B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau

Die Seite wird erstellt Franziska Schulte
 
WEITER LESEN
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
B1 – Brücke Altstädter Bahnhof
in Brandenburg an der Havel

Bauwerksuntersuchungen
vor dem Rückbau
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
Impressum

Herausgeber:
Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg

Lindenallee 51
15366 Hoppegarten
Telefon: 03342 249-1190
Fax: 03342 355-710
LS-Bruecke@LS.Brandenburg.de
www.ls.brandenburg.de

Fachliche Koordination:
Thomas Bösche, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden
Felix Kaplan, Landesbetrieb Straßenwesen (LS) Brandenburg
Stephan Pirskawetz, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
Katrin Saloga, KHP Berlin
Oliver Steinbock, Technische Universität (TU) Dresden

Forschungsteilnehmer:

Finanziert durch:

Satz, Layout und Druck:
LGB (Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg)

Stand: Oktober 2021
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
Vorwort

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die Brücke am Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel stand bei ihrer Eröffnung im Jahr
1969 für die höchste Ingenieurskunst der damaligen Zeit und für einen in die Zukunft gerichteten
Blick. Sie trug den Namen „Brücke des 20. Jahrestag“, denn am 20. Jahrestag der DDR wurde
die Brücke für den Verkehr freigegeben. Sie verbindet die westlichen Stadtbezirke mit dem Zen-
trum der Stadt Brandenburg an der Havel und wurde so von vielen Einwohner:innen genutzt. Zu
Fuß, mit dem Rad, dem Auto oder mit der Straßenbahn.

50 Jahre später, im Dezember 2019, wurde bei einer Bauwerksprüfung eine starke Schadens­
zunahme festgestellt. Eine sofortige Sperrung für den Verkehr war unumgänglich. Das hatte es
im Land Brandenburg bislang nicht gegeben und stellt einen einzigartigen Sonderfall bei der Be-
wertung von Bauwerken dar. Die Sperrung führte zu starken Einschränkungen für den Verkehr,
für den Landesbetrieb Straßenwesen aber hatte die Sicherheit oberste Priorität.

Um die Belastung für die Stadt so gering wie möglich zu halten, hat der Landesbetrieb Stra-
ßenwesen sofort mit der Planung für Abriss und Neubau der Brücke begonnen. So gelang es
innerhalb von kurzer Zeit den Rückbau umzusetzen und die Pläne für den Ersatzneubau vor-
zustellen.

Gleichzeitig bot sich die einmalige Gelegenheit, kurz vor dem Rückbau noch umfangreiche
Untersuchungen zur Verifizierung des Schadensbilds durchzuführen und verschiedene Moni­
toringverfahren zum Einsatz zu bringen. Damit wurden wertvolle Erfahrungen gesammelt, die
der Landesbetrieb Straßenwesen anderen Baulastträgern zur Verfügung stellen möchte. Sie
ermöglichen es, bei baugleichen Bauwerken zielgerichteter handeln zu können. Die Fülle der
untersuchten Aspekte ist in diesem Bericht dokumentiert.

Diese umfangreichen Untersuchungen wurden vom Bundesministerium für Verkehr und digita-
le Infrastruktur finanziert. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken. Mit großem Engagement
beteiligt haben sich auch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, die Technische
Universität Dresden, die Hochschule für Wirtschaft und Technik Dresden sowie das Unterneh-
men Bilfinger Noell und die Ingenieursozietät Zech, Ruth, Blasius. Auch bei ihnen bedankt sich
der Landesbetrieb Straßenwesen.

Ich wünsche Ihnen nun eine informative Lektüre.

Freundliche Grüße

Edgar Gaffry
Vorsitzender des Vorstands
Landesbetrieb Straßenwesen

                             B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL            3
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
Inhalt

    1       Einführung – Veranlassung für das Untersuchungsprogramm................................6

    2       Bauwerksbeschreibung.................................................................................................8
    2.1     Bauwerksdaten................................................................................................................8
    2.2     Konstruktion und Besonderheiten des Bauwerks - Vorspannung..................................10
    2.3     Bauwerkszustand Dezember 2019................................................................................13
    2.4     Entwicklung Bauzustand Dezember 2019 – Mai 2021...................................................16
    2.5     Zusätzliche Untersuchungen zum Bauwerkszustand im Rahmen der OSA
            (Dezember 2019 bis Mai 2020)......................................................................................17
    2.6     Entwicklung Bauzustand Juni 2020 – Mai 2021.............................................................18

    3       Gesamtkonzeption der Bauwerksuntersuchungen..................................................21
    3.1     Formulierung der Untersuchungsziele...........................................................................21
    3.2     Zerstörender Versuch und begleitendes Monitoring......................................................23

    4       Untersuchungen zum Bauwerkszustand...................................................................27
    4.1     Zerstörungsfreie Ortung der Spannglieder (BAM/HTW)................................................27
    4.1.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................27
    4.1.2   Messstellen und Ziel der Untersuchung.........................................................................27
    4.1.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................29
    4.1.4   Zwischenfazit.................................................................................................................30
    4.2     Bohrkernuntersuchungen/Beton (HTW).........................................................................31
    4.2.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................31
    4.2.2   Messstellen und Ziel der Untersuchung.........................................................................31
    4.2.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................32
    4.2.4   Zwischenfazit.................................................................................................................33
    4.3     Rückdehnungsmessungen an den Spanndrähten (HTW).............................................34
    4.3.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................34
    4.3.2   Messstellen und Ziel der Untersuchung.........................................................................34
    4.3.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................35
    4.3.4   Zwischenfazit.................................................................................................................36
    4.4     Materialtechnische Untersuchungen an den Spanndrähten (BAM)...............................37
    4.4.1   Grundlagen und Messprinzip.........................................................................................37
    4.4.2   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................38
    4.4.3   Zwischenfazit.................................................................................................................42

    5       Zerstörender Versuch - Ergebnisse der Mess- und Monitoringsysteme................45
    5.1     Monitoring mit Dehnungsmessungen an der Betonoberfläche (HTW)...........................45
    5.1.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................45
    5.1.2   Messstellenplan und Konzept........................................................................................45
    5.1.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................46
    5.1.4   Zwischenfazit.................................................................................................................49
    5.2     Monitoring mittels geodätischer Verfahren (GIM)...........................................................50
    5.2.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................50
    5.2.2   Messstellenplan und Konzept........................................................................................50
    5.2.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................52

4       B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
5.2.4   Zwischenfazit.................................................................................................................57
5.3     Monitoring mit Schwingungsmessungen (BAM)............................................................58
5.3.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................58
5.3.2   Messstellenplan und Konzept........................................................................................59
5.3.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................61
5.3.4   Zwischenfazit.................................................................................................................64
5.4     Monitoring mit Schallemissionsmessung (Bilfinger Noell, BAM)....................................65
5.4.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................65
5.4.2   Messtellenplan und Konzept..........................................................................................66
5.4.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................67
5.4.4   Zwischenfazit.................................................................................................................70
5.5     Monitoring mit Faseroptischer Messung (BAM).............................................................71
5.5.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................71
5.5.2   Messstellenplan und Konzept........................................................................................72
5.5.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................73
5.5.4   Zwischenfazit.................................................................................................................77
5.6     Monitoring mit Videoextensometer (Fotogrammmetrie).................................................78
5.6.1   Messprinzip und Grundlagen.........................................................................................78
5.6.2   Messstellenplan und Konzept........................................................................................79
5.6.3   Messdaten und wesentliche Ergebnisse........................................................................79
5.6.4   Zwischenfazit.................................................................................................................83

6       Zusammenfassung......................................................................................................85
6.1     Rückschlüsse aus den rechnerischen Untersuchungen................................................85
6.2     Rückschlüsse aus den Schadensbildern.......................................................................85
6.2.1   Im Rahmen der OSA festgestellte Schadensbilder........................................................85
6.2.2   Während der Versuche festgestellte Schadensbilder....................................................86
6.2.3   Untersuchungen nach Bauwerksabbruch......................................................................87
6.3     Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen aus dem Monitoring....................................88
6.4     Empfehlungen zum Umgang mit vergleichbaren Bauwerken........................................89

