Real Estate & Public update - April 2020

 
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Real Estate & Public update - April 2020
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Real Estate
& Public
April 2020
Real Estate & Public update - April 2020
Inhalt
  3 | Editorial

Immobilien- und Mietrecht
  4|    Grenzen des Eintritts des Grundstückserwerbers in den Mietvertrag
  5|    Anmietung von Flüchtlingsunterkunft ist kein Wohnraummietvertrag!
  6|    Strenge Formanforderungen für eine dem Erwerber ausgestellte Kündigungsvollmacht
  7|    Mietmangel wegen zu hoher Raumtemperaturen – Umfang der Darlegung
  8|    Maklerklausel im Grundstückskaufvertrag gilt auch gegenüber Vorkaufsberechtigtem
  9|    „Vermietung vom Reißbrett“ – zur Vertragsstrafe bei verspäteter Übergabe der Mietsache
 10 |   Wann haben die Parteien eine echte Quadratmetermiete vereinbart?
 11 |   Abgrenzung von Vorkaufsrecht und Andienungsrecht
 12 |   Eine Gemeinde darf Regenwasser nicht so aufstauen, dass Privatgrundstücke überflutet werden
 13 |   Zur Wirksamkeit von Endrenovierungsklauseln in Gewerberaummietverträgen
 15 |   Abbruch von Kaufvertragsverhandlungen führt grundsätzlich nicht zu Schadensersatz
 16 |   Das neue Gesetz zur Regulierung des Mietwohnungsmarkts in Berlin

Privates Baurecht
 18 |   BGH kassiert vorkalkulatorische Preisfortschreibung!
 19 |   Anspruch auf neuen Einheitspreis bei mehr als 10 %iger Überschreitung des Mengenansatzes
 20 |   Aufmaßblätter vorgelegt: Darlegung des Rechenweges nicht erforderlich!
 21 |   Kombi-Bürgschaft über 8 % der Auftragssumme: keine Gefahr der Übersicherung?
 22 |   Wann verjähren Mängelansprüche aus einem bautechnischen Gutachten?

Architektenrecht
23 | Gelten die Mindestsätze oder nicht? Umgang mit der HOAI vorerst weiter ungeklärt
 24 | Muss eine Gewährleistungsbürgschaft gegebenenfalls teilweise zurückgegeben werden?
 25 | Architekt schuldet bei Objektüberwachung die vollständige Beseitigung eines noch während
		 der Bauausführung auftretenden Mangels

Öffentliches Bau- und Planungsrecht
 26 |   Keine Höchstzahl zulässiger Vorhaben in einem Sondergebiet
 27 |   Gliederung eines Mischgebietes durch Ausschluss von Wohnnutzung
 28 |   Alternativenprüfung bei Bebauungsplan
 29 |   Rechtmäßigkeit einer Vorkaufsrechtssatzung

Umweltrecht
 30 | Wohngebäude in Nähe eines Störfallbetriebs
 31 | Fernstraßenrechtliche Planfeststellung: kein Milieuschutz im Fachplanungsrecht

Vergaberecht
 32 | Änderung der Vergabeunterlagen durch Bieter – Ausschluss doch nicht zwingend
 33 | HOAI und Vergaberecht I: Planervergaben mit Preiswettbewerb „nach HOAI“ nicht mehr zulässig
 34 | Europarechtswidrigkeit der HOAI – Aufhebung des Vergabeverfahrens?
 35 | Aufklärung geht vor Ausschluss

Steuerrecht
 36 | Abstandszahlung für vorzeitige Mietvertragsaufhebung kann Umsatzsteuerpflicht unterliegen
 37 | Vorsteuerabzug aus Mietereinbauten

Rechtsänderungen
 38 | Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Mietrecht
 39 | Auswirkungen des verschärften Geldwäschegesetzes auf die Immobilienwirtschaft
Real Estate & Public update - April 2020
Editorial
Editorial
Liebe Leserin, liebe Leser,

im Jahre 2019 wurden laut BNP Paribas Real Estate in             Sehr intensiv und medienwirksam wurde die Frage
Gewerbeimmobilien 73,4 Milliarden investiert, womit              diskutiert, ob ein von den behördlichen Anordnungen
das bisherige Rekordjahr 2018 um 19 % übertrumpft                getroffener Gewerbemieter die Miete kürzen darf. Da-
wurde. Deutschland löste damit zugleich Großbritannien           bei zeigt sich einmal mehr, dass das europäische Recht
als größten Immobilien-Investorenmarkt ab und hat, wenn          sehr uneinheitlich ausgestaltet ist. Während in Ländern
auch mit großem Abstand, nur noch die Vereinigten                wie Italien und Spanien Mietzahlungen nach den gesetz-
Staaten vor sich. Angesichts der aktuellen Einschnitte in        lichen Regelungen ausgesetzt werden können, sind die
das Privat- und Wirtschaftsleben fragen sich viele, ob nun       Voraussetzungen für Mietminderungen und -stundungen
die von vielen bereits herbeigerufene Marktkorrektur             in den übrigen Ländern an diverse hohe Anforderungen
kommt.                                                           geknüpft. Einen Überblick dazu haben wir in einem
                                                                 Expert Guide auf unserer internationalen Website für
Das aktuelle Tagesgeschehen wird von der Covid-19-Krise          Sie zusammengestellt. Dort finden Sie ebenfalls einen
bestimmt. Nachdem zunächst nur Großveranstaltungen               Expert Guide mit einem entsprechenden Überblick
(z. B. die internationale Immobilienmesse MIPIM) unter-          über die Auswirkungen auf Bauverträge.
sagt wurden, leben wir in Deutschland nun seit ein paar
Wochen im Shutdown. Viele Unternehmen haben dadurch              Es ist wohl zu früh, um verlässlich prognostizieren zu
erhebliche Einnahmeeinbußen erlitten und fragen sich             können, welches Rückschlagpotenzial die Coronavirus-
trotz Kurzarbeit und der in Aussicht gestellten Finanzie-        Krise auf die Immobilien- und Bauwirtschaft haben wird.
rungshilfen, wie sie diese Krise überleben können. Einige        Viel wichtiger erscheint in diesen Zeiten aber, dass Sie
wenige Unternehmen wie Karstadt, Kaufhof und Esprit              und Ihre Familien gesund bleiben. Insoweit wünschen wir
haben Schutzschirmverfahren beantragt und andere wie             Ihnen allen, dass Sie die kommende Zeit sowohl beruflich
Thomas Cook und Vapiano haben unmittelbar einen                  wie auch privat möglichst gut meistern und sich die Aus-
Insolvenzantrag stellen müssen.                                  wirkungen in einem verträglichen Rahmen halten.

Naturgemäß haben uns viele Fragen rund um die Auswir-            Damit Sie aber auch in diesen Zeiten weiterhin ausreichend
kungen der behördlichen Anordnungen erreicht, z. B.:             über die aktuelle Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Sind die Anordnungen rechtmäßig? Gibt es Ansprüche               informiert werden, wollen wir Ihnen unseren gewohnten
gegen den Staat auf Ersatz für Einnahmeeinbußen? Unter           Überblick dazu nicht vorenthalten. Wir wünschen Ihnen
welchen Voraussetzungen führen Behinderungen am Bau              viel Spaß bei der Lektüre. Es geht auch nicht um die
zu einer berechtigten Behinderungsanzeige? Können fäl-           Coronavirus-Krise. Versprochen.
lige Zahlungen an die Bank ausgesetzt werden? Wie wirkt
sich die Covid-19-Krise auf Vergabeverfahren aus? In
welcher Form können Gesellschafterversammlungen
abgehalten werden? Antworten auf viele dieser Fragen
finden Sie für Deutschland in unserem Corona Center auf
unserer Website und für alle internationalen Jurisdiktionen
auf unserer internationalen Website.                             Dr. Sebastian Orthmann, EMBA

Impressum

Das Update Real Estate & Public wird verlegt von
CMS Hasche Sigle, Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB.
CMS Hasche Sigle | Lennéstraße 7 | 10785 Berlin

Verantwortlich für die fachliche Koordination:
Klaus-Dieter Schick | CMS Hasche Sigle | Schöttlestraße 8 | 70597 Stuttgart
Dr. Stefan Voß | CMS Hasche Sigle | Schöttlestraße 8 | 70597 Stuttgart

                                                                                                                              3
Real Estate & Public update - April 2020
Immobilien- und Mietrecht

                                  Grenzen des Eintritts des
                                  Grundstückserwerbers in den Mietvertrag

