Austausch MPG Schorndorf - Tulle (Frankreich) - Autor
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Austausch MPG Schorndorf – Tulle (Frankreich) Autor Studiendirektor Dr. Erich Brauch © 2021 Max-Planck-Gymnasium Schorndorf 1. Auflage 2021
1/34 Partnerschaft mit Tulle 0. Einführung Die Geschichte einer nun mehr als 50 Jahren andauernden Partnerschaft auf wenigen Seiten nachzuzeichnen ist entweder eine Herkulesaufgabe oder gar ein Ding der Unmöglichkeit. Aber ähnlich dem Sisyphos, den die Götter dazu verurteilt hatten, unablässig einen Felsblock einen Berg hinaufzuwälzen, mache ich mich mutig an die Aufgabe. Aus fast 50 Jahren Artikeln aus den Schorndorfer Nachrichten, (herzlichen Dank an das Schorndorfer Stadtarchiv!), aus zwei Festschriften zum 25. und 50-jährigem Jubiläum dieser Partnerschaft, und aus dem ganz wenigen, was der eigene Computer noch aufzuweisen hatte, aus all dem das Richtige und Wichtige auszuwählen, war keine einfache Sache. Unternehmen und erledigen kann das eigentlich nur jemand, der keine Dienstverpflichtungen mehr hat. Wer aber 35 Jahre lang dem MPG leidenschaftlich gedient hat, der wälzt auch diesen Stein.1 I. Tulle und Schorndorf? Tulle et Schorndorf ! Herzlichen Glückwunsch dem Max-Planck- Gymnasium Schorndorf zum 50-jährigen Jubiläum, und Herzlichen Glückwunsch der Stadt Schorndorf zum offiziellen 50-jährigem Bestehen der Partnerschaft mit Tulle, ganz großen Dank auch an die zahlreichen Initiatoren und Organisatoren, die alle vom Geist der Versöhnung und der Begegnung beseelt waren. Dieses Jubiläum wurde von kompetentester und höchster französischer Seite, nämlich von einer Unterabteilung des Französischen Kultusministeriums, der Direction Régionale des affaires culturelles de Nouvelle Aquitaine, als eine Partnerschaft aus Gold bezeichnet wurde. Im Vorwort dazu schreibt Monsieur Bernard Combes, Maire/Bürgermeister von Tulle und Abgeordneter im Regionalparlament, Niemals hätte man am Ende des Zweiten Weltkrieges vermuten können, dass eine deutsch- französische Freundschaft in Tulle entstehen würde. Mutig und kühn waren die, die dank ihres persönlichen Engagements für Menschlichkeit und Brüderlichkeit zu Verfechtern dieser schönen Idee, die von befreundeten Völkern in einem vereinten Europa, geworden sind. Wer den französischen Zentralismus kennt, kann das nicht hoch genug einschätzen. Diese Partnerschaft wiegt in Anbetracht aller vorausgegangenen Geschichte, in Anbetracht ihres unglaublichen Zustandekommens und der ständigen Bemühungen, Maßnahmen und Begegnungen, mehr als noch Gold. Man ist geneigt, mit Friedrich Schiller zu singen und zu sagen - Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu seyn; … wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein! 1Dieser Text verzichtet bewusst auf die sogenannte „gendergerechte“ Sprache. Einem studierten Philologen ist das die groteske Komödie eine*r Mannheim*er*innen Sprachtaliban*in der Redaktion*in des Duden oder der Dudin, die glaubt, fern jeglicher sprachwissenschaftlicher Erkenntnis auf dem Markt der Schizophrenie sich zu verkaufen und anzubieten, sich quasi prostituieren zu müssen. Der Respekt vor Menschen weiblichen Geschlechts bleibt davon unberührt.
2/34 Nebenbei bemerkt: dem Autor dieser Zeilen, Friedrich Schiller, wurde im August 1792 von der französischen Nationalversammlung wegen seiner Verdienste um Freiheit und Humanität die Ehrenbürgerschaft verliehen. Sein auf der Urkunde ausgeschriebener Name lautet Gillé, mit G als erstem Buchstaben und è mit accent aigu als letztem. Die Urkunde selbst brauchte viel Zeit, um ihren Empfänger zu erreichen. Schiller erhielt sie erst 1798. Er überließ sie der Weimarer Bibliothek und besaß lediglich eine beglaubigte Kopie. Die mit der Ehrenbürgerschaft verbundenen Privilegien nahm er gerne an und wollte sie an seine Kinder weiterreichen. Seine Haltung zur Revolution hatte sich inzwischen geändert. Mit der Jakobinerdiktatur war er vom Anhänger zum Gegner geworden. Diese Freundschaft war den beiden Städten nicht in die Wiege gelegt- im Gegenteil: sie musste Hürden und Hindernisse überwinden. Das Unglaubliche daran ist, dass sie nicht von Schorndorf ausging, sondern von Tulle, ville des martyrs, der Stadt der Märtyrer. Um diese besser zu verstehen, ist ein Blick zurück in die Geschichte unerlässlich. II. Was im Kleinen geschieht, muss im Großen vorbereitet sein: 1. Das Große Der Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit vom 22. Januar. 1963Im Bild (v.l.n.r.) am Tisch: Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Gerhard Schröder, Bundeskanzler Konrad Adenauer, Staatspräsident Charles de Gaulle, Premierminister Georges Pompidou und der französische Außenminister Maurice Couve de Murville. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-P106816 / Autor unbekannt / CC-BY-SA 3.0 Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle unterzeichneten am 22.1.1963 im Pariser Elysée-Palast einen Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit, der politische Konsultationen beider Regierungen und eine verstärkte Zusammenarbeit in der Außen- und Verteidigungspolitik sowie in Erziehungs- und Jugendfragen festgelegt. Regelmäßige Treffen zwischen den Regierungschefs und den zuständigen Ressortministern beider Länder sollen die praktische Durchführung des Vertrages gewährleisten. Dem vorausgegangen war ein unglaublich wichtiger Schritt hinsichtlich der Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland: die Rede des damaligen Präsidenten der französischen Republik, Charles de Gaulle im Innenhof des Schlosses Ludwigsburg am 9. September 1962. Der Verfasser dieser Zeilen hatte eben sein erstes Semester des Studiums der Romanistik und Anglistik in Tübingen hinter sich, war an diesem Tag in den Semesterferien mit einem Schulfreund im Freibad seiner zweiten Vaterstadt Heilbronn, und wusste genau, dass an diesem Tag in Ludwigsburg ein höchst wichtiges Ereignis stattfinden würde. Mit dem Fahrrad würde ich Ludwigsburg rechtzeitig nicht erreichen können, mit der Lambretta meines Freundes Jörg jedoch schon. Jörg war Student der Chemie und hatte mit Frankreich wenig und mit Französisch noch weniger im Sinn. Aber es gelang mir, ihn dazu zu bringen, dass wir mit seiner Lambretta nach Ludwigsburg fuhren, um uns die Rede De Gaulles anzuhören und anzusehen. Welch ein weltbewegendes Ereignis, diese begeisternde Rede an die deutsche Jugend als junger Mensch erleben zu können!
