Auswirkungen von Sport auf das Immunsystem

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Auswirkungen von Sport auf das Immunsystem
Schwerpunkt

                                        Bewegungsarmut bis Übertraining

                                        Auswirkungen von Sport
                                        auf das Immunsystem
                                        Holger Gabriel, Friedrich-Schiller-Universität Jena
                    Holger Gabriel
                                        NOTFALL & HAUSARZTMEDIZIN 2006; 32: 411–415

I
   n die Gesunderhaltung, Gesund-       Akute körperliche Belastung induziert – abhängig von Art, Dauer und Intensität – eine Akute-
   heitsförderung und die Krank-        Phase-Reaktion. Zu große Einzelbelastungen und Übertraining modulieren Immunfunktionen
   heitsentstehung sind die körperli-   ungünstig, ohne dass dadurch eine Immunschwäche im eigentlichen Sinne entsteht. Dennoch
che Aktivität als Verhaltensweise       führen chronische exzessive körperliche Beanspruchungen unter ungünstigen Umständen zu
und das Immunsystem als Struktur        einem sekundären Immundefekt. Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt dagegen antiinflam-
zentral eingebunden. Diese kurze        matorisch und ist die einzige nachhaltige Verhaltensweise, um Folgeerkrankungen der „low-
Übersicht soll für den hausärzt-        level-inflammation“ wie Arteriosklerose vorzubeugen. Gesunden Menschen wird empfohlen,
lichen Dienst eine Hilfe sein, dahin-   Ausdauersportarten wie Radfahren, Laufen, Wandern, Walking, Skilanglauf u.a.m. an den
gehend zu beraten, einerseits das       meisten Tagen der Woche zwischen 30 und 45 Minuten durchzuführen. Für kranke Menschen
Immunsystem durch körperliche           muss das individuell mögliche Maß in der ärztlichen Beratung gefunden werden.
Aktivität zu stärken und anderer-
seits unnötige Einschränkungen der
Immunität durch Übertraining und
Sport zum falschen Zeitpunkt zu
vermeiden.

    Akute körperliche Belastung
    induziert Akute-Phase-
    Reaktion
    Vergleichbar mit Gewebeschädi-
gungen durch Traumata und Infek-
tionen induziert die einmalige kör-
perliche Belastung eine Akute-
Phase-Reaktion mit einer lokalen
und systemischen Reaktion (1, 2).
Die Akute-Phase-Reaktion ist ab-
hängig von Art, Dauer, Intensität und
Häufigkeit der Belastung. Darüber
hinaus sind endogene (Schlaf, Trai-
nings-, Gesundheits-, Krankheitszu-
stand, Ernährung, Therapie) und
exogene Rahmenbedingungen (so-
ziale und Umwelteinflüsse) ent-
scheidend. Nach körperlicher Belas-
tung sind ab einem bestimmten

                                                                             Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32 (8+9)         411
Schwerpunkt

