B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf

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B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf
Volume 25 No. 97        März 2020

                                                      Notlandung vor 75 Jahren
                                                      B-17 “Black Magic”
                                                      Ein fast vergessener Motor
                                                      Hirth HM 512 A-0
                                                      Einsatz in der Wüste Libyens
Am 25. Februar 1945  194
                       9 5 stürzte die B-17 «Black
                                            «Blacck
Magic» beim Weiler Stäfligen ab. Es war
zwar um die Mittagszeit, aber der schwarze
Hintergrund in der Grafik passt irgendwie
besser... [Grafik: Kuno Gross]                        PC-6 Desert Porter
B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf
CAF Swiss Wing
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Immer wieder einen Besuch wert:
B-17 Museum Utzenstorf
Kuno Gross Rolf und Jolanda Zaugg,
sowie Ueli Ruch empfingen die
Gruppe um Hans Wronka vom CAF
Minnesota Wing am Tag vor dem
Besuch der Absturzstelle der „Black
Magic“ in ihrem sensationellen B-17
Museum in Utzenstorf.
Bevor es ins Museum ging, konnten
sich noch alle an der von Rolf Zaugg
grosszügig offerierten Fleisch- und
Käseplatte stärken. Das Museum ist
voll von Artefakten, Wrackteilen und
vor allem Ausrüstungsgegenständen
der US-Luftwaffe des Zweiten Welt-
krieges und ist auf die Boeing B-17
„Flying Fortress“ fokussiert.
Die Menge, und vor allem die Viel-
falt, der Ausstellungsstücke beein-
druckte nicht nur uns, sondern auch
die Besucher aus den USA und Itali-
en, die so etwas in der Schweiz wohl
nicht erwartet hätten.

 Super Constellation
Non Destructive Testing
Johann Zsidy Ein Flugzeug auf dem Land-
weg zu transportieren ist heikel und er-
fordert einen grossen Aufwand, damit
der Rumpf dabei ja nicht beschädigt
wird. Weil die „Super Connie“ nach wie
vor mit einer Schweizer Zulassung flie-
gen soll, hat das BAZL auch ein Trans-
portgestell verlangt.
An diesem Gestell musste bei den
Schweissstellen eine zerstörungsfreie
Materialprüfung durchgeführt werden.
In diesem Fall wurde eine Fluoreszenz-
Eindringprüfung verlangt.
Bei der Farbeindringprüfung (PT) wird
die Oberfläche des zu prüfenden Bauteils
von Fett- und Ölrückständen befreit. An-
schliessend wird ein Farbeindringmittel
aufgesprüht, die geeignet ist, Risse (bis
zu einem tausendstel Millimeter Breite)
in der Oberfläche eines Werkstoffs schnell
zu finden. Diese wird dann mit mithilfe
von UV-Bestrahlung sichtbar gemacht Al-
lerdings kann es bei rauen bzw. spröden
Oberflächen zu sogenannten Scheinanzei-
gen kommen, die tatsächlich keine Fehl-
stellen sind. Die Kontrolle beim Trans-
portgestell ergab keine Anzeigen und die
„Super Connie“ konnte die Schweiz kurz
darauf, sicher gebettet, verlassen und
nach Deutschland gebracht werden.
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B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf
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Beschädigt durch die deutsche Fliegerabwehr, machte die B-17G-35-BO (42-31989) am
1. April 1944 eine Bauchlandung auf dem Gebiet von Honigton in Grossbritannien. Das
Flugzeug wurde repariert und danach wieder bei der 95th. Bomb Group eingesetzt... bis es
dann, wiederum nach Beschuss durch die Fliegerabwehr, in der Schweiz abstürzte.

