BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE - repOS HCU Hamburg

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BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE - repOS HCU Hamburg
BACHELORARBEIT
JULE IKEN JESKE

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BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE - repOS HCU Hamburg


  GRUNDSTÜCKSVERGABE
  IM ERBBAURECHT
  POTENZIALE UND HEMMNISSE FÜR GENOSSENSCHAFTEN

Verfasserin: 			                         Betreuung:
Jule Iken Jeske            Prof. Dr. Monika Grubbauer
6052227                                Joscha Metzger

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BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE - repOS HCU Hamburg
                                                                                                                                                                                            

        BACHELORTHESIS:

        zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science
        im Studiengang Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg

        BETREUUNG:

        Prof. Dr. Monika Grubbauer (Erstprüferin)
        Joscha Metzger (Zweitprüfer)
        Arbeitsgebiet Geschichte und Theorie

        VERFASSERIN:

        Jule Iken Jeske
        6052227
        jule.jeske@hcu-hamburg.de

                                                                                             DANKSAGUNG

                                                                                             Ohne die Unterstützung vieler wertvoller Personen wäre mir das Schreiben der Abschlussarbeit
                                                                                             in dieser Form nicht möglich gewesen. Dafür möchte ich hier Danke sagen.

                                                                                             Mein besonderer Dank gilt meiner Betreuerin Monika und meinem Betreuer Joscha für die
                                                                                             Möglichkeit an diesem spannenden Thema arbeiten zu können und ihre Zeit und Mühe, mir zur
                                                                                             Seite zu stehen.

                                                                                             Ein großes Dankeschön richtet sich außerdem an meine Interviewpartner:innen, die diese Arbeit
                                                                                             mit ihrer Expertise und ihren Erfahrungen und Eindrücken maßgeblich beeinflusst haben.

                                                                                             Zuletzt möchte ich mich noch ein großes Dank an meine Familie und Freund:innen richten, die
                                                                                             mir in dieser besonderen Zeit des Lockdowns nicht nur fachlich, sondern auch persönlich zur
                                                                                             Seite gestanden haben.
        ABGABE: 24. Juni 2021

                                                                                             Herzlichen Dank!

2       BACHELORARBEIT                                                     JULE IKEN JESKE   BACHELORARBEIT                                                                    JULE IKEN JESKE       3
BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE - repOS HCU Hamburg
                                                                                                                                                        

        GLIEDERUNG

        1.                                                                             4.
        EINLEITUNG                                                            7        DIE PERSPEKTIVE(N) DER HAMBURGER GENOSSENSCHAFTEN          33
          1.1 Einführung                                                      8         4.1 Untersuchungssystematik                               34
          1.2 Forschungsinteresse und Zielsetzung                            10         4.2 Die Bedeutung von Genossenschaften                    35
          1.3 Aufbau der Arbeit                                               11        4.3 Standpunktanalyse                                     35
          1.4 Methodisches Vorgehen                                           11        4.4 Potenziale und Hemmnisse des Erbbaurechts             45
             1.4.1 Vorbereitungsphase                                         12        4.5 Handlungsansätze                                      49
             1.4.2 Erhebungsphase                                             12
             1.4.3 Analysephase
             1.4.4 Konzeptionsphase
                                                                             13
                                                                             13        5.
                                                                                       ERGEBNISSE                                                 55

        2.                                                                              5.1 Fazit
                                                                                        5.2 Weiterer Forschungsbedarf
                                                                                                                                                  56
                                                                                                                                                  57
        WOHNUNGS- UND BODENPOLITISCHE AUSGANGSLAGE                           15
          2.1 Die Ressource Boden auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt
          2.2 Bodenpolitik in Hamburg
                                                                             16
                                                                             18        6.
          2.3 Die Rolle der Kommunen in der Bodenfrage                       20        REFLEXION                                                  59
          2.4 Liegenschaftspolitische Instrumente                            21         6.1 Reflexion der Arbeit                                  60
                                                                                            6.1.1 Inhaltlich                                      60

        3.                                                                                  6.1.2 Methodisch                                      60

        ERBBAURECHT
          3.1 Das Instrument
                                                                             23
                                                                             24        7.
             3.1.1 Anwendungsbereiche                                        25        ANHANG                                                     63
             3.1.2 Erbbaurechtsmodelle                                       25         7.1 Literaturverzeichnis                                  64
          3.2 Historischer Kontext                                           26         7.2 Abbildungsverzeichnis                                 70
          3.3 Gesetzlicher Rahmen                                            26         7.3 Glossar                                               72
             3.3.1 Inhalte des Erbbaurechtsvertrages                         27         7.4 Eidesstattliche Erklärung                             75
          3.4 Anwendungspraxis des Erbbaurechts                              29
          3.5 Aktuelle Auseinandersetzungen um das Erbbaurecht               30

4       BACHELORARBEIT                                               JULE IKEN JESKE   BACHELORARBEIT                                      JULE IKEN JESKE       5
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        ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

        BauGB			Baugesetzbuch

        BGFG 			         Baugenossenschaft Freier Gewerkschafter
                                                                                                     1.
        BMI			           Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat                            EINLEITUNG
        BMVBS		          Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
                                                                                                     1.1 Einführung
        BSW			           Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen
                                                                                                     1.2 Forschungsinteresse und Zielsetzung
        BVerfG			Bundesverfassungsgericht
                                                                                                     1.3 Methodisches Vorgehen
        DV			            Deutscher Verband für Wohnungswesen,
                         Städtebau und Raumordnung e. V.                                             1.4 Aufbau der Arbeit

        Difu			          Deutsches Institut für Urbanistik

        ErbbauRG		       Erbbaurechtsgesetz

        FHH			           Freie und Hansestadt Hamburg

        f&w			           F&W Fördern und Wohnen AöR (f&w)

        GG			Grundgesetz

        Hamburgische     Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg
        Bürgerschaft

        LIG			           Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen

        VNW			           Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen

6       BACHELORARBEIT                                                             JULE IKEN JESKE                                             7
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Einführung                                                                                                                                                                                                           Einführung