3/34 De Gaulle am 9. September 1962 im Innenhof des Schlosses Ludwigsburg. Einer unter diesen Zuhörern war der Verfasser. Wie beflügelnd er redete, und vor allem, nach all dem Geschehenen, wie zukunftsweisend! Hier ein Auszug aus deren Beginn: Ich beglückwünsche Sie ferner, junge Deutsche zu sein, das heißt, [Applaus] das heißt, Kinder eines großen Volkes. Jawohl, eines großen Volkes, das manchmal, im Laufe seiner Geschichte große Fehler begangen hat. Ein Volk, das aber auch der Welt geistige, wissenschaftliche, künstlerische, philosophische Wellen gespendet hat, ein Volk [Applaus] ein Volk das über die Erzeugnisse ihrer Erkundigungskraft, ihrer Technik, seiner Technik und seiner Arbeit erreicht hat; ein Volk, das im friedlichen Werk wie auch in den Leiden des Krieges wahre Schätze an Mut, Disziplin und Organisation entfaltet hat. Das französische Volk weiß es voll zu würdigen, weil es auch weiß, was heißt, schaffensfreudig zu sein, zu geben und zu leiden. (…) Diese jetzt dann ganz natürliche Solidarität zwischen unseren beiden Völkern müssen wir selbstverständlich organisieren. Das ist die Aufgabe der Regierung. Vor allem müssen wir aber ihr einen lebenden Inhalt zu geben, und das ist insbesondere die Aufgabe der Jugend. Welche Worte aus dem Munde des französischen Staatspräsidenten, dessen Land lange nur als der Erbfeind bezeichnet wurde! Und ich konnte sagen, wie einst Goethe vermutlich bei der Schlacht von Valmy am 20. September 1792, - Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen. Um sich der Bedeutung dieser Rede De Gaulles bewusst zu werden, muss man wissen, dass er bereits im Ersten Weltkrieg als Capitaine gegen Deutschland gekämpft hatte, dort schwer verwundet geworden und in deutsche Gefangenschaft geraten war. Er hat mehrere Fluchtversuche unternommen, wurde aber wegen seiner Körpergröße von 1.95m immer wieder gefangen. Nach dem Waffenstillstand vom November 1918 kehrte er heim mit der bitteren Erinnerung, seinem Land nichts genützt zu haben. Nach dem Überfall Deutschlands auf Frankreich wurde De Gaulle im Juni 1940 zum Unterstaatssekretär für Nationale Verteidigung und zum Verantwortlichen für die Koordination mit Großbritannien ernannt. Er lehnte er den Waffenstillstand ab, verlässt Frankreich am 15. Juni 1940 und setzt nach Großbritannien über. Dort gründete er die FFL (Forces Françaises Libres; dt. sinngemäß: Streitkräfte für ein freies Frankreich). Von dort aus richtete er über die BBC seinen berühmten Aufruf vom 18. Juni 1940 an alle Franzosen: Deshalb fordere ich alle Franzosen, wo immer sie sich befinden, dazu auf, sich mir anzuschließen im Kampf, im Opfergeist, in der Zuversicht. Unser Land ist in Lebensgefahr.
4/34 Lasst uns gemeinsam kämpfen, um es zu retten. Die Niederlage sei nicht endgültig („Was auch immer geschehen mag, die Flamme des französischen Widerstandes darf nicht erlöschen und wird auch nicht erlöschen“). In Frankreich konnte man den Appell zuerst am 18. Juni 1940 um 19 Uhr hören. Er wurde in den Zeitungen des noch unbesetzten Südfrankreich abgedruckt und in den folgenden Tagen von der BBC wiederholt ausgestrahlt. Der Appell gilt als de Gaulles größte Rede. Régis Debray, ein linksorientierter Philosoph und Politiker und ganz und gar nicht von der Couleur des konservativen De Gaulles, schrieb dazu, -Auch wenn de Gaulles Appell „das Gesicht der Welt nicht verändert habe, so habe dank ihm immerhin Frankreich das seine gewahrt.“ De Gaulle am Mikro der BBC am 18. Juni 1940 Aufruf von Charles de Gaulle an die Franzosen, die Besatzer zu kämpfen, 1940. In der Abi-Klasse 1962 lernten wir Moi, Général de Gaulle, actuellement à Londres, freiwillig auswendig. Weshalb dieser Appell? Juni 1940: Reiter der Wehrmacht defilieren auf der Champs-Elysees im verlassenen Paris. © CORBIS. Die Gesichter sind sprechende Bilder. Man schaue sich nur diese beiden Bilder an, und man versteht alles. Wer jemals nach Paris kommt und die Champs-Elysees rauf- oder runtermarschiert, der möge diese Bilder nie vergessen. Und wer den Eiffelturm besteigt, möge auch an dieses Bild sich erinnern:
5/34 NS-Hakenkreuz Flagge auf dem Triumphbogen nach der deutschen Besetzung von Paris im Juni 1940 Nach der Besetzung Frankreichs durch die faschistische deutsche Wehrmacht im Juni 1940 besucht Adolf Hitler Paris 2. Vom Großen zum Einzelnen: die Tuller Troubadours Mit der durch mehrere Wunder erfolgreichen Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944 war der Krieg noch lange nicht beendet. Was sich kurz vor dessen Ende noch ereignet hat, entnehmen wir der u. a. der offiziellen Seite der Stadt. Wissen muss man dies: Während des Zweiten Weltkrieges war Tulle, Hauptstadt des Départements Corrèze, wegen seiner Waffenfabriken bekannt. Die Stadt lag in der Zone libre [das Gebiet, das nicht von den Deutschen besetzt, sondern von dem hitlertreuen Maréchal Pétain regiert wurde.] Tulle wurde ab November 1942 von deutschen Truppen besetzt. In dieser Zeit hat sich der Widerstand in der Stadt und in der Umgebung formiert. Die deutsche Garnison wurde exakt zum Zeitpunkt der Invasion der Alliierten ab dem 6. Juni 1944 zwei Tage lang zu deren Unterstützung von der Résistance angegriffen; am Abend des 8. Juni näherte sich die SS-Panzer-Division „Das Reich“ unter SS-Gruppenführer Heinz Lammerding. Sie sollte zur Bekämpfung der Résistance eingesetzt werden. Was danach geschah, ist in wenigen Worten nicht zu beschreiben; wer sich intensiv damit beschäftigen möchte, fange an mit dem Studium dazu über Wikipedia 2 mit vielen weiteren Hinweisen. En peu de mots, in wenigen Worten dies: Am 9. Juni übte die Division „Das Reich“ massive Vergeltung an der Einwohnerschaft der Stadt für den militärischen Erfolg des französischen Widerstandes. Als erstes verhafteten sie am Morgen alle männlichen Einwohner zwischen 18 und 45 Jahren. Diese, etwa 2000 Mann, wurden in dem Innenhof der Waffenfabrik MAT versammelt. Dann wurde den Einwohnern verkündet, dass aus ihren Reihen 120 Männer aufgehängt werden sollten. Die Auswahl nahm der SD-Mann Walter Schmald vor. [SD = Sicherheitsdienst-Angehörige; diese waren gleichzeitig Mitarbeiter der Sicherheitspolizei (Kripo oder Gestapo). Dabei berieten ihn hohe Vichy-treue Beamte [Vichy im Département Allier, eine wunderschöne Kurstadt, war der Sitz des hitlertreuen Regimes unter Maréchal Pétain; Interessantes dazu unter3. Hier der Schlüssel dazu: 2 https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Tulle 3 https://de.wikipedia.org/wiki/Vichy 3Auch wer des Französischen nicht mächtig ist, mag sich die Bilder der Reportage unter “Le massacre de Tulle, 9 juin 1944” 52’ France 5 (teaser) on Vimeo anschauen
