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Länderporträt Mexiko

     Mexiko von A bis Z

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       Aztekischer Tiger

     In der internationalen Wirtschaftspresse und unter Investoren steht Mexiko
     hoch im Kurs. So hoch, dass die angesehene Financial Times dem Schwellen-
     land in Anlehnung an die „asiatischen Tiger“ den Spitznamen „aztekischer
     Tiger“ verlieh. Unter Verweis auf Industriehochburgen wie das „mexikanische
     Silicon Valley“ Guadalajara lobte New-York-Times-Kolumnist Thomas Fried-
     man Mexiko im Februar 2013 als das Land, das statt China oder Indien „im
     21. Jahrhundert wirtschaftlich den Ton angeben“ werde. Im Global Competi-
     tiveness Report 2013/2014 schnitt Mexiko besser ab als Brasilien und Indien.
     Und Anfang 2013 erwog die Ratingagentur Standard & Poor’s sogar, ob man
     die Bewertung mexikanischer Staatsanleihen („BBB“) nicht nach oben korri-
     gieren müsse.
         Tatsächlich spricht vieles für Mexiko als Investitionsstandort: vor allem der
     Kostenfaktor und die räumliche Nähe zu den Vereinigten Staaten. Im Manufac-
     turing Outsourcing Cost Index des Beratungsunternehmens Alix Partners
     (2011) rangierte Mexiko deutlich vor China, Indien und Vietnam als günstigs-
     ter Standort für die Belieferung des US-Marktes. Hinzu kommt eine mittlerwei-
     le auf 30 bis 40 Millionen Menschen geschätzte Mittelschicht, deren Kaufkraft

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Von A bis Z

stetig wächst. Vor dem Hintergrund von zwölf Freihandelsabkommen mit
44 Ländern legte der internationale Handel zuletzt deutlich zu – aber auch
­finanzielle Engagements und die Direktinvestitionen in Mexiko.
     Mexikanische Aktien und Anleihen sind neuerdings gefragt: Allein in den
 ersten neun Monaten 2012 kauften ausländische Investoren laut Financial
 Times Papiere im Wert von rund 57 Milliarden Dollar. Gingen die ausländi-
 schen Direktinvestitionen nach den stärkeren Jahren 2010 und 2011 (22,6 und
 23,6 Milliarden Dollar) 2012 zwar auf 15,5 Milliarden Dollar zurück, ist für
 2013 vermutlich ein neuer Rekordwert zu verbuchen. Nach Angaben des me-
 xikanischen Wirtschaftsministeriums beliefen sich die Investitionen zwischen
 Januar und September 2013 auf 28,2 Milliarden Dollar und überboten damit
 sogar deutlich den bisherigen Höchstwert von 2007 (31,5 Milliarden Dollar).
 Dabei fiel das Großgeschäft des in Belgien ansässigen globalen Getränkegigan-
 ten Anheuser-Busch InBev stark ins Gewicht, der im Mai 2013 die Grupo
 Modelo (u.a. Corona) für etwa 15 Milliarden Dollar übernahm.
     Mexikos Fertigungsindustrie ist insgesamt größter Nutznießer: Zwischen
 1999 und 2012 flossen 43,9 Prozent der Investitionen in diesen Sektor, gefolgt
 von Finanzdienstleistungen (19,1 Prozent), Handel (9,5) und Kommunikation
 (4,9). Die Hälfte stammt aus den USA, gefolgt von den Niederlanden (13,9 Pro-
 zent), Spanien (13,6), Kanada (4,6) und Großbritannien (2,5). Deutschland
 liegt mit 2,1 Prozent auf Rang 7.
     Vor allem die Luft- und Raumfahrt- sowie die Automobilbranche sind schon
 lange wichtige Investitionsmagneten. Weltweit zieht Mexiko die meisten aus-
 ländischen Direktinvestitionen im Fertigungsbereich der Luft- und Raumfahrt­
 industrie an; von 1990 bis 2009 beliefen sie sich auf insgesamt 33 Milliarden
 Dollar. Das Absatzvolumen der Luft- und Raumfahrtindustrie lag 2012 bei 3,8
 Milliarden Euro und soll bis 2015 auf 5,6 Milliarden Euro steigen, berichtete El
 Economista im September 2013. Schon seit 2004 wächst der mexikanische
 Luft- und Raumfahrtsektor jährlich um durchschnittlich 20 Prozent. Die meis-
 ten der mittlerweile 270 vor Ort tätigen Unternehmen sind in den Bundesstaa-
 ten Baja California, Sonora, Querétaro, Nuevo León und Chihuahua angesie-
 delt. Geringere Produktionskosten und gut qualifizierte Arbeitskräfte verspre-
 chen auch weiterhin Wachstum.
     Auch Mexikos Automobilindustrie boomt: 2011 liefen 2,6 Millionen und
 2012 2,9 Millionen Personenkraftwagen vom Band. Nach Angaben von Ger-
 man Trade and Invest kündigt sich für 2013 ein weiterer Produktionsrekord
 an. Das liegt unter anderem an den Kosten für Pkw-Exporte: Sie sind geringer
 als in den Wettbewerbsländern China und Indien. Neben den niedrigen Kosten
 bietet die Anbindung des mexikanischen Pesos an den amerikanischen Dollar
 zudem Währungsstabilität – ein wichtiger Grund, warum Unternehmen wie
 VW, Audi, General Motors, Toyota, Honda, Nissan und Mazda dort expandie-
 ren wollen. Noch stärker als der Export wuchs aber zuletzt mit 8 Prozent der
 Inlandsabsatz von PKW, was auch neuen Bemühungen der Regierung geschul-
 det war, Gebrauchtwageneinfuhren zu regulieren. So konnten im ersten Halb-
 jahr 2013 bereits 8,6 Prozent mehr Autos als im Vorjahr verkauft werden.

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Länderporträt Mexiko

        Zu den Autobauern, die auf Mexiko als Zukunftsmarkt und Produktions­
     standort setzen, gehört auch Audi: Mitte 2013 begannen die Bauarbeiten für
     ein neues Werk in San José Chiapa, wo ab 2016 bis zu 150 000 SUVs der Marke
     Q5 vom Band laufen sollen. Insgesamt wird die Zahl deutscher Unternehmen,
     die in Mexiko aktiv sind, auf 1000 geschätzt; sie sind vor allem in den Sparten
     Automobil- und Zulieferindustrie, Pharma und Chemie engagiert.
        Offiziellen Statistiken zum Trotz dürfte Deutschland hinter den Vereinig-
     ten Staaten zweitwichtigster Investor in Mexiko sein (viele Geschäfte werden
     über die Niederlande oder ausländische Tochterunternehmen abgewickelt).
     Nach Schätzungen der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskam-
     mer (CAMEXA) beläuft sich der Investitionsbestand aus Deutschland insge-
     samt auf 25 Milliarden Dollar. Die deutschen Firmen beschäftigen mehr als
     120 000 Mitarbeiter in Mexiko. Cluster mit starker deutscher Prägung haben
     sich in der Kfz-Produktion in Puebla und Querétaro sowie im Chemiesektor in
     Toluca gebildet.

     Ausländische Direktinvestitionen                                                               IP|03/04|14

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           1995         1997   1999   2001   2003     2005          2007         2009         2011          2013
                                                    Quelle: Weltbank; für 2013 Prognose der mexikanischen Regierung

     Der Optimismus der Investoren wird allerdings nicht überall geteilt. In der
     Bevölkerung zumindest ist die Zukunftseuphorie noch nicht angekommen.
     46 Prozent der Befragten einer Umfrage von Anfang 2012 beurteilten die wirt-
     schaftliche Entwicklung positiv; 2006, beim Regierungsantritt Caldérons,
     waren es noch 56 Prozent. Auch mit dem Spitznamen der Financial Times ha-
     derten manche. Tiger, wandte Sergio Saramiento, Kolumnist der mexikani-
     schen Tageszeitung Reforma, ein, gäbe es in Mexiko ja gar nicht.

