Auto motion Das Fahrzeug als Code - Digital Engineering von IAV
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Smart und digital – DiSA, der digitale Serviceassistent von IAV, bildet die Basis des zukünftigen Smart Service: kundenorientierte Serviceprozesse, optimierte Werkstatteffizienz und die Einführung neuer Technologien in der Werkstatt. Mit dem Remote Service Center wird DiSA um eine wichtige Komponente erweitert. Das vollwertige Dashboard unterstützt Servicetechniker bei der Fern- wartung. Damit ist es möglich, den Status eines Fahrzeugs aus der Ferne umfassend zu erschließen. Zudem können dem Fahrer Hinweise gegeben werden, ob eine Weiterfahrt im Servicefall möglich ist, oder er kann zur „Hilfe zur Selbsthilfe“ angeleitet werden.
automotion | Editorial 3 Liebe Leserin, lieber Leser die Automobilbranche muss sich mit Megatrends wie der neuen An- Side Window Entertainment sowie kamerabasierte Systeme für triebsvielfalt und neuen Mobilitätskonzepten auseinandersetzen. Wer mehr Sicherheit und Komfort im Innenraum. Details dazu finden Sie in diesem dynamischen Umfeld bestehen und neue Ideen jenseits des ab Seite 24. klassischen Geschäfts entwickeln will, braucht Digital Engineering (In- terview auf Seite 8). Die vielen Facetten dieses spannenden Themas Zukunftsweisend ist auch die Big-Data-Wertschöpfungskette von beleuchten wir in dieser Ausgabe der automotion. Unser Projekt „Tri- IAV, die Fachkräften und Management intelligente Entscheidungsvor- nity“ hat beispielsweise das Ziel, mit Virtual Development entlang der lagen für operative und strategische Vorhaben bereitstellt. Besonders drei Achsen Physik, Geometrie und Daten schneller und kostengün- im Bereich Test- und Qualitätsmanagement kann sie große Optimie- stiger zu neuen Aggregaten zu kommen (Seite 12). Und mit dem Arbeiten rungspotenziale ausschöpfen (Seite 44). Hohes Informationspotenzi- in der xReality wollen wir unseren Entwicklern völlig neue Möglichkei- al bietet unser Antriebsstrangsymposium zum Thema „Antriebe der Zu- ten zur Kollaboration und für Schulungen eröffnen (Seite 10). Neues Den- kunft“, das am 3. und 4. Dezember in Berlin stattfindet. Wenn Sie einen ken ist auch im Software-Engineering gefragt – etwa „Continuous De- eigenen Beitrag präsentieren wollen, senden Sie uns bitte bis zum 15. ployment“, das dramatisch verkürzte Entwicklungszeiten verspricht. Dar- März ein Abstract (Seite 51). über diskutiert Markus Blonn, Leiter unseres „Netzwerks Software“, mit Prof. Dirk Riehle von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürn- Mit vielen neuen Ideen geht IAV stark ins neue Jahr und ist bestens auf- berg (Seite 20). gestellt für die Herausforderungen unserer Branche – auch personell: Seit dem 1. Januar 2019 verstärkt Dr. Ulrich Eichhorn als Vorsitzender Auch dieses Jahr war IAV wieder auf der CES in Las Vegas vertreten. der Geschäftsführung unser Unternehmen (Seite 50). Unter dem Motto „Journey towards digital mobility“ haben wir Fach- besuchern und Medienvertretern unsere neuesten Entwicklungen prä- Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre! sentiert, darunter das revolutionäre Sitzkonzept IAV Coquille, unser Dr. Ulrich Eichhorn Matthias Kratzsch Katja Ziegler Kai-Stefan Linnenkohl Vorsitzender der Geschäftsführung Geschäftsführer Technik Kaufmännische Geschäftsführerin Geschäftsführer/Arbeitsdirektor IAV GmbH IAV GmbH IAV GmbH IAV GmbH
4 Inhalt | automotion 6 Das Fahrzeug als Code Digital Engineering von IAV Die Automobilbranche verändert sich rasant und mit ihr die Entwicklungsprozesse. IAV setzt in Zukunft auf Digital Engineering und zeigt in dieser Ausgabe die vielen Facetten dieses Themas. Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 20 Fokusthema Das Fahrzeug als Code – Digital Engineering von IAV . . . . . . . . . . . . . . . 6 „Wer sich nicht umstellt, ist raus“ . . . . . . . . . .8 Arbeiten in der xReality . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 Digitale Entwicklung in drei Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 Autonomes Fahren: eine neue Heraus- forderung für vernetztes Arbeiten . . . . . . . .14 Virtual und Augmented Reality in der HMI-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 „Mit Inner Sourcing Silos aufbrechen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 Digitalisierung um jeden Preis? . . . . . . . . . . .22 Impulse Vermittler zwischen den Welten . . . . . . . . . .24 Reisen in der Muschelschale . . . . . . . . . . . . .28 Langeweile auf der Rückbank war gestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 Fahrzeuginsassen im Blick . . . . . . . . . . . . . . .32 Das zweite Gesicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34 Hard- und Software für Funk-Updates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 Erfolgsfaktor Inner Sourcing Intelligenz statt Kupfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 Neue Prozesse und eine offene Kommunikation: Die Software-Entwicklung lernt von der Open-Source-Welt.
automotion | Inhalt 5 10 Arbeiten in der xReality Weltweite Kollaborationen, neue Schu- lungsformen und der „Future Workplace“: IAV setzt auf Virtual und Augmented Reality. 30 Langeweile auf der Rückbank war Direkter Draht zu den gestern Berechnungsexperten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40 IAV Cross: leistungsstarkes System Spannende Aussichten für die Mobilität der zur hydraulischen Vermessung von Zukunft mit der IAV-Lösung „Side Window Einspritzventilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40 Entertainment“. Trends Pitch your Issues! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42 Leistungsfähige Analysen für smarte Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . .44 Qualitätskontrolle von der Entwicklung bis zum Nutzer . . . . . . . . . . . . . .46 Das zweite Gesicht Spurwechsel Eine neue IAV-Lösung anonymisiert gefilmte Individuelle Mobilität, gesellschaftliche Personen und erhält zugleich relevante Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48 Informationen. Über IAV IAV-Geschäftsführung stellt sich neu auf 50 Antriebe der Zukunft??? . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 IAV Talent Innovation Day??? . . . . . . . . . . . . 52 Unser Engineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Leistungsfähige Analysen für smarte Unsere Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Entscheidungen 44 Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Das Messdatenmanagementsystem von IAV Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 verarbeitet größte Datenmengen in Echtzeit und liefert intelligente Entscheidungsvorla- gen für operative und strategische Vorhaben.
6 Fokusthema | automotion Fokusthema: Das Fahrzeug als Code Digital Engineering von IAV Die Digitalisierung revolutioniert die Arbeitswelt – und damit auch die Entwicklungsprozesse in der Automobilindustrie. Neue Arbeits- und Entwicklungsmethoden wie agiles und kollaboratives Arbeiten, Design Thinking, Augmented und Virtual Reality sowie Simulationen ermöglichen eine kostengünstigere und schnellere Entwicklung. Die einzelnen Gewerke rücken näher zusammen, Grenzen werden aufgebrochen. Die Bereitschaft zum „Teilen“ von Kenntnissen, Wissen und Informationen wird ein wichtiger Aspekt des Entwicklungserfolgs. Erfahren Sie auf den nächsten Seiten, wie Digital Engineering von IAV aussieht und wie unsere Kunden davon profitieren.