        Grad der Beanspruchung die typi-         stoffwechselaktiven         Hormone,     der Immunzellen dramatisch. Aus der
        schen Entzündungszeichen von lo-         hauptsächlich des sympathischen          Sicht des peripheren Blutes imponiert
        kaler und systemischer Erwärmung         Nervensystems – insbesondere Ad-         bei bis zu 1,5-stündigen Belastungen
        bis etwa 39,5°C, Schmerz, Schwel-        renalin und Noradrenalin – sowie         eine biphasische Leukozytose, die in
        lung, Rötung und Funktionsein-           aus der Hypophyse – besonders das        ihrem ersten Anteil während der Be-
        schränkung des beanspruchten             adrenocorticotrope Hormon und das        lastung, der sofortigen belastungsin-
        Halte-Bewegungs-Stützsystems, der        humane Wachstumshormon – be-             duzierten Leukozytose, durch die Ak-
        Haut und eventuell auch innerer Or-      teiligt, ebenso aber auch die gefäß-     tivierung des sympathischen Nerven-
        gane erkennbar. Im Labor sind dabei      und stoffwechselaktiven Zytokine         systems charakterisiert ist. Dabei
        sowohl pro- als auch antiinflamma-       des Immunsystems (z.B. IL-1α, IL-6,      werden Zellen aus dem marginalen
        torische Komponenten und Zeitab-         IL-10, TNFα) (1, 4, 5). Die Induktion    Pool in die Zirkulation überführt. Der
        läufe messbar (3).                       der Akute-Phase-Reaktion hat             zweite Anteil, die so genannte späte
            Das periphere Blutbild ist vor-      vorübergehende und reversible Fol-       belastungsinduzierte Leukozytose,
        nehmlich durch eine biphasische          gen für die Immunität.                   beginnt 1/2 bis eine Stunde nach Belas-
        Leukozytose charakterisiert. Dabei                                                tungsende, erfährt ihr Maximum
        finden sich bis zu mehrere Zehn-            Akute körperliche Belastung           etwa sechs Stunden nach Belastungs-
        tausend Zellen pro Mikroliter mit           induziert eine biphasische            ende und ist durch die Cortisolaus-
        Neutrophilie und Linksverschiebung          Leukozytose                           schüttung bedingt (Abb. 1). Bei ver-
        sowie initialer Aktivierung der Pha-         Bevor die klassischen Immun-         mehrter Mobilisation aus dem Kno-
        gozyten, bei gleichzeitiger Lympho-      funktionen wie Proliferation, Phago-     chenmark verweilen Neutrophile län-
        zytopenie und erhöhten Akute-            zytose, Abtötungsfähigkeit von Tu-       ger in der Blutbahn und machen die
        Phase-Proteinen – wie beispiels-         morzellen oder Krankheitserregern,       Leukozytose aus. Die zugleich eintre-
        weise das C-reaktive Protein mit         Antigenpräsentation, Antikörperbil-      tende Lymphozytopenie ist durch ein
        Konzentrationen von bis zu 10            dung, Gedächtnisausprägung u.a.m.        „homing“ der Lymphozyten bedingt
        mg/dl, manchmal auch darüber – bei       durch körperliche Belastung beein-       und fällt demgegenüber quantitativ
        unveränderter      Blutsenkungsge-       flusst werden, verändert körperliche     kaum ins Gewicht. Bei mehrstündi-
        schwindigkeit. Im Weiteren sind alle     Belastung das Zirkulationsverhalten      gen Ausdauerbelastungen überwiegt
                                                                                          die Cortisolwirkung bereits während
         Abb. 1 Schematische Darstellung der biphasischen                                 der Belastung, sodass lediglich eine
                belastungsinduzierten Leukozytose                                         überdauernde Leukozytose messbar
                                                                                          wird. Insbesondere die späte Leuko-
                                                                                          zytose lässt sich durch eine Kohlenhy-
                                                    Effekt durch                          dratsubstitution,       beispielsweise
                                                    Kohlenhydratsubstitution              durch Zufuhr von maltodextrinhalti-
                              Belastung
                                                                                          gen Sportlergetränken und durch die
                                                                                          verminderte Cortisolausschüttung im
          Zellkonzentration

                                                                                          Rahmen der abgeschwächten Akute-
                                                                                          Phase-Reaktion reduzieren (6, 7). Die
                                                         Neutrophile Granulozyten
                                                                                          Substitution von Vitaminen, Mineral-
                                                                                          stoffen und Amino- oder Fettsäure-
                                                                                          präparaten erzielt diesen Effekt nicht.
                                                            Lymphozyten                   Das Ausmaß der biphasischen Leuko-
                                                            Natürliche Killerzellen       zytose und der Akute-Phase-Reaktion
                                                                                          beeinflusst wesentlich den Ausdauer-
                                                                                          trainingszustand und entzündliche,
                                          Zeit                                            insbesondere infektiöse Erkrankun-
                                                                                          gen.