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Von A bis Z

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  Bildung

Eine schnell wachsende, vergleichsweise junge Bevölkerung (das Durch-
schnittsalter liegt bei 27 Jahren) und verkrustete Strukturen erfordern eine
grundlegende Reform des mexikanischen Bildungssystems. Diese ist auch ein
wesentlicher Bestandteil des „Pakts für Mexiko“ – der umfassenden Reform-
vorhaben von Staatspräsident Enrique Peña Nieto. Nennenswerte Erfolge sind
allerdings noch nicht vorzuweisen.
    Dabei erlebt das Land so etwas wie einen Bildungsboom. Unter den OECD-
Ländern verzeichnet Mexiko das größte jährliche Wachstum an Absolventen
der Sekundarstufen. Waren es im Jahr 2000 noch 33 Prozent, die einen mit der
„Mittleren Reife“ vergleichbaren Abschluss anstrebten, geht man heute davon
aus, dass unter den jungen Mexikanern fast die Hälfte einen solchen Abschluss
erzielt. Laut OECD-Bericht „Education at a Glance“ (2013) hat sich binnen
einer Generation die Anzahl der Schulabschlüsse insgesamt verdoppelt. Auch
die Zahl der Studierenden wächst: 2011 lag die Quote der Schüler eines Jahr-
gangs, die einen Hochschulabschluss erreichten, bei 21 Prozent; 2005 waren es
nur 17 Prozent. Damit liegt Mexiko allerdings weiter hinter regionalen Kon-
kurrenten wie Chile (24 Prozent) und weit unterhalb des OECD-Durchschnitts
(39 Prozent).
    Der OECD-Bericht zeigt aber auch die Missstände auf. In Bildungstests er-
füllt zum Beispiel nur die Hälfte der mexikanischen Jugendlichen die Grund­
voraussetzungen in Mathematik; ungleich ärmere Länder wie Aserbaidschan
oder Thailand erreichen bessere Werte. Die Alphabetisierungsrate beträgt
93,5 Prozent, bei indigenen Volksgruppen liegt sie mit 73 Prozent allerdings
deutlich niedriger. Im jüngsten Pisa-Test (2012) wiesen die Ergebnisse von
Mexikos Schülerinnen und Schülern nur minimale Verbesserungen gegenüber
den Werten von 2009 auf: Das Niveau in Sachen Mathematik (413, plus drei
Punkte), Lesekompetenz (424, plus einen Punkt) und Naturwissenschaften
(415, plus einen Punkt) blieb praktisch unverändert.
    Besorgniserregend ist aber auch der Anteil der „ni estudian, ni trabajan“:
Nach Angaben der Regierung besuchen 12 Prozent der 15- bis 24-Jährigen
weder eine Schule oder Universität noch haben sie einen Ausbildungs- oder
Arbeitsplatz. Zudem stecken viele junge Menschen in Niedriglohnarbeit fest

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Länderporträt Mexiko

     Immatrikulationsrate                                                                   IP|03/04|14

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               1991     1993      1995      1997      1999   2001   2003   2005   2007    2009      2011
     * Anteil der Abiturienten, die ein Studium aufnehmen                                  Quelle: Weltbank

     oder rutschen sogar in die Illegalität ab. Als Gegenmaßnahme versucht die Re-
     gierung, sie mithilfe von Arbeitsprogrammen und Stipendien von den Drogen-
     kartellen fernzuhalten. Dies scheint erste Früchte zu tragen; zumindest konsta-
     tierte der jüngste Pisa-Bericht Verbesserungen in Sachen Chancengleichheit.
         Zwar ist die Zahl der Universitätsabsolventen noch vergleichsweise gering,
     viele der großen Universitäten – die Universidad Nacional Autónoma de Méxi-
     co (UNAM) mit über 330 000 Studierenden, die zu den besten zehn Universi-
     täten Lateinamerikas gezählt wird, die Universidad de Guadalajara (209 400
     Studierende) und das Instituto Politécnico Nacional (149 400), das Colegio de
     México sowie die privaten Universitäten Tecnológico de Monterrey, Universi-
     dad Iberoamericana und die Universidad de Valle de México – genießen einen
     guten Ruf und können den Bedarf an Hochqualifizierten in expandierenden
     Sektoren wie Luft- und Raumfahrtindustrie sowie Automobilindustrie allmäh-
     lich decken. „Mexiko ist heute das Land der gut ausgebildeten Arbeitskräfte“,
     konstatierte Bloomberg Businessweek im September 2013 überschwenglich.
         Größtes Hindernis für Reformen ist das verkrustete Schulsystem. Höhere
     Ausgaben allein haben in der Vergangenheit wenig bewirkt: Mexiko gibt bereits
     vergleichsweise viel für sein Bildungssystem aus, wobei der größte Teil in Leh-
     rergehälter fließt. Das liegt vor allem an der mächtigen Lehrergewerkschaft
     SNTE (Sindicato Nacional de Trabajadores de la Educación) – die größte in
     Lateinamerika (siehe auch den Eintrag „Gewerkschaften“, S. 31 ff.). Seit 1988
     wurde die SNTE von Elba Esther Gordillo geführt, die sich gerne „La Maestra“,
     „die Lehrerin“, nennen lässt. Schon eine 2008 von Peña Nietos Vorgänger Cal-
     derón verabschiedete Bildungsreform, die unter anderem Befähigungsüberprü-
     fungen von Lehrern vorsah, wurde auf Druck der Gewerkschaft völlig ent-
     schärft. Auf die Reformvorhaben Peña Nietos, die unter anderem eine stärkere

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Von A bis Z

Kontrolle von Schulen und Lehrern vorsehen, reagierte die Gewerkschaft mit
militanten Streiks und Demonstrationen, und wendete sich damit auch gegen
ein Ende von Unsitten wie die, dass gut bezahlte und damit begehrte Lehrer-
posten weiterhin schlicht vererbt oder an „Bewerber“ verkauft oder versteigert
werden können, die über keinerlei Qualifikationen verfügen.
   Allerdings scheint es die Regierung ernst zu meinen: Im Februar 2013,
einen Tag nach der Vorstellung der Reformen, wurde Gordillo wegen des Ver-
dachts der Untreue in Millionenhöhe verhaftet.

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  Frauen

Die Situation mexikanischer Frauen verbessert sich stetig, doch sind sie gerade
im wirtschaftlichen Bereich von einer Gleichberechtigung noch weit entfernt.
Im Gender Gap Report (2013) nimmt Mexiko mit einem Wert von 0,6977 (auf
einer Skala von 0 bis 1) Platz 64 (von 136) der Weltrangliste ein; im direkten
Vergleich steht es damit um die Gleichberechtigung von Frauen schlechter als
in 15 anderen lateinamerikanischen Staaten.
    Immerhin konnte sich Mexiko gegenüber dem Vorjahr um 16 Plätze verbes-
sern. Das liegt vor allem an der stärkeren Beteiligung von Frauen am politi-
schen Prozess: Erst seit 1952 haben mexikanische Frauen das Wahlrecht, in der
Politik spielten sie lange kaum eine Rolle. Seit 1995 gibt es aber Quotenricht­
linien für Parteien, und mittlerweile müssen 40 Prozent der für den Senat
vorgeschlagenen Kandidaten Frauen sein. Im Zuge der Wahlen von 2013 stieg
der weibliche Anteil unter Parlamentariern von 26 auf 37 Prozent. Im Oktober
2013 nahm Peña Nieto als erster Präsident des Landes die Gleichstellung von
Männern und Frauen in den nationalen Entwicklungsplan auf, was auf weitere
Reformen hoffen lässt.
    Geht es um Teilhabe am Wirtschaftsleben, bestehen allerdings noch immen-
se Defizite: In dieser Kategorie liegt Mexiko auf Rang 111 (von 136). Die Un-
gleichbehandlung zeigt sich unter anderem bei der Bezahlung: Frauen haben im
Durchschnitt ein Jahreseinkommen von ungefähr 10 000 Dollar, Männer ver-
dienen hingegen mehr als das Doppelte. Dass die Arbeitslosenquote für Frauen
mit 4,9 Prozent (2012) nur geringfügig über der von Männern liegt, ist aller-