                                  Hintergrund                                                    in einem Nachtrag zum Mietvertrag vereinbart wurde.
                                                                                                 Die Pflicht zur Zahlung der Ablöse verblieb daher beim
                                  „Kauf bricht nicht Miete“ lautet ein bekannter Rechtssatz      bisherigen Vermieter und ging nicht auf den Erwerber
                                  zum Schutz des Mieters (§ 566 BGB). Er besagt, dass bei        über.
                                  Veräußerung einer Immobilie der Erwerber anstelle des
                                  bisherigen Vermieters in das bestehende Mietverhältnis
                                  eintritt, dieses also übernehmen muss. Indes wird dieser
                                  Rechtssatz oft überschätzt. So kann § 566 BGB beispiels-            Tipp für die Praxis:
                                  weise unanwendbar sein, wenn der Verkäufer einer Im-
                                  mobilie nicht zugleich auch der Vermieter ist oder wenn             Beide Entscheidungen zeigen, dass keines-
                                  der Mietgegenstand dem Mieter zum Zeitpunkt des Eigen-              wegs sämtliche mietvertragliche Regelungen
                                  tumsübergangs noch nicht übergeben worden war. Vor                  nach § 566 BGB auf den Erwerber einer ver-
                                  allem erfasst aber § 566 BGB auch nicht zwingend alles,             mieteten Immobilie übergehen. Das kann nicht
                                  was die Parteien im Mietvertrag geregelt haben, wie der             nur Ablöseansprüche oder Rechte des Mieters
                                  BGH und das OLG Jena jüngst deutlich gemacht haben.                 an gemeinschaftlich genutzten Flächen betref-
                                                                                                      fen, sondern auch Klauseln zu Mieterdienstbar-
                                  Die Entscheidungen                                                  keiten. Weil diese gerade eine vom Mietvertrag
                                                                                                      unabhängige Absicherung des Nutzungsrechts
                                  Die BGH-Entscheidung (Urteil vom 04.09.2019 –                       bezwecken, zählen sie ebenfalls meist nicht zu
                                  XII ZR 52 / 18) betraf drei ehemals einheitlich genutzte            den nach § 566 BGB übergehenden Rechten
                                  Grundstücke, von denen eines an einen Dritten veräußert             und Pflichten.
                                  wurde. Als Mietgegenstand waren im Mietvertrag nur
                                  Flächen auf den beiden nicht veräußerten Flurstücken aus-           Aus Mietersicht ist es daher sinnvoll, den Ver-
                                  gewiesen. Teilflächen des veräußerten Flurstücks sollte             mieter im Mietvertrag ausdrücklich dazu zu
                                  der Mieter aber vertraglich zur Anlieferung nutzen dürfen,          verpflichten, solche Rechte und Pflichten im
                                  ohne dass insoweit jedoch eine „exklusive Anlieferungs-             Veräußerungsfall vertraglich auf den Erwerber
                                  situation“ vorgesehen war. Der BGH sah darin lediglich ein          zu übertragen. Weil auch der Grundstücksver-
                                  besitzloses Mitbenutzungsrecht und lehnte einen Eintritt            äußerer ein erhebliches Interesse daran hat,
                                  des Erwerbers in das Mietverhältnis ab. § 566 BGB setze             solche Verpflichtungen an den Erwerber weiter-
                                  einen äußerlich erkennbaren (Mit-)Besitz des Mieters an             zugeben, enthalten Grundstückskaufverträge
                                  der fraglichen Fläche voraus, an dem es hier fehle.                 zumeist eine entsprechende Regelung. Sie fehlt
                                                                                                      dagegen bei einem Eigentumserwerb ohne
                                  Das OLG Jena (Urteil vom 30.08.2019 – 4 U 858 / 18)                 Vertrag, z. B. durch Zuschlag im Rahmen einer
                                  hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem sich Mieter            Zwangsversteigerung, sodass hier besondere
                                  und Vermieter auf eine vorzeitige Aufhebung des Miet-               Aufmerksamkeit geboten ist.
                                  verhältnisses gegen Zahlung einer Ablöse an den Mieter
                                  geeinigt und dies in einem Nachtrag zum Mietvertrag
                                  festgehalten hatten. Nach Abschluss des Nachtrages,
                                  aber vor dem vorgezogenen Mietende, veräußerte der
                                  Vermieter die Immobilie. Das OLG lehnte einen Übergang
                                  der Ablöseverpflichtung auf den Erwerber ab. Weder sei
                                  die Ablösepflicht als mietvertraglich zu qualifizieren, noch
                                  stünde sie in einem untrennbaren Zusammenhang mit
                                  dem Mietvertrag. Denn die Ablöse bezwecke hier gerade
                                  nicht den Fortbestand des Mietverhältnisses, sondern
                                  trete als Entschädigung ersatzweise an seine Stelle. Ein       Dr. Hans Fabian Kiderlen
                                  solcher bloß wirtschaftlicher Zusammenhang reiche ebenso       Rechtsanwalt bei CMS in Hamburg.
                                  wenig aus wie der Umstand, dass die strittige Regelung         E hans-fabian.kiderlen@cms-hs.com

                            4 | Update Real Estate & Public
Real Estate & Public update - April 2020
Immobilien- und Mietrecht
Anmietung von Flüchtlingsunterkunft ist
kein Wohnraummietvertrag!

Hintergrund

Die Kommunen schlossen im Zuge der Flüchtlingswelle
                                                                    Tipp für die Praxis:
2015 bisweilen langfristige Mietverträge über Wohn-
raum, um diesen Flüchtlingen als Unterkunft zur                     Das Urteil des BGH bestätigt die bisherige Recht-
Verfügung zu stellen. Dem Urteil des BGH vom                        sprechung, wonach sich die Beurteilung, ob es
23.10.2019 – XII ZR 125 / 18 – lag ein solcher Mietvertrag          sich um einen Wohnraummietvertrag handelt,
zugrunde, bei dem das Recht zur ordentlichen Kündigung              allein nach dem Vertragszweck bestimmt wird.
für die Dauer von 60 Monaten ausgeschlossen war. We-                Wohnraummiete liegt vor, wenn die Räume
gen des Rückgangs der Flüchtlingszahlen im Jahr 2016                dem Mieter vertragsgemäß zur Befriedigung
kam es jedoch nie zu einer Belegung des Hauses. Die                 seiner eigenen Wohnbedürfnisse und / oder der
Stadt versuchte deshalb, den Mietvertrag ungeachtet                 Wohnbedürfnisse seiner Familie dienen sollen.
des vertraglich vereinbarten Kündigungsausschlusses                 Ist eine juristische Person Mieter eines Mietver-
vorzeitig zu beenden.                                               trages, z. B. eine Kommune, eine AG, eine
                                                                    GmbH oder ein eingetragener Verein, so schei-
Der Kläger verlangte im Klageweg von der beklagten                  det die Qualifikation als Wohnraummietvertrag
Stadt die Zahlung rückständiger Miete in Höhe von                   von vornherein aus. Damit fallen eine Vielzahl
insgesamt EUR 21.160,00.                                            von gesetzlich normierten Mieterschutzvorschrif-
                                                                    ten und von der Rechtsprechung entwickelten
Die Entscheidung                                                    Grundsätzen des Mieterschutzes weg, im vor-
                                                                    liegenden Fall die in Erwägung zu ziehende
Der BGH entschied, dass der Ausschluss der Kündigung                Unwirksamkeit des längerfristigen Ausschlusses
wirksam und die Miete entsprechend zu zahlen war.                   des ordentlichen Kündigungsrechts.

Der längerfristige Kündigungsausschluss musste nicht                Nicht zuletzt bei der Wahl des Rechtsweges ist
anhand der Vorgaben zum Schutz des Wohnraummie-                     die Einordnung eines Mietvertrages als Wohn-
ters auf seine Wirksamkeit hin untersucht werden, weil              raummietvertrag von Bedeutung: Nur für
es sich nicht um einen Wohnraummietvertrag handle.                  Wohnraummietverträge ist das AG in erster
Um einen Wohnraummietvertrag handle es sich, wenn                   Instanz ausschließlich zuständig.
die Räume nach dem Vertrag dem Mieter zur Befriedigung
seiner eigenen Wohnbedürfnisse und / oder der Wohn-
bedürfnisse seiner Familie dienen sollen. Zwar handle es
sich bei dem Mietgegenstand der Sache nach um Wohn­
raum, jedoch diene die Anmietung durch den Mieter –
hier die Stadt – nicht dazu, die Räumlichkeiten selbst zu
Wohnzwecken zu nutzen, zumal juristische Personen
keinen eigenen Wohnbedarf haben können. Dass die
Stadt den Wohnraum anmietete, um den Wohnbedarf
von Dritten – hier Flüchtlingen – zu decken, führe nicht
dazu, dass es sich bei dem Mietvertrag um einen Wohn-         Dr. Franz Maurer
raummietvertrag handelt.                                      Rechtsanwalt bei CMS in Frankfurt.
                                                              E franz.maurer@cms-hs.com
Auch die Bezeichnung des Mietvertrags in seiner Über-
schrift als „Wohnraummietvertrag“ ändere nichts an
dieser Beurteilung. Vielmehr sei bei der Beurteilung allein
auf den Zweck abzustellen, den der Mieter mit der An-
mietung des Miet­objekts vertragsgemäß verfolgt.