         Tab. 1 Besonders beanspruchende Belastungen für das Immunsystem
         Art der Belastung                                          Beispiel
         Langandauernde Ausdauerbelastungen                         Marathonwettkampf, Ultraausdauerleistungen (Triathlon,
                                                                    Radfahren, Laufen u.ä.)
         Längere Belastungen mit anaerob-laktazider                 Intensives Intervalltraining wie Leichtathletische
         Energiebereitstellung                                      Intervallprogramme oder Sprint-Pyramidenläufe
         Erschöpfende hochintensive Ausdauerbelastungen             Tempodauerlauf
         Ausdauerbelastungen oder metabolisch beanspruchende        Längere Bergabläufe oder -wanderungen, Orientierungs-
         Spielsportarten mit hoher exzentrischer Komponente         oder Hindernisläufe, Wettkampfspiele im Fußball auf ent-
                                                                    sprechenden Spielpositionen

412     Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32 (8+9)
Schwerpunkt

   Akute körperliche Belastung                         vitro ex vivo messbaren Folgen bei          Reaktion und die Modulationen der
   moduliert Immunfunktionen                           den Immunfunktionen sind gering             Immunfunktionen erfolgt in zu ra-
    Damit eine Infektion im Organis-                   reduzierte Phagozytoseleistungen            scher Abfolge, sodass über Wochen,
mus entsteht, muss ein Pathogen                        und Antigenpräsentation sowie ver-          Monate und Jahre die Immunfunk-
Grenzflächen zur Umwelt durch-                         minderte Abtötungsfähigkeit von             tionen klinisch relevant reduziert
dringen, wozu Enzyme, Schleim –                        Krankheitserregern durch Phago-             werden. Hierbei spielt die zu häufige
einschließlich ihrer Inhaltsstoffe –                   zyten und Tumorzellen durch natür-          Aktivierung der hypothalamo-hypo-
und die Epithelien – einschließlich                    liche Killerzellen. Darüber hinaus          physär-adrenale Achse die entschei-
ihrem nicht-pathogenen mikrobiel-                      wird in den Sekreten der oberen             dende Rolle. In diesen Extremsitua-
len Besatz – in ihrer unterschiedli-                   Luftwege vermindert IgA sezerniert.         tionen, bei denen zumeist noch wei-
chen Beschaffenheit gehören. Jeder                     Für diagnostische Zwecke sind sol-          tere auf das Immunsystem ungüns-
Mikroorganismus steht nach Durch-                      che Veränderungen allerdings nicht          tige Faktoren einwirken, entstehen
bruch der Grenzflächen der unspezi-                    nutzbringend. Diese Veränderungen           aus physiologischen Modulationen
fischen Immunantwort und der spe-                      sind vorübergehender Natur und in           des Immunsystems sekundäre Im-
zifischen Immunantwort gegenüber                       aller Regel nach einem Tag wieder           mundefekte. Während die meisten
(8, 9). Eine akute körperliche Belas-                  verschwunden (5).                           Infektionen nicht den Verdacht auf
tung beeinflusst – abgesehen von                                                                   eine Immunschwäche begründen,
Extremsituationen – in erster Linie                          Übertraining vermindert               weil nach einer ausreichenden Ex-
die Eigenschaften der Grenzflächen-                          Immunfunktionen                       position die meisten Menschen
organe und die unspezifische                               Übertraining ist der überbelas-         daran erkranken würden, ist die Si-
Immunantwort, weniger die spezifi-                     tende Trainingsprozess, der zum             tuation in diesen Extremsituationen
sche Immunantwort. Die messbaren                       Übertrainingssyndrom führen kann.           anders. Vier entscheidende Faktoren
Funktionsänderungen bewegen sich                       Darin gerät das Verhältnis von Belas-       kommen meist zusammen:
in üblichen Referenzbereichen.                         tung und Erholung in ein ungünsti-          • Schlafdefizit
    Bei gesunden und nicht kranken                     ges Missverhältnis. Typischerweise          • zu hohe körperliche Beanspru-
Menschen, also solchen mit starken                     werden dabei die in Tabelle 1 aufge-            chung
Gesundheitsressourcen und offen-                       führten Belastungen in zu kurzer            • Mangelernährung