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Länderporträt Mexiko

     dings irreführend: Laut OECD werden lediglich 47,8 Prozent der Frauen im
     Alter von 15 bis 64 Jahren als erwerbsfähig eingestuft, deutlich weniger als
     Männer (78,9 Prozent).
        Veränderungen lassen sich aber beispielsweise an der gesunkenen Gebur-
     tenrate ablesen: Bekam eine Mexikanerin 1960 noch durchschnittlich 6,8 Kin-
     der, sind es heute nur noch 2,2. Damit hat sich das Land der Entwicklung bei
     seinen nördlichen Nachbarn angenähert. Prognosen zufolge wird die Geburten-
     rate schon bald unter der derzeitigen Rate der USA (1,9) liegen. Nur das
     Durchschnittsalter bei der ersten Geburt hat sich nicht merklich geändert: Mit
     21,3 Jahren (2009) sind Mexikos Mütter im OECD-Vergleich die mit Abstand
     jüngsten – entgegen des weltweiten Trends, nach dem die meisten Frauen
     immer später Mütter werden.
        Schockierend ist weiterhin das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen. Laut
     eines Berichts des Nationalen Instituts für Statistik (INEGI) werden 67 Pro-
     zent der Frauen im Alter über 15 Jahren Opfer von Gewalt (2011), die in über
     der Hälfte aller Fälle vom Partner ausgeht. Darüber hinaus ist die Zahl so ge-
     nannter „Feminizide“ – Morde, bei denen das Tatmotiv in erster Linie bei der
     grundsätzlichen Geringschätzung von Frauen zu finden ist – stark gestiegen.
     Im Norden des Landes, der Hochburg des organisierten Verbrechens, wird mitt-
     lerweile alle 20 Stunden eine Frau ermordet. Diskriminierung von und Gewalt
     gegen Frauen sind in der Gesellschaft verankert: Fast ein Viertel der befragten
     Männer sehen die Ursache von Vergewaltigungen im provokativen Verhalten
     der Opfer; 40 Prozent sind der Ansicht, Frauen sollten einer ihrem Geschlecht
     angemessenen Arbeit nachgehen.

     Geburtenrate                                                                                                                          IP|03/04|14

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                                                                                                                                                 2009

                                                                                                                                                        2011

                                                                                                                                          Quelle: Weltbank

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Von A bis Z

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  Gewerkschaften

Mexikos Gewerkschaftskultur ist traditionell stark fragmentiert. Heute existieren
weit über 1000 verschiedene Gewerkschaften, die wiederum in mehreren Dach-
verbänden organisiert sind. Die größten offiziellen Dachverbände sind die „Con-
federación de Trabajadores de México“ (CTM) und die „Confederación Revoluci-
onaria de Obreros y Campesinos“ (CROC, Revolutionäre Vereinigung der Arbeiter
und Bauern). Beide Gewerkschaftsverbände sind außerdem Mitglieder im „Con-
greso del Trabajo“ (CT), der alle ehemals staatsnahen Gewerkschaften umfasst;
die stehen damit der Regierungspartei PRI so nahe, dass sie schwerlich als selbst-
ständige Institutionen bezeichnet werden können.
    Neben der Gewerkschaft der Ölarbeiter ist die Lehrergewerkschaft („Sindi-
cato Nacional de Trabajadores de la Educación“, SNTE) eine der wichtigsten
und mächtigsten Gewerkschaften Mexikos und mit über 1,5 Millionen Mitglie-
dern gleichzeitig die zahlenmäßig größte Gewerkschaft Lateinamerikas. Ihre
langjährige Vorsitzende Elba Esther Gordillo war wichtige Mehrheitsbeschaffe-
rin von Calderón und Gegenspielerin von Peña Nieto. Wie auch in anderen
Gewerkschaften griffen in der SNTE Korruption und Missmanagement um
sich: Im Februar 2013 wurde Gordillo nach der Landung ihres Privatjets auf
einem mexikanischen Flughafen verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft der
Besitzerin mehrerer Villen vor, insgesamt zwei Milliarden Pesos (circa 119 Mil-
lionen Euro) veruntreut zu haben (siehe auch den Eintrag „Bildung“, S. 27 ff.).
    Unabhängige Gewerkschaften sind dagegen zahlenmäßig in der Minderheit:
Weniger als ein Fünftel der Gewerkschaften sind keinem der offiziellen Dach-
verbände zugeordnet. In diesen Verbänden, deren größter Dachverband die
„Union Nacional de Trabajadores“ (UNT) ist, sind rund ein Drittel der mexi-
kanischen Gewerkschaftsmitglieder vertreten. Die UNT wird allerdings weder
im offiziellen Register des Arbeits- und Sozialministeriums noch beim CT ge-
führt und hat dadurch nur einen begrenzten Einfluss auf die Politik. Insgesamt
ist der Organisationsgrad eher gering: Nur 13 Prozent der Beschäftigten enga-
gieren sich in einer Gewerkschaft, womit die Rate deutlich unter dem OECD-
Durchschnitt von 17,5 Prozent liegt.
    Unabhängigen Gewerkschaftsmitgliedern werden regelmäßig Steine in den
Weg gelegt. Zwar sind im Gesetz sowohl das Recht, sich in einer Gewerkschaft zu

IP • März /April 2014                                                                31
Länderporträt Mexiko

     Genehmigte Streiks                                                                                     IP|03/04|14

     [Anzahl]

     150

     100

      50

       0
                1991   1993   1995   1997   1999   2001      2003       2005        2007       2009       2011       2013
                                                          Quelle: Mexikanisches Ministerium für Arbeit und soziale Wohlfahrt

     organisieren, als auch das Streikrecht verankert. Faktisch aber verhindert die Re-
     gierung die Bildung neuer, unabhängiger Arbeitnehmervertretungen; Initiativen
     werden oft bürokratisch erstickt. Stattdessen arbeiten der staatlich geförderte
     CTM, aber auch andere, der CT-zugehörige Gewerkschaften und Verbände regel-
     mäßig mit großen Unternehmen zusammen, vor allem an der Grenze zu den USA
     – nicht, um bessere Arbeitsbedingungen für die Mitglieder zu erreichen, sondern
     um die Entstehung von unabhängigen Gewerkschaften zu erschweren. 80 Pro-
     zent der Verträge zwischen Unternehmen, in denen nur jeweils eine Arbeitneh-
     mervertretung aktiv sein darf, und Gewerkschaften sind so genannte „Contratos
     de Protección“ – Schutzverträge, die unabhängige Gewerkschaftsarbeit verhin-
     dern sollen und die ohne Wissen oder Mitsprache der Belegschaft geschlossen
     werden. Verbreitet ist auch die Praxis, mithilfe der Großgewerkschaften „Schein-
     vertretungen“ zu bilden, deren behördliche Registrierungen dann Eigeninitiati-
     ven der Belegschaft einen bürokratischen Riegel vorschieben.
         Prominente Vertreter der parteinahen Gewerkschaften sind oft in Personal-
     union Funktionäre der regierenden PRI oder sogar Regierungsmitglieder. Um-
     gekehrt greift die Regierung regelmäßig in interne Angelegenheiten der Ge-
     werkschaften ein, beispielsweise bei der Nominierung von Gewerkschaftsfüh-
     rern. So wurde Napoleón Gómez Urrutia, Präsident des „Sindicato Nacional de
     Trabajadores Mineros, Metalúrgicos y Similares de la República Mexicana“
     (SNTMMSRM), 2006 vom Arbeits- und Sozialministerium abgesetzt. Als
     Grund wurden Korruptionsvorwürfe genannt, doch lag der Verdacht nahe, dass
     die Regierung mit Gómez Urrutia, der viele Missstände in der Arbeitspolitik
     anprangerte, einfach einen unbequemen Gewerkschaftler loswerden wollte.

