BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE - repOS HCU Hamburg
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GRUNDSTÜCKSVERGABE IM ERBBAURECHT POTENZIALE UND HEMMNISSE FÜR GENOSSENSCHAFTEN Verfasserin: Betreuung: Jule Iken Jeske Prof. Dr. Monika Grubbauer 6052227 Joscha Metzger 1
BACHELORTHESIS: zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science im Studiengang Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg BETREUUNG: Prof. Dr. Monika Grubbauer (Erstprüferin) Joscha Metzger (Zweitprüfer) Arbeitsgebiet Geschichte und Theorie VERFASSERIN: Jule Iken Jeske 6052227 jule.jeske@hcu-hamburg.de DANKSAGUNG Ohne die Unterstützung vieler wertvoller Personen wäre mir das Schreiben der Abschlussarbeit in dieser Form nicht möglich gewesen. Dafür möchte ich hier Danke sagen. Mein besonderer Dank gilt meiner Betreuerin Monika und meinem Betreuer Joscha für die Möglichkeit an diesem spannenden Thema arbeiten zu können und ihre Zeit und Mühe, mir zur Seite zu stehen. Ein großes Dankeschön richtet sich außerdem an meine Interviewpartner:innen, die diese Arbeit mit ihrer Expertise und ihren Erfahrungen und Eindrücken maßgeblich beeinflusst haben. Zuletzt möchte ich mich noch ein großes Dank an meine Familie und Freund:innen richten, die mir in dieser besonderen Zeit des Lockdowns nicht nur fachlich, sondern auch persönlich zur Seite gestanden haben. ABGABE: 24. Juni 2021 Herzlichen Dank! 2 BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE 3
GLIEDERUNG 1. 4. EINLEITUNG 7 DIE PERSPEKTIVE(N) DER HAMBURGER GENOSSENSCHAFTEN 33 1.1 Einführung 8 4.1 Untersuchungssystematik 34 1.2 Forschungsinteresse und Zielsetzung 10 4.2 Die Bedeutung von Genossenschaften 35 1.3 Aufbau der Arbeit 11 4.3 Standpunktanalyse 35 1.4 Methodisches Vorgehen 11 4.4 Potenziale und Hemmnisse des Erbbaurechts 45 1.4.1 Vorbereitungsphase 12 4.5 Handlungsansätze 49 1.4.2 Erhebungsphase 12 1.4.3 Analysephase 1.4.4 Konzeptionsphase 13 13 5. ERGEBNISSE 55 2. 5.1 Fazit 5.2 Weiterer Forschungsbedarf 56 57 WOHNUNGS- UND BODENPOLITISCHE AUSGANGSLAGE 15 2.1 Die Ressource Boden auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt 2.2 Bodenpolitik in Hamburg 16 18 6. 2.3 Die Rolle der Kommunen in der Bodenfrage 20 REFLEXION 59 2.4 Liegenschaftspolitische Instrumente 21 6.1 Reflexion der Arbeit 60 6.1.1 Inhaltlich 60 3. 6.1.2 Methodisch 60 ERBBAURECHT 3.1 Das Instrument 23 24 7. 3.1.1 Anwendungsbereiche 25 ANHANG 63 3.1.2 Erbbaurechtsmodelle 25 7.1 Literaturverzeichnis 64 3.2 Historischer Kontext 26 7.2 Abbildungsverzeichnis 70 3.3 Gesetzlicher Rahmen 26 7.3 Glossar 72 3.3.1 Inhalte des Erbbaurechtsvertrages 27 7.4 Eidesstattliche Erklärung 75 3.4 Anwendungspraxis des Erbbaurechts 29 3.5 Aktuelle Auseinandersetzungen um das Erbbaurecht 30 4 BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE 5
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS BauGB Baugesetzbuch BGFG Baugenossenschaft Freier Gewerkschafter 1. BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat EINLEITUNG BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 1.1 Einführung BSW Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 1.2 Forschungsinteresse und Zielsetzung BVerfG Bundesverfassungsgericht 1.3 Methodisches Vorgehen DV Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. 1.4 Aufbau der Arbeit Difu Deutsches Institut für Urbanistik ErbbauRG Erbbaurechtsgesetz FHH Freie und Hansestadt Hamburg f&w F&W Fördern und Wohnen AöR (f&w) GG Grundgesetz Hamburgische Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Bürgerschaft LIG Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen VNW Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen 6 BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE 7
Einführung Einführung 1.1 EINFÜHRUNG maßgebliche Engpass für bezahlbaren Wohnungs- Bundesamt 2020). bau bezahlbares Bauland ist (DV 2019b, S. 7) und die Diese Entwicklungen legen nahe, dass auch in der Seit Beginn des 21. Jahrhunderts führen Entwicklungen im sozialen W ohnungsbau bzw. im Schaffung von preiswertem Wohnraum folglich Hamburgischen Bürgerschaft dem Thema Wohnen voranschreitende U rbanisierungsprozesse in niedrigen und mittleren Wohnungspreissegment eine Auseinandersetzung mit der Bodenfrage hohe Priorität beigemessen wird. Mit dem Deutschland zu expandierenden Mieten und ab. Derzeit wird in Deutschland nur ein Drittel von erfordert. Diese besondere Bedeutung von Grund Haushaltsbeschluss 2019/2020 und dem Rot- explodierenden Grundstückspreisen. Besonders dem tatsächlichen Bedarf an sozialem Wohnraum und Boden ist in Deutschland nicht neu. Schon Grünen Koalitionsvertrag 2020 wurden neue Ziele Metropolregionen und Universitätsstädte sind gebaut (Rink und Egner 2020, S. 16), sodass die 1967 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für mehr Wohnungen im Sinne einer sozial aufgrund ihres ökonomischen, politischen und Frage nach ausreichend preiswertem und bezahl- festgestellt: verantwortlichen Stadtentwicklungspolitik gesetzt sozialen Bedeutungszuwachses von zunehmen- barem Wohnraum vor allem für untere und mittlere (Hamburgische Bürgerschaft 2019; SPD und dem Wachstumsdruck auf die Wohnungsmärkte Einkommensbezieher:innen eine große Herausfor- „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unver- Bündnis 90/Die Grünen 2020). Sowohl die betroffen. Die Zahlen zum Wohnraumbedarf zeigen derung darstellt. mehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, „Verfügbarkeit von Bauland als auch die Möglich- sehr d eutlich, dass das Angebot an städtischem seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der keit der Kommunen, Einfluss zu nehmen, sind Wohnraum der Nachfrage nicht mehr gerecht Es wird schnell deutlich, dass es bei der Wohnungs- freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen dabei wesentliche Stellschrauben“ (Hamburgische werden kann. Insgesamt fehlen in Deutschland frage in Deutschland dringenden Handlungsbedarf vollständig zu überlassen.