Amt und Gemeinde - Evangelische Kirche in Österreich
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Amt und Gemeinde 70. Jahrgang, Heft 1, 2021 € 6, – Schöpfungs verantwortung Aus der Freude des Schöpfungssegens leben und handeln Michael Chalupka 7 Ökogerechtigkeit als gegenseitige Teilhabe? Versuch einer theologischen Vision der gegen- seitigen Durchdringung alles Erschaffenen Michael Nausner 12 Klimaschutz in den Evangelischen Kirchen in Österreich Andrea Sölkner 23 Impuls der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie am Reformationsempfang, 20. Oktober 2020 Leonore Gewessler 60 Und weitere Beiträge Evangelische Kirche A. B. in Österreich Herausgeber: Bischof Michael Chalupka
INHALT Editorial ............................................................................................................................................ 5 Eva Harasta Aus der Freude des Schöpfungssegens leben und handeln. Predigt zur Amtseinführung als Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich ................................................................................................................................... 7 Michael Chalupka Ökogerechtigkeit als gegenseitige Teilhabe? Versuch einer theologischen Vision der gegenseitigen Durchdringung alles Erschaffenen ........................ 12 Michael Nausner Klimaschutz in den Evangelischen Kirchen in Österreich. Ein Werkstattbericht .................................................................................................................. 23 Andrea Sölkner *** Statements der evangelischen Umweltbeauftragten Schöpfungsverantwortung aus Sicht der Evangelisch- methodistischen Kirche – eine Standortbestimmung ........................................ 30 Ben Nausner (Evangelisch-methodistische Kirche in Österreich) Nachhaltigkeit in der kirchlichen Schöpfungsverantwortung ........................ 33 Michael Meyer (Evangelische Kirche H. B. in Österreich) Die aktuelle Lage der Umweltarbeit in Oberösterreich ...................................... 35 Rainer Hochmeir Seit 2000 Jahren grün. Evangelische Umweltarbeit in der Steiermark ... 38 Peter Lintner Schnappschuss zur Schöpfungs- und Umweltarbeit: Evangelische Diözese A. B. Wien .................................................................................... 40 Andrea Kampelmühler und Ralf Dopheide
SCHÖPFUNGSVERANTWORTUNG Umweltarbeit und Klimaschutz in der Diözese Salzburg und Tirol ............ 42 Werner Schwarz Verändern wir unsere Welt. Umweltarbeit in der Evangelischen Editorial Superintendenz Niederösterreich .................................................................................... 44 Inge Janda Liebe Leserin, lieber Leser, Kirche arbeitet, setzt sich mit der theolo- *** gischen Herausforderung der Klimakrise Sie halten einen Neuanfang in den Hän- auseinander. Es waren Kulturen im Raum ÖRK-Aufruf zu einer Dekade des ökologischen Lernens, den: das erste Heft von „Amt und Ge- des westlichen Christentums, in denen die Bekennens und Handelns gegen den Klimawandel meinde“ unter der Herausgabe von Bi- Technologien entwickelt wurden, die in die schof Michael Chalupka. Die neue Klimakrise geführt haben. Ein Grund für Kairos für die Schöpfung – Hoffnungsbekenntnis für die Erde. Redaktion hat mit der Arbeit begonnen die Klimakrise liegt mithin auch in evan- Die Wuppertaler Erklärung ................................................................................................... 47 und die Koordination ist von Charlotte gelischen Deutungen der Schöpfung und Matthias zu mir gewandert. Dieses Heft der Position des Menschen in der Schöp- *** ist aber auch ein Neuanfang im Über- fung. In Aufnahme von „A Bishops’ Letter gang: Die neue Redaktion beginnt ab About the Climate“, den die schwedische Statements vom Reformationsempfang 2020 Heft 3–2021 mit der Gestaltung und wird Erzbischöfin 2020 veröffentlichte, lädt „Schöpfungsverantwortung“ sich in Heft 3 auch vorstellen. Nausner aus evangelisch-methodistischer Bei der Frage, welches Thema das erste Sicht zu einem Umdenken ein: Es gehe Wir werden es schaffen – weil es schwer ist! .......................................................... 53 Heft unter der Herausgabe von Bischof Cha- darum, den Menschen aus seiner Herr- Katharina Rogenhofer lupka haben sollte, lag die Antwort nahe: schaftsposition herauszunehmen und in die Schöpfungsverantwortung. Dieses Anliegen Gemeinschaft der Mitgeschöpfe zu stellen, Die Türen öffnen und miteinander etwas bewirken ............................................. 56 hat er programmatisch in den Mittelpunkt die jedes nach ihrer Art Rechte und Mit- Francesca Christ seiner Antrittspredigt gestellt, wie hier im verantwortung in der Schöpfung haben. Heft nachzulesen ist. Das war im Herbst Als nächstes folgt ein reality check: Welche Art von Gesellschaft wollen wir gewesen sein? ................................... 57 2019. Ein halbes Jahr später begann die Andrea Sölkner, Kirchenrätin in der Ab- Judith Klaiber Corona-Zeit. Manche Anliegen erscheinen teilung für Kirchenentwicklung, berichtet angesichts von Corona nicht mehr so wich- aus der Werkstatt der evangelischen Um- Impuls der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, tig wie „davor“. Nicht aber die Klimakrise. weltarbeit in Österreich. Aktuell erarbeitet Mobilität, Innovation und Technologie am Reformationsempfang, Die Antrittspredigt des Bischofs ver- das Projektteam „Klimaschutzkonzept“ im 20. Oktober 2020 ....................................................................................................................... 60 setzt ihre Lesenden in die Gustav-Adolf- Austausch mit allen Ebenen der Kirchen Leonore Gewessler Kirche in Wien-Gumpendorf und erinnert – besonders mit den Umweltbeauftragten – an die glaubende Zuversicht, die ange- konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz sichts der Sorge wegen der Klimakrise den und regt ein theologisches Nachdenken *** Mut gibt, sich aktiv einzusetzen. über Schöpfungsverantwortung an. Michael Nausner, der in der Forschungs- Dann kommen die evangelischen Um- Biogramme ..................................................................................................................................... 62 abteilung der schwedisch-lutherischen weltbeauftragten selbst zu Wort. So erhal- Impressum ...................................................................................................................................... 64 Amt und Gemeinde 5