                                                                                                                        5
Real Estate & Public update - April 2020
Immobilien- und Mietrecht

                                  Strenge Formanforderungen für
                                  eine dem Erwerber ausgestellte
                                  Kündigungsvollmacht

                                  Hintergrund                                                   schäftsgegner Sicherheit über das Bestehen einer Vertre-
                                                                                                tungsmacht der als Vertreter bei Vertragsschluss auftre-
                                  Der Kläger erwarb eine Immobilie, die an den Beklagten        tenden Person verschaffen. Er müsse sich deshalb nicht
                                  zum Betrieb eines Lebensmittelgeschäfts vermietet war.        auf eine Überprüfung durch einen Notar verlassen, bei
                                  Der Verkäufer wurde bei Beurkundung durch einen Stell-        der er nicht anwesend war und auf deren Durchführung
                                  vertreter vertreten; die entsprechende Vollmacht lag bei      er keinen Einfluss hatte.
                                  Beurkundung im Original vor und wurde dem Kaufvertrag
                                  in Kopie beigefügt. Verkäufer und Kläger vereinbarten
                                  den Eintritt des Klägers in das mit dem Beklagten beste-
                                  hende Mietverhältnis zum Besitzübergang. Der Kläger                 Tipp für die Praxis:
                                  wurde durch eine entsprechende Regelung im Kaufver-
                                  trag bevollmächtigt, ab dem Besitzübergang alle Rechte              Der Möglichkeit einer Zurückweisung von ein-
                                  aus dem Mietvertrag wie u. a. Kündigungen geltend zu                seitigen Rechtsgeschäften kommt in der Praxis
                                  machen. Der Kläger zeigte dem Beklagten den Erwerb                  erhebliche Bedeutung zu. Ist die Zurückweisung
                                  der Immobilie und den Besitzübergang an. Anschließend               erfolgreich, besteht die Gefahr, dass eine Frist
                                  stellte der Beklagte die Mietzahlungen ein. Vor Eintragung          nicht mehr gewahrt wird. Der Erklärende hat
                                  des Klägers als Eigentümer im Grundbuch kündigte der                auf einen vollständigen Nachweis seiner Bevoll-
                                  Kläger das Mietverhältnis – namens und in Vollmacht des             mächtigung durch Originalurkunden zu achten,
                                  Verkäufers – unter Berufung auf den Mietrückstand des               vor allem, wenn er seine Berechtigung seiner-
                                  Beklagten fristlos außerordentlich. Vorsorglich kündigte            seits von einem Stellvertreter ableitet. Eine Voll-
                                  er zusätzlich das Mietverhältnis „als künftiger Eigentümer“         macht im Sinne von § 174 BGB ist nur die „ech-
                                  fristlos außerordentlich. Dem Kündigungsschreiben legte             te“ Urkunde in ihrer Urschrift oder in Form einer
                                  er eine notarielle Ausfertigung des Kaufvertrages und eine          notariellen Ausfertigung; letztere vertritt im
                                  beglaubigte Abschrift der Vollmacht des Stellvertreters             Rechtsverkehr die Urschrift. Das Zurückwei-
                                  des Verkäufers bei. Der Beklagte wies die Kündigungen               sungsrecht ist aber gemäß § 174 S. 2 BGB aus-
                                  unverzüglich mit Verweis auf § 174 BGB zurück und glich             geschlossen, wenn der Vollmachtgeber den
                                  die rückständigen Monatsmieten aus. Der Kläger erhob                Erklärungsempfänger von der Bevollmächtigung
                                  dennoch Räumungsklage.                                              in Kenntnis gesetzt hat. Im Rahmen der Immo-
                                                                                                      bilientransaktion könnte dies etwa in einem
                                  Die Entscheidung                                                    gemeinsamen Schreiben von Verkäufer und
                                                                                                      Käufer erfolgen.
                                  Das LG München I (Urteil vom 29.05.2019 – 16 HK O
                                  18173 / 18) wies die Klage ab. Die vom Kläger eingelegte
                                  Berufung wies das OLG München mit Beschluss vom
                                  21.10.2019 – 7 U 3659 / 19 – zurück. Gemäß § 174 S. 1 BGB
                                  ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtig-
                                  ter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam,
                                  wenn der Bevollmächtigte nicht eine Vollmachtsurkunde
                                  vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem
                                  Grunde unverzüglich zurückweist. Diesen Tatbestand sah
                                  das OLG als erfüllt an. Die von dem Kläger vorgelegte
                                  beglaubigte Abschrift der Vollmacht erfülle nicht die An-     Aylin Kocak
                                  forderungen des § 174 BGB an die vorzulegende Voll-           Rechtsanwältin bei CMS in Stuttgart.
                                  machtsurkunde. Dass der Notar bei der Beurkundung             E aylin.kocak@cms-hs.com
                                  des Kaufvertrags die Übereinstimmung des Originals der
                                  Vollmacht mit der Kopie geprüft und bestätigt hat, sei
                                  nicht ausreichend. Das Überprüfungsrecht nach § 174 BGB
                                  stehe dem jeweiligen Geschäftsgegner zu. Durch die Ein-
                                  sichtnahme in die Originalvollmacht solle sich der Ge-

                            6 | Update Real Estate & Public
Real Estate & Public update - April 2020
Immobilien- und Mietrecht
Mietmangel wegen zu hoher
Raumtemperaturen – Umfang der
Darlegung

Hintergrund                                                   Vermieter überbürdet. Denn bei den teils sehr hohen
                                                              Außentemperaturen der letzten Sommer lasse sich auch
Der Klimawandel und der damit einhergehende Tempe-            bei mangelfrei errichteten Gebäuden eine Innentempera-
raturanstieg beschäftigen zunehmend auch die Justiz.          tur von über 26 °C kaum vermeiden.
So hatte das OLG Düsseldorf (Beschluss vom
12.09.2019 – 24 U 197 / 18) über die Frage zu entscheiden,    Die Beklagten sind ihrer Darlegungslast mit der pauschalen
welche Anforderungen an die Darlegungslast des Mieters        Behauptung, die Innentemperaturen haben bis über 40 °C
zu stellen sind, der in den Sommermonaten eine Miet-          betragen, nicht nachgekommen. Weder haben die Beklag-
minderung wegen zu hoher Temperaturen in seinen               ten dargelegt, an welchen Tagen und zu welchen Tages-
Mieträumen geltend macht.                                     zeiten welche Innentemperaturen gemessen wurden,
                                                              noch haben sie die Außentemperaturen dokumentiert.
Die Beklagten hatten vom Kläger Ladenflächen angemie-         Außerdem sei das Minderungsrecht auf den Zeitraum
tet, die über eine Lüftungsanlage gekühlt wurden. Im Mai      beschränkt, in dem tatsächlich eine Gebrauchsbeeinträch-
2016 traten Störungen an der Anlage auf, weshalb bis          tigung vorliege. Die von den Mietern vorgenommenen
April 2017 keine Kühlung erfolgte. Die Beklagten minder-      rückwirkenden Mietminderungen seien daher unzulässig.
ten die Miete für die Monate Mai 2016 bis einschließlich
Dezember 2016, teils rückwirkend, um bis zu 35 %.
Nachdem ein Mietrückstand von über zwei Monatsmie-
ten aufgelaufen war, kündigte der Kläger das Mietverhält-           Tipp für die Praxis:
nis gemäß § 543 Abs. 2 BGB fristlos und verklagte die
Mieter auf Herausgabe der Mietsache und Zahlung der                 Das OLG Düsseldorf hat letztlich offengelassen,
Mietrückstände. Die Beklagten widersprachen der Kündi-              ob der Mieter zur Erfüllung seiner Darlegungs-
gung und argumentierten, sie seien zur Mietminderung                last ein tagebuchähnliches Wärmeprotokoll
berechtigt gewesen, da die Innentemperatur im Zeitraum              erstellen muss oder ob eine Dokumentation der
von Mai bis September 2016 „bei 30 °C bis über 40 °C“               erreichten Innen- und Außentemperaturen
gelegen habe und die Mieträume dadurch nur einge-                   nebst Angabe der den Messungen zugrunde
schränkt nutzbar waren. An zwei Tagen musste der Laden              liegenden Tageszeit und Zeitdauer ausreicht.
wegen der großen Hitzeentwicklung sogar geschlossen                 Da diese Frage höchstrichterlich noch nicht
werden.                                                             geklärt ist, sollten hohe Raumtemperaturen
                                                                    zur Darlegung eines Mietmangels vom Mieter
Die Entscheidung                                                    möglichst umfassend und stets mit Angabe
                                                                    der jeweiligen Außentemperatur dokumentiert
Das OLG Düsseldorf gab dem Kläger Recht. Zwar können                werden.
zu hohe Innentemperaturen der Mietsache grundsätzlich
einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel dar-
stellen, wenn diese den vertragsgemäßen Gebrauch der
Räume einschränken oder verhindern. Ab welchen Innen-
temperaturen von einem Mietmangel auszugehen ist,
werde in der Rechtsprechung aber uneinheitlich beant-
wortet. Teilweise werde ein Mangel angenommen, wenn
eine „Wohlfühltemperatur“ von 26 °C überstiegen wird,
andere Gerichte nehmen einen Mangel an, wenn bei
Außentemperaturen von über 32 °C die Innentemperatur
nicht mindestens 6 °C niedriger als die Außentemperatur       Jacqueline Terhöven
ist. In jedem Fall sei zur Erfüllung der Darlegungslast des   Rechtsanwältin bei CMS in Stuttgart.
Mieters aber erforderlich, dass neben der Innentemperatur     E jacqueline.terhoeven@cms-hs.com
auch stets die Außentemperatur dokumentiert werde.
Andernfalls würde das Risiko einer Gebrauchsbeeinträch-
tigung im Hinblick auf die Klimaerwärmung allein dem