“ (BVerfG 1967) Bürgerschaft 2019, 1 f.). Neben der konsequenteren derzeit eine Million Wohnungen (Prognos 2017). gibt. Die Gründung neuer mietenpolitischer Ausübung des Vorkaufsrechtes, mehr Konzept- Aus der Gegenüberstellung der Entwicklung der Initiativen, das Netzwerk „Recht auf Stadt“ sowie Besonders ab 1990 jedoch war Wohnen kein Thema ausschreibungen, der vermehrten Durchführung Nachfrage nach und dem Angebot von Wohnraum andere urbane Bewegungen haben wesentlich von besonderer politischer Bedeutung und viele von Sanierungsverfahren (§136 BauGB) und städte- ergibt das nur für den Zeitraum von 2011 bis 2015 dazu beigetragen, dass die Wohnungsfrage in den große Städte nutzten den Verkauf kommunaler baulicher Entwicklungsmaßnahmen (§165 BauGB) eine Wohnungsbaulücke von 540.000 Wohnungen letzten Jahren wieder eine zentrale Rolle in der Grundstücke zur Aufbesserung ihrer Finanzlage. soll die verstärkte Anwendung des Erbbaurechts (Koch et al. 2017, S. 8). Mit rund 200.000 fehlenden bundes- und landespolitischen Agenda spielt. Erst seit den 2010er Jahren führten die sich durch ein Instrument sein, um städtische Grundstücke im Wohnungen entfallen 38 % der Wohnungsbau- Zunehmende Öffentlichkeit und mediale Bericht- den Mieten- und Immobilienboom zuspitzenden Sinne des Allgemeinwohls zu nutzen und Boden- lücke allein auf die Top-7 Städte Berlin, Düsseldorf, erstattung treiben eine Intensivierung der Debatte Versorgungsprobleme mit Wohnraum und neu spekulationen zu vermeiden. Bereits 2019 beschloss Frankfurt am Main, Köln, München und Hamburg voran. So sieht Horst Seehofer die Wohnungsfrage entstandene Protestbewegungen dazu, dass die die Hamburgische Bürgerschaft „durch die (ebd., 13 f.). Steigende Mieten und erschwerte „als die soziale Frage unserer Zeit“ (BMI 2018), die Privatisierung von öffentlichem Grund vermehrt in vermehrte Bestellung von Erbbaurechten den Wohnungssuche sind nur zwei der Folgen dieser damalige Justiz- und Verbraucherschutzministerin die Kritik geriet und so die Frage in den Vorder- langfristigen Einfluss auf das nicht vermehrbare Entwicklungen und zeigen, dass das eigentliche Katarina Barley nennt die Frage nach bezahlbarem grund rückte, welche Rolle die öffentliche Hand in Gut Boden sowie eine Steuerungsmöglichkeit für Grundrecht Wohnen in Großstädten zunehmend Wohnen „die soziale Frage des 21. Jahrhunderts“ der Debatte um bezahlbares Bauland einnehmen nachfolgende Generationen in sozialer und städte- ein Luxusgut wird (Löhr 2020, S. 2). (2018) und Peter Altmaier bezeichnet sie als sollte. baulicher Hinsicht“ zu sichern (Hamburgische „soziale[n] Sprengstoff“ (zitiert nach Rink und Egner Bürgerschaft 2019, S. 14). Dieser Beschluss findet Die Ursachen dieser Entwicklungen und der daraus 2020, S. 9). Auch in der Bevölkerung ist dieses Als eine der Top-7 Städte ist auch für Hamburg die sich auch in dem Koalitionsvertrag wieder: resultierende Druck auf die Immobilienmärkte Thema fundamental. Einer Caritas Studie zufolge Wohnungsfrage das relevante Thema der lokalen haben vielfältige Gründe. Dirk Löhr, Wirtschafts- sehen drei Viertel der befragten Bürger:innen Politik. Ein durchgehend positiver Wanderungs- „Die Vergabe von Grundstücken soll künftig wissenschaftler und Professor für Steuerlehre und „bezahlbares Wohnen“ auf Platz 4 der dringlichsten saldo hatte allein in Hamburg in den Jahren 2000 wesentlich stärker als bisher im Erbbaurecht ökologische Ökonomie mit Schwerpunkt Boden- sozialpolitischen Themen unserer Zeit (Caritas bis 2019 einen Anstieg der Wohnbevölkerung um erfolgen. Die Erbbaurechtsverträge werden zu politik, sieht diese als Folge zweierlei grundlegender 2018). Über die Frage nach einem Mietpreisdeckel, 131.861 Menschen zur Folge (Statista 2019). Die fairen Konditionen und mit Laufzeiten von bis zu Veränderungen der letzten Jahrzehnte (ebd.). Zum ausgelöst durch die Berliner Baudezernentin, Anzahl der Haushalte hat sich von 2009 bis 2019 von 100 Jahren abgeschlossen. Zukünftig ist in einen der Wandel von der Industrie- zur Dienst- erfuhr die Debatte eine verschärfte Polarisierung. 952.205 auf 1.041.984 erhöht (Statistikamt jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Grundstück im leistungsgesellschaft, der den städtischen Bedeu- Nord 2020). Im gleichen Zeitraum sind die Ange- Wege einer Erbbaurechtsbestellung vergeben tungszuwachs vorangetrieben hat. Prognosen Neben den voranschreitenden Urbanisierungs- botsmieten in Hamburg von durchschnittlich oder ob es verkauft werden soll.“ (SPD und zufolge entstehen bis 2030 70 % der neuen Arbeits- prozessen, der dadurch steigenden Nachfrage 8,33 Euro/m² (2009) auf 10,58 Euro/m² (2019) und bis Bündnis 90/Die Grünen 2020, S. 23) plätze in Städten. Dieser globale Urbanisierungs- nach Wohnraum und dem niedrigen Zinsniveau ist 2020 weiter auf 11,46 Euro/m² gestiegen (Statista prozess hat einen erheblichen Einfluss auf die vor allem die begrenzte Verfügbarkeit der Boden- 2021). Für ihre Nettokaltmiete zahlen Hambur- Als Teil einer aktiven gemeinwohlorientierten Nachfrage städtischer Immobilien. Zum anderen ressource eine wesentliche Ursache für die ger:innen im Durschnitt 30 % ihres Bodenpolitik dient das Erbbaurecht dem Ziel, mehr ist das Kapitalangebot seit der Finanzkrise sprung- Entwicklung der Wohnungsmärkte. Bundesweit Haushaltseinkommens (Statistisches Bundesamt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ebenfalls haft gestiegen und folglich auch die Nachfrage sind die Bodenpreise seit 1964 um das 18-fache 2020). Auch diese Mietpreisentwicklung ist zurück- sieht der Koalitionsvertrag für die kommenden nach Investitionsobjekten (ebd., S. 5). Im Zuge gestiegen (Lay 2019), in München seit den 1950er zuführen auf einen immensen Anstieg der Jahre die Wohnungsgenossenschaften als eine der dieser Entwicklungen haben sich die Boden- und Jahren sogar um das 340-fache und in Berlin allein Baulandpreise. Der Quadratmeter Bauland kostet relevanten Akteur:innen, um bezahlbares, preisge- Immobilienpreise vielerorts von der realwirtschaft- in den letzten zehn Jahren um das zehnfache. in Hamburg 1.157,91 Euro und bildet damit mit Berlin dämpftes Wohnen voranzutreiben (ebd., S. 24). Die lichen Entwicklung, dem Bruttoinlandsprodukt Dabei sind 80 % des Anstieges der Immobilien- deutschlandweit die höchsten Kaufwerte für Hamburger Genossenschaften decken mit 132.000 und dem Einkommenswachstum abgekoppelt preise auf Bodenpreissteigerungen zurückzuführen baureifes Land; im Vergleich: der bundesweite Wohnungen bereits heute einen erheblichen Anteil (ebd., 6). Besonders stark bilden sich diese (ebd.). Es wird also schnell ersichtlich, dass der Schnitt liegt bei 189,78 Euro/m² (Statistisches von ca. 14 % des Mietwohnungsmarktes ab 8 EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG 9