8 Fokusthema | automotion „Wer sich nicht umstellt, ist raus“ Design Thinking, kollaboratives Arbeiten, neue Qualifikationen: Die Zukunft gehört dem Digital Engineering D ie Automobilbranche verändert sich rasant – und mit ihr die Entwick- lungsprozesse. IAV setzt in Zukunft darum konsequent auf „Digital Engineering“. Was sich dahinter verbirgt und wie weit die Umstellung bei IAV bereits erfolgt ist, be- schreibt Bereichsleiter Stefan Schmidt, der das Digital Lab von IAV aufbaute, im auto- motion-Interview. Warum wird gerade so viel über „Digital Engineering“ gesprochen? Stefan Schmidt: Weil die Automobilbranche mit zwei Megatrends konfrontiert ist, die auch großen Einfluss auf ihre Arbeitsweise haben werden: Wir haben es mit einer Vielzahl von An- trieben zu tun, was die Arbeit der Entwickler sehr komplex macht. Außerdem ist der priva- te Besitz von Fahrzeugen vor allem für junge Menschen nicht mehr so wichtig – darum wer- den Alternativen wie Carsharing oder andere neue Mobilitätskonzepte an Bedeutung ge- winnen. Alle in der Branche müssen sich da- mit auseinandersetzen und neue Ideen jen- seits des klassischen Geschäfts entwickeln. Und dafür brauchen wir Digital Engineering. Was ist beim Digital Engineering anders als bei der klassischen Vorgehensweise? Schmidt: Das beginnt schon ganz am Anfang der Entwicklung. In einer Design-Thinking- Phase geht es um die Frage: Was genau brau- chen die Endkunden? Mit welchem Produkt ist ihnen am besten gedient? Dafür müssen wir verschiedene Disziplinen an einem Ort zu- sammenbringen und diese gemeinsam an ei- ner Lösung arbeiten lassen. Denn in der neuen Mobilitätswelt muss das Endprodukt nicht mehr unbedingt ein privat genutzter Pkw sein – oft geht es darum, von A nach B zu kommen, wobei das Transportmittel auch ein Shuttle, ein Roller oder eben ein geteiltes Fahrzeug sein kann. Hier spielen auch die ver- änderten Ansprüche der Menschen in den Bereichsleiter Stefan Schmidt baute das Digital Lab von IAV auf Städten eine Rolle: Sie wollen mehr Platz für
automotion | Fokusthema 9 Fahrradfahrer und Fußgänger, während private Einzug halten. Bei den Professoren rennen wir Schmidt: Im Prinzip wird das so sein. Wie Pkw eher zurückgedrängt werden. Solche damit offene Türen ein, denn sie haben selbst stark man im Einzelfall so arbeitet, hängt auch Aspekte müssen wir bedenken, bevor wir ein Interesse daran, ihre Studenten optimal auf davon ab, wie viel Einblick in das Gesamtsys- eine konkrete Lösung in Angriff nehmen. In un- die neue Arbeitswelt vorzubereiten. tem beispielsweise ein OEM einem Zulieferer serem Digital Lab haben wir mit dieser He- geben will. Wir haben uns auf jeden Fall dafür rangehensweise sehr gute Erfahrungen ge- Das bedeutet, dass IAV in Zukunft ein großes vorbereitet: Unser Tochterunternehmen CPU macht. Digital Lab wird? 24/7 betreibt hochsichere Rechenzentren, über die wir uns etwa für die Karosserieent- Was ändert sich in den weiteren Entwick- Schmidt: Auf jeden Fall hat IAV verstanden, wicklung oder Themen des autonomen Fah- lungsphasen? dass die Ideen aus dem Digital Lab gute Vor- rens mit unseren Kunden vernetzen können. lagen für das gesamte Unternehmen liefern. Wir sind aber auch in der Lage, uns an Platt- Schmidt: Auch in ihnen gilt, dass wir über Gren- Derzeit prüfen die einzelnen Bereiche, was sie formen unserer Kunden anzuschließen. zen hinweg zusammenarbeiten müssen – in schnell übernehmen können. Dazu haben wir diesem Fall über die Grenzen der Domänen hin- im Rahmen unserer Strategie IAV 2025+ einen Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch! weg. Gefragt ist agiles, kollaboratives Arbeiten. Fahrplan aufgestellt, der in den kommenden Heute entwickeln wir meist noch parallel und Jahren umgesetzt wird. Und damit stehen wir Kontakt: gleichen die Ergebnisse punktuell an be- nicht alleine: Alle in der Branche – OEMs, Zu- stefan.schmidt@iav.de stimmten Meilensteinen ab. In Zukunft werden lieferer und Dienstleister – beschäftigen sich die Entwickler über eine Plattform kooperieren, damit. Denn eines ist klar: Wer sich nicht um- Stefan Schmidt, bisher Leiter des Digital Lab sodass man sofort sehen kann, was eine Än- stellt, ist raus. von IAV, leitet seit Anfang 2019 das Pro- derung an einer Stelle – etwa am Fahrwerk – jektmanagement Office von IAV. Die Leitung für die anderen Gewerke bedeutet, zum Bei- Kollaboration macht nicht an Unterneh- des Digital Lab hat mit diesem Zeitpunkt spiel für den Antrieb. Dafür brauchen wir neue mensgrenzen halt. Wird das kollaborative Matthias Schultalbers, Bereichsleiter Power- IT-Plattformen, an die sich die Entwickler mit Arbeiten auf Plattformen bald in der gan- train Mechatronics, übernommen. ihren domänenspezifischen Werkzeugen an- zen Branche praktiziert? docken können. So können wir Themen wie In- ternet of Things, Software und Geschäfts- modelle frühzeitig in den Entwicklungsprozess miteinbeziehen. IAV ist Partner des Forschungsverbunds Cyber Valley Wie weit ist IAV auf diesem Weg schon gekommen? Seit Anfang 2017 ist IAV Partner des For- Dr. Sebastian Trimpe, und IAV wurde ein schungsverbunds Cyber Valley, einer der neues Doktorandenprojekt aufgesetzt, Schmidt: Wir bauen bereits solche Plattformen, größten Forschungskooperationen für das sie Nachwuchswissenschaftler um einzelne Domänen miteinander zu vernet- Europas aus Wissenschaft und Wirt- Alexander von Rohr gewinnen konnten. zen. Dabei gehen wir agil vor – schließen also die schaft auf dem Gebiet der Künstlichen In- Von Rohr und Trimpe forschen gemein- einzelnen Domänen nacheinander an und ler- telligenz. Ihr Ziel ist es, den Austausch zwi- sam mit weiteren IAV-Experten an selbst- nen viel in diesem Prozess. Einen Großteil der schen anwendungsorientierter Indus- lernenden Verfahren in der Automobil- benötigten Software-Adapter entwickeln wir trieforschung und neugiergetriebener technik und damit an der Schnittstelle zwi- selbst. Das ist einer der Gründe, warum Soft- Grundlagenforschung zu fördern. schen Maschinellem Lernen und Rege- ware-Experten derzeit so gesucht sind und sich lungstechnik. auch unsere Entwickler stärker mit IT-Themen IAV beteiligt sich wie die anderen Indus- auseinandersetzen müssen. Wir stehen also triepartner auch mit 1,26 Mio Euro am Cy- Trimpe hat bereits zuvor mit IAV zusam- nicht nur vor einer technischen Herausforde- ber Valley. Das Geld fließt in einen For- mengearbeitet. Er freut sich auf die wei- rung, sondern müssen auch unsere Mitarbeiter schungsfonds, der wiederum den ver- tere Zusammenarbeit unter dem Dach des in das Zeitalter des Digital Engineerings mit- schiedenen Forschungsgruppen am Max- Cyber Valleys. „In unseren Projekten mit nehmen. Das erreichen wir unter anderem Planck-Institut für Intelligente Systeme IAV können wir eine Brücke schlagen zwi- durch ein breites Angebot an Schulungen und und an den Universitäten Stuttgart und Tü- schen Wissenschaft und Anwendung“, die Arbeit auf dedizierten Projektflächen, die für bingen zugutekommt. Jede Gruppe, jeder sagt Trimpe. „Die Zusammenarbeit mit IAV die agilen Methoden vorbereitet sind. Forscher entscheidet dabei frei, welche funktioniert hervorragend, weil beide Sei- Projekte sie oder er umsetzen möchte, ob ten sowohl grundlegende Forschungs- Was müssen die Mitarbeiter in Zukunft mit oder ohne Industriepartner. fragen zu lernenden Systemen lösen, als können? auch die Erkenntnisse auf echte Maschi- Im Rahmen des Forschungsverbunds ha- nen umsetzen wollen.