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Von A bis Z

    Die Anzahl von landesweiten Streiks hat sich seit 1990 kontinuierlich ver-
ringert – waren es jährlich über 100 angemeldete Streiks (1990 waren es gar
150), sank deren Anzahl drastisch auf nur noch 18 Streiks im Jahr 2013. Die
Regierung erklärt dies mit einer generellen Zufriedenheit mit den geltenden
Arbeitsgesetzen. Kritiker wollen darin eine zu restriktive Politik gegenüber der
Arbeitnehmerschaft sehen. Im letzten großen Streik, der international Auf-
merksamkeit erregte, protestierte die SNTE im August 2013 militant gegen die
Bildungsreform. In mehreren Bundesstaaten fiel der Unterricht längere Zeit
aus, Mexiko-Stadt war zeitweilig lahm gelegt.
    Der größte Erfolg der mexikanischen Gewerkschaftsbewegung liegt weit
zurück: Am 18. März 1938 verkündete der damalige Präsident Lázaro Cárdenas
nach langen Verhandlungen mit der Ölarbeitergewerkschaft die Verstaatlichung
aller ausländischen Ölfirmen. In der Folge wurden das staatliche Öl­unternehmen
Pemex gegründet und der 18. März zum nationalen Feiertag („Aniversario de
la expropiación petrolera“) erklärt. Seit 2013 aber scheint auch dieser Erfolg zu
verblassen: Mit der Entscheidung der Regierung, Pemex für private Investitio-
nen zu öffnen, soll der Gigant endlich wieder wettbewerbsfähig gemacht wer-
den. Die Verstaatlichung wird damit praktisch rückgängig gemacht.

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  Infrastruktur

Mexikos Straßen und Autobahnen sind die Hauptverkehrsadern des Landes,
Busse das beliebteste und meistgenutzte Verkehrsmittel. Das Streckennetz ist weit
verzweigt und leistungsfähig. Außerdem sind Fahrten mit dem Bus vergleichswei-
se preisgünstig, wenn die Busfirmen auch nicht für übermäßige Pünktlichkeit
berühmt sind. Die großen Überlandstrecken werden überwiegend von zahlrei-
chen privaten Busgesellschaften bedient, die aber oft wenige Zwischenstopps
einlegen, weshalb abgeschiedene ländliche Gegenden oft schlecht an das Gesamt-
netz angebunden sind. Alternativ dazu nutzen viele in den Städten lebende Men-
schen das Straßenbahnnetz. Die elf Linien der Straßenbahn mit ihren 175 Statio-
nen in Mexiko-Stadt befördern etwa fünf Millionen Passagiere pro Tag.
   Das Bahnschienennetz wird dagegen hauptsächlich für den Güterverkehr
genutzt; allerdings bestehen gute Verbindungen für Personenzüge zwischen

IP • März /April 2014                                                               33
Länderporträt Mexiko

     Wettbewerbsfähigkeit der Infrastruktur                                                                       IP|03/04|14

                                Straßennetz        Schienennetz              Häfen                         Flughäfen

                                                        20

                                   51
                                   54                                           59
                                                        60
                                                                                62                                 64
                                                                                                                   65
      [Position in Rangliste]

                                                       103

                                  120
                                                                                                                  123

                                                                                131
        Brasilien                China    Mexiko                  Quelle: Competitiveness Report 2013 – 2014, Weltwirtschaftsforum

     den großen Städten im Land sowie auch zu den Großstädten in den USA. Im
     Zuge der Privatisierung der Eisenbahn 1997 wurden aber das Schienennetz
     landesweit reduziert und unrentable Strecken stillgelegt.
        Das Straßennetz ist insbesondere im Zentrum des Landes relativ dicht, nach
     Süden und Norden ist es aber schwächer ausgebaut. Bei den Autobahnen und
     Überlandstraßen wird zwischen mautpflichtigen, so genannten „Cuotas“, die
     von privaten Investoren zusammen mit dem Staat gebaut werden, und gebüh-
     renfreien Straßen, den „Libres“, unterschieden. Letztere sind oft in schlechtem
     Zustand und überlastet. Insgesamt besitzt Mexiko 377 660 Kilometer an Stra-
     ßen, wovon 240 116 Kilometer (Stand 2012) nicht asphaltiert sind.
        Im Bereich des Luftverkehrs rangiert Mexiko mit seinen 1714 Flughäfen
     (Stand 2013) auf Platz drei hinter den USA und Brasilien. Der größte Flugha-
     fen in Mexiko-Stadt ist staatlich, fast alle anderen befinden sich in privater
     Hand. Des Weiteren gibt es circa 2900 Kilometer Binnenwasserstraßen und
     zahlreiche Seehäfen, unter denen der bedeutendste der Hafen von Veracruz ist.
     In dessen Umgebung liegt das traditionelle Produktionszentrum der mexikani-
     schen Nahrungsmittelindustrie und der weiterverarbeitenden Metallindustrie.
        Da die Infrastruktur in vielen Teilen des Landes noch ausbau- und verbesse-
     rungsfähig ist, hat die Regierung ein umfassendes Infrastrukturprogramm er­
     arbeitet. Beim „Programa de Inversiones en Infraestructura de Transporte y
     Comunicaciones 2013–2018“ liegt der Fokus auf dem Ausbau der öffentlichen
     Nahverkehrssysteme. So soll in den nächsten fünf Jahren der Verkehr in 42 von
     50 Großstädten effizienter und nachhaltiger organisiert werden. Dabei setzt die
     Regierung besonders auf Systeme mit für Busse reservierten Fahrspuren. Diese

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Von A bis Z

sind kostengünstiger als der Bau von U-Bahnen und lassen sich schneller umset-
zen. In Acapulco, Ciudad Juárez und Pachuca hat der Ausbau bereits begonnen.
    Ein weiterer Schwerpunkt liegt beim Ausbau der Häfen und der Instandhal-
tung der mautfreien Straßen. Das Ministerium für Transport und Kommunika-
tion rechnet darüber hinaus mit dem Neubau von 15 Autobahnen (von über
5000 Kilometer Länge), 29 Straßen und sieben Häfen. Ein zentrales Projekt ist
die „Autobahn des 21. Jahrhunderts“ („Autopista Siglo XXI“), die Acapulco
und Mexiko-Stadt verbinden soll. Unter Umgehung der Hauptstadt entstünde
so eine Schnellstraße zwischen Pazifik- und Golf-Küste. Für den Bau der dafür
geplanten 61 Kilometer sind Investitionen von 137 Millionen Euro erforder-
lich. Das Gesamtvolumen des Programms beläuft sich derzeit auf 1,3 Billionen
mexikanische Peso, umgerechnet etwa 73 Milliarden Euro). Davon entfallen
etwa 33 Milliarden Euro auf die Transportinfrastruktur.
    Will Mexiko seinen jüngst gewonnenen Kostenvorteil in vielen Produktkate-
gorien gegenüber China auf dem US-Markt nutzen, ist ein weiterer Ausbau der
Infrastruktur unumgänglich. In Vergleichsstudien von Weltbank und Weltwirt-
schaftsforum zu Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der Infrastruktur bewegt
sich Mexiko im internationalen Mittelfeld, weit hinter Konkurrenten wie Japan
oder Südkorea, die eine deutlich besser entwickelte Infrastruktur aufweisen.