ten Sie, liebe Leserin und lieber Leser, Youtube-Kanal der Evangelischen Kirche SCHÖPFUNGSVERANTWORTUNG Einblick in die Umweltarbeit in fast allen in Österreich. Das vorliegende Heft doku- A.B.-Diözesen, in der Evangelisch-me- mentiert die Beiträge von drei Expertin- Aus der Freude des Schöpfungs- thodistischen Kirche und in der Evange- nen und den Beitrag von Leonore Gewes- lischen Kirche H. B. in Österreich. Be- sler, Bundesministerin für Klimaschutz, segens leben und handeln richtet wird über Erfolge und Initiativen, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation aber auch darüber, wie Corona die Um- und Technologie. weltarbeit behindert und wie Klima- und Die Sprecherin des Klimavolksbegeh- Umweltschutz mancherorts noch zu we- rens Katharina Rogenhofer legt ein Plä- Predigt zur Amtseinführung als Bischof nig Bedeutung im Gemeindeleben finden. doyer für Klimaschutz aus ihrer Sicht als Auf die Voten der Umweltbeauftragten Aktivistin vor. Francesca Christ, Mitglied der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich, folgt das Dokument des Weltkirchenrats der Diözesanjugendleitung Salzburg-Tirol „Kairos für die Schöpfung – Hoffnungs- in der Evangelischen Jugend Österreich 13. Oktober 2019, Gustav-Adolf-Kirche, Wien-Gumpendorf bekenntnis für die Erde: Die Wupperta- spricht über ihre Vision von einer Kirche, in ler Erklärung“. In Vorbereitung für die der die Anliegen der Jüngeren – einschließ- nächste Vollversammlung des Weltkir- lich des Klimaschutzes – noch stärker zum Von Michael Chalupka chenrats in Karlsruhe (31.8.–8.9.2022) Tragen kommen als aktuell. Die römisch- trafen sich Vertreter:innen aus der globa- katholische Theologin Judith Klaiber be- len Ökumene. Sie beschlossen, den Welt- schäftigt sich mit der Frage „Welche Ge- kirchenrat zur Ausrufung einer „Dekade sellschaft wollen wir gewesen sein?“ und „Die Sünder sollen ein Ende nehmen auf Erden des ökologischen Lernens, Bekennens und lädt dazu ein, aus Sicht des „vollendeten Und die Gottlosen nicht mehr sein. Handelns gegen den Klimawandel“ aufzu- Futurs“ auf das Heute zu schauen. Lobe den Herrn, meine Seele! Halleluja!“ rufen. Der Wuppertaler Aufruf wird hier Bundesministerin Gewessler berichtet (Psalm 104,35) mit freundlicher Genehmigung des Welt- über den Stand der Klimaschutzpolitik in kirchenrates abgedruckt. Er bezeugt, dass Österreich und spricht darüber, welche „Gnade sei mit euch und Friede von dem, Kirchen in unterschiedlichen Kontexten Rolle die Religionsgemeinschaften für der da ist und der da war und der da kommt.“ aktuell darum ringen, auf die Klimakrise den Klimaschutz aus ihrer Sicht haben: (Offenbarung 1,4) adäquat zu reagieren: Die Beschäftigung Die Arbeit an der Bewusstseinsbildung mit Schöpfungsverantwortung in Öster- könnte den Religionsgemeinschaften be- reich ist Teil einer weltweiten ökumeni- sonders entsprechen. schen Dynamik. Der letzte Teil des Heftes bietet die Beiträge des Reformationsempfangs Liebe Leserin, lieber Leser, ich hoffe, dass der eine oder andere Beitrag in die- sem Heft Ihre Aufmerksamkeit auf sich L iebe Schwestern und Brüder, liebe Geschöpfe unseres wunderbaren Gottes, liebe schöne Mitmenschen, die des Herrn gepriesen und die Schönheit der Erde besungen, mit den Worten des Psalmisten. Was für eine wunderbare Be- 2020. Der Empfang fand am 20.10.2020 zieht. Über Anregungen von Ihnen freue ihr heute gekommen seid! schreibung der Welt. Die Brunnen quellen in der Auferstehungskirche in Wien- ich mich (eva.harasta@evang.at) und gebe in den Tälern, davon trinken die Tiere des Neubau statt – als eine der letzten koh- sie auch gern weiter. Den Autorinnen und Die Welt ist schön und Gott ist schön. Feldes, die Wildesel löschen ihren Durst, lenstofflichen Veranstaltungen vor den Autoren danke ich für die gute Zusam- Licht ist sein Kleid, der Himmel sein Zelt. die Vögel singen in den Zweigen, das immer strengeren Hygieneregeln des Co- menarbeit. Wir haben den Psalm 104 gebetet Land ist voller Früchte. Das Gras wächst ronaherbstes. Er steht als Video auf dem Eva Harasta und gesungen. Haben die Herrlichkeit für das Vieh, die Erde bringt das Brot her- 6 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 7
vor. Wein und Brot stärken das Herz. Die Unwetter. Aber die Natur steht unter dem anstimmt, lebt gefährlich, zumal in un- che schöne Psalmlieder singen? Weil der Vögel nisten in den Zedern und die Stör- Segen Gottes, des Schöpfers. Sie ist gut, serer Hemisphäre. Wir sind es, die den liebe Gott uns schon retten wird? che wohnen in den Wipfeln. „Die Herr- sie ist Verheißungsträgerin. Die Schöp- großen ökologischen Fußabdruck pro- Gott verspricht, ein Gott des Lebens zu lichkeit des Herrn bleibe ewiglich, der fung ist erfüllt von Gottes Kreativität. duzieren. Wir sind es, die 70 Mal so viel sein, der den Kreislauf des Lebens ach- Herr freue sich seiner Werke!“ (Ps 104,31) Schauen wir auf unsere Welt und wie CO2 pro Person verbrauchen wie eine tet und bewahrt. Gott segnet Menschen, 34 Verse lang schwelgen wir, wenn wir sie beschrieben wird, dann verschieben Einwohnerin des unter Hitze und Dürre obwohl er weiß, dass auch aus ihrem Ge- den Psalm beten, im Lob, in der Freude, in sich die Gewichte. „Die Emissionen leidenden Niger. Wer in den Ruf des schlecht wieder Böses in die Welt kom- der Begeisterung über Gottes Schöpfung. nehmen weltweit zu. Die Temperaturen Psalmisten einstimmt, dass die sündigen men wird. Gott erneuert die Zusage, dass Doch nach 34 Versen bricht die Wirklich- steigen. Die Folgen für Ozeane, Wälder, Menschen nicht mehr sein sollen, kann die Menschen die Erde bebauen und be- keit sich Bahn. „Die Sünder sollen ein Wetter, Artenvielfalt, Nahrungsmittel- sich allzu leicht auf ihrer Seite wiederfin- wahren dürfen. Indem Gott nicht mehr Ende nehmen auf Erden und die Gottlo- produktion, Wasser, Arbeitsplätze und den. Selbst wer kein Flugzeug besteigt, darauf beharrt, alles alleine zu regieren sen nicht mehr sein.“ Oder wie es in der letztlich Menschenleben sind bereits kein Fleisch isst und energiespart wo sie und nach eigenem Gutdünken auch zu Übersetzung von Arnold Stadler heißt: jetzt gravierend – und dürften sich noch kann, verbraucht hierzulande wohl immer zerstören, sondern sich auf einen Bund „Nur die Unmenschen sollen von der Erde verschlimmern.“1 schreibt UN-Generalse- noch ein zigfaches mehr als im oben ge- mit den Menschen einlässt, überträgt Gott verschwinden! Es wäre doch so schön kretär António Guterres. Die Fakten sind nannten Niger. uns Verantwortung. Im Bunde Gottes zu ohne sie.