                                                                                                                           7
Real Estate & Public update - April 2020
Immobilien- und Mietrecht

                                  Maklerklausel im Grundstückskaufvertrag
                                  gilt auch gegenüber Vorkaufsberechtigtem

                                  Hintergrund                                                   hält, hänge lediglich mit dem Bestreben des Notars
                                                                                                zusammen, die Beurkundung von Maklerklauseln auf
                                  Wird nach Abschluss eines Grundstückskaufvertrags ein         das Notwendige zu begrenzen.
                                  Vorkaufsrecht ausgeübt, stellt sich die Frage, wer den
                                  Makler bezahlt. Maklerklauseln im Kaufvertrag können          Der Erwerber wendet sich an den BGH, der das Urteil
                                  hierauf Antwort geben.                                        aufhebt und die Sache an das Berufungsgericht zurück-
                                                                                                verweist. Es habe sich um eine unzulässige Überraschungs-
                                  Dabei werden „deklaratorische“ von „konstitutiven“            entscheidung gehandelt, da die Beteiligten nicht mit der
                                  Klauseln unterschieden. Während deklaratorische Klauseln      Begründung der konstitutiven Wirkung der Maklerklausel
                                  lediglich zu Beweiszwecken klarstellen, dass der Vertrag      durch das Berufungsgericht rechnen mussten. Auch wenn
                                  durch Vermittlung eines Maklers zustande gekommen ist,        der BGH nicht explizit zu den Voraussetzungen und Rechts-
                                  geben konstitutive Klauseln dem Makler einen (zusätzli-       folgen von Maklerklauseln Stellung nimmt, wird deutlich,
                                  chen) eigenen Anspruch gegen den (jeweiligen) Käufer,         dass die Richter der allzu schnellen Annahme einer kons-
                                  bei Ausübung eines Vorkaufsrechts also gegen den neuen        titutiven Wirkung von Maklerklauseln kritisch gegenüber-
                                  Käufer.                                                       stehen.

                                  Gerichte und Notarkammern fordern die Notare wegen
                                  der möglichen Tragweite für die Kaufvertragsparteien (z. B.
                                  möglicher Verlust von Einwendungen, gebührenrechtliche              Tipp für die Praxis:
                                  Auswirkungen) zu einem sensiblen Umgang mit der kons-
                                  titutiven Maklerklausel auf. Die sich hieraus ergebende             Auch wenn in Hinsicht auf die Zulässigkeit von
                                  Zurückhaltung der Notare kann unter Umständen zu aus-               konstitutiven Maklerklauseln Zweifel verbleiben
                                  legungsbedürftigen Formulierungen führen.                           und die von den Notarkammern empfohlene
                                                                                                      Zurückhaltung ihren Grund hat, ist die Aufnah-
                                  Die Entscheidung                                                    me entsprechender Klauseln aus Sicht des
                                                                                                      Maklers – insbesondere, wenn die Ausübung
                                  Anlass der Entscheidung des BGH (Beschluss vom                      von Vorkaufsrechten im Raum steht – zu emp-
                                  07.03.2019 – I ZR 148 / 18) war die strittige Auslegung             fehlen. Jedenfalls ist darauf zu achten, den
                                  einer Maklerklausel in einem Grundstückskaufvertrag.                anspruchsbegründenden Charakter explizit zu
                                                                                                      formulieren, um Auslegungsschwierigkeiten
                                  Dort wurde in einer Maklerklausel festgestellt, dass der            zu vermeiden.
                                  Käufer der Maklerin eine Provision zu zahlen hat und
                                  er „ohne Erweiterung seiner Verpflichtungen aus dem
                                  Maklervertrag an[erkennt], dem Makler die vereinbarte
                                  Provision zu schulden“. Zudem wurde aber auch verein-
                                  bart, dass „bei Ausübung des Vorkaufsrechts […] der
                                  Ausübende zur Übernahme der Maklerprovision ver-
                                  pflichtet [ist]“.

                                  Der Vorkaufsberechtigte weigert sich, die Provision zu
                                  bezahlen. Die Maklerin klagt. Die erste Instanz weist die
                                  Klage ab, da keine konstitutive Maklerklausel vorliege.       Johannes Bescher, LL. M.,
                                  Das Berufungsgericht misst der Maklerklausel dagegen          Maître en droit
                                  konstitutive Wirkung bei und gibt der Klage statt. Nur        Rechtsanwalt bei CMS in Berlin.
                                  so sei die durch die Parteien beabsichtigte Übernahme         E johannes.bescher@cms-hs.com
                                  der Provision durch den Ausübenden des Vorkaufsrechts
                                  gewährleistet. Dass der Kaufvertrag keine explizit an-
                                  spruchsbegründende, d. h. konstitutive Regelung ent-

                            8 | Update Real Estate & Public
Real Estate & Public update - April 2020
Immobilien- und Mietrecht
„Vermietung vom Reißbrett“ – zur
Vertragsstrafe bei verspäteter Übergabe
der Mietsache

Hintergrund

Bei einer „Vermietung vom Reißbrett“ garantiert der
                                                                    Tipp für die Praxis:
Vermieter im Mietvertrag häufig, das noch zu errichten-
de Mietobjekt zu einem bestimmten Zeitpunkt zu über-                Die Entscheidung zeigt, wie gefährlich Vertrags-
geben. Verzögert sich die Fertigstellung und damit der              strafenregelungen im Gewerberaummietrecht
vereinbarte Übergabetermin, stellt sich die Frage, welche           sein können. Bei der Vertragsstrafe muss die
Rechte der Mieter hat.                                              andere Vertragspartei den konkreten Schaden
                                                                    weder darlegen noch beweisen. Wird gleich-
In dem vom OLG Hamburg (Urteil vom 04.03.2019 –                     zeitig eine Garantie übernommen, greift die
8 U 131 / 17) entschiedenen Fall war im Mietvertrag neben           Haftung zudem verschuldensunabhängig.
der Garantie für die Rechtzeitigkeit der Übergabe eine
verschuldensunabhängige Vertragsstrafe, die der Vermie-             Der BGH hat bereits im Jahr 2003 entschieden,
ter für jeden Tag der Verzögerung zu zahlen hat, verein-            dass eine Vertragsstrafe im Gewerberaummiet-
bart. Die Mieträume wurden vom Vermieter nicht recht-               recht auch formularvertraglich vereinbart wer-
zeitig übergeben, weshalb der Mieter den Mietvertrag                den kann. Anders als im Baurecht muss die
kündigte. Auf die Klage des Vermieters auf Feststellung             Vertragsstrafe auch nicht auf einen Maximal-
der Unwirksamkeit der Kündigung verlangte der Mieter                betrag begrenzt sein. Zu beachten ist, dass die
im Wege der Widerklage Zahlung der Vertragsstrafe.                  Höhe der verwirkten Strafe in einem angemes-
                                                                    senen Verhältnis zum Gewicht des mit ihr ge-
Die Entscheidung                                                    ahndeten Verstoßes steht. Andernfalls ist die
                                                                    Klausel wegen unangemessener Benachteili-
Das OLG Hamburg bestätigte die Entscheidung der Vor-                gung gemäß § 307 BGB unwirksam.
instanz, die dem Mieter die geltend gemachte Vertrags-
strafe zugesprochen hatte. Die verschuldensunabhängige              Wurden Vertragsstrafenversprechen im Mietver-
Vertragsstrafenklausel sei auch als allgemeine Geschäfts-           trag übernommen, sollten sie möglichst spiegel-
bedingung des Mieters wirksam: Die Klausel weiche schon             bildlich in die Verträge mit Dritten, etwa Bau-
nicht von der gesetzlichen Regelung des § 339 BGB ab,               verträge, aufgenommen werden, um einen
jedenfalls widerspreche sie aber nicht deren Leitbild. Nach         wirtschaftlichen Schaden abzuwenden.
§ 339 BGB wird eine Vertragsstrafe erst verwirkt, wenn
der Schuldner mit seiner Leistung in Verzug ist. Verzug
setzt nach § 286 Abs. 4 BGB voraus, dass der Schuldner
das Unterbleiben der Leistung zu vertreten hat. Zu vertre-
ten hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn
keine strengere Haftung vereinbart ist, wie z. B. im Falle
einer Garantie (vgl. § 276 BGB).