      1.1 EINFÜHRUNG                                                                                                    maßgebliche Engpass für bezahlbaren Wohnungs-            Bundesamt 2020).
                                                                                                                        bau bezahlbares Bauland ist (DV 2019b, S. 7) und die     Diese Entwicklungen legen nahe, dass auch in der
      Seit   Beginn    des    21.   Jahrhunderts    führen     Entwicklungen im sozialen W
                                                                                         ­ ohnungsbau bzw. im           Schaffung von preiswertem Wohnraum folglich              Hamburgischen Bürgerschaft dem Thema Wohnen
      voranschreitende       U
                             ­rbanisierungsprozesse      in    niedrigen und mittleren Wohnungspreissegment             eine Auseinandersetzung mit der Bodenfrage               hohe Priorität beigemessen wird. Mit dem
      Deutschland zu expandierenden Mieten und                 ab. Derzeit wird in Deutschland nur ein Drittel von      erfordert. Diese besondere Bedeutung von Grund           Haushaltsbeschluss 2019/2020 und dem Rot-
                                                                                                                                                                                 ­
      explodierenden Grundstückspreisen. Besonders             dem tatsächlichen Bedarf an sozialem Wohnraum            und Boden ist in Deutschland nicht neu. Schon            Grünen Koalitionsvertrag 2020 wurden neue Ziele
      Metropolregionen und Universitätsstädte sind             gebaut (Rink und Egner 2020, S. 16), sodass die          1967 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)           für mehr Wohnungen im Sinne einer sozial
      aufgrund ihres ökonomischen, politischen und             Frage nach ausreichend preiswertem und bezahl-           festgestellt:                                            verantwortlichen Stadtentwicklungspolitik gesetzt
      sozialen Bedeutungszuwachses von zunehmen-               barem Wohnraum vor allem für untere und mittlere                                                                  (Hamburgische Bürgerschaft 2019; SPD und
      dem Wachstumsdruck auf die Wohnungsmärkte                Einkommensbezieher:innen eine große Herausfor-              „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unver-        Bündnis   90/Die   Grünen    2020).   Sowohl     die
      betroffen. Die Zahlen zum Wohnraumbedarf zeigen          derung darstellt.                                           mehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es,          „Verfügbarkeit von Bauland als auch die Möglich-
      sehr d
           ­ eutlich, dass das Angebot an städtischem                                                                      seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der            keit der Kommunen, Einfluss zu nehmen, sind
      Wohnraum der Nachfrage nicht mehr gerecht                Es wird schnell deutlich, dass es bei der Wohnungs-         freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen          dabei wesentliche Stellschrauben“ (Hamburgische
      werden kann. Insgesamt fehlen in Deutschland             frage in Deutschland dringenden Handlungsbedarf             vollständig zu überlassen.“ (BVerfG 1967)             Bürgerschaft 2019, 1 f.). Neben der konsequenteren
      derzeit eine Million Wohnungen (Prognos 2017).           gibt. Die Gründung neuer mietenpolitischer                                                                        Ausübung des Vorkaufsrechtes, mehr Konzept-​
      Aus der Gegenüberstellung der Entwicklung der            Initiativen, das Netzwerk „Recht auf Stadt“ sowie        Besonders ab 1990 jedoch war Wohnen kein Thema           ausschreibungen, der vermehrten Durchführung
      Nachfrage nach und dem Angebot von Wohnraum              andere urbane Bewegungen haben wesentlich                von besonderer politischer Bedeutung und viele           von Sanierungsverfahren (§136 BauGB) und städte-
      ergibt das nur für den Zeitraum von 2011 bis 2015        dazu beigetragen, dass die Wohnungsfrage in den          große Städte nutzten den Verkauf kommunaler              baulicher Entwicklungsmaßnahmen (§165 BauGB)
      eine Wohnungsbaulücke von 540.000 Wohnungen              letzten Jahren wieder eine zentrale Rolle in der         Grundstücke zur Aufbesserung ihrer Finanzlage.           soll die verstärkte Anwendung des Erbbaurechts
      (Koch et al. 2017, S. 8). Mit rund 200.000 fehlenden     bundes- und landespolitischen Agenda spielt.             Erst seit den 2010er Jahren führten die sich durch       ein Instrument sein, um städtische Grundstücke im
      Wohnungen entfallen 38 % der Wohnungsbau-                Zunehmende Öffentlichkeit und mediale Bericht-           den Mieten- und Immobilienboom zuspitzenden              Sinne des Allgemeinwohls zu nutzen und Boden-
      lücke allein auf die Top-7 Städte Berlin, Düsseldorf,    erstattung treiben eine Intensivierung der Debatte       Versorgungsprobleme mit Wohnraum und neu                 spekulationen zu vermeiden. Bereits 2019 beschloss
      Frankfurt am Main, Köln, München und Hamburg             voran. So sieht Horst Seehofer die Wohnungsfrage         entstandene Protestbewegungen dazu, dass die             die   Hamburgische    Bürgerschaft      „durch   die
      (ebd., 13 f.). Steigende Mieten und erschwerte           „als die soziale Frage unserer Zeit“ (BMI 2018), die     Privatisierung von öffentlichem Grund vermehrt in        vermehrte Bestellung von Erbbaurechten den
      Wohnungssuche sind nur zwei der Folgen dieser            damalige Justiz- und Verbraucherschutzministerin         die Kritik geriet und so die Frage in den Vorder-        langfristigen Einfluss auf das nicht vermehrbare
      Entwicklungen und zeigen, dass das eigentliche           Katarina Barley nennt die Frage nach bezahlbarem         grund rückte, welche Rolle die öffentliche Hand in       Gut Boden sowie eine Steuerungsmöglichkeit für
      Grundrecht Wohnen in Großstädten zunehmend               Wohnen „die soziale Frage des 21. Jahrhunderts“          der Debatte um bezahlbares Bauland einnehmen             nachfolgende Generationen in sozialer und städte-
      ein Luxusgut wird (Löhr 2020, S. 2).                     (2018) und Peter Altmaier bezeichnet sie als             sollte.                                                  baulicher Hinsicht“ zu sichern (Hamburgische
                                                               „soziale[n] Sprengstoff“ (zitiert nach Rink und Egner                                                             Bürgerschaft 2019, S. 14). Dieser Beschluss findet
      Die Ursachen dieser Entwicklungen und der daraus         2020, S. 9). Auch in der Bevölkerung ist dieses          Als eine der Top-7 Städte ist auch für Hamburg die       sich auch in dem Koalitionsvertrag wieder:
      resultierende Druck auf die Immobilienmärkte             Thema fundamental. Einer Caritas Studie zufolge          Wohnungsfrage das relevante Thema der lokalen
      haben vielfältige Gründe. Dirk Löhr, Wirtschafts-        sehen drei Viertel der befragten Bürger:innen            Politik. Ein durchgehend positiver Wanderungs-              „Die Vergabe von Grundstücken soll künftig
      wissenschaftler und Professor für Steuerlehre und        „bezahlbares Wohnen“ auf Platz 4 der dringlichsten       saldo hatte allein in Hamburg in den Jahren 2000            wesentlich stärker als bisher im Erbbaurecht
      ökologische Ökonomie mit Schwerpunkt Boden-              sozialpolitischen Themen unserer Zeit (Caritas           bis 2019 einen Anstieg der Wohnbevölkerung um               erfolgen. Die Erbbaurechtsverträge werden zu
      politik, sieht diese als Folge zweierlei grundlegender   2018). Über die Frage nach einem Mietpreisdeckel,        131.861 Menschen zur Folge (Statista 2019). Die             fairen Konditionen und mit Laufzeiten von bis zu
      Veränderungen der letzten Jahrzehnte (ebd.). Zum         ausgelöst durch die Berliner Baudezernentin,             Anzahl der Haushalte hat sich von 2009 bis 2019 von         100 Jahren abgeschlossen. Zukünftig ist in
      einen der Wandel von der Industrie- zur Dienst-          erfuhr die Debatte eine verschärfte Polarisierung.       952.205     auf    1.041.984   erhöht    (Statistikamt      jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Grundstück im
      leistungsgesellschaft, der den städtischen Bedeu-                                                                 Nord 2020). Im gleichen Zeitraum sind die Ange-             Wege einer Erbbaurechtsbestellung vergeben
      tungszuwachs vorangetrieben hat. Prognosen               Neben den voranschreitenden Urbanisierungs-              botsmieten in Hamburg von durchschnittlich­                 oder ob es verkauft werden soll.“ (SPD und
      zufolge entstehen bis 2030 70 % der neuen Arbeits-       prozessen, der dadurch steigenden Nachfrage              8,33 Euro/m² (2009) auf 10,58 Euro/m² (2019) und bis        Bündnis 90/Die Grünen 2020, S. 23)
      plätze in Städten. Dieser globale Urbanisierungs-        nach Wohnraum und dem niedrigen Zinsniveau ist           2020 weiter auf 11,46 Euro/m² gestiegen (Statista
      prozess hat einen erheblichen Einfluss auf die           vor allem die begrenzte Verfügbarkeit der Boden-         2021). Für ihre Nettokaltmiete zahlen Hambur-            Als Teil einer aktiven gemeinwohlorientierten
      Nachfrage städtischer Immobilien. Zum anderen            ressource eine wesentliche Ursache für die               ger:innen         im   Durschnitt   30      %   ihres    Bodenpolitik dient das Erbbaurecht dem Ziel, mehr
      ist das Kapitalangebot seit der Finanzkrise sprung-      Entwicklung der Wohnungsmärkte. Bundesweit               Haushaltseinkommens (Statistisches Bundesamt             bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ebenfalls
      haft gestiegen und folglich auch die Nachfrage           sind die Bodenpreise seit 1964 um das 18-fache           2020). Auch diese Mietpreisentwicklung ist zurück-       sieht der Koalitionsvertrag für die kommenden
      nach Investitionsobjekten (ebd., S. 5). Im Zuge          gestiegen (Lay 2019), in München seit den 1950er         zuführen auf einen immensen Anstieg der                  Jahre die Wohnungsgenossenschaften als eine der
      dieser Entwicklungen haben sich die Boden- und           Jahren sogar um das 340-fache und in Berlin allein       Baulandpreise. Der ­Quadratmeter Bauland kostet          relevanten Akteur:innen, um bezahlbares, preisge-
      Immobilienpreise vielerorts von der realwirtschaft-      in den letzten zehn Jahren um das zehnfache.             in Hamburg 1.157,91 Euro und bildet damit mit Berlin     dämpftes Wohnen voranzutreiben (ebd., S. 24). Die
      lichen Entwicklung, dem Bruttoinlandsprodukt             Dabei sind 80 % des Anstieges der Immobilien-            deutschlandweit die höchsten Kaufwerte für               Hamburger Genossenschaften decken mit 132.000
      und dem Einkommenswachstum abgekoppelt                   preise auf Bodenpreissteigerungen zurückzuführen         baureifes Land; im Vergleich: der bundesweite            Wohnungen bereits heute einen erheblichen Anteil
      (ebd., 6). Besonders stark bilden sich diese             (ebd.). Es wird also schnell ersichtlich, dass der       Schnitt liegt bei 189,78 Euro/m² (Statistisches          von ca. 14 % des Mietwohnungsmarktes ab

8    EINLEITUNG    AUSGANGSLAGE       ERBBAURECHT       GENOSSENSCHAFTEN     ERGEBNISSE     REFLEXION      ANHANG      EINLEITUNG       AUSGANGSLAGE     ERBBAURECHT       GENOSSENSCHAFTEN    ERGEBNISSE    REFLEXION        ANHANG    9
BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE - repOS HCU Hamburg
Forschungsinteresse und Zielsetzung                                                                                                                                                                             Aufbau der Arbeit

