B-17 "Black Magic" Notlandung vor 75 Jahren - B17 Museum Utzenstorf
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Volume 25 No. 97 März 2020 Notlandung vor 75 Jahren B-17 “Black Magic” Ein fast vergessener Motor Hirth HM 512 A-0 Einsatz in der Wüste Libyens Am 25. Februar 1945 194 9 5 stürzte die B-17 «Black «Blacck Magic» beim Weiler Stäfligen ab. Es war zwar um die Mittagszeit, aber der schwarze Hintergrund in der Grafik passt irgendwie besser... [Grafik: Kuno Gross] PC-6 Desert Porter
CAF Swiss Wing März 2020 Immer wieder einen Besuch wert: B-17 Museum Utzenstorf Kuno Gross Rolf und Jolanda Zaugg, sowie Ueli Ruch empfingen die Gruppe um Hans Wronka vom CAF Minnesota Wing am Tag vor dem Besuch der Absturzstelle der „Black Magic“ in ihrem sensationellen B-17 Museum in Utzenstorf. Bevor es ins Museum ging, konnten sich noch alle an der von Rolf Zaugg grosszügig offerierten Fleisch- und Käseplatte stärken. Das Museum ist voll von Artefakten, Wrackteilen und vor allem Ausrüstungsgegenständen der US-Luftwaffe des Zweiten Welt- krieges und ist auf die Boeing B-17 „Flying Fortress“ fokussiert. Die Menge, und vor allem die Viel- falt, der Ausstellungsstücke beein- druckte nicht nur uns, sondern auch die Besucher aus den USA und Itali- en, die so etwas in der Schweiz wohl nicht erwartet hätten. Super Constellation Non Destructive Testing Johann Zsidy Ein Flugzeug auf dem Land- weg zu transportieren ist heikel und er- fordert einen grossen Aufwand, damit der Rumpf dabei ja nicht beschädigt wird. Weil die „Super Connie“ nach wie vor mit einer Schweizer Zulassung flie- gen soll, hat das BAZL auch ein Trans- portgestell verlangt. An diesem Gestell musste bei den Schweissstellen eine zerstörungsfreie Materialprüfung durchgeführt werden. In diesem Fall wurde eine Fluoreszenz- Eindringprüfung verlangt. Bei der Farbeindringprüfung (PT) wird die Oberfläche des zu prüfenden Bauteils von Fett- und Ölrückständen befreit. An- schliessend wird ein Farbeindringmittel aufgesprüht, die geeignet ist, Risse (bis zu einem tausendstel Millimeter Breite) in der Oberfläche eines Werkstoffs schnell zu finden. Diese wird dann mit mithilfe von UV-Bestrahlung sichtbar gemacht Al- lerdings kann es bei rauen bzw. spröden Oberflächen zu sogenannten Scheinanzei- gen kommen, die tatsächlich keine Fehl- stellen sind. Die Kontrolle beim Trans- portgestell ergab keine Anzeigen und die „Super Connie“ konnte die Schweiz kurz darauf, sicher gebettet, verlassen und nach Deutschland gebracht werden. 13
CAF Swiss Wing März 2020 Beschädigt durch die deutsche Fliegerabwehr, machte die B-17G-35-BO (42-31989) am 1. April 1944 eine Bauchlandung auf dem Gebiet von Honigton in Grossbritannien. Das Flugzeug wurde repariert und danach wieder bei der 95th. Bomb Group eingesetzt... bis es dann, wiederum nach Beschuss durch die Fliegerabwehr, in der Schweiz abstürzte. Wie von selber gelandet: ner wurden seine Maschinengewehre ren und niemand mehr gegensteu- sprichwörtlich aus den Händen ge- erte, legte sich das Flugzeug in eine B-17 „Black Magic“ schossen. Wir warfen unsere Bomben Rechtskurve. Kuno Gross Am 25. Februar 1945 griff irgendwo über einer Stadt ab, dann Über der Gegend der Luzerner Ge- die amerikanische 8th Air Force mit erhielten