesen Auswir- bevor Szenarien für die Zukunft von Unterneh- kungen umgehen könnte. Die Szenariotechnik men, Institutionen oder ganzen Ländern entwor- dient weniger der Generierung von neuem Wissen fen werden können, müssen wir verstehen, dass es als der übersichtlichen Strukturierung und Darstel- nicht die eine Zukunft gibt. lung von vorhandenem Wissen über zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten (vgl. Mietzner 2009; Stattdessen gibt es eine Vielzahl an möglichen, Steinmüller 2012; Wilms 2006). wünschenswerten oder auch wahrscheinlichen Zukünften. All diese sind durch uns gestaltbar: Szenariotechniken werden auch immer häufiger Nicht die Zukunft kommt auf uns zu, sondern wir für wirtschaftliche Prozesse genutzt. Wachsende gehen aktiv auf die Zukünfte zu. Zwar lässt sich die Komplexität und Ungewissheit von Markt- und
Sie können auch lesen