Forschungsinteresse und Zielsetzung Aufbau der Arbeit (Hamburgische Bürgerschaft 2019, S. 4). Sie lagen in schaften steht dem Instrument Erbbaurecht Die übergeordnete Fragestellung wird unter • Gibt es unterschiedliche Standpunkte seitens den vergangenen fünf Jahren mit ihren Mieten äußerst ablehnend gegenüber. Die Wohnungsbau- Berücksichtigung des eingegrenzten Anwen- großer/alter, bestandshaltender und junger/ durchschnittlich 20 % unter dem Hamburger genossenschaften Hamburg e.V., ein Verband aus dungsbereiches entlang folgender Fragen kleiner Genossenschaften? Mietenspiegel und leisten folglich einen Beitrag zur 30 Mitgliedsgenossenschaften in der Hansestadt, erarbeitet und untersucht: • Welche Mehrwerte bietet das Erbbaurecht in Dämpfung dieses Wertes (ebd.). geht noch weiter und sagen, die Vergabe im seiner aktuellen Ausgestaltung und welche Erbbaurecht schließe die Hamburger Wohnungs- Hemmnisse verhindern die Akzeptanz des Inst- • Welche Standpunkte werden in der aktuellen Die Förderung der Genossenschaften und die baugenossenschaften von der Vergabe städtischer Auseinandersetzung gegenüber dem Erbbau- ruments seitens vieler Genossenschaften? Ausweitung des Instruments Erbbaurecht bilden Grundstücke aus (Böhm und Chrobok 2019). Zu den recht eingenommen und welchen Akteur:innen • Welche Möglichkeiten gibt es bei der Ausge- damit zwei der zentralen Eckpfeiler der Rot-Grünen aktuellen Bedingungen sei es den Genossenschaf- lassen sich diese zuordnen? staltung des Instruments, diese Grenzen zu Wohnungspolitik. Aber gerade in dieser Kombina- ten nicht möglich, ohne eine drastische Änderung lösen und die aufgezeigten Potenziale weiter • Welche Argumente liegen der ablehnenden tion verbirgt sich ein bedeutender Konfliktpunkt in ihrer Mietenpolitik weiterhin auf städtischen Grund- auszuschöpfen? Haltung der Wohnungsgenossenschaften der aktuellen politischen Auseinandersetzung. Eine stücken zu bauen. Sie lehnen daher die neue gegenüber dem Erbbaurecht zugrunde? Vielzahl der Hamburger Wohnungsbaugenossen- Bodenpolitik des Senats ab (ebd.). 1.2 FORSCHUNGSINTERESSE UND ZIELSETZUNG 1.3 AUFBAU DER ARBEIT Die Diskrepanz zwischen der ablehnenden Haltung Die übergeordnete Fragestellung dieser Arbeit Zur Beantwortung der Forschungsfrage sowie des praxis sowie die Standpunkte zentraler der Genossenschaften als dem Koalitionsvertrag lautet: ergänzenden Fragensets ergibt sich folgender wohnungspolitischer Akteur:innen in dieser zufolge eine der zentralen Gruppen von Akteur:in- Aufbau der Arbeit: Nach der beschreibenden Debatte. Kapitel 4 ist der genossenschaftlichen nen auf dem Hamburger Bodenmarkt und dem Darstellung des methodischen Vorgehens im nach- Perspektive auf das Erbbaurecht gewidmet. Erbbaurecht als die erfolgversprechenste Möglich- Welche Potenziale und Hemmnisse birgt das folgenden Abschnitt, widmet sich das zweite Kapitel Ausgangspunkt ist eine umfassende Analyse der keit der FHH, kommunale Einflussnahme auf die Erbbaurecht in seiner aktuellen der wohnungs- und bodenpolitischen Ausgangs- Standpunkte der Hamburger Genossenschaften als Bodenpreisentwicklung zu sichern, begründet das Anwendungspraxis für Hamburger lage in Hamburg. Die Abschnitte 2.1.-2.4. dienen der potenzielle Erbbaurechtsnehmerinnen sowie die Forschungsinteresse dieser Arbeit. Um den Genossenschaften und wie lässt sich das Einordnung der Fragestellung in den theoretischen der FHH als Grundstückseigentümerin. Im Mittel- wachsenden Herausforderungen an den Woh- Instrument zugunsten seiner Potenziale für den Rahmen der Bodenpolitik und ihrer Bedeutung für punkt steht dabei die Erarbeitung von Potenzialen nungsmarkt und der stetig steigenden Nachfrage Wohnungsmarkt ausgestalten? den Hamburger Wohnungsmarkt. Kapitel 3 und Hemmnissen der aktuellen Anwendungs- an Wohnraum gerecht zu werden, liegt es nahe umfasst im ersten Teil eine Begriffsdefinition des praxis, die als Grundlage für abschließende Hand- anzunehmen, dass es alle relevanten, städtebauli- Erbbaurechts und stellt im Anschluss die lungsansätze dient. Der Fokus des 5. Kapitels liegt chen Instrumente und ein Zusammenarbeiten aller historische Entwicklung, die gesetzlichen auf einem abschließenden Fazit über die in Bezug Akteur:innen auf dem Boden- und Mietenmarkt Auf dieser Grundlage sollen mögliche Handlungs- Rahmenbedingungen sowie die aktuelle Anwen- auf die Forschungsfrage generierten Ergebnisse bedarf, um eine Lösung auf die Boden- und Mieten- ansätze aufgezeigt werden, die das wohnungs- dungspraxis des Instruments dar. Der letzte der Untersuchung und gibt einen Ausblick über frage zu finden. Wie also wirkt sich eine solche politische Potenzial des Erbbaurechts weiter Abschnitt des dritten Kapitels erläutert die aktuel- weitere Forschungsbedarfe. Das letzte Kapitel Diskrepanz zwischen zwei der zentralen wohnungs- ausschöpfen und die genossenschaftliche Per- len politischen Auseinandersetzungen in Hamburg beinhaltet eine methodische und inhaltliche politischen Grundsäulen der Hamburger Politik auf spektive in der Anwendungspraxis stärker berück- um die geplante Intensivierung der Erbbaurechts- Reflexion der Arbeit. den Bodenmarkt aus? sichtigen. 1.4 METHODISCHES VORGEHEN Das Ziel dieser Arbeit ist es, eingebettet in die Die Arbeit soll damit anknüpfen an aktuelle Diskus- aktuellen wohnungspolitischen Auseinanderset- sionen zur bodenpolitischen Agenda in Hamburg Im folgenden Kapitel wird die der Arbeit zugrunde- qualitativer Forschungsansatz zugrunde gelegt, zungen, das Potenzial des Erbbaurechts den zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg liegende Methodik dargelegt. Dies dient dazu, das welcher sich im Wesentlichen in vier Phasen unter- aktuellen Hemmnissen der Anwendungspraxis (FHH) als Erbbaurechtsgeberin und den Genossen- Vorgehen sowie die generierten Erkenntnisse und teilt: Die Vorbereitung, die Erhebung, die Analyse gegenüberzustellen. Im Vordergrund steht dabei schaften als potenzielle Erbbaurechtsnehmerinnen. Ergebnisse dieser Arbeit besser nachvollziehen zu und das Konzept. die Aufarbeitung der mehrheitlich ablehnenden Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Anwendungs- können. Für den Erkenntnisgewinn wurde ein Haltung der Hamburger Genossenschaften gegen- bereich des Erbbaurechts im Mietwohnungsbau. über der vom Senat angestrebten Intensivierung Zwar spielen bislang Erbbaurechte im Mietwoh- der Grundstücksvergabe im Erbbaurecht. nungsbau eine untergeordnete Rolle, die vermehrte Anwendung wird aber bereits aus diversen städte- Vorbereitung Erhebung Analyse Konzept baulichen Gründen in mehreren Städten intensiv diskutiert (DV 2019a, S. 15). Abb. 1: Ablauf der Forschungsarbeit 10 EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG 11