wir einen direkten Treffer in meinden Schongau und Hämikon 1197 schweren viermotorigen Bom- Motor Nummer 3 und mussten den sprang die gesamte Mannschaft, neun bern von Grossbritannien aus Zie- Propeller in Segelstellung bringen. Mann, ab. Das Flugzeug flog führer- le in Süddeutschland an. Mit dabei Die Sauerstofftanks unter dem Flight los weiter, kam um 11:55 Uhr, dies- war auch die 336th Squadron der Deck waren ebenfalls getroffen und mal aus Nordost kommend, wieder 95th Bomb Group und darunter eine pfiffen wie lecke Autoreifen. Der Hy- über Hitzkirch in Sicht. Boeing B-17 mit dem Kennzeichen drauliktank über den Sauerstofftanks Es war bereits so tief, dass man Angst ET-M und dem Spitznamen „Black leckte ebenfalls. hatte, es würde den Kamin der Most- Magic“. Als wir begannen, uns für eine Not- fabrik treffen. Die B-17 flog über Die deutsche „Reichsverteidigung“ landung vorzubereiten, wir zogen das Dorf Richensee und hatte dann, war zu diesem Zeitpunkt bereits sehr gerade den Kugelturm am Bauch des westlich des Baldeggersees, ein paar geschwächt, Jagdflugzeuge kamen Flugzeuges ein, da erhielten wir noch hundert Meter nördlich des Weilers wegen Piloten- und Treibstoffman- ein grosses Loch beim Funkerraum. Stäfligen (Gemeinde Retschwil), Bo- gel nur noch wenige zum Einsatz. Der Funkertisch wurde getroffen, denberührung. So kam es, dass die Amerikaner bei Motor Nummer 2 hatte Feuer gefan- Bevor das Flugzeug am Waldrand des diesem Angriff nur gerade fünf Flug- gen und die Flammen reichten über „Erlosen“, auf einem Grundstück des zeuge durch Beschuss der deutschen die Flügel mit den leckenden Treib- Bauern Lütpold aus Ermensee, zum Fliegerabwehr verloren, drei davon stofftanks.“ Liegen kam, rasierte es noch mehre- schafften es noch, beschädigt die neu- Ob die letzten Treffer an der „Black re Obstbäume ab. Das Flugzeug war trale Schweiz zu erreichen. Es wa- Magic“ noch von der deutschen Flie- schwer beschädigt. Da waren nicht ren die letzten Maschinen der 8th Air gerabwehr verursacht wurden, oder nur die durch die Fliegerabwehr ver- Force, die in der Schweiz notlanden ob es die Schweizer Flab war, die ursachten Schäden, wie die zerschos- mussten. eventuell auch noch auf das Flug- senen Motoren und das weggeschos- Die „Black Magic“, pilotiert von 2nd zeug schoss, nachdem es die Grenze sene Kinn. Bei der Landung wurde Lt Karel Havlik, griff zusammen mit überflogen hatte und einen Platz zum das Höhenruder demoliert, die Heck- anderen Flugzeugen Ziele in Mün- notlanden suchte, kann aus den vor- kanzel eingedrückt und der Rumpf chen an. Der Kugelturmschütze Sgt handenen Unterlagen nicht mehr fest- brach etwa drei Meter vor dem Leit- George J. Hintz erinnerte sich an diese gestellt werden. werk in zwei Hälften. Auch das Fahr- Mission: „Wir waren etwa acht Minu- Nach Berichten von Augenzeugen werk war abgerissen und verbogen. ten vom Ziel entfernt, in einer Höhe überflog die B-17 um 11:45 Uhr das Bereits um 12:00 Uhr war beim Ter- von etwa 20‘000 Fuss, als unser Mo- Städtchen Hitzkirch in Richtung Vill- ritorialkommando 8 telefonisch die tor Nummer 4 getroffen wurde und mergen, kam also aus Ost-Südost und erste Meldung zum Absprung der sich dieser in seine Bestandteile auf- flog nach Norden. Dann