Wie von selber gelandet:                       ner wurden seine Maschinengewehre           ren und niemand mehr gegensteu-
                                               sprichwörtlich aus den Händen ge-           erte, legte sich das Flugzeug in eine
B-17 „Black Magic“                             schossen. Wir warfen unsere Bomben          Rechtskurve.
Kuno Gross Am 25. Februar 1945 griff           irgendwo über einer Stadt ab, dann          Über der Gegend der Luzerner Ge-
die amerikanische 8th Air Force mit            erhielten wir einen direkten Treffer in     meinden Schongau und Hämikon
1197 schweren viermotorigen Bom-               Motor Nummer 3 und mussten den              sprang die gesamte Mannschaft, neun
bern von Grossbritannien aus Zie-              Propeller in Segelstellung bringen.         Mann, ab. Das Flugzeug flog führer-
le in Süddeutschland an. Mit dabei             Die Sauerstofftanks unter dem Flight        los weiter, kam um 11:55 Uhr, dies-
war auch die 336th Squadron der                Deck waren ebenfalls getroffen und          mal aus Nordost kommend, wieder
95th Bomb Group und darunter eine              pfiffen wie lecke Autoreifen. Der Hy-       über Hitzkirch in Sicht.
Boeing B-17 mit dem Kennzeichen                drauliktank über den Sauerstofftanks        Es war bereits so tief, dass man Angst
ET-M und dem Spitznamen „Black                 leckte ebenfalls.                           hatte, es würde den Kamin der Most-
Magic“.                                        Als wir begannen, uns für eine Not-         fabrik treffen. Die B-17 flog über
Die deutsche „Reichsverteidigung“              landung vorzubereiten, wir zogen            das Dorf Richensee und hatte dann,
war zu diesem Zeitpunkt bereits sehr           gerade den Kugelturm am Bauch des           westlich des Baldeggersees, ein paar
geschwächt, Jagdflugzeuge kamen                Flugzeuges ein, da erhielten wir noch       hundert Meter nördlich des Weilers
wegen Piloten- und Treibstoffman-              ein grosses Loch beim Funkerraum.           Stäfligen (Gemeinde Retschwil), Bo-
gel nur noch wenige zum Einsatz.               Der Funkertisch wurde getroffen,            denberührung.
So kam es, dass die Amerikaner bei             Motor Nummer 2 hatte Feuer gefan-           Bevor das Flugzeug am Waldrand des
diesem Angriff nur gerade fünf Flug-           gen und die Flammen reichten über           „Erlosen“, auf einem Grundstück des
zeuge durch Beschuss der deutschen             die Flügel mit den leckenden Treib-         Bauern Lütpold aus Ermensee, zum
Fliegerabwehr verloren, drei davon             stofftanks.“                                Liegen kam, rasierte es noch mehre-
schafften es noch, beschädigt die neu-         Ob die letzten Treffer an der „Black        re Obstbäume ab. Das Flugzeug war
trale Schweiz zu erreichen. Es wa-             Magic“ noch von der deutschen Flie-         schwer beschädigt. Da waren nicht
ren die letzten Maschinen der 8th Air          gerabwehr verursacht wurden, oder           nur die durch die Fliegerabwehr ver-
Force, die in der Schweiz notlanden            ob es die Schweizer Flab war, die           ursachten Schäden, wie die zerschos-
mussten.                                       eventuell auch noch auf das Flug-           senen Motoren und das weggeschos-
Die „Black Magic“, pilotiert von 2nd           zeug schoss, nachdem es die Grenze          sene Kinn. Bei der Landung wurde
Lt Karel Havlik, griff zusammen mit            überflogen hatte und einen Platz zum        das Höhenruder demoliert, die Heck-
anderen Flugzeugen Ziele in Mün-               notlanden suchte, kann aus den vor-         kanzel eingedrückt und der Rumpf
chen an. Der Kugelturmschütze Sgt              handenen Unterlagen nicht mehr fest-        brach etwa drei Meter vor dem Leit-
George J. Hintz erinnerte sich an diese        gestellt werden.                            werk in zwei Hälften. Auch das Fahr-
Mission: „Wir waren etwa acht Minu-            Nach Berichten von Augenzeugen              werk war abgerissen und verbogen.
ten vom Ziel entfernt, in einer Höhe           überflog die B-17 um 11:45 Uhr das          Bereits um 12:00 Uhr war beim Ter-
von etwa 20‘000 Fuss, als unser Mo-            Städtchen Hitzkirch in Richtung Vill-       ritorialkommando 8 telefonisch die
tor Nummer 4 getroffen wurde und               mergen, kam also aus Ost-Südost und         erste Meldung zum Absprung der
sich dieser in seine Bestandteile auf-         flog nach Norden. Dann entschied            Mannschaft und dann zum Absturz
zulösen begann. Wir verloren schnell           sich der Pilot zum Absprung, er hat-        des Flugzeuges eingegangen.
an Höhe und drehten ab in Richtung             te erkannt, dass die Maschine nicht         Sofort wurden zwei Offiziere und ein
Colmar, Frankreich. Wir befanden               mehr zu halten war und bereits viel         Unteroffizier mit einem Personenwa-
uns mitten in schwerem Flakfeuer,              zu tief flog, um noch einen Flug- oder      gen in Marsch gesetzt. Als diese in
und ein Teil der Flugzeugnase wurde            wenigstens einen Notlandeplatz zu           Retschwil ankamen, wurden sie bei der
uns weggeschossen. Die Flügelspit-             erreichen.                                  Poststelle angehalten und aufgefordert,
zen waren ebenfalls zerschossen, und           Da bis auf den Motor ganz links Aus-        sich umgehend mit dem Polizeiposten
dem Heckschützen Sgt Wilbur Schra-             sen alle Triebwerke ausgefallen wa-         von Hochdorf in Verbindung zu setzen.