Methodisches Vorgehen Methodisches Vorgehen 1.4 .1 VORBEREITUNGSPHASE Für die Expert:innengespräche wurden vorab semi- „Grundsatz […] der Offenheit“, wonach eine strukturierte Interview-Leitfäden erstellt und Abweichung vom Leitfaden in der Gesprächssitua- Die Vorbereitungsphase diente dem Zweck, das politische Instrumente konnten im Zuge einer individuell auf die Gesprächspartner:innen tion „ausdrücklich möglich sein muss“ (ebd.). Nicht thematische Forschungsinteresse einzugrenzen intensiven thematischen Literaturrecherche gene- abgestimmt. Diese erfüllten die Funktion, die nur, um eventuelle Nach- und Zwischenfragen zu und die Zielsetzung der Arbeit festzulegen. Der riert werden. Während die ersten Informationen Gesprächssituation zu strukturieren, indem die ermöglichen, sondern auch, um Raum zu geben, Ursprung des Forschungsinteresses bildete sich vordergründig auf Pressemeldungen und Medien- Anzahl und Reihenfolge der Fragen grob definiert subjektive Deutungen bis Relevanzen zum durch die mediale Präsenz der politischen quellen basierten, dienten der Aneignung der wurden (Kaiser 2014, S. 53). Um den Expert:innen Ausdruck zu bringen (Kaiser 2014, 53 f.). Auf Grund Auseinandersetzung um das Erbbaurecht zwischen wissenschaftlich-theoretischen Ausgangslage die Möglichkeit zu geben, sich in das Gespräch der aktuellen Pandemieumstände fanden alle der FHH und den Hamburger Genossenschaften. unterschiedlichste Wissensquellen. Einen zentralen einzufinden, wurden zu Beginn allgemeine Fragen Interviews online in einem Rahmen von 30 und 60 Schwerpunkt während des gesamten Projektes zur Erbbaurechtspraxis gestellt und im Verlauf auf Minuten statt. Die Dokumentation erfolgte per Dementsprechend galt es zu Beginn der Arbeit, bildeten Drucksachen der Hamburgischen Bürger- konkretere und detaillierte Aspekte des Konfliktes Audiomitschnitt und anschließender Transkription einen Überblick über das Instrument Erbbaurecht schaft. Hervorzuheben an dieser Stelle ist eingegangen (ebd.). Als besonders zentral galt der (siehe Anhang Abschnitt 7.6) zu gewinnen und erste Probleme des politischen insbesondere der Haushaltsbeschluss 2019/2020 Konfliktes zu identifizieren. Grundlage hierfür (Drs. 21/18514), der die wesentlichen Zielsetzungen 1 . 4 . 3 A N A LY S E P H A S E bildeten zunächst Internetrecherchen sowie auf des Senates für die zukünftig angestrebte Vergabe- Vorkenntnissen beruhende Gespräche im studenti- praxis beschließt. Aufbauend auf diesen Die Analyse umfasst den wesentlichen Bestandteil Zuge der Erhebungsphase bereits vorbereitend schen und beruflichen Kontext. Hieraus ergab sich theoretischen Grundlageninformationen und der der Arbeit und trug maßgeblich zur Beantwortung geordnet und um die Interviewtranskriptionen schnell das Erfordernis einer ausführlichen Betrach- sich abzeichnenden Problematik zwischen der FHH der Leitfrage bei. Ziel der Analyse war es, die ergänzt. Im zweiten Schritt sollten die gesammelten tung der bodenpolitischen Bedeutung des und den Hamburger Genossenschaften konnte genossenschaftliche Perspektive auf das Erbbau- Materialen auf die Inhalte, aber auch ihre Text- Erbbaurechts. Basisinformationen über die eine weitere Zielkonkretisierung durchgeführt recht genauer zu untersuchen. Hierfür wurden verfasser:innen und Zielgruppen untersucht Funktion des Bodens in der Wohnungsfrage, die werden, aus der sich die (vorläufige) Fragestellung entlang von Sub-Fragestellungen die Sichtweisen werden. Hierfür wurde im dritten Schritt eine struk- Rolle der Kommune und zentrale liegenschafts- der Arbeit definieren ließ. und Argumentationslinien genauer untersucht. turierte Inhaltsanalyse auf Grundlage eines zuvor Ihre Grundlage bildeten die Ergebnisse aus den erstellten Kodierleitfadens durchgeführt. Wichtige 1.4.2 ERHEBUNGSPHASE Sekundärdatensätzen zuvor durchgeführter Litera- Textbestandteile und Aussagen wurden turrecherchen sowie den Primärdaten aus den bestimmten Codes zugeordnet, welche wiederum Das weitere Ziel war die Planung und Durchfüh- Interview geführt werden. Schlussendlich konnten generierten Expert:inneninterviews. nach thematischen Schwerpunkten sortiert rung einer systematischen Datenerhebung unter im Rahmen dieser Arbeit insgesamt sieben Inter- wurden. Im Rahmen dieser Arbeit konnten mithilfe besonderer Berücksichtigung der zuvor konkreti- views mit den folgenden Expert:innen erhoben Zur Auswertung beider Datensätze wurde eine der Kodierung die wichtigsten Standpunkte und sierten Forschungsfrage. Um einen besseren werden: qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring in fünf Argumente gegenüber der aktuellen Erbbau- Überblick über die vorhandene Literatur zu e rhalten, Schritten durchgeführt. Diese Methode ermöglicht rechtspraxis kategorisiert und strukturiert werden. • Vertreterin des Verbandes Norddeutscher wurden zu Beginn der systematischen Online- Wohnungsunternehmen (VNW) eine induktive Auswertung der großen Daten- Die Kodierung wurde mithilfe von MAXQDA durch- Recherche zentrale Schlüsselbegriffe bestimmt. mengen, die in der vorherigen Phase erhoben geführt, einer Software zur qualitativen Daten- und • Vertreter der Baugenossenschaft Freier Zur Vorbereitung einer umfassenden Literaturana- wurden. Schritt eins, die Materialauswahl, wurde im Textanalyse. Gewerkschafter (BGFG) lyse wurden die recherchierten Wissenselemente in drei Kategorien geordnet: offizielle Dokumente • Vertreter der Drachenbau St. Georg 1.4 .4 KONZEPTIONSPHASE (Drucksachen, Fachberichte der Ministerien, Geset- Wohngenossenschaft eG zestexte), Medienberichte (Fernsehbeiträge, • Vertreter des Landesbetrieb Immobilien- Die letzte methodische Phase bildet das Konzept. Mithilfe eigens identifizierter und entwickelter Zeitungsartikel) und wissenschaftliche Arbeiten management und Grundvermögen (LIG) Dieses verfolgt das Ziel, die Erkenntnisgewinne der Clusterung der Mehrwerte und Hemmnisse der (Journals, Fachzeitschriften). Analyse in den Kontext der Fragestellung einzu- Erbbaurechtspraxis konnten Spannungsfelder • Vertreterin des Immobilienservice, betten und auszuwerten. Anders als die Phasen zwischen den Genossenschaften und der FHH Stadt München Auf Grundlage der erhobenen Daten konnten zuvor basiert das Konzept nicht ausschließlich auf dargestellt und alternative Handlungsansätze bereits erste Aussagen darüber getroffen werden, • Vertreter des Deutschen einer quellenbasierten Aufarbeitung, sondern erarbeitet werden. welche unterschiedlichen Standpunkte in der aktu- Erbbaurechtsverbandes erlaubt aus den vorherigen Darstellungen eine ellen Debatte gegenüber dem Erbbaurecht • Abgeordnete der Hamburgischen praxisbezogene Herleitung von Problemstellungen eingenommen werden und welchen wohnungs- Bürgerschaft und Potenzialen. Die aus der Kodierung generierten politischen Akteur:innen sich diese zuordnen Erkenntnisse über die Sichtweisen und Stand- lassen. Ergänzend zu diesen Erhebungen aus Ziel der Gespräche war es, qualitative Daten zu punkte der beteiligten Akteur:innen gegenüber Sekundärdatensätzen galt es, diese Akteur:innen generieren und einen Einblick in die unterschiedli- dem Instrument Erbbaurecht ermöglichen in der für Expert:innengespräche zu gewinnen. Pro vorab chen Sichtweisen und Argumentationslinien der Konzeptionsphase eine Herausstellung der Poten- definiertem Standpunkt sollte mindestens ein Akteur:innen zu gewinnen. ziale und Hemmnisse der Vergabepraxis. 12 EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG 13