entschied Mannschaft und dann zum Absturz zulösen begann. Wir verloren schnell sich der Pilot zum Absprung, er hat- des Flugzeuges eingegangen. an Höhe und drehten ab in Richtung te erkannt, dass die Maschine nicht Sofort wurden zwei Offiziere und ein Colmar, Frankreich. Wir befanden mehr zu halten war und bereits viel Unteroffizier mit einem Personenwa- uns mitten in schwerem Flakfeuer, zu tief flog, um noch einen Flug- oder gen in Marsch gesetzt. Als diese in und ein Teil der Flugzeugnase wurde wenigstens einen Notlandeplatz zu Retschwil ankamen, wurden sie bei der uns weggeschossen. Die Flügelspit- erreichen. Poststelle angehalten und aufgefordert, zen waren ebenfalls zerschossen, und Da bis auf den Motor ganz links Aus- sich umgehend mit dem Polizeiposten dem Heckschützen Sgt Wilbur Schra- sen alle Triebwerke ausgefallen wa- von Hochdorf in Verbindung zu setzen. 14
CAF Swiss Wing März 2020 Man teilte ihnen mit, dass praktisch Dies gelang dann Korporal Schnei- gleichzeitig ein zweites Flugzeug bei der, nicht zuletzt dank „günstiger Müswangen abgestürzt sei. Mitwirkung“ des von ihm mitgeführ- Die drei Soldaten fuhren bis zur Ab- ten Schutzhundes. sturzstelle bei Stäfligen, nach einer Ab 14:15 Uhr traf dann mit dem ersten Besichtigung fuhren die beiden Personal der Übermittlungs Kp. 55 Offiziere weiter zur Absturzstelle von reguläres Militär ein, das unter der Müswangen, und Korporal Schneider Leitung von Oberleutnant Lüthi die blieb beim Bomber von Stäfligen. Er Absperrung der Unfallstelle über- stellte schnell fest, dass die Ortsweh- nahm. Während die Soldaten und ren, bei denen mittlerweile der OW die Mitglieder der Ortswehren die Kommandant von Hitzkirch den Ein- verstreut herumliegenden Flugzeug- satz befehligte, nicht in der Lage wa- und Ausrüstungsteile zusammentru- ren, die zahlreich hinzu strömenden gen, stellte Korporal Schneider die Schaulustigen vom Flugzeugwrack Akten und Dokumente, die sich in entfernt zu halten. der Pilotenkanzel befanden, sicher. Das Logo der 336th. Bomb Squadron Kartenlegende: 1. 11:45, „Black Magic“ überfliegt Hitzkirch... 2. ...und fliegt weiter Richtung Villmergen im Norden. 3. Die Mannschaft springt zwischen Schongau und Hämikon ab. 4. 11:55, „Black Magic“ überfliegt ein weiteres Mal Hitzkirch. 5. Das Flugzeug stürzt beim Weiler Stäfligen ab. Bemerkung: Die Flugroute der „Black Magic“ wurde anhand von Augenzeugenberichten und Polizeimeldungen möglichst genau rekonstruiert. 15
CAF Swiss Wing März 2020 Hans Lang erinnert sich: knickte er bei Obstbäumen die Kronen, Aus dem Rumpf des Flugzeuges wur- legte ganze Bäume um und schieferte den viele Körbe mit Munitionsgurten Der Erste an der Unfallstelle dann etwa 300 Meter über den Boden, getragen. Sie waren für die zwölf Ma- Hans Lang (†) via Theodor Lang Ich war bis er beim Holzlagerplatz am Rande schinengewehre bestimmt. 