“ klar. „Ich will, dass Ihr handelt, als ob euer Liebe Umweltschützer und Sünderin- leben heißt nicht, die Hände in den Schoß Da fielen uns in diesen Tagen des Haus brennt,“2 schleudert uns die Enke- nen zugleich, liebe C02-Emittentinnen legen zu dürfen und den lieben Gott einen rechtsextremen Terrors von Halle und lin einer Diakonin und Urenkelin eines und Klimakollektenzahler, der Psalmist guten Mann oder eine gute Frau sein zu des Vernichtungskrieges in Syrien wohl schwedischen Diakoniedirektors Greta weiß es, wir wissen es und Gott selbst lassen, die es für uns schon richten wird. viele ein, ohne die es doch so schön sein Thunberg entgegen. Ein ganz anderes Bild weiß es auch. Die Sünde ist nicht aus der Den Menschen Verantwortung zu übertra- könnte auf Erden. Das Böse, die Sünde, als im Lobpreis der Schöpfung wird hier Welt zu schaffen. Und genau im Wissen gen, ist riskant. Das Risiko für die ganze die Gewalt brechen sich immer wieder von der Welt gezeichnet: Ihre Schönheit darum hat Gott mit dem Menschen einen Schöpfung ist der Preis der menschlichen Bahn in Gottes guter Schöpfung. und Güte erscheinen als bedroht, ja schon Bund geschlossen! So heißt es in der bibli- Freiheit. Doch Gott lässt uns in dieser Ver- Das war auch dem Sänger des Psalms teils zerstört. Doch der Schlussvers könnte schen Erzählung nach der großen Sintflut, antwortung nicht allein. Bund heißt: Gott bekannt, er ist kein Träumer, keine Re- der gleiche sein: „Nur die Unmenschen die alles Leben auf Erden zu vernichten verlässt uns nicht. Denn die Verantwor- alitätsverweigerer. Aber er gewichtet sollen von der Erde verschwinden! Es drohte, dass Gott sprach: „Ich will hin- tung für Gottes gute Schöpfung alleine zu sein Lied. 34 Verse sind der Schönheit wäre doch so schön ohne sie.“ Oder „Die fort nicht mehr die Erde verfluchen um schultern, würde uns überfordern. der Schöpfung und dem Lob des Schöp- Sünder sollen ein Ende nehmen auf Erden der Menschen willen; denn das Dichten Der Schöpfergott hat eine Welt ge- fers gewidmet, nur ein Vers den Unmen- und die Gottlosen nicht mehr sein. und Trachten des menschlichen Herzens schaffen, in der wir mit ihm verbunden schen, den Sündern und Sünderinnen, Doch aufgepasst, wer allzu laut diesen ist böse von Jugend auf. Solange die Erde sind, aber auch mit allem Geschaffenen – die ein Ende nehmen sollen. Der Dichter Vers über die Sünder und Sünderinnen steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, mit Pflanzen und Bäumen, mit den Vö- weiß auch, dass die Natur nicht nur Gu- Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag geln und Tieren im Wasser wie zu Lande. tes bringt. Aber auch das bettet er ein in und Nacht.“ (Gen 8,21) Dieser Bund ist kein Privileg, das uns 1 António Guterres, Unaufhaltsame Bewegung im Gottes Schöpfungsplan: Das Erdbeben – Klimaschutz, in: Der Standard (7.10.2019), Gott schließt einen Bund mit den Men- über die Schöpfung stellt. Das Gegen- ein Augenblick Gottes; der Rauch der Vul- online: www.derstandard.at/story/2000109600883/ schen, obwohl er uns kennt. Weil er uns über der Schöpfung ist Gott alleine. Wir unaufhaltsame-bewegung-im-klimaschutz kane – eine Berührung. Natur und Schöp- (abgerufen 9.11.2020). bedingungslos liebt, aus reiner Gnade. sind und bleiben Teil der Schöpfung und fung sind nicht das gleiche. Die Natur ist 2 Greta will Panik, in: Wiener Zeitung (25.1.2019), Was heißt das jetzt? Können wir die auch unsere Verantwortung des Gestal- online: www.wienerzeitung.at/nachrichten/chronik/ mächtig. Menschen erfahren sie als be- welt/1014830-Greta-will-Panik.html Hände in den Schoß legen, weiter leben tens, Bebauens und Bewahrens ist Teil der drohlich und leiden unter Erdbeben und (abgerufen 9.11.2020). wie bisher, und als Einzelne und als Kir- Schöpfung und des Bundes und muss in 8 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 9
Verantwortung vor Gott und den Mitge- quasi zwingen, Verantwortung zu über- einen neuen Weg zu suchen – im Ver- meinen, dieser Einsatz geschehe aus ei- schöpfen geschehen. nehmen für den eigenen ökologischen trauen, den Weg mit Gott zu gehen, mit ner Überheblichkeit heraus, als würde Und auf allem liegt der Segen Gottes. Fußabdruck, für die persönlichen CO2- Gott verbunden, unter dem Segen Gottes man glauben, durch das eigene morali- Der gute Zuspruch Gottes liegt auf der Emissionen – aber auch für den CO2-Ver- mit allen Geschöpfen, mit denen Gott sich sche Handeln und Vorbild die Welt retten Schöpfung. Sonne, Mond und Sterne und brauch unserer Pfarrgemeinden, kirch verbündet hat. zu können. Dazu sage ich gemeinsam mit der Bruder Baum, sie werden dadurch lichen Gebäude und Organisationen. Wir allen Christinnen und Christen, die sich nicht zu Göttern, aber sie stehen unter wollen hier als Kirche Vorreiterin sein und Liebe Gesegnete, liebe Bundesgenossin- für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung dem Segen dessen, der sah, dass es gut nicht Nachzüglerin. nen Gottes, liebe Schwestern und Brüder der Schöpfung engagieren: Wir setzen war. Wir stehen in einer Gemeinschaft Der Bund Gottes ist mit allen Men- Jesu Christi! uns für die Bewahrung der Schöpfung der Gesegneten. In einer solchen Gemein- schen geschlossen, er gilt den Einzelnen, ein, weil wir glauben, dass Gott mit den schaft sorgt man füreinander und beutet aber auch allen gemeinsam. Deshalb ist Es war mein Wunsch, meine Amtszeit Menschen und seinen Geschöpfen einen einander nicht aus. Die Herrschaft, die die Frage des Umgangs mit der Schöpfung als Bischof der Evangelisch-lutherischen Bund geschlossen hat; weil wir glauben, Gott den Menschen über die Natur gibt, immer auch eine Frage der Gerechtigkeit. Kirche in Österreich in Gemeinden zu dass auf der Schöpfung Gottes Segen liegt nimmt ihr nichts vom Segen, der auf ihr Die Kirchen haben diesen Zusammenhang beginnen, die sich exemplarisch für Ge- und wir in die Verantwortung gestellt sind, liegt. Diesen Segen gilt es zu respektieren. schon vor 30 Jahren im konziliaren Pro- rechtigkeit, Frieden und Bewahrung der die Erde zu gestalten und zu bewahren. In Zeiten der Angst vor dem zukünfti- zess „Frieden, Gerechtigkeit und Bewah- Schöpfung einsetzen. Diese Beispiele, Dabei kennen wir unsere Grenzen und gen Unheil und in Zeiten der Leugnung rung der Schöpfung“ formuliert. in denen evangelische Christinnen und unsere Unzulänglichkeit. Aber wir wissen der Fakten können wir als Kirche Zuver- Wir sind miteinander verbunden, welt- Christen Verantwortung übernehmen für uns begleitet und behütet durch die Vor- sicht und Verantwortung in die öffentliche weit. Wie wir hier leben, beeinflusst das weltweite Klimagerechtigkeit und Initi- sehung Gottes. Debatte einbringen. Die Bewahrung der Leben der Einwohnerinnen von Kiribati ativen vor Ort starten, um das Ihre bei- Wir dürfen uns auch denken: „Die Un- Schöpfung ist eine Verantwortung, die auf der anderen Seite der Erdkugel. Wäh- zutragen, sind wichtig und wegweisend. menschen sollen von der Erde verschwin- uns allen gemeinsam und jedem und jeder rend wir hier unseren Glauben beken- Sie sind eine Ermutigung für die ganze den! Es wäre doch so schön ohne sie.