sichtlicher Abwesenheit von Krank-                     Abfolge durchgeführt. Dies kann so-         • psychische Überbelastung (4, 5).
heit, werden keine Krankheitssymp-                     wohl auf einem breiten- als auch
tome oder Krankheiten ausgelöst.                       leistungssportlichen Niveau der Fall            Keine Immunschwäche
Gleichwohl versetzen körperliche                       sein. Gravierender sind Extremsitua-            durch Sport
Belastungen, die mit hohen Adrena-                     tionen durch jahrelange körperliche             In den vorgenannten Extremsi-
lin- und insbesondere Cortisolaus-                     Überforderungen aus beruflichen             tuationen ist es dann gerechtfertigt
schüttungen einhergehen, den                           Gründen, beispielsweise im militäri-        von einem sekundären Immunde-
menschlichen Körper in einen Zu-                       schen Dienst oder Berufen mit star-         fekt zu sprechen, wenn die Kriterien
stand mit erhöhtem Erholungsbe-                        ker körperlicher Beanspruchung,             dafür erfüllt sind. Unter Beachtung
darf und lassen das Immunsystem                        wobei bei letzterem professionell           des intraindividuellen Vergleichs
bei zusätzlichen Herausforderungen                     betriebene Ausdauersportarten ein-          und einem angemessenen Ver-
– bildhaft beschrieben – „aus der                      geschlossen sind. Die Folge aus im-         gleichskollektiv wird von einem im-
zweiten Reihe starten“ (Tab. 1). Die                   munologischer Sicht ist die zu häu-         munologisch geschwächten Patient
vorübergehenden und reversiblen in                     fige Induktion einer Akute-Phase-           gesprochen, wenn dessen Immun-
                                                                                                   system eine messbare Defizienz auf-
 Abb. 2 Diagnostische Vorgehensweise                                                               weist und er dadurch vermehrt er-
        bei Verdacht auf Immunschwäche bei Sportlern                                               krankt. Manche Autoren gehen da-
                                                                                                   von aus, „dass relevante Störungen
      Anamnese / Körperlicher Befund (+Basislabor*)                                                dann vorliegen, wenn der Patient
                                                                                                   mindestens drei Infektepisoden pro
                                                                                                   Jahr von mehr als vier Wochen
      Infektanfälligkeit ? Infektionsherd ? Nein
                                                                Ende der Diagnostik                Dauer aufweist“ (10).
          Aktiviertes Immunsystem ?
                          Ja
                                                                                                       Diesen sehr seltenen Extremsi-
                                                      Ja
                                                                                                   tuationen durch überfordernde kör-
               Primärer Immundefekt ?                           Spezifische Labordiagnostik        perliche Aktivität steht die Mehrzahl
                          Nein                                                                     derjenigen gegenüber, bei denen
              Sekundärer Immundefekt ?
                                                     Nein
                                                                Ende der Diagnostik
                                                                                                   diese Definition nicht greift, der be-
                                                                                                   auftragte Arzt jedoch durchaus be-
                          Ja
                                                                                                   rechtigt den Verdacht hat, es han-
               Symptomorientierte Stufendiagnostik                                                 dele sich um eine „Immun-
               + Basislabor (*Urinstatus, BSG, großes Blutbild                                     schwäche“ unterhalb der Schwelle
               einschl. Diff., Nieren-, Leberwerte, Serumproteine,
               Elektrolyte, Blutzucker, CRP, IgG/A/M/E)                                            vorgenannter Definition. In dieser
                                                                                                   Definitionslücke mag das in Abbil-