21 Jahre alt, als ich den Absturz eines des Erlosenwaldes liegen blieb. Es stellte sich bald heraus, dass das viermotorigen USA-Superbombers Eigenartigerweise war das Ungetüm Flugzeug führerlos war, die neun Mann bei der Gemeindegrenze Retschwil- nicht so schwer beschädigt. Aus einer Besatzung waren über Fahrwangen und Ermensee-Hitzkirch miterlebte. Am Kammer floss Treibstoff aus, direkt in Schongau abgesprungen. Das Wrack Sonntag, den 25. Februar 1945, sassen den Moosbach. Von dort floss er in den wurde in der darauffolgenden Woche wir beim Mittagessen. Plötzlich hör- See hinaus, wo er von der später ange- abgebrochen und mit Militärlastwagen ten wir die Sirenen aufheulen, und rückten Emmener Flugplatzwehr dann auf die Station Hitzkirch gebracht. Vier kurz danach gab es einen gewaltigen angezündet wurde. Meine Cousine von Bahnwagen des „Seetalers“ (lokale Ei- Krach. der Post holte in aller Eile ein Gefäss senbahn) wurden damit gefüllt. Mein erster Gedanke war: Hier in der und hoffte, etwas vom damals äusserst Die Schweizer „Ortswehren“ wurden 1940 gegrün- Nähe hat eine Bombe eingeschlagen! begehrten Nass zu retten. Doch das ge- det und bestanden aus nicht-dienstpflichtigen Män- Ich eilte ans Fenster, riss es auf, und lang ihr nicht. Eine Treibstoffkammer nern und Frauen, die mindestens 16 Jahre alt sein staunte nicht wenig, als ich etwa 300 war nicht beschädigt. Später, beim Ab- mussten. Ihre Aufgabe war es, die reguläre Armee Meter vom Hof entfernt einen grossen brechen, konnten die Armee-Mechani- auf lokaler Ebene zu unterstützen. Trümmerhaufen sah. Zusammen mit ker einige Fass voll abpumpen. unserem Hund Bless war ich der ers- te, der bei der Unfallstelle anlangte. Aber nicht lange dauerte es, da ka- men Leute aus allen Himmelsrichtun- gen angerannt, um die Unglücksstelle zu besichtigen. Die Ortswehren von Retschwil und Hitzkirch sperrten unter dem Kommando des Sekundarlehrers von Hitzkirch, Josef Bussmann, den Absturzplatz ab. Augenzeugen berich- teten, der Bomber sei sehr tief geflogen, knapp über den Hochkamin der Most- fabrik von Hitzkirch hinweg, und habe immer mehr an Höhe verloren. Bald Buch-Quellen: Ian Hawkins „Courage, Honor, Augenzeugen: Hans Lang (†) und Kurt J. Jaeger Dankeschön: Die Artikel um die „Black Magic“ Victory - TA First Person History of te 95. Bomb Dokumente: Diverse Polizeiberichte und Bericht wären nicht möglich gewesen, ohne die Hilfe und Group“, Hans Heiri Stapfer „Strangers in a stran- der Direktion für Militärflugplätze aus dem Bun- Unterstützung von Alois Lang und Annelis ge Land“ und Dani Egger und Theo Willhelm mit desarchiv in Bern Furrer, Stäfligen, Roger Burri, Bettwil, Heinz ihren Büchern, „Fremde Flugzeuge in der Schweiz Zeitungen: „Der Seetaler“ und Artikel aus diver- Ziegler, St. Gallen, Hansjörg Engler, Aesch, Da- 1939-1945“ sen andere anderen Zeitungen niel Egger, Widnau und Rolf Zaugg, Utzenstorf. 16
CAF Swiss Wing März 2020 Besatzung der „Black Magic“: Kurt J. Jaeger erinnert sich: Dann bemerkte ich die Pistole, die auf mich gerichtet war. Der Mann stieg zö- Fallschirmabsprung Begegnung im Wald gerlich aus dem Graben hoch und kam Kpl Hengartner, Ter Kdo 5 (Bericht, ge- Kurt J. Jaeger Ich wohnte damals in Bos- auf mich zu. Kaum stand er mir gegen- kürzt) Gestützt auf Meldungen zu ei- wil und war eben am Sonntagmorgen über, zog er aus einer Brusttasche eine nem abgestürzten Flugzeug wurde so- nach dem Besuch der Hauptmesse aus flache Verpackung. „Chocolate“ sagte er fort der Piket-Offizier des Ter Kdo 5, der Kirche getreten, als plötzlich ein mit einer tiefen Stimme. Ich aber schaute Hauptmann Weiss, alarmiert, der