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Man teilte ihnen mit, dass praktisch      Dies gelang dann Korporal Schnei-
gleichzeitig ein zweites Flugzeug bei     der, nicht zuletzt dank „günstiger
Müswangen abgestürzt sei.                 Mitwirkung“ des von ihm mitgeführ-
Die drei Soldaten fuhren bis zur Ab-      ten Schutzhundes.
sturzstelle bei Stäfligen, nach einer     Ab 14:15 Uhr traf dann mit dem
ersten Besichtigung fuhren die beiden     Personal der Übermittlungs Kp. 55
Offiziere weiter zur Absturzstelle von    reguläres Militär ein, das unter der
Müswangen, und Korporal Schneider         Leitung von Oberleutnant Lüthi die
blieb beim Bomber von Stäfligen. Er       Absperrung der Unfallstelle über-
stellte schnell fest, dass die Ortsweh-   nahm. Während die Soldaten und
ren, bei denen mittlerweile der OW        die Mitglieder der Ortswehren die
Kommandant von Hitzkirch den Ein-         verstreut herumliegenden Flugzeug-
satz befehligte, nicht in der Lage wa-    und Ausrüstungsteile zusammentru-
ren, die zahlreich hinzu strömenden       gen, stellte Korporal Schneider die
Schaulustigen vom Flugzeugwrack           Akten und Dokumente, die sich in
entfernt zu halten.                       der Pilotenkanzel befanden, sicher.     Das Logo der 336th. Bomb Squadron

                                                            Kartenlegende:
                                                            1. 11:45, „Black Magic“ überfliegt Hitzkirch...
                                                            2. ...und fliegt weiter Richtung Villmergen im Norden.
                                                            3. Die Mannschaft springt zwischen Schongau und Hämikon ab.
                                                            4. 11:55, „Black Magic“ überfliegt ein weiteres Mal Hitzkirch.
                                                            5. Das Flugzeug stürzt beim Weiler Stäfligen ab.

                                                            Bemerkung: Die Flugroute der „Black Magic“ wurde anhand von
                                                            Augenzeugenberichten und Polizeimeldungen möglichst genau
                                                            rekonstruiert.

