PFLEGE BILDET Edukation als Kernkompetenz in der Primärversorgung - unipub
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Herlinde M. Ressler PFLEGE BILDET Edukation als Kernkompetenz in der Primärversorgung NURSING EDUCATES Education as a core competence in Primary Health Care Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science im Rahmen des Universitätslehrganges Lehrerinnen und Lehrer der Gesundheits- und Krankenpflege betreut von Dr. Martin Sprenger MPH Karl-Franzens-Universität Graz und UNI for LIFE Graz, März 2021
Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich während der Erstellung meiner Masterarbeit unterstützt und motiviert haben. Zuerst gilt mein Dank Dr. Martin Sprenger, der meine Masterarbeit betreut und begutachtet hat. Danke für die hilfreichen Anregungen. Bedanken möchte ich mich auch bei Mag.a Ursula Auer und Mag.a Sabine Penker-Hatzl für das Korrekturlesen. Ebenfalls möchte ich meinen Mitstudentinnen Melanie Kolb und Anna Joho-Klinger für die emotionale Unterstützung, den regen Austausch und die motivierenden Gespräche danken. Dr.in Eva Petz und Dr. Oliver Petz: danke für die Freundschaft! Ich wünsche euch einen langen Atem und viel Kraft für die Arbeit in der Primärversorgung. Abschließend bedanke ich mich bei meinem Mann für den technischen Support und den Rückhalt in allen Belangen über die Dauer meines gesamten Studiums. Graz, März 2021
Abstract Das Österreichische Primärversorgungsgesetz führt Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen gemeinsam mit Mediziner*innen und Ordinationsassistent*innen als Mitglieder des Kernteams einer Primärversorgungseinheit (PVE) an. Obwohl in Österreich derzeit der Ausbau solcher Primärversorgungseinheiten forciert wird, befinden sie sich immer noch in der Pionierphase. In diesem Zusammenhang muss die Berufsgruppe der Pflegenden erst ihre Rolle definieren und ausfüllen. Schulen, informieren, beraten und moderieren sind ein Teil der Arbeitsfelder, welche Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen im Rahmen der im Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz vorgegebenen Kernkompetenzen anbieten. Diese Tätigkeiten werden in der Pflegewissenschaft unter dem Titel ‚Patient*innenedukation‘ zusammengefasst. Im Kontext der beiden Bereiche ‚Primärversorgung‘ und ‚Patient*innenedukation‘ stellt sich die Frage, in welcher Weise Pflegepersonen Patient*innenedukation in Primärversorgungseinheiten übernehmen können und über welche Kompetenzen und Skills sie dafür verfügen sollten. Das Anliegen der vorliegenden Literaturarbeit ist es, die beiden Themenbereiche ‚Primärversorgung‘ und von Pflegepersonen durchgeführte ‚Patient*innenedukation‘ zusammenzuführen und die dafür nötigen Kompetenzen herauszuarbeiten. Die Entwicklung der Primärversorgung bzw. der Primärversorgungseinheiten in Österreich wird ebenso beleuchtet wie die dafür maßgeblichen Grundlagentexte. Des Weiteren werden die theoretischen Hintergründe der Patient*innenedukation und des Themas ‚Kompetenz‘ behandelt. Anhand der Auseinandersetzung mit der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur und der entsprechenden Gesetzestexte soll neben der Beantwortung der Forschungsfragen ein entsprechender Katalog für die erforderlichen Kompetenzen bzw. Skills entworfen werden.
Abstract The Austrian ‘Primary Care Act’ lists qualified health care workers and nurses together with physicians and medical assistants as members of the core team of a primary care unit. Although the expansion of such primary care units is currently being promoted in Austria, they are still in the pioneering phase. In this context, the nursing profession must first define and fulfill its role. Training, informing, advising and moderating are part of the fields of work that qualified health care and nursing personnel offer within the framework of the core competencies specified in the Austrian Health Care and Nursing Act. These activities are summarized in nursing science under the title of ‘patient education’. In the context of the two topics of ‘primary care’ and ‘patient education’, the question arises how nurses can take on patient education in primary care units and what competencies and skills are essential. The aim of this literature based thesis is to bring together the two topics of primary care and patient education carried out by nurses and to work out the competencies required for this job. The development of primary care and primary care units in Austria is examined as well as the relevant basic documents. Furthermore, the theoretical background of patient education and the topic of 'competence' will be discussed. Based on the discussion of the existing scientific literature and the relevant legal documents, in addition to answering the research questions, a corresponding catalogue for the required competencies or skills will be drafted.