dann grosses, viermotoriges Flugzeug über nur auf die Pistole, die immer noch dro- den Auftrag erhielt, die mit dem Fall- das Dorf donnerte. Flammen schlugen hend auf mich zeigte. Doch dann schien schirm abgesprungene Mannschaft zu in langen Fahnen aus zwei Motoren der fremde Mann zu begreifen. Mit ei- fassen. und eine dichte Rauchwolke hinter sich nem verlegenen Grinsen senkte er die Man begab sich sofort nach Bettwil, wo herziehend, raste es ziemlich tief auf Pistole, zog etwas aus dem Griffstück sich im Haus des Kommandanten der den Lindenberg zu. heraus und reichte es mir. Dann steck- Ortswehr, Herrn Alois Wyss, bereits Noch am gleichen Mittag wurden die äl- te er die Pistole ins Halfter zurück. Ich zwei der neun Mannschaftsmitglieder teren Schüler vom Dorfweibel aufgebo- nahm allen Mut zusammen und griff zö- befanden. Umgehend wurden alle um- ten, sich bei der Schule zu versammeln. gernd nach dem Magazin, das er mir ent- liegenden Ortswehren alarmiert und Dort wurden wir vom Lehrer der fünften gegenhielt. Dann sagte der Mann etwas Klasse informiert, dass das grosse Flug- in eindringlichen Worten, das ich nicht bereits im Laufe des Nachmittags konn- zeug ein amerikanischer Bomber gewe- verstand. ten die restlichen sieben Besatzungs- sen sei, und dass dieser offensichtlich Aber ich sah, wie er demonstrativ die mitglieder gefasst und nach Schongau abgestürzt sei. Die Besatzung hätte sich Hände in die Höhe hielt. Wollte der gebracht werden. jedoch wohl zum grössten Teil mit dem Mann vielleicht damit andeuten, dass Sechs von ihnen griffen die Ortswehren Fallschirm retten können. Als Nächstes er sich als Gefangener ergeben wollte? von Bettwil und Schongau auf, den letz- machte er uns Schülern klar, dass wir „Switzerland“, sagte der Fremde nun ten Kantonspolizist Galliker aus Aesch. mit einem befreiten Lachen auf das klei- jetzt in Gruppen durch den Bergwald Zwei der Besatzungsmitglieder hatten ne Schweizerfähnchen in meiner Hand streifen müssten, um den Amerikanern sich bei der Landung leichte Beinver- klar zu machen, dass sie sich nicht in Na- zeigend. Vielleicht war dieser Mann gar letzungen zugezogen und waren nicht zi-Deutschland, sondern in der Schweiz nicht so gefährlich, dachte ich aufatmend marschtauglich, daher wurden alle sie- befänden. Dazu müssten wir aber drei und zeigte einladend den Weg entlang, ben mit einem zweispännigen Pferde- Wörter in englischer Sprache lernen und den ich mit ihm gehen wollte, und der fuhrwerk nach Hitzkirch geführt und diese laut im Wald herumschreien: “This schlussendlich in Bettwil enden würde. dort im Restaurant „Kreuz“ unterge- is Switzerland! This is Switzerland!“ Nach knapp einer halben Stunde erreich- bracht. Dann fuhr er fort: „Und wenn ihr dann ten wir zusammen den Hof vom Linden- Um 18:00 Uhr befanden sich alle neun einem Mann in einer fremden Uniform bauer. Hier wurde der Fremde freund- Besatzungsmitglieder dort und wurden begegnet, der nicht Deutsch kann, so lich von der Polizei und einem Offizier dann vom Polizei-Kommando Luzern müsst ihr ihn einem der ebenfalls su- der Armee empfangen, der dessen in die Flab-Kaserne von Emmen über- chenden Soldaten übergeben, oder ihn Sprache beherrschte. Zu meiner Über- führt. Ihre Fallschirme und die persön- zum Sammelpunkt beim Hof vom Lin- raschung sah ich hier ein paar weitere lichen Effekten hatten alle bei sich. denbauer in Bettwil begleiten. Dort wer- Männer, die in der gleichen seltsamen den die örtliche Polizei oder Angehörige Uniform steckten, wie mein eigener „Ge- Photo: B-17 Museum Utzensdorf der Armee ihn dann in Empfang neh- fangener“. Ich zog das Pistolenmagazin men.