Methodisches Vorgehen 2. WOHNUNGS- UND BODENPOLITISCHE AUSGANGSLAGE 2.1 Die Ressource Boden auf dem Wohnungsmarkt 2.2 Bodenpolitik in Hamburg 2.3 Die Rolle der Kommunen in der Bodenf rage 2.4 Liegenschaftsinstrumente 14 15
Die Ressource Boden auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt Die Ressource Boden auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt Das folgende Kapitel widmet sich der boden- Bodenpolitik beschreibt also einen zukunfts- Kostensteigerung auf der Ebene der verschiedenen Hans-Jochen Vogel, ehemaliger Oberbürgermeis- politischen Ausgangslage des Hamburger bewussten, gerechten Umgang mit Grund und Kostengruppen darstellt, aus denen sich die Geste- ter von München und Minister für Raumordnung, Wohnungsmarktes. Um sich der Komplexität der Boden. Zur Einordnung der Bodenpolitik in hungskosten einer Wohnung zusammensetzten Bauwesen und Städtebau, bemüht sich seit Jahr- Bodenpolitik anzunehmen, bedarf es vorab einer Hamburg wird vorab auf die Eigenart der Ressource (BSW 2021). Die Gestehungskosten von Wohnraum zehnten um eine neue Bodenordnung und stellte Definition der Begrifflichkeit Bodenpolitik. Hierfür Boden genauer eingegangen und ihre Bedeutung wiederum spiegeln sich in dem frei finanzierten in seinem Buch Mehr Gerechtigkeit! die Frage nach gilt in Deutschland in der Regel noch immer die für den Wohnungs- und Mietenmarkt erläutert. Auf Wohnungsmarkt in den Mieten wider. bezahlbarem Wohnraum erneut in den Fokus, mit Aussage vom Bundesverfassungsgericht aus dem Grundlage aktueller boden- und wohnungspoliti- folgender Grundeinsicht: Jahr 1954: scher Entwicklungen in Hamburg werden Da die Gestehungskosten maßgeblich von den anschließend die Funktion der Kommune in der Preissteigerungen der Bodenpreise abhängen, „Grund und Boden ist keine beliebige Ware, „Bodenpolitik wird verstanden als zielbewusstes Bodenfrage herausgearbeitet und wichtige liegen- wirken sich diese zwangsläufig auf die Mietpreis- sondern eine Grundvoraussetzung menschli- Handeln zur Herbeiführung oder Bewahrung schaftspolitische Instrumente vorgestellt. entwicklung von Wohnraum aus. Dies hat zur Folge, cher Existenz. Boden ist unvermehrbar und einer optimalen Verwendung des Bodens sowie dass vor allem Nutzungen wie der soziale unverzichtbar. Er darf daher nicht dem unüber- einer sozialgerechten Verteilung des Wohnungsbau, genossenschaftliches Wohnen sehbaren Spiel der Marktkräfte und dem Bodeneigentums und des Boden-einkommens“ oder sonstige soziale Institutionen, deren Kern die Belieben des Einzelnen überlassen werden, (BVerfG 1954). Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ist, sondern muss noch mehr als alle anderen kaum noch Zugang zu bezahlbaren Grundstücken Vermögensgüter in den Dienst der Interessen 2 .1 D I E R E S S O U R C E B O D E N AU F D E M WO H N U N G S - U N D B O D E N M A R KT bekommen, weil sie die geforderten Preise ohne der Allgemeinheit gestellt werden.“ (Vogel 2019, eine Änderung ihrer Mietenpolitik nicht zahlen S. 48) Die problematische Situation auf den insbesondere deutlich zu spüren. Besonders die seit der Welt- können und damit gegen profitorientierte Inves- städtischen Wohnungsmärkten in Deutschland finanzkrise „exorbitant gestiegenen Baulandpreise“ tor:innen aus dem Wettbewerb ausscheiden (Difu wurde eingangs bereits erläutert und mit sind ursächlich für die zuletzt stark gestiegenen 2017, S. 9). Das kapitalistische Privateigentum an erklärendem Zahlenmaterial belegt. Im Mittelpunkt Mieten- und Immobilienpreise (Difu 2017, S. 1). Wie Grund und Boden und dessen profitorientierte der medialen Berichterstattung der letzten Jahre schon erwähnt, erreichten die Baulandpreise im Verwertung bilden die Grundlage der Wohnungs- stehen zumeist die enormen Anstiege der Mieten Jahr 2019 bundesweit mit 189,51 Euro/m² ein neues frage (Heinz und Belina 2019, S. 9). Der spekulative und der zunehmende Mangel an bezahlbarem Rekordniveau (Statistisches Bundesamt 2020). Umgang mit dem Grundrecht Wohnen verhindert Wohnraum, weniger brisant diskutiert wird hinge- Diese exponentielle Steigerung der Bodenpreise ist eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik (ebd.). gen die wesentliche Ursache dieser Entwicklungen, neben der wachsenden Nachfrage durch den nämlich der immense Anstieg der Baulandpreise Bevölkerungszuzug auch auf die veränderte (Vogel 2019, S. 10). Im Folgenden wird sich daher der ökonomische Bedeutung des Bodens zurückzu- Frage gewidmet, welche Rolle Grund und Boden führen. Durch die Notwendigkeit, Boden intensiver für die Stadtplanung und den Wohnungsbau spielt zu bebauen und für die Bevölkerung nutzbar zu 35 und wieso eine flächendeckende Versorgung mit machen, wurde der Boden immer mehr zum 28,6 30 bezahlbarem Wohnraum hauptsächlich an der Objekt der Spekulation (Heinz und Belina 2019). Da Bodenfrage scheitert. die Verfügbarkeit an Bauland der maßgebliche 25 Kostenfaktor ist, liegt es nahe, dass urbane Gebiete Kostensteigerung [%] Egbert Dransfeld vom Institut für Bodenmanage- mit hohem Flächendruck besonders stark von 20 17,7 18,1 ment zufolge ist der „Bodenmarkt […] ein dem Baulandpreissteigerungen betroffen sind. 15 Wohnungsmarkt vorgelagerter Markt – Boden- Hamburg verzeichnet seit 2005 einen durchschnitt- 15 12,9 11,7 marktprobleme haben damit immer unmittelbare lichen Anstieg der Preise für baureifes Land von 10 Auswirkungen auf das Wohnen“ (Dransfeld 2018, S. 200% (Statista 2021b) und damit mit Berlin die 136). Dieser limitierende Faktor ist auf die Eigenart bundesweit höchsten Preise für den Quadratmeter 5 der Bodenressource zurückzuführen, da der Boden Bauland. Bereits 2017 überschritt im Zuge der ein endliches Gut ist und damit anders als andere Baulandpreissteigerungen der „Anteil der Grund- 0 Güter nicht reproduzierbar (Dieterich 2005, S. 376). stückskosten an den Gestehungskosten einer Grundstück Vorbereitende Bauwerk Außenanlagen Ausstattung Baunebenkosten Maßnahmen und Freiflächen Diese „prinzipielle Unvermehrbarkeit des Bodens“ Wohnung […] in attraktiven Lagen bereits die (ebd.) hat für den Markt zur Folge, dass eine erhöhte 50 %-Grenze“ (Difu 2017). Zwischen 2016 und dem Kostengruppen Nachfrage nach Bauland immer auch einen dritten Quartal im Jahr 2020 ist für die Stadt Anstieg der Angebotspreise bedeutet. Eben dieser Hamburg bei den Grundstückskosten ein anteiliger Marktmechanismus von nachfrage- und angebots- Anstieg von 28,6 % festgestellt worden (siehe Abbil- Abb. 2: Darstellung der prozentualen Kostensteigerung in den hamburgischen Herstellungs- und Grundstückskosten von bedingten Preissteigerungen des Baulandes ist auf dung 2), der Prognosen zufolge bis 2021 erneut um 2016 bis 2020 (Bezugnahme auf Bruttokosten) den deutschen Wohnungsmärkten seit Jahren 8,1 % steigen wird und damit die prozentual höchste 16 EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG 17