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ............................................................................................. 5 1.1 Problemstellung, Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit ........................ 6 1.2 Methodische Vorgehensweise .................................................................... 7 1.3 Grundlagen ................................................................................................. 8 2 Primary Health Care und die Primärversorgungseinheit in Österreich ............................................................................................... 10 2.1 Primary Health Care / Primärversorgung .................................................. 10 2.2 Entwicklung .............................................................................................. 11 2.3 Die Primärversorgung in Österreich .......................................................... 13 2.4 Primärversorgungseinheiten ..................................................................... 17 2.5 Die Pflegeperson und ihre Rolle in den Primärversorgungseinheiten ........ 21 2.6 Finanzierung der pflegerischen Tätigkeiten in der PVE ............................. 25 3 Patient*innenedukation ..................................................................... 27 3.1 Pädagogische bzw. didaktische Vorbemerkungen .................................... 28 3.1.1 Edukation und Bildung ....................................................................... 28 3.1.2 Das didaktische Dreieck .................................................................... 30 3.1.3 Spezifische Aspekte des Lernens bei Erwachsenen .......................... 31 3.2 Patient*innenedukation im Zusammenhang mit Information, Schulung, Beratung und Moderation ................................................................................ 32 3.2.1 Anmerkungen zu Information – Beratung – Schulung - Moderation ... 34 3.2.2 Rückschau: Die Entwicklung der Patient*innenedukation .................. 35 3.2.3 Schulen, Informieren und Beraten im GuKG ...................................... 36 3.2.4 Ziel und Nutzen von Patient*innenedukation...................................... 38 3.2.5 Theoretische Begründung pflegebezogener PE ................................. 42 3.2.6 Patient*innenedukation im Kontext des Pflegeprozesses ................... 50 3.2.7 Die Pflegeperson als Lehrende .......................................................... 54 3.3 Ethische Aspekte der Patient*innenedukation........................................... 55 4 Patient*innenedukation als Leistung des gehobenen Pflegedienstes in den PVE .................................................................... 56 4.1 Maßnahmen PE in der PVE ...................................................................... 56 4.1.1 Informieren anhand von Broschüren .................................................. 56 4.1.2 Schulen anhand von Mikroschulungskonzepten ................................ 58 4.1.3 Beraten unter Zuhilfenahme der Wittener Werkzeuge........................ 60 4.1.4 Moderieren: Familienmoderation........................................................ 63 4.2 Voraussetzungen für PE in der PVE – das optimale Setting ..................... 65 I
5 Skills und Kompetenzen – Die DGKP als ‚PE-Universalgenie‘ in der PVE.......................................................................................................... 68 6 Fazit und Ausblick ............................................................................. 76 Literaturverzeichnis ............................................................................... 78 II
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Teambasierte Primärversorgung in Österreich (Österreichische Sozialversicherung 2021) ............................................. 15 Abbildung 2: Primärversorgungsteam und Primärversorgungspartner .... 18 Abbildung 3: Das Team rund um den Patienten ...................................... 19 Abbildung 4: Leistungsprofil (eigene Darstellung, vgl. Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband Landesverband Steiermark 2018, o.S.) ............................................................................................... 22 Abbildung 5: Didaktisches Dreieck (eigene Darstellung) ......................... 30 Abbildung 6: Strukturmodell der Gesundheitskompetenz (eigene Darstellung, vgl. Lenartz/Soellner/Rudinger 2014, S.30) ......................... 45 Abbildung 7: Pflegeprozess (eigene Darstellung, .................................... 50 Abbildung 8: Edukationsprozess nach Redmann (eigene Darstellung, .... 51 Abbildung 9: Pflegeprozess und PE nach London (eigene Darstellung) .. 53 Abbildung 10: Das didaktische Dreieck im Kontext der PE (eigene Darstellung).............................................................................................. 54 Abbildung 11: Wittener Stern (Segmüller o.J.,o.S.).................................. 62 Abbildung 12: Relevante Hard Skills und Soft Skills (eigene Darstellung) 73 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Hauptstrategien der PE und ihre Ziele (vgl. Kocks/Segmüller 2017, S.221) ............................................................................................ 34 III
Abkürzungsverzeichnis ANP Advanced Nurse Practioner(s) DGKP Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson GuKG Gesundheits- und Krankenpflegegesetz FH Fachhochschule PE Patient*innenedukation PHC Primary Health Care PrimVG Primärversorgungsgesetz PV Primärversorgung PVE Primärversorgungseinheit/-en SV Österreichische Sozialversicherung WHO Weltgesundheitsorganisation IV
„Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben“ (Konfuzius). 1 Einleitung ‚Nursing is teaching‘ - unter diesem Motto nehmen seit Jahren Pflegekräfte im Ausland ihren pädagogischen Auftrag wahr (vgl. Harking 2005, S.72). Das Bewusstsein über den Auftrag von Beraten, Schulen und Informieren als Kompetenzen der Pflege durchdringt auch in deutschsprachigen Ländern vermehrt die dementsprechende Literatur. In Österreich vollzog sich 2016 dahingehend die gesetzliche Verankerung. Das österreichische Gesundheits- und Krankenpflegegesetz benennt die Kernkompetenzen des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege (GuKG §14). Darunter fallen unter anderem Prävention, Gesundheitsförderung, Beratung und Durchführung von Schulungen (vgl. Bundeskanzleramt 1997, S.12). Im Bereich der Primärversorgung ergibt sich ein breites Aufgabenspektrum für Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen (DGKP). Durch die steigende Anzahl chronisch kranker Menschen, die es nicht nur zu versorgen, sondern auch zu informieren, zu beraten und zu schulen gilt, können Pflegekräfte innerhalb ihrer Kernkompetenzen tätig werden. 2014 litten in Österreich 36% der Bevölkerung ab 15 Jahren an einem chronischen Gesundheitsproblem oder an einer dauerhaften Erkrankung (vgl. Griebler et al. 2017, S.21). Demgegenüber steht ein hoher Anteil der Bevölkerung mit einer im europäischen Vergleich begrenzten Gesundheitskompetenz (vgl. ebd., S.76). 2013 wurden die Gesundheitsziele Österreichs von der Bundesgesundheitskommission gemeinsam mit dem Ministerrat beschlossen (vgl. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und 5
Konsumentenschutz 2020a, o.S.; Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2021a, o.S). Gesundheitsziel 3 stellt sich dem Thema „Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken“ (vgl. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2020b, o.S.). Dieses Ziel ist auch im GuKG §14 und §16 verankert. Obwohl im Gesundheitsziel 3 die Primärversorgung (PV) bei den umsetzenden Institutionen nicht ausdrücklich genannt wird, sind Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention und folglich auch die Stärkung der Gesundheitskompetenz im Rahmen des Primärversorgungsgesetzes von öffentlichem Interesse und im Leistungsumfang einer Primärversorgungseinheit enthalten (PrimVG §3 und §5) (vgl. Bundeskanzleramt 2017, S.2f.). 1.1 Problemstellung, Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit Soll eine DGKP im Rahmen ihrer Berufsausübung in der PV einerseits ihren Kernkompetenzen und andererseits den Anforderungen des Primärversorgunggesetzes (PrimVG) gerecht werden, so wird sie Beratung, Schulung und Information anbieten. Diese drei Themenfelder werden der sogenannten Patient*innenedukation (PE) zugeschrieben. Oftmals findet diese allerdings im informellen und unbewussten Bereich statt. Da PE eine der Kernkompetenzen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege darstellt, muss sie im professionellen Rahmen verankert sein. Die Primärversorgungseinheiten (PVE) befinden sich in Österreich nach wie vor im Auf- und Ausbau. Gerade in dieser Pionierphase ergeben sich im Rahmen der Vorgaben vielerlei Chancen, die es zu nutzen gilt. Die Intensivierung und Professionalisierung der PE ist eine davon. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit den folgenden zentralen Fragestellungen: 6
In welcher Weise können Angehörige des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege Patient*innenedukation in Primärversorgungseinheiten übernehmen? Über welche Kompetenzen müssen sie verfügen, um PE anbieten zu können? Mögliche Herausforderungen können sich auch in Hinblick auf die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen ergeben. Dabei stellen sich Fragen nach den geeigneten räumlichen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Und zusätzlich dabei wäre auch eine Rollenbeschreibung im Team vonnöten. Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit ist es, die beiden Felder der PV und der PE zusammenzuführen, den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis sowie die rechtlichen Grundlagen herauszuarbeiten und mögliche Potenziale bzw. Entwicklungsmöglichkeiten zu nennen. Die Entwicklung eines Anforderungsprofils, das die nötigen Kompetenzen bzw. Skills der DGKP bezüglich PE in der PV anführt ist ein weiteres Ziel dieser Arbeit. Mit Hilfe einschlägiger Literatur soll ein Beitrag für das umfassendere Verständnis von PE in PVE geleistet werden. 1.2 Methodische Vorgehensweise Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Literaturarbeit. Es wird versucht, die beiden Themen der PE und der PV auf Basis der vorhandenen Fachliteratur zusammenzuführen. Die Recherche erfolgte vorrangig in Internetsuchmaschinen, den Datenbanken von Cochrane und PubMed sowie in den Bibliothekskatalogen der Karl-Franzens-Universität Graz und der FH Joanneum. Folgende Keywords wurden für die Recherche herangezogen: ‚Primary Care‘, ‚Primary Health Care‘, ‚Nurse‘, ‚Nursing‘, ‚Patient education‘, 7
‚Education‘ und ‚Krankenpflege‘. Diese Begriffe wurden sowohl in der englischen als auch in der deutschen Form unterschiedlich verknüpft. Die Arbeit ist in vier große Bereiche gegliedert. Im ersten Abschnitt wird das Thema der PV bzw. der PVE in Österreich behandelt und im Besonderen auf die Rolle des gehobenen Pflegedienstes und der Finanzierung der pflegerischen Tätigkeiten eingegangen. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der pflegerelevanten PE im Allgemeinen. Didaktische Grundlagen und die Anführung ethischer Aspekte ergänzen die Ausführungen über Information, Beratung, Schulung und Moderation. Abschnitt drei führt die beiden vorangegangenen Themen zusammen und beleuchtet die PE als Leistung des gehobenen Pflegedienstes in den PVE. Der vierte Abschnitt fokussiert schließlich auf das Thema ‚Kompetenzen und Skills‘. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Skills, die eine Pflegekraft für die Ausübung von PE in PVE aufweisen sollte. 1.3 Grundlagen Zunächst werden die zentralen Begriffe und Definitionen geklärt, um ein Grundverständnis für das Thema zu entwickeln. Edukation: Erziehung, Bildung (vgl. Dudenredaktion 2020a, o.S.; LEO 2006-2020, o.S.). Kernkompetenz: grundlegende, wesentliche Fähigkeit, stärkste Kompetenz (vgl. Dudenredaktion 2020b, o.S.). Kompetenz: Sachverstand, Fähigkeit, Zuständigkeit (vgl. Dudenredaktion 2020c, o.S.). 8