7       Unterlagen und Literatur.............................................................................................90
7.1     Bestandsunterlagen/Gutachten/Berichte.......................................................................90
7.2     Technische Regelwerke.................................................................................................90
7.3     Literatur..........................................................................................................................92
7.4     Messstellpläne – Übersicht............................................................................................93

                                         B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL                                             5
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
Einführung – Veranlassung für
1     das Untersuchungsprogramm

    Felix Kaplan, LS Brandenburg
    Oliver Steinbock, TU Dresden
    Thomas Bösche, HTW Dresden
    Ernst Niederleithinger, BAM

    Die Brücke am Altstädter Bahnhof in Bran-      Während des Betriebs der Schallemissions-
    denburg an der Havel überführte die Bun-       messanlage (Juni 2020 bis Mai 2021) wurden
    desstraße B 1 über die B 102 und die Gleise    an der Brücke insgesamt 110 Spanndraht-
    der Deutschen Bahn. Das Bauwerk wurde im       brüche detektiert. Bei einer anschließenden
    Dezember 2019 für den Verkehr von Stra-        handnahen Bauwerksüberprüfung konnte
    ßenbahnen und Kraftfahrzeugen gesperrt,        teilweise die Entstehung neuer Risse im Be-
    nachdem im Rahmen der Bauwerksprüfung          reich der lokalisierten Bruchstellen festgestellt
    eine erhebliche Zunahme von Rissen fest-       werden. Der permanent fortschreitende Schä-
    gestellt wurde. Bei den anschließenden Un-     digungszustand zeichnete sich besonders
    tersuchungen waren insbesondere das sprö-      durch Längsrisse im Steg der Längsträger
    de – auf Spannungsrisskorrosion zurück zu      aus, die auf Höhe des Spanngliedes verliefen.
    führende – Versagen der Spanndrahtproben       Diese Rissbilder konnten an einzelnen Längs-
    im Zugversuch und die festgestellten Anrisse   trägern bereits im Zuge der Bauwerksprüfun-
    die Ursache für die Anordnung einer umfang-    gen seit Dezember 2019 festgestellt werden.
    reichen Monitoringanlage zur Messung von       Somit waren am Bauwerk Altstädter Bahnhof
    Durchbiegungen des Überbaus, Temperatur-       die folgenden vier Schädigungszustände (be-
    verläufen im Überbau und zur Detektion von     zogen auf die Längsträger) anzutreffen:
    Spanndrahtbrüchen in den Längsträgern.
    Am 18.05.2021 wurde das Bauwerk durch          ▪ Längsträger ohne Längsrisse
    Sprengung der Stützen zurückgebaut.            ▪ Längsträger mit Längsrissen (vor Juni
                                                     2020)
    Für die Längsträger wurde das Spann-           ▪ Längsträger mit detektierten Spanndraht-
    blockverfahren nach [TGL 173-33: 1967]           brüchen (seit Juni 2020) ohne Längsrisse
    eingesetzt. Das Verfahren war an das in        ▪ Längsträger mit detektierten Spanndraht-
    Westdeutschland eingesetzte Baur-Leon-           brüchen (seit Juni 2020) mit Längsrissen
    hardt-Spannverfahren [Leonhardt 1980] an-
    gelehnt und zeichnete sich dadurch aus, dass   Die entstandenen Längsrisse wurden auf
    sehr viele – im Fall der vorliegenden Brücke   eine lokale Überschreitung der Spaltzug-
    392 – Spanndrähte in einem Spannglied          festigkeiten in den Querschnitten bzw. den
    geführt werden. Die Spanndrähte wurden         Stegen von balkenartigen Querschnitten zu-
    in einem massiven Betonblock hinter dem        rückgeführt. Zu keinem Zeitpunkt wurden am
    Endquerträger verankert. Die Vorspannkraft     Bauwerk Biegerisse, die nach Handlungsan-
    wurde mit hydraulischen Pressen auf diese      weisung Spannungsrisskorrosion als Ankün-
    Blöcke aufgebracht. Gegenüber konventio-       digungsverhalten gelten, festgestellt. Vor dem
    nellen Spanngliedern führt die Konzentration   Hintergrund des Schadensfalls an der Elsen-
    der Spanndrähte in einem Spannglied dazu,      brücke in Berlin und den in Brandenburg fest-
    dass es für den jeweiligen Längsträger keine   gestellten Schäden, kann das Auftreten der
    Redundanz durch Umlagerung auf andere          Längsrisse unter Umständen als Ankündi-
    Spannglieder gibt.                             gungsverhalten für Bauwerke mit konzentrier-
                                                   ten Spanngliedern gewertet werden.

6     B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
Am Bauwerk in Brandenburg bestand die
Möglichkeit, die verschiedenen genannten
Schädigungszustände unter kontrollierten
Bedingungen zu untersuchen und durch
zerstörende Versuche die erwarteten Scha-
densbilder künstlich zu generieren und
messtechnisch zu erfassen. Daraus sollten
Rückschlüsse, in welchem Umfang diese
Längsrisse als Ankündigung des Bauwerks-
versagens zu werten sind, abgeleitet werden.

Für die messtechnische Erfassung wurden
alle bekannten und zur Verfügung stehen-
den Verfahren für die Dauerüberwachung
von Spannbetonbrücken eingesetzt. Durch
die Untersuchungsergebnisse sollen diese
Verfahren bewertet und weiter verbessert
werden. Mit den zerstörungsfreien Prüfun-
gen wurde zudem gezeigt, welchen Erkennt-
nisgewinn weiterführende Untersuchungen
bei einer unklaren Bestandssituation liefern
können.

Der Mehrwert, der hier dargestellten Un-
tersuchungen, geht weit über das konkrete
Bauwerk hinaus. Es wurden Schadensbilder
dokumentiert, die möglicherweise auf andere
Bauwerke mit konzentrierten Spanngliedern
(Spannblockverfahren und Baur-Leonhardt-
Verfahren) übertragbar sind. Durch die sys-
tematische Auswertung der Versuchsdaten
sollen Grundlagen geschaffen werden, wel-
che bei Vorliegen entsprechender Schadens-
bilder fundierte Bewertungen zur Resttragfä-
higkeit ermöglichen.

Andere Baulastträger sollen dadurch in die
Lage versetzt werden, adäquate Entschei-
dungen zu treffen und weitere Schritte zu ini­
tiieren.

                              B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL   7
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
2     Bauwerksbeschreibung

    2.1 Bauwerksdaten                                 Durch das Bauwerk wurde die Magdeburger
                                                      Straße (B 1) über die Zanderstraße (B 102)
    Oliver Steinbock, TU Dresden                      und die Gleise der Deutschen Bahn über-
    Felix Kaplan, LS Brandenburg                      führt. Die Lage des Bauwerks ist in Abbildung
                                                      2.1a dargestellt.
    Die Brücke am Altstädter Bahnhof wurde im
    Jahre 1969 hergestellt und im Rahmen der          Das Brückenbauwerk setzte sich aus zwei Teil-
    Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen          bauwerken zusammen. Zum einen aus dem
    der DDR eröffnet, siehe z. B. [Die Stras­         Haupttragwerk (TBW 1), welches die Magde-
    se_1971]. Sie bildete die Hauptverbindung         burger Straße (B 1) über Gleis/Parkplatz und
    zwischen der Innenstadt und den westli-           Zanderstraße (B 102) überführte, sowie der
    chen Stadtteilen der Stadt Brandenburg an         sogenannten Europakurve (TBW 2 – nach-
    der Havel. Besondere Bedeutung hatte das          folgend als Nebentragwerk bezeichnet). Die
    Bauwerk bei seiner Errichtung, da es in un-       Europakurve verband hierbei die überführte
    mittelbarer Nähe zum ehemaligen Stahl- und        Zanderstraße (B 102) mit der auf dem Bau-
    Walzwerk Brandenburg lag und den Beschäf-         werk verlaufenden Magdeburger Straße (B 1).
    tigten einen schnellen Arbeitsweg ermöglich-      Das Haupttragwerk überführte die Magdebur-
    te. Gleichzeitig war das Bauwerk bei seiner       ger Landstraße in zwei Fahrtrichtungen mit
    Errichtung ein Vorgriff auf den später umge­      jeweils zwei Fahrspuren, sowie eine zweiglei-
    setzten Zentrumsring.                             sige Straßenbahnlinie im nördlichen Bereich
                                                      des Bauwerks.