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Hans Lang erinnert sich:                            knickte er bei Obstbäumen die Kronen,              Aus dem Rumpf des Flugzeuges wur-
                                                    legte ganze Bäume um und schieferte                den viele Körbe mit Munitionsgurten
Der Erste an der Unfallstelle                       dann etwa 300 Meter über den Boden,                getragen. Sie waren für die zwölf Ma-
Hans Lang (†) via Theodor Lang Ich war              bis er beim Holzlagerplatz am Rande                schinengewehre bestimmt.
21 Jahre alt, als ich den Absturz eines             des Erlosenwaldes liegen blieb.                    Es stellte sich bald heraus, dass das
viermotorigen       USA-Superbombers                Eigenartigerweise war das Ungetüm                  Flugzeug führerlos war, die neun Mann
bei der Gemeindegrenze Retschwil-                   nicht so schwer beschädigt. Aus einer              Besatzung waren über Fahrwangen und
Ermensee-Hitzkirch miterlebte. Am                   Kammer floss Treibstoff aus, direkt in             Schongau abgesprungen. Das Wrack
Sonntag, den 25. Februar 1945, sassen               den Moosbach. Von dort floss er in den             wurde in der darauffolgenden Woche
wir beim Mittagessen. Plötzlich hör-                See hinaus, wo er von der später ange-             abgebrochen und mit Militärlastwagen
ten wir die Sirenen aufheulen, und                  rückten Emmener Flugplatzwehr dann                 auf die Station Hitzkirch gebracht. Vier
kurz danach gab es einen gewaltigen                 angezündet wurde. Meine Cousine von                Bahnwagen des „Seetalers“ (lokale Ei-
Krach.                                              der Post holte in aller Eile ein Gefäss            senbahn) wurden damit gefüllt.
Mein erster Gedanke war: Hier in der                und hoffte, etwas vom damals äusserst
                                                                                                       Die Schweizer „Ortswehren“ wurden 1940 gegrün-
Nähe hat eine Bombe eingeschlagen!                  begehrten Nass zu retten. Doch das ge-             det und bestanden aus nicht-dienstpflichtigen Män-
Ich eilte ans Fenster, riss es auf, und             lang ihr nicht. Eine Treibstoffkammer              nern und Frauen, die mindestens 16 Jahre alt sein
staunte nicht wenig, als ich etwa 300               war nicht beschädigt. Später, beim Ab-             mussten. Ihre Aufgabe war es, die reguläre Armee
Meter vom Hof entfernt einen grossen                brechen, konnten die Armee-Mechani-                auf lokaler Ebene zu unterstützen.
Trümmerhaufen sah. Zusammen mit                     ker einige Fass voll abpumpen.
unserem Hund Bless war ich der ers-
te, der bei der Unfallstelle anlangte.
Aber nicht lange dauerte es, da ka-
men Leute aus allen Himmelsrichtun-
gen angerannt, um die Unglücksstelle
zu besichtigen. Die Ortswehren von
Retschwil und Hitzkirch sperrten unter
dem Kommando des Sekundarlehrers
von Hitzkirch, Josef Bussmann, den
Absturzplatz ab. Augenzeugen berich-
teten, der Bomber sei sehr tief geflogen,
knapp über den Hochkamin der Most-
fabrik von Hitzkirch hinweg, und habe
immer mehr an Höhe verloren. Bald

Buch-Quellen: Ian Hawkins „Courage, Honor,          Augenzeugen: Hans Lang (†) und Kurt J. Jaeger      Dankeschön: Die Artikel um die „Black Magic“
Victory - TA First Person History of te 95. Bomb    Dokumente: Diverse Polizeiberichte und Bericht     wären nicht möglich gewesen, ohne die Hilfe und
Group“, Hans Heiri Stapfer „Strangers in a stran-   der Direktion für Militärflugplätze aus dem Bun-   Unterstützung von Alois Lang und Annelis
ge Land“ und Dani Egger und Theo Willhelm mit       desarchiv in Bern                                  Furrer, Stäfligen, Roger Burri, Bettwil, Heinz
ihren Büchern, „Fremde Flugzeuge in der Schweiz     Zeitungen: „Der Seetaler“ und Artikel aus diver-   Ziegler, St. Gallen, Hansjörg Engler, Aesch, Da-
1939-1945“                                          sen andere anderen Zeitungen                       niel Egger, Widnau und Rolf Zaugg, Utzenstorf.