Bodenpolitik in Hamburg Bodenpolitik in Hamburg Aus diesen Erläuterungen lassen sich wichtige Jahrzehnten vor und gewinnt zunehmend an Jahrzehnte der Wohnungs- und Bodenpolitik in Erkenntnisse über die Eigenart des Bodens und Relevanz, denn: Hamburg. seine Schlüsselfunktion auf dem Wohnungsmarkt gewinnen, die jedoch nicht neu sind. Bereits 1959 Boden ist der Schlüssel zu einer gemeinwohlsi- Historischer Exkurs wurde im Godesberger Programm die Forderung chernden Zukunftsgestaltung und eine gut an die Bau- und Bodenpolitik formuliert, den aufgestellte Bodenpolitik schlussfolgernd der Wie in der Einleitung bereits erläutert, hat das nicht gedeckt werden. Einer Prognos-Studie damaligen Mangel an Wohnraum zu beheben und „strukturelle, gesellschaftspolitische Dreh und Thema Wohnen seit 1990 in der bundesweiten zufolge werde „nicht nur zu wenig gebaut, sondern Bodenspekulationen zu unterbinden (ebd., S. 27). Angelpunkt einer sozial gerechten und nach- Politik kaum mehr eine Rolle gespielt. In Hamburg auch zu teuer“ (Koch et al. 2017, S. 1). Neubau von Für die eingangs aufgestellte Frage nach der Rolle haltigen Stadtentwicklungspolitik“ (Difu 2017, S. kam es zwischen 2001 und 2011 unter der Regierung Wohnraum findet vor allem im hochpreisigen von Grund und Boden in der Stadtplanung und im 6 f.). der CDU zu einer Deregulierung und Liberalisie- Segment statt und verschärft so die soziale Wohnungsbau liegt die Antwort also bereits seit rung der Hamburger Wohnungspolitik und Ungleichheit. Anders als nach dem zweiten Welt- städtische Grundstücke wurden zu Höchstpreisen krieg ist also nicht von einer Wohnungsnot die veräußert (Metzger 2020, S. 66). Erst 2009 haben Rede, sondern von einem sozial und räumlich pola- 2.2 BODENPOLITIK IN HAMBURG steigende Mieten und voranschreitende Gentrifi- risierten Wohnraummangel (Schönig 2017, S. 12). zierungsprozesse stadtpolitische Initiativen zu Wie die Baulandpreisentwicklungen der letzten ten zusätzlichen Flächen zu gewährleisten“ (ebd.). Protesten motiviert und als Reaktion auf Um die vielfältigen Probleme zu lösen, hat das Jahre gezeigt haben, stehen vor allem Metropolen Das Aufgabenportfolio umfasst dabei nicht nur die Demonstrationen, Kampagnen und Hausbesetz- Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wie Hamburg vor der Herausforderung, der Speku- Steuerung des städtischen Immobilienvermögens, ungen wurde eine Rückkehr der Wohnungsfrage (BMI) 2018 die Expertenkommission „Nachhaltige lation mit Grund und Boden und ihren sondern auch den strategischen Ankauf von Grund- in die Hamburgische Bürgerschaft erreicht (ebd.). Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ (Bauland- Auswirkungen auf die Wohnungsmärkte zu begeg- stücken und Immobilien zur Sicherung langfristiger kommission) eingerichtet, deren Aufgabenfeld nen. „Die natürliche flächenmäßige Beschränkung Entwicklungsperspektiven. Das angestrebte Ziel ist Um sich den Herausforderungen des sich unter anderem den Themenkomplex Aktive Boden- eines Stadtstaates macht es notwendig, mit der dabei vor allem eine langfristige Bodenbevorratung zuspitzenden Wohnungsmarktes zu s tellen, hat der und Liegenschaftspolitik umfasst. In engem Ressource ‚Boden‘ besonders effizient umzugehen“ und vorrausschauende Flächenpolitik. Im Sinne der SPD geführte Senat 2011 das „Bündnis für das Austausch mit der Stadt Hamburg als positive (Hamburgische Bürgerschaft 2019b, S. 8). Die FHH durch die Stadt Hamburg gesetzten Ziele für die Wohnen“ gegründet. Die Vereinbarung zwischen Referenz wurden Empfehlungen hinsichtlich einer hat eine aktive Liegenschaftspolitik als zentrales Förderung des Gemeinwohls soll der LIG durch eine Senat, Verbänden der Wohnungswirtschaft und verbilligten Bereitstellung bundeseigener Liegen- Instrument einer sozialverantwortlichen, nachhalti- städtische Bodenbevorratungspolitik einen Beitrag der SAGA sowie unter Beteiligung von Mieter:in- schaften für den geförderten Wohnungsbau gen Stadtentwicklung erkannt und sich das Ziel zur Bereitstellung von baureifem Land für die nenvereinen stellte damit „konkrete Maßnahmen getroffen (Hamburgische Bürgerschaft 2019b, S. 6) einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik Wohnraumversorgung leisten (ebd.). Neben der und Zielsetzungen für eine aktive und sozialver- und im Koalitionsvertrag verankert. Durch das Ziel, gesetzt. Grundstückspolitik über städtische Wohnungs- trägliche Weiterentwicklung des Hamburger den „Ländern und Kommunen zu Zwecken der unternehmen und einem aktiven Flächen- Wohnungsmarktes“ auf (BSW o.J.). Das Bündnis sozialen Wohnraumförderung bundeseigene Die Basis dieser Liegenschaftspolitik ist die Förde- management durch den LIG sind in Hamburg die wurde 2015 in einer Koalition mit den Grünen Grundstücke rechtssicher und im beschleunigten rung von sozialem Wohnungsbau über städtische Genossenschaften mit einem Wohnungsbestand weitergeführt und gemeinsam das Ziel des Baus Verfahren zu vergünstigten Konditionen zur Wohnungsbaugesellschaften. Die SAGA, das größte von 130.000 Wohnungen ebenfalls ein „tragendes von 6.000 Neubauwohnung pro Jahr verfolgt. Die Verfügung [zu] stellen“ (CDU, CSU, SPD 2018), wird kommunale Wohnungsunternehmen Deutsch- Element des Hamburger Wohnungsmarktes“ (SPD Neubautätigkeit konnte zwar seitdem deutlich zum einen fehlendes Bauland als zentrale Ursache lands, verfügt über 20 % der gesamten Miet- und Bündnis 90/Die Grünen 2020, S. 26). erhöht werden, doch insbesondere an sozialem für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum öffent- wohnungsbestände in Hamburg und ist „Garantin Wohnraum mangelte es