       (Hamburgische Bürgerschaft 2019, S. 4). Sie lagen in    schaften steht dem Instrument Erbbaurecht                Die übergeordnete Fragestellung wird unter                   •    Gibt es unterschiedliche Standpunkte seitens
       den vergangenen fünf Jahren mit ihren Mieten            äußerst ablehnend gegenüber. Die Wohnungsbau-            Berücksichtigung des ­eingegrenzten Anwen-                        großer/alter, bestandshaltender und junger/
       durchschnittlich 20 % unter dem Hamburger               genossenschaften Hamburg e.V., ein Verband aus           dungsbereiches      entlang     folgender     Fragen              kleiner Genossenschaften?
       Mietenspiegel und leisten folglich einen Beitrag zur    30 Mitgliedsgenossenschaften in der Hansestadt,          erarbeitet und untersucht:                                   •    Welche Mehrwerte bietet das Erbbaurecht in
       Dämpfung dieses Wertes (ebd.).                          geht noch weiter und sagen, die Vergabe im                                                                                 seiner aktuellen Ausgestaltung und welche
                                                               Erbbaurecht schließe die Hamburger Wohnungs-                                                                               Hemmnisse verhindern die Akzeptanz des Inst-
                                                                                                                        •    Welche Standpunkte werden in der aktuellen
       Die Förderung der Genossenschaften und die              baugenossenschaften von der Vergabe städtischer               Auseinandersetzung gegenüber dem Erbbau-                     ruments seitens vieler Genossenschaften?
       Ausweitung des Instruments Erbbaurecht bilden           Grundstücke aus (Böhm und Chrobok 2019). Zu den               recht eingenommen und welchen Akteur:innen              •    Welche Möglichkeiten gibt es bei der Ausge-
       damit zwei der zentralen Eckpfeiler der Rot-Grünen      aktuellen Bedingungen sei es den Genossenschaf-               lassen sich diese zuordnen?                                  staltung des Instruments, diese Grenzen zu
       Wohnungspolitik. Aber gerade in dieser Kombina-         ten nicht möglich, ohne eine drastische Änderung                                                                           lösen und die aufgezeigten Potenziale weiter
                                                                                                                        •    Welche Argumente liegen der ablehnenden
       tion verbirgt sich ein bedeutender Konfliktpunkt in     ihrer Mietenpolitik weiterhin auf städtischen Grund-                                                                       auszuschöpfen?
                                                                                                                             Haltung der Wohnungsgenossenschaften
       der aktuellen politischen Auseinandersetzung. Eine      stücken zu bauen. Sie lehnen daher die neue
                                                                                                                             gegenüber dem Erbbaurecht zugrunde?
       Vielzahl der Hamburger Wohnungsbaugenossen-             Bodenpolitik des Senats ab (ebd.).

       1.2 FORSCHUNGSINTERESSE UND ZIELSETZUNG                                                                          1.3 AUFBAU DER ARBEIT

       Die Diskrepanz zwischen der ­ablehnenden Haltung        Die übergeordnete Fragestellung dieser Arbeit            Zur Beantwortung der Forschungsfrage sowie des               praxis     sowie     die   Standpunkte      zentraler
       der Genossenschaften als dem Koalitionsvertrag          lautet:                                                  ergänzenden Fragensets ergibt sich folgender                 wohnungspolitischer        Akteur:innen    in   dieser
       zufolge eine der zentralen Gruppen von Akteur:in-                                                                Aufbau der Arbeit: Nach der beschreibenden                   Debatte. Kapitel 4 ist der genossenschaftlichen
       nen auf dem Hamburger Bodenmarkt und dem                                                                         Darstellung des methodischen Vorgehens im nach-              Perspektive auf das Erbbaurecht gewidmet.
       Erbbaurecht als die erfolgversprechenste Möglich-          Welche Potenziale und Hemmnisse birgt das             folgenden Abschnitt, widmet sich das zweite Kapitel          Ausgangspunkt ist eine umfassende Analyse der
       keit der FHH, kommunale Einflussnahme auf die                        Erbbaurecht in seiner aktuellen             der wohnungs- und bodenpolitischen Ausgangs-                 Standpunkte der ­Hamburger Genossenschaften als
       Bodenpreisentwicklung zu sichern, begründet das                   Anwendungspraxis für Hamburger                 lage in Hamburg. Die Abschnitte 2.1.-2.4. dienen der         potenzielle Erbbaurechtsnehmerinnen sowie die
       Forschungsinteresse     dieser    Arbeit.   Um   den         Genossenschaften und wie lässt sich das             Einordnung der Fragestellung in den theoretischen            der FHH als Grundstückseigentümerin. Im Mittel-
       wachsenden Herausforderungen an den Woh-                 Instrument zugunsten seiner Potenziale für den          Rahmen der Bodenpolitik und ihrer Bedeutung für              punkt steht dabei die Erarbeitung von Potenzialen
       nungsmarkt und der stetig steigenden Nachfrage                     Wohnungsmarkt ausgestalten?                   den Hamburger Wohnungsmarkt. Kapitel 3                       und Hemmnissen der aktuellen Anwendungs-
       an Wohnraum gerecht zu werden, liegt es nahe                                                                     umfasst im ersten Teil eine Begriffsdefinition des           praxis, die als Grundlage für abschließende Hand-
       anzunehmen, dass es alle relevanten, städtebauli-                                                                Erbbaurechts    und    stellt   im    Anschluss    die       lungsansätze dient. Der Fokus des 5. Kapitels liegt
       chen Instrumente und ein Zusammenarbeiten aller                                                                  historische    Entwicklung,     die     gesetzlichen         auf einem abschließenden Fazit über die in Bezug
       Akteur:innen auf dem Boden- und Mietenmarkt             Auf dieser Grundlage sollen mögliche Handlungs-          Rahmenbedingungen sowie die aktuelle Anwen-                  auf die Forschungsfrage generierten Ergebnisse
       bedarf, um eine Lösung auf die Boden- und Mieten-       ansätze aufgezeigt werden, die das wohnungs-             dungspraxis des Instruments dar. Der letzte                  der Untersuchung und gibt einen Ausblick über
       frage zu finden. Wie also wirkt sich eine solche        politische Potenzial des Erbbaurechts weiter             Abschnitt des dritten Kapitels erläutert die aktuel-         weitere Forschungsbedarfe. Das letzte Kapitel
       Diskrepanz zwischen zwei der zentralen wohnungs-        ausschöpfen und die genossenschaftliche Per-             len politischen Auseinandersetzungen in Hamburg              beinhaltet eine methodische und inhaltliche
       politischen Grundsäulen der Hamburger Politik auf       spektive in der Anwendungspraxis stärker berück-         um die geplante Intensivierung der Erbbaurechts-             Reflexion der Arbeit.
       den Bodenmarkt aus?                                     sichtigen.
                                                                                                                        1.4 METHODISCHES VORGEHEN
       Das Ziel dieser Arbeit ist es, eingebettet in die       Die Arbeit soll damit anknüpfen an aktuelle Diskus-
       aktuellen wohnungspolitischen Auseinanderset-           sionen zur bodenpolitischen Agenda in Hamburg            Im folgenden Kapitel wird die der Arbeit zugrunde-           qualitativer Forschungsansatz zugrunde gelegt,
       zungen, das Potenzial des Erbbaurechts den              zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg               liegende Methodik dargelegt. Dies dient dazu, das            welcher sich im Wesentlichen in vier Phasen unter-
       aktuellen Hemmnissen der Anwendungspraxis               (FHH) als Erbbaurechtsgeberin und den Genossen-          Vorgehen sowie die generierten Erkenntnisse und              teilt: Die Vorbereitung, die Erhebung, die Analyse
       gegenüberzustellen. Im Vordergrund steht dabei          schaften als potenzielle Erbbaurechtsnehmerinnen.        ­Ergebnisse dieser Arbeit besser nachvollziehen zu           und das Konzept.
       die Aufarbeitung der mehrheitlich ablehnenden           Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Anwendungs-        können. Für den Erkenntnisgewinn wurde ein
       Haltung der Hamburger Genossenschaften gegen-           bereich des Erbbaurechts im Mietwohnungsbau.
       über der vom Senat angestrebten Intensivierung          Zwar spielen bislang Erbbaurechte im Mietwoh-
       der Grundstücksvergabe im Erbbaurecht.                  nungsbau eine untergeordnete Rolle, die vermehrte
                                                               Anwendung wird aber bereits aus diversen städte-             Vorbereitung                     Erhebung                         Analyse                     Konzept
                                                               baulichen Gründen in mehreren Städten intensiv
                                                               diskutiert (DV 2019a, S. 15).