                                                                          16
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Besatzung der „Black Magic“:              Kurt J. Jaeger erinnert sich:                Dann bemerkte ich die Pistole, die auf
                                                                                       mich gerichtet war. Der Mann stieg zö-
Fallschirmabsprung                        Begegnung im Wald                            gerlich aus dem Graben hoch und kam
Kpl Hengartner, Ter Kdo 5 (Bericht, ge-   Kurt J. Jaeger Ich wohnte damals in Bos-     auf mich zu. Kaum stand er mir gegen-
kürzt) Gestützt auf Meldungen zu ei-      wil und war eben am Sonntagmorgen            über, zog er aus einer Brusttasche eine
nem abgestürzten Flugzeug wurde so-       nach dem Besuch der Hauptmesse aus           flache Verpackung. „Chocolate“ sagte er
fort der Piket-Offizier des Ter Kdo 5,    der Kirche getreten, als plötzlich ein       mit einer tiefen Stimme. Ich aber schaute
Hauptmann Weiss, alarmiert, der dann      grosses, viermotoriges Flugzeug über         nur auf die Pistole, die immer noch dro-
den Auftrag erhielt, die mit dem Fall-    das Dorf donnerte. Flammen schlugen          hend auf mich zeigte. Doch dann schien
schirm abgesprungene Mannschaft zu        in langen Fahnen aus zwei Motoren            der fremde Mann zu begreifen. Mit ei-
fassen.                                   und eine dichte Rauchwolke hinter sich       nem verlegenen Grinsen senkte er die
Man begab sich sofort nach Bettwil, wo    herziehend, raste es ziemlich tief auf       Pistole, zog etwas aus dem Griffstück
sich im Haus des Kommandanten der         den Lindenberg zu.                           heraus und reichte es mir. Dann steck-
Ortswehr, Herrn Alois Wyss, bereits       Noch am gleichen Mittag wurden die äl-       te er die Pistole ins Halfter zurück. Ich
zwei der neun Mannschaftsmitglieder       teren Schüler vom Dorfweibel aufgebo-        nahm allen Mut zusammen und griff zö-
befanden. Umgehend wurden alle um-        ten, sich bei der Schule zu versammeln.      gernd nach dem Magazin, das er mir ent-
liegenden Ortswehren alarmiert und        Dort wurden wir vom Lehrer der fünften       gegenhielt. Dann sagte der Mann etwas
                                          Klasse informiert, dass das grosse Flug-     in eindringlichen Worten, das ich nicht
bereits im Laufe des Nachmittags konn-
                                          zeug ein amerikanischer Bomber gewe-         verstand.
ten die restlichen sieben Besatzungs-
                                          sen sei, und dass dieser offensichtlich      Aber ich sah, wie er demonstrativ die
mitglieder gefasst und nach Schongau
                                          abgestürzt sei. Die Besatzung hätte sich     Hände in die Höhe hielt. Wollte der
gebracht werden.
                                          jedoch wohl zum grössten Teil mit dem        Mann vielleicht damit andeuten, dass
Sechs von ihnen griffen die Ortswehren
                                          Fallschirm retten können. Als Nächstes       er sich als Gefangener ergeben wollte?
von Bettwil und Schongau auf, den letz-
                                          machte er uns Schülern klar, dass wir        „Switzerland“, sagte der Fremde nun
ten Kantonspolizist Galliker aus Aesch.                                                mit einem befreiten Lachen auf das klei-
                                          jetzt in Gruppen durch den Bergwald
Zwei der Besatzungsmitglieder hatten                                                   ne Schweizerfähnchen in meiner Hand
                                          streifen müssten, um den Amerikanern
sich bei der Landung leichte Beinver-     klar zu machen, dass sie sich nicht in Na-   zeigend. Vielleicht war dieser Mann gar
letzungen zugezogen und waren nicht       zi-Deutschland, sondern in der Schweiz       nicht so gefährlich, dachte ich aufatmend
marschtauglich, daher wurden alle sie-    befänden. Dazu müssten wir aber drei         und zeigte einladend den Weg entlang,
ben mit einem zweispännigen Pferde-       Wörter in englischer Sprache lernen und      den ich mit ihm gehen wollte, und der
fuhrwerk nach Hitzkirch geführt und       diese laut im Wald herumschreien: “This      schlussendlich in Bettwil enden würde.
dort im Restaurant „Kreuz“ unterge-       is Switzerland! This is Switzerland!“        Nach knapp einer halben Stunde erreich-
bracht.                                   Dann fuhr er fort: „Und wenn ihr dann        ten wir zusammen den Hof vom Linden-
Um 18:00 Uhr befanden sich alle neun      einem Mann in einer fremden Uniform          bauer. Hier wurde der Fremde freund-
Besatzungsmitglieder dort und wurden      begegnet, der nicht Deutsch kann, so         lich von der Polizei und einem Offizier
dann vom Polizei-Kommando Luzern          müsst ihr ihn einem der ebenfalls su-        der Armee empfangen, der dessen
in die Flab-Kaserne von Emmen über-       chenden Soldaten übergeben, oder ihn         Sprache beherrschte. Zu meiner Über-
führt. Ihre Fallschirme und die persön-   zum Sammelpunkt beim Hof vom Lin-            raschung sah ich hier ein paar weitere
lichen Effekten hatten alle bei sich.     denbauer in Bettwil begleiten. Dort wer-     Männer, die in der gleichen seltsamen
                                          den die örtliche Polizei oder Angehörige     Uniform steckten, wie mein eigener „Ge-
Photo: B-17 Museum Utzensdorf             der Armee ihn dann in Empfang neh-           fangener“. Ich zog das Pistolenmagazin
                                          men.“                                        aus meiner Hose und reichte es mit einer
                                          Jetzt wurde jedem der Schüler ein klei-      kurzen Erklärung dem Offizier. Sichtlich
                                          nes 1. August Papierfähnchen mit dem         erstaunt starrte dieser auf das Magazin
                                          Schweizerkreuz in die Hand gedrückt.         und dann auf den Amerikaner, der nun
                                          Kurze Zeit später war ich mit meinen         seinerseits die leere Pistole hinlegte. „
                                          Mitschülern unterwegs ins grosse Wald-       Das hast du gut gemacht, Bub“, lobte
                                          gebiet, über dem die Fallschirme ge-         der Offizier immer wieder und klopfte
                                          sichtet worden waren. Dort teilten wir       mir anerkennend auf die Schulter. Doch
                                          uns auf. Ich ging alleine einen schmalen     dann wies er mich als Dank für meinen
                                          Waldweg entlang und war schon einige         Einsatz zu einem Tisch, wo ich eine Tas-
                                          hundert Meter weit gegangen, als ich zu      se Tee und einen Nussgipfel in Empfang
                                          einem Holzsteg kam, der über einen tie-      nehmen durfte.
                                          fen Graben führte. Ich schrie aus Leibes-    Für mich war es die erste Begegnung mit
                                          kräften: „This is Switzerland!“              einem Amerikaner, und sie ergab Ge-
                                          Dann bemerkte ich zu meinem Schre-           sprächsstoff für viele Tage. Ich war unter
                                          cken, wie sich direkt unter mir im Graben    meinen Mitschülern plötzlich berühmt,
                                          plötzlich das Laub bewegte, sich daraus      hatte ich doch eigenhändig einen frem-
                                          langsam eine Gestalt erhob und stetig        den Soldaten aus Amerika in die „Gefan-
                                          grösser wurde. Mich erfasste die nack-       genschaft“ begleitet.
                                          te Angst, denn er war ganz schwarz im        Erst viele Jahre später wurde mir be-
                                          Gesicht. Ich war damals überzeugt, dass      wusst, dass in der US Luftwaffe zu die-
                                          es sich um einen „Neger“, einen „wilden      ser Zeit kaum Besatzungsmitglieder mit
                                          Mann aus Afrika“, gar einen „Kanniba-        schwarzer Hautfarbe zu finden waren,
                                          len“ handeln musste, genauso, wie man        und sein Gesicht eventuell von Russ und
                                          es uns in der Schule erzählt hatte.          Öl oder zur Tarnung geschwärzt war.