                                                                                              Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32 (8+9)      413
Schwerpunkt

             dung 2 vorgeschlagene diagnosti-                              lich kann es in der Alltagspraxis hilf-         •   Belastungen bei energetisch
             sche Schema hilfreich sein.                                   reich sein zu wissen, welche Ein-                   wirksamen Erkrankungen (Tu-
                 Bei der gesamten Diagnostik                               flussfaktoren sich gerade in Über-                  morerkrankungen, Infektionen,
             kommt der Anamnese und dem da-                                trainingsphasen negativ auf die Im-                 entzündliche Erkrankungen)
             mit verbundenen körperlichen Be-                              munität auswirken und die Entste-               •   Übertraining
             fund die entscheidende Bedeutung                              hung von Infektionen begünstigen                •   Burn-out-Syndrom
             zu. Für die weitere Entscheidung                              (Tab. 2). Darüber hinaus erfordern              •   gravierender Trainingsmangel.
             über die körperliche Leistungsfähig-                          folgende Situationen besondere Auf-
             keit und die Frage nach der weiteren                          merksamkeit, damit die erforderli-                  Langfristige Stärkung des
             Sportausübung sind die Aktivie-                               che Regeneration ausreichend                        Immunsystems durch
             rungszeichen des Immunsystems in                              berücksichtigt wird und ein Über-                   angemessenen Sport
             Kombination mit ausgewählten La-                              trainings-Syndrom vermieden wird:                   Die vorangehenden Abschnitte
             borparametern wichtig. Eine Sport-                            • Ultralange Belastungen                        sollten die vielfältigen und am je-
             ausübung bei deutlicher Aktivierung                           • erschöpfende körperliche Be-                  weiligen Individuum zu beurteilen-
             des Immunsystems ist wegen Or-                                    lastungen                                   den Einflussfaktoren auf das Im-
             gankomplikationen bis hin zum                                 • ungewohnte exzentrische An-                   munsystem im Zusammenhang mit
             plötzlichen Herztod, falls es sich um                             teile                                       körperlicher Aktivität darstellen. Die
             eine infektionsbedingte Aktivierung                           • körperliche Belastungen im                    regelmäßige, den persönlichen Um-
             handelt, kontraindiziert. Letztend-                               Fastenzustand                               ständen unter besonderer Berück-
                                                                                                                           sichtigung des Alters, angemessene
              Abb. 3 Einfluss körperlicher Aktivität auf das Immunsystem                                                   körperliche Aktivität führt zu einer
                                                                                                                           Stärkung der Immunfunktionen. Re-
                                                                                                                           gelmäßige körperliche Aktivität
                                                                                                                           wirkt antiinflammatorisch und ist
               Infektionen / Immunität