“ Einzelnen gegeben ist. Als Evangelische nen, wird auch dort in den Kirchen das Kirche und ein Bekenntnis zur evangeli- Doch solange das nicht so ist, bleibt uns: Kirche sind wir gewiss: Persönliche Ver- Glaubensbekenntnis gesprochen. Gott ist schen Zuversicht. Für alle diese Initiativen den Schöpfer zu loben, für die Schön- haltensänderung und politische Maßnah- mit uns allen verbunden, und wir tragen möchte ich danken. heit der Schöpfung zu danken, um ihre men gegeneinander auszuspielen, bringt Verantwortung vor Gott und füreinander. Manche kritisieren, dass der Einsatz Bewahrung zu bitten und verantwortlich uns nicht weiter. Es braucht politische Der Bund Gottes schenkt uns Freiheit, für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung zu handeln. Maßnahmen, um die Überhitzung unse- auch die Freiheit in die Irre zu gehen. der Schöpfung eine Art Klimahysterie sei Lobe den Herrn, meine Seele! Halleluja. rer Erde zu stoppen. Damit die Politik die Doch weil Gott immer in Rufweite bleibt, und apokalyptische Panikmache. Andere Amen. ■ nötigen Maßnahmen setzt, braucht es aber gibt er uns auch die Chance zur Umkehr. auch Signale der Bürgerinnen und Bürger Apokalyptiker mögen meinen, es sei Zeit an sie: Wir wollen Klimagerechtigkeit, zur Verzweiflung, weil es fünf vor zwölf und wir sind bereit, dafür etwas zu tun ist. Aber der Glaube an den Schöpfungs- und unsere Lebensweise zu ändern. Es bund Gottes vertreibt die Verzweiflung. entspricht der evangelischen Tradition, in Der Glaube ruft laut: Zur Umkehr ist es Freiheit Verantwortung zu übernehmen. nie zu spät! Fünf vor zwölf, das ist die Hier ist jede und jeder Einzelne gefordert. Zeit zur Umkehr, nicht zur Verzweiflung. Das heißt auch: Wir müssen nicht war- Und umkehren heißt nicht, in Panik auf ten, bis uns politische Regelungen dazu dem Absatz kehrt zu machen, sondern 10 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 11
SCHÖPFUNGSVERANTWORTUNG Vom Ökosystem umarmt dass sie den Hochhäusern Konkurrenz machen. Als die Kamera-Drohne dann Der im Oktober 2020 ins Netz gestellte langsam über die Stadt gleitet, zeigt sich, Ökogerechtigkeit als Film A Life on the Planet visualisiert dass die Baumkronen bereits einen Groß- diese Gegenseitigkeit auf dramatische teil der verlassenen Gebäude verdecken. gegenseitige Teilhabe? und einzigartige Weise. Der 93-jährige Die Steinskelette und die Asphaltstreifen Regisseur David Attenborough versteht sind eingebettet in ein grünes Gewebe. Es ihn als eine Zeugenaussage und gleich- ist, als würden die Überbleibsel menschli- Versuch einer theologischen Vision der gegen- zeitig als eine Vision für die Zukunft. Im cher Zivilisation von einem neu erblühten Trailer zum Film spricht er davon, dass Ökosystem gnädig umarmt. seitigen Durchdringung alles Erschaffenen die Menschheit die Welt überrannt habe und dass es darum gehe, mit der Natur zu arbeiten und nicht gegen sie.2 Einer Subjektivität in der Von Michael Nausner der stärksten Eindrücke, die dieser Film nicht-menschlichen Natur? in mir hinterlassen hat, ist seine Einrah- mung: Er beginnt und endet in der uk- Eine mögliche Deutung dieser visionären rainischen Stadt Tschernobyl, die seit Einrahmung des Films ist, dass hier die der Explosion des naheliegenden Atom- missglückte Zähmung der Natur durch kraftwerkes im April 1986 unbewohnt den Menschen der unbekümmerten Wild- Verantwortung (gegenüber) Weltgemeinschaft, nur noch dringlicher ist. Am Anfang steht Attenborough in ei- heit der Natur gegenübergestellt wird. So der Schöpfung1 geworden. Mit diesem Artikel will ich nem der einst eilend verlassenen Gebäude diagnostiziert auch Attenborough eines die Frage der Schöpfungsverantwortung der Stadt, das heute eine Ruine ist und der großen Probleme unserer Zeit: Wir Die ökumenische Bewegung, in der Frie- noch ein wenig zuspitzen, indem ich den beginnt seine Erzählung. Das Gebäude ersetzen das Wilde mit dem Zahmen. Wir den, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Genitiv in diesem Begriff sowohl als ei- selbst ist ein Symbol für die von Men- wissen heute, dass aufgrund der Anthro- Schöpfung auf sinnreiche Weise mitein- nen genitivus objectivus, also als die Ver- schen verursachte Verwüstung. Am Ende pozentrik des modernen Lebensstils vie- ander verbunden werden, ist bald vierzig antwortung für die Schöpfung, aber auch des Filmes befinden wir uns wieder in les, nicht zuletzt die Artenvielfalt, bereits Jahre alt. Spätestens seit der ökumeni- als einen genitivus subjectivus, also als Tschernobyl, und auch jetzt ist die Stadt unumkehrbar verloren gegangen ist und schen Vollversammlung 1983 in Vancou- die Verantwortung der Schöpfung, inter- Sinnbild für die Fähigkeit des Menschen, dass heute das Ausmaß des menschli- ver begann sich die Rede von der Schöp- pretiere. Vielleicht ein gewagtes Unter- die Erde unbewohnbar zu machen. Aber chen Einflusses auf die Ökosphäre einem fungsverantwortung in den Kirchen der nehmen, aber – wie ich zu zeigen hoffe – je mehr die Kamera herauszoomt, desto nicht wieder umkehrbaren Wendepunkt Ökumene zu etablieren, und in Zeiten eines, das nicht ganz weltfremd ist und deutlicher wird es, wie sehr sich die Na- (engl. tipping point) entgegensteuert. des immer spürbarer werdenden Klima- sich zumindest als Gedankenexperiment tur der Steinwüste der Stadt angenommen Aufgrund des Ausmaßes des mensch- wandels ist diese Herausforderung an die (hoffentlich mit praktischen Konsequen- hat. Tiere verschiedener Art tummeln sich lichen Einflusses auf die Ökosphäre hat weltweite Christenheit, ja die gesamte zen!) zu wagen lohnt. Es geht mir darum, in den Häuserschluchten, und die Bäume sich seit etwa zwanzig Jahren die Be- die notwendige Gegenseitigkeit in einer mitten in der Stadt sind bereits so groß, zeichnung Anthropozän für unser jetziges 1 Erweiterte Fassung einer Präsentation beim befrei- balancierten Schöpfungsgemeinschaft Erdzeitalter eingebürgert. Vor allem der ungstheologischen Workshop „Doing Climate Justice“ an der Universität Löwen vom 22.-–24. Oktober hervorzuheben, in der menschliche und 2 Vgl. den offiziellen Trailer zum Film: David Atten von Menschen verursachte Ausstoß von 2020. Frau Dr. Eva Harasta danke ich herzlich für die borough: A Life on Our Planet. Official Trailer. Net- Erstellung einer Übersetzung dieser Präsentation ins nichtmenschliche Aktivität sich mitein- flix, in: www.youtube.com/watch?v=64R2MYUt394 Kohlendioxid hat das Gleichgewicht der Deutsche. ander im Gleichgewicht befinden. (abgerufen 21.10.2020). 12 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 13