Patient*innenedukation (PE): Handlungen, die auf Information, Schulung, Beratung und Moderation für Patient*innen abzielen (vgl. Netzwerk Patienten- und Familienedukation in der Pflege e.V. 2020a, o.S.). Primärversorgung (PV): erste Anlaufstelle für alle Personen mit Fragen zu Gesundheit und Krankheit (vgl. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2019a, o.S.). Primärversorgungseinheit (PVE): erweiterte Praxis für Allgemeinmedizin mit einem Kernteam (Ärzt*in und DGKP) und zusätzlichen Gesundheits- und Sozialberufen (vgl. Bundeskanzleramt 2017, S.1). Skills: die Fähigkeit, eine Aktivität oder einen Job gut zu machen, insbesondere weil sie eingeübt wurde – wird oft mit ‚Kompetenz‘ gleichgesetzt (vgl. North et al. 2013, S.56; Cambridge University Press 2014, o.S.). Hard Skills: rein fachliche Qualifikation (Dudenredaktion 2021a, o.S.). Soft Skills: Kompetenz im zwischenmenschlichen Bereich. Fähigkeit im Umgang mit anderen Menschen (Dudenredaktion 2021b, o.S.). 9
2 Primary Health Care und die Primärversorgungseinheit in Österreich Dieses Kapitel beschäftigt sich einerseits mit PV und andererseits mit den PVE. Es handelt sich hierbei um zwei Begriffe, die voneinander zu unterscheiden sind und dennoch häufig synonym abgehandelt werden. 2.1 Primary Health Care / Primärversorgung Das österreichische Gesundheitsministerium beschreibt PV als „die erste Kontaktstelle für alle Personen mit gesundheitsbezogenen Fragestellungen“ (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2019a, o.S.). Diese Kernaussage stellt die Kurzform der allgemein gültigen Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dar. „Primary health care is essential health care based on practical, scientifically sound and socially acceptable methods and technology made universally accessible to individuals and families in the community through their full participation and at a cost that the community and country can afford to maintain at every stage of their development in the spirit of self-reliance and self-determination. It forms an integral part both of the country's health system, of which it is the central function and main focus, and of the overall social and economic development of the community. It is the first level of contact of individuals, the family and community with the national health system bringing health care as close as possible to where people live and work, and constitutes the first element of a continuing health care process” (WHO 1978, o.S.). Demgemäß soll die Gesundheitsversorgung zu leistbaren Kosten für alle Menschen vor Ort die erste Kontaktebene mit dem Gesundheitssystem sein (vgl. WHO 1978, o.S.). Diese Definition wurde bei der Erklärung von Alma-Ata festgeschrieben und bildet die Grundlage für alle weiteren 10
Definitionen im Zusammenhang mit Primary Health Care (PHC) bzw. Primärversorgung (PV). Das Expertengremium der Europäischen Union, das sich 2014 zum Thema Wirksame Wege im Bereich der Gesundheitsausgaben‘ geäußert hat, definiert Primary Care als Grundversorgung, welche die Bereitstellung allgemein zugänglicher, integrierter, personenzentrierter, umfassender Gesundheits- und Sozialdienste sichert. Ein Team von Fachleuten zeigt sich für die Abdeckung der Gesundheitsbedürfnisse der Bevölkerung verantwortlich. Die Dienstleistungen werden in einem partnerschaftlichen Rahmen gemeinsam mit Patient*innen, Betreuer*innen, Familie und Gemeinde erbracht und spielen eine zentrale Rolle für die allgemeine Koordination und Kontinuität der Versorgung. Die in der Grundversorgung tätigen Fachleute sind Allgemeinmediziner*innen/Hausärzt*innen, Zahnärzt*innen, Diätassistent*innen, Pflegepersonen, Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, Physiotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen, Optiker*innen und Apotheker*innen (vgl. EXPH 2014, S.18). 2.2 Entwicklung Lord Dawson of Penn (England) hat 1920 den Begriff der ‚Primary Health Centers‘ geprägt. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde bemerkt, dass die Organisation der Gesundheitsversorgung unzureichend sei und der Fortschritt in der Medizin die Bevölkerung nicht umfassend erreichen würde. Allgemeinärzte (zu jener Zeit handelte es sich tatsächlich ausschließlich um männliche Personen) sollten in einem Primären Gesundheitszentrum kurative und präventive Medizin anbieten. Die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und medizinischen Diensten (Hebammen, Apotheken, Pflege und sogenannte ‚Gesundheitsbesucher‘) wird bereits angeführt (vgl. Ministry of Health 1920, o.S.; The Health Foundation 2020, o.S.). 11
Mit der Deklaration der Menschenrechte wurde 1948 von den Vereinten Nationen (UNO) auch auf das Recht auf Gesundheit hingewiesen: „Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände“ (Vereinte Nationen 1948, S.5). Um dieses Menschenrecht zu fördern, hat die WHO 1978 die Erklärung von Alma-Ata abgegeben. Sie nennt die primäre Gesundheitsversorgung (engl. Primary Health Care) einen Schlüssel zur Gewährleistung dieses Rechts aller Menschen auf Gesundheit. PHC wird als erstes Element eines kontinuierlichen Prozesses der Gesundheitsversorgung gesehen. Die WHO ruft die Regierungen auf, Konzepte, Strategien und Aktionspläne zu entwickeln, um PHC zu etablieren bzw. zu erhalten. Bis zum Jahr 2000 sollten die Ziele von Alma-Ata umgesetzt werden. Allerdings verwirklichten vornehmlich Entwicklungsländer die Grundsätze der Erklärung von Alma-Ata. Für die WHO war das nicht ausreichend, so dass sie 2008 ihren Weltgesundheitsbericht „Primary Health Care: Now more than ever“ betitelte. Menschen an die erste Stelle zu setzen ist die Absicht von PHC. Gesundheit, Wohlbefinden, Werte und Fähigkeiten sowohl der Bevölkerung als auch des Gesundheitspersonals müssen umfassend berücksichtigt werden, um dies zu erreichen (vgl. WHO 1978, S.1-3; Müller/Razum 2008, S.408; WHO 2008, S.41). Das WHO-Regionalbüro für Europa setzt sich zum Ziel, die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme der Mitgliedsstaaten zu verbessern. 2009 verfasste es den Europäischen Gesundheitsbericht. Hauptanliegen ist die Entwicklung von Lösungswegen, die einen durchgängigen Zugang zu einer qualitätsvollen Gesundheitsversorgung 12