     Abbildung 2.1a: Lage des Bauwerks, Kartendarstellung aus Straßennetzviewer Brandenburg

8     B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
Der Fokus der Bauwerksuntersuchungen              ruktionshöhe zwischen 1,46 m und 1,54 m
im Rahmen der hier vorgestellten Untersu-         ausgeführt war und in Brückenquerrichtung
chungen lag auf dem Längstragsystem des           eine sehr robuste Konstruktion sicherstellte.
Haupttragwerks. Deshalb beziehen sich die         Somit konnten auch die im Norden liegen-
nachfolgenden Ausführungen bevorzugt auf          den Kragarme mit der Straßenbahn befahren
das Haupttragwerk.                                werden. Die planmäßig nicht zugänglichen
                                                  Hohlkästen wiesen somit eine lichte Höhe
Das Haupttragwerk war mit einer Länge von         von ≈ 1,22 m bzw. 1,06 m bei einer Breite von
174 m und einer Überbaubreite von ≈ 37 m          2,68 m auf. Mit Ausnahme des kleinen Endfel-
ungewöhnlich breit. Gleichzeitig wurden in        des (20 m) waren die Hohlkästen durch nicht
Brückenquerrichtung nur zwei Stützen mit          vorgespannte Feldquerträger in der Feldmitte
einem Abstand von 18,5 m angeordnet. Dar-         ausgesteift. Des Weiteren waren in den Stüt-
aus resultierte auch die ungewöhnliche Wahl       zenachsen vorgespannte Querträger ange-
des Überbauquerschnittes, der als neunzel-        ordnet. Im Anschlussbereich des Zubringers
liger Hohlkasten mit einer variablen Konst-       (Achse C) waren zusätzlich zum Hauptquer-

 Abbildung 2.1b: Haupttragwerk
 Längsschnitt, Draufsicht, Querschnitt

                               B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL         9
B1 - Brücke Altstädter Bahnhof in Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen vor dem Rückbau
träger zwei vorgespannte Nebenquerträger        Die Entwicklung und Anwendung des Spann-
     angeordnet. Der Querträger C und die beiden     blockverfahrens ist somit im Kontext der
     Nebenquerträger dienen als Auflager für die     früheren raschen Entwicklung von Massiv-
     Längsträger des Nebentragwerks.                 bauarten zu werten und unter Würdigung
                                                     des damaligen Kenntnisstands als außeror-
     Gemäß Planunterlagen war der Überbau mit        dentliche Ingenieurleistung herauszustellen.
     Betonstahl der Güte St-I (glatt) bzw. St-III    Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wur-
     (gerippt) bewehrt und die Betonqualität war     den zwischen 1962 und 1970 elf Bauwerke
     mit B 450 angegeben.                            mit dem Spannblockverfahren errichtet. Bei
                                                     der Beurteilung des vorliegenden Bauwerks
     2.2 Konstruktion und Besonderheiten             und bei der Konzeption der Bauwerksunter-
         des Bauwerks – Vorspannung                  suchungen konnten auch die Ergebnisse der
                                                     Bauwerksuntersuchungen der Elsenbrücke
     Felix Kaplan, LS Brandenburg                    und der Mühlendammbrücke eingesehen
     Katrin Saloga, KHP Berlin                       werden. Diese Bauwerke wurden ebenfalls
     Oliver Steinbock, TU Dresden                    mit dem Spannblockverfahren hergestellt.
                                                     Daraus abgeleitete Schlüsse werden nach-
     Bei der Brücke am Altstädter Bahnhof kam        folgend – soweit sie auf die Brandenburger
     das Spannblockverfahren am Haupttrag-           Brücke übertragen worden – umrissen.
     werk in Längsrichtung zur Anwendung. Die
     Vorspannung in Querrichtung sowie die Vor-      Als die Brücke am Altstädter Bahnhof er-
     spannung des Zubringers erfolgte mit kon-       richtet wurde, war das Spannblockverfahren
     ventionellen und kleinteiligen Bündelspann-     durch die Einführung der [TGL 173-33] gere-
     gliedern. Bei dem Spannblockverfahren           gelt. Gegenüber den normativen Vorgaben
     handelt es sich um eine Adaption anderer        kam beim vorliegenden Bauwerk eine Son-
     Spannverfahren mit konzentrierten Spann-        derform zum Einsatz. Zum einen wurden an-
     gliedern, wie z. B. dem Verfahren Baur-Leon-    stelle des üblichen Spanndrahtes mit 40 mm²
     hardt, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.       Querschnittsfläche Spanndrähte mit 35 mm²
     Durch die Anwendung des Spannblockver-          verwendet. Grund hierfür war, dass zum da-
     fahrens anstelle der Bündelspannglieder ver-    maligen Zeitpunkt lediglich die Spanndrähte
     sprachen sich das Bauunternehmen (BMK           mit 35 mm² in der erforderlichen Lieferlänge
     Ost) und die Konstrukteur:innen einen gerin-    von 175 m beim Hennigsdorfer Stahlwerk zur
     geren Herstellaufwand, der sich nach [Bau-      Verfügung standen. Zum anderen wurde ein
     technik 1969] wie folgt begründet:              größerer Spannkasten (Spanngliedkasten für
                                                     SSG 1400 statt SSG 1200) notwendig um die
     ▪ relativ geringen Aufwand für die Einleitung   insgesamt 392 Einzeldrähte im Spannkasten
       der großen Vorspannkräfte                     unterbringen zu können bzw. eine Spannkraft
     ▪ geringer Platzbedarf des Spannglieds im       von 12 MN je Hauptträger einleiten zu kön-
       Querschnitt, hierdurch Material- (Beton)      nen. Die 392 Einzeldrähte wurden lagenwei-
       und Gewichtseinsparung                        se eingebaut und mittels Abstandshaltern in
     ▪ Vereinfachung der Bautechnologie für Vor-     ihrer Lage gesichert, wie in Abbildung 2.2a
       spannen und Auspressen und dadurch ge-        erkennbar ist.
       ringerer Aufwand für die Überwachung die-
       ser relevanten Arbeitsschritte
     ▪ ökonomische Vorteile durch geringeren
       Spannstahlbedarf

10     B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
Abbildung 2.2b: Lagerplatz für die Spindeln der Spann-
                                                 drähte, Brücke am Altstädter Bahnhof
                                                 [Privatarchiv Richard Matthea, Brandenburg]

 Abbildung 2.2a: Blick in den Hüllkasten an
 einer Umlenkstelle [Bautechnik 1969]