Ökosphäre ins Wanken gebracht.3 Warum Was bedeutet dieses doppelte Beziehungs- hung neuer Rechteinhaberinnen immer in der Folge eingestimmt.9 Um einer sol- erlebte ich dennoch den überwältigenden gefüge – Gott-Schöpfung und mensch auf Widerstand gestoßen sei. Da die ju- chen Objektivierung entgegenzuwirken, visuellen Eindruck des wieder grünenden liche-nichtmenschliche Schöpfung – für ristische Welt voll von leblosen Rechte- schlägt Stone die Einführung einer Vor- Tschernobyl als Trost? Hat das Wilde, die Subjektivität der nicht-menschlichen inhabern ist6 (etwa Unternehmen und an- mundschaft (engl. guardianship) für die das „Naturbelassene“ nicht trotz allem Schöpfung? Welche Analogie besteht dere Organisationen wie Nationen usw.), Natur vor, die der Umwelt eine wirksame manchmal noch die Kapazität zur Rege- zwischen der Achtung der Freiheit des schlägt er unumwunden vor, Wäldern, Stimme zur Verteidigung ihrer Rechte neration, auch nach einschneidenden Ein- menschlichen Anderen und der Achtung Ozeanen, Flüssen und anderen sogenann- sichern würde.10 Darüber hinaus würde griffen des Menschen? Auf welche Weise der Freiheit des nichtmenschlichen An- ten „natürlichen Objekten“ in der Umwelt sie dem Anthropozentrismus entgegen- „spricht“ die Natur zu uns? Mit diesen deren, zwischen der Ehre Gottes und der – und sogar der natürlichen Umwelt als wirken, beziehungsweise dem, was Stone Fragen nähere ich mich dem Hauptanlie- Ehre der Schöpfung? Gibt es Subjektivität Ganzer – gesetzliche Rechte einzuräu- als „homozentrische Interessen“ bezeich- gen meines Artikels: Welche Art von Sub- in der nicht-menschlichen Welt? Und – men.7 Leider wurden natürliche Objekte net.11 Die Menschheit und ihre Umwelt jektivität gestehen wir Menschen, nicht wenn es um Klimagerechtigkeit geht –: allgemein als Objekte angesehen, die der müssen Kompromisse zum Wohl beider zuletzt wir Christen und Christinnen der Kann es sinnvoll sein, über Rechte der Mensch erobern, beherrschen und gebrau- Seiten eingehen.12 Am Ende seines Ar- nicht-menschlichen Natur zu? nicht-menschlichen geschaffenen Welt chen kann8 – eine Beziehung zwischen tikels geht Stone über den Begriff der Der englische Ökotheologe Michael zu sprechen? Ist die Zuschreibung von Mensch und nichtmenschlicher Welt, die Koexistenz hinaus und träumt von einem Northcott beendet seine Studie A Politi- Rechten an bestimmte natürliche Berei- in öko-theologischen Kreisen seit langem Tag, an dem die Menschheit die Welt als cal Theology of Climate Change mit dem che womöglich sogar notwendig, wenn als ein Missverständnis des Auftrags an einen Organismus betrachtet, von dem Aufruf, den Gott zu ehren, der über Erde wir unseren Planeten gerecht behandeln die Menschen zur Beherrschung der Erde die Menschheit ein funktionaler Teil ist.13 und Himmel herrscht, indem man fos- wollen? (vgl. Genesis 1,28) kritisiert wird. Eine Hier ahnt man deutliche Analogien zur sile Brennstoffe in der Tiefe der Erde be- solche „objektivierende“ Haltung gegen- Gaia-Hypothese, die Jonathan Lovelock lässt und die historischen und gewohnten über der Schöpfung folgt aus dem unhei- etwa zeitgleich mit Stones bahnbrechen- Verbindungen zwischen Natur und Kul- Rechte der Natur? ligen Bündnis zwischen der Heraushe- dem Artikel lancierte. Mit seiner Sicht des tur wiederherstellt. Diese Verbindungen, bung des Menschen aus dem natürlichen Planeten Erde als einem einzigen leben- so Northcott, seien zentral in jüdischem Die Diskussion darüber, ob Naturphä- Bereich, die typisch für die Moderne ist, digen Organismus, in dem alles mit allem und christlichem Messianismus mit ih- nomene angesichts der rücksichtslo- und einer bestimmten christlichen Inter- zusammenhängt, hat Lovelock in vielen ren anti-imperialistischen Bezugnahmen sen Ausbeutung natürlicher Ressourcen pretation des Auftrages, sich die Erde „un- Disziplinen ein Umdenken bezüglich der auf die Liebe.4 Ich möchte diesen kraft- Rechte haben können und als Inhaber tertan“ zu machen (lat. dominium terrae). symbiotischen Zusammengehörigkeit al- vollen Aufruf umformulieren, indem ich von Rechten zu respektieren seien, ist Lynn White hat die ausbeuterische In- les Lebendigen bewirkt.14 zwei Aspekte hervorhebe, die für mein mindestens ein halbes Jahrhundert alt terpretation dieser Genesisstelle schon eben skizziertes Hauptanliegen von Be- und wurde durch Christopher D. Stones in den 1960er-Jahren als eine Wurzel 9 Vgl. White, Lynn: The Historical Roots of Our Eco- deutung sind: Gott zu ehren bedeutet, (1) Artikel Should Trees Have Standing? für die Komplizenschaft des Christen- logical Crisis. In: Science 155 (1967), 1203–1207; Moltmann, Jürgen: Gott in der Schöpfung. Ökolo- die Integrität der geschaffenen Welt zu wesentlich angestoßen.5 Er argumentiert tums am Raubbau der Erde mitverant- gische Schöpfungslehre. München 1985; McFague, Sallie: The Body of God. An Ecological Theology. respektieren und (2) die symbiotische Be- juristisch, dass sich der Kreis der Rechte wortlich gemacht. In diese Kritik haben Minneapolis, MN 1993 (u. a.). ziehung zwischen der menschlichen und inhaber im Laufe der Rechtsgeschichte viele Ökotheologinnen und -theologen 10 Vgl. Stone, Should Trees, 470. nicht-menschlichen Schöpfung zu achten. ständig erweitert habe und die Einbezie- 11 A. a. O., 475 („homocentric interests“). 6 A. a. O., 452 („the world of the lawyer is peopled 12 A. a. O., 481. 3 Vgl. Sörlin, Sverker: Antropocen. En essä om män- with in-animate right holders“). 13 A. a. O., 499 („to regard the Earth […] as one orga- 5 Stone, Christopher D.: Should Trees Have Stan- niskans tidsålder. Stockholm 2017. ding? – Towards Legal Rights for Natural Objects. 7 A. a. O., 456. nism, of which Mankind is a functional part“). 4 Northcott, Michael S.: A Political Theology of In: Southern California Law Review 45 (1972), 8 A. a. O., 463 („objects for man to conquer and master 14 Vgl. Lovelock, Jonathan: Gaia. A New Look at Life Climate Change. London 2014, 316. 450–501. and use“). on Earth. Oxford 1979. 14 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 15
Seit über zehn Jahren erhält der von mich im Folgenden auf eine kurze Erör- fung noch immer vornehmlich mithilfe konstruktiv oder destruktiv. In der Abend- Christopher D. Stone angestoßene Dis- terung darüber, wie einige neuere theolo- des Paradigmas von der Statthalterschaft mahlsliturgie der Schwedischen Kirche kurs über die Zuschreibung von Rechten gische Argumente dazu dienen könnten, (engl. stewardship) gedeutet wird, und vie- wird die Teilhabe am Destruktiven in einer an die Umwelt neue Aufmerksamkeit. Die den Gedanken von gesetzlich verankerten les spricht dafür, besonders wenn man diese Formulierung des Sündenbekenntnisses Rechtsgelehrten Guillaume Chapron, Yaffa Rechten der Umwelt auch von der Perspek- Statthalterschaft als fürsorgliches Verhält- deutlich: „Ich habe Teil an der Abwendung Epstein und José Vicente López-Bao etwa tive des christlichen Glaubens her zu un- nis zur Schöpfung deutet, als Ausdruck der Welt von Gott.“23 Im Abendmahl über- stellen dar, wie in verschiedenen juristi- terstützen.17 Seit 2010, als bei einer großen der Gottebenbildlichkeit. Es kann nicht schneiden sich Teilhabe an der gefallenen schen Systemen mit unterschiedlichem Er- Konferenz indigener Völker in Bolivien die um menschliche Willkür gegenüber der Schöpfung und Teilhabe an der Erneuerung folg umzusetzen versucht wird, die Um- Deklaration der Rechte von Mutter Erde Schöpfung gehen, sondern um eine Spie- der Schöpfung.24 Bei der Teilhabe an der welt oder bestimmte Teile der Umwelt als unterzeichnet wurde, hat die Bewegung für gelung göttlichen Schaffens. „Als Eben- Abwendung der Welt darf allerdings die Rechteinhaberinnen zu etablieren – etwa die Rechte der Natur immer weitere Kreise bild Gottes“, schreibt Theodor Runyon, unterschiedliche Gewichtung der Verant- in Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Indien, gezogen. Dass das Anliegen mittlerweile in „ist der Mensch berufen, Gottes Herrschaft wortung angesichts der ungerechten Res- Neuseeland und den Vereinigten Staaten der christlichen Welt Gehör gefunden hat, über die Welt in seinem Verhalten wider- sourcenverteilung nicht außer Acht gelas- von Amerika. Haupthindernisse sind dabei bezeugt die Wuppertaler Erklärung Kairos zuspiegeln und dadurch Gottes Segen an sen werden.25 Aus dieser Einsicht heraus, (1) die Schwierigkeiten, Natur- und Um- für die Schöpfung, die dazu aufruft, an sie weiterzugeben.