“ Schmidt: Sie müssen zum Beispiel mit Kolle- ben IAV sowie Wissenschaftler der Cyber gen aus anderen Bereichen zusammenarbei- Valley Forschungsgruppe „Intelligent Con- Kontakt: nick.weinhold@iav.de ten und deren Bedürfnisse berücksichtigen. trol Systems“ am Max-Planck-Institut für Außerdem bringen wir uns in die Ausbildung Intelligente Systeme (MPI-IS) ein neues des Ingenieurnachwuchses ein: Wir diskutie- Forschungsprojekt gestartet. Initiiert ren mit vielen Universitäten, damit die neuen durch den Leiter der Forschungsgruppe, Formen der Zusammenarbeit auch dort schnell
10 Fokusthema | automotion Arbeiten in der xReality Weltweite Kollaboration, neue Schulungsformen und der „Future Workplace“: IAV setzt auf Virtual und Augmented Reality T elefon- und Videokonferenzen wa- Während die Teilnehmer bei einer Telefon- Wolf, Senior Vice President Business Deve- ren gestern, denn die Zukunft gehört oder Videokonferenz ihre Gesprächspartner als lopment & Virtual Engineering sowie Product xReality. Hinter dem Begriff verbergen weit entfernt erleben, treffen sie sich bei einem Owner des xR-Teams bei IAV. „So lassen sich die sich die beiden Technologien Virtual Reality xReality-Meeting in einem gemeinsamen vir- jeweils aktuellsten Fahrzeugmodelle live und (VR) und Augmented Reality (AR), und sie ha- tuellen Raum. Ausgestattet mit VR-Brillen, kön- standortübergreifend gemeinsam bearbeiten ben das Potenzial, die weltweite Kollaborati- nen sie gemeinsam an 3-D-Modellen arbeiten, – natürlich immer über eine sichere End-to-End- on und Schulungen zu revolutionieren. Selbst alle Beteiligten als Avatare wahrnehmen und mit- Verbindung.“ Pilotprojekte mit bis zu vier IAV- der eigene Arbeitsplatz soll dank xReality einander sprechen. „Dadurch sieht jeder Teil- Standorten haben bewiesen, dass die neue bald nicht mehr wiederzuerkennen sein. IAV nehmer, wo sich die anderen befinden, welches Technologie in der Praxis problemlos funktio- nutzt die neue Technologie für den gesamten Detail sie gerade betrachten und welche Än- niert. In diesem Jahr wird am IAV-Entwick- Entwicklungsprozess. derungen sie wünschen“, erklärt Christopher lungszentrum in Gifhorn das „xReality Lab“ er-
automotion | Fokusthema 11 öffnet, um auf einer großen Fläche mit den an- Brücke zwischen CAD-Tools und eine Reparatur führen zu lassen – in diesem Fall deren Standorten virtuell zusammenzuarbeiten. Visualisierungs-Software mithilfe von AR: Auf die Displays von Tablets und Smartphones oder in das Blickfeld von In der virtuellen Welt können Entwickler schon Voraussetzung für die neue Art der Kollabo- Smartglasses werden virtuelle Zusatzinfor- frühe Konzepte neuer Fahrzeuge sehr reali- ration sind speziell ausgestattete xR-Räume, mationen zu einzelnen Komponenten in die tätsnah erleben. „Man kann zum Beispiel um das in denen Tracker und andere Sensoren die Be- reale Welt eingeblendet. Schulung und Aus- Modell herumgehen, die Tür öffnen, sich hi- wegungen der Teilnehmer aufzeichnen und in bildung, Service und Wartung sowie die Män- neinbegeben und aus dem Fenster schauen“, den virtuellen Raum übertragen. Außerdem gel- und Schadensdokumentation profitieren sagt Anna Lena Wolf, Scrum Master im xR-Team muss man eine Brücke zwischen den Daten in davon. von IAV. „Die Teilnehmer können Abstände den CAD-Tools der Entwickler und den Vi- messen, verschiedene Farben ausprobieren sualisierungs-Werkzeugen aus der Spiele- Eintauchen in den „Future oder Lichtszenarien testen.“ Dabei geht nichts welt schlagen, die die digitalen Treffpunkte er- Workplace“ verloren, was während des xR-Meetings be- zeugen. „Hier haben wir viel Know-how auf- sprochen wird: Film- und Fotoaufnahmen so- gebaut und können heute selbst abstrakte Auch für den Arbeitsplatz der Zukunft haben wie Kommentare dokumentieren alle Ände- Größen gut visualisieren“, berichtet Lars Gro- die xR-Spezialisten bei IAV eine Vision. Der „Fu- rungen. tehenne, Scrum Master im xR-Team von IAV. ture Workplace“ soll es dank WLAN und VR- „So lässt sich beispielsweise der Energie- Brille ermöglichen, überall und zu jeder Zeit in fluss im Fahrzeug durch Farben darstellen, die die virtuelle Arbeitswelt einzutauchen. Vor sich je nach der aktuellen Bedatung in Echt- seinem Auge und auf einem attraktiven Hin- zeit ändern.“ Eine große Herausforderung gibt tergrund kann der Mitarbeiter dann alle be- es aber noch: Während Änderungen an den kannten Werkzeuge sehen, die heute seinen CAD-Daten automatisch an die Visualisie- Desktop zieren – zum Beispiel Office-Pro- rungs-Software übertragen werden, ist das gramme, Notizen, To-do-Listen oder Skype. umgekehrt derzeit nicht der Fall. Erst in zwei Schon 2019 sollen Skype-Konferenzen mög- oder drei Jahren dürfte es möglich sein, An- lich sein, weiterhin folgen Gestensteuerung passungen am xR-Modell direkt zurück in die und textuelle Eingabemöglichkeiten. In fünf bis CAD-Tools einzuspeisen. acht Jahren könnte es dann so weit sein: Die komplette Microsoft-Welt steht im „Future Schulungen sind ein weiteres Einsatzgebiet für Workplace“ zur Verfügung. „In Zukunft tauche xR. Schon lange ist bekannt, dass aktives Ler- ich von einem schönen Ort aus in die Unter- nen wesentlich effektiver ist als das passive nehmenswelt ein, kann mit meinen Kollegen Aufnehmen der Inhalte. Dank xR-Technologie in Kontakt bleiben und wichtige Informationen eröffnen sich hier völlig neue Möglichkeiten – abrufen – egal, ob ich mich in meinem Garten denn in einem virtuellen Raum lassen sich be- oder am Strand befinde“, beschreibt Wolf liebige Umgebungen und Szenarien darstel- das Arbeiten der Zukunft. „Und wenn ich fer- len, zugleich können alle Teilnehmer aber tig bin, tauche ich dort wieder auf und lasse die nach wie vor die Mimik und das Verhalten der erledigte Arbeit hinter mir.“ anderen beobachten. Im Rahmen einer Com- pliance-Schulung könnte ein Mitarbeiter bei- Einsatzgebiete für xR gibt es also mehr als ge- spielsweise per VR in ein fernes Land versetzt nug. IAV wird die neue Technologie künftig werden, um zu lernen, wie man mit Geschen- während des gesamten Produktentste- ken eines Geschäftspartners umgeht. hungsprozesses verwenden, von der Dar- stellung und Abnahme von verschiedenen Messeauftritte lassen sich ganz ohne reale Konzepten über Einbau- und Ausbau-Unter- Prototypen bestreiten – dank Virtual und Aug- suchungen und Simulationen bis hin zur Mon- mented Reality können die Besucher künftige tagelinie sowie Service und Wartung. Die Kol- Produkte in allen Einzelheiten betrachten und laboration im virtuellen Raum kann beginnen. sogar ins Innere hineinschauen. Kontakt: xr@iav.de Techniker in der Werkstatt bekommen durch christopher.wolf@iav.de xR die Möglichkeit, sich frühzeitig mit neuen anna.lena.wolf@iav.de Motoren vertraut zu machen oder sich durch lars.grotehenne@iav.de