Hat der Schuldner wie hier eine Garantie, die per se ver-
schuldensunabhängig ist, für die rechtzeitige Übergabe
des Mietobjekts übernommen, hat er die verspätete Über-       Dr. Martin Prothmann
gabe demnach auch dann zu vertreten, wenn weder ihm           Rechtsanwalt bei CMS in Stuttgart.
selbst noch seinen Erfüllungsgehilfen Vorsatz oder grobe      E martin.prothmann@cms-hs.com
Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann. Verzögert
sich die Übergabe, ist der Vermieter in Verzug und
verwirkt die Vertragsstrafe.

                                                                                                                       9
Real Estate & Public update - April 2020
Immobilien- und Mietrecht

                                  Wann haben die Parteien eine echte
                                  Quadratmetermiete vereinbart?

                                  Hintergrund                                                höhe hergestellt und die Größe der Mietfläche als ver-
                                                                                             bindliche Beschaffenheit vereinbart. Die zu zahlende Miete
                                  Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können             richte sich daher unmittelbar nach der tatsächlichen Flä-
                                  Abweichungen der Mietfläche von mehr als 10 % zu           che. Die Abweichung von über 7 % sei wesentlich, dem
                                  Lasten des Mieters als erhebliche Gebrauchsbeeinträch-     Mieter werde der vertragsgemäße Gebrauch des Mietge-
                                  tigung zur Mietminderung und zur außerordentlichen         genstands in erheblichem Maß vorenthalten. Der Vermie-
                                  Kündigung berechtigen. Das OLG Dresden (Urteil vom         ter habe nicht vorgetragen, dass die Erheblichkeitsschwelle
                                  10.07.2019 – 5 U 151 / 19) befasste sich mit der Frage,    ausnahmsweise nicht erreicht sei. Die geringere Mietfläche
                                  ob bei Vereinbarung einer echten Quadratmetermiete         stellt einen Sachmangel dar. Eine Fristsetzung zur Abhilfe
                                  diese Rechtsfolgen auch bereits bei einer geringeren       ist entbehrlich, da der Mangel beseitigt werden kann.
                                  Flächenabweichung eintreten können.

                                  Zwischen dem Mieter (Beklagter) und dem Vermieter
                                  (Kläger) bestand ein Gewerberaummietvertrag über                 Tipp für die Praxis:
                                  Teilflächen eines Gebäudes zur Nutzung als Café. Der
                                  Mietvertrag sah in § 1 folgende Regelungen vor: „Die             Ist eine Quadratmetermiete nicht gewollt, ist bei
                                  vermietete Fläche beträgt ca. 177 m². Die Mietfläche ist         der Formulierung des Mietvertrags darauf zu
                                  in den als Anlage beigefügten Grundrissen rot markiert.“         achten, dass in der Flächenangabe keine Be-
                                  Der Mietvertrag sah weiter vor, dass die angegebene              schaffenheitsvereinbarung zu erkennen ist. Dies
                                  Mietfläche für die Berechnung der Kaltmiete als verbind-         lässt sich etwa durch Formulierungen erreichen,
                                  lich und zutreffend zugrunde gelegt wird. Die Miete              nach denen die Flächenangaben lediglich der
                                  wurde gestaffelt mit EUR 5,00 pro Quadratmeter und               Beschreibung des Mietgegenstands dienen und
                                  EUR 7,00 pro Quadratmeter angegeben. Der Mieter ließ             nur unverbindliche Angaben darstellen, die
                                  ein Flächenaufmaß erstellen und kündigte den Mietvertrag         keine Auswirkungen auf die Miete haben sollen.
                                  infolge einer Flächenabweichung von über 10 % außer-             Zudem kann eine Toleranzgrenze vereinbart
                                  ordentlich. Der Vermieter wies die Kündigung zurück, da          werden, deren Unter- oder Überschreitung zur
                                  keine Abweichung von mehr als 10 % vorliege, und be-             Geltendmachung von Gewährleistungsrechten
                                  gehrt mit der Klage die Zahlung rückständiger Mieten.            berechtigen soll. Insbesondere bei Projektent-
                                                                                                   wicklungen sollten die Größenangaben als
                                  Die Entscheidung                                                 vorläufig bezeichnet werden.

                                  Das OLG hält eine Flächenabweichung von 7,2 % für ge-
                                  geben und eine Mietminderung sowie die außerordent-
                                  liche Kündigung des Mieters aufgrund der Vereinbarung
                                  einer echten Quadratmetermiete für wirksam. Eine solche
                                  sei vereinbart, wenn sich die Miete aus der Größe des
                                  Mietgegenstands in Quadratmetern multipliziert mit einer
                                  pro Quadratmeter zu zahlenden Miete ergibt.

                                  Bei der vom BGH entwickelten 10 %-Grenze handele es
                                  sich um eine Vermutung. Diese könne der Mieter durch den   Sandra Scheib
                                  Nachweis der erheblichen Beeinträchtigung der Tauglich-    Rechtsanwältin bei CMS in Frankfurt.
                                  keit des Mietgegenstands zum vertragsgemäßen Ge-           E sandra.scheib@cms-hs.com
                                  brauch widerlegen. Die Parteien haben durch die aus-
                                  drücklichen Regelungen im Mietvertrag, insbesondere
                                  durch die Bezugnahme auf die als Anlagen beigefügten
                                  Grundrisse, der Größe der Mietfläche eine für den ver-
                                  tragsgemäßen Gebrauch besondere Bedeutung zuge-
                                  schrieben sowie sie der Berechnung der Miete zugrunde
                                  gelegt. Somit haben sie eine unmittelbare Verknüpfung
                                  zwischen der Mietfläche und der Berechnung der Miet-

                            10 | Update Real Estate & Public
Immobilien- und Mietrecht
Abgrenzung von Vorkaufsrecht
und Andienungsrecht

Hintergrund

In der Vergangenheit haben Kommunen in großem Stil
                                                                   Tipp für die Praxis:
Wohnungsbestände veräußert. Dabei kam ein vielfältiges
Instrumentarium zum Schutz der Mieter zum Einsatz. Das             Vorkaufsrechten und Andienungspflichten wird
gesetzliche Vorkaufsrecht der Mieter bei Wohnungsauf­              in der Praxis oftmals nicht die erforderliche Auf-
teilungen wurde z. B. durch Vor- und Rückkaufsrechte               merksamkeit und Sorgfalt gewidmet. Sie wer-
des Verkäufers, durch Anbietungspflichten oder durch               den von Eigentümern allzu oft als ungefährliches
Kündigungsverbote ergänzt. Das KG Berlin hatte im Urteil           Zugeständnis an Käufer oder Mieter angesehen
vom 18.04.2019 – 18 U 15 / 19 – zu entscheiden, wie die            und bereitwillig eingeräumt, erweisen sich
Verpflichtung des Käufers, die Wohnungen bei Weiterver-            dann aber als ärgerliches Transaktionshindernis
kauf „vorzugsweise den Mietern zum Kauf anzubieten“,               und als Quelle für Streitigkeiten. Die Entschei-
zu verstehen ist und ob sie vom ursprünglichen Verkäufer           dung veranschaulicht, in welches Labyrinth an
durchgesetzt werden kann. Dieser Fall öffnet über die              rechtlichen Fragestellungen die Parteien geraten
konkrete Konstellation hinaus den Blick auf die generelle          können. Wo immer Vorkaufsrechte und An-
Problematik von Vorkaufsrechten und Andienungspflich-              bietungspflichten vermieden werden können,
ten.                                                               sollte dies geschehen. Im Grundstücksverkehr
                                                                   zwischen institutionellen Investoren findet sich
Die Entscheidung                                                   für vorkaufsrechtsbelastete Grundstücke in der
                                                                   Regel kein Interessent, der die Kosten für eine
Nach dem Kaufvertrag hatten die Mieter direkt gegen                Ankaufsprüfung und einen Vertragsabschluss
den Käufer einen Anspruch auf Einhaltung der zu ihrem              aufwendet, es sei denn, der Verkäufer erstattet
Schutz vereinbarten Regelungen (sog. Vertrag zugunsten             ihm diese im Falle der Ausübung des Vorkaufs-
Dritter). Daneben ist kraft Gesetzes auch der Verkäufer            rechts. Bei Ankaufsrechten und Andienungs-
berechtigt, von dem Käufer die Beachtung der Ansprüche             pflichten wird meistens nicht präzise geregelt,
der Mieter zu verlangen. Davon machte der Verkäufer                wann, unter welchen Voraussetzungen, zu
Gebrauch. Er wollte die Regelung, dass der Käufer die              welchem Preis und zu welchen Konditionen ein
Wohnungen den Mietern zum Kauf anzubieten habe, als                Ankauf erfolgen darf. Das führt zu Auslegungs-
Vorkaufsrecht der Mieter verstanden wissen. Das KG sah             schwierigkeiten und damit zu Streitigkeiten über
die Klausel nach dem Wortlaut, den Interessen der Parteien         das Verfahren und den Vertragsinhalt. Deshalb:
und dem Gesamtzusammenhang lediglich als Anbietungs-               Hände weg von solchen Klauseln! Wenn das
verpflichtung an. Der Käufer müsse die Wohnung einem               nicht durchsetzbar ist, ist eine detaillierte
Mieter zwar anbieten, sie aber nur dann an ihn verkaufen,          Regelung unverzichtbar.
wenn dieser zu wenigstens den gleichen Konditionen wie
ein Dritter erwerben wollte. Während sich bei einem Vor-
kauf die Konditionen aus dem abgeschlossenen Vertrag
ergeben, in den der Berechtigte eintritt, besteht für die
Andienung nur die Vorgabe, dass die Konditionen billigem
Ermessen entsprechen müssten. Das KG bejahte dies für
den konkreten Fall. Es bestätigte außerdem, dass ein Ver-
stoß gegen die Anbietungspflicht auch durch ein Ange-
bot, das erst nach dem Abschluss des Vertrages über den
Weiterverkauf erfolgte, geheilt werden kann.
                                                             Dr. Dirk Rodewoldt, MRICS
                                                             Rechtsanwalt bei CMS in Stuttgart.
                                                             E dirk.rodewoldt@cms-hs.com