                                                                           Kinder, Jugendliche und Erwachsene
                                                                                                                           die einzige nachhaltige Verhaltens-
                                                                           > 1h körperliche Aktivität pro Tag, möglichst
                                                                             in der Natur (Sport, Spiel, Spaß, Arbeit)     weise und gegenüber Medikamen-
                                         +++
                                                                           30-45 min Ausdauerbelastung an den              ten konkurrenzlos, um Folgeerkran-
                                                                            meisten Tagen jeder Woche                      kungen der „low-level-inflamma-
                                                                            (>1200 kcal / Woche)
                                         ++                                                                                tion“ wie Arteriosklerose vorzubeu-
                                                                                                                           gen (1, 2, 11, 12). Herzinfarkt- und
                                                                                                                           Schlaganfallrisiken vermindern sich
                                         +
                                                                                                                           um etwa die Hälfte bei einem kör-
                                                                                                                           perlich aktiven Lebensstil. Körper-
                                                                                                                           lich aktive Menschen haben auf-
                                                        ↔                                                                grund einer besseren Immunität
                                                   Körperliche Aktivität                                                   weniger Infektionen der oberen
                                                                                                                           Luftwege als Menschen, die einen
                                                                                                                           bewegungsarmen Lebensstil bevor-
Tab. 2 Faktoren, die die Entstehung von Infektionen bei Immunschwäche                                                      zugen (Abb. 3).
       durch ein Übertraining begünstigen                                                                                      Eine für alle Altersgruppen und
                                                                                                                           alle Lebensumstände einheitliche
• Granulozytopenie (Neutropenie)                                                                                           Empfehlung für das Maß an optima-
• Granulozytenfunktionsstörung                                                                                             ler körperlicher Aktivität ist nicht
• T-Zell-Suppression (z.B. durch Glukokortikoide)                                                                          möglich. Ausgehend von gesunden
• Immunglobulinmangel                                                                                                      und nicht kranken Menschen kann
• Splenektomie oder funktionelle Asplenie                                                                                  für Schulkinder und Jugendliche gel-
• Hautläsionen (Venenkatheter, andere iatrogene Wunden)                                                                    ten: Möglichst mehr als eine Stunde
• Schleimhautverletzungen (Mukositis)                                                                                      pro Tag im Rahmen von Spiel, Sport,
• Blutungen/Hämatome                                                                                                       Berufs- oder Schulalltag unter Bewe-
• Organfunktionsstörungen (Stenosen, Peristaltikstörungen, Harnverhalt)                                                    gungsfreude weckenden Rahmen-
• Zerstörung der physiologischen mikrobiellen Flora (z.B. durch Antibiotika)                                               bedingungen, möglichst in Natur-
• Mangelernährung                                                                                                          verbundenheit, körperlich aktiv
• Eisenüberladung                                                                                                          sein. Prinzipiell gilt dies auch für Er-
• Allergien                                                                                                                wachsene. Die epidemiologischen
• Endogene (z.B. Zahnwurzelgranulome, chronische Infektionen) und exogene Infektions-                                      Erkenntnisse fügen hinzu, dass ein
  herde (z.B. mikrobiell kontaminierte Nahrung, Fadenpilzsporen)                                                           Optimum für Sporttreibende bei der
• Höhenaufenthalte                                                                                                         Verbrennung von 1200–2000 kcal
• Chronische Schlafstörungen                                                                                               pro Woche liegt. Dazu müssten Aus-
• Konfliktreiche Beziehungen                                                                                               dauersportarten wie Radfahren,
                                                                                                                           Laufen, Wandern, Walking, Ski-

414          Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32 (8+9)
langlauf u.a.m. an den meisten Tagen der Woche zwischen
30 und 45 Minuten durchgeführt werden. Dabei bleibt
dem einzelnen Menschen überlassen, wie viel technische
Unterstützung und Animation er braucht und in welchem
Maß sozialer Kontakt hilfreich ist.

Hypocinesia and overtraining – Consequences of sports
with immune system
Acute bouts of physical exercise induce an acute-phase-re-
sponse, which is dependent of kind of exericise, duration
and intensity. Overloading single bouts of exercise and over-
training impair immune functions. These impairments do
not belong to secondary immune defects due to the lacking
severeness. Regular physical activity is anti-inflammatory
and the only chronic behavioural status to prevent from
consequences of low-level-inflammation such as atheroscle-
rosis. It is recommended that healty individuals are engaged
in endurance sports, i.e. cycling, running, hiking, walking,
cross country skiing etc. on most day of the week for 30–45
minutes. Patients shall get sophisticated advice at their
physicians.

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Anschrift des Verfassers
Univ.-Prof. Dr. med. Holger Gabriel
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Lehrstuhl für Sportmedizin
Wöllnitzer Str. 42
07749 Jena
Tel.: 03641-945651
Fax: 03641-945652
E-Mail: holger.gabriel@uni-jena.de
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