12 Fokusthema | automotion Digitale Entwicklung in drei Dimensionen IAV setzt im Projekt „Trinity“ auf Virtual Development mit den Dimensionen Physik, Geometrie und Daten S chneller und kostengünstiger zu neu- der Konzeptbaustufe betreiben“, erklärt Dr. arbeiten ständig daran, unsere Berechnungs- en Aggregaten – das verspricht das Michael Berg, Querschnittsverantwortlicher und Simulationsmethoden zu verbessern und IAV-Projekt „Trinity“. Durch den ver- für die Digitalisierung im Bereich Powertrain zu validieren, um Ergebnisse mit einem hohen stärkten Einsatz von Simulationen, die bes- Systems Development bei IAV. „Dadurch wird Confidence-Level zu erhalten.“ Auf der Grund- sere Verzahnung von CAD und CAE sowie die sie künftig einen deutlich höheren Reifegrad lage dieser Confidence-Level definieren die intelligente Analyse großer Datenmengen aufweisen, sodass wir die grundsätzliche IAV-Entwickler, welche Versuchs- und Erpro- lässt sich die Entwicklungszeit von Aggre- Funktionalität und erste Tendenzen in puncto bungsumfänge noch nötig sind. Mit anderen gaten des Powertrains um bis zu 15 Prozent Dauerhaltbarkeit bereits sehr gut einschätzen Worten: Sie hinterfragen alle bisherigen Ver- verkürzen. Die Kosten können damit um bis können.“ Viel detailliertere Informationen über suchsprozeduren und -programme und mo- zu 20 Prozent gesenkt werden. Der neue An- Funktionalität und Dauerhaltbarkeit sollen da- difizieren sie bei Bedarf. satz eignet sich für die Verbrennungsmoto- nach aber Simulationen liefern. Vorausset- ren-, Hybrid-, E-Maschinen- und Getriebe- zung dafür: Die Entwickler müssen die physi- Das verringert nicht nur die Zahl der Versuche, entwicklung. kalischen Wirkmechanismen kennen, in ma- sondern auch ihre Art: In Zukunft dienen die- thematischen Modellen abbilden, diese Mo- se immer mehr dazu, Wirkmechanismen bes- Die Aggregateentwicklung läuft heute in vier delle validieren und auf dieser Basis verlässli- ser zu verstehen und Modelle zu validieren. Zu- Etappen ab: Die Konzeptbaustufe ist die erste che Prognosen erstellen. Ziel ist es, einen dem lassen sich mit ihnen Versuchsmethoden Umsetzung der Idee und muss auf dem Prüf- großen Teil der Freigaben für die Serienent- weiterentwickeln (zum Beispiel Online-Mes- stand zeigen, wie nahe man den Zielen aus dem wicklung in Zukunft über Simulationen einzu- sungen der Ölemission) oder neu etablieren Lastenheft bereits gekommen ist. Für die ers- holen. (zum Beispiel die Verschleißmessung auf Ba- te Baustufe wird das neue Aggregat aus Pro- sis der Radionuklid-Technologie). Natürlich totypenwerkzeugen gebaut und getestet. Es Dank höherer Rechenleistung und besserer werden sie auch weiterhin genutzt, um Infor- folgt die zweite Baustufe, bei der das Aggregat mathematischer Modelle ist das inzwischen mationen zu liefern, die man mit Simulationen bereits mit Serienwerkzeugen hergestellt wird. auch möglich. „Wir können heute beispiels- noch nicht erhalten kann. „Das ist ein perma- Die Serienbaustufe kurz vor SOP dient schließ- weise den Ölkreislauf mit allen Komponenten nenter Prozess, weil mit jeder Entwicklung lich der Absicherung der Entwicklung. Da der- detailliert modellieren“, berichtet Berg. „Und wir neue Erkenntnisse hinzukommen“, sagt Berg. zeit viele reale Prototypen zum Einsatz kommen, machen Versuche bis zu 75 Prozent des mo- netären Aufwands aus, während Simulationen ca. 10 bis 15 Prozent in Anspruch nehmen. Dieser Prozess lässt sich deutlich beschleuni- gen. IAV will die Entwicklungszeit um 15 Prozent verringern und die Kosten um bis zu 20 Prozent senken. Möglich machen diesen großen Sprung vor allem aussagefähige Simulationsergeb- nisse, mit denen künftig in großem Umfang Frei- gaben erfolgen sollen. Da IAV bei diesem Virtual Development entlang der drei Dimensionen Physik, Geometrie und Daten vorgeht, trägt das Projekt den Namen „Trinity“. Dimension Physik: mathematische Modelle der Wirkmechanismen Die offensichtlichste Veränderung im „Trinity“- Prozess ist der Wegfall der ersten Baustufe. „Dafür muss man allerdings mehr Aufwand in
automotion | Fokusthema 13 Dimension Geometrie: Interaktion Realdaten von CAD und CAE Bei der Geometrieentwicklung sollen in Zukunft Nutzung Beanstandungen Digitaler CAD- und CAE-Tools stärker gekoppelt werden. Werkstattberichte Zwilling Lernwerte Ziel ist es hier, den Einfluss konstruktiver Än- Produktion Fertigung / Prozess derungen auf Funktionalität und Dauerhalt- Ist-Geometrie barkeit direkt im Simulationsmodell abschät- Entwicklung Flottenerprobung zen zu können. Hier muss man derzeit aber Fahrerprobung Prüfstand noch Kompromisse eingehen: „Simulationen Aufbaudokumentation e V ill ri ir in et Zw tu g m el mit hoher Genauigkeit sind sehr aufwendig und eo le r G U n se se erfordern CAE-Spezialisten sowie leistungs- ly C na as Pr A le od es el e uk ch fähige Rechencluster“, so Berg. „Eine mögliche V od D R td ris M -M /A at U le pi ox en R el Em /g C yb od m A eo Lösung: Man koppelt vereinfachte Simulati- D re an M m -D Ph G E- ag .A at A ys em bs en C ik ic en m onsmodelle mit den CAD-Daten. Sie sind zwar he an t ru ag ng em weniger genau, ersparen aber später viele en t Iterationsschritte mit aufwendigen Simulati- onsmethoden.