                                                                                                                        11
Immobilien- und Mietrecht

                                  Eine Gemeinde darf Regenwasser nicht
                                  so aufstauen, dass Privatgrundstücke
                                  überflutet werden

                                  Hintergrund                                                 Grundstück des Klägers infolge der deutlichen Erhöhung
                                                                                              des Straßenniveaus Überschwemmungen wegen eines
                                  § 37 Abs. 1 S. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) schreibt       größeren Rückstaus von Wasser drohten, müsse er dies
                                  vor, dass der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers   nicht hin­nehmen. Vielmehr drohe ihm ein Nachteil im
                                  auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil      Sinne von § 37 Abs. 1 S. 1 WHG, den der Kläger gemäß
                                  eines höher liegenden Grundstücks behindert werden          § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB abwehren könne.
                                  darf. In dem vom BGH entschiedenen Fall (Urteil vom
                                  09.09.2019 – III ZR 388 / 17) lag das Grundstück des Klä-
                                  gers oberhalb einer Gemeinde­straße. Bei starkem Regen
                                  fließt das Wasser ungefasst von höheren Grundstücken              Tipp für die Praxis:
                                  über das Grundstück des Klägers und die darunter liegen-
                                  de Gemeindestraße auf noch tiefer gelegene Grundstücke.           Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass
                                  Im Zuge der Beseitigung von Überschwemmungsschäden                auch die Bestimmungen des WHG geeignet
                                  erhöhte die Gemeinde die Gradiente der Straße erheblich.          sind, die Rechtsbeziehungen zwischen Nach-
                                  Nach dieser Erhöhung war davon auszugehen, dass das               barn maßgeblich zu gestalten. Bei der Planung
                                  Wasser bei stärkeren Regenfällen von der erhöhten Straße          von Bauvorhaben sind sie zu beachten und ins-
                                  aufgestaut und das Grundstück des Klägers deswegen                besondere Planer sind gut beraten, auch den
                                  überflutet werden würde. Der Kläger nahm die Gemeinde             Einfluss der vorgesehenen Baumaßnahmen auf
                                  darauf in Anspruch, mit geeigneten Maßnahmen zu ver-              den natürlichen Wasserabfluss zu beachten.
                                  hindern, dass dies geschieht.

                                  Die Entscheidung

                                  Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten,
                                  gab der BGH dem Kläger Recht. Ihm stehe ein Unterlas-
                                  sungs- bzw. Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1
                                  S. 2 BGB i. V. m. § 37 Abs. 1 S. 1 WHG zu. Inhalt und
                                  Umfang des Anspruchs im Einzelnen ergeben sich aus
                                  den Bestimmungen des Nachbarrechts, das sich nicht nur
                                  aus dem BGB und den nachbarrechtlichen Vorschriften der     Christian Reuter
                                  Länder, sondern auch aus den Rechtsvorschriften ergibt,     Rechtsanwalt bei CMS in Hamburg.
                                  die die allgemeinen nachbarrechtlichen Bestimmungen         E christian.reuter@cms-hs.com
                                  ändern und sie ergänzen. Zu diesen Bestimmungen ge-
                                  höre auch § 37 Abs. 1 S. 1 WHG. Bei der Planung und
                                  dem Bau von Straßen habe der Träger der Straßenbaulast
                                  die anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der
                                  Wasserwirtschaft zu beachten. Zu diesen gehörten auch
                                  die Vorschriften über die Veränderung des Ablaufs von
                                  wild, d. h. ungefasst abfließendem Wasser. Wenn dem

                            12 | Update Real Estate & Public
Immobilien- und Mietrecht
Zur Wirksamkeit von Endrenovierungsklauseln
in Gewerberaummietverträgen

Hintergrund                                               In der Vertragspraxis hat sich jedoch durchgesetzt, in
                                                          gewissem Maße die Kosten der Abnutzung durch den
Die vertragliche Übertragung von Schönheitsreparaturen    vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters auf den Mieter
und Endrenovierungen auf den Mieter weicht vom gesetz-    abzuwälzen, sei es durch die Aufnahme von eben solchen
lichen Leitbild ab, wonach grundsätzlich der Vermieter    Schönheitsreparaturklauseln, Instandhaltungsverpflich-
dafür Sorge trägt, die Mietsache während der Mietzeit     tungen oder Endrenovierungsklauseln. In den vergange-
in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten          nen Jahrzehnten hat die Rechtsprechung die Möglich-
Zustand zu erhalten (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Unvermeid-   keiten der Vermieter bereits sukzessive eingeschränkt.
bare Abnutzungsspuren, die durch Schönheitsreparatu-      Das OLG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom
ren bzw. Endrenovierungen beseitigt werden sollen, sind   30.07.2019 – 24 U 104 / 18 – nun diesen Weg fortge-
grundsätzlich bereits durch die Miete und den damit       setzt und (ebenfalls) entschieden, dass eine Endrenovie-
zwangsläufig verbundenen und gestatteten vertragsge-      rungsklausel in AGB unwirksam ist, wenn die Mieträume
mäßen Gebrauch abgegolten.                                unrenoviert übergeben wurden. Der Vermieter hat danach

                                                                                                                     13
Immobilien- und Mietrecht

                                  sogar Veränderungen und Verschlechterungen hinzu-
                                  nehmen, wenn sie erheblich sind (z. B. intensive Kontami-
                                  nation mit Öl), sofern die Nutzung vertragsgemäß war.
                                                                                                     Tipp für die Praxis:

                                  Die Entscheidung                                                   Das Merkmal der renovierten Übergabe (neben
                                                                                                     weiteren) zur wirksamen Vereinbarung von
                                  In dem hier besprochenen Fall hatte die Beklagte vom               Schönheitsreparatur- und Endrenovierungsklau-
                                  Kläger mehrere Werk- und Lagerhallen sowie Büros und               seln in AGB dürfte bekannt sein. Der Mieter
                                  Sozialräume zum Betrieb eines Zerspanungsbetriebes als             soll eben nicht auch noch mit den Kosten der
                                  Systemlieferant von Präzisionsbauteilen für den Fahrzeug-,         Nutzung des Vormieters belastet werden.
                                  Betriebe- und allgemeinen Maschinenbau angemietet.                 Dass dies auch bei erheblichen Kontaminatio-
                                  Die Räumlichkeiten waren unrenoviert übergeben worden.             nen gilt, war zu erwarten. Wie lange aber
                                  Laut Mietvertrag sollte der Mieter die Mieträume bei               auch an diesem Merkmal festgehalten wird
                                  Mietende in bezugsfertigem Zustand bzw. renoviert mit              und nicht generell von einer Unwirksamkeit
                                  allen, auch von ihm selbst beschafften Schlüsseln ohne             von Endrenovierungsklauseln in Formularver-
                                  Anspruch auf Entgelt dem Vermieter übergeben. Andern-              trägen ausgegangen wird, ist fraglich. So hat
                                  falls sei der Vermieter berechtigt, auf Kosten des Mieters         das LG Berlin für Wohnraummietverhältnisse
                                  die Mieträume zu öffnen, zu reinigen und neue Schlösser            bereits am 09.03.2017 – 67 S 7 / 17 – ent-
                                  und Schlüssel anfertigen zu lassen. Der Mieter war zudem           schieden, dass Schönheitsreparaturklauseln in
                                  verpflichtet, die Oberflächen der Böden ölfrei zu überge-          vom Vermieter gestellten Formularklauseln per
                                  ben. Bei Auszug reinigte der Mieter zwar die Böden. Durch          se, also auch dann, wenn die Wohnung reno-
                                  die starke Verschmutzung und teilweise Beschädigung                viert übergeben wurde, unwirksam sind. Zwar
                                  waren die Räumlichkeiten nach Ansicht des Vermieters je-           beschränkt sich diese Rechtsprechung – soweit
                                  doch nicht in bezugsfertigem Zustand übergeben worden.             ersichtlich – bislang nur auf Wohnraummietver-
                                                                                                     hältnisse. Will der Vermieter aber auf Nummer
                                  Der Kläger nahm die Beklagte insbesondere auf Schadens-            sicher gehen, bleibt nur eine Individualverein-
                                  ersatz (Entsorgungskosten, Wiederherstellungskosten)               barung durch vertragliche Aushandlung in je-
                                  wegen erheblicher Kontamination der Werkhallen mit Öl              dem einzelnen Fall mit dem damit verbundenen
                                  und chlorierten Kohlenwasserstoffen in Anspruch. Insbe-            erheblichen Arbeitsaufwand für den Vermieter.
                                  sondere das in den Werkhallen verlegte Parkett musste              Oder aber man wälzt die Schönheitsreparatur-
                                  umfassend erneuert werden. Hiergegen wehrte sich die               und Endrenovierungspflicht generell nicht auf
                                  Beklagte u. a. mit dem Argument, dass die Verunreinigun-           den Mieter ab, sondern preist die Kosten in die
                                  gen bereits vor Übergabe vorgelegen hätten, im Übrigen             Miete ein. Es wäre ein transparenter Ansatz, der
                                  das Befahren des Bodens mit Gabelstaplern vertragsge-              so seit 120 Jahren in § 535 BGB vorgesehen ist
                                  mäß gewesen sei und die vertragliche Klausel zur End­              und letztlich nur eines einfachen Rechenschrit-
                                  renovierung unwirksam sei. Nachdem das Landgericht                 tes bei der Kalkulation der Miete bedarf.
                                  dem Kläger noch über EUR 100.000,00 zugesprochen
                                  hatte, wies das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom
                                  30.07.2019 – 24 U 104 / 18 – die Klage vollständig ab.
                                  Eine Endrenovierungsklausel in AGB sei jedenfalls dann
                                  unwirksam, wenn die Mietsache unrenoviert übergeben
                                  worden war. Es handele sich auch um AGB, da der Ver-
                                  trag (im Vorfeld) maschinenschriftlich fixiert wurde.

                                                                                               Dr. Michael Nauta, Licencié en Droit
                                                                                               Rechtsanwalt bei CMS in Köln.
                                                                                               E michael.nauta@cms-hs.com

                            14 | Update Real Estate & Public
Immobilien- und Mietrecht
Abbruch von Kaufvertragsverhandlungen
führt grundsätzlich nicht zu Schadensersatz

Hintergrund                                                    verkaufen werde, und dann grundlos den Vertrag nicht
                                                               schließe. Zudem gebe es keine allgemeine Pflicht, einen
Bereits vor Unterzeichnung eines Grundstückskaufvertra-        Kaufinteressenten über alle Einzelheiten der Immobilie
ges entstehen dem Interessenten oft Kosten für die Er-         aufzuklären. Grundsätzlich müsse sich jeder Teil die für
stellung von Gutachten oder die Planung der Bebauung           ihn erforderlichen Informationen – auf eigene Kosten und
sowie der Ankaufprüfung etc. Grundsätzlich kann aber           eigenes Risiko – selbst beschaffen. Ein Ersatzanspruch we-
jede Seite die Vertragsverhandlungen abbrechen, ohne           gen der Planungskosten käme nur in Betracht, wenn die
dass dies zu Ersatzansprüchen der anderen Seite führt.         Beklagte die Klägerin dazu motiviert hätte, die Planungs-
Der Grundsatz „pacta sunt servanda“ („Verträge sind            leistungen in Auftrag zu geben. Dies sei hier jedoch nicht
einzuhalten“) gilt gerade erst ab Vertragsschluss. Eine        der Fall gewesen. Gerade beim Grundstückskauf könne
vorvertragliche Haftung kommt nur in Ausnahmefällen            wegen der Beurkundungsbedürftigkeit eine vorvertragliche
in Betracht.                                                   Haftung nur in Ausnahmefällen bestehen, da andernfalls
                                                               ein indirekter Druck zum Vertragsschluss begründet würde.
In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall wollte die        Dies wäre jedoch mit dem Zweck des Beurkundungser-
Klägerin von dem Beklagten ein Grundstück erwerben             fordernisses, das die Parteien gerade vor übereilten Ent-
und hatte bereits während der Verhandlungen einen Ar-          scheidungen schützen soll, unvereinbar.
chitekten einbezogen. Als der Kauf scheiterte, verlangte
die Klägerin Schadensersatz wegen unnützer Planungs-
kosten. Die Vorinstanz bejahte eine Haftung wegen vor-
vertraglicher Pflichtverletzung, da der Beklagte mit Blick           Tipp für die Praxis:
auf die Planung der Klägerin nicht umfassend über die
Grundstückssituation informiert habe.                                Das OLG hat mit seiner Entscheidung die
                                                                     Grenze für die Reichweite der Aufklärungs-
Die Entscheidung                                                     pflicht bei Vertragsverhandlungen gezogen
                                                                     und das Eigenverantwortlichkeitsprinzip bei
Das OLG stellte in seinem Urteil vom 17.12.2019 –                    der Informationsbeschaffung betont. Für
I 24 U 21 / 19 – dagegen klar, dass eine vorvertragliche             Immobilientransaktionen bedeutet dies,
Haftung wegen Verletzung einer allgemeinen Aufklä-                   dass jede Seite vor Abschluss des Vertrages
rungspflicht bei späterem Abbruch der Vertragsverhand-               grundsätzlich auf eigenes Risiko handelt und
lungen nicht bestehe, und wies die Klage ab. Die Beklagte            gegebenenfalls die Kosten für die Planung
ist Miteigentümerin eines Grundstücks, das die Klägerin              des Bauvorhabens etc. auch dann zu tragen
erwerben wollte. Die Klägerin wollte darauf ein Gebäude              hat, wenn der Vertrag nicht zustande kommt.
mit mehreren Wohneinheiten errichten und beauftragte
einen Architekten mit der Planung. Auf dem Grundstück
befand sich eine – weder im Grundbuch noch im Baulas-
tenverzeichnis erfasste – unterirdisch verlaufende Wasser-
leitung. Zudem bestand ein Rechtsstreit mit den Nachbarn
über eine auf der Grenze zum Nachbargrundstück stehen-
de sanierungsbedürftige Giebelwand. Um das Planungs-
konzept realisieren zu können, hätte die Wasserleitung
verlegt und die Giebelwand saniert werden müssen. Die
Klägerin behauptete, dass sie in Kenntnis dieser Kosten kein
Interesse an dem Grundstück gehabt hätte, und verlangte        Dr. Elena Mackh
von der Beklagten Ersatz ihrer Planungskosten. Zu Unrecht,     Rechtsanwältin bei CMS in Stuttgart.
wie das OLG entschied. Eine vorvertragliche Haftung sei        E elena.mackh@cms-hs.com
nur dann anzunehmen, wenn der Grundstückseigentümer
mit seinem Verhalten das berechtigte Vertrauen des Inter-
essenten schaffe, dass er diesem das Grundstück sicher

                                                                                                                            15
Immobilien- und Mietrecht

                                  Das neue Gesetz zur Regulierung des
                                  Mietwohnungsmarkts in Berlin