6/34 Durch Interventionen dieser Kollaborateure sank die Anzahl auf 99. Dann erhängten die Soldaten der Panzerdivision diese willkürlich zusammengesuchten Geiseln mitten in der Stadt an Balkonen und Laternen und zwangen Gruppen von Einwohnern, dem zuzuschauen. Dazu war unter anderem eine Gruppe von 600 zum Arbeitsdienst gehörenden Jugendlichen beordert worden. Während der Erhängungen hielten sich bei einem Teil des Geschehens zahlreiche SS- Leute auf der Terrasse eines Cafés auf. Sie tranken und vergnügten sich, wobei sie ein Grammophon spielen ließen, was die zum Zuschauen befohlenen Einwohner und zur Hinrichtung Bestimmten hörten. Danach, auch das darf nicht vergessen werden, werden 149 Männer nach Dachau deportiert. 101 von ihnen verlieren dort ihr Leben. Tulle hat also insgesamt 218 Ziviltote zu beklagen. Dieses Kriegsverbrechen, das dem Massaker von Oradour vorausging, kann man nach Meinung des Militärhistorikers Peter Lieb noch in gewisser Weise als Kriegsrepressalie ansehen, wenn auch seiner Meinung nach die deutschen Reaktionen übertrieben und zum Teil völkerrechtswidrig waren. Das trifft für das einen Tag später begangene Massaker von Oradour nicht zu. Der Ort Oradour-sur-Glane liegt etwas mehr als 100 km nordwestlich von Tulle. Dort kam die SS- Division einen Tag später, am 10. Juni, an. Der Offizier Adolf Diekmann ließ die Bewohner auf dem Marktplatz zusammentreiben. Die Männer wurden in fünf Gruppen unterteilt und in Scheunen eingesperrt. Dort eröffneten SS-Angehörige das Feuer auf sie, danach wurden die Scheunen in Brand gesetzt. Frauen und Kinder wurden in die Dorfkirche gesperrt. Die Soldaten zündeten eine Rauchbombe am Altar. Als einige der Eingeschlossenen versuchten, sich vor dem beißenden Qualm in Sicherheit zu bringen, wurden sie erschossen. Anschließend wurde das Kirchengebäude in Brand gesteckt. Die über 400 Frauen und Kinder wurden in der kleinen Kirche eingepfercht. Nach etwa eineinhalb Stunden zündeten SS-Leute eine in einer Kiste vor dem Altar befindliche Rauchbombe mit Stickgasen, was beißenden Qualm und Panik erzeugte. Als die Fenster der Kirche barsten, wurden die Eingeschlossenen beschossen und mit Handgranaten beworfen. Auch Fluchtversuche wurden durch heftigen Beschuss verhindert. Schließlich wurde Feuer in der Kirche gelegt; der hölzerne Dachstuhl des Kirchturms ging in Flammen auf und schlug schließlich durch das Dach des Kirchenschiffs auf die eingeschlossene Menge. Nur wenige Einwohner von Oradour überlebten. Nach dem Massaker plünderten die SS-Soldaten die Wohnhäuser und steckten das Dorf in Brand. Die Überreste des alten Dorfes wurden nach dem Krieg als Mahnmal erhalten. Der Ort wurde in den 1950er-Jahren in direkter Nähe neu aufgebaut. Ohne Worte. Einer der 99 am 9. Juni 1944 von der SS in Tulle Gehängten. Mehr Versöhnung ist wohl kaum möglich. Oradour – sur Glane, nach dem 10. Juni 1944.
7/34 Man mag es kaum glauben, dass einer der wenigen Überlebenden, Robert Hébras, für seine Bemühungen um die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland bekannt wurde. Hébras wurde vielfach geehrt; unter anderem wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Genau hier nun beginnt die unglaubliche Geschichte der Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland.
8/34 Anlass nun, vom Großen zum großen Kleinen zu kommen: 3. Tulle und Schorndorf Erinnern wir uns der Worte Charles de Gaulles in Ludwigsburg vom 9. September 1962: Diese jetzt dann ganz natürliche Solidarität zwischen unseren beiden Völkern müssen wir selbstverständlich organisieren. Das ist die Aufgabe der Regierung. Vor allem müssen wir aber ihr einen lebenden Inhalt zu geben, und das ist insbesondere die Aufgabe der Jugend. Hier nun beginnt das unglaubliche Wunder der Entstehung der Partnerschaft zwischen Tulle und Schorndorf. Es bedurfte keiner Organisation und keiner Regierung zur Geburt dieser Erstbegegnung. Auf der Seite des Albvereins Schorndorf lesen wir: Im Jahre 1964 – also vor mehr als 50 Jahren – besuchte eine Gruppe junger Franzosen aus Tulle im Departement Corrèze über die Arbeitsgemeinschaft der Sing-, Tanz- und Spielkreise in Baden-Württemberg erstmalig Deutschland.4 Der Name dieser Truppe war Troubadours de Tulle. Dazu muss man wissen, dass es in der französischen Literatur des ausgehenden Mittelalters eine Richtung gab, die als Troubadour-Dichtung gekennzeichnet wird. Es handelt sich um eine Art Liebeslyrik, in der okzitanische Minnesänger etwas Neus finden [frz. trouver – finden, entdecken] oder erfinden möchten. Einer der wichtigsten von ihnen ist Bernard de Ventadour, † um 1200. Dessen eindrucksvolles Schloss liegt etwa 30 km außerhalb von Tulle. Das Schloss Ventadour auf einer Spornlage hoch über dem Zusammenfluss der Flüsse Ardèche und Fontaulière. Die Troubadours de Tulle haben ihrem Ruf folgend Süddeutschland bereist und sind am 21. August 1964 auf Einladung der Albvereinsjugend am 24. August 1964 in Schorndorf in der Schlachthaus- Gaststätte aufgetreten. Begrüßt wurden sie von dem damaligen Beigeordneten der Stadt, Herrn Briegel. 4 https://schorndorf.albverein.eu/unsere-treffen-mit-den-troubadours-de-tulle/
9/34 Die Troubadours in Schorndorf anlässlich ihrer Der Sing- und Tanzkreis des Schwäbischen Albvereins Deutschland-Tournee im August 1964. Sie sind der Schorndorf mit Lucien Lacombe im Vordergrund Ursprung der Partnerschaft zwischen den Gemeinden. Sammlung: privat 1965. Foto: Privat Das Symbol der Städtepartnerschaft zwischen Schorndorf und Tulle im Projekt «Stadt Land Rems 2019», ein Ross- Kastanie für Tulle, der im Partnerschaftswäldch en des Remssportparks gepflanzt wurde. (Foto Pierre COURTEIX, 2019). Eine Geschichte ohne Ende: ein französischer Abend 2019 im Internationalen Flüchtlingszentrum (ZIB) in Schorndorf mit der Tanzgruppe Les Falots (Foto Thomas RÖDER, 2019). Und eine späte Ehrung dazu: im Juni 2019 wurden die Troubadours als Pioniere der Partnerschaft mit Tulle im Rahmen eines Wochenendes der Freundschaft und des Friedens mit der Daimler-Medaille der Stadt Schorndorf ausgezeichnet. Bild: BEBOP MEDIA
10/34 Er führte die Gäste durch die Stadt, wies hin auf die vorausgegangenen Verbindungen zwischen – Schorndorf und Frankreich, vor allem auf Karl Friedrich Reinhard hin, der unter ganz unterschiedlichen Regierungen Frankreich diente und zuletzt zum Pair de France ernannt wurde. Auch drückte Herr Briegel den Wunsch aus, dass nach der Öffnung der deutsch-französischen Grenze vielleicht auch an eine Freundschaft zu denken sei. Am Abend wurde auf dem Marktplatz getanzt und gesungen, und in der Gaststätte danach noch lange in die Nacht hinein gefeiert. Dabei muss es so herzlich zugegangen sein, dass im Jahr danach ein Gegenbesuch stattfinden konnte mit Brief und Geschenk des damaligen Bürgermeisters Bayler [erst ab dem 1. Januar 1967, nach der Ernennung zur Großen Kreisstadt, erhielt der gewählte Chef der Verwaltung den Titel Oberbürgermeister]. Empfang und Aufnahme in Tulle waren überaus herzlich, und zukunftsweisend der Empfang auf dem Rathaus in Anwesenheit sämtlicher Honoratioren der Stadt. Es war ein geschichtlicher Tag, denn solch ein Empfang hatte in Tulle zuvor noch nie stattgefunden. Herr Nübel wurde von Bürgermeister Cane zu einem Privatbesuch eingeladen, und dort entstand der Gedanke an eine Städtepartnerschaft. Wesentlichen Anteil dabei muss Lucien Lacombe gehabt haben; der damals nicht nur Präsident der Tuller Troubadours, 5 sondern auch Vorsitzender der Anciens Combattants war (Vereinigung der ehemaligen Kriegsteilnehmer; diese hatten in der Nachkriegszeit einen hohen politischen Stellenwert). Die Schorndorfer Nachrichten vom 18. 8. 1965 zitieren aus der Tuller Rede Lucien Lacombes: Nicht nur der Mund darf sprechen, sondern das Herz aller muss mitreden, um die zurückliegenden schwarzen Jahre durch den brüderlichen Händedruck deutscher und französischer Jugend zu überdecken. Welche Worte nach so dunkler Vergangenheit! Monsieur Lacombe schloss mit den Worten – Vive l’amitié franco-allemande – Es lebe die deutsch-französische Freundschaft. Bereits 1972 kam Lucien Lacombe zusammen mit vier weiteren Mitgliedern ehemaliger Kämpfer, Deportierten und Widerständler - Charles MONTAGNAC, Robert LORNAC und Albert THOMAS) nach Schorndorf. Dieser Besuch war quasi die Absegnung von höchster Stelle für einen weiteren Ausbau der Partnerschaft. Entsprechend fand einen Monat später der Gegenbesuch des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands statt. Als meine Frau Dorothea Brauch –Horch und ich die Erste Musik- und Tanzvereinigung im Sommer 1977 als Dolmetscher nach Tulle begleitet haben, da konnten wir bei einem von 13 - 17 Uhr 5Laut einer Nachricht in den Schorndorfer Nachrichten vom 8. Mai 1989 trat die Gruppe noch einmal in alter Besetzung in Schorndorf auf. Das Alter war an ihnen nicht spurlos vorbeigegangen, die Kostüme mussten in der Taille erweitert werden. Leider hat sie sich in der Zwischenzeit aufgelöst.