“ Für die Absicherung in dieser Phase dienen di- gitale Mock-ups (DMU), mit denen sich diver- se Untersuchungen durchführen lassen: Ver- bauanalysen (passen die Komponenten geo- metrisch zusammen?), Bewegungsanalysen (was geschieht zum Beispiel bei Last- und Drehzahlwechsel?) und Analysen zur Mon- tierbarkeit (welche Montagekräfte sind erfor- tert. In den einzelnen Phasen werden derzeit Clusteranalysen, maschinelles Kategorisie- derlich, sind die Freigänge für die Serienferti- häufig unterschiedliche Systeme eingesetzt, ren, Mustererkennung und die automatische gung ausreichend?). Und weil alle Daten digi- was die Datenübertragung aufwendig und Detektion von Anomalien. tal vorliegen, können die Entwickler in Zu- fehleranfällig macht. „Neben der Automati- kunft auch Virtual und Augmented Reality ein- sierung der Datenübertragung ist das Ma- Die drei Schwerpunkte Physik, Geometrie und setzen, um Informationen besser sichtbar zu nagement der Komplexität, die sich durch die Daten sind dabei in ständiger Interaktion. machen. Änderungen und die große Zahl der Fahr- „Wichtig ist aber, dass wir unsere Arbeit mit al- zeugvarianten ergibt, die große Herausforde- len am Entwicklungsprozess des Fahrzeugs Große Bedeutung für den neuen Ansatz hat ein rung“, erklärt Berg. beteiligten Gewerken verzahnen, also unter an- durchgängiges Datenmanagement, das den derem mit der Entwicklung von Steuergeräten, gesamten Wertschöpfungsprozess umfasst Dimension Daten: aus Daten deren Funktionen sowie der Applikation“, be- und das Einpflegen von Änderungen erleich- Wissen generieren tont Berg. „Nur dann können wir das maxima- le Potenzial hinsichtlich der Kosten- und Zeit- Erfolgen Auslegung und Validierung auf Basis ersparnis ausnutzen.“ physikalischer und geometrischer Modelle, sprechen IAV-Entwickler vom „virtuellen Zwil- „Trinity“ eignet sich für viele ling“ – er ist also modellgetrieben. Der „digita- Baugruppen und Systeme le Zwilling“ umfasst eine weitere Dimension: Re- aldaten aus Entwicklung, Produktion und Nut- Ein Kernteam von Mitarbeitern aus verschie- zung. Er ist darum datengetrieben. Die Daten denen Gewerken – darunter Konstruktion, Be- stammen unter anderem aus Prüfstandsver- rechnung, Simulation, Versuch und Daten- suchen, Flottenerprobung, der Fertigung, management – treibt das „Trinity“-Projekt bei Werkstattberichten und Kundenfeedback. „Es IAV voran. Es arbeitet nach der Scrum-Me- geht darum, Daten längs der gesamten Wert- thode mit wöchentlichen Sprints. „Die fachli- schöpfungskette zu erfassen, miteinander zu che Arbeit machen die Experten der jeweiligen vernetzen, für die Nutzung aufzubereiten und Gewerke“, so Berg. „Sie unterstützen uns da- dann zur Problemlösung bzw. für neue Ent- bei, die Methodik weiterzuentwickeln.“ Ein un- wicklungsaufgaben verfügbar zu machen“, er- ternehmensweites Engagement, das sich klärt Berg. „Aufgabe ist es also, aus Daten neu- lohnt: „Trinity“ bildet künftig die Entwicklung al- es Wissen zu generieren.“ ler Komponenten und Systeme des Power- trains ab. Neben dem Wissen der IAV-Experten spielen hier Methoden der künstlichen Intelligenz eine Kontakt: wichtige Rolle, zum Beispiel Assoziations- und michael.berg@iav.de
14 Fokusthema | automotion Autonomes Fahren: eine neue Heraus Lösungsansätze zur Beherrschung der hohen Projektkomplexität bei der Entwicklung von automatisierten Fahrsystemen
automotion | Fokusthema 15 forderung für vernetztes Arbeiten D as Ziel, hochautomatisiert fahren zu richten Timm Kellermann, Geschäftsführer ACC-System als Stand-alone-Funktion bila- können, führt zu tief greifenden Ver- von Consulting4Drive, dem Beratungsun- teral zwischen Hersteller und Zulieferer ent- änderungen in der Automobilbran- ternehmen der IAV-Gruppe, und Dr. Michael wickelt. Ab Level 3 besteht die Projektaufga- che. Das gilt nicht nur für die Automobil- Gröschel, Projektleiter und Wirtschaftsme- be in der Entwicklung eines Gesamtsystems technik in Soft- und Hardware, sondern auch diator bei IAV, über ihre Projekterfahrungen statt einer einzelnen Funktion. Der Reifegrad für das Projektmanagement während der und zeigen Optimierungspotenziale im Ent- der erforderlichen Systeme und Technologien Entwicklung. Im automotion-Interview be- wicklungsprozess auf. ist noch nicht sehr hoch, sodass sich intensive Wechselwirkungen zwischen Sensoren, tech- Projektmanagement in der Entwicklung – nischer Architektur und Software-Entwicklung ist das 2019 wirklich noch eine Herausfor- ergeben. Im Zuge der Integration führt der derung? hohe Vernetzungsgrad im Fahrzeug dabei häufig zu Abhängigkeiten, die sehr spät im Ent- Timm Kellermann: Bei der Beantwortung die- wicklungsprozess umfangreiche Hardware- ser Frage werden wir in der Automobilindus- und Softwareänderungen in den Teilsystemen trie gerade ein wenig demütiger, als wir es viel- erfordern, um die Summe der Kundenanfor- leicht vor fünf Jahren waren. Richtig ist: Alle derungen an das Gesamtsystem zu erfüllen. Hersteller, mit denen wir zusammenarbeiten, Sie können sich vorstellen, dass in solchen Si- kennzeichnet im Bereich der Fahrerassistenz tuationen die Komplexität des entsprechen- eine sehr hohe Reife bezüglich der Planung, den Entwicklungs- und Absicherungspro- Führung und Umsetzung von Fahrzeug-Ent- zesses massiv steigt. Parallel nimmt der Zeit- wicklungsprojekten – das betrifft sowohl Hard- druck zu, es müssen also in immer kürzerer Zeit ware als auch automobile Software. Jedoch immer komplexere Aufgaben in zunehmend sehen wir bei der Entwicklung von hoch au- verteilten Projektteams gelöst werden. tomatisierten Fahrsystemen aktuell dennoch fast jedes Projekt in einer Krise. Es hat sich Kellermann: Die Symptomkette kennen wir gut: nicht bestätigt, dass die Ursache hierfür man- Zu Beginn des Projekts lassen sich Anforde- gelnde Stringenz oder Disziplin in der Pro- rungen nicht ausreichend vollständig und de- jektleitung ist. Vielmehr zeichnet sich ab, dass tailliert beschreiben, was zu erheblichen Pro- Automated-Driving-Entwicklungsprojekte des blemen sowohl in der Entwicklung als auch bei Level 3 oder höher eine neue, eigene Kate- Test und Absicherung bis hin zur Fehlerbe- gorie von Projektsteuerungsproblemen dar- hebung im Feld führt. Diese Lücken sind al- stellen. An einem solchen Projekt arbeiten zum lerdings auch hier in der Regel nicht Mangel an Teil sieben Firmen mit mehr als 700 Personen, Disziplin, sondern Mangel an Erkenntnis und an mehr als 20 Standorten und in drei Zeit- Wissen: Mit ADAS-Level 3 und höher betreten zonen. Diese Personen stammen aus mehr als wir – wenn wir ehrlich sind – unerwartet mehr 30 Ländern. Die Fragmentierung entsteht Neuland als bekanntes Territorium. Die Ent- durch die umfangreichen neuen Kompetenzen wicklung von hoch automatisierten Fahrsys- und die Vielzahl der Partner und Domänen, die temen ist Stand heute somit noch vornehm- für diese Art von Entwicklung benötigt werden. lich eine Suche nach neuer Effektivität. Dies ist Dies allein erklärt aber nicht die in den Pro- auch der Grund, warum agil-iterative und MVP jekten auftretenden Herausforderungen. (Minimum Viable Product) basierende Vor- gehensweisen so hoch im Kurs stehen: sie Worin liegen die weiteren Ursachen? sind Methoden aus der Effektivitätswelt. Un- sere wichtigsten Methoden aus der bisherigen Dr. Michael Gröschel: Branchenweit geht die automobilen Effizienzwelt sind der sequenzielle Entwicklung von Assistenzsystemen in eine Produktentstehungsprozess (PEP) und der neue Phase. Bis dato wurden einzelne Pro- Fahrzeug- bzw. Feature-Business-Case. So- dukte wie ein Spurhalteassistent oder ein mit stoßen aktuelle AD-Projekte an eine grund-