“19 Der Gedanke der nämlich der Einsicht in die Gegenseitigkeit weltphänomene als spezifische Rechteinha- der Weltversammlung des Ökumenischen Schöpfungsverantwortung als Spiegelung aller Beziehungen innerhalb der Schöp- ber zu definieren und (2) das Problem, wie Rates der Kirchen in Karlsruhe 2021 die göttlichen Schöpfungswirkens findet sich fung, erwächst das hoffnungsvolle Streben Konflikte zwischen Rechten von Naturphä- Schaffung einer rechtlich verbindlichen auch im Klimabrief der Bischöfinnen und danach, ein anthropozentrisches Weltbild nomenen und wirtschaftlichen sowie men- „Universalen Erd-Rechte-Charta“ zu un- Bischöfe der Schwedischen Kirche,20 wenn zugunsten eines schöpfungsorientierten schenrechtlichen Interessen entschieden terstützen, die auf die oben genannte De- dort vom Menschen als erschaffenem Mit- Weltbildes aufzugeben.26 Und damit wird werden können.15 Die Jurist*innen nennen klaration aufbaut.18 schöpfer die Rede ist.21 Damit wird deut- das Verständnis von Gemeinschaft (griech. ausdrücklich die Religion als Quelle für die lich, dass es sich bei dieser Verantwortung koinonia) auf entscheidende Weise erwei- gesetzliche Verankerung von Umweltrech- nicht um eine Oberhoheit des Menschen tert. Sie umfasst neben Menschen „über ten und meinen, dass seit der Aufklärung Reicht Statthalterschaft über die Schöpfung handelt. Vielmehr wur- Zeit und Raum hinweg“ (Das ist entschei- der biblische Gott häufig als Ursprung der für die Schöpfung? zelt diese Verantwortung in der gemein- dend angesichts des Umstandes, dass die besonderen Rechte des Menschen betrach- samen Teilhabe an dem, was geschehen Weltgemeinschaft heute auf Kosten der tet wird, der Diskurs über Umweltrechte Mir scheint, dass im westlichen Christen- ist, was geschieht und was kommt,22 sei es kommenden Generationen lebt!) auch aber eher religiöse Wurzeln in nicht-west- tum das Verhältnis zwischen der mensch- die Gemeinschaft mit der Natur und dem licher und indigener Spiritualität habe.16 lichen und der nichtmenschlichen Schöp- 19 Runyon, Theodor: Die neue Schöpfung. John Wesleys Schöpfer.27 „Die Natur“ ist also zweifellos Juristisch kann ich nicht beurteilen, ob Theologie heute, Göttingen 2005, 219. mehr als etwas, das der Mensch – einem jüdische und christliche Traditionen für 20 Der Brief erschien in seiner zweiten Auflage 2020 in eng- Objekt gleich – zu verwalten hat. 17 Sigurd Bergmann etwa spricht aus theologischer lischer Sprache. 2019 kam diese zweite Auflage in schwe- die Etablierung von gesetzlichen Rechten Perspektive und ausgehend von den Bundesschlüssen discher Sprache heraus. Die schwedische Fassung hat den Titel Ett biskopsbrev om klimatet: www.svenskakyrkan. der Umwelt taugen. Deshalb begrenze ich Gottes mit Menschheit und Schöpfung von einer se/filer/SK20077-Biskopsbrev-klimat-webb%20upps- „Rechtsgemeinschaft alles erschaffenen Lebens“. – Vgl. Bergmann, Sigurd: Naturens rättigheter – i en lag%20(5).pdf (abgerufen am 28.10.2020). Meine Quel- 23 Zitiert in: a. a. O., 53. rättsgemenskap av allt skapat levande, unveröffent- lenangaben beziehen sich auf die schwedische Version. Die englische Version hat den Titel A Bishops´ Letter 24 Vgl. dazu „Das geteilte Brot als Ausdruck gerechter 15 Chapron, Guillaume, Yaffa Epstein, José Vicente Ló- lichtes Manuskript 2020, 1–16. Teilhabe“, in: Nausner, Michael: Eine Theologie der pez-Bao: A rights revolution for nature. Introduction About the Climate: www.svenskakyrkan.se/filer/A%20 18 Kairos für die Schöpfung – Hoffnungsbekenntnis für Bishop%c2%b4s%20Letter%20About%20the%20Cli- Teilhabe, Leipzig 2020, 169–183. of legal rights for nature could protect natural systems die Erde. Wuppertaler Erklärung. In: www.oikoumene. from destruction. In: Science 363/6434 (29.3.2019), mate.pdf (abgerufen am 28.10.2020). 25 Vgl. Ett biskopsbrev om klimatet, 54. org/de/resources/documents/kairos-for-creation- 1392-1393: 1393. confessing-hope-for-the-earth-the-wuppertal-call 21 Vgl. Ett biskopsbrev om klimatet, 64. 26 Vgl. a. a. O., 65. 16 Vgl. a. a. O., 1392. (abgerufen am 27.10.2020). 22 Vgl. a. a. O., 52. 27 Vgl. a. a. O., 85. 16 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 17
Der Schöpfung ihre theologie zu finden ist, um die engen Zu- Stimmen von Frauen in Laudato Sí in auf- Tragen zu bringen, die nach Northcott Stimme zugestehen sammenhänge zwischen den Wunden der fälliger Weise, wie Grace Ji-Sun Kim und die tiefen Verbindungen zwischen Natur Armut und den Wunden der Umweltzer- Hilda P. Koster in dem von ihnen heraus- und Kultur ausdrücken. Öko-theologische Stimmen haben schon störung aufzuzeigen: Wenn Gott die ge- gegebenen Band Planetary Solidarity zu Die erzwungene Spaltung von Kultur lange herausgearbeitet, dass die Statthal- samte Welt durchdringt, also in allem ist Recht kritisieren.35 In dieser Anthologie und Natur, die die Moderne exekutiert terschaft nicht als absolute Überlegen- (was nicht gleichbeutend mit der pantheis- werden die Zusammenhänge zwischen hat, hat auch in der modernen Theolo- heit des Menschen gegenüber der nicht- tischen These ist, dass Gott alles ist), dann Kolonialismus, Patriarchat, Rassismus gie zu scharfen Spaltungen zwischen Na- menschlichen Schöpfung zu verstehen wird Gott durch Unrecht an menschlichen und Klimawandel diskutiert.36 Das Buch tur und Kultur, Körper und Seele,38 Gott ist.28 Jürgen Moltmann etwa schlägt in Geschöpfen ebenso verletzt wie durch Un- entwickelt die Vision einer planetarischen und der Welt geführt. Das Paradigma der seiner Studie Gott in der Schöpfung vor, recht an nicht-menschlichen Geschöpfen. Solidarität, also einer Solidarität, die den Statthalterschaft ist kaum dafür geeignet, den Menschen nicht mehr als „Krone der In einem späteren Buch geht Boff wei- miteinander verbundenen Systemen des diese Spaltungen zu überwinden. Es ris- Schöpfung“ zu verstehen, sondern die ter, indem er „Mutter Erde“ Rechte zu- Lebens eigene Stimmen zugesteht. Eine kiert, in modern-aufklärerischem Sinne Menschheit als Teil einer Schöpfungs- spricht, das Konzept der dignitas terrae, solche Solidarität verlangt letztlich eine einer objektivierenden Sicht der nicht- gemeinschaft zu betrachten.29 Sallie der Würde der Erde, befürwortet und der Biokratie, in der die Interessen aller Le- menschlichen Natur verhaftet zu bleiben. McFague wertet in ihrer eigenen anti- Erde als lebendem Organismus Subjek- bensformen in den politischen Entschei- Northcott bringt es auf den Punkt, wenn anthropozentrischen Weise die nicht- tivität zuspricht. Er plädiert für eine Bio- dungsprozess eingebracht werden.37 er schreibt: „Die Welt der Aufklärung ist menschliche Schöpfung auf, indem sie die Zivilisation, die auf Gegenseitigkeit zwi- Aus theologischer Sicht über Bio- leblos. Sie hat keine Seele; sie ist weder Erde als den Leib Gottes bezeichnet und schen Menschheit und Erde gründet.32 kratie zu sprechen, mag weithergeholt, das inspirierte Geschöpf eines göttlichen so den kosmischen Anspruch der Christo- Boff betont, dass die Erde nicht länger aus ja utopisch erscheinen. Kann man sich Schöpfers noch eine Gaia-Göttin.