Mit dem heutigen Wissen ist das Spannblock-
verfahren grundsätzlich kritisch zu bewerten.
Als Spannstahl wurden die vergüteten Hen-
nigsdorfer Spanndrähte verwendet, diese
sind mittlerweile bei Ortbetonbauwerken als
hochgefährdet in Bezug auf Spannungsriss-
korrosion bekannt. Diesbezüglich ist auch
der Herstellvorgang hochproblematisch zu
bewerten. Bedingt durch die erforderlichen       Abbildung 2.2c: Einlegen der Spanndrähte bei
Arbeitsschritte (Auszüge aus Bautagebuch         Bau der Elsenbrücke
                                                 [Privatarchiv Fritz Niedergesäß, Berlin]
der Mühlendammbrücke): Aufbau von Lehr-
gerüst und Schalung  Einbau der Hüllkäs-
ten und Einlegen der Spanndrähte  Be-
tonage Widerlagermassivteil als Unterlage       der Spanndrähte ca. sechs Monate. Für die
für die Spannblöcke  Betonage Spannblö-        Brücke am Altstädter Bahnhof wurde eine
cke  Betonage Bodenplatte und Stege der        ähnlich lange Bewitterungszeit bei der Be-
Randfelder  Betonage Fahrbahnplatte der        fragung von ehemaligen Spanntechnikern
Randfelder  Betonage Bodenplatte und           des BMK Ost bestätigt. In dieser Zeit waren
Stege Mittelfeld  Betonage Fahrbahnplat-       die Spanndrähte nicht durch das alkalische
te des Mittelfeldes  Aufbringen der Vor-       Milieu des Verpressmörtels geschützt. Die
spannung  Verpressen der Spannkanäle           verschiedenen Maßnahmen zum Korrosions-
konnte die normativ geforderte Bewitterungs-    schutz (Einfetten, Belüftung der Spannglie-
zeit von 14 Tagen für die Spanndrähte un-       der) sind als unzureichend zu bewerten. Die
möglich eingehalten werden. Am Beispiel der     Abbildungen 2.2b bis 2.2e vermitteln einen
Mühlendammbrücke betrug die Bewitterung         Eindruck von dem beschriebenen Bauablauf.

                             B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL         11
Abbildung 2.2d: Zuschweißen der Hüllkästen beim Bau der Elsenbrücke
[Privatarchiv Fritz Niedergesäß, Berlin]

           Abbildung 2.2e: Spannstahlfächer und bewehrter Spannblock [Bautechnik 1969]

         Eine weitere Besonderheit ist, dass die Kon-       lisch verlegt wurde. Lediglich in der nördlichen
         struktionshöhe der Längsträgerstege bei der        Stützenreihe bzw. im Bereich der Straßenbahn-
         Brücke am Altstädter Bahnhof nahezu konstant       trassierung wurden lokale Einstabspannglieder
         war. Generell wurden die anderen Bauwerke          ergänzt, um einen überdrückten Querschnitt
         mit konzentrierten Spanngliedern als gevoute-      unter Gebrauchslastniveau sicherzustellen.
         te Überbauten hergestellt. Bei vorgespannten       Aus der Spanngliedführung und der konstan-
         Durchlaufträgern mit konstanter Konstruktions-     ten Konstruktionshöhe in Verbindung mit dem
         höhe werden im Stützbereich üblicherweise Zu-      konzentrierten Spanngliedes jedes Hauptträ-
         satzspannglieder angeordnet, um die großen         gers ergeben sich im Stützbereich nur geringe
         Stützmomente aufnehmen zu können. Dies             Randspannungen an der gezogenen Quer-
         ist bei der Brücke Altstädter Bahnhof nicht der    schnittsfaser (Dekompression gering), im Feld-
         Fall, da das konzentrierte Spannglied über die     bereich dagegen eine vergleichsweise hohe
         gesamte Bauwerkslänge geführt und parabo-          Randspannungen (hohe Dekompression).

    12      B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
Abbildung 2.2f: Prinzipieller Spanngliedverlauf, Brücke am Altstädter Bahnhof

                2.3 Bauwerkszustand Dezember 2019                      Die Abbildungen 2.3a und 2.3b (siehe Seite
                                                                       14) zeigen die Rissbilder im Vergleich. Dabei
                Felix Kaplan, LS Brandenburg                           ist zu erkennen, dass die Rissanzahl deutlich
                                                                       zugenommen hat. Vor Ort war erkennbar,
                Die Brücke am Altstädter Bahnhof wurde                 dass unmittelbar neben dem vorhandenen
                am 05.12.2019 für den überführten Verkehr              Riss weitere Risse (die nicht markiert waren)
                (PKW, Schwerverkehr und Öffentlichen Per­              entstanden sind.
                sonennahverkehr) gesperrt. An diesem Tag
                fand in Vorbereitung auf die Hauptprüfung              Durch den Landesbetrieb Straßenwesen
                2020 eine Vorabbegehung durch den zustän-              wurden die Ursachen Alkali-Kieselsäure-
                digen Bauwerksprüfingenieur statt. Bei der             Reaktion und Karbonatisierung aufgrund des
                vorangegangenen Hauptprüfung 2014 erhielt              Rissbildes vor Ort ausgeschlossen. Es ver-
                das Teilbauwerk 1 die Zustandsnote 3,5 und             blieben als mögliche Ursachen der Schäden
                das Teilbauwerk 2 die Zustandsnote 3,0. In             Spannungsrisskorrosion und Temperaturein-
                2017 wurde das Bauwerk außerdem im Rah-                wirkung. Zur weiteren Beurteilung des Bau-
                men einer umfangreichen Bauwerksuntersu-               werks war nach Ansicht des Landesbetrieb
                chung bewertet.                                        Straßenwesens eine unverzügliche Überprü-
                                                                       fung der entsprechenden Hohlkastenstege
                Maßgebender Schaden für die Sperrung                   erforderlich. Das war jedoch nicht umsetzbar,
                waren die Risse in der Bauwerksuntersicht              da nur ein kleiner Teil der Hohlkästen zu-
                in dem Randfeld neben der B 102. Bei der               gänglich war, siehe Abbildung 2.3c.
                Hauptprüfung 2014 konnten keine Risse ge-
                funden werden. Im Ergebnis der Bauwerks-               Bedingt durch die starke Schadenszunah-
                untersuchung 2017 wurden zwei Längsrisse               me an einer Stelle, die bauartbedingt massiv
                festgestellt und am Bauwerk markiert. Am               überdrückt sein müsste, die fehlenden Zu-
                05.12.2019 wurden im unmittelbaren Um-                 gänge zu den Hohlkästen und die generell
                feld dieser Risse zahlreiche neue Risse ge-            als kritisch zu bewertende Konstruktion der
                funden.                                                Längsträger wurde durch den Landesbetrieb
                                                                       Straßenwesen die Entscheidung zur vorü-
                                                                       bergehenden Sperrung bis zum Vorliegen
                                                                       detaillierter Bewertungen beschlossen und
                                                                       umgesetzt.

                                                B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL             13
Abbildung 2.3a: Rissbild in Bauwerksuntersicht bei Vorbereitung H2020

14    B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
Abbildung 2.3b: Rissbild in Bauwerksuntersicht bei Untersuchung 2017

Abbildung 2.3c: Zugänglichkeit Hohlkästen 2019 (grün: zugänglich, rot: nicht zugänglich)

                              B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL   15
2.4 Entwicklung Bauzustand Dezember
         2019 – Mai 2020

     Felix Kaplan, LS Brandenburg

     Im Anschluss an die Sperrung wurde unver-
     züglich die Bauwerksprüfung fortgesetzt. Zu
     diesem Zweck wurden zusätzliche Einstiegs-
     öffnungen geschaffen. Bei diesen Bauwerks­
     untersuchungen wurden u.a. Längsrisse auf
     Höhe der Spannglieder im Steg mit Risswei-
                                                         Abbildung 2.4a: exemplarisches Schadensbild
     ten bis 0,25 mm und Hohlstellen am Längs-
     trägersteg festgestellt.