                                                                                                                                                                 Abb. 1: Ablauf der Forschungsarbeit

10    EINLEITUNG   AUSGANGSLAGE         ERBBAURECHT     GENOSSENSCHAFTEN        ERGEBNISSE     REFLEXION      ANHANG   EINLEITUNG     AUSGANGSLAGE      ERBBAURECHT        GENOSSENSCHAFTEN            ERGEBNISSE   REFLEXION        ANHANG   11
BACHELORARBEIT JULE IKEN JESKE - repOS HCU Hamburg
Methodisches Vorgehen                                                                                                                                                                                 Methodisches Vorgehen

       1.4 .1 VORBEREITUNGSPHASE                                                                                           Für die Expert:innengespräche wurden vorab semi-          „Grundsatz […] der Offenheit“, wonach eine
                                                                                                                           strukturierte    Interview-Leitfäden    erstellt   und    Abweichung vom Leitfaden in der Gesprächssitua-
       Die Vorbereitungsphase diente dem Zweck, das            politische Instrumente konnten im Zuge einer                individuell     auf   die   Gesprächspartner:innen        tion „ausdrücklich möglich sein muss“ (ebd.). Nicht
       thematische Forschungsinteresse einzugrenzen            intensiven thematischen Literaturrecherche gene-            abgestimmt. Diese erfüllten die Funktion, die             nur, um eventuelle Nach- und Zwischenfragen zu
       und die Zielsetzung der Arbeit festzulegen. Der         riert werden. Während die ersten Informationen              Gesprächssituation zu strukturieren, indem die            ermöglichen, sondern auch, um Raum zu geben,
       Ursprung des Forschungsinteresses bildete sich          vordergründig auf Pressemeldungen und Medien-               Anzahl und Reihenfolge der Fragen grob definiert          subjektive     Deutungen     bis   Relevanzen   zum
       durch die mediale Präsenz der politischen               quellen basierten, dienten der Aneignung der                wurden (Kaiser 2014, S. 53). Um den Expert:innen          Ausdruck zu bringen (Kaiser 2014, 53 f.). Auf Grund
       Auseinandersetzung um das Erbbaurecht zwischen          wissenschaftlich-theoretischen        Ausgangslage          die Möglichkeit zu geben, sich in das Gespräch            der aktuellen Pandemieumstände fanden alle
       der FHH und den Hamburger Genossenschaften.             unterschiedlichste Wissensquellen. Einen zentralen          einzufinden, wurden zu Beginn allgemeine Fragen           Interviews online in einem Rahmen von 30 und 60
                                                               Schwerpunkt während des gesamten Projektes                  zur Erbbaurechtspraxis gestellt und im Verlauf auf        Minuten statt. Die Dokumentation erfolgte per
       Dementsprechend galt es zu Beginn der Arbeit,           bildeten Drucksachen der Hamburgischen Bürger-              konkretere und detaillierte Aspekte des Konfliktes        Audiomitschnitt und anschließender Transkription
       einen Überblick über das Instrument Erbbaurecht         schaft.   Hervorzuheben       an   dieser   Stelle   ist    eingegangen (ebd.). Als besonders zentral galt der        (siehe Anhang Abschnitt 7.6)
       zu gewinnen und erste Probleme des politischen          insbesondere der Haushaltsbeschluss 2019/2020
       Konfliktes zu identifizieren. Grundlage hierfür         (Drs. 21/18514), der die wesentlichen Zielsetzungen         1 . 4 . 3 A N A LY S E P H A S E
       bildeten zunächst Internetrecherchen sowie auf          des Senates für die zukünftig angestrebte Vergabe-
       Vorkenntnissen beruhende Gespräche im studenti-         praxis    beschließt.   Aufbauend       auf    diesen       Die Analyse umfasst den wesentlichen Bestandteil          Zuge der Erhebungsphase bereits vorbereitend
       schen und beruflichen Kontext. Hieraus ergab sich       theoretischen Grundlageninformationen und der               der Arbeit und trug maßgeblich zur Beantwortung           geordnet und um die Interviewtranskriptionen
       schnell das Erfordernis einer ausführlichen Betrach-    sich abzeichnenden Problematik zwischen der FHH             der Leitfrage bei. Ziel der Analyse war es, die           ergänzt. Im zweiten Schritt sollten die ­gesammelten
       tung   der   bodenpolitischen      Bedeutung     des    und den Hamburger Genossenschaften konnte                   genossenschaftliche Perspektive auf das Erbbau-           Materialen auf die Inhalte, aber auch ihre Text-
       Erbbaurechts.     Basisinformationen     über    die    eine weitere Zielkonkretisierung durchgeführt               recht genauer zu untersuchen. Hierfür wurden              verfasser:innen    und   Zielgruppen      untersucht
       Funktion des Bodens in der Wohnungsfrage, die           werden, aus der sich die (vorläufige) Fragestellung         entlang von Sub-Fragestellungen die Sichtweisen           werden. Hierfür wurde im dritten Schritt eine struk-
       Rolle der Kommune und zentrale liegenschafts-           der Arbeit definieren ließ.                                 und Argumentationslinien genauer untersucht.              turierte Inhaltsanalyse auf Grundlage eines zuvor
                                                                                                                           Ihre Grundlage bildeten die Ergebnisse aus den            erstellten Kodierleitfadens durchgeführt. Wichtige
       1.4.2 ERHEBUNGSPHASE                                                                                                Sekundärdatensätzen zuvor durchgeführter Litera-          Textbestandteile     und       Aussagen     wurden
                                                                                                                           turrecherchen sowie den Primärdaten aus den               ­bestimmten Codes zugeordnet, welche wiederum
       Das weitere Ziel war die Planung und Durchfüh-          Interview geführt werden. Schlussendlich konnten            generierten Expert:inneninterviews.                       nach   thematischen      Schwerpunkten       sortiert
       rung einer systematischen Datenerhebung unter           im Rahmen dieser Arbeit insgesamt sieben Inter-                                                                       wurden. Im Rahmen dieser Arbeit konnten mithilfe
       besonderer Berücksichtigung der zuvor konkreti-         views mit den folgenden Expert:innen erhoben                Zur Auswertung beider Datensätze wurde eine               der Kodierung die wichtigsten Standpunkte und
       sierten Forschungsfrage. Um einen besseren              werden:                                                     qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring in fünf           Argumente gegenüber der aktuellen Erbbau-
       Überblick über die vorhandene Literatur zu e
                                                  ­ rhalten,                                                               Schritten durchgeführt. Diese Methode ermöglicht          rechtspraxis kategorisiert und strukturiert werden.
                                                               •   Vertreterin des Verbandes Norddeutscher
       wurden zu Beginn der systematischen Online-                 Wohnungsunternehmen (VNW)                               eine induktive Auswertung der großen Daten-               Die Kodierung wurde mithilfe von MAXQDA durch-
       Recherche zentrale Schlüsselbegriffe bestimmt.                                                                      mengen, die in der vorherigen Phase erhoben               geführt, einer Software zur qualitativen Daten- und
                                                               •   Vertreter der Baugenossenschaft Freier
       Zur Vorbereitung einer umfassenden Literaturana-                                                                    wurden. Schritt eins, die Materialauswahl, wurde im       Textanalyse.
                                                                   Gewerkschafter (BGFG)
       lyse wurden die recherchierten Wissenselemente in
       drei Kategorien geordnet: offizielle Dokumente          •   Vertreter der Drachenbau St. Georg                      1.4 .4 KONZEPTIONSPHASE
       (Drucksachen, Fachberichte der Ministerien, Geset-          Wohngenossenschaft eG
       zestexte),   Medienberichte       (Fernsehbeiträge,     •   Vertreter des Landesbetrieb Immobilien-                 Die letzte methodische Phase bildet das Konzept.          Mithilfe eigens identifizierter und entwickelter
       Zeitungsartikel) und wissenschaftliche Arbeiten             management und Grundvermögen (LIG)                      Dieses verfolgt das Ziel, die Erkenntnisgewinne der       Clusterung der Mehrwerte und Hemmnisse der
       (Journals, Fachzeitschriften).                                                                                      Analyse in den Kontext der Fragestellung einzu-           Erbbaurechtspraxis konnten Spannungsfelder
                                                               •   Vertreterin des Immobilienservice,
                                                                                                                           betten und auszuwerten. Anders als die Phasen             zwischen den Genossenschaften und der FHH
                                                                   Stadt München
       Auf Grundlage der erhobenen Daten konnten                                                                           zuvor basiert das Konzept nicht ausschließlich auf        dargestellt und alternative Handlungsansätze
       bereits erste Aussagen darüber getroffen werden,        •   Vertreter des Deutschen                                 einer quellenbasierten Aufarbeitung, sondern              erarbeitet werden.
       welche unterschiedlichen Standpunkte in der aktu-           Erbbaurechtsverbandes                                   erlaubt aus den vorherigen Darstellungen eine
       ellen Debatte gegenüber dem Erbbaurecht                 •   Abgeordnete der Hamburgischen                           praxisbezogene Herleitung von Problemstellungen
       eingenommen werden und welchen wohnungs-                    Bürgerschaft                                            und Potenzialen. Die aus der Kodierung ­generierten
       politischen Akteur:innen sich diese zuordnen                                                                        Erkenntnisse über die Sichtweisen und Stand-
       lassen. Ergänzend zu diesen Erhebungen aus              Ziel der Gespräche war es, qualitative Daten zu             punkte der beteiligten Akteur:innen gegenüber
       Sekundärdatensätzen galt es, diese Akteur:innen         generieren und einen Einblick in die unterschiedli-         dem Instrument Erbbaurecht ermöglichen in der
       für Expert:innengespräche zu gewinnen. Pro vorab        chen Sichtweisen und Argumentationslinien der               Konzeptionsphase eine Herausstellung der Poten-
       definiertem Standpunkt sollte mindestens ein            Akteur:innen zu gewinnen.                                   ziale und Hemmnisse der Vergabepraxis.