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B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf
CAF Swiss Wing
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Stäfligen bei Retschwil: Besuch
der Absturzstelle
Kuno Gross Der Lindenberg und das
Seetaal waren am Morgen des 10. No-
vember 2019 dicht in Nebel gehüllt. Wir
wollten die Absturzstellen von Müs-
wangen, Hämikon und Hitzkirch (Stäfli-
gen) besuchen, aber es machte nicht den
Anschein, dass wir auch wirklich etwas
sehen würden.
Aber wir blieben optimistisch, und tat-
sächlich: Als wir in der Nähe der Ab-
sturzstelle der „Touchy Tess“, die am
25. Februar 1945 etwa 45 Minuten nach
der „Black Magic“ niederging, anhielten,
riss der Nebel auf und gab auch noch die
Sicht auf den Wald des Lindenbergs frei,
dort, wo die Mannschaft der „Black Ma-
gic“ abgesprungen war. Zu zweit vom
„Swiss Wing“ waren wir mit Hans Wron-
ka vom „Minnesota Wing“ und Freun-
den aus Italien unterwegs. Der Grosson-
kel von Hans sass als Kugelturmschütze
in der „Black Magic“ und heute wollten
er, sein älterer Sohn und seine Freunde
endlich einmal sehen, wo das Flugzeug,             Oben: Roger Burri vom Swiss Wing über-
abgestürzt war. Wir fuhren von Müswan-             fliegt die Absturzstelle mit der Stinson L-5
gen her talabwärts, hielten kurz bei der           (Das Foto ist bearbeitet). Unten: Die Grup-
Friedenskappelle von Hämikon, wo die               pe an der Absturzstelle der „Black Magic“.
                                                   [Fotos: Kuno Gross]
Plakette zum Gedenken an die Besatzung
der über diesem Dorf explodierten „Lan-
caster“ hing. Dann hob sich der Nebel
plötzlich und wir konnten sogar über das
Tal hinweg zur Absturzstelle der „Black
Magic“ sehen.
Alois Lang, der Vater des heutigen Land-
eigentümers, war bereits vor Ort. Mit ihm
gekommen war Annelies Furrer, die als
Kind Augenzeugin des Absturzes wur-
de: „Wir sassen bei Mittagessen. Es gab
Kartoffelstock und Bratwurst. Der Vater
war vom Militär beurlaubt und sass mit
uns am Tisch, als plötzlich ein Geräusch
immer lauter wurde. Wir liefen zum
Fenster und sahen gerade noch, wie ein
riesengrosses Flugzeug berstend über die
Wiese schlitterte, Obstbäume mit sich riss
und dann beim Holzplatz am Rande des
Erlosenwaldes zu liegen kam.“
Es war ein spezielles Gefühl, an genau
dem Ort zu stehen, wo vor knapp 75 Jah-
ren, am 25. Februar 1945, ein Flugzeug
abgestürzt war. Und den Beweis, dass wir
genau am richtigen Ort standen, konnte
ich Hans Wronka in Form von zwei klei-
nen Aluminiumteilen des Rumpfes der
B-17 übergeben.
Und auch an diesem Tag konnte man
wieder ein tiefes Motorengebrumm hö-
ren. Aber diesmal war es kein abstür-
zendes Flugzeug, sondern „Swiss Wing“
Warbird-Pilot Roger Burri mit der Stin-
son L-5, der die Absturzstelle mehrfach
überflog und auch noch einen Blumen-
strauss abwarf. Sehr eindrücklich... und
Frau Furrer freute sich darüber.
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B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf
CAF Swiss Wing
     März 2020