      Abbildung 2.4b: zugehörige Schadensskizze (HK 2.1-9)

16     B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
In dem betrachteten Zeitraum ergab sich eine      zeigte sich auch der Zustand im Inneren der
weitere Besonderheit. Im Zuge der Quali-          Kästen sehr unterschiedlich. Teilweise befan-
tätssicherung (4-Augen-Prinzip) wurden ein-       den sich in den Hohlkästen noch Schalungs-
zelnen Hohlkästen im April 2020 nochmals          reste sowie asbesthaltige Materialien. Weiter
kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass es   konnten auch in zahlreichen der neu geöffne-
zu einer deutlichen Zunahme an Längsris-          ten Hohlkästen Rissbildungen, insbesondere
sen und Hohlstellen im Längsträgersteg auf        Längsrisse in den Stegen, detektiert werden.
Höhe des Spanngliedes gekommen ist. Durch
adäquate Maßnahme konnte der “Faktor              Neben den Rissbildungen wurden weitere
Mensch” ausgeschlossen werden. Dies zeig-         Schäden festgestellt. Wassereintritte und
te sich insbesondere in einzelnen Hohlkästen,     Frostschäden führten stellenweise zu einer
die zwischen Mitte April und Mitte Mai zweimal    Schädigung des Betongefüges der Boden-
wöchentlich überprüft worden. Zwischen den        platte und zu einem nennenswerten Material-
Überprüfungen wurde dabei häufig eine Riss-       verlust. Bei der Inspektion vor Ort fiel zudem
zunahme (Rissanzahl, Risslänge) festgestellt.     auf, dass die Bodenplatte des Hohlkastens
                                                  großflächig mit Spanndrähten anstelle übli-
Daneben wurden weitere Schäden aufge-             cher Betonstahlbewehrung bewehrt war. Da
nommen, die jedoch im Hinblick auf die fol-       bei der Anwendung des Spannblockverfah-
genden Ausführungen nicht relevant sind.          rens nur vollkommen intakte und unverdrillte
                                                  Spanndrähte verwendet werden durften, lag
2.5 Zusätzliche Untersuchungen zum                die Vermutung nahe, dass Ausschussware
    Bauwerkszustand im Rahmen der                 stattdessen als schlaffe Bewehrung einge-
    OSA (Dezember 2019 bis Mai 2020)              setzt wurde.

Oliver Steinbock, TU Dresden / cbing              Aufgrund der besonderen Ausführung des
Thomas Bösche, HTW Dresden / cbing                Spannblockverfahrens wurde im Rahmen
                                                  der OSA beschlossen, die Ausführungsqua-
Im Rahmen der turnusmäßigen Bauwerks-             lität zu überprüfen. Es wurden die Verpres-
prüfungen wurde im Dezember 2019 eine             squalität in den Spannkästen sowie die ver-
zunehmende Rissbildung am Tragwerk                bliebene Vorspannung in den Drähten und
festgestellt. Da die Schadensursache zum          deren Materialeigenschaften untersucht. Die
damaligen Zeitpunkt zunächst unklar war,          vorgefundene Verpressqualität gab keinen
wurde die Brücke vorübergehend für den            Anlass zu Bedenken. Die Spanndrähte zeig-
Verkehr gesperrt und eine Objektbezogene          ten jedoch oberflächig Rostansätze und es
Schadensanalyse (OSA) in Auftrag gegeben.         wurde beim Freilegen des Spannkastens ein
                                                  bereits gerissener Draht angetroffen. Zugprü-
Der Überbau war als neunzelliger Hohlkas-         fungen zeigten, dass die Drähte einen hohen
ten ausgeführt und die einzelnen Hohlkäs-         Versprödungsgrad (Grad 5-6 nach [Wilhelm
ten durch Feld- und Stützquerträger in Zel-       2014]) aufwiesen. Neben einer stark redu-
len unterteilt. Eine Zugänglichkeit war nur       zierten Zugfestigkeit (etwa 1.000 N/mm² statt
bei vereinzelten Zellen möglich, sodass zur       den üblichen etwa 1.500 N/mm²) zeigten na-
weiteren Bestandsaufnahme Zugänge zu              hezu alle Proben keine plastische Dehnungs-
den Hohlkastenabschnitten in Form von Ein-        reserve. Die Bruchflächen der Zugproben
stiegsöffnungen hergestellt wurden. Nach-         wiesen dunkle, linsenförmige Korrosionsnar-
dem bereits zuvor Wasseransammlungen in           ben auf und bestätigen damit das Vorhan-
vereinzelten Abschnitten vorgefunden wurde,       densein von Spannungsrisskorrosion.

                               B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL          17
2.6 Entwicklung Bauzustand Juni 2020 –           Spanndrahtbrüche an bestimmten Punkten
         Mai 2021                                     häuften. Diese Punkte werden nachfolgend
                                                      auch als Hotspots bezeichnet. Die Lage der
     Felix Kaplan, LS Brandenburg                     Hotspots war während des Messzeitraums
                                                      nicht einheitlich.
     Aufgrund der in Abschnitt 2.5 beschriebenen
     Materialeigenschaften der Spanndrähte war        Nachdem         einzelne      Spanndrahtbrü-
     die Umsetzung einer Überwachungsstrate-          che    detektiert    wurden,     untersuchten
     gie, siehe Abbildung 2.6a, am Bauwerk er-        Bauwerksprüfer:innen die entsprechenden
     forderlich. Nur so konnte die Sicherheit für     Hohlkästen zeitnah. Dabei konnte mitunter
     den Verkehr auf den unterführten Verkehrs-       eine Zunahme der Längsrisse und deren
     wegen gewährleistet werden. Die Systeme          Rissbreite festgestellt werden. Abbildung 2.6f
     zur permanenten Überwachung wurden zum           zeigt exemplarisch die Zunahme der Risse
     10.06.2020 in Betrieb genommen.                  für den Hohlkasten 3.1-9.

     Durch die dauerhafte Messung der am Bau-
     werk aufgezeichneten Körperschallsignale
     konnten mittels Schallemissionsanalyse ein­
     zelne Spanndrahtbrüche identifiziert werden.
     Nachfolgend sind die Spanndrahtbrüche, die
     jeweils über einen Zeitraum von drei Monaten
     aufgezeichnet worden, graphisch dargestellt
     (siehe Abbildung 2.6b bis 2.6e). Daraus ist
     ersichtlich, dass die Verteilung der Brüche im
     Grundriss nicht konstant ist. Außerdem kann
     abgeleitet werden, dass sich die georteten

      Abbildung 2.6a: Überwachungskonzept

18      B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
Abbildung 2.6b: Lage Spanndrahtbrüche 06/2020 – 08/2020, Auswertung Bilfinger Noell

Abbildung 2.6c: Lage Spanndrahtbrüche 09/2020 – 11/2020, Auswertung Bilfinger Noell

Abbildung 2.6d: Lage Spanndrahtbrüche 12/2020 – 02/2021, Auswertung Bilfinger Noell

                            B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL   19
Abbildung 2.6e: Lage Spanndrahtbrüche 03/2021 – 05/2021, Auswertung Bilfinger Noell

     Abbildung 2.6f: Schadensskizze Hohlkasten 3.1-9, Anschluss Querträger C, LS Brandenburg und
     r.a.p. Ingenieure

20    B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
Gesamtkonzeption
                                   der Bauwerksuntersuchungen                                                 3