12    EINLEITUNG    AUSGANGSLAGE        ERBBAURECHT     GENOSSENSCHAFTEN     ERGEBNISSE      REFLEXION       ANHANG       EINLEITUNG       AUSGANGSLAGE       ERBBAURECHT      GENOSSENSCHAFTEN      ERGEBNISSE     REFLEXION     ANHANG     13
Methodisches Vorgehen

                             2.
                             WOHNUNGS- UND
                             BODENPOLITISCHE AUSGANGSLAGE
                             2.1 Die Ressource Boden auf dem Wohnungsmarkt

                             2.2 Bodenpolitik in Hamburg

                             2.3 Die Rolle der Kommunen in der Bodenf rage

                             2.4 Liegenschaftsinstrumente

14                                                                           15
Die Ressource Boden auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt                                                                                                                 Die Ressource Boden auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt

       Das folgende Kapitel widmet sich der boden-              Bodenpolitik beschreibt also einen zukunfts-              Kostensteigerung auf der Ebene der verschiedenen                          Hans-Jochen Vogel, ehemaliger Oberbürgermeis-
       politischen     Ausgangslage      des   Hamburger        bewussten, gerechten Umgang mit Grund und                 Kostengruppen darstellt, aus denen sich die Geste-                        ter von München und Minister für Raumordnung,
       Wohnungsmarktes. Um sich der Komplexität der             Boden. Zur Einordnung der Bodenpolitik in                 hungskosten einer Wohnung zusammensetzten                                 Bauwesen und Städtebau, bemüht sich seit Jahr-
       Bodenpolitik anzunehmen, bedarf es vorab einer           Hamburg wird vorab auf die Eigenart der Ressource         (BSW 2021). Die Gestehungskosten von Wohnraum                             zehnten um eine neue Bodenordnung und stellte
       Definition der Begrifflichkeit Bodenpolitik. Hierfür     Boden genauer eingegangen und ihre Bedeutung              wiederum spiegeln sich in dem frei finanzierten                           in seinem Buch Mehr Gerechtigkeit! die Frage nach
       gilt in Deutschland in der Regel noch immer die          für den Wohnungs- und Mietenmarkt erläutert. Auf          Wohnungsmarkt in den Mieten wider.                                        bezahlbarem Wohnraum erneut in den Fokus, mit
       Aussage vom Bundesverfassungsgericht aus dem             Grundlage aktueller boden- und wohnungspoliti-                                                                                      folgender Grundeinsicht:
       Jahr 1954:                                               scher   Entwicklungen      in    Hamburg       werden     Da die Gestehungskosten maßgeblich von den
                                                                anschließend die Funktion der Kommune in der              Preissteigerungen der Bodenpreise abhängen,                                  „Grund und Boden ist keine beliebige Ware,
          „Bodenpolitik wird verstanden als zielbewusstes       Bodenfrage herausgearbeitet und wichtige liegen-          wirken sich diese zwangsläufig auf die Mietpreis-                            sondern eine Grundvoraussetzung menschli-
          Handeln zur Herbeiführung oder Bewahrung              schaftspolitische Instrumente vorgestellt.                entwicklung von Wohnraum aus. Dies hat zur Folge,                            cher Existenz. Boden ist unvermehrbar und
          einer optimalen Verwendung des Bodens sowie                                                                     dass vor allem Nutzungen wie der soziale                                     unverzichtbar. Er darf daher nicht dem unüber-
          einer      sozialgerechten     Verteilung      des                                                              Wohnungsbau, genossenschaftliches Wohnen                                     sehbaren Spiel der Marktkräfte und dem
          Bodeneigentums und des Boden-​einkommens“                                                                       oder sonstige soziale Institutionen, deren Kern die                          Belieben des Einzelnen überlassen werden,
          (BVerfG 1954).                                                                                                  Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ist,                                 sondern muss noch mehr als alle anderen
                                                                                                                          kaum noch Zugang zu bezahlbaren Grundstücken                                 Vermögensgüter in den Dienst der Interessen
       2 .1 D I E R E S S O U R C E B O D E N AU F D E M WO H N U N G S - U N D B O D E N M A R KT                        bekommen, weil sie die geforderten Preise ohne                               der Allgemeinheit gestellt werden.“ (Vogel 2019,
                                                                                                                          eine Änderung ihrer Mietenpolitik nicht zahlen                               S. 48)
       Die problematische Situation auf den insbesondere        deutlich zu spüren. Besonders die seit der Welt-​         können und damit gegen profitorientierte Inves-
       städtischen Wohnungsmärkten in Deutschland               finanzkrise „exorbitant gestiegenen Baulandpreise“        tor:innen aus dem Wettbewerb ausscheiden (Difu
       wurde      eingangs   bereits   erläutert   und   mit    sind ursächlich für die zuletzt stark gestiegenen         2017, S. 9). Das kapitalistische Privateigentum an
       ­erklärendem Zahlenmaterial belegt. Im Mittelpunkt       Mieten- und Immobilienpreise (Difu 2017, S. 1). Wie       Grund und Boden und dessen profitorientierte
       der medialen Berichterstattung der letzten Jahre         schon erwähnt, erreichten die Baulandpreise im            Verwertung bilden die Grundlage der Wohnungs-
       stehen zumeist die enormen Anstiege der Mieten           Jahr 2019 bundesweit mit 189,51 Euro/m² ein neues         frage (Heinz und Belina 2019, S. 9). Der spekulative
       und der zunehmende Mangel an bezahlbarem                 Rekordniveau (Statistisches Bundesamt 2020).              Umgang mit dem Grundrecht Wohnen verhindert
       Wohnraum, weniger brisant diskutiert wird hinge-         Diese exponentielle Steigerung der Bodenpreise ist        eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik (ebd.).
       gen die wesentliche Ursache dieser Entwicklungen,        neben der wachsenden Nachfrage durch den
       nämlich der immense Anstieg der Baulandpreise            Bevölkerungszuzug auch auf die veränderte
       (Vogel 2019, S. 10). Im Folgenden wird sich daher der    ökonomische Bedeutung des Bodens zurückzu-
       Frage gewidmet, welche Rolle Grund und Boden             führen. Durch die Notwendigkeit, Boden intensiver
       für die Stadtplanung und den Wohnungsbau spielt          zu bebauen und für die Bevölkerung nutzbar zu                                      35

       und wieso eine flächendeckende Versorgung mit            machen, wurde der Boden immer mehr zum                                                     28,6
                                                                                                                                                   30
       bezahlbarem Wohnraum hauptsächlich an der                Objekt der Spekulation (Heinz und Belina 2019). Da
       Bodenfrage scheitert.                                    die Verfügbarkeit an Bauland der maßgebliche
                                                                                                                                                   25
                                                                Kostenfaktor ist, liegt es nahe, dass urbane Gebiete

                                                                                                                            Kostensteigerung [%]
       Egbert Dransfeld vom Institut für Bodenmanage-           mit hohem Flächendruck besonders stark von                                         20                    17,7                             18,1
       ment zufolge ist der „Bodenmarkt […] ein dem             Baulandpreissteigerungen           betroffen     sind.                                                                    15
       Wohnungsmarkt vorgelagerter Markt – Boden-               Hamburg verzeichnet seit 2005 einen durchschnitt-                                  15                                                                                       12,9
                                                                                                                                                                                                                            11,7
       marktprobleme haben damit immer unmittelbare             lichen Anstieg der Preise für baureifes Land von
                                                                                                                                                   10
       Auswirkungen auf das Wohnen“ (Dransfeld 2018, S.         200% (Statista 2021b) und damit mit Berlin die
       136). Dieser limitierende Faktor ist auf die Eigenart    bundesweit höchsten Preise für den Quadratmeter
                                                                                                                                                    5
       der Bodenressource zurückzuführen, da der Boden          Bauland. Bereits 2017 überschritt im Zuge der
       ein endliches Gut ist und damit anders als andere        Baulandpreissteigerungen der „Anteil der Grund-                                    0
       Güter nicht reproduzierbar (Dieterich 2005, S. 376).     stückskosten an den Gestehungskosten einer                                              Grundstück   Vorbereitende     Bauwerk       Außenanlagen        Ausstattung   Baunebenkosten
                                                                                                                                                                      Maßnahmen                      und Freiflächen
       Diese „prinzipielle Unvermehrbarkeit des Bodens“         Wohnung […] in attraktiven Lagen bereits die
       (ebd.) hat für den Markt zur Folge, dass eine erhöhte    50 %-Grenze“ (Difu 2017). Zwischen 2016 und dem                                                                                Kostengruppen
       Nachfrage nach Bauland immer auch einen                  dritten Quartal im Jahr 2020 ist für die Stadt
       Anstieg der Angebotspreise bedeutet. Eben dieser         Hamburg bei den Grundstückskosten ein anteiliger
       Marktmechanismus von nachfrage- und angebots-            Anstieg von 28,6 % festgestellt worden (siehe Abbil-      Abb. 2: Darstellung der prozentualen Kostensteigerung in den hamburgischen Herstellungs- und Grundstückskosten von
       bedingten Preissteigerungen des Baulandes ist auf        dung 2), der Prognosen zufolge bis 2021 erneut um                                                          2016 bis 2020 (Bezugnahme auf Bruttokosten)
       den deutschen Wohnungsmärkten seit Jahren                8,1 % steigen wird und damit die prozentual höchste