sicherstellen. Im Zuge der Pandemiebekämpfung (Virus H1N1/2009) wurde bereits zehn Jahre vor Auftreten des SARS-CoV-2-Erregers auf den Wert hingewiesen, der einem allgemeinen Zugang zur Gesundheitsversorgung und einer stabilen PHC zukommt. PHC soll modernisiert werden und ein abgestimmtes, integriertes, bürger*innennahes und umfassendes Versorgungangebot darstellen. Bürger*innennahe PV legt im Gegensatz zur konventionellen ambulanten Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern oder Ambulanzstationen das Augenmerk auf folgende Punkte: Gesundheitliche Bedürfnisse als Schwerpunkt, Dauerhafte persönliche Beziehung, Umfassende, kontinuierliche patient*innenorientierte Versorgung, Verantwortung für die Gesundheit aller Mitglieder der Gemeinschaft während ihres gesamten Lebens sowie Verantwortung für die Steuerung der bestimmenden Größen von Krankheit und Menschen, die sich in partnerschaftlicher Zusammenarbeit für ihre eigene Gesundheit und den Gesundheitszustand ihrer Gemeinschaft einsetzen. Österreich findet im Hinblick auf diese Punkte im Europäischen Gesundheitsbericht 2009 keine relevante Erwähnung (vgl. WHO 2010, S.1-172). 2.3 Die Primärversorgung in Österreich Die Republik Österreich ist seit Jahrzehnten bestrebt, die ambulante Versorgung auszubauen und so die stationäre Behandlung in einem gewissen Umfang zu ersetzen. Der Erfolg ist bislang mäßig. Nach wie vor spielen Spitalsambulanzen eine wichtige Rolle in der PV. Die Bevölkerung profitiert von deren Kund*innenfreundlichkeit im Hinblick auf die zeitliche Flexibilität. Eine Trennung von ‚primary care‘ und ‚secondary care‘ (niedergelassener bzw. stationärer Bereich) ist durch diese Verschränkung schwer möglich. Hauptkonfliktpunkt dabei scheint die Leistungsfinanzierung durch Länder bzw. Sozialversicherungsträger zu sein (vgl. Hofmarcher-Holzhacker 2013, S.185-199). 13
Um die nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens zu gewährleisten, wurde 2013 die österreichische Gesundheitsreform beschlossen und die Realisierung mit dem ersten Zielsteuerungsvertrag festgelegt. Die unmissverständliche Vorgabe lautet, die Versorgungsstrukturen zu verbessern, mehr Leistungen für kommende Generationen zu bieten und somit dem Wohl der Patient*innen zu dienen. Eine der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele ist die Stärkung der PV im niedergelassenen Bereich nach internationalem Vorbild (vgl. Bundeskanzleramt 2013, S.9; Gesundheit Österreich GmBH 2019, o.S.). Der zweite Bundeszielsteuerungsvertrag (2017-2021) zwischen Bund, Sozialversicherungsträgern und Ländern führt diese Thematik fort und entwickelt sie weiter (vgl. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2020f, o.S.). Das Zukunftsbild, das entworfen wird, zeigt den Einsatz für ein selbstbestimmtes, längeres Leben bei guter Gesundheit für alle Menschen, die Arbeit an einem niederschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung, ein solidarisches Gesundheitssystem, das den sozialen Grundprinzipien gerecht wird und eine bedarfsgerechte, qualitätsgesicherte und wirkungsorientierte Gesundheitsversorgung sicherstellt, den hohen Stellenwert von Gesundheitsförderung und Prävention, die richtige Leistungserbringung zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort (Versorgung am ‚Best Point of Care‘), multiprofessionelle und interdisziplinäre PVE, die zur Verfügung stehen, die Gewährleistung von Patient*innensicherheit durch umfassendes Qualitäts- und Risikomanagement und die Beteiligung der Menschen an Entscheidungsprozessen, die ihren Gesundheitszustand betreffen. 14
Der Auf- und Ausbau von Primärversorgungsmodellen wird ausdrücklich genannt. Der Bund verpflichtet sich, die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, Eckpfeiler für Verträge und Honorierungssysteme festzulegen und Informationen zu PV und zur Gründung von PVE bereitzustellen. Die Länder analysieren die Versorgungssituation und setzen die Implementierung von PVE um. Die österreichische Bevölkerung sollte auf diese Weise bis 2021 mit 75 PVE versorgt sein (vgl. Bund, Länder Sozialversicherung o.J., S.3f. und S.10-13; Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2020d, o.S.). Abbildung 1 macht den Stand zum Zeitpunkt Jänner 2021 ersichtlich. Von den geplanten 75 PVE sind 24 umgesetzt. Andere befinden sich in der Gründungs- bzw. Planungsphase (vgl. Österreichische Sozialversicherung 2021, O.S.). umgesetzt Abbildung 1: Teambasierte Primärversorgung in Österreich (Österreichische Sozialversicherung 2021) Die türkis-grüne Regierung in Österreich nimmt die Erweiterung der Primärversorgung in ihrem Regierungsprogramm 2020-2024 auf. Im Zuge einer hochqualitativen, abgestuften, flächendeckenden und wohnortnahen Gesundheitsversorgung fordert sie den Ausbau der PV und speziell der PVE, um den Bedürfnissen der Versicherten entgegenzukommen (vgl. Bundeskanzleramt Österreich 2020, S.187). 15