3.1 Formulierung der Untersuchungs-                         bination und somit in Verbindung mit einer
    ziele                                                   äußeren Lasteinwirkung stattfindet, da die
                                                            gezogene Betonrandfaser bei Verkehrsein-
Oliver Steinbock, TU Dresden                                wirkung zusätzlich beansprucht wird. Die
Thomas Bösche, HTW Dresden                                  Spaltzugkräfte bei einer lokalen Schädigung
                                                            von großformatigen Spanngliedern sind je-
Das im Rahmen der Bauwerksprüfungen                         doch nahezu unabhängig von zusätzlichen
dokumentierte Rissbild mit Hohlstellen in                   äußeren Einwirkungen und können somit
Verbindung mit den festgestellten fortge-                   bereits unter Eigenlasten auftreten. Einen
schrittenen Versprödungsgrad des Spann-                     anschaulichen Überblick hierzu bietet die
stahls führten zu der Vermutung, dass für                   Abbildung 3.1a.
das vorliegende Spannbetontragwerk eine
neue Form einer Schadensankündigung                         Ziel der Untersuchung war es daher, das
bei Spannungsrisskorrosion vorlag. Wäh-                     prognostizierte Schadensbild künstlich zu er-
rend sich bei Tragwerken mit kleinteiligen                  zeugen. Das Untersuchungskonzept sah vor,
Spanngliedern und einem ausreichendem                       eine gezielte lokale Schädigung der Spann-
Ankündigungsverhalten in Sinne von [SpRK                    glieder umzusetzen und die resultierende
HA 2011] der Ausfall einzelner Spanndrähte                  Rissbildung im Umfeld der Schädigungsstel-
in Form von Biegerissen zeigt, ist dies bei                 le zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu er-
großformatigen Spanngliedern nicht der Fall.                fassen. Die kontinuierliche Beobachtung des
Die dokumentierten Längsrisse sowie der                     Tragwerks bei der Durchführung des Versu-
Versprödungsgrad der Spanndrähte führten                    ches wurde durch umfangreiche Messtech-
zu der These, dass ein hoher und lokaler                    nik gewährleistet. Neben der Beobachtung
Schädigungsgrad der Spanndrähte in den                      des resultierenden Rissbildes bei einer loka-
großformatigen Spanngliedern zu Spaltzug-                   len Spanngliedschädigung lag der Schwer-
rissen im Steg führt bevor Biegerisse auftre-               punkt der Untersuchungen zusätzlich darauf,
ten. Ein weiterer Unterschied betrifft die Ein­             inwieweit der Ausfall einzelner Spanndrähte
wirkung unter der das Rissbild zu erkennen                  zuverlässig bestimmt werden kann.
ist. [SpRK HA 2011] geht davon aus, dass
eine Rissbildung unter der häufigen Kom­

                       Kleinformatige Spannglieder                     Großformatige Spannglieder
 Rissbild bzw.   Biegerisse an gezogener Querscnittsfaser      Spaltrisse bei hohem lokalem Schädigungsgrad
 Hohlstellen-
   bereiche

  Einwirkung        Rissbildung infolge veränderlicher             Rissbildung bereits unter Eigenlasten
                 Einwirkungen unter Gebrauchslastniveau

  Abbildung 3.1a: Kleinformatige und großformatige Spannglieder

                                 B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL                   21
Die Untersuchungsziele können wie folgt zu-       Hot-Spot-Bereiche, in denen Häufungen von
     sammengefasst werden:                             Spanndrahtbrüchen dokumentiert wurden.
                                                       Messstelle II wurde in solch einem Hot-Spot-
     ▪ Untersuchung des Tragverhaltens von             Bereich (Hauptträger 8) gelegt, da an dieser
       Bauwerken mit konzentriertem Spannglied         Stelle bereits ein entsprechendes Schadens-
       und Beschreibung der Schädigungsbilder          bild mit Längsrissen an den Hauptträger-
       bei Spannstahlausfall als Grundlage für die     stegen vorlag. Eine mögliche Änderung des
       Bewertung von Bauwerken mit vergleich-          Schadensbildes bei zusätzlicher Schädigung
       barem Konstruktionsprinzip                      sollte dokumentiert werden. Messstelle I wur-
     ▪ Einsatz erweiterter Messtechnik zur De-         de an Hauptträger 4 positioniert, da hier noch
       tektion von Bauwerksschädigungen im             keine Rissbildungen vorlagen bzw. keine
       Rahmen einer definierten Schädigung des         Spanndrahtbrüche dokumentiert waren und
       Bauwerks sowie zur Wertung der Einsatz-         von einem weitestgehend intakten Spann-
       möglichkeiten der Messverfahren für das         glied auszugehen war.
       Dauermonitoring an gefährdeten Spannbe-
       tontragwerken                                   Die Anordnung der Trennschnitte im Feld 3.1
     ▪ Anwendung erweiterter Möglichkeiten der         bot die Möglichkeit außerhalb der überbrück-
       zerstörungsfreien Prüfung zur Überprüfung       ten Verkehrswege (Bahnstrecke in Feld 4
       der Möglichkeiten zur Bestandserkundung         bzw. Bundesstraße in Feld 2) zu agieren und
       unter erschwerten Randbedingungen               somit eine ungestörte Anbringung der vorge-
                                                       sehenen Messtechnik zu ermöglichen.
     Für die Untersuchungen wurden zwei Stellen
     am Überbau ausgewählt, Teilversuch I am           Die Anordnung nahe der Momentennullpunk-
     Längsträger 4 und Teilversuch II am Längs-        te des Längssystem boten ein ausreichen­
     träger 8. Einen Überblick hierzu bietet Abbil-    des Maß an Sicherheit, um einen Kollaps des
     dung 3.1b.                                        Tragwerks bei der Versuchsdurchführung
                                                       auszuschließen. Im Vorfeld durchgeführte
     Bereits vorab wurden in Verbindung mit der        rechnerische Untersuchungen zeigten, dass
     Schallemissionsanlage zahlreiche Spann-           auch bei einem angenommenen hohen Schä-
     drahtbrüche detektiert. Sie bildeten die          digungsgrad der benachbarten Träger noch
     Grundlage für die Festlegung sogenannter          eine ausreichende Standsicherheit bei der

      Abbildung 3.1b: Lage der Trennschnitte und Untersuchungsbereiche

22      B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
Versuchsdurchführung nachweisbar war. In         3.2 Zerstörender Versuch und
Verbindung mit den begleitenden Monitoring-          begleitendes Monitoring
maßnahmen wurden exakte Abbruchkriterien
für den Versuch formuliert. Die Sicherheit für   Thomas Bösche, HTW Dresden
die unterführten Verkehrswege und die Maß-       Oliver Steinbock, TU Dresden
nahmebeteiligten hatten zu jedem Zeitpunkt
Priorität – ebenso durfte der zeitnah vorgese-   Die gezielte Schädigung des Spanngliedes
hene planmäßige Rückbau des Bauwerks in          erfolgte mit einer Seilsäge. Hierzu war zu-
keiner Phase gefährdet werden.                   nächst eine Horizontalbohrung durch den
                                                 Steg des Querschnitts oberhalb des Spann-
                                                 kastens notwendig sowie zwei Bohrungen
                                                 durch die Fahrbahnplatte notwendig, die als
                                                 Durchführungen des Seiles dienten. Um den
                                                 Stich der Seilsäge gering zu halten und da-
                                                 mit einen weitestgehend horizontalen Schnitt
                                                 durch den Spanngliedkasten zu ermöglichen,
                                                 war ein stetiges Umsetzen der Umlenkrollen
                                                 im Hohlkasten notwendig.

                                                 Die Durchtrennung des Spanngliedes erfolgte
                                                 in mehreren Trennschnitten, wobei je Trenn-
                                                 schnitt eine Durchtrennung von etwa zwei La-
                                                 gen bzw. 28 Einzeldrähten vorgesehen war.
                                                 Die Schrittfolge sollte so oft wiederholt werden,
                                                 bis sich ein entsprechendes Rissbild im Sin-
                                                 ne einer Ankündigung einstellte. Nach jedem
                                                 Trennschnitt waren Messpausen vorgesehen,
                                                 um einerseits zeitverzögert auftretende Scha-
                                                 densereignisse dokumentieren und anderseits
                                                 um eine Bewertung zum weiteren Vorgehen

                                                   Abbildung 3.2a: Schematische Darstellung –
                                                   Schnitt durch das Spannglied mit Hilfe einer
                                                   Seilsäge

                              B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL             23
auf Grundlage von Zwischenergebnissen aus
     den Messwerten vornehmen zu können. Des
     Weiteren waren die Pausen notwendig für die
     Zwischenspeicherung von Messdaten bzw.
     Umbaumaßnahmen an der Seilsäge.

     Im Rahmen des Berichtes werden einheitli-
     che Bezeichnungen für Felder und Stützen-
     achsen eingeführt, die sich an denen der
     Bauwerksprüfung orientieren, siehe Abbil-
     dung 2.1b.