16    EINLEITUNG     AUSGANGSLAGE      ERBBAURECHT       GENOSSENSCHAFTEN     ERGEBNISSE        REFLEXION      ANHANG    EINLEITUNG                     AUSGANGSLAGE    ERBBAURECHT       GENOSSENSCHAFTEN         ERGEBNISSE      REFLEXION       ANHANG   17
Bodenpolitik in Hamburg                                                                                                                                                                              Bodenpolitik in Hamburg

       Aus diesen Erläuterungen lassen sich wichtige                 Jahrzehnten vor und gewinnt zunehmend an                Jahrzehnte der Wohnungs- und Bodenpolitik in
       Erkenntnisse über die Eigenart des Bodens und                 Relevanz, denn:                                         Hamburg.
       seine Schlüsselfunktion auf dem Wohnungsmarkt
       gewinnen, die jedoch nicht neu sind. Bereits 1959                Boden ist der Schlüssel zu einer gemeinwohlsi-       Historischer Exkurs
       wurde im Godesberger Programm die Forderung                      chernden Zukunftsgestaltung und eine gut
       an die Bau- und Bodenpolitik formuliert, den                     aufgestellte Bodenpolitik schlussfolgernd der        Wie in der Einleitung bereits erläutert, hat das        nicht gedeckt werden. Einer Prognos-Studie
       damaligen Mangel an Wohnraum zu beheben und                      „strukturelle, gesellschaftspolitische Dreh und      Thema Wohnen seit 1990 in der bundesweiten              zufolge werde „nicht nur zu wenig gebaut, sondern
       Bodenspekulationen zu unterbinden (ebd., S. 27).                 Angelpunkt einer sozial gerechten und nach-          Politik kaum mehr eine Rolle gespielt. In Hamburg       auch zu teuer“ (Koch et al. 2017, S. 1). Neubau von
       Für die eingangs aufgestellte Frage nach der Rolle               haltigen Stadtentwicklungspolitik“ (Difu 2017, S.    kam es zwischen 2001 und 2011 unter der Regierung       Wohnraum findet vor allem im hochpreisigen
       von Grund und Boden in der Stadtplanung und im                   6 f.).                                               der CDU zu einer Deregulierung und Liberalisie-         Segment statt und verschärft so die soziale
       Wohnungsbau liegt die Antwort also bereits seit                                                                       rung der Hamburger Wohnungspolitik und                  Ungleichheit. Anders als nach dem zweiten Welt-
                                                                                                                             städtische Grundstücke wurden zu Höchstpreisen          krieg ist also nicht von einer Wohnungsnot die
                                                                                                                             veräußert (Metzger 2020, S. 66). Erst 2009 haben        Rede, sondern von einem sozial und räumlich pola-
       2.2 BODENPOLITIK IN HAMBURG                                                                                           steigende Mieten und voranschreitende Gentrifi-         risierten Wohnraummangel (Schönig 2017, S. 12).
                                                                                                                             zierungsprozesse stadtpolitische Initiativen zu
       Wie die Baulandpreisentwicklungen der letzten                 ten zusätzlichen Flächen zu gewährleisten“ (ebd.).      Protesten    motiviert   und    als   Reaktion   auf    Um die vielfältigen Probleme zu lösen, hat das
       Jahre gezeigt haben, stehen vor allem Metropolen              Das Aufgabenportfolio umfasst dabei nicht nur die       Demonstrationen, Kampagnen und Hausbesetz-              Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
       wie Hamburg vor der Herausforderung, der Speku-               Steuerung des städtischen Immobilienvermögens,          ungen wurde eine Rückkehr der Wohnungsfrage             (BMI) 2018 die Expertenkommission „Nachhaltige
       lation     mit    Grund   und    Boden        und    ihren    sondern auch den strategischen Ankauf von Grund-        in die Hamburgische Bürgerschaft erreicht (ebd.).       Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ (Bauland-
       Auswirkungen auf die Wohnungsmärkte zu begeg-                 stücken und Immobilien zur Sicherung langfristiger                                                              kommission) eingerichtet, deren Aufgabenfeld
       nen. „Die natürliche flächenmäßige Beschränkung               Entwicklungsperspektiven. Das angestrebte Ziel ist      Um    sich   den   Herausforderungen      des    sich   unter anderem den Themenkomplex Aktive Boden-
       eines Stadtstaates macht es notwendig, mit der                dabei vor allem eine langfristige Bodenbevorratung      ­zuspitzenden Wohnungsmarktes zu s­ tellen, hat der     und Liegenschaftspolitik umfasst. In engem
       Ressource ‚Boden‘ besonders effizient umzugehen“              und vorrausschauende Flächenpolitik. Im Sinne der       SPD geführte Senat 2011 das „Bündnis für das            Austausch mit der Stadt Hamburg als positive
       (Hamburgische Bürgerschaft 2019b, S. 8). Die FHH              durch die Stadt Hamburg gesetzten Ziele für die         Wohnen“ gegründet. Die Vereinbarung zwischen            Referenz wurden Empfehlungen hinsichtlich einer
       hat eine aktive Liegenschaftspolitik als zentrales            Förderung des Gemeinwohls soll der LIG durch eine       Senat, Verbänden der Wohnungswirtschaft und             verbilligten Bereitstellung bundeseigener Liegen-
       Instrument einer sozialverantwortlichen, nachhalti-           städtische Bodenbevorratungspolitik einen Beitrag       der SAGA sowie unter Beteiligung von Mieter:in-         schaften für den geförderten Wohnungsbau
       gen Stadtentwicklung erkannt und sich das Ziel                zur Bereitstellung von baureifem Land für die           nenvereinen stellte damit „konkrete Maßnahmen           getroffen (Hamburgische Bürgerschaft 2019b, S. 6)
       einer      gemeinwohlorientierten           Bodenpolitik      Wohnraumversorgung leisten (ebd.). Neben der            und Zielsetzungen für eine aktive und sozialver-        und im Koalitionsvertrag verankert. Durch das Ziel,
       gesetzt.                                                      Grundstückspolitik über städtische Wohnungs-            trägliche Weiterentwicklung des Hamburger               den „Ländern und Kommunen zu Zwecken der
                                                                     unternehmen       und   einem   aktiven   Flächen-      Wohnungsmarktes“ auf (BSW o.J.). Das Bündnis            sozialen   Wohnraumförderung        bundeseigene
       Die Basis dieser Liegenschaftspolitik ist die Förde-          management durch den LIG sind in Hamburg die            wurde 2015 in einer Koalition mit den Grünen            Grundstücke rechtssicher und im beschleunigten
       rung von sozialem Wohnungsbau über städtische                 Genossenschaften mit einem Wohnungsbestand              weitergeführt und ­gemeinsam das Ziel des Baus          Verfahren zu vergünstigten Konditionen zur
       ­Wohnungsbaugesellschaften. Die SAGA, das größte              von 130.000 Wohnungen ebenfalls ein „tragendes          von 6.000 Neubauwohnung pro Jahr verfolgt. Die          Verfügung [zu] stellen“ (CDU, CSU, SPD 2018), wird
       kommunale Wohnungsunternehmen Deutsch-                        Element des Hamburger Wohnungsmarktes“ (SPD             Neubautätigkeit konnte zwar seitdem deutlich            zum einen fehlendes Bauland als zentrale Ursache
       lands, verfügt über 20 % der gesamten Miet-                   und Bündnis 90/Die Grünen 2020, S. 26).                 erhöht werden, doch insbesondere an sozialem            für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum öffent-
       wohnungsbestände in Hamburg und ist „Garantin                                                                         Wohnraum mangelte es trotz neuer Handlungs-             lich benannt. Zum anderen wird dadurch die
       für preisgünstige Mieten im Bestand und im geför-             Das zunehmende Bevölkerungswachstum in                  ansätze und Instrumente weiterhin. Über die             Steuerungsmöglichkeit der öffentlichen Hand als
       derten     Neubau“     (ebd.,   S.    9).   Ein   weiteres    Hamburg und die Bodenmarktengpässe haben                Vereinbarungen im Bündnis für das Wohnen rückte         Lösungsansatz dieses Problems definiert und
       Aufgabengebiet übernimmt das Unternehmen in                   dazu geführt, dass die kommunale Bodenpolitik           zunehmend die Kommune als Handlungsträgerin             damit ein wichtiges Signal für die landesweite
       der Bereitstellung von Wohnraum für vorwiegend                durch die Polarisierung der Wohnungsfrage in            in den Vordergrund und verstärkte durch die             Bodenpolitik gesetzt. Dieses politische Umdenken
       wohnungsuchende Menschen, mit der auch die                    Hamburg wieder stark an Bedeutung gewonnen              vermehrte Anwendung der Konzeptvergabe und              findet sich auch auf Landesebene wieder. So
       f&w fördern und wohnen AöR (f&w) beauftragt                   hat und auch auf politischer Ebene wieder in den        des Drittel-​Mix bei Ausschreibungen die städtische     fordern SPD und Grüne in einem Bürgerschaft-
       wurde. Per Direktvergabe stellt die FHH der SAGA              Vordergrund der Agenda gerückt ist. In Hamburg          Einflussnahme (Metzger 2020, S. 69). Eine Dämp-         santrag ein „neues bodenpolitisches Grundsatz-
       und f&w hierfür jährlich Grundstücke bis zu 2500 m²           haben zuletzt Diskussionen zum Mietpreisdeckel          fung der Preissteigerungen konnte dennoch nicht         konzept“ für Hamburg (Meyer-Wellmann 2018b).
       zur Verfügung. Im Rahmen des aktiven Liegen-                  und    die   Grundstücksspekulationen     um    das     erreicht werden. Bis 2017 stiegen die Mietpreise auf    Der Senat plant in einem weitreichenden Wechsel
       schaftsmanagements ist auch die Stadt Hamburg                 Holsten-Areal die Debatte der Wohnungs- und             8,44 Euro/m² und verzeichneten damit einen              seiner Bodenpolitik die „Vergabe städtischer
       ein bedeutsamer Markteilnehmer (ebd.). Der                    Bodenfrage neu entfacht. Doch „Wohnen“ war in           Anstieg von 18 % im Vergleich zum Jahr 2011 (Statista   Grundstücke fast nur noch in Erbbaupacht“
       Landesbetrieb       Immobilienmanagement              und     Hamburg nicht immer ein Thema von Bedeutung.            2021a). Baureifes Land in Hamburg stieg im selben       (Meyer-Wellmann 2018a). Städtische Grundstücke
       Grundvermögen (LIG) betreibt daher im Auftrag                 Um also die heutige Relevanz der Bodenfrage             Zeitraum um mehr als 30 % auf 689 Euro/m²               sollen künftig nur in Ausnahmefällen an Investor:in-
       der FHH „eine aktive, strategische Flächenpolitik,            besser nachvollziehen zu können, bedarf es eines        (Statista 2021b). Auch auf Bundesebene konnte der       nen verkauft und in der Regel im Erbbaurecht
       um eine zeitgerechte Bereitstellung von geeigne-              kurzen historischen Exkurses über die vergangenen       wachsende Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum              vergeben werden. Dieser Wandel findet sich auch