     Links: Die Absturzstelle der B-17 „Black
     Magic“ beim Holzlagerplatz am Ran-
     de des Erlosenwaldes. Die Stelle befin-
     det sich zwar auf dem Gemeindegebiet
     von Hitzkirch, jedoch liegt sie nur etwa
     300 Meter nordwestlich der alten Post-
     stelle vom Weiler Stäfligen (Gemeinde
     Retschwil), direkt hinter der Anlage der
     Pistolenschützen.
     Das Foto von 1945 zeigt die Schäden an
     der „bauchgelandeten“ B-17 sehr deut-
     lich, vor allem kann man an der Lage des
     Seitenleitwerks klar erkennen, dass der
     Rumpf hinter dem Tragflügel gebrochen
     ist. Auch die Schäden am rechten Flügel,
     die durch die Kollision mit Obstbäumen
     verursacht wurden, sind klar zu erken-
     nen. Am linken Bildrand sieht man even-
     tuell „Bless“, den Hund, der vom Augen-
     zeugen Hans Lang erwähnt wird.
     Links: Die Absturzstelle im Oktober
     2019. Die Nase des Flugzeuges befand
     sich etwa dort, wo heute der Wegweiser
     steht.
     Unten: Bereits 1945, als das Wrack der
     „Black Magic“ zur Verschrottung ent-
     fernt wurde, wurden alle herumliegenden
     Teile eingesammelt. Auch in den zurück-
     liegenden Jahrzehnten wurde mehrfach
     nach verbliebenen Teilen gesucht. Heinz
     Ziegler aus St. Gallen und Alois Lang,
     dessen Familie das Grundstück gehört,
     suchten im Oktober 2019 trotzdem noch
     einmal. Die ganze Fläche wurde mit einem
     Detektor begangen, und tatsächlich kamen
     noch mehrere Metallteile zum Vorschein,
     die eindeutig dem abgestürzten Flugzeug
     zuzuordnen sind. Abgebildet sind zwei
     Teile der braun lackierten Rumpfbeplan-
     kung und ein Nietenstück.

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B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf
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