                                                             Abbildung 3.2b: Schnittstelle mit Seil auf
                                                             Umlenkrolle im Hohlkasten

      Abbildung 3.2c: Schnittstelle mit Seil auf Umlenkrolle, Ansicht auf der Fahrbahnplatte

24     B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL
B1 Brücke Altstädter Bahnhof Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen

          a) Teilversuch I: Gezieltes Durchtrennen von Spanndrähten in einem wenig ge-
             schädigten Bereich

 a) Rahmen
 Im   Teilversuch
               desI:Teilversuches
                     Gezieltes Durch-              und 24.04.2021
                                     I wurden insgesamt             (Trennschnittean
                                                           neun Trennschnitte      7-9).  Trenn-
                                                                                       einem  Querschnitt
B1 Brücke Altstädter Bahnhof Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen
      trennen  von Spanndrähten     in             schnitt  0  wurde  hier nicht dargestellt,
 durchgeführt. Die entsprechenden Uhrzeiten der Trennschnitte sind im nachfolgenden           da    Zeit-
      einem  wenig  geschädigten    Bereich        noch keine Spanndrähte   angetroff en
 strahl dargestellt. Des Weiteren ist die im Rahmen der Versuchsdurchführung und die ge- wurden.
 schätzte Anzahl an durchtrennten Spanndrähten angegeben. Die Durchführung erfolgte am
 Im a)
 23.    Teilversuch
     (Trennschnitte
    Rahmen              I: Gezieltes
                       1-6)            Durchtrennen
                            und I24.4.2021
              des Teilversuches   wurden              von Spanndrähten
                                          ins-(Trennschnitte
                                                   Überblick  7-9).        I in einem
                                                                    Trennschnitt
                                                              Teilversuch          0 wurdewenig
                                                                                              hierge-
                                                                                                   nicht
 gesamtschädigten
 dargestellt,
         neunda   nochBereich
                         keineanSpanndrähte
               Trennschnitte     einem Quer- angetroffen wurden.
 schnitt durchgeführt. Die entsprechenden                    Teilversuch I erfolgte an Längsträger 4 in
 Uhrzeiten der Trennschnitte sind im nachfol-                einem Abstand von ≈ 9,0 m zur Achse des
Im  Rahmen      desNr.
     Trennschnitt
 genden    Zeitstrahl Teilversuches
                         [i]
                       dargestellt.   DesI wurden
                                            Weiteren insgesamt        neun C.
                                                             Querträgers      Trennschnitte
                                                                                 In diesem Bereichan einem war Querschnitt
                                                                                                                 von
durchgeführt.     Die   entsprechenden         Uhrzeiten     der   Trennschnitte       sind  im   nachfolgenden        Zeit-
 ist die im
          1 Rahmen2 der     Versuchsdurchführung
                                  3                        5 einem dergeringen        7
                                                                                 Vorschädigungsgrad
                                                                         6 Versuchsdurchführung    8            9
                                                                                                             auszu-
strahl dargestellt.    Des Weiteren        ist4die im Rahmen                                                und die ge-

                                                                                                                 24.4.
  23.4.

 und die geschätzte Anzahl an durchtrennten                  gehen – es waren keine Längsrisse entlang
schätzte
     14:35 Anzahl
                15:41 an durchtrennten
                             16:09        16:32Spanndrähten
                                                      17:10        angegeben.
                                                                   17:52        13:08Die Durchführung
                                                                                             14:08        14:57erfolgteStart
                                                                                                                         am
 Spanndrähten angegeben. Die Durchführunginkl. 10 mindes     Pause Spanngliedes erkennbar.                                   Uhrzeit
23. (Trennschnitte       1-6)  und    24.4.2021
                                    16:20           (Trennschnitte       7-9).
                                                                          18:00 Trennschnitt        0  wurde
                                                                                                    14:12       hier  nicht
                                                                                                                 15:02 Ende
 erfolgte 15:17        15:50 (Trennschnitte
           am 23.04.2021                        16:37
                                                 1-6)       17:25                      13:14
dargestellt,
         ~7 7
             da noch   keine~12
                  ~16 23
                             Spanndrähte
                                35 ~71 106 angetroffen
                                              ~17 123
                                                       wurden.
                                                       ~46 169                                                                 ~27 196          ~38 234         ~32 266

            durchtrennte Spanndrähte →                                ~je Trennschnitt   Summe
  Trennschnitt Nr. [i]
 Abbildung 3.2d:                                                                                         6                     7                8               9
       1        2          3         4                                             5
                                                                                                               24.4.
23.4.

 Zeitliche Abfolge Teilversuch I
        14:35           15:41            16:09              16:32           17:10                17:52                 13:08            14:08           14:57             Start
                                                                            inkl. 10 min Pause                                                                                    Uhrzeit
                15:17           15:50             16:20             16:37              17:25             18:00                  13:14           14:12           15:02 Ende
                 ~7 7           ~16 23           ~12   35     ~71   106           ~17 123           ~46 169               ~27 196           ~38 234         ~32 266

 Überblickdurchtrennte
             Teilversuch      I
                          Spanndrähte  → ~je Trennschnitt Summe
 Teilversuch I erfolgte an Längsträger 4 in einem Abstand von ≈ 9,0 m. In diesem Bereich war
  Abbildung
 von
Abbildung    3.2d:
       einem3.2d:
              geringen     Vorschädigungsgrad
                   Zeitliche Abfolge Teilversuch I      auszugehen – es waren keine Längsrisse entlang
 des Spanngliedes
Zeitliche              erkennbar.I
          Abfolge Teilversuch

Überblick Teilversuch I
Teilversuch I erfolgte an Längsträger 4 in einem Abstand von ≈ 9,0 m. In diesem Bereich war
von einem geringen Vorschädigungsgrad auszugehen – es waren keine Längsrisse entlang
des Spanngliedes erkennbar.
                                                                       Träger Nr.

                                                                                                              9,0 m

                                                                      Träger Nr.

                                                                                                             9,0 m
                                  Feld 3.2                                             Feld 3.1
 Abbildung
  Abbildung 3.2e:
            3.2e: Lage des Trennschnittes bei Teilversuch I
 Lage des Trennschnittes bei Teilversuch I

                                                       B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL                                                           25
B1 Brücke Altstädter Bahnhof Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen

          b) Teilversuch II: Gezieltes Durchtrennen von Spanndrähten in einem vermutlich
             vorgeschädigten Bereich
                 b)
                  Teilversuch II: Gezieltes Durch-                  0 wurde hier nicht dargestellt, da noch keine
B1 Brücke Altstädter Bahnhof Brandenburg an der Havel - Bauwerksuntersuchungen
                  trennen von Spanndrähten in einem                 Spanndrähte angetroffen wurden.
 Im Rahmen des       Teilversuches
                  vermutlich             II wurden ebenfalls
                                 vorgeschädigten       Bereich insgesamt neun Trennschnitte durchge-
 führt und mit der entsprechenden Uhrzeit des Trennschnittes        Überblick imTeilversuch
                                                                                  nachfolgenden
                                                                                              II     Zeitstrahl
 dargestellt.
            ImErneut
    b) Teilversuch
                 Rahmen ist
                         II: die
                             desimTeilversuches
                                     Rahmen
                             Gezieltes            derII Versuchsdurchführung
                                            Durchtrennen      von Spanndrähten
                                                         wurden                   geschätzte
                                                                                       in einem  Anzahl  an
                                                                                                   vermutlich
 durchtrennten    Spanndrähten
        vorgeschädigten
            ebenfalls insgesamt       angegeben.
                                 Bereich                Die
                                        neun Trennschnitte  Durchführung     erfolgte am   25.4.  (Trennschnitte
                                                                    Teilversuch II erfolgte an Längsträger 8 in
 1-9). Trennschnitt
            durchgeführt0 wurde    hier der
                             und mit     nichtentsprechenden
                                                dargestellt, da noch    keine
                                                                    einem        Spanndrähte
                                                                            Abstand   von ≈ 12,0 angetroffen
                                                                                                   m zur Achse des
 wurden. Uhrzeit des Trennschnittes im nachfolgenden                Querträgers C. Bereits vor Versuchsbeginn
Im RahmenZeitstrahl
              des Teilversuches        II wurden
                        dargestellt. Erneut         ebenfalls
                                               ist die  im Rah- insgesamt    neun
                                                                    zeigte der      Trennschnitte
                                                                                 Längsträger          durchge-
                                                                                             bereichsweise   ausge-
führt und mit  der   entsprechenden         Uhrzeit
            men der Versuchsdurchführung geschätz-
                                                      des  Trennschnittes    im  nachfolgenden     Zeitstrahl
                                                                    prägte Längsrisse entlang des Spannglied-
    Trennschnitt
dargestellt.      Nr. [ii]
             Erneut    ist die im Rahmen der Versuchsdurchführung geschätzte Anzahl an
            te Anzahl an durchtrennten Spanndrähten                 verlaufs.
durchtrennten Spanndrähten          angegeben.        Die  Durchführung
                                                         5 am 6            erfolgte
                                                                               7     am 825.4. (Trennschnitte
                                                                                                     9
                   2
        1 angegeben.        Die3 Durchführung
                                            4      erfolgte

                                                                                   24.4.
  25.4.