18    EINLEITUNG        AUSGANGSLAGE        ERBBAURECHT       GENOSSENSCHAFTEN     ERGEBNISSE    REFLEXION      ANHANG      EINLEITUNG    AUSGANGSLAGE       ERBBAURECHT       GENOSSENSCHAFTEN    ERGEBNISSE     REFLEXION      ANHANG     19
Die Rolle der Kommunen in der Bodenfrage                                                                                                                                              Liegenschaftspolitische Instrumente

       in     dem    Haushaltsbeschluss    2019/2020      der    Koalitionsvertrag 2020 die Ziele für eine gemein-          Bedingung der Umkehr der Eigentumsverhältnisse             Baulandkommission ist sich dieser Verantwortung
       Hamburgischen Bürgerschaft wieder: Erbbau-                wohlorientierte Bodenpolitik in Hamburg definiert.         und Rückgewinnung der kommunalen Steue-                    bewusst und appelliert an einen konsequenteren
       rechte sollen intensiver genutzt werden und               Auch hier nimmt die Vergabe in Erbbaurecht eine            rungsfähigkeit. Nur eine kommunale Bodenvor-               Ausbau der aktuellen Boden- und ­
                                                                                                                                                                                                                       Liegen-​
       dadurch die kommunale Einflussnahme und die               zentrale Funktion in der Bereitstellung von mehr           ratspolitik könne den Bodenmarkt in den Griff              schaftspolitik von Bund, Ländern und Kommunen
       soziale Bindung festigen (Hamburgische Bürger-            Wohnungen ein.                                             bekommen (Löhr 2020, S. 7).                                (DV 2019, S. 11). Sie empfiehlt dahingehend ein
       schaft 2019b, S. 14). Zuletzt wurden mit dem                                                                                                                                    ­aktives Handeln aller Verantwortlichen: Unter ande-
                                                                                                                            Die vorausgegangenen Erläuterungen lassen                  rem sollen eigene Liegenschaften für bezahlbaren
       2.3 DIE ROLLE DER KOMMUNEN IN DER BODENFRAGE                                                                         schlussfolgern, dass die Planungshoheit der                Wohnraum bereitgestellt, kommunale Grund-
                                                                                                                            Kommunen als Steuerungsmöglichkeit allein nicht            stücke nicht mehr zu Höchstpreisen abgegeben
       Die vorherigen Erläuterungen veranschaulichen             len Wohnungseigentums“ (Metzger und Schipper               ausreicht und nur in Kombination mit der Rückge-           und der Grundstücksankauf für die Bereitstellung
       die Entwicklungen des Wohnungsmarktes und                 2017, S. 204).                                             winnung       der     Eigentümerinfunktion,        einer   von sozialem Wohnraum gefördert werden (ebd.).
       speziell den zunehmenden Erkenntnisgewinn über                                                                       langfristigen Bodenbevorratungspolitik und der             „Nur durch das Zusammenwirken vieler einzelner
       die Bedeutung der Bodenfrage in der politischen           Wenn das Privateigentum an Grund und Boden                 Abkehr von der Beteiligung am spekulativen                 Bausteine und aller Akteure kann die Mobilisierung
       Debatte um Wohnraumbeschaffung. Der folgende              das ursächliche Problem der aktuellen Bodenpreis-          Grundstücksmarkt          durch     die   Veräußerung      von Bauland und eine stärkere Gemeinwohlorien-
       Abschnitt soll darauf aufbauend erläutern, wieso          steigerungen und damit der Mietentwicklungen               kommunaler Grundstücke zur Bewältigung der                 tierung des Eigentums wirkungsvoll befördert
       besonders die Auseinandersetzung mit der Rolle            und ansteigenden sozialen Ungleichheit auf dem             Wohnungsf rage beitragen kann.               Auch die      werden“ (ebd., S. 7).
       der öffentlichen Hand und die Rückgewinnung               Wohnungsmarkt ist, „dann liegt die Lösung des
       kommunaler Steuerungsmöglichkeiten in der                 Problems in dessen Negation: in der Vergesellschaf-        2.4 LIEGENSCHAFTSPOLITISCHE INSTRUMENTE
       Bodenfrage ein oder auch der elementare Schritt           tung des Bodens und seiner Dekommodifizierung“
       für die Bewältigung der Wohnungsfrage ist.                (Heinz und Belina 2019, S. 21). Zwar gehen andere          Damit Städte und Gemeinden ihre Steuerungskraft            Gegenstand haben und vor allem die Eigentüme-
                                                                 Autor:innen und Institutionen, wie das Deutsche            zurückgewinnen können, bedarf es dem Difu                  rinfunktion der Stadt Hamburg stärken.
       Der     Zuständigkeitsbereich      der    deutschen       Institut für Urbanistik (Difu) und der Deutsche            zufolge einer konsequenten Anwendung boden-
       Wohnungspolitik ist dreigeteilt und umfasst Bund,         Städtetag, mit ihren Aufrufen nicht ganz so weit, in       und liegenschaftspolitischer Instrumente (Difu             Der „kooperative Ansatz“, welcher der Aktivierung
       Länder und die Kommunen. Seit 1980 jedoch gibt            der Forderung nach einer Ausweitung des kommu-             2017, S. 1). Bodenrechtliche Instrumente, welche die       privater Liegenschaften dient, wird in Hamburg
       es bereits einen Rückzug des Bundes aus der               nalen Eigentums zur Gestaltung einer sozial                kommunale Einflussnahme auf die Immobilien-                unter   anderem         durch   die   Wohnungsbau-
       Wohnungspolitik und eine zunehmende Kommu-                gerechten Stadt an Grund und Boden sind sie sich           und Grundstücksmärkte stärken, müssen weiter               programme der Hamburger Bezirke verfolgt. Der
       nalisierung     dieses   Politikfeldes.    Mit     der    jedoch einig (ebd.). Das Difu sieht die Wieder-            entwickelt,    intensiviert,    verschärft   und    ihre   „Vertrag für Hamburg - Wohnungsneubau“ und
       Föderalismusreform von 2006 wurden dann die               gewinnung der bodenpolitischen Handlungsfähig-             Ausübung erleichtert werden (ebd., 2 ff.). Die             das „Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ sind
       Zuständigkeiten für den sozialen Wohnungsbau              keit der Kommune als zentralen Schlüssel zur               Verbesserung der Anwendung und Wirksamkeit                 dabei die wesentlichen vertraglichen Grundlagen
       vollständig vom Bund auf die Länder verlegt               Bewältigung der Wohnungsnot (Difu 2017, S. 11). Bei        dieser Instrumente ist einer der wesentlichen              der Neubauförderung (ebd., S. 19). Im Rahmen
       (Eberhardt-Köster et al. 2018, S. 37). Die kommunale      Gewerbegebieten und großen Infrastrukturprojek-            Aufgabenbereiche          der     Baulandkommission        dieser kooperativen Ansätze finden in Hamburg die
       Planungshoheit      bietet   den    Gemeinden        in   ten ist die Eigentümerinfunktion der Kommune               (Hamburgische Bürgerschaft 2019a, S. 5) und bildet         folgenden bodenpolitischen Instrumente Anwen-