                                  Hintergrund                                                  ist bis EUR 1,00 pro Quadratmeter zulässig (§ 7 des Ge-
                                                                                               setzes). Eine Differenzierung nach der Lage des Wohn-
                                  Nach langem politischen Streit hat das Abgeordnetenhaus      raums sieht das Gesetz insoweit nicht vor.
                                  von Berlin am 30.01.2020 das „Gesetz zur Neuregelung
                                  gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“ für das      Nach dem „Mietendeckel“ für Bestandsmieten ist eine
                                  Land Berlin beschlossen. Es soll auf die Marktentwicklung    Miete überhöht, die die nach Berücksichtigung der Wohn-
                                  Einfluss nehmen, um die Bezahlbarkeit von Wohnraum           lage höchstzulässige Miete um mehr als 20 % überschrei-
                                  bis zu einer Entspannung auf dem Berliner Wohnungs-          tet und nicht genehmigt worden ist (§ 5 des Gesetzes).
                                  markt zu sichern.                                            Auf die Wohnlage (einfach / mittel / gut) kommt es somit
                                                                                               nur hier an. Eine überhöhte Miete ist verboten. Es ist damit
                                  Wesentliche Regelungen                                       dem Mieter aufgegeben, sich zivilgerichtlich um die Zuläs-
                                                                                               sigkeit seiner Miete zu kümmern. Die zuständige Senats-
                                  Das nicht für Neubauten geltende Gesetz sieht zunächst       verwaltung überwacht die Einhaltung des Verbots. Der
                                  einen Mietenstopp vor (§ 3 des Gesetzes). Danach ist eine    „Mietendeckel“ für Bestandsmieten tritt erst neun Monate
                                  Miete verboten, die die am 18.06.2019 (sog. „Stichtag“)      nach Verkündung des Gesetzes in Kraft.
                                  wirksam vereinbarte Miete überschreitet. Die Höchstwerte
                                  erhöhen sich ab dem 01.01.2022 jährlich um die Inflations-   Eine höhere Miete kann zur Vermeidung unbilliger Härten
                                  rate, jedoch maximal um 1,3 %.                               genehmigt werden (§ 8 des Gesetzes). Hierfür ist die Inves-
                                                                                               titionsbank Berlin zuständig. Die Möglichkeit einer im
                                  Der Mietenstopp wird flankiert durch Mietobergrenzen         Einzelfall höheren Miete wird durch die Möglichkeit eines
                                  für Wiedervermietung oder erstmalige Vermietung (§ 4 des     Mietzuschusses für den betroffenen Mieter ergänzt
                                  Gesetzes), also um einen „Mietendeckel“ für Neuvermie-       (§ 9 des Gesetzes).
                                  tungsmieten. Die Obergrenzen bemessen sich anhand
                                  der erstmaligen Bezugsfertigkeit der Wohnung und ihrer       Das Gesetz sieht schließlich Ordnungswidrigkeiten vor,
                                  Ausstattung (§ 6 des Gesetzes). Die höchstzulässige Miete    insbesondere für das Fordern einer unzulässigen Miete.
                                  pro m² reicht von EUR 3,92 bis zu EUR 9,80. Für Wohn-        Diese können mit einer Geldbuße bis zu EUR 500.000
                                  raum mit moderner Ausstattung erhöht sie sich um             geahndet werden (§ 11 des Gesetzes).
                                  EUR 1,00. Eine modernisierungsbedingte Mieterhöhung

                            16 | Update Real Estate & Public
Immobilien- und Mietrecht
      Tipp für die Praxis:

      Das Gesetz tritt größtenteils am Tag nach seiner Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in
      Kraft. Der „Mietendeckel“ für Bestandsmieten tritt neun Monate nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft.

      Zwar ist die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes weiterhin umstritten. Bis zu einer höchstgerichtlichen Klärung
      vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof bzw. vor dem Bundesverfassungsgericht sollten Vermieter die Rege-
      lungen des Gesetzes jedoch befolgen.

      Bereits jetzt sind erste Auswirkungen des Gesetzes auf den Berliner Wohnungsmarkt zu beobachten – wenn-
      gleich nicht solche, die mit dem Gesetz bezweckt werden. So haben viele Vermieter ihre Investitionen für den
      Neubau und für Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen zurückgefahren. Wie viele Mieter tatsächlich
      zivilgerichtlich gegen nach dem Gesetz unzulässige Mieten vorgehen und welche Rolle die Berliner Verwaltung
      bei der Durchsetzung des Gesetzes einnehmen wird, bleibt abzuwarten. Die Berliner Verwaltung wird auf
      viele offene Fragen eine praxistaugliche Antwort finden müssen.

Dr. Benjamin Schirmer                     Dr. Julius Städele, LL. M. (Cambridge)
Rechtsanwalt bei CMS in Berlin.           Rechtsanwalt bei CMS in Berlin.
E benjamin.schirmer@cms-hs.com            E julius.staedeler@cms-hs.com

                                                                                                                      17
Privates Baurecht

                          BGH kassiert vorkalkulatorische
                          Preisfortschreibung!

                          Hintergrund
                                                                                                Tipp für die Praxis:
                          Häufig fallen bei der Bauausführung größere Mengen an,
                          als die Vertragsparteien kalkuliert hatten. Für die Vertrags-
                                                                                                Der BGH hat einen Rechtsprechungswandel
                          parteien ist dies riskant: Die Mengenüberschreitung kann
                                                                                                eingeleitet und dadurch das Verständnis von
                          für den Auftragnehmer nachteilig sein, wenn er das zu-
                                                                                                § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB / B der Rechtslage beim
                          sätzlich erforderliche Material nur zu höheren Preisen
                                                                                                BGB-Bauvertrag angeglichen, bei dem seit der
                          beschaffen kann; sie kann sich auch als vorteilhaft erwei-
                                                                                                Reform des Bauvertragsrechts 2018 die Vergü-
                          sen, wenn dem Auftragnehmer zusätzliche Mengenrabatte
                                                                                                tung für zusätzliche Leistungen ebenfalls an-
                          eingeräumt werden. Bei einem VOB / B-Einheitspreisvertrag
                                                                                                hand der tatsächlich erforderlichen Kosten mit
                          ist dieses Risiko auf eine „Opfergrenze“ in Höhe von 10 %
                                                                                                angemessenen Zuschlägen zu ermitteln ist
                          des Vordersatzes beschränkt (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 VOB / B).
                                                                                                (§ 650 c Abs. 1 BGB). Für Bauprozesse folgt aus
                          Überschreitet die Mengenmehrung die 10 %-Marke, ist
                                                                                                der Entscheidung, dass der Unternehmer seinen
                          ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder
                                                                                                Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 3 Nr. 2
                          Minderkosten zu vereinbaren (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB / B).
                                                                                                VOB / B bereits mit dem Vortrag der ihm tatsäch-
                          Für den Fall, dass eine Einigung über den neuen Einheits-
                                                                                                lich entstandenen Mehrkosten schlüssig darlegt;
                          preis nicht zustande kommt, war bisher nach nahezu ein-
                                                                                                seine Kalkulation braucht er abweichend von
                          helliger Auffassung der neue Preis durch Fortschreibung
                                                                                                der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr vor-
                          der Kostenansätze aus der Kalkulation des Auftragnehmers
                                                                                                zulegen. Offen bleibt, ob der BGH auch die
                          zu ermitteln. Die sog. Methode der vorkalkulatorischen
                                                                                                Bestimmungen in § 2 Abs. 5 und 6 VOB / B, die
                          Preisfortschreibung stellte sicher, dass der auf einem mehr
                                                                                                die Vergütung für zusätzlich erbrachte Leistun-
                          als auskömmlich kalkulierten Vertragspreis beruhende Ge-
                                                                                                gen regeln, entsprechend § 2 Abs. 3 Nr. 2
                          winn ebenso wie der aus einem zu knapp kalkulierten
                                                                                                VOB / B auslegen und auch in dieser Hinsicht
                          Vertragspreis resultierende Verlust dem Auftragnehmer
                                                                                                einen Paradigmenwechsel vollziehen wird. Dafür
                          erhalten bleiben.
                                                                                                spricht, dass sich § 2 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5
                                                                                                VOB / B in ihrem Wortlaut gleichen und der BGH
                          Die Entscheidung
                                                                                                bisher von einer einheitlichen Systematik der
                                                                                                Preisermittlung in § 2 VOB / B ausgegangen ist.
                          Der BGH hat mit Urteil vom 08.08.2019 – VII ZR 34 / 18 –
                          der jahrzehntelang geübten Praxis ein Ende gesetzt. Fortan
                          ist der neue Einheitspreis nicht mehr mittels einer vorkal-
                          kulatorischen Preisfortschreibung, sondern auf der Grund-
                          lage der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich an-
                          gemessener Zuschläge zu ermitteln. Diese Berechnungs-
                          methode entspricht nach der Auffassung des BGH den
                          Interessen der Parteien, denn auf diese Weise erfahre keine
                          von ihnen eine Besser- oder Schlechterstellung: Weder sei
                          der Auftragnehmer gezwungen, nicht vorhergesehene
                          Mengenmehrungen zu einer nicht auskömmlichen Ver-
                                                                                          Peter Oriwol
                          gütung zu erbringen, noch werde der Auftraggeber durch
                                                                                          Rechtsanwalt bei CMS in Leipzig.
                          eine in den Kostenansätzen versteckte Gewinnmarge über­
                                                                                          E peter.oriwol@cms-hs.com
                          mäßig belastet. Die Preisermittlung auf der Grundlage
                          der tatsächlichen Kosten betrifft nur die Mehrmengen
                          ab 110 % des Vordersatzes, während die Vergü­tungs­
                          verein­barung im Übrigen unangetastet bleibt.

                    18 | Update Real Estate & Public
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