1-9). Trennschnitt 0 wurde hier nicht dargestellt, da noch keine Spanndrähte angetroffen
            25.04.2021     (Trennschnitte
                           14:59      15:23 1-9). Trennschnitt
wurden.
    14:20     14:40                                15:51      16:17      16:48      17:28      17:50
                                                                                               Sägeriss
                                                                                                           Start
                                                                                                              Sägeriss
             14:26        14:46       15:04       15:28           15:58        16:24           16:53          17:30          17:59 Ende
             ~27 27     ~25 52     ~22 74     ~26 100          ~36 136       ~42 178       ~21 199        ~8 207         ~26 233
        Trennschnitt Nr. [ii]
                  durchtrennte Spanndrähte →       ~je Trennschnitt   Summe
           1          2          3         4                  5            6               7              8              9
                                                                                 24.4.
25.4.

 Abbildung
  14:20        3.2f:
               14:40        14:59        15:23        15:51       16:17        16:48          17:28          17:50       Start
                                                                                     Sägeriss       Sägeriss
 Zeitliche   Abfolge
         14:26           Teilversuch
                      14:46        15:04 I      15:28       15:58        16:24        16:53          17:30         17:59 Ende
        ~27 27       ~25 52       ~22 74    ~26 100       ~36 136     ~42 178      ~21 199         ~8 207        ~26 233

 Überblickdurchtrennte
            Teilversuch       II
                         Spanndrähte    → ~je Trennschnitt Summe
 Teilversuch II erfolgte an Längsträger 8 in einem Abstand von ≈ 12,0 m. Bereits vor Ver-
  Abbildung 3.2f:zeigte
 suchsbeginn      Zeitlicheder
                            Abfolge Teilversuch IIbereichsweise ausgeprägte Längsrisse entlang des
                                 Längsträger
Abbildung  3.2f:
 Spanngliedverlaufs.
Zeitliche Abfolge Teilversuch I

Überblick Teilversuch II
Teilversuch II erfolgte an Längsträger 8 in einem Abstand von ≈ 12,0 m. Bereits vor Ver-
suchsbeginn zeigte der Längsträger bereichsweise ausgeprägte Längsrisse entlang des
Spanngliedverlaufs.

                                                                              12,0 m
                                                    Träger Nr.

                           Feld 3.2                               Feld 3.1
                                                                             12,0 m
 Abbildung
  Abbildung 3.2g:
            3.2g: Lage des Trennschnittes bei Teilversuch II
 Lage des Trennschnittes bei Teilversuch Träger IINr.

            26        B1 – BRÜCKE
                           Feld 3.2 ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG
                                                        Feld 3.1      AN DER HAVEL
Untersuchungen zum Bauwerkszustand                                                   4

4.1 Zerstörungsfreie Ortung der                 mustern (z. B. Reflexionshyperbeln) die Lage
    Spannglieder (BAM/ HTW)                     und Einbautiefe einer Bewehrung bestimmen.
                                                Bei komplexeren Bauteilen werden flächige
Thomas Kind, BAM                                Messungen entlang einer Vielzahl von paral-
                                                lelen Linien durchgeführt. Diese Messdaten
4.1.1 Messprinzip und Grundlagen                werden anschließend als dreidimensionaler
                                                Datensatz bearbeitet. Bei der Bearbeitung
Für eine zerstörungsfreie Ortung von Spann-     des dreidimensionalen Datensatzes werden
gliedern wird in der Praxis sowohl das Ra-      die Orte der Reflexionen rekonstruiert. An-
dar- als auch das Ultraschallverfahren ein-     hand des Datensatzes lassen sich die Lage
gesetzt. Das Ultraschallverfahren ermöglicht    und der Verlauf von z. B. vorgespannter Be-
Spannglieder in einer größeren Tiefe im Bau-    wehrung ermitteln, indem Schnitte parallel
werk zu orten, ist aber in der Durchführung     (Tiefenschnitte) oder senkrecht (Querschnitte)
deutlich zeitintensiver als das Radarverfah-    zur Bauteiloberfläche aus dem Datensatz er-
ren. Bei den Untersuchungen der Brücke Alt-     zeugt werden.
städter Bahnhof hat sich sehr früh gezeigt,
dass das Radarverfahren bezüglich der           4.1.2 Messstellen und Ziel der
Eindringtiefe ausreichend für die Ortung der          Untersuchung
Spannglieder ist, weshalb hier im Weiteren
nicht auf das Ultraschallverfahren eingegan-    Ziel der Untersuchung war die Bestimmung
gen wird.                                       der tatsächlichen Ausführung der vorge-
                                                spannten Bewehrung in den fünf Querträgern
Beim Radarverfahren im Bauwesen handelt         der Brücke. Laut Bestandsunterlagen der
es sich um eine zerstörungsfreie Untersu-       Brücke gibt es zwei voneinander abweichen-
chungsmethode zur Aufklärung der inneren        de Varianten der vorgespannten Bewehrung
Struktur von Bauwerken. Das Verfahren ba-       und es war nicht bekannt, welche dieser Va-
siert auf dem Aussenden und der freien Aus-     rianten beim Bau der Brücke tatsächlich aus-
breitung von elektromagnetischen Wellen         geführt wurde.
in einem Bauteil und dem anschließenden
Empfang von Reflexionen. Diese Reflexi-         Die beiden Varianten der Bestandsunterla-
onen entstehen an inneren Strukturen von        gen (Bewehrungspläne) des Querträgers D
Bauteilen, wie z. B. metallischer Bewehrung     unterscheiden sich in der Anzahl der Spann-
von Stahlbeton, luftgefüllten Hohlräumen        glieder, der Anzahl der Spanngliedlagen und
oder Schichtgrenzen.                            im Verlauf innerhalb des Querträgers. Im Fol-
                                                genden werden die wesentlichen Merkmale
Für eine einfache Messung wird ein An-          der beiden Varianten der Bestandsunterla-
tennensystem bestehend aus Sende-  und          gen beschrieben, um Unterscheidungsmerk-
Empfangsantenne auf der Bauteiloberfläche       male für die zerstörungsfreie Untersuchung
mit der Hand entlang einer Linie geführt. An    festzulegen.
dem Radargerät werden die aufgenommenen
Messdaten als Radargramm dargestellt und        Der Querträger hatte einen Querschnitt von
zeigen die Reflexionen der ausgesendeten        2,4 m x ca. 1,0 m (Breite x Höhe) und eine
Impulswelle, die an den inneren Strukturen,     Länge von ca. 28 m. Der Querträger war
wie z. B. an Bewehrung oder einer Rückwand      von außen nicht zu erkennen. Die Lage der
entstanden sind. Bei einfachen Bauteilen las-   Schwerachse konnte anhand der Stützen er-
sen sich anhand von typischen Reflexions-       mittelt werden.

                             B1 – BRÜCKE ALTSTÄDTER BAHNHOF IN BRANDENBURG AN DER HAVEL          27
Sie können auch lesen