“ aus meiner Hose und reichte es mit einer Jetzt wurde jedem der Schüler ein klei- kurzen Erklärung dem Offizier. Sichtlich nes 1. August Papierfähnchen mit dem erstaunt starrte dieser auf das Magazin Schweizerkreuz in die Hand gedrückt. und dann auf den Amerikaner, der nun Kurze Zeit später war ich mit meinen seinerseits die leere Pistole hinlegte. „ Mitschülern unterwegs ins grosse Wald- Das hast du gut gemacht, Bub“, lobte gebiet, über dem die Fallschirme ge- der Offizier immer wieder und klopfte sichtet worden waren. Dort teilten wir mir anerkennend auf die Schulter. Doch uns auf. Ich ging alleine einen schmalen dann wies er mich als Dank für meinen Waldweg entlang und war schon einige Einsatz zu einem Tisch, wo ich eine Tas- hundert Meter weit gegangen, als ich zu se Tee und einen Nussgipfel in Empfang einem Holzsteg kam, der über einen tie- nehmen durfte. fen Graben führte. Ich schrie aus Leibes- Für mich war es die erste Begegnung mit kräften: „This is Switzerland!“ einem Amerikaner, und sie ergab Ge- Dann bemerkte ich zu meinem Schre- sprächsstoff für viele Tage. Ich war unter cken, wie sich direkt unter mir im Graben meinen Mitschülern plötzlich berühmt, plötzlich das Laub bewegte, sich daraus hatte ich doch eigenhändig einen frem- langsam eine Gestalt erhob und stetig den Soldaten aus Amerika in die „Gefan- grösser wurde. Mich erfasste die nack- genschaft“ begleitet. te Angst, denn er war ganz schwarz im Erst viele Jahre später wurde mir be- Gesicht. Ich war damals überzeugt, dass wusst, dass in der US Luftwaffe zu die- es sich um einen „Neger“, einen „wilden ser Zeit kaum Besatzungsmitglieder mit Mann aus Afrika“, gar einen „Kanniba- schwarzer Hautfarbe zu finden waren, len“ handeln musste, genauso, wie man und sein Gesicht eventuell von Russ und es uns in der Schule erzählt hatte. Öl oder zur Tarnung geschwärzt war. 17
CAF Swiss Wing März 2020 Stäfligen bei Retschwil: Besuch der Absturzstelle Kuno Gross Der Lindenberg und das Seetaal waren am Morgen des 10. No- vember 2019 dicht in Nebel gehüllt. Wir wollten die Absturzstellen von Müs- wangen, Hämikon und Hitzkirch (Stäfli- gen) besuchen, aber es machte nicht den Anschein, dass wir auch wirklich etwas sehen würden. Aber wir blieben optimistisch, und tat- sächlich: Als wir in der Nähe der Ab- sturzstelle der „Touchy Tess“, die am 25. Februar 1945 etwa 45 Minuten nach der „Black Magic“ niederging, anhielten, riss der Nebel auf und gab auch noch die Sicht auf den Wald des Lindenbergs frei, dort, wo die Mannschaft der „Black Ma- gic“ abgesprungen war. Zu zweit vom „Swiss Wing“ waren wir mit Hans Wron- ka vom „Minnesota Wing“ und Freun- den aus Italien unterwegs. Der Grosson- kel von Hans sass als Kugelturmschütze in der „Black Magic“ und heute wollten er, sein älterer Sohn und seine Freunde endlich einmal sehen, wo das Flugzeug, Oben: Roger Burri