Daraus wird ersichtlich, dass es in Österreich wiederkehrende Versuche gibt, die PV zu stärken. Ein Höhepunkt dieser Bemühungen ist aber zweifelsohne die Verabschiedung des Primärversorgungsgesetzes 2017. Die damalige Bundesministerin Pamela Rendi-Wagner spricht von einem Gesetz, das Vorteile für alle bringe. Sie hebt die Wohnortnähe, das umfassende Leistungsangebot, die kontinuierliche und koordinierte Versorgung, die bedarfsgerechten Öffnungszeiten und die Reduktion der Wartezeiten für Patient*innen hervor. Darüber hinaus könnten Mediziner*innen ihrem Wunsch gemäß in multiprofessionellen Teams arbeiten und hätten so die Möglichkeit zu einer besseren Work-Life- Balance. Im Mittelpunkt des Gesetzes stehe, abgesehen vom kurativen Ansatz, die Gesundheitsförderung, die Prävention und die Vorsorge unter Einbindung verschiedener Gesundheitsberufe. Das PrimVG schafft den rechtlichen Rahmen für Qualitäts-, Kompetenz- und Organisationskriterien, Vertragsverhältnisse und Honorierungssysteme. Allerdings äußern Vertreter*innen der anderen Parteien in der Plenarsitzung des Nationalrates vom 28.06.2017 ihre Kritikpunkte: mangelnde Anstellungsmöglichkeiten von Ärzt*innen, die fehlende Berücksichtigung der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe sowie das drohende Ende der Hausärzt*innen (vgl. Republik Österreich Parlament 2017, o.S.). Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Rechtsvorschrift mit ‚Primärversorgungsgesetz‘ betitelt ist, tatsächlich jedoch regelt es die „Primärversorgung (…), soweit diese durch multiprofessionelle und interdisziplinäre Primärversorgungseinheiten (…) erbracht wird“ (Bundeskanzleramt 2017, S.1). Die PVE, auf die im weiteren Verlauf eingegangen wird, sind als Teil der PV bzw. als deren Ausgestaltung zu sehen. 16
2.4 Primärversorgungseinheiten Die Aufgabe von PVE als erste Anlaufstelle im Gesundheitsversorgungssystem ist es, Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen anzubieten und die Behandlung von akuten und chronischen Erkrankungen zu gewährleisten. Darüber hinaus sollen Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsvorsorge und der Krankenversorgung koordiniert werden. PVE decken das öffentliche Interesse unter anderem in Bezug auf verbesserte zeitliche und örtliche Verfügbarkeit und ein erweitertes Leistungsangebot ab. Bestehend aus einem Kernteam von Allgemeinmediziner*innen und diplomierten Pflegekräften wird die PVE durch Angehörige anderer Gesundheits- und Sozialberufe ergänzt. Das Primärversorgungsgesetz nennt als in Frage kommende Berufsgruppen: Hebammen, Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen, Angehörige medizinischer Assistenzberufe, Medizinische (Heil-)masseur*innen sowie gehobene medizinisch- technische Dienste (vgl. Bundeskanzleramt 2017, S.1; Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2020d, o.S.). Demnach sind PVE als erweiterte Praxen für Allgemeinmedizin zu sehen. Das 2014 von der Bundes-Zielsteuerungskommission beschlossene ‚Konzept zur multiprofessionellen und interdisziplinären Primärversorgung in Österreich‘ bezieht in das Kernteam auch die Ordinationsassistent*innen ein und führt noch weitere bedeutsame Berufsgruppen an. Dazu gehören: Diätolog*innen, Ergo- und Physiotherapeut*innen, Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendheilkunde, Logopäd*innen und Sozialarbeiter*innen. Die Zusammensetzung des PV- Teams richtet sich dabei nach den regionalen Erfordernissen (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2014, S.15f.). Abbildung 2 stellt das Team rund um die Hausärzt*in gut ersichtlich dar. Auch mögliche Partnerschaften in der Zusammenarbeit (Apotheken, Pflegeeinrichtungen, Schulen etc.) sind genannt. 17
Abbildung 2: Primärversorgungsteam und Primärversorgungspartner (Bundesministerium für Gesundheit 2014, S.16) Der bereits beschriebene Zielsteuerungsvertrag ‚Gesundheit 2017-2021‘ stellt den Menschen und die Patient*innenorientierung in den Mittelpunkt (vgl. Bund, Länder, Sozialversicherung o.J., S.6). Die Österreichische Sozialversicherung greift dies auf und gruppiert das Team anstatt rund um den*die Allgemeinmediziner*in rund um den*die Patient*in (siehe Abbildung 3). 18
Abbildung 3: Das Team rund um den Patienten (vgl. Österreichische Sozialversicherung 2020a, o.S.) Betrachtet man die Tatsache, dass Sprenger einen eklatanten Nachwuchsmangel bei Hausärzt*innen (= allgemeinmedizinische Kassenstellen) diagnostiziert, der durch einen Generationenwechsel bedingt ist, stellt sich die Frage, ob PVE als Retter in der Krise der Allgemeinmedizin gesehen werden können. Es scheint keine konkrete Personalplanung diesbezüglich zu geben. Sprenger fragt nach den Strategien, um in Zukunft die Allgemeinmedizin und die Arbeit im PV- Bereich attraktiv und qualitativ hochwertig gestalten zu können. Er beruft sich in seiner Analyse auf den ‚Masterplan Allgemeinmedizin‘, dessen Ziel es ist, den Herausforderungen mit einem Bündel an Maßnahmen zu begegnen (vgl. Rabady/Poggenburg/Wendler/Huter/Fürthauer 2018, S.2; Sprenger 2019, S.477f.). Ein genannter Ansatz ist die „Erleichterung der Bildung von Gruppenpraxen ohne finanzielle Abschläge“ (Rabady/Poggenburg/Wendler/Huter/Fürthauer 2018, S.69) mit dem Ziel „der Vereinfachung von Zusammenarbeitsformen wie Gruppenpraxen durch flexible und gerechte Partner_innenwahl, keine finanziellen 19
Abschläge“ (Rabady/Poggenburg/Wendler/Huter/Fürthauer 2018, S.69). Dies wird als Voraussetzung für die Entstehung neuer PVE gesehen, die durchaus als flexible Option für Allgemeinmediziner*innen gelten (vgl. Rabady 2018, S.82). Nur durch Modernisierung und Anpassung des Leistungskataloges kann der Primärversorgungsauftrag auf Dauer gesichert werden. Die PVE befinden sich derzeit noch in der sogenannten Pilotfinanzierung, für eine entsprechende Honorierung muss aber auch danach gesorgt sein (vgl. ebd., S.114). Die Bildung von Kernteams aus Allgemeinmediziner*innen, Ordinationsassistent*in und/oder Diplomierter Pflegefachkraft stellt eine weitere Maßnahme dar (vgl. ebd., S.91). Als Argumentation hierfür wird der Faktor Zeit pro Patient*in herangezogen, der je nach regionalen Besonderheiten sehr unterschiedlich ausfallen kann. Die klassische Abrechnungsform mittels Krankenschein kann dem nicht gerecht werden (vgl. ebd., S.92). Vor allem für die im weiteren Verlauf dieser Arbeit beschriebene Patient*innenedukation durch eine*n DGKP müssen entsprechende Finanzierungsformen bedacht werden. Obwohl der Maßnahmenkatalog ausdrücklich anführt, dass die PVE zwar auch weiterhin nur einen sehr kleinen Teil der Versorgung leisten können (vgl.ebd., S.7), erwartet sich die Österreichische Sozialversicherung durch eben deren Implementierung wesentliche Verbesserungen für die wohnortnahe Versorgung im niedergelassenen Bereich und Reduktion der stationären Spitalsaufenthalte. Allgemeinmediziner*innen arbeiten in Teams mit anderen Gesundheitsberufen, die ihre Expertise einbringen. Als Vorteile für die Patient*innen sieht sie längere Öffnungszeiten, verkürzte Wartezeiten, mehr Zeit für Gespräche, gut koordinierte Betreuung für chronisch Kranke, Kinder, Jugendliche und ältere Menschen und die umfassende Krankenbehandlung und Gesundheitsberatung (vgl. Österreichische Sozialversicherung 2020b, o.S.; Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2020c, o.S.). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die PVE einen qualitativ hochwertigen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung leisten und ein Anreiz für Mediziner*innen sein könnten, sofern die Finanzierung langfristig geklärt ist (siehe auch Abschnitt 2.6). Um die besagte Krise der 20
Allgemeinmedizin bewältigen zu können, sind allerdings eine Vielzahl von Maßnahmen nötig. 2.5 Die Pflegeperson und ihre Rolle in den Primärversorgungseinheiten Pflegerische Leistungen im Rahmen von PVE, ein diesbezüglich erweitertes Angebot und optimale pflegerische Qualität dienen dem öffentlichen Interesse. Der gehobene Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege stellt gemeinsam mit Ärzt*innen für Allgemeinmedizin das Kernteam der PVE dar. Im Leistungsumfang ist neben der diagnostischen und therapeutischen, die pflegerische Kompetenz für die Versorgung von Kindern, Jugendlichen, älteren Menschen, chronisch Kranken und multimorbiden Personen enthalten. Hinzu kommen die Kompetenzen für die psychosoziale Versorgung, das Arzneimittelmanagement sowie Gesundheitsförderung und Prävention (Bundeskanzleramt 2017, S.1-3). Von Seiten des Primärversorgungsgesetzes ist die Aufgaben- und Rollenverteilung nicht klar geregelt. Die Tätigkeit in PVE stellt ein bisher unbekanntes Berufsfeld dar. Allerdings stehen anhand der im GuKG geregelten Kompetenzen vielfältige Tätigkeitsbereiche offen. Im Hinblick darauf haben Expert*innen des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes Steiermark ein Leistungsprofil für den gehobenen Dienst in einer PVE erstellt. So übernimmt die Pflegefachkraft medizinisch-diagnostische, medizinisch-therapeutische und pflegerische Aufgaben, organisiert und koordiniert patient*innenbezogene Faktoren, führt verschiedene Berufsgruppen zusammen, arbeitet im Bereich des Qualitäts- und Risikomanagements, leitet Patient*innen an, schult und berät sie und wirkt darüber hinaus an Forschungsarbeiten mit und wendet Forschungsergebnisse an. Der gehobene Dienst erfüllt so die unterschiedlichen Rollen der Pflegefachkraft, der*des Koordinierenden und Organisierenden, der*des Netzwerkenden, des*der Risikomanager*in, des*der Edukator*in und des*der Forschenden (siehe Abbildung 4). 21
PFLEGE- FACHKRAFT KOORDI- NATOR*IN EDUKA- ORGANI- TOR*IN SATOR*IN LEISTUNGS PROFIL QUALITÄTS- & NETZ- RISIKO- WERKER*IN MANAGER*IN FORSCHER*IN Abbildung 4: Leistungsprofil (eigene Darstellung, vgl. Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband Landesverband Steiermark 2018, o.S.) Die einzelnen Bereiche werden mit unterschiedlichen Tätigkeiten ausgefüllt: Pflegefachkraft • Triage • Clinical Assessment • Wundmanagement • Screening, Risikoidentifikation • Mitwirkung bei Vorsorgeuntersuchung • Case Management • Beratung und Schulung • Erste Hilfe 22
• Durchführung diagnostischer Programme/Tests • Hausbesuche • Medizinprodukte- und Arzneimittelmanagement Edukator*in • Anleitung, Beratung und Schulung von Patient*innen, deren Zu- und Angehörigen • Pflegemaßnahmen • diagnostische oder therapeutische Maßnahmen • Gesundheitsförderung/Prävention und Gesundheitskompetenz • Disease-Management-Programme • Pädagogische Aufgaben für Auszubildende und Berufsangehörige • Anleitung • Evaluierung • Wissensmanagement Netzwerker*in • Optimierung von Nahtstellen • Unterstützung bei Interessen der Patient*innen • Netzwerkarbeit im erweiterten PVE-Team • Mitwirkung bei Fallbesprechungen Forscher*in • Evaluierung und Entwicklung von pflegefachlichen Leitlinien • Mitwirkung an der Versorgungsforschung • bevölkerungsbezogene Maßnahmen und Bedarfserhebung • Entwicklung und Verwendung neuer pflegefachlicher Technologien • Publikationen Qualitäts- und Risikomanagerin • Identifikation von Risikopotenzialen • Optimierung der Sicherheit von Patient*innen • Bewertung der Effektivität und Qualität der Pflege 23
• Mitwirkung bei Zertifizierungen und Qualitätssicherungssystemen • Hygienemanagement • Mitwirkung beim Schutz der Arbeitnehmer*innen Koordinator*in und Organisator*in • Disease-Management-Programme • Behandlungs-, Pflege- und Betreuungsprozess • Routine Monitoring • Mitwirkung bei der Erstellung und Evaluation von Notfallplänen • Öffentlichkeitsarbeit • Betriebliche Gesundheitsförderung • Mitwirkung bei der Überwachung von lokalen Gesundheitsproblemen in der Bevölkerung • Gruppen- und bevölkerungsbezogene Public-Health Maßnahmen (vgl. Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband Landesverband Steiermark 2018, o.S.). Das Leistungsspektrum der kompetenzorientierten Aufgaben und Fähigkeiten umfasst die ambulante Grundversorgung sowie die Verlaufskontrolle bei akuten und komplexen Fällen, die Langzeitversorgung chronisch Kranker und Multimorbider, die Versorgung psychisch erkrankter Menschen, die Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die Versorgung alter Menschen, den Bereich der Rehabilitation, die Versorgung von Palliativpatient*innen, Beratung und Betreuung im Zusammenhang mit Familienplanung, Schwangerschaft und Säuglingsuntersuchung, die Prävention und Gesundheitsförderung, Aufgaben im Bereich der öffentlichen Gesundheit ebenso wie das Praxismanagement (vgl. Brandstätter/Klampfl-Kenny/Mircic/Pesl- Ulm/Raiger/Rappold/Riedler 2018, S.3-10). Eine Projektgruppe hat im Rahmen des Zielsteuerungsvertrages ebenso Kompetenzprofile der Berufsgruppen in PVE entworfen. Der Fokus liegt auf dem Gesundheitsziel: ‚Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken‘ (vgl. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und 24