16 Fokusthema | automotion sätzliche Komplexitätsgrenze, die mit den bisherigen Werkzeugen und Vorgehensmo- dellen im Projekt nicht mehr zum gewohnten Erfolg geführt werden können. Dr. Gröschel: Weitere Herausforderungen in der Projektbearbeitung ergeben sich für uns dabei insbesondere durch unterschiedliche Kommunikations-, Umsetzungs- und Ar- beitskulturen aufgrund regionaler Prägungen und branchenspezifischer Sichtweisen. Re- gionale Unterschiede erleben wir etwa bei der Projektumsetzung im Team. In Asien hat für den Zulieferer die gemeinsame Zielerreichung in einer auf einem tiefem Vertrauensverhältnis fußenden Zusammenarbeit höchste Priorität, während man sich in Europa vorrangig an vor- definierten Lastenheftanforderungen in ei- nem starren Vertragsverhältnis orientiert. Branchenspezifische Diskrepanzen gibt es beispielsweise in der Umsetzung cloudba- sierter Funktionen zwischen der Automobil- Timm Kellermann, Geschäftsführer von Consulting4Drive und der IT-Welt, welche sich durch eine we- sentlich höhere Entwicklungsgeschwindig- keit auszeichnet. Letztere erfordert eine hö- Herstellern zudem viel Verantwortung hin- gesordnung und werden kurzfristig durch- here Fehlertoleranz im Entwicklungsprozess, sichtlich der Entwicklung wie auch der Absi- geführt. In der Systementwicklung hochau- die beispielsweise im Smartphone-Bereich cherung von Fahrerassistenzfunktionen auf die tomatisierter Fahrfunktionen stoßen damit durch die Möglichkeit eines Software-Up- Zulieferer übertragen. Durch den hohen Ver- durch den hohen Innovationsgrad und die er- dates im späteren Betrieb ausgeglichen wird. netzungsgrad automatisierter Fahrzeuge ist wähnte enge Kopplung zwischen Hard- und Der Bereich des hochautomatisierten Fahrens dieser Trend derzeit jedoch gerade umzu- Software zwei Denkkulturen unter hohem hingegen zeichnet sich durch sicherheitskri- kehren, da ein System selten ausschließlich Projektdruck aufeinander, die beide für sich ihre tische und zugleich hochinnovative Produkte von einem Zulieferer vollumfänglich bereit- Berechtigung haben. aus, die eine enge Kopplung der Hardware- gestellt werden kann. und Software-Entwicklung bei Steuergeräten Und die Auswirkungen auf die Entwick- und Sensorik erfordern. Oftmals erleben wir, Dr. Gröschel: Damit einhergehend erfordern lungsprojekte? dass die Projektpartner zwar gleiche oder die aktuellen Projekte bei den Herstellern we- ganz ähnliche Begriffe nutzen, diese aber mit sentlich höhere Aufwände zur Systement- Dr. Gröschel: Als Projektpartner merkt man in ganz anderen Inhalten füllen. Spannungen im wicklung, Integration und Absicherung und es der Regel sehr schnell, wenn es im Team Projektteam und Probleme bei der Projekt- ergeben sich weit umfangreichere Anforde- nicht optimal läuft. Das äußert sich unter an- umsetzung sind damit vorprogrammiert. rungen an die Kommunikation und das Infor- derem durch zeitlichen Verzug im Projektver- mationsmanagement zwischen den Projekt- lauf und beim Meilensteinreporting sowie Warum treten die Probleme nun so deutlich teams. durch zu spät erkannte Funktionsdefizite, die zutage? aufwendige Hardware-Änderungen erforder- Darüber hinaus nimmt die Software einen lich machen. Kellermann: Weil wir seit Jahren erfolgreich immer größeren Stellenwert bei der Entwick- Fahrassistenzsysteme entwickeln, scheint lungsleistung ein. Waren es bei Level-2-Pro- Kellermann: Beim Projektmanagement erleben uns der Schritt von Level 2 zu Level 3 ein klei- jekten noch 60 Prozent Soft- und 40 Prozent wir einen sprunghaft ansteigenden Steue- ner, systematischer Schritt zu sein. Mittlerweile Hardware, sind es bei Level-3-Funktionen rungs- und Transparenzbedarf, um die vielen bin ich der Überzeugung, dass genau das Ge- bereits 80 Prozent Software, mit steigender Teammitglieder zu koordinieren und auf dem genteil der Fall ist. An dieser Stelle wird eine Tendenz. In der Hardware-Entwicklung benö- Stand der neuesten Informationen zu halten. fundamentale Grenze in unserem automobi- tigt man Zeit zur Darstellung robuster Lösun- Ansonsten droht das Projekt aus dem sprich- len Geschäftsmodell überschritten: Bis Level gen, wodurch frühe Festlegungen hinsichtlich wörtlichen Ruder zu laufen. 2 ist allein der Fahrer für den sicheren Betrieb Architektur und Performance erforderlich des Fahrzeugs verantwortlich. Ab Level 3 sind. Allerdings dreht sich in dieser Zeit die Welt Welche Gegenmaßnahmen ergreifen Sie? übernimmt der Hersteller zeitweise die Ver- weiter, und oftmals erkennt man erst im Lau- antwortung für den sicheren Betrieb des fe des Projekts, dass die Hardware nicht mehr Dr. Gröschel: Im aktuellen Projekt haben wir ge- Fahrzeugs. Damit müssen de facto viele He- den aktuellen Anforderungen gerecht wird. merkt, dass die auftretenden Probleme nicht rausforderungen des vollautomatisierten Fah- Demgegenüber verläuft die Software-Ent- durch eine reine Kapazitätserhöhung auf der rens höherer Level bereits heute adressiert wicklung sehr viel dynamischer, Änderungen Engineeringseite gelöst werden konnten. werden. In den letzten Jahren wurde von den – auch substanzieller Art – sind an der Ta- Durch einen intensiven Kundenkontakt wurde
automotion | Fokusthema 17 trauensbeziehung in Asien. Darüber hinaus er- möglichte der Aufbau einer intensiven Kun- denbeziehung auf Managementebene im Rahmen des Consultings durch Consul- ting4Drive auch unserem Projektteam bei IAV, seitens des Engineerings eine neue Stu- fe in der Projektbearbeitung mit dem Kunden zu erreichen. Fokussiert sich das Problem auf Projekte des automatisierten Fahrens? Kellermann: Wir glauben, dass dies nicht der Fall ist. Die wesentliche Charakteristik der angesprochenen Projekte besteht in einem hohen Technologie- und Innovationsgrad, daher sind die Herausforderungen im Umfeld des hochautomatisierten Fahrens lediglich zu- erst zutage getreten. Die Probleme sind jedoch grundsätzlicher Natur und ergeben sich aus der Transformation der Automobilwelt durch die Digitalisierung. Für mich ist das nur die Vor- stufe zur endgültigen Komplexität, die sich aus Dr. Michael Gröschel, Projektleiter und Wirtschaftsmediator bei IAV den neuen Mobilitätskonzepten der „Smart Mobility“ ergibt. Dort müssen dann Digitalbe- in der Diskussion immer deutlicher, dass pa- Simulationsumgebungen und Prüfständen. reich, Automobilbereich und Infrastrukturan- rallel zur Technik auch das Zusammenar- Ein wichtiger Eckpfeiler unseres Projektma- bieter mit ihren stark unterschiedlichen Ent- beitsmodell der Projektpartner angepasst nagements an der Schnittstelle zu den Zulie- wicklungs- und Innovationsgeschwindigkeiten werden muss. Gemeinsam mit Consul- ferern ist die sogenannte Joint-Operations- zusammengebracht – synchronisiert – werden. ting4Drive haben wir daraufhin zunächst eine