vom Swiss Wing über- abgestürzt war. Wir fuhren von Müswan- fliegt die Absturzstelle mit der Stinson L-5 gen her talabwärts, hielten kurz bei der (Das Foto ist bearbeitet). Unten: Die Grup- Friedenskappelle von Hämikon, wo die pe an der Absturzstelle der „Black Magic“. [Fotos: Kuno Gross] Plakette zum Gedenken an die Besatzung der über diesem Dorf explodierten „Lan- caster“ hing. Dann hob sich der Nebel plötzlich und wir konnten sogar über das Tal hinweg zur Absturzstelle der „Black Magic“ sehen. Alois Lang, der Vater des heutigen Land- eigentümers, war bereits vor Ort. Mit ihm gekommen war Annelies Furrer, die als Kind Augenzeugin des Absturzes wur- de: „Wir sassen bei Mittagessen. Es gab Kartoffelstock und Bratwurst. Der Vater war vom Militär beurlaubt und sass mit uns am Tisch, als plötzlich ein Geräusch immer lauter wurde. Wir liefen zum Fenster und sahen gerade noch, wie ein riesengrosses Flugzeug berstend über die Wiese schlitterte, Obstbäume mit sich riss und dann beim Holzplatz am Rande des Erlosenwaldes zu liegen kam.“ Es war ein spezielles Gefühl, an genau dem Ort zu stehen, wo vor knapp 75 Jah- ren, am 25. Februar 1945, ein Flugzeug abgestürzt war. Und den Beweis, dass wir genau am richtigen Ort standen, konnte ich Hans Wronka in Form von zwei klei- nen Aluminiumteilen des Rumpfes der B-17 übergeben. Und auch an diesem Tag konnte man wieder ein tiefes Motorengebrumm hö- ren. Aber diesmal war es kein abstür- zendes Flugzeug, sondern „Swiss Wing“ Warbird-Pilot Roger Burri mit der Stin- son L-5, der die Absturzstelle mehrfach überflog und auch noch einen Blumen- strauss abwarf. Sehr eindrücklich... und Frau Furrer freute sich darüber. 18
CAF Swiss Wing März 2020 Links: Die Absturzstelle der B-17 „Black Magic“ beim Holzlagerplatz am Ran- de des Erlosenwaldes. Die Stelle befin- det sich zwar auf dem Gemeindegebiet von Hitzkirch, jedoch liegt sie nur etwa 300 Meter nordwestlich der alten Post- stelle vom Weiler Stäfligen (Gemeinde Retschwil), direkt hinter der Anlage der Pistolenschützen. Das Foto von 1945 zeigt die Schäden an der „bauchgelandeten“ B-17 sehr deut- lich, vor allem kann man an der Lage des Seitenleitwerks klar erkennen, dass der Rumpf hinter dem Tragflügel gebrochen ist. Auch die Schäden am rechten Flügel, die durch die Kollision mit Obstbäumen verursacht wurden, sind klar zu erken- nen. Am linken Bildrand sieht man even- tuell „Bless“, den Hund, der vom Augen- zeugen Hans Lang erwähnt wird. Links: Die Absturzstelle im Oktober 2019. Die Nase des Flugzeuges befand sich etwa dort, wo heute der Wegweiser steht. Unten: Bereits 1945, als das Wrack der „Black Magic“ zur Verschrottung ent- fernt wurde, wurden alle herumliegenden Teile eingesammelt. Auch in den zurück- liegenden Jahrzehnten wurde mehrfach nach verbliebenen Teilen gesucht. Heinz Ziegler aus St. Gallen und Alois Lang, dessen Familie das Grundstück gehört, suchten im Oktober 2019 trotzdem noch einmal. Die ganze Fläche wurde mit einem Detektor begangen, und tatsächlich kamen noch mehrere Metallteile zum Vorschein, die eindeutig dem abgestürzten Flugzeug zuzuordnen sind. Abgebildet sind zwei Teile der braun lackierten Rumpfbeplan- kung und ein Nietenstück. 19
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