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  Innovationsfähigkeit

„Innovationen sollen zum Dreh- und Angelpunkt der Produktivität und Wett-
bewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft werden“, erklärte Mexikos Präsident Peña
Nieto beim Iberoamerika-Gipfel 2013 in Panama zur Zukunft von Lateinameri-
kas Volkswirtschaften. Doch von dieser Vision ist Mexiko noch weit entfernt.
Im Global Innovation Index der Weltorganisation für geistiges Eigentum belegt
Mexiko mit Rang 63 von 142 nur einen der mittleren Plätze (zum Vergleich:
Deutschland befindet sich auf Rang 15, Brasilien hingegen einen Platz hinter
Mexiko auf Rang 64) – und stagniert damit praktisch, seit das Ranking 2008
erstmals erstellt wurde. Defizite bestehen vor allem in den Bereichen „Hu-
mankapital und Forschung“ sowie „Wissens- und Technologieproduktion“.
Eine besondere Schwäche liegt in der geringen Beschäftigung in wissensinten-

IP • März /April 2014                                                            35
Länderporträt Mexiko

     siven Bereichen, die mit einem Anteil von 12 Prozent an der Gesamtbeschäfti-
     gung vergleichsweise niedrig liegt. Darin spiegelt sich die geringe internationa-
     le Finanzierung von Forschung und Entwicklung in Mexiko wider, wo zudem
     die Entwicklung von moderner Computertechnologie und -software keine
     nennenswerte Rolle spielt.
         Dabei hat Mexiko mit traditionellen Stärken bei Naturwissenschaften und
     dem Ingenieurswesen durchaus vielversprechende Ausgangsbedingungen. Me-
     xikos Universitäten schneiden im Vergleich sehr gut ab – zwei von ihnen befin-
     den sich unter den zehn besten Universitäten Lateinamerikas. Ein Viertel der
     Studierenden in Mexiko sind in naturwissenschaftlichen oder Ingenieursstudi-
     engängen eingeschrieben; in diesen Bereichen findet auch der Großteil der hei-
     mischen Forschung und Entwicklung statt. Zudem ist eine Reihe von Hightech-
     Unternehmen im Land ansässig, zum Beispiel der Raum- und Luftfahrtindustrie
     wie der kanadische Flugzeughersteller Bombardier oder Automobilhersteller
     wie Volkswagen.
         Die Kluft zwischen ausländischen und heimischen Innovationen wird be-
     sonders bei Patenten sichtbar. Von den 15 300 Patenten, die 2012 angemeldet
     wurden, stammten 14 000 von ausländischen Firmen oder Forschern. Die
     Mehrheit der ausländischen Patentanfragen kam dabei aus den USA (6600) und
     aus Deutschland (1300). Während in Mexiko vergleichsweise viele Patente be-
     willigt werden (80 Prozent der Patente werden zugelassen, in Deutschland sind
     es nur 18 Prozent), offenbart sich auch hier die mexikanische Innovations-
     schwäche: 86 Prozent der ausländischen, aber nur 22 Prozent der nationalen
     Patente werden bewilligt.
         Um Mexiko als Innovationsstandort zu stärken, hat die Regierung ein Pro-
     gramm entwickelt, das vor allem auf die heimische Innovationsschwäche zielt:
     So sollen mexikanische Produkte und Betriebe auf nationaler wie internationa-
     ler Ebene gefördert werden. Unternehmen und öffentliche Einrichtungen sollen
     mehr finanzielle und institutionelle Förderung erhalten, um sich auf die Ausar-
     beitung innovativer Lösungsansätze konzentrieren zu können. Zudem soll der
     Wettbewerb um Forschungsgelder angeheizt werden, um mehr private Investo-
     ren ins Land zu locken, denn Forschung und Entwicklung hängen in Mexiko
     stark von privater Finanzierung ab.
         Bislang jedoch zögerten die Unternehmen: Ihre eigenen Kosten wären bei
     einer Konzentration auf Forschung und Entwicklung hoch, während die mexi-
     kanische Regierung vergleichsweise wenig in diesen Bereich investiert – weni-
     ger als 1 Prozent des BIP – und auch die Universitäten nur einen geringen Teil
     ihres Budgets für Forschung und Entwicklung ausgeben. Immerhin will die
     Regierung öffentliche und private Ausgaben im Bereich Forschung und Ent-
     wicklung bis 2018 auf 1,2 Prozent des BIP anheben. Damit würde Mexiko mit
     Brasilien gleichziehen, doch weiterhin deutlich hinter Deutschland und den
     USA (jeweils 2,8 Prozent des BIP) zurückbleiben.

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Von A bis Z

          Bild nur in
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  Klima und Umwelt

Mexiko zählt zu den 17 „Megadiversity“-Ländern: Dort befinden sich zwei
Drittel der globalen Biodiversität, und Mexiko hat sich verpflichtet, diese äu-
ßerst artenreiche Umwelt zu schützen. Ein Drittel des Staatsgebiets ist noch
von Primärregenwald bedeckt, 71 Prozent des Landes weisen eine natürliche
Vegetation auf. Als aufstrebender Industriestaat jedoch zählt Mexiko mittler-
weile zu den größeren Emittenten in der Welt, wenngleich der Anteil an den
globalen CO2-Emissionen mit 1,4 Prozent vergleichsweise gering ist – ebenso
der Pro-Kopf-Ausstoß: Dieser lag zuletzt bei 3,83 Tonnen (zum Vergleich: der
Pro-Kopf-Ausstoß Deutschlands liegt bei 8,97 Tonnen).
    Befeuert vom Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in den vergange-
nen Jahren ist die Tendenz jedoch steigend. Dabei hat sich Mexiko hohe Ziele
gesteckt, um eine Klimakatastrophe weltweit und im eigenen Land abzuweh-
ren. Bis 2020 soll sich die Treibhausgas-Emission um 20 Prozent gegenüber
dem Stand von 2000 verringern, bis 2050 gar um 50 Prozent – obwohl das
Land nach dem Kyoto-Protokoll nicht dazu verpflichtet wäre, sich solch kon-
krete Reduktionsziele zu setzen. Die Ziele sind in einem eigens geschaffenen
Klimagesetz und durch ein spezielles Programm zum Klimawandel festgelegt.
Ebenfalls per Gesetz will Mexiko die Entwicklung von erneuerbaren Energien
vorantreiben; geografisch und klimatisch ist Mexiko hervorragend für die Ge-
winnung von Wind- und Solarenergie geeignet. Doch trotz der guten Voraus-
setzungen gewinnt das Land noch immer den Großteil seiner Energie aus
fossilen Brennstoffen.
    Am deutlichsten machen sich Umweltprobleme in Form von Luftverschmut-
zung in den mexikanischen Großstädten bemerkbar, allen voran in Mexiko-
Stadt (siehe auch den gleichnamigen Eintrag, S. 44 ff.). Lange galt die Megame-
tropole, die meist unter einer riesigen Smog-Glocke lag und in der jährlich
Hunderttausende an den Folgen der Umweltverschmutzung erkrankten, als die
Stadt mit der giftigsten Luft der Welt. In den achtziger Jahren war die Ver-
schmutzung so massiv, dass Vögel tot vom Himmel fielen. In den vergangenen
Jahren hat sich die Situation entschärft; nach wie vor jedoch fällt es den zustän-
digen Stellen schwer, das Problem in den Griff zu bekommen, das durch die
fortschreitende Motorisierung der Bevölkerung zumindest nicht kleiner wird:

IP • März /April 2014                                                                37
Länderporträt Mexiko

     CO²-Emissionen pro Kopf                                                     IP|03/04|14

                                                                                 17,6
     [in Tonnen]

      15

      10
                                                            9,1

       5                                    4,2
                    3,8

                                 2,3

       0
                   Mexiko      Brasilien    Chile       Deutschland              USA
                                                                           Quelle: Weltbank, 2010

     Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Anzahl der Mexikaner, die
     ein Auto oder ein anderes motorisiertes Fahrzeug besitzen, beinahe verdoppelt.
         Weitere Probleme urbaner Regionen sind die Wasserverschmutzung und das
     komplizierte Wassermanagement. Während in den Städten und in der nörd­
     lichen Grenzregion Wasser wegen des hohen Verbrauchs und der geografischen
     Lage oftmals Mangelware ist, werden andere Teile Mexikos regelmäßig von
     schweren Überflutungen heimgesucht. Dass Wasser vermehrt in die Städte um-
     geleitet wird, führt jedoch zur Trockenheit in ländlichen Regionen, so bei der
     Mazahua-Bevölkerung im Bundesstaat Mexiko. Die Hauptstadt wird aus deren
     Region mit Wasser versorgt. Die Bewohner selbst hingegen haben nur einen
     sehr beschränkten Zugang zum Wassernetz.
         Problematisch ist auch das stetige Absinken des Grundwasserspiegels. Wäh-
     rend der vergangenen 50 Jahre wurden Wasservorkommen aufgebraucht, die
     zwischen 10 000 und 35 000 Jahre alt waren. Mangelnde industrielle Müllbe-
     seitigung und fehlende Abwasserreinigung führen zudem zu einer Minderung
     der Wasserqualität in den Städten und zu einer Verpestung der Flüsse; der
     Primärregenwald ist von Abholzung bedroht, die gerodeten Flächen versanden
     und die abgeholzten Regionen werden wegen des Wassermangels zur Wüste.
     Auch viele der Fischgründe an den Küsten sind bereits überfischt. Die Umwelt-
     probleme haben weitreichende Folgen für Mexiko, das durch die Auswirkungen

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Von A bis Z

des Klimawandels besonders gefährdet ist. 15 Prozent des Staatsgebiets und
über zwei Drittel der mexikanischen Bevölkerung sind direkt durch die negati-
ven Effekte des Klimawandels betroffen. Neben der Verminderung der wertvol-
len Artenvielfalt, die auf lange Sicht das ökologische Gleichgewicht Mexikos
zerstören könnte, erhöht sich vor allem die Anzahl an Klimaflüchtlingen, die,
betroffen von der Zerstörung ihres Lebensraums, in die Städte oder über die
Grenze in die USA ziehen.
    Die mexikanische Klimagesetzgebung mag zwar im lateinamerikanischen
Vergleich auf dem Papier geradezu vorbildlich sein, doch wird sie tatsächlich nur
schleppend umgesetzt. Zudem hapert es unter der Bevölkerung und den poli-
tisch Verantwortlichen noch an einem allgemeinen Umweltbewusstsein.

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  Maquiladoras

Maquiladoras sind Unternehmen, die sich zumeist entlang der mexikanisch-
amerikanischen Grenze angesiedelt haben und in denen Einzelteile, die in den
USA hergestellt wurden, zum fertigen Produkt zusammengesetzt werden. Das
Wort Maquiladora stammt noch aus der Kolonialzeit: „Maquila“ bezeichnete
damals den Anteil an Mehl, den der Müller für seine Arbeit vom Bauern erhielt
– und bezeichnet damit eine Art „Aufstieg in der Wertschöpfungskette“.
   Den Grundstein für die Entstehung der Maquiladoras legte die mexikani-
sche Regierung 1965 mit dem „Grenzindustrialisierungsprogramm“. Um die
Arbeitslosigkeit in den Grenzregionen zu bekämpfen und sie für ausländische
Firmen attraktiver zu machen, warb die Regierung mit steuerfreiem Import von
Maschinen und Rohmaterialien, niedrigen Transportkosten (von den USA
nach Mexiko und zurück) und billigen Arbeitskräften. Seitdem können in den
USA produzierte Einzelteile praktisch kostenlos nach Mexiko importiert, dort
zusammengesetzt und wieder steuerfrei in die USA exportiert werden. Das
Management und spezialisierte Arbeitsprozesse verbleiben dabei in den USA,
während einfache Arbeitsschritte in den Maquiladoras stattfinden.
   Dieses Modell hat sich zunächst im Land, dann in ganz Zentralamerika
verbreitet. Mittlerweile zählt Mexiko über 6000 Maquiladoras, die meisten be-
finden sich im Norden, in Baja California (über 1000) und Nuevo Léon (ca.

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Länderporträt Mexiko

     750). Sie allein beschäftigen mehr als zwei Millionen Menschen. Während in
     höher bezahlten Jobs und der Verwaltung mehr Männer beschäftigt sind, wird
     die Handarbeit in den Betrieben mehrheitlich von ungelernten Frauen verrich-
     tet. Zwischenzeitlich waren bis zu 80 Prozent der Beschäftigten weiblich.
         Die Maquiladora-Industrie konzentriert sich auf vier große Bereiche: die
     Bekleidungsindustrie, die Automobilzubehörindustrie, die Computer- und
     Elektronikindustrie sowie die Produktion anderer elektronischer Geräte ma-
     chen zwei Drittel der Produktion aus. Mittlerweile produzieren nicht nur nord-
     amerikanische, sondern auch europäische und asiatische Großkonzerne nach
     dem Maquiladora-Prinzip.
         Als Arbeitsbeschaffungsprogramm sind die Maquiladoras, die mit der Grün-
     dung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) 1994 und
     dem Wegfall aller Zollbeschränkungen einen großen Schub erhielten, als Erfolg
     zu werten: Insgesamt hat sich die Beschäftigungsrate in den Maquiladoras seit
     1980 verzehnfacht.
         Doch die Grenzwirtschaft hat auch ihre Schattenseiten: Seit den sechziger
     Jahren bringt man Maquiladoras immer wieder mit Ausbeutung, sexueller Be-
     lästigung, fehlenden Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften in Zusammen-
     hang. Dauerkritikpunkt sind schlechte Arbeitsbedingungen wie zu lange Ar-
     beitszeiten, unbezahlte Überstunden und die Diskriminierung von Frauen:
     Schwangere Frauen oder solche, die älter als 25 Jahre sind, werden oft einfach
     ohne Angabe von Gründen entlassen oder finden erst gar keine Arbeit. Ge-
     werkschaftsarbeit wird unterdrückt (siehe auch das Stichwort „Gewerkschaf-
     ten“, S. 31 ff.). die Unternehmen führen „schwarze Listen“ mit den Namen
     unliebsamer Gewerkschaftsmitgliedern. Das Recht auf Streiks und betriebliche
     Mitbestimmung wird den Beschäftigten in den Maquiladoras grundsätzlich
     nicht zugestanden.

        Anzahl der Maquiladoras in den       Mexiko Stadt
        jeweiligen Bundesstaaten Mexikos
          unter 50         51 bis 500
          501 bis 1000     über 1000

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Von A bis Z

    Ungeachtet der Arbeitsbedingungen in den Maquiladoras sind die Unter-
nehmen fester Bestandteil der mexikanischen Wirtschaft. Schon in den neun-
ziger Jahren waren sie für einen größeren Anteil an Exporten verantwortlich
als der Ölkonzern Pemex. Heute zeichnen sie für über 40 Prozent der Exporte.
Die enge Verknüpfung mit – und Abhängigkeit von – den USA macht das Land
allerdings anfällig: Die Finanzkrise 2008 ließ Mexikos Maquiladoras-Exporte
einbrechen – Massenentlassungen und ein rückläufiges BIP waren die Folge.
Zudem erwächst dem Modell in Asien und neuerdings auch in zentralamerika-
nischen Staaten Konkurrenz, wo in Freihandels- und Sonderwirtschaftszonen
günstiger produziert werden kann.