Plattform. Mithilfe des Toolings können die Pro- weit über den üblichen Umfang hinausge- jektpartner beispielsweise sämtliche Infor- Dr. Gröschel: Überall dort, wo unterschiedliche hende Analyse der Gesamtsituation durch- mationen zentral ablegen und austauschen, Technologiebereiche und verschiedene in- geführt und die zu Beginn beschriebenen miteinander kommunizieren oder Termine ternationale Standorte zusammenarbeiten, Herausforderungen identifiziert. und Status des Gesamtprojekts und der Teil- werden die beschriebenen neuen Ansätze nö- projekte einsehen. Das sorgt für Transparenz tig sein, um strukturiert Lösungen entwickeln Kellermann: Um eine nachhaltige Verbesse- und damit Klarheit über den Projektverlauf. Da- zu können. Wir haben in Kooperation mit rung im Projekt zu erzielen, haben wir einen rüber hinaus werden ein ständiges Monitoring Consulting4Drive ein Vorgehensmodell für neuen Lösungsbaukasten erarbeitet. Er teilt der Meilensteinziele und eine straffe Steuerung vernetztes Arbeiten, Informationstransfer un- sich auf in Management-Consulting, techni- des Projekts ermöglicht. ter den Entwicklerteams sowie neue Formen sche Beratung, operatives Engineering und ein der Zusammenarbeit auf Basis eines Ver- erweitertes Projektmanagement an den Dr. Gröschel: Um intern im Tagesgeschäft eine ständnisses der Verschiedenartigkeit der be- Schnittstellen der Projektpartner. Beim Ma- übergreifende Koordination der aus dem Lö- teiligten Partner entwickelt und bieten damit nagement-Consulting geht es darum, die sungsbaukasten abgeleiteten Projekte ge- eine wesentliche Schlüsselkomponente er- Projektpartner schon im Vorfeld auf die Kom- währleisten zu können, wurde eine Pro- folgreicher Mobilitätsprojekte an. plexität des Projekts vorzubereiten und ihnen grammstruktur als Klammer um die breit ge- deutlich zu machen, dass unterschiedliche fächerten Aktivitäten entwickelt. In der Pro- Kellermann: Noch ein Gedanke zum Schluss: Sichtweisen und Herangehensweisen eine ge- grammstruktur werden die verschiedenen In der Welt des digitalen IT-Bereichs gibt es wollte Bereicherung und nicht kontraproduk- Fragestellungen des Gesamtvorhabens in einen Wettbewerbsvorteil, der uns in der tiv für das Projekt sind. Auch führen Versuche, einzelne Projekte mit eigener Verantwortung Automobilbranche aktuell sehr intensiv die Anforderungen bereits zu Projektbeginn zu aufgeteilt. Das Programm-Management ver- beschäftigt: hohe Lerngeschwindigkeit, auf fixieren, nicht zum gewünschten Erfolg. antwortet als übergeordnete Instanz nur das Neudeutsch „speed of learning“. Wir glau- Zusammenspiel der Projekte, aber nicht deren ben, dass dieser Faktor auch für die Entwick- Bei der technischen Beratung bringen wir die Einzelerfolg. Die aus dieser Struktur resultie- lung von automatisierten Fahrsystemen we- IAV-Kompetenz beispielsweise bei der Frage rende verteilte Verantwortung spiegelt die sentlichen Einfluss auf den Erfolg am Markt ein, welche System- oder Technologiearchi- Charakteristik der zu entwickelnden Systeme und damit die Profitabilität haben wird. tektur für die vorliegende Aufgabenstellung am sehr gut wieder und ist somit ein entschei- besten geeignet ist. Das operative Enginee- dender Erfolgsfaktor. Wesentlich waren hier- Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch. ring umfasst ein systematisches Anforde- bei gerade im internationalen Kontext das Ver- rungsmanagement, das Testing und die Ab- stehen und Reagieren auf die kulturellen Be- Kontakt: sicherung der im Projekt entwickelten Hard- sonderheiten der Projektpartner wie bei- t.kellermann@consulting4drive.com ware- und Software-Systeme mit IAV-eigenen spielsweise der Aufbau einer starken Ver- michael.groeschel@iav.de
18 Fokusthema | automotion Virtual und Augmented Reality in der HMI-Entwicklung Die komplette IAV-Lösungskette macht Aussehen und Funktionen frühzeitig erlebbar D ie Benutzerschnittstelle im Fahr- renbrettes und Head-up-Displays projizie- So können IAV-Kunden schon in der Konzept- zeug wird als Differenzierungs- ren Informationen direkt auf die Wind- phase die Dynamik der Benutzerschnittstelle er- merkmal immer wichtiger – und zu- schutzscheibe – natürlich perspektivisch leben und wichtige Fragen beantworten: Wie nehmend komplexer. IAV setzt darum auf vir- korrekt und genau dorthin, wo beispiels- kann beispielsweise die Anzeige auf der Wind- tuelle HMI-Entwicklung: Kunden können weise gerade eine Gefahr droht: Moderne schutzscheibe aussehen? Wie gut ist die Pro- das Design und die Funktionen frühzeitig er- Benutzerschnittstellen bieten faszinierende jektion? So lassen sich Konzepte schnell be- leben, Fahrsituationen abfahren und auf Möglichkeiten. „Zugleich wird das Thema werten und rechtzeitig verändern oder ver- dieser Grundlage fundierte Entscheidungen immer komplexer“, berichtet Dr. Marcus werfen. „Wir wollen so weit wie möglich weg von treffen. Hardware-Prototypen spielen hier Heinath, Abteilungsleiter UX, HMI und Kom- Hardware-Prototypen und mithilfe von virtuel- erst am Ende der Entwicklung noch eine biinstrumente bei IAV. „Darum setzen wir seit len Modellen fundierte Entscheidungen treffen“, Rolle. Jahren im Entwicklungsprozess frühzeitig so Heinath. „Dazu fahren wir mittels Virtual und auf Virtual Reality, um die Möglichkeiten Augmented Reality mit unseren Kunden ganze Anzeigen wachsen zusammen, Displays er- und Limitierungen der aktuellen Technik Szenarien ab – egal ob in der Stadt, auf dem strecken sich über große Teile des Armatu- aufzuzeigen.“ Land oder auf der Autobahn.“
automotion | Fokusthema 19 Mit der AR-Brille im Fahrsimulator rüber hinaus über einen Fahrsimulator mit neben der engen Zusammenarbeit mit den In- Sitzkiste. In dem können die Probanden selbst terieurexperten von IAV die komplette Lö- Dafür steht bei IAV eine ganze Bibliothek von „fahren“ und über eine Augmented-Reality- sungskette hervor: Seine Abteilung kann eine virtuellen Touren zur Verfügung. Andere Ver- Brille beispielsweise die Inhalte eines Head- HMI-Entwicklung von der ersten Idee über das kehrsteilnehmer und typische Szenarien up-Displays sehen. Design und die AR-/VR-gestützte Entschei- – etwa eine nicht gewährte Vorfahrt – lassen dungsfindung bis hin zum Prototypenaufbau in sich beliebig modellieren. Voraussetzung für die „Mit diesen virtuellen Methoden haben wir in den der Endphase begleiten sowie mittels Proban- virtuelle Entscheidungsfindung ist ein 3-D-Mo- vergangenen Jahren schon viele Projekte er- dentests über alle Phasen absichern. dells des Interieurs sowie der HMI-Kompo- folgreich durchgeführt“, berichtet Heinath. „Wir nenten, die entweder den realen späteren können darum sehr gut einschätzen, was geht Kontakt: Innenraum oder eine neutrale Umgebung und was sinnvoll ist. Wichtig ist, dass man immer marcus.heinath@iav.de zeigen können – zum Beispiel für Tests mit die Begrenzungen der Technik im Auge behält Probanden, die das HMI bewerten sollen. Im – ohne dass die Kreativität darunter leidet.“ Als Entwicklungszentrum Gifhorn verfügt IAV da- besonderen Mehrwert für seine Kunden hebt er
20 Fokusthema | automotion Erfolgsfaktor Inner Sourcing Neue Prozesse und eine offene Kommunikation: Die Software-Entwicklung lernt von der Open-Source-Welt Prof. Dr. Dirk Riehle, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, und Markus Blonn, Leiter des „Netzwerks Software“ bei IAV
automotion | Fokusthema 21 S eit Jahren ist die Software-Entwick- aufgespielt. Von diesem „Continuous Deploy- greifend zu entwickeln und unternehmensweit lung im Automobilbereich stark im ment“ können auch Unternehmen wie IAV ler- zur Verfügung zu stellen. Das ist auch die Wandel begriffen. Markus Blonn leitet nen, und es kann ihnen dabei helfen, langfris- Aufgabe des „Netzwerks Software“ bei IAV: Wir bei IAV das „Netzwerk Software“ und will tig wettbewerbsfähig zu bleiben. wollen einen kulturellen Wandel vorantreiben. das Unternehmen als Software-Lieferanten noch besser positionieren. Im automotion-In- Blonn: Hier sind wir schon auf einem guten Wie sieht die neue Welt der Software-Ent- terview diskutiert er mit Prof. Dr. Dirk Riehle Weg, denn das Thema ist auch für uns wich- wicklung denn aus? von der Friedrich-Alexander-Universität Er- tig – zum Beispiel, um bei Sicherheitsproble- langen-Nürnberg über neue Anforderungen men schnell Patches ausliefern zu können. Be- Prof. Riehle: Open Source bietet ein großes Ex- und Prozesse sowie die Rolle von Open- reits heute praktizieren wir „Continuous Inte- perimentierfeld für neue Software-Entwick- Source-Software für das Automotive Engi- gration“: Wir bauen und testen Software kon- lungsprozesse. Dabei geht es zum Beispiel um neering. tinuierlich. Continuous Deployment ist dann die andere Formen der Kommunikation: Offenheit logische Fortsetzung, und wir werden in Zu- ist hier besonders wichtig, und niemand darf Software spielt in der Automobilbranche kunft auch dafür einen serienreifen Prozess auf- durch überkommene Machtstrukturen aus- eine immer wichtigere Rolle. Wie ist IAV hier bauen. geschlossen werden. Davon profitieren Un- aufgestellt? ternehmen beim Inner Sourcing, indem sie Si- Open Source-Software ist ein weiteres ak- los aufbrechen – denn heute verstecken Ge- Markus Blonn: Natürlich entwickeln wir wei- tuelles Thema. Wie wichtig ist es für die Au- schäftseinheiten gerne noch ihre Quellco- terhin viel Software für klassische Steuergeräte. tomobilindustrie? des vor anderen Abteilungen, sodass vieles re- Aber seit Jahren gibt es einen Trend hin zu dundant entwickelt wird. Das ist durch die High-Performance-Computing im Fahrzeug. Prof. Riehle: Viele Unternehmen unterscheiden neue Form der Zusammenarbeit nicht mehr Für die neuen Domänencontroller – etwa für heute sehr genau, was ihre Kernkompetenz ist möglich. Sie macht die Software-Entwicklung Fahrerassistenzsysteme, Infotainment sowie und was nicht. Folglich nutzen sie vermehrt ex- effizienter und führt zu besseren Ergebnissen. Antrieb und Fahrwerk – brauchen wir andere terne Software-Module – und zwar nicht aus- Kompetenzen, wie zum Beispiel bei der Soft- schließlich von klassischen Lieferanten, son- Im Projekt AMOS arbeitet IAV mit der Fried- ware-Architektur: Heute müssen wir 40 bis 50 dern auch aus der Open-Source-Welt. Diese rich-Alexander-Universität Erlangen-Nürn- Funktionen auf einem einzigen Steuergerät un- sind kostenlos, erfordern aber ein gewisses En- berg zusammen. Was verbirgt sich dahinter? terbringen. Das ist eine anspruchsvolle Inte- gagement aufseiten des Nutzers. Er muss grationsaufgabe und eine neue Rolle für einen die Projekte zumindest genau beobachten Prof. Riehle: Die Abkürzung steht für „Agile Me- Entwicklungspartner wie IAV. Manche neuen und sollte – wenn die Komponente wichtig ist – thoden und Open Source“. Unternehmen kön- Funktionen erfordern auch Software-Lösun- auch aktiv dazu beitragen. Dazu müssen aber nen den Studenten Aufgaben stellen, die sie gen aus einer Hand – wenn etwa rechenin- neue Kompetenzen aufgebaut werden. in agilen Teams innerhalb eines Semesters um- tensive Teile auf dem Backend oder in einer setzen. Das macht die Lehre viel attraktiver, weil Cloud laufen, sodass man dafür verschiedene Haben Sie keine Sicherheitsbedenken? es um reale Aufgaben geht, die außerdem im Module entwickeln muss. Außerdem sind Team angegangen werden. IAV ist wirklich ein durch Updates „over the air“ neue Ge- Prof. Riehle: Nein, denn einerseits ist die Qua- toller Partner für uns: Das Unternehmen ist in schäftsmodelle möglich. Wir können uns gut lität der Open-Source-Projekte inzwischen der Software-Entwicklung sehr erfahren und vorstellen, in Zukunft zum Produktlieferanten sehr hoch. Viele Unternehmen bezahlen ja pro- stellt realistische Aufgaben. zu werden und spezielle Funktionen zum fessionelle Entwickler, um sich daran zu be- Download anzubieten. Um all das umsetzen zu teiligen. Und andererseits gilt: Je mehr Augen Blonn: Für uns ist das auch eine hervorragende können, qualifizieren wir unsere rund 1.000 den offenen Quellcode begutachten, desto Möglichkeit, neue Ideen umzusetzen, für die wir Software-Entwickler ständig weiter, zum Bei- schneller lassen sich Fehler finden. Aus diesem selbst keine Kapazitäten haben. Bisher haben spiel in den Bereichen Software-Engineering, Grund wird Open-Source-Software heute bei- wir drei Themen platziert, unter anderem das -Architektur und -Requirement-Analyse. spielsweise bereits in Infotainment-Stacks Side Window Entertainment. Die Ergebnisse von Autos eingesetzt. Dabei können 80 Pro- betrachten wir als eine Art Kristallisationspunkt: Wie verändern sich die Prozesse in der Soft- zent des Codes quelloffen sein, während der Auf ihrer Grundlage können wir die Ideen ge- ware-Entwicklung? OEM den Rest selbst entwickelt und die Soft- gebenenfalls weiterentwickeln. Daneben ist ware zum Beispiel an sein Branding anpasst. AMOS eine sehr gute Möglichkeit für Studen- Prof. Dr. Dirk Riehle: Sie werden viel schneller. ten und IAV, einander früh kennenzulernen. Das sehen wir heute schon bei Unternehmen Wie nutzt IAV Open-Source-Software? wie Amazon, Google oder Netflix: Sobald die Vielen Dank für das Gespräch! Software-Entwicklung nicht mehr an eine Blonn: Wir nutzen derzeit vor allem Open- spezielle Hardware gebunden ist, reduzieren Source-Methoden für die interne Software- Kontakt: sich die Entwicklungszeiten dramatisch. Teil- Entwicklung. Bei diesem „Inner Sourcing“ geht markus.blonn@iav.de weise werden im Minutentakt neue Funktionen es darum, Software-Module bereichsüber- dirk.riehle@fau.de
Sie können auch lesen