Konsumentenschutz 2021b, o.S.). Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Kompetenzvertiefung für den gehobenen Pflegedienst als zielführend gesehen wird. Die Autor*innen empfehlen entsprechende Weiterbildungen nach §64 GuKG, je nach der Aufgabe, die ein*eine DGKP übernimmt (vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz 2019, S.7-17). 2.6 Finanzierung der pflegerischen Tätigkeiten in der PVE Eine besondere Herausforderung liegt in der Finanzierung der durch den gehobenen Pflegedienst angebotenen Leistungen. Österreich finanziert sein Gesundheitswesen pluralistisch. Trennt man zwischen ‚primary care‘ (haus- und fachärztliche Versorgung), ‚secondary care‘ (fachärztliche und stationäre Versorgung) und ‚tertiary care‘ (hoch spezialisierte Leistungen im Rahmen der stationären Versorgung), so sind die Sozialversicherungsträger die wesentlichen Finanzierungspartner der ‚primary care‘. ‚Secondary‘ und ‚tertiary care‘ hingegen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Länder und ihrer Krankenanstaltenbetriebsgesellschaften (vgl. Hofmarcher-Holzhacker 2013, S.206). Im Herbst 2019 erfragten Forscher*innen der Donau-Universität Krems die Herausforderungen in einer PVE aus ärztlicher Sicht. Unter anderem wird die rechtliche Unklarheit hinsichtlich der Leistungsfinanzierung des nicht- ärztlichen Personals genannt (vgl. Franczukowska/Krczal/Braun 2020, S. 469). Die entsprechenden Verträge waren zu diesem Zeitpunkt allerdings schon ausverhandelt. Im April 2019 wurde der bundesweite Gesamtvertrag für PVE zwischen Österreichischer Ärztekammer und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossen. Insgesamt gelten vier Vertragstypen zwischen PVE und Sozialversicherungsträgern: 25
Der Primärversorgungs-Gesamtvertrag und gesamtvertragliche Honorarvereinbarungen auf Landesebene (Regelungen zum Mindestleistungsspektrum, Vergütungsgrundsätze, allgemeine Bestimmungen), Der Primärversorgungsvertrag (konkrete Vereinbarungen über die Leistungserbringung und Honorierung), Der Primärversorgungs-Einzelvertrag (zwischen freiberuflichen Mediziner*innen und SV) und Der Primärversorgungs-Sondervertrag (Regelung der Beziehungen der Krankenversicherungsträger zu einzelnen PVE) (vgl. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2020e, o.S.). Die im Primärversorgungsvertrag geregelte Vergütung soll vermehrt auf pauschaliertem Weg erfolgen. Das bisher bekannte Modell bezieht sich auf Einzelleistungen. Grundlegend ist stets der Gesamtvertrag, aus dem heraus Höhe und Zusammensetzung der Honorare regional zu vereinbaren sind. Es gibt allerdings verschiedene Elemente, die verwendet werden (können). Diese sind: Grundpauschale, Einzelleistungen, Bonuszahlungen, Anschubfinanzierung und PVE-Manager-Finanzierung (vgl. Österreichische Sozialversicherung 2020c, o.S.) Grundsätzlich werden die Leistungen der DGKP als Angestellte der PVE pauschal abgegolten. Je nach Bundesland ist dies jedoch unterschiedlich geregelt. In der Steiermark wird derzeit an einem entsprechenden Gesamtvertrag gearbeitet, bis dato allerdings wird mit jeder PVE ein eigener Vertrag ausgehandelt (vgl. Telefonat mit Maga. Marianne Hartner am 14.01.2020). Exakt diese Tatsache dürfte zum obengenannten Ergebnis der Donau-Universität Krems hinsichtlich der Herausforderungen geführt haben (vgl. Franczukowska/Krczal/Braun 2020, S. 469). 26
3 Patient*innenedukation „Die Gewalt fängt nicht an, wenn einer einen erwürgt. Sie fängt an, wenn einer sagt: ‚ich liebe dich, du gehörst mir!‘ Die Gewalt fängt nicht an, wenn Kranke getötet werden. Sie fängt an, wenn einer sagt: ‚du bist krank und du mußt tun, was ich dir sage!‘“ (Fried 1989, S.132). Koch-Straube zitiert Erich Fried zu Recht. Patient*innen sind es über Jahrhunderte hinweg gewohnt, zu tun, was ihnen gesagt wird. Professionalität muss jedoch mit Achtung der Menschenwürde und der Eigenständigkeit eines jeden Menschen einhergehen (vgl. Koch-Straube 2001, S.7-9). Bereits 1953 wurde vom ICN (International Council of Nurses) ein Ethikkodex für Pflegende verabschiedet. Darin wird die Untrennbarkeit von Pflege und Achtung der Menschenrechte betont: „Die Pflegende zeigt in ihrem Verhalten professionelle Werte wie Respekt, Aufmerksamkeit und Eingehen auf Ansprüche und Bedürfnisse (…)“ (ICN 2012, S.2). Um das adäquate Eingehen auf den*die Pflegebedürftige*n und seine Bedürfnisse gewährleisten zu können, bedarf es gezielter Informationen. „Die Pflegende gewährleistet, dass die pflegebedürftige Person zeitgerecht die richtige und ausreichende Information auf eine kulturell angemessene Weise erhält, auf die sie ihre Zustimmung zu ihrer pflegerischen Versorgung und Behandlung gründen kann“ (ebd., S.2), so der Ethikkodex weiter. Professionelle Patient*innenedukation wird diesem international geltenden Postulat gerecht. 27
3.1 Pädagogische bzw. didaktische Vorbemerkungen Um edukativ tätig zu sein, bedarf es zunächst relevanter Grundkenntnisse der Pädagogik und Didaktik. 3.1.1 Edukation und Bildung Edukation wird im Deutschen meist mit dem Ausdruck ‚Erziehung‘ gleichgesetzt (vgl. Dudenredaktion 2020a, o.S.). Geht man vom englischen ‚education‘ aus, umfasst der Begriff ein weites Spektrum von Bildung und darf eben nicht mit ‚Erziehung‘ synonym gesetzt werden (vgl. LEO 2006-2020, o.S.; Kocks/Segmüller 2017, S.221). Die vorliegende Arbeit übernimmt die Denkweise von Edukation im Sinne von Bildung. ‚Bildung macht frei!‘ ist der Leitsatz, den Joseph Meyer 1850 seiner ‚Groschen-Bibliothek der deutschen Klassiker für alle Stände‘ voranstellt. Meyer prägt damit ein liberales Bildungsverständnis, das bis heute gilt (vgl. Universal-Lexikon 2012, o.S.). Schon Platon hat Bildung als Vorgang der Befreiung verstanden (vgl. Thompson 2020, S.95). Der wissenschaftliche Diskurs über ‚Bildung‘ geht somit zurück bis in die Antike. Nach wie vor