trotz neuer Handlungs- lich benannt. Zum anderen wird dadurch die für preisgünstige Mieten im Bestand und im geför- Das zunehmende Bevölkerungswachstum in ansätze und Instrumente weiterhin. Über die Steuerungsmöglichkeit der öffentlichen Hand als derten Neubau“ (ebd., S. 9). Ein weiteres Hamburg und die Bodenmarktengpässe haben Vereinbarungen im Bündnis für das Wohnen rückte Lösungsansatz dieses Problems definiert und Aufgabengebiet übernimmt das Unternehmen in dazu geführt, dass die kommunale Bodenpolitik zunehmend die Kommune als Handlungsträgerin damit ein wichtiges Signal für die landesweite der Bereitstellung von Wohnraum für vorwiegend durch die Polarisierung der Wohnungsfrage in in den Vordergrund und verstärkte durch die Bodenpolitik gesetzt. Dieses politische Umdenken wohnungsuchende Menschen, mit der auch die Hamburg wieder stark an Bedeutung gewonnen vermehrte Anwendung der Konzeptvergabe und findet sich auch auf Landesebene wieder. So f&w fördern und wohnen AöR (f&w) beauftragt hat und auch auf politischer Ebene wieder in den des Drittel-Mix bei Ausschreibungen die städtische fordern SPD und Grüne in einem Bürgerschaft- wurde. Per Direktvergabe stellt die FHH der SAGA Vordergrund der Agenda gerückt ist. In Hamburg Einflussnahme (Metzger 2020, S. 69). Eine Dämp- santrag ein „neues bodenpolitisches Grundsatz- und f&w hierfür jährlich Grundstücke bis zu 2500 m² haben zuletzt Diskussionen zum Mietpreisdeckel fung der Preissteigerungen konnte dennoch nicht konzept“ für Hamburg (Meyer-Wellmann 2018b). zur Verfügung. Im Rahmen des aktiven Liegen- und die Grundstücksspekulationen um das erreicht werden. Bis 2017 stiegen die Mietpreise auf Der Senat plant in einem weitreichenden Wechsel schaftsmanagements ist auch die Stadt Hamburg Holsten-Areal die Debatte der Wohnungs- und 8,44 Euro/m² und verzeichneten damit einen seiner Bodenpolitik die „Vergabe städtischer ein bedeutsamer Markteilnehmer (ebd.). Der Bodenfrage neu entfacht. Doch „Wohnen“ war in Anstieg von 18 % im Vergleich zum Jahr 2011 (Statista Grundstücke fast nur noch in Erbbaupacht“ Landesbetrieb Immobilienmanagement und Hamburg nicht immer ein Thema von Bedeutung. 2021a). Baureifes Land in Hamburg stieg im selben (Meyer-Wellmann 2018a). Städtische Grundstücke Grundvermögen (LIG) betreibt daher im Auftrag Um also die heutige Relevanz der Bodenfrage Zeitraum um mehr als 30 % auf 689 Euro/m² sollen künftig nur in Ausnahmefällen an Investor:in- der FHH „eine aktive, strategische Flächenpolitik, besser nachvollziehen zu können, bedarf es eines (Statista 2021b). Auch auf Bundesebene konnte der nen verkauft und in der Regel im Erbbaurecht um eine zeitgerechte Bereitstellung von geeigne- kurzen historischen Exkurses über die vergangenen wachsende Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum vergeben werden. Dieser Wandel findet sich auch 18 EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG 19
Die Rolle der Kommunen in der Bodenfrage Liegenschaftspolitische Instrumente in dem Haushaltsbeschluss 2019/2020 der Koalitionsvertrag 2020 die Ziele für eine gemein- Bedingung der Umkehr der Eigentumsverhältnisse Baulandkommission ist sich dieser Verantwortung Hamburgischen Bürgerschaft wieder: Erbbau- wohlorientierte Bodenpolitik in Hamburg definiert. und Rückgewinnung der kommunalen Steue- bewusst und appelliert an einen konsequenteren rechte sollen intensiver genutzt werden und Auch hier nimmt die Vergabe in Erbbaurecht eine rungsfähigkeit. Nur eine kommunale Bodenvor- Ausbau der aktuellen Boden- und Liegen- dadurch die kommunale Einflussnahme und die zentrale Funktion in der Bereitstellung von mehr ratspolitik könne den Bodenmarkt in den Griff schaftspolitik von Bund, Ländern und Kommunen soziale Bindung festigen (Hamburgische Bürger- Wohnungen ein. bekommen (Löhr 2020, S. 7). (DV 2019, S. 11). Sie empfiehlt dahingehend ein schaft 2019b, S. 14). Zuletzt wurden mit dem aktives Handeln aller Verantwortlichen: Unter ande- Die vorausgegangenen Erläuterungen lassen rem sollen eigene Liegenschaften für bezahlbaren 2.3 DIE ROLLE DER KOMMUNEN IN DER BODENFRAGE schlussfolgern, dass die Planungshoheit der Wohnraum bereitgestellt, kommunale Grund- Kommunen als Steuerungsmöglichkeit allein nicht stücke nicht mehr zu Höchstpreisen abgegeben Die vorherigen Erläuterungen veranschaulichen len Wohnungseigentums“ (Metzger und Schipper ausreicht und nur in Kombination mit der Rückge- und der Grundstücksankauf für die Bereitstellung die Entwicklungen des Wohnungsmarktes und 2017, S. 204). winnung der Eigentümerinfunktion, einer von sozialem Wohnraum gefördert werden (ebd.). speziell den zunehmenden Erkenntnisgewinn über langfristigen Bodenbevorratungspolitik und der „Nur durch das Zusammenwirken vieler einzelner die Bedeutung der Bodenfrage in der politischen Wenn das Privateigentum an Grund und Boden Abkehr von der Beteiligung am spekulativen Bausteine und aller Akteure kann die Mobilisierung Debatte um Wohnraumbeschaffung. Der folgende das ursächliche Problem der aktuellen Bodenpreis- Grundstücksmarkt durch die Veräußerung von Bauland und eine stärkere Gemeinwohlorien- Abschnitt soll darauf aufbauend erläutern, wieso steigerungen und damit der Mietentwicklungen kommunaler Grundstücke zur Bewältigung der tierung des Eigentums wirkungsvoll befördert besonders die Auseinandersetzung mit der Rolle und ansteigenden sozialen Ungleichheit auf dem Wohnungsf rage beitragen kann. Auch die werden“ (ebd., S. 7). der öffentlichen Hand und die Rückgewinnung Wohnungsmarkt ist, „dann liegt die Lösung des kommunaler Steuerungsmöglichkeiten in der Problems in dessen Negation: in der Vergesellschaf- 2.4 LIEGENSCHAFTSPOLITISCHE INSTRUMENTE Bodenfrage ein oder auch der elementare Schritt tung des Bodens und seiner Dekommodifizierung“ für die Bewältigung der Wohnungsfrage ist. (Heinz und Belina 2019, S. 21). Zwar gehen andere Damit Städte und Gemeinden ihre Steuerungskraft Gegenstand haben und vor allem die Eigentüme- Autor:innen und Institutionen, wie das Deutsche zurückgewinnen können, bedarf es dem Difu rinfunktion der Stadt Hamburg stärken. Der Zuständigkeitsbereich der deutschen Institut für Urbanistik (Difu) und der Deutsche zufolge einer konsequenten Anwendung boden- Wohnungspolitik ist dreigeteilt und umfasst Bund, Städtetag, mit ihren Aufrufen nicht ganz so weit, in und liegenschaftspolitischer Instrumente (Difu Der „kooperative Ansatz“, welcher der Aktivierung Länder und die Kommunen. Seit 1980 jedoch gibt der Forderung nach einer Ausweitung des kommu- 2017, S. 1). Bodenrechtliche Instrumente, welche die privater