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  Medien und Internet

Über 90 Prozent der mexikanischen Bevölkerung beziehen ihre Informationen
vorwiegend über das Fernsehen oder das Radio. Dominiert wird dieser Markt von
den beiden Medienunternehmen Televisa und TV Azteca. Televisa, ein mexika-
nischer Mediengigant mit amerikaweiter Präsenz, ist der weltweit größte Konzern
auf dem spanischsprachigen Medienmarkt. Sein mächtigster Konkurrent TV Az-
teca ging 1994 aus der Privatisierung des staatlichen Fernsehens hervor.
    Da ein Radiogerät durch die niedrigen Anschaffungskosten auch für den
ärmeren Teil der Bevölkerung erschwinglich ist, ist der mexikanische Hörfunk
sehr populär. Den Radiosektor dominieren zehn private Unternehmensgrup-
pen, die 70 Prozent aller landesweit zu empfangenden Radiostationen kontrol-
lieren; unter anderem Televisa Radio, Núcleo Radio Mil, Radio Fórmula, Grupo
ACIR, Grupo Radio Centro. Als öffentliche Radiosender gelten Universitäts­
radios und Sender, die über staatliche Institutionen finanziert werden. Institu-
to Mexicano del Radio/IMMER und Radio Educación, zwei dieser staatlichen
Radiosender, bieten qualitativ hochwertige Sendungen, leiden jedoch unter
schlechter Mittelausstattung und Bürokratie. Daneben existieren noch örtliche
Privatsender und kommunal betriebene Sender in indigenen Gemeinden. Bis
2007 sah das Mediengesetz keine Vergabe von Rundfunklizenzen für zivilge-
sellschaftliche Organisationen vor. Zwar wurden solche Sender in der Regel
geduldet, hatten jedoch häufig Finanzierungsprobleme.

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Länderporträt Mexiko

        Nach dem Ende der 71-jährigen Herrschaft der Revolutionären Institutio-
     nellen Partei (PRI) 2000 hofften viele Medienschaffende auf eine unabhängige-
     re Programmgestaltung in öffentlichen und staatlichen Sendern und eine ge-
     wisse Entflechtung in der Beziehung zwischen den Konzernen Televisa und
     TV Azteca und der Politik. Ende März 2006 stimmten zwei Drittel des mexika-
     nischen Senats für eine Erneuerung des seit 1960 geltenden Mediengesetzes.
     Diese Neufassung sah vor, dass künftig ein Gremium, das Frequenzen an den
     Meistbietenden vergibt, die Vergabe von Lizenzen regeln solle. Voraussichtlich
     werden diese Versteigerungen jedoch die zwei größten Medienunternehmen,
     Televisa und TV Azteca, unter sich ausmachen. Daraufhin wurden 2007 Teile
     des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Deutlich kritisierte der damalige
     Verfassungsrichter Salvador Aguirre Anguiano die exzessive Konzentration der
     Rundfunkmedien in den Händen weniger Unternehmer.

     Internetnutzung                                                                      IP|03/04|14

     [pro 100 Menschen im Vergleich]

     60

     50

     40                                               Chile

     30                                              Brasilien

     20
                                                     Mexiko

     10

      0

             2004       2005           2006   2007     2008      2009   2010      2011        2012

                                                                                         Quelle: Weltbank

     Ähnlich wie beim Hörfunk ist auch das politisch einflussreichste Medium in
     Mexiko, das Fernsehen, von kommerziellen Anbietern dominiert. Etwa
     460 Sender sind über Antenne zu empfangen. Fünf dieser TV-Sender strahlen
     ihr Programm bundesweit aus, die anderen sind regionale oder lokale Anbieter.
     Doch die scheinbare Vielfalt erweist sich bei genauem Hinsehen als Medien-
     konzentration in zwei Händen: Die unumstrittene Vormachtstellung innerhalb
     des Duopols hat Televisa inne. Die Unternehmensgruppe besitzt 258 Konzessi-
     onen für das Fernsehen und betreibt drei bundesweite Kanäle (Canal 2, 5 und
     9). TV Azteca betreibt die beiden bundesweit ausgestrahlten TV-Sender Canal
     7 und Canal 13 und besitzt insgesamt über 180 analoge TV-Konzessionen.

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Von A bis Z

 ­ elevisa kassiert über 70 Prozent der Werbeeinnahmen und dominiert nach
 T
 Erhebungen mit fast 70 Prozent der Zuschauer den Mediensektor – Qualitäts-
 sender wie Canal 11 oder der Kulturkanal Canal 22, der sich an ARTE orien-
 tiert, verfügen dagegen nur über Einschaltquoten von jeweils 1 Prozent. Die
 Medienkonzentration hält Mexikos Regierung mittlerweile für ein Problem:
 Um die Macht von Televisa und TV Azteka zu brechen, kündigte Peña Nieto
 2013 die Gründung zweier neuer TV-Sender an.
     Im Unterhaltungsfernsehen spielen Telenovelas die größte Rolle. Sie gehö-
 ren nicht nur zu den meistgesehenen Fernsehsendungen, sondern sind auch
 häufig Gegenstand alltäglicher Diskussionen. Televisa, die neben Rede Globo
 (Brasilien) führende Produktionsfirma, produziert jährlich bis zu 16 Telenove-
 las. 80 Prozent der Produktionen werden exportiert, vorwiegend nach Latein-
 amerika, aber auch in die USA. Laut Schätzungen erzielt Televisa damit jähr-
 lich Erlöse in Höhe von rund 100 Millionen Dollar. Insgesamt betrug der Um-
 satz des Medienkonzerns im Jahr 2012 rund 69,2 Milliarden mexikanische
 Pesos (3,8 Milliarden Euro).
     Nur etwa 10 Prozent der mexikanischen Bevölkerung bezieht ihre Informa-
tionen durch die Presse. Eine Zeitungskultur existiert aufgrund fehlender Dis-
tributionsnetze nur in den Städten. Excelsior ist mit einer Auflage von 200 000
(Oktober 2013) die größte Tageszeitung Mexikos. Sie ist dem konservativen
Lager zuzuordnen. Direkter Konkurrent ist El Universal, eine liberal-konserva-
tive Tageszeitung mit einer Auflage von 170 000, gefolgt von einer unabhängi-
gen Wirtschaftszeitung, El Financiero, mit einer Auflage von 135 000. Bei
kleineren Zeitungen überwiegt die lokale Berichterstattung.
     Journalismus ist in jüngster Zeit ein lebensgefährlicher Beruf in Mexiko
geworden. Immer wieder werden Reporter ermordet, die über die Drogenkar-
telle und ihre dunklen Verbindungen mit der Politik berichten. Seit 2012 gibt
es ein Gesetz, das Journalisten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit (beispielsweise
durch das Tragen eines Presseschilds) schützen soll. In der Praxis erzielt dies
jedoch kaum Wirkung. Keiner der Journalistenmorde wurde aufgeklärt. Im
Pressefreiheits-Ranking von „Reporter ohne Grenzen“ ist Mexiko binnen zehn
Jahren von Platz 74 auf 153 abgestürzt. Allerdings findet ein großer Teil der
Berichterstattung über kriminelle Machenschaften und Kartelle im Internet
statt, vor allem in sozialen Medien wie Facebook. Und auf Weblogs wie border-
landbeat.com wird anonym berichtet, unter Pseudonym bringen dort Autoren
die Probleme Mexikos zur Sprache.
     Die wachsende Bedeutung des Internet als Informationsquelle spiegelt sich
auch in den Benutzerzahlen wieder. Waren im Jahr 2000 laut Internationaler
Fernmeldeunion (ITU) nur 2,7 Prozent der mexikanischen Bevölkerung on-
line, stieg ihr Anteil bis 2012 auf 38,4 Prozent. Hoch im Kurs stehen soziale
Medien, allen voran Facebook: Mit 46 Millionen Facebook-Nutzern liegt
­Mexiko hinter den USA, Brasilien, Indien und Indonesien weltweit auf Platz 5
 (Juni 2013).
     Noch ist das Internet in Mexiko allerdings langsam: Es gibt nur 11,1 Breit-
 band-Anschlüsse pro 100 Einwohner (der OECD-Durchschnitt liegt bei