       Deutschland das Recht zur Planung der örtlichen           seit Jahren Selbstverständlichkeit und es sei Zeit,        die Grundlage für weitreichende Empfehlungen               dung:
       Gemeinschaft in eigener Verantwortung (Art. 28            dass    dieser     Paradigmenwechsel       auch     im     und Vorschläge zur Anpassung der gängigen
       GG). Die Selbstverwaltungsaufgaben der Kommu-             Wohnungsbau ankommt. Nicht nur ließe sich                  Ansätze in Bund, Ländern und Kommunen.                     Im besonderen Städtebaurecht (BauGB):
       nen umfassen dabei vielfältige Aufgabenbereiche.          dadurch eine langfristige Einflussmöglichkeit auf
       Im Rahmen des Baugesetzbuches kann die Art und            die Flächen sichern, eine vorausschauende Boden-           Wie auch viele andere Städte greift die FHH auf ein
                                                                                                                                                                                       •   Städtebauliche Verträge
       Weise der Neubaugebäude festgesetzt und der               vorratspolitik führe laut des Difu auch zu einer           breites Angebot bodenpolitischer Instrumente und
       Anteil von preiswertem Wohnraum bei Neubau-                                                                          Maßnahmen           zurück.   Die   Maßnahmen,       die   •   Kommunale Vorkaufsrechte
                                                                 weitgehenden Resistenz gegenüber zyklischen
       projekten definiert werden. Darüber hinaus können         Nachfrageschwankungen und deren Folgewirkung               Hamburg nutzt, um das Ziel einer gemeinwohl-               •   Innenentwicklungsmaßnahmen
       Kommunen – wie es auch die FHH seit einigen               (ebd.). Dem Difu zufolge ist „Boden […] in vielfältiger    orientierten Bodenpolitik zu verfolgen, unterteilen
                                                                                                                                                                                       •   Umlegungsverfahren
       Jahren tut – eine aktive Bodenpolitik betreiben,          Weise Grundlage der Daseinsvorsorge“ (ebd.) und            sich im Haushaltsbeschluss dabei im Wesentlichen
       indem sie den Verkauf städtischer Grundstücke             seine Verfügbarkeit die Voraussetzung für bezahl-          in zwei Kategorien: Eine davon bilden Maßnahmen,           •   Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen
       unterbinden (Eberhardt-Köster et al. 2018, S. 37). Vor    baren Wohnraum, der im Sinne des Grundgesetzes             die den gesamten Grundstücksmarkt umfassen                 •   Soziale Erhaltensverordnung
       allem letztere Entscheidungshoheit rückt, wie             als Gemeinwohl verstanden wird. Die Verfolgung             und der Aktivierung privater Liegenschaften
       zuvor dargestellt, immer mehr in den Fokus der            ökonomischer Ziele mit dem gemeinwohlsichern-              dienen. Mit ihnen soll durch verschiedene Instru-          Im Steuerrecht:
       örtlichen Handlungspolitik, denn in einem werden          den Gut Boden strebt folglich entgegen jedem               mente Einfluss auf die Projektentwickler:innen,
       sich    die    Kommunen       zunehmend          einig:   Prinzip einer sozialen und nachhaltigen Stadt- und         Investor:innen und Eigentümer:innen ausgeübt
                                                                                                                                                                                       •   Grundsteuer C (in Planung)
       „Die umfangreichsten Gestaltungsmöglichkeiten             Wohnungsentwicklung. Dirk Löhr formuliert für              werden (Hamburgische Bürgerschaft 2019b, 6 f.).
       für eine postneoliberale Wende in der lokalen                                                                        Die andere Kategorie umfasst ­Maßnahmen, die in            •   Grunderwerbssteuer
                                                                 eine Verfolgung nicht ökonomischer Ziele die
       Wohnungspolitik liegen im Bereich des kommuna-            notwendige,       wenngleich   nicht   hinreichende        erster Linie kommunale Liegenschaften zum

20    EINLEITUNG     AUSGANGSLAGE      ERBBAURECHT        GENOSSENSCHAFTEN        ERGEBNISSE    REFLEXION      ANHANG      EINLEITUNG     AUSGANGSLAGE          ERBBAURECHT      GENOSSENSCHAFTEN     ERGEBNISSE       REFLEXION   ANHANG     21
Liegenschaftspolitische Instrumente

       Auch im Anwendungsbereich städtischer Liegen-         Analyse der Boden- und Wohnungsmarktsituation
       schaften greift die FHH auf einen umfassenden         in Hamburg stellt jedoch den Senat nach eigenen
       Maßnahmenkatalog zur nachhaltigen Bewirtschaf-        Angaben     vor   die   Herausforderung,      neue

                                                                                                                    3.
       tung urbaner Flächen zurück. Die wichtigsten          Instrumente zu entwickeln und vorhandene zu
                                                             ­
       Eckpfeiler sind hierbei die Ausrichtung der           schärfen (FHH 2021). Die Hamburger Regierung
       Grundstückspolitik über städtische Wohnungsbau-       sieht eine gezielte Anwendung und stetige Erwei-
       gesellschaften und eine strategische Flächenpolitik   terung dieser strategischen Instrumente als

                                                                                                                    ERBBAURECHT
       durch den LIG. Die wichtigsten Instrumente zur        Voraussetzung, um ihre Einflussmöglichkeiten auf
       Implementierung der Ziele einer nachhaltigen          die aktuellen Entwicklungen auf dem Boden- und
       Steuerung städtischer Liegenschaften sind unter       Mietenmarkt zu steigern und so eine nachhaltige,
       anderem:                                              gemeinwohlfördernde         Wohnungsmarktent-
                                                             wicklung vorantreiben zu können.                       3.1 Das Instrument
       •   Konzeptvergaben statt Höchstpreisverfahren
                                                             Einen besonderen Fokus legt der Senat auf die          3.2 Historische Entwicklung
       •   8-Euro-Wohnungsbau                                Weiterentwicklung des Instruments Erbbaurecht,
       •   Grundstücksvergaben ohne Ausschreibungs-          welches vor allem hinsichtlich der Bereitstellung      3.3 Gesetzlicher Rahmen
           verfahren                                         von Wohnraum in Zukunft eine immer wichtigere

       •   Erbbaurechte
                                                             Rolle in Hamburg einnehmen soll (Hamburgische          3.4 Anwendungspraxis
                                                             Bürgerschaft 2019b, S. 28) und auch in dieser Arbeit
                                                             im Vordergrund steht. Im folgenden Kapitel wird        3.5 Aktuelle Auseinandersetzungen
       Zwar werden diese Maßnahmen bereits „konse-           daher das städtebauliche Instrument Erbbaurecht
       quent eingesetzt, um bezahlbaren Wohnraum             vorgestellt und die aktuelle Anwendungspraxis in
       sowie stabile Quartiere für die Zukunft zu sichern“   Hamburg erläutert.
       (Hamburgische Bürgerschaft 2019b, S. 8), eine

22    EINLEITUNG   AUSGANGSLAGE      ERBBAURECHT      GENOSSENSCHAFTEN     ERGEBNISSE    REFLEXION      ANHANG                                          23
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