“39 Wir logie ernst nimmt. Das Christusparadigma dem Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen eine Evolution von der Monarchie über haben eine Wiederentdeckung unserer von Geschöpfwerdung und stellvertre- werden kann, wenn man aus einem Geist die Demokratie zur Biokratie überhaupt intimen Verbundenheit mit der Gesamt- tendem, erlösendem Leiden wird auf die der Achtsamkeit heraus verstanden hat, vorstellen, geschweige denn theologisch heit der Schöpfung bitter notwendig. Ich unterdrückte Natur, die „neuen Armen“, dass alle Formen des Seins miteinander rechtfertigen? Die Übersetzung dieses stimme daher Terra Schwerin Rowe zu, ausgedehnt.30 Leonardo Boff schließt sich wechselseitig verbunden sind und sich abstrakten Begriffs Biokratie als „Herr- die meint, das Christentum müsse in Zei- der Verbindung von befreiungstheologi- gegenseitig durchdringen.33 schaft des biologischen Lebens / der biolo- ten der Klimakrise dringend wiederentde- schen und öko-theologischen Gedanken Auch die päpstliche Enzyklika Lau- gischen Natur“ führt zunächst nicht wei- cken, was sie eine partizipative Ontologie in seinem Buch Schrei der Erde, Schrei dato Sí lehnt den Anthropozentrismus ab ter. Aber mit dem Verständnis der Natur nennt.40 Demgemäß wäre alles Sein im der Armen an, das nach dem Erdgipfel und erachtet die Menschheit als integralen als „Schöpfung“ geht einher, dass wir Grunde teilhabendes Sein. Dass nicht nur in Rio de Janeiro (1992) veröffentlicht Bestandteil der Schöpfung, indem sie mit die inhärente Würde der Natur anerken- die Menschheit als Ganzes, sondern auch wurde. Auf Deutsch erschien es 2002.31 einem Begriff des Franz von Assisi von nen und ihr Interessen zugestehen. Darin einzelne Menschen gar nicht getrennt von Boff schlägt hier eine Brücke zwischen der „Mutter Erde“ spricht.34 Trotz dieser liegt ein vielversprechender theologischer Befreiungstheologie und Ökotheologie. weiblichen Metapher fehlen allerdings die Anknüpfungspunkt, wenn es darum geht, 38 Vgl. Northcott, Political Theology, 44–5. Boff bezieht sich auf das Konzept des jene zentralen Motive aus den christlichen 39 A. a. O., 48: „The world in the Enlightenment is not Panentheismus, das auch in der Prozess- und jüdischen Traditionen erneut zum alive. It has no soul; it is not Spirit-breathed creature 32 Vgl. Boff, Leonardo: Achtsamkeit. Von der Notwen- of a divine Creator, nor even a Gaian goddess.“ digkeit, unsere Haltung zu ändern. München 2013, 69. (Übersetzung des Zitats: Eva Harasta). 28 Vgl. Bergmann, Naturens rättigheter, 13. 35 Ji-Sun, Grace und Hilda P. Koster (Hg.), Planetary So- 33 Vgl. a. a. O., 78. 40 Vgl. Terra Schwerin Rowe, Genus Precarious: Luther 29 Vgl. Moltmann, Gott in der Schöpfung, 110. lidarity. Global Women’s Voices on Christian Doctrine 34 Enzyklika Laudato Sí, in: www.vatican.va/con- and Climate Justice. Minneapolis, MN 2017, 2–3. in the Anthropocene, in: Else Marie Wiberg Pedersen 30 McFague, The Body of God, xii. tent/francesco/de/encyclicals/documents/papa- (Hg.), The Alternative Luther: Lutheran Theology 31 Boff, Leonardo: Schrei der Erde, Schrei der Armen. francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html 36 Vgl. a. a. O., 5. from the Subaltern, Lanham, MA 2019, 330–344 Düsseldorf 2002. (abgerufen am 27.10.2020) 37 Vgl. a. a. O., 7 (meine Hervorhebung). (331–6). 18 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 19
der Welt, in der sie leben, gedacht werden noch besser: Wir müssen hören, dass die gie, nicht zuletzt aber verschiedene Ar- Schöpfung als können, wird durch aktuelle naturwis- Erde bereits spricht, wie der Philosoph ten des Ökofaschismus, die zum Teil ihre Kommunikationsgeschehen senschaftliche Forschung nachdrücklich Bruno Latour in seinem Essay Down to Wurzeln in nationalsozialistischer Blut- gezeigt. Auf der geologischen Ebene ge- Earth überzeugend argumentiert. Latour und-Boden-Ideologie haben.44 Menschen- Die ökofeministische Theologin Cathe- hört dazu die Diskussion über das bereits betrachtet das Irdische (engl. the Terrest- rechte und Rechte der Natur dürfen nicht rine Keller hat mit panentheistischem Pa- erwähnte Anthropozän, auf biologischer rial) als einen neuen politischen Akteur, gegeneinander ausgespielt werden, auch thos einer solchen Kooperation alles Er- Ebene ließen sich neue Erkenntnisse zum „Geo“ als eine Größe, die voll am öffentli- wenn das in konkreten Situationen zu sehr schaffenen seit langem eine theologische menschlichen Mikrobiom nennen. Der chen Leben teilnimmt,43 ganz unabhängig komplizierten juristischen Prozessen führt Stimme gegeben und meint, dass „Schöp- Entwicklungsbiologe Thomas Bosch for- davon, ob darauf Rücksicht genommen und führen muss. Dem Menschen bleibt fung“ kontinuierlich als Einladung und muliert die Symbiose des menschlichen wird oder nicht. eine einzigartige Rolle. Aber vielleicht Zusammenarbeit zwischen Gott und den Organismus auf folgende Weise: Einzelne Eine „Biokratie alles Erschaffenen“ sollte sich in Zukunft diese Einzigartigkeit Geschöpfen stattfindet. Das Erschaffene Organismen (auch der menschliche Orga- mit vollen Mitspracherechten nicht- weniger in Form von technischer Über- ist also nicht einfach tote Materie, die Gott nismus, Anm. d. Verf.) „sind immer mul- menschlicher Akteure ist noch mit vie- legenheit und mehr in Form von prakti- zum Leben erweckt. Vielmehr lockt Gott tiorganismisch. Sie formen eine komplexe len Fragezeichen versehen. Daher ist zierter Zurückhaltung und Hellhörigkeit sich selbst organisierende Systeme heraus Lebensgemeinschaft, die man Metaor- die Frage berechtigt, ob mein Plädoyer zeigen. Ich teile die Vision des Geistes- aus einem Raum fluktuierender Möglich- ganismus nennt.