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Länderporträt Mexiko

     25,9 Anschlüssen). Der Markt für Smartphones wächst zwar rasant: Nach
     Schätzungen des Marktforschungsinstituts eMarketer nutzten 2011 nur
     8,9 Millionen, 2013 aber bereits 26,3 Millionen Mexikaner ein internetfähiges
     Mobiltelefon. Bis 2017 dürfte jeder zweite Mexikaner ein Smartphone nutzen.
         Der Internet- und Mobilfunkmarkt wird weitgehend von Carlos Slim domi-
     niert, einem der reichsten Männer der Welt. Bei der Privatisierung des bis
     dahin staatlichen Telekommunikationsunternehmens Telmex im Jahr 1990
     kam er günstig zum Zuge; seither besaß er eine Monopolstellung in dieser
     Sparte. Im Sommer 2012 jedoch schlossen sich Iusacell, das dem Milliardär
     Ricardo Salinas gehört, und Spaniens Telefónica zusammen, um Slim Konkur-
     renz zu machen; ihnen schloss sich der Eigentümer von Televisa, Emilio Az-
     cárraga an, der sich mit 1,6 Milliarden Dollar einen 50-Prozent-Anteil an
     Iusacell sicherte. Die Regierung Peña Nietos unterstützt dies mit Gesetzen, die
     für mehr Wettbewerb in der Branche – und damit auch niedrigere Telefon­
     tarife – sorgen soll. Zwei neue Aufsichtsbehörden sollen zukünftig unabhängig
     Lizenzen vergeben und gegebenenfalls Strafen bei Monopolvergehen verhän-
     gen können. Auch ausländische Unternehmen sollen mehr Investitions­
     möglichkeiten erhalten.

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       Mexiko-Stadt

     Zwischen dem mittlerweile zu relativem Wohlstand gekommenen Norden und
     dem weit weniger entwickelten, zum Teil sehr armen Süden dominiert der
     Ballungsraum Mexiko-Stadt die Mitte des Landes; den umliegenden Bundes-
     staat Mexiko eingerechnet, wird allein in diesem Gebiet ein Viertel des mexika-
     nischen BIP erzeugt. 2012 erwirtschaftete Mexiko-Stadt ein BIP von 411,4 Mil-
     liarden Dollar, was sie nach Berechnungen von PricewaterhouseCoopers zur
     achtstärksten Metropolökonomie der Welt macht.
          Der Aufstieg des früheren Zentrums des Aztekenreichs (die Vorläuferstadt
     ­Tenochtitlan zählte im 16. Jahrhundert wohl 400 000 Einwohner) und der
      ehemaligen Hauptstadt der spanischen Kolonialherren in Lateinamerika be-
      gann in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Die importsub­
      stituierende Industrialisierung führte bis 1970 zu einem gewaltigen Boom,

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Von A bis Z

Mexiko-Stadt wurde zum größten Güterproduzenten und -exporteur des Lan-
des. Textilien, Chemikalien, Arzneimittel, Elektro- und Elektronikartikel, Stahl
und Transportausrüstungen werden zum Teil bis heute hergestellt, ebenso
verschiedenste Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter der Leichtindustrie.
    Mit Gründung der NAFTA 1994 begann die De-Industrialisierung, zwi-
schen 1980 und 2003 sank der Produktionsanteil der Stadt an der nationalen
Fertigung von 47 auf 17 Prozent, die städtische Ökonomie wurde dienstleis-
tungsorientierter, der Sektor steht heute für 63 Prozent des lokalen BIP. Die
größten mexikanischen Unternehmen wie Pemex, America Movil und CFE
sowie viele internationale Unternehmen, darunter General Motors, Daimler-
Chrysler, Ford und Nissan, haben zwar ihre Produktionsstätten über das Land
verteilt, ihre Zentralen aber in Mexiko-Stadt angesiedelt. Parallel zur wirt-
schaftlichen Entwicklung explodierte auch die Bevölkerungszahl, die sich al-
lein zwischen 1960 und 1980 verdoppelte, auf etwa 8,8 Millionen, wo sie sich
seitdem eingependelt hat. Allerdings griff die Stadt immer weiter ins Umland
aus – 60 Prozent der Bevölkerung von Mexiko-Stadt leben heute verwaltungs-
technisch in über 60 Gemeinden des Bundesstaats Mexiko; der Ballungsraum,
der auch Gemeinden der angrenzenden Bundesstaaten Morelos und Hidalgo
umfasst, zählte 2011 rund 20,5 Millionen Einwohner. Damit liegt die Haupt-
stadtregion nach Berechnungen der UN hinter den Ballungsräumen Tokio
(37,2 Millionen) und Delhi (22,7 Millionen) weltweit an dritter Stelle.
    Der Grad der Urbanisierung lässt sich auch daran ablesen, dass sich der An-
teil der Einwohner von Mexiko-Stadt an der Gesamtbevölkerung seit 1910 bis
heute von 5 auf 18 Prozent vergrößert hat. Nach Schätzungen der Nationalen
Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) dürfte der Ballungsraum 2020
auch die Städte Cuernavaca und Pachuca umfassen, 2030 Puebla und Tlaxcala
und 2040 auch Querétaro und San Juan del Río geschluckt haben. So würde sich
die Bevölkerungszahl bis 2050 auf etwa 37 Millionen fast verdoppeln.
    Dieses wilde Wachstum stellt die Stadtplaner vor große Probleme. Da das
Grundwasser exzessiv abgepumpt wird, sackt die Stadt allmählich ab. Dringen-
der Handlungsbedarf besteht auch bei der Müllentsorgung. Zwar wurde die
weltgrößte Mülldeponie Bordo Poniente (mit einem Abfallvolumen von etwa
68 Millionen Tonnen) aufgrund wachsender Umwelt- und Kapazitätsprobleme
offiziell im Dezember 2010 geschlossen, jedoch ohne eine schlüssige Ge-
samtstrategie. Derzeit geht der Hauptstadtmüll in die Bundesstaaten Hidalgo
und Mexiko. Mit letzterem verhandelt die Hauptstadtregierung hinsichtlich der
zukünftigen Abfallentsorgung.
    Gleichzeitig hat sich die Fahrzeugdichte in Mexiko-Stadt in den vergange-
nen Jahren stark erhöht. Die Anzahl an Pkws allein im Hauptstadtbezirk (Dis-
trito Federal) wuchs zwischen 2005 und 2010 um 59 Prozent auf circa vier
Millionen. Die Zahl von Autobussen stieg im gleichen Zeitraum um knapp
14 Prozent auf 32 000. Dies verursacht mit dem höheren Verkehrsaufkommen
auch schlechtere Luftqualität (siehe auch den Eintrag „Klima und Umwelt“,
S. 37 ff.). Im Südosten wird das Hochtal der Hauptstadt von einer Bergkette
umschlossen, deren Gipfel Höhen bis zu 5400 Meter erreichen; das verhindert

IP • März /April 2014                                                              45
Länderporträt Mexiko

                                                             Bundesstaat
                                                               Hidalgo

           Bundesstaat
             Mexiko

                                   Hauptstadt-
                                     bezirk

        Ausdehnung Mexiko-
        Stadts in die Bundes-
        staaten Mexiko und
        Higaldo

     einen schnellen Abzug der stark verschmutzten Stadtluft in der Metropole. Die
     Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Schwefeldioxid wer-
     den an den meisten Tagen weit überschritten.
        Ungeachtet der vielen, durch die rasante Urbanisierung entstandenen Pro-
     bleme zählt Mexiko-Stadt nach wie vor zu den kulturellen Zentren Lateiname-
     rikas – mit einem Angebot an Museen, Theatern und Orchestern sowie einer
     Szene für Literatur und Bildende Kunst auf Weltniveau. Dennoch gilt Mexiko-
     Stadt noch als weniger attraktiv oder dynamisch als Istanbul oder Schanghai.
     Auch als Finanzzentrum spielt Mexiko-Stadt – Nummer 51 auf dem Global
     Financial Centers Index – mit einem „lokal“ geprägten Finanzsektor eine eher
     untergeordnete Rolle.
        In der Kategorie „Wettbewerbsfähigkeit“ taxierte die Economist Intelli-
     gence Unit (EIU) die Stadt auf Rang 71 ihres Global City Competitive Index.
     Während „fDiIntelligence“ Mexiko-Stadt als Nummer 7 der zehn Städte auf

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