Liegenschaften dient, wird in Hamburg es bereits einen Rückzug des Bundes aus der nalen Eigentums zur Gestaltung einer sozial kommunale Einflussnahme auf die Immobilien- unter anderem durch die Wohnungsbau- Wohnungspolitik und eine zunehmende Kommu- gerechten Stadt an Grund und Boden sind sie sich und Grundstücksmärkte stärken, müssen weiter programme der Hamburger Bezirke verfolgt. Der nalisierung dieses Politikfeldes. Mit der jedoch einig (ebd.). Das Difu sieht die Wieder- entwickelt, intensiviert, verschärft und ihre „Vertrag für Hamburg - Wohnungsneubau“ und Föderalismusreform von 2006 wurden dann die gewinnung der bodenpolitischen Handlungsfähig- Ausübung erleichtert werden (ebd., 2 ff.). Die das „Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ sind Zuständigkeiten für den sozialen Wohnungsbau keit der Kommune als zentralen Schlüssel zur Verbesserung der Anwendung und Wirksamkeit dabei die wesentlichen vertraglichen Grundlagen vollständig vom Bund auf die Länder verlegt Bewältigung der Wohnungsnot (Difu 2017, S. 11). Bei dieser Instrumente ist einer der wesentlichen der Neubauförderung (ebd., S. 19). Im Rahmen (Eberhardt-Köster et al. 2018, S. 37). Die kommunale Gewerbegebieten und großen Infrastrukturprojek- Aufgabenbereiche der Baulandkommission dieser kooperativen Ansätze finden in Hamburg die Planungshoheit bietet den Gemeinden in ten ist die Eigentümerinfunktion der Kommune (Hamburgische Bürgerschaft 2019a, S. 5) und bildet folgenden bodenpolitischen Instrumente Anwen- Deutschland das Recht zur Planung der örtlichen seit Jahren Selbstverständlichkeit und es sei Zeit, die Grundlage für weitreichende Empfehlungen dung: Gemeinschaft in eigener Verantwortung (Art. 28 dass dieser Paradigmenwechsel auch im und Vorschläge zur Anpassung der gängigen GG). Die Selbstverwaltungsaufgaben der Kommu- Wohnungsbau ankommt. Nicht nur ließe sich Ansätze in Bund, Ländern und Kommunen. Im besonderen Städtebaurecht (BauGB): nen umfassen dabei vielfältige Aufgabenbereiche. dadurch eine langfristige Einflussmöglichkeit auf Im Rahmen des Baugesetzbuches kann die Art und die Flächen sichern, eine vorausschauende Boden- Wie auch viele andere Städte greift die FHH auf ein • Städtebauliche Verträge Weise der Neubaugebäude festgesetzt und der vorratspolitik führe laut des Difu auch zu einer breites Angebot bodenpolitischer Instrumente und Anteil von preiswertem Wohnraum bei Neubau- Maßnahmen zurück. Die Maßnahmen, die • Kommunale Vorkaufsrechte weitgehenden Resistenz gegenüber zyklischen projekten definiert werden. Darüber hinaus können Nachfrageschwankungen und deren Folgewirkung Hamburg nutzt, um das Ziel einer gemeinwohl- • Innenentwicklungsmaßnahmen Kommunen – wie es auch die FHH seit einigen (ebd.). Dem Difu zufolge ist „Boden […] in vielfältiger orientierten Bodenpolitik zu verfolgen, unterteilen • Umlegungsverfahren Jahren tut – eine aktive Bodenpolitik betreiben, Weise Grundlage der Daseinsvorsorge“ (ebd.) und sich im Haushaltsbeschluss dabei im Wesentlichen indem sie den Verkauf städtischer Grundstücke seine Verfügbarkeit die Voraussetzung für bezahl- in zwei Kategorien: Eine davon bilden Maßnahmen, • Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen unterbinden (Eberhardt-Köster et al. 2018, S. 37). Vor baren Wohnraum, der im Sinne des Grundgesetzes die den gesamten Grundstücksmarkt umfassen • Soziale Erhaltensverordnung allem letztere Entscheidungshoheit rückt, wie als Gemeinwohl verstanden wird. Die Verfolgung und der Aktivierung privater Liegenschaften zuvor dargestellt, immer mehr in den Fokus der ökonomischer Ziele mit dem gemeinwohlsichern- dienen. Mit ihnen soll durch verschiedene Instru- Im Steuerrecht: örtlichen Handlungspolitik, denn in einem werden den Gut Boden strebt folglich entgegen jedem mente Einfluss auf die Projektentwickler:innen, sich die Kommunen zunehmend einig: Prinzip einer sozialen und nachhaltigen Stadt- und Investor:innen und Eigentümer:innen ausgeübt • Grundsteuer C (in Planung) „Die umfangreichsten Gestaltungsmöglichkeiten Wohnungsentwicklung. Dirk Löhr formuliert für werden (Hamburgische Bürgerschaft 2019b, 6 f.). für eine postneoliberale Wende in der lokalen Die andere Kategorie umfasst Maßnahmen, die in • Grunderwerbssteuer eine Verfolgung nicht ökonomischer Ziele die Wohnungspolitik liegen im Bereich des kommuna- notwendige, wenngleich nicht hinreichende erster Linie kommunale Liegenschaften zum 20 EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG 21
Liegenschaftspolitische Instrumente Auch im Anwendungsbereich städtischer Liegen- Analyse der Boden- und Wohnungsmarktsituation schaften greift die FHH auf einen umfassenden in Hamburg stellt jedoch den Senat nach eigenen Maßnahmenkatalog zur nachhaltigen Bewirtschaf- Angaben vor die Herausforderung, neue 3. tung urbaner Flächen zurück. Die wichtigsten Instrumente zu entwickeln und vorhandene zu Eckpfeiler sind hierbei die Ausrichtung der schärfen (FHH 2021). Die Hamburger Regierung Grundstückspolitik über städtische Wohnungsbau- sieht eine gezielte Anwendung und stetige Erwei- gesellschaften und eine strategische Flächenpolitik terung dieser strategischen Instrumente als ERBBAURECHT durch den LIG. Die wichtigsten Instrumente zur Voraussetzung, um ihre Einflussmöglichkeiten auf Implementierung der Ziele einer nachhaltigen die aktuellen Entwicklungen auf dem Boden- und Steuerung städtischer Liegenschaften sind unter Mietenmarkt zu steigern und so eine nachhaltige, anderem: gemeinwohlfördernde Wohnungsmarktent- wicklung vorantreiben zu können. 3.1 Das Instrument • Konzeptvergaben statt Höchstpreisverfahren Einen besonderen Fokus legt der Senat auf die 3.2 Historische Entwicklung • 8-Euro-Wohnungsbau Weiterentwicklung des Instruments Erbbaurecht, • Grundstücksvergaben ohne Ausschreibungs- welches vor allem hinsichtlich der Bereitstellung 3.3 Gesetzlicher Rahmen verfahren von Wohnraum in Zukunft eine immer wichtigere • Erbbaurechte Rolle in Hamburg einnehmen soll (Hamburgische 3.4 Anwendungspraxis Bürgerschaft 2019b, S. 28) und auch in dieser Arbeit im Vordergrund steht. Im folgenden Kapitel wird 3.5 Aktuelle Auseinandersetzungen Zwar werden diese Maßnahmen bereits „konse- daher das städtebauliche Instrument Erbbaurecht quent eingesetzt, um bezahlbaren Wohnraum vorgestellt und die aktuelle Anwendungspraxis in sowie stabile Quartiere für die Zukunft zu sichern“ Hamburg erläutert. (Hamburgische Bürgerschaft 2019b, S. 8), eine 22 EINLEITUNG AUSGANGSLAGE ERBBAURECHT GENOSSENSCHAFTEN ERGEBNISSE REFLEXION ANHANG 23
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