“41 Die Menschheit als für eine Ökogerechtigkeit der gegensei- geschichtlers Sverker Sörlin, für den es keiten, wie Keller es auf ihre charakte- Ganzes und Menschen als „Individuen“ tigen Teilhabe die Rolle des Menschen keinen Weg zurück aus dem Anthropozän ristisch theo-poetische Weise ausdrückt.46 (wenn sie überhaupt strenggenommen als zu sehr zurücknimmt. Aber muss es hier gibt. Aber es gibt immer noch die Mög- Solches Locken geschieht nicht nur „am solche gedacht werden können!) leben in um Ausschließlichkeit gehen, d. h. darum lichkeit, das Zeitalter des Menschen sozu- Anfang“, sondern gehört als Ausdruck ei- enger gegenseitiger Teilhabe am Netz des Mensch und Natur gegeneinander aus- sagen umzulenken. Bisher, meint Sörlin, nes fortwährenden Schöpfungsprozesses Lebens, zu dem sie gehören. Das gilt aber zuspielen? Ich denke es geht vielmehr habe der Begriff Anthropozän die Fähig- (lat. creatio continua) wesenhaft zu Gott. auch für die Beziehung der Menschheit darum, die ausschließliche Dominanz keit des Menschen signalisiert, zu zerstö- Zu diesem Schöpfungsprozess zähle ich zu ihrem Schöpfer.42 des Menschen zu überwinden und die ren. Aber Anthropozän „könnte auch das auch die vielen biblischen Beispiele dafür, Wird unsere gegenseitige Teilhabe als zerstörerische Macht der Menschheit als Umgekehrte bedeuten: dass wir darauf dass nicht nur die Menschheit auf Gottes menschliche Spezies nicht auf Makro- wie ganzer anzuerkennen. Die Rolle des Men- verzichten, das zu tun, wozu wir fähig schöpferisches Wirken klagend und lob- auf Mikroebene durch die beiden gro- schen in der christlichen Theologie muss sind.“45 Der Mensch in seiner Gotteben- preisend reagiert, sondern auch die nicht- ßen Krisen veranschaulicht, die unsere eine einzigartige bleiben (vgl. Psalm 8), bildlichkeit könnte sein lassen und Acht- menschliche Schöpfung klagend (vgl. Ge- Weltgemeinschaft derzeit durchmacht: aber sie muss keine dominierende sein. samkeit üben, nicht zuletzt Achtsamkeit nesis 4,9; Römer 8,22) und lobend (vgl. die COVID-19-Pandemie und die Erder- Genauso wenig wie eine Ökogerechtig- für diejenigen schöpferischen Prozesse, Psalm 103, 104, 148 etc.) mit Gott inter- wärmung? Es führt daher kein Weg da- keit gegenseitiger Teilhabe auf Kosten die kontinuierlich ohne menschliche Ein- agiert. In Übereinstimmung mit Latours ran vorbei, die Erde sprechen zu lassen, der nicht-menschlichen Schöpfung gehen flussnahme vor sich gehen. These, dass die Erde eine politische Akteu- um etwas zu erreichen, das man als Kli- darf, sollte sie auf Kosten des Menschen rin sei, argumentiert Keller deshalb, dass magerechtigkeit bezeichnen könnte. Oder bzw. gewisser Menschengruppen gehen. wir mit der Erde nicht als Objekt, sondern 44 Vgl. Elizabeth Pyne diskutiert verschiedene Varian- Zu einer solchen Ausschließlichkeit ten- ten Menschen verachtenden ökologischen Denkens, als Teilnehmerin am politischen Prozess zu 41 Zitiert in: Björn Lohmann, Philipp Graf, Mikrobio- dieren gewisse Formen der Tiefenökolo- für die wohl das ökofaschistische Manifest des Täters tun haben und die Erde daher als involviert me als Ressource, in: https://biooekonomie.de/mik- vom 15. März 2019 in zwei Moscheen in Christchur- robiome-als-ressource (abgerufen am 28.10.2020). ch ein extremes Beispiel ist. – Vgl. Pyne, Elizabeth: in unsere politische Theologie bezeichnet 42 Für eine umfassende theologische Behandlung 43 Latour, Bruno: Down to Earth. Politics in the New Dangerous Forecasts for a Climate of Justice?, unver- von Teilhabe als einer soteriologischen, aber auch Climate Regime. Cambridge & Medford, MA 2018, öffentlichtes Paper beim Workshop Doing Climate sozialen Wirklichkeit siehe: Nausner, Michael: Eine 40 f („‘geo’ designates an agent that participates fully Justice an der Universität Löwen, 22.–24.10.2020. 46 Vgl. Keller, Catherine: Face of the Deep. A Theology Theologie der Teilhabe, Leipzig 2020. in public life“). 45 Sörlin, Antropocen, 210. of Becoming. London / New York, NY 2003, 195. 20 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 21
werden kann.47 Im Gegensatz zu North- Und müsste ein solches Verständnis von SCHÖPFUNGSVERANTWORTUNG cotts Ansatz bei Gott als dem Herrscher Schöpfung als Kommunikationsprozess über Himmel und Erde (s. o.) stellt sich nicht die Einbeziehung nicht-mensch Klimaschutz in den Keller die Schöpfung – basierend auf ei- licher Akteure in den Bereich des poli ner spezifischen Lesart von Genesis 1 – als tischen Gemeinwesens unterstützen? Evangelischen Kirchen ein „ewiges Gespräch“ vor.48 Die Schöp- David Attenborough hat diese Kommu- fung kann also panentheistisch als ein nikation, diese gegenseitige Teilhabe, in Österreich fortwährendes Kommunikationsgesche- in seinem Film A Life on the Planet auf hen gesehen werden, als ein Prozess einer eindrückliche Weise visualisiert, und gegenseitigen Durchdringung. Wenn – mit ich hoffe, mit diesem Artikel gezeigt zu anderen Worten – Gott selbst geschöpfli- haben, dass die christliche Theologie auf Ein Werkstattbericht che Freiheit und Kreativität zulässt (vgl. analoge Weise unsere Vorstellung von Genesis 1,11-25), können wir es dann ver- einer versöhnten gegenseitigen Durch- meiden, der nicht-menschlichen Schöp- dringung alles Erschaffenen anregen Von Andrea Sölkner fung Würde und Rechte z uzugestehen? kann. ■ IM Jahr 1983 hat der Weltkirchenrat bei seiner Vollversammlung in Vancouver den Konziliaren Prozess für serklärung1 weist die Versammlung auf die Bedrohungen der Umwelt, wie etwa den Energieverbrauch der reichen Länder Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung des Nordens, den Treibhauseffekt oder der Schöpfung auf den Weg gebracht. Da- grenzüberschreitende Luft- und Wasser- mit wurde ein wichtiger Impuls für die verschmutzung hin und fordern eine „öko- künftigen Bemühungen um einen ver- logische Weltordnung“2. Der Einsatz für antwortungsbewussten Umgang mit der gerechte Lebensbedingungen und einen Umwelt und Klimaschutz gesetzt. Auf schonenden Umgang mit der Natur auf europäischer Ebene folgte 1989 in Ba- Zukunft hin ist weiterhin von besonderer sel die Erste Europäische Ökumenische Bedeutung; ebenso unsere Verpflichtung, Versammlung unter dem Thema „Frie- die Erde auch für nachfolgende Generati- den in Gerechtigkeit“. Im Vordergrund onen als lebenswert zu bewahren. Wir sind stand die Verpflichtung der Kirchen für nach wie vor alle gefordert, den eigenen die Bereiche Gerechtigkeit, Frieden und Lebensstil umwelt- und klimaschonend Bewahrung der Schöpfung mitsamt ihrer auszurichten.3 47 Keller, Catherine: Toward a Political Theology of the politischen Verantwortung. Die Erkennt- Earth. In: Catherine Keller, Intercarnations. Exer- cises in Theological Possibility. New York, NY 2017, nisse, Empfehlungen und Verpflichtun- 1 Schlussdokument der Ersten Europäischen Ökumeni- 174–192: 177. gen von damals haben heute nichts an schen Versammlung, Basel, 1989. 48 Vgl. Keller, Keller: Political Theology of the Earth. Our Planetary Emergency and the Struggle for a Aktualität verloren. In ihrer Abschlus- 2 Schlussdokument (1989), Abs. 13. New Public. New York, NY 2018, 43. 3 Vgl. dazu Schlussdokument (1989), Abs. 71, 74, 76, 87. 22 Amt und Gemeinde Amt und Gemeinde 23
Sie können auch lesen