11/34 dauernden Mittag(!)essen hoch oben über Tulle den Charme, den Kenntnisreichtum und die brillante Rhetorik von Lucien Lacombe erleben. Es war ein ganzes Semester in französischer Geschichte, Rhetorik, Gestik und unglaublicher Menschlichkeit in nur vier Stunden. Leider wussten wir damals nichts um seine historische Rolle; hätte er sie auch nur mit einer Silbe erwähnt, hätte das Gespräch bestimmt lange in die Nacht hinein gedauert. Er war vornehm und zurückhaltend genug, um nicht neue Wunden aufzureißen. Mit Fug und Recht können diese Worte eines geschichtserfahrenen, hell- und weitsichtigen Mannes als der Beginn der Bande zwischen Tulle und Schorndorf betrachtet werden. Die Volkstanzgruppe erhielt in Abwesenheit von Bürgermeister Montalat einen Brief von dessen Stellvertreter Gane einen Brief an den Bürgermeister der Stadt Schorndorf, der nach vielen Worten des Dankes auch eine Einladung an Herrn BM Bayler nach Tulle enthielt. Auch der Gemeinderat der Stadt von diesem bedeutenden Besuch unterrichtet. Soweit die Schorndorfer Nachrichten vom 18. August 1965. Gut Ding will Weile haben, sicher auch in Schorndorf, aber wenn es brennt, dann kommt die Feuer- wehr zu Hilfe. Bevor diese aber das Feuer einmal nicht löscht, sondern so recht entfacht, ein kleiner Blick zurück in die Geschichte, um diese Partnerschaft aus Gold noch besser zu verstehen und einschätzen zu können. 3. Historisches zu Tulle und Schorndorf Eingangs wurden die Worte Charles de Gaulles aus dem Londoner Exil erwähnt. Er war Teil der französischen Résistance, die keine Einheit bildete, sondern in sehr viele, auch lokal sehr verteilten Untergruppen ganz unterschiedlicher politischer Couleur organisiert und in drei verschiedenen Dachorganisationen unterteilt war. All diese muss man nicht kennen; gut zu wissen aber ist es, dass es nach dem Krieg Nachfolgeorganisationen gab, die auch in Tulle ihren Sitz hatten. Es waren dies der Verband der Deportierten, die der Alten Kämpfer und der Ehemaligen Widerstandskämpfer. Sehr wichtig zu wissen ist es, dass vier Vertreter dieser Organisationen der Stadt Schorndorf im Oktober 1972 einen Besuch abstatteten, in dem sie sich bei einem Empfang auf dem Rathaus durch OB Bayler für freundschaftliche Bande und Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen einsetzten. Wer auch immer nach Tulle fährt und wer für die Partnerschaften Schorndorfs sich interessiert, der sollte sich dessen bewusst sein. Wann je in der Geschichte ist es vorgekommen, dass das Opfer nach so viel Leid und so unglaublichen Verbrechen seine Hand zu Versöhnung ausgestreckt hat? Lucien Lacombe hat es auf den Punkt gebracht: die Generation des Feuers werde dieses Ziel erreichen (Schorndorfer Nachrichten vom Di 17. Oktober 1972). Nun zurück aber zur Feuerwehr. Feuerwehrkommandant Wilhelm Dobler hat bei einem internationalen Wehr-Treffen in Frankreich bereits im Jahre 1961- also schon VOR der Rede De Gaulles in Ludwigsburg – mit einem Wehrkameraden aus dem Limousin Bekanntschaft gemacht.
12/34 Walter Tinsel, Wilhelm Dobler, Raymond Guignard. © Schorndorfer Nachrichten. Im Mai 1966 besuchte er den Commandant Guignard in Tulle, und auch aus dieser Begegnung entstand echte Freundschaft zwischen den Wehren. Zum Kreisfeuerwehrtag 1966 kam eine Tuller Delegation unter Leitung des StV Tuller Bürgermeisters Marouby und eben auch des Kommandanten Guignard. Auch hier wurde bei einem offiziellen Empfang auf dem Schorndorfer Rathaus der Wunsch nach einer offiziellen Basis dieser Beziehungen bekundet. Sie ließ nicht lange auf sich warten: nach einem Gegenbesuch der Wehr im Oktober 1967 in Tulle mit einem offiziellen Empfang unter Bürgermeister Montalat, der zugleich, französischer Tradition entsprechend, Bürgermeister und Abgeordneter in der Französischen Nationalversammlung und als solcher gleichzeitig Vizepräsident der Französischen Nationalversammlung war, traf sich 1968 OB Bayler mit Jean Montalat im Palais Bourbon, dem Sitz der Nationalversammlung in Paris. Welche Ehre! Oberbürgermeister Bayler und Député-Maire Montalat mit Begleitungen am 22. März 1968 im Palais Bourbon. © Schorndorfer Nachrichten. Bis dahin war es die Auffassung der Stadtverwaltung gewesen, eine Partnerschaft sollte die Angelegenheit der gesamten Bevölkerung und der Vereine und nicht nur behördlich angeordnet und von oben organisiert sein; die Zeit war reif, der Schorndorfer Gemeinderat beschloss, eine Städtepartnerschaft mit Tulle einzugehen, und am 28. Juni 1969 unterzeichneten Bürgermeister Jean Montalat und Oberbürgermeister Rudolf Bayler auf dem Schorndorfer Marktplatz unter großer Anteilnahme der Schorndorfer Bevölkerung die Partnerschaftsurkunden zwischen den beiden Städten.
13/34 Was die wohl für mich machen? Stuttgarter Zeitung vom 30. 6. 1969. Deren Kommentar bringt es auf den Punkt: Eine schönere Kulisse als von den Fachwerkhäusern eingefassten Markplatzes konnte man sich für die Partnerschaftsfeiermit der französischen Stadt Tulle kaum denken. © Schorndorfer Nachrichten. Hier wurde endlich wahr, was von Tulle aus schon lange erwünscht worden, auch von Schorndorfer Vereinen, von der Feuerwehr und Privatpersonen ersehnt worden war: III. Die Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags. Jean Montalat und Rudolf Bayler tauschen die Ein kleiner Gedenkstein erinnert an diese Unterzeichnung. Der Urkunden aus. Platz vor dem Kindergarten Aichenbach heißt nun Tuller Platz. Beide Bilder © Schorndorfer Nachrichten. 1. Wegbereiter Der Weg war nun gebahnt, das von den Troubadours gelegte Korn war aufgegangen und das Tor offen für Versöhnung und Begegnungen aller Art. Waren Musik, Tanz und Folklore Auslöser einer
14/34 keimenden Freundschaft, so zog die Unterzeichnung dieses Vertrages gleich einem großen schweren ins Wasser geworfenen Steines viele weitere Kreise. Zehn Jahre sind schnell vergangen, und zu diesem Zehnjährigen Jubiläum erinnern die Schorndorfer Nachrichten an wichtige Stationen und neue Begegnungen. 1971 kommt der Tuller Bürgermeister Jean Montalat durch einen Unfall um sein Leben. Zur Trauerfeier fährt eine Schorndorfer Delegation nach Tulle. Im Januar 1972 wird in Schorndorf ein Partnerschaftskomitee gegründet, und der neue Tuller Bürgermeister Georges Mouly lädt ein zu einer Partnerschaftsrückfeier im selben Jahr. Georges Mouly selbst kommt im Juli 1973 nach Schorndorf. Im September 1977 feiern der Tuller Bischof Brunon und der Weihbischof Kuhnle eine gemeinsame Messe in Schorndorf. 1979 wird in Tulle gemeinsam gefeiert, und drei Jahre später, 1981, wird die Gegenzeichnung des Vertrags in Schorndorf begangen. 1985 besucht der neu gewählte Schorndorfer OB Reinhard Hanke Tulle und legt am Grabmal der Märtyrer einen Kranz nieder. (Es sei hier ins Gedächtnis gerufen, dass der Gang dorthin für alle Schorndorfer nicht als Pflichtveranstaltung, sondern als Bekenntnis zur Geschichte und als Ehrerbietung an die Märtyrer betrachtet werden soll). 1987 wird die Stadt Schorndorf vom Europarat ausgezeichnet für das große Engagement für die deutsch – französische Freundschaft. Die Stadt erhält die Ehrenfahne des Europarats. Links der Kopf eines hochinteressanten Dokuments, das im Internet unter https://rm.coe.int/09000016807abcd4 eingesehen werden kann. Darin werden schon anno 1982 die zahlreichen Schorndorfer Begegnungsmaßnahmen aufgezählt, die der Stadt für diese Auszeichnung würdig machen. Darin werden auch die Aktivitäten des Club Euro 80 aufgezählt. Ihm wird ein besonders Kapitel gewidmet. Nun werden die Sportler aktiv: 1989 findet in Tulle eine Pfingstolympiade statt, und zwei Monate später organisiert der Tulle-Athletik-Club einen Partnerschaftslauf Tulle – Schorndorf. Im Mai desselben Jahres erneuern die Stadtoberhäupter Jean Combasteil und Reinhard Hanke den Bund der Freundschaft zwischen den beiden Städten. BM Combasteil kommt im Dezember nach Schorndorf, um das 20-jährige Jubiläum vorzubereiten und auch, um den Schorndorfer Weibern seine Reverenz zu erweisen. Er vergleicht, leicht übertrieben, sie mit der Nationalheldin Jeanne d’Arc und hofiert sie mit dem Gedanken, ihrem Charme erliegen zu können.
15/34 Mit ihrer Unterschrift erneuerten 1989 Oberbürgermeister Reinhard Hanke und das Tuller Stadtoberhaupt Jean Combasteil (im Vordergrund links) den Freundschaftsvertrag. Beim Festakt in der Stadthalle „Impasse Latreille“ Sie herzten und sie küssten sich. Schiller und waren auch offizielle Vertreter der beiden Städte anwesend. Beethoven freuen sich: Seid umschlungen Eine Delegation von 200 Einwohnern aus Tulle kam vom 4. bis Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt! 8. Mai 1989 nach Deutschland. © Schorndorfer Nachrichten. Bevor wir offizielle Begegnungen vorläufig verlassen, muss unbedingt ein Ereignis erwähnt werden, über das die Schorndorfer Nachrichten am 17. Oktober 1972 berichten. Das war, zur Erinnerung, schon drei Jahre nach der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags. Um dies besser verstehen zu können, sei daran erinnert, dass Ressentiments gegen Deutsche nicht von heute auf morgen per Vertrag oder Dekret ausgelöscht werden konnten. Menschen und Familien haben ihr eigenes unauslöschliches Gedächtnis. Ein Beispiel: meine Frau und ich durften auf Einladung der Familie Inge und Wolfgang Beck die heute unter dem Namen bekannte Erste Schorndorfer Musik- & Tanzvereinigung e.V. vom 23. – 31. Juli 1977 als Dolmetscher begleiten. 32 junge Musiker und Tänzerinnen machten sich mit Begleitpersonal nach vielen Vorbereitungen mit Hoffnungen und kleinen Ängsten auf den Weg nach Tulle. Sie wurden herzlichst empfangen und hatten viele Auftritte in Tulle und um Tulle herum. Bei einem der Auftritte auf einem der umliegenden Dörfer rief ein mit Unterhemd bekleideter Mann laut aus dem Fenster heraus – A bas les boches (dt. ‚Nieder mit den Deutschen‘, wobei ‚boche‘ als eine diffamierende Bezeichnung gesehen werden muss). „Hass durch Freundschaft ersetzen“ war einer der Titel eines Berichtes der Schorndorfer Nachrichten vom 17. Oktober 1972 über den bemerkenswerten Besuch der Verbände der Ehemaligen Deportierten und der Alten Kämpfer aus der Widerstandsbewegung. Wieder dabei war der großartige Lucien Lacombe, gleichzeitig Präsident der Widerstandskämpfer und Vorsitzender der Troubadours. Sie seien gekommen, um zur Völkerverständigung, zur Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen und zur Vertiefung der freundschaftlichen Bande zwischen beiden Völkern sich einzusetzen. Die Generation des Feuers, so Lacombe, werde dieses Ziel erreichen.
16/34 2. Weitere Wegbereiter Neben den bereits Genannten sollen hier einige weitere Wegbereiter erwähnt werden, die dazu beigetragen haben, aus dieser ganz ungewöhnlichen Partnerschaft eine Jumelage d’Or – eine Goldene Partnerschaft zu machen. 1. Dr. Hans Scheerer - Schulleiter des MPGs von 1955-1976 Dr. Scherer 1972 in Tulle anlässlich einer Fahrt mit einer Schülergruppe zusammen mit Ferdi Bucher †, Walter Stößer und Klaus Bergmann †. Ganz rechts vermutlich Burghild Reble. Herrn Dr. Scheerer kommt das große Verdienst zu, als einer der ganz Ersten den Ausgleich und die Versöhnung mit Frankreich gesucht zu haben. Schon nach seinem Dienstantritt 1955 am damaligen Gymnasium Schorndorf hatte er versucht, über den Rat der Gemeinden Europas einen geeigneten Partner zu finden. Die Zeit war noch nicht ganz reif dazu, und so musste er warten auf den glücklichen Besuch der Troubadours, die alles in Gang gebracht und den Grundstein gelegt hatten. Einen anderen Grundstein hat er im Lehrplan seiner Schule gelegt: das Fach Französisch war privilegiert insofern, als
17/34 es doppelt angeboten wurde, ab Klasse sieben als Zweite Fremdsprache und auch nach Klasse neun als Dritte Fremdsprache. Für Romanisten waren das wahre Eliteklassen, die durch ihren Lateinunterricht die Grundlage des Französischen schon in sich hatten und die sich nun auf das Abenteuer einer freiwilligen Dritten Fremdsprache einließen. In den späten 90er Jahren wurde dies zugunsten von Spanisch als Dritter Fremdsprache aufgegeben. Als Französischlehrer mag man, als Romanist darf man nicht darüber heulen. In Monsieur de Miceli als dem Leiter des Lycée Edmond – Perrier in Tulle fand er einen gleichgesinnten Partner. Die Fahrt 1974 – gut Ding will Weile haben, aber steter Tropfen und zähes Bemühen höhlen den Stein - mit einer großen Gruppe des Orchesters unter Leitung von Gymnasialprofessor G. Weitzel und einer starken Turnerinnengruppe unter der Leitung von Frau Else Scheerer war ein voller Erfolg und für Dr. Hans Scheerer sicher der Höhepunkt all seiner Bemühungen. Seither gehört der Austausch mit Tulle zum Schulleben des Max-Plank-Gymnasiums. Frau Brigitte Cajar wird Näheres darüber berichten. Mit Dr. Scherer anno 1974 auf dem Weg nach Tulle. Else Scherer, Dr. Hans Scherer, Proviseur de Miceli, Bilder: Dr. Erich Brauch unbekannt 2. Abbé Sierra (1936 – 2014) soll hier an erster Stelle erwähnt werden. Er war es, der den wagemutigen Jugendlichen des Clubs Euro 80 anno 1973 geholfen und der auch die Partnerschaft zwischen dem Burg-Gymnasium und der katholischen Privatschule Sainte-Marie auf den Weg geholfen hat. Abbé Sierra handelte aus Überzeugung: Er war 1936 mitten im Spanischen Bürgerkrieg im Süden Madrids geboren, musste mit seiner Familie im Alter von zehn Jahren fliehen und landete in Tulle. Er fühlte sich berufen und wurde 1961 zum Priester geweiht. Nach Studien in Clermont-Ferrant, Toulouse und Paris kam er wieder nach Tulle und wird sozial aktiv. Er gründete ein Jugendzentrum und kümmerte sich um die damaligen Immigranten aus Portugal und Algerien. 2011 konnte er sein 50-jähriges Priesterjubiläum feiern. 2014 ist er im Alter von 78 Jahren in Bayonne verstorben.
18/34 3. Abbé Espinasse (1906 – 1993) Abbé Espinasse ist ein weiterer Leuchtturm in den Beziehungen zwischen Tulle und Schorndorf mit noch tieferen lokalen und historischen Bezügen. Er war Priester in verschiedenen Gemeinden des Départements Corrèze und schließlich in Tulle. Am Tag der Erhängungen wurde er gegen 9:30 Uhr in seinem Haus festgenommen und gebeten, den Opfern geistlich beizustehen. Er hat danach darüber mehrere Bücher geschrieben und wurde 1970 für seine Verdienste von Präsident Jacques Chirac mit dem Band der Légion d’honneur ausgezeichnet. Bild auf dem Titelblatt des Buchs Tulle 9 Juni 1944. Zeugnisse. Der Priester der Gehängten ISBN 978-2-87316-031-9 Eintrag auf der Grabesplatte Hier wird im Mai 1970 Jean Espinasse von Jaques Chirac mit dem Band der Légion d’honneur ausgezeichnet. Foto http://pec9juin.free.fr/Tribune/Images/karheuser/Tull%20kapitel_ok.pdf
19/34 Eine ganz andere Version lesen wir bei Bruno Kartheuser in dessen Buch WALTER, AGENT DU SD À TULLE Tome 4 LES PENDAISONS DE TULLE, ISBN 978-2-87316-031-9 © Edition KRAUTGARTEN. Neundorf 2008. Kartheuser bestreitet vehement die positive Rolle des Abbé Espinasse. Wer sich dafür interessiert, mag weiterlesen unter TULLE ED-KAPITEL-FR: Layout 1 07.01.2009 15:15 Uhr Seite 196. Im November 2014 hielt er in Schorndorf einen Vortrag.6 4. Walter Tinsel Ohne irgendjemand anderem unrecht zu tun, der sich um diesen Austausch bemüht und ihn gefördert hat, muss an dieser Stelle an Walter Tinsel, damals leitender Geschäftsführer der Schorndorfer Firma Mingori, erinnert werden. Er war von Anfang an ein glühender Förderer und Befürworter der Partnerschaft mit Tulle. Meist fein im Nadelstreifenanzug: Walter Tinsel (ganz rechts) m Gespräch mit den Bürgermeistern Georges Mouly und Rudolf Bayler. Sehr gut kann ich mich an seinen Pausenauftritt im Lehrerzimmer des MPGs erinnern, als er im Kollegium und vor allem bei uns Romanisten mit glühenden und eifrigen Worten, teilweise in exzellentem Französisch, für die Aufnahme eines Austausches mit dem Lycée Edmond- Perrier warb. Ebenso warb er im Burg –Gymnasium und an der Gottlieb-Daimler-Realschule Schorndorf – erfolgreich, wie das Bild unten lebhaft belegt. 6 nachzulesen unter http://www.krautgarten.be/kg65/schondorf_21nov14.pdf.
20/34 Wieder hat Walter Tinsel den Weg erfolgreich bereitet – hier den zum Austausch zwischen dem Burg-Gymnasium und dem Lycée Sainte-Marie Jeanne d’Arc in Tulle. Dies ist eine wahrlich historische Aufnahme aus dem Lehrerzimmer des Burg-Gymnasiums im März 1977. Walter Tinsel steht am Fenster als Zweiter von links. Manche Leser werden alte Gesichter erkennen; in der Reihenfolge von links nach rechts den Kunstlehrer Hans-Martin Maier (†), Schulleiter OStD Lothar Freudenberg, Frau Brauch-Horch, der Schulleiter des Lycée Sainte – Marie, Daniel Watremez, sitzend Rüdiger Lenz† und Frau Jeserich, Kollegin und Kollege aus Tulle mit Ulrich Theurer und Peter Gröger (†) dahinter, sitzend Frau Ingeborg Stark, und ganz rechts Martin Ebinger (†).Ganz vorne links sitzend Frau Helga Bucher. Zu beachten auch der Übergang der Mode: Der Schulleiter aus gegebenem Anlass mit Krawatte, ebenso der ältere Herr ganz links, und der Rest dieses ziemlich jungen Kollegiums einer kurz zuvor gegründeten Schule ganz leger. Ubi sunt qui ante nos…? Walter Tinsel war nicht nur Motivator, Organisator und Vorsitzendes Partnerschaftsvereins, sondern hat auch selbst hat als Chef der Firma Mingori GmbH einer Studentin der Universität von Limoges einen Platz als Praktikantin angeboten. Françoise Racle aus Tulle war im Frühjahr 1977 Praktikantin in seiner Firma. Dabei ging es wahrlich ans Eingemachte: wer meistert schon schwierige Übersetzungen technischer Abhandlungen über elektronisch gesteuerte Rohrbiegemaschinen? Im Studium der Romanistik lernt man das nicht; dazu muss man nach Schorndorf zu Herrn Tinsel mit dessen ausgezeichneten Sprachkenntnissen kommen. Was hat Walter Tinsel bewegt, sich derart leidenschaftlich für Versöhnung und Austausch einzusetzen? In einem Gespräch mit seiner Tochter, Frau Cornelia Dieterle, kam folgendes zutage: er war im Grenzland des Elsass zweisprachig aufgewachsen, sprach Französisch fast wie eine zweite Muttersprache, war von Stuttgart nach Schorndorf zur Firma Mingori aufgrund eben dieser seiner Sprachkenntnisse berufen worden, war tätig für die Städte Fellbach und Winnenden bei deren Vorbereitung der Partnerschaften zwischen Tain l’Hermitage im Rhônetal und Albertville in Savoyen. In Schorndorf war er bestens liiert, kannte wichtige Persönlichkeiten wie den Sozialdemokraten Gottlob Kamm und auch die Christdemokraten Johann Philipp Palm wie auch den ehemaligen Oberbürgermeister von Fellbach und späteren Landtagsabgeordneten Guntram Palm. Wenn
21/34 irgendjemand unangemeldet von Tulle nach Schorndorf kam, hat er sie bewirtet und beherbergt und hatte dabei immer auch den finanziellen Rückhalt seiner Firma. Er hat sich für Versöhnung und Austausch verausgabt und erhielt in den 70er –Jahren dafür die Daimlermedaille der Stadt Schorndorf. Ein Tropfen Wermut ist leider auch dabei: der wurde Herrn Tinsel in das Glas seiner philanthropischen Bemühungen gegossen. Die Schorndorfer Nachrichten vom 21. 9. 1977 berichten darüber. Nichts Genaues weiß man darüber nicht; es ging um den Besuch einer Schorndorfer Delegation zur Feier des zehnjährigen Jubiläums in Tulle, bei dem verschiedene Schorndorfer Gruppen auf unterschiedlichen Wegen nach Tulle gelangen wollten. Leiter der Delegation war OB Bayler, aber der war zum offiziellen Termin unauffindbar. Er sei im Café Globe, dem üblichen Treffpunkt in Tulle, hängen geblieben. Walter Tinsel hat das in der Zeitung veröffentlicht, wurde prompt danach vom OB vorgeladen und – undiplomatisch und sicher völlig ungerechtfertigt - mit Vorwürfen abgestempelt und heruntergeputzt. Walter Tinsel stellte dann ab sofort sein Amt als Präsident des Partnerschaftskomitees zur Verfügung (SN, 21.9.1977). Er fühlte sich sicher zu recht allertiefst beleidigt und wollte das Theater mit dem Oberbürgermeister nicht mehr länger mitmachen. 5. Guy Jean-Pierre PLAS (*Brive1955 - † 2018 in Tulle) für Tulle. Ein viel zu früh Verstorbener, der die Früchte seiner Arbeit nicht mehr voll genießen konnte. In der Broschüre zum 50-jährigem Jubiläum lesen wir über ihn u.a., dass er der Vorsitzendes des Tuller Partnerschaftsvereins war, dass sein erster Aufenthalt in Schorndorf 1981 stattgefunden hat und das er danach in ganzen 37 Jahren seine zweite Heimat, seine Zwillingsschwester Schorndorf 36mal besucht hat, um anderen den Weg dorthin zu bereiten. Er war Gelehrter und Kulturfan, in dessen Augen Kunst, Geschichte, Alltag und Reisen eng zusammenhingen. Wie wahr, möchte man da wohl sagen! Seine zahlreichen Schorndorfer Freunde traf er zum letzten Mal im Mai 2018. Die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum konnte er nicht mehr miterleben. Bereits 1994 hatte er die Partnerschaftsmedaille, später auch die Daimlermedaille der Stadt Schorndorf erhalten. Im Jahre 2015 wurde er vom deutschen Konsul in Bordeaux für seine Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft ausgezeichnet. Er sprach sehr gut Deutsch und war ein wichtiger Ansprechpartner für die hiesige Stadtverwaltung und den Partnerschaftsverein unter anderem im Zusammenhang mit der Planung für die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft die schon in vollem Gange waren. Seine Aufgeschlossenheit, seine gute Laune, seine Kenntnisse in der deutschen Geschichte haben die Geschichte des Partnerschaftsvereins geprägt. Er wird immer ein beispielhafter Verfechter für die europäische Idee für alle, die sich für diese Idee begeistern, bleiben.7 7 PV Schorndorf e.V. - Partnerschaftsverein Schorndorf e.V. - Home (pv-schorndorf.de)
22/34 IV. 1994: 25 Jahre Städtepartnerschaft Schorndorf Tulle 1. Erreicht In der Broschüre gleichnamigen Titels berichten u.a. OB Winfried Kübler, BM Jean Combasteil, Georges Delord (Vorsitzender des Partnerschaftskomitees Tulle – Schorndorf), Thomas Röder (heute 1. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der internationalen Partnerschaften Schorndorfs e. V. und einst Vorsitzender des Clubs Euro 80). Später mehr zu ihm. Auszug aus der Broschüre der von der Stadt Schorndorf herausgegebenen Broschüre zum 25- jährigen Jubiläum der Partnerschaft und des Freundschaftsvertrags mit Tulle. Er hatte sich nach der spontanen Fahrt von 17 Jugendlichen des Club Euro 80 nach Tulle um die Fortsetzung des Austausches gekümmert und in Tulle selbst anno 1973 den Tuller Euro 80 gegründet. Gleich im Juli dieses Jahres kamen 40 Tuller Jugendliche nach Schorndorf. Heute (Stand Anfang 2021) hat es einen Austausch zwischen dem Burg-Gymnasium und dem Collège Janson de Sailly in Paris im vornehmen 16. Arrondissement gegeben. Die Gewerblichen Berufsschulen Schorndorfs informieren sich 1979 bei den Kollegen der Staatlichen Berufsschulen über das Berufsschulwesen in Frankreich. Im selben Jahr kann bereits das Zehnjährige Jubiläum dieses Austausches begangen werden. Gefeiert wird vielfältig sowohl in Tulle als auch in Schorndorf. Ca. 50 Mitglieder der Stadtverwaltung, des (damaligen) VfL Schorndorf und – wie immer –der Feuerwehr erlebten in französischen Familien Gastfreundschaft am eigenen Leib. Im Schorndorfer Rathaus gab es am Sonntag den 16. September 1979 eine schlichte Feier dazu. Sicher neu und unerwartet für Schorndorf war der 1977 zum Bürgermeister von Tulle gewählte Jean Combasteil. Er war Kommunist.
23/34 Bürgermeister Jean Combasteil und OB Reinhard Hanke bei der Erneuerung des Freundschafts- vertrages in der Stadthalle von Tulle. Dazu muss man wissen, dass die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) in der Nachkriegszeit einen anderen Stellenwert als die damalige Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hatte; die PCF war am Widerstand gegen die deutsche Besatzung zwischen 1939 und 1944 beteiligt gewesen, während die westdeutsche KPD auf Betreiben der Regierung Adenauer im August 1956 vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde. Hinsichtlich des sicher gewöhnungsbedürftigen Umgangs mit Kommunisten im eher bürgerlichen Schorndorf gab es hinsichtlich der Versöhnung und der Freundschaft keine Grenzen. In den Schorndorfer Nachrichten vom 14. Juni 1982 lesen wir die Überschrift „Bayler und BM Combasteil küssten und herzten sich“. Dabei war auch der neu gewählte OB Reinhard Hanke, der sich bei dieser Zeremonie vornehm zurückhielt. Er selbst empfing im November 1983 eine Delegation der kommunistischen Rathausfraktion von Tulle. Deren Leiter war der Stellvertretende Bürgermeister Tulles, Jacques Fraysse. Das war der Herbst 1983, als in der alten BRD mehr als eine Million Menschen gegen den Doppelbeschluss der NATO protestierten. Auf der nahen Mutlanger Heide demonstrierten Walter Jens und Heinrich Böll, und dass im nahen Schorndorf auch darüber diskutiert wurde – wen wundert es? Einig in Schorndorf war man sich darüber, dass Faschismus nicht ein zweites Mal entstehen solle, dass aber, so OB Hanke, die Wege und Standpunkte verschieden seien.8 Mit dabei bei dieser Diskussion war das DKP – Mitglied Lothar Letsche, der wegen seiner Mitgliedschaft nicht als Lehrer in Baden-Württemberg aufgrund des damals herrschenden Radikalenerlasses unterrichten durfte. Wer sich für diesen Themenkreis interessiert, möge nachschauen unter9. Ebenso locker sah dies OB Hankes Nachfolger OB Winfried Kübler. 8 Schorndorfer Nachrichten vom 2. November 1983 , 9 http://www.berufsverbote.de/tl_files/docs/F-Letsche-Website.pdf
24/34 2. Wer hat sich noch am Austausch sich beteiligt? Nachdem die gewählten Häupter beider Städte dem Gedanken des Austausches den äußeren Rahmen gegeben hatten, erfüllte volles Leben rasch Raum und Zeit. Erwähnt werden sollen alle Bürgermeister und Oberbürgermeister, die dies ermöglicht haben. In Tulle waren es Jean Montalat (1959 bis zum Unfalltod 1971), dann Georges Mouly (1971 – 1977), danach Jean Combasteil (1977 – 1995), danach Raymond-Max Aubert (1995 – 2001), es folgte François Hollande von 2001 – 2008, später Präsident der Republik von 2012 – 2017, und dann kam Bernard Combes im Jahre 2008. Er sitzt noch heute (Stand November 2020) auf seinem Sessel. Alter Charmeur: Frankreichs neuer Präsident Hollande Beim Gedenkmarsch in Tulle: Schorndorfs OB Klopfer war war im Jahr 2003 im Schorndorfer Stadtmuseum. am 13. Juni 2016 dabei, als Staats-präsident Fr. Hollande mit BM Bernard Combes und Tausenden von Tuller Bürgern Foto: AP beim Gang durch die Stadt der Erhängungen vom 9. Juni 1944 gedachte. © Jamuna Siehler Ein wahrhaft historischer Augenblick: Schorndorfer Ausstellungsmesse 2003. François HOLLANDE, Bürgermeister von Tulle, machte die Reise mit einer Tuller Delegation, sie besuchten zusammen den Tuller Info-Stand. (Foto Frank BARRAT- ARNAL, 2003) Links OB Kübler, in der Mitte BM Hollande, rechts Frau Heiderich. Sie war als Dolmetscherin immer zur Stelle und hat in den Schorndorfer Nachrichten über Neues aus Tulle immer berichtet.
25/34 Im Schorndorfer Heimatmuseum zeigen die Schorndorfer Weiber Politikern ganz unterschiedlicher Couleur, wo’s lang geht: dem Sozialisten François Hollande, dem Konservativen Winfried Kübler und dem Kommunisten Jean Combasteil. Und wie gefügig sie dastehen! Barbara Künkelin hätte ihre wahre Freude an ihnen. So funktioniert gute Partnerschaft über alle Grenzen hinweg! Bild: Broschüre Tulle – Schorndorf. 50 ans d’amitié. Online Einsehbar unter ww.schorndorf.de › stadtnachrichten › stadtnachrichten 3. Der Club Euro 80 Der Name dieses heute nicht mehr existierenden Clubs wurde bereits erwähnt. In der Broschüre der Stadt Schorndorf zum 25-jährigen Jubiläum des Austausches berichtet Thomas Röder selbst. Hören wir ihm sinngemäß zu: In Fortführung und Konkretisierung des Appels De Gaulles an die Deutsche Jugend fuhren im Juni 1972 17 Schorndorfer Jugendliche auf eigene Faust während der offiziellen Feierlichkeiten zur Gegenzeichnung des Partnerschaftsvertrages nach Tulle. Sie wurden integriert in das offizielle Rahmenprogramm und waren sich rasch darüber einig, dass dieser Besuch keine Eintagsfliege bleiben könne. Der Club Euro 80 wurde spontan gegründet, und ein Jahr später erfolgte unter der Ägide des Abbé Sierra (1936 – 2014) die Gründung des Euro 80 in Tulle. 1974 begannen die Begegnungen: 40 Tuller kamen nach Schorndorf, 15 Schorndorfer fuhren nach Tulle. 1975 war der Ausgleich geschaffen – je 40 Teilnehmer fuhren hin und her. In unterschiedlicher Weise ging dies so weiter. 1978 konnte ein eigener Clubraum in der alten Manufaktur in der Gmünder Straße erworben und hergerichtet werden. Viel wurde dort referiert, diskutiert, musiziert und kulinarisch gegessen und sicher auch getrunken. 1981 erhielt der Club für seine nicht nur auf Tulle, sondern auf ganz Europa ausgerichteten Aktivitäten den Europapreis des Landkreises Rems – Murr 10 . Die Schorndorfer Nachrichten vom 19. 2. 1987 berichten über eine von EURO 80 gestaltete Fotoausstellung im Schorndorfer Rathaus zum Thema Tour de Tulle – Reiseimpressionen von der Partnerstadt. OB Hanke lobte die Mitglieder des Clubs mit den Worten – Sie haben während der letzten 15 Jahre mit viel Einsatz daran mitgewirkt, dass auch die nachfolgenden jüngeren Generationen in die Partnerschaft unserer beiden Städte hineingewachsen sind. Der Vorsitzende des Euro 80 Andreas Spätgens – ein Ehemaliger des MPGs – kommentierte dies sinngemäß damit, dass Euro 80 einen Beitrag zum Frieden in Europa geleistet habe. Zehn offizielle Fahrten seien unternommen worden, an denen über 500 Teilnehmer mitgewirkt hätten. Das hat wahrlich den Europapreis des Landkreises verdient. Aber 10 https://rm.coe.int/09000016807abcd4 Prix de l'Europe : Supplément d'information concernant la candidature de Schorndorf (Bade- Wurtemberg) République Fédérale d'Allemagne (coe.int)
26/34 schon an Ostern 1979 hatte es sich abgezeichnet, dass der Tuller Euro 80 dem Ende nah war: die der Jugend geschuldete Abwanderung und fehlender Nachwuchs führten dazu, dass der Verein aufgelöst wurde. Der Euro 80 Schorndorf wandte sich anderen Zielen zu, gab aber 1984 den Raum in der Manufaktur auf.11 Aber Euro 80 Schorndorfer machte weiter. 1985 wurde wieder eine Fahrt nach Tulle unternommen mit dem Ziel, der Aufarbeitung der Ereignisse in Tulle kurz vor Kriegsende. Der Abbé Espinasse, ein Zeuge des Massakers von Tulle, war in Schorndorf gewesen. Infos In unregelmäßigen Abständen berichtet Frau Annemarie Heiderich über Tulle in den Schorndorfer Nachrichten unter der Rubrik Neues aus Tulle. Für Tulle und Umgebung ist dafür zuständig das Journal Nouvelles des Jumelages. Unter https://www.agglo-tulle.fr/ ist es einfach zu erreichen. V. Austausch konkret 1. MPG Schorndorf Wie fühlt es sich an, wenn junge Menschen zum ersten Mal in einem fremden Haushalt untergebracht werden, mit Gleichaltrigen, deren Sprache sie nur wenig kennen? Auf der Homepage des MPGs lesen wir dies: Beim ersten Austausch war es so: Die Deutschen standen nach dem Aussteigen auf der einen Seite, die Franzosen mit ihren Eltern auf der andern Seite. Die französische Deutschlehrerin, Mme Delmas, las nacheinander die Namen auf ihrer Liste vor: die französischen und deutschen Partner/innen traten in die Mitte, und nach Küsschen rechts und links wurde das Gepäck ins Auto geladen, dann starteten unsere Schüler/innen ins Unbekannte: Verstehe ich überhaupt irgendetwas? Ist mein „corres“ „sympa“? Finde ich ein ordentliches Bett mit Kissen und Decke vor? Wird mir das Essen schmecken? Wohnt die Gastfamilie weit draußen auf dem Land? Bemerkenswert, dass es mit ganz wenigen Ausnahmen immer gut ging. Manchmal sind Freundschaften übers Abitur hinaus entstanden; etliche Schüler/innen haben sich für den längeren Brigitte-Sauzay-Austausch mit Aufenthalt und Schulbesuch von mehreren Wochen in der Partnerstadt entschieden. So steif wie beim ersten Mal ist es nachher nie wieder zugegangen, denn schon ab der sechsten Klasse beginnen die Schüler/innen mit Brieffreundschaften, übers Internet werden Interessen und Fotos ausgetauscht, und jetzt bildet sich bei der Ankunft immer ein dicker Knäuel, aus dem dann die Familien mit ihren Gästen selbst erfolgreich herausfinden. Der Austausch ist eine Erfolgsgeschichte… Wie wahr! Mehr dazu im Bericht von Frau Brigitte Cajar. Hier soll nun exemplarisch über einen Austausch berichtet werden, an dem der Autor und dessen Frau im Juli 1977 als Dolmetscher beteiligt waren. Es handelt sich um den ersten Besuch in Tulle mit einer bemerkenswerten Vereinigung. 11 Die Ikone alternativer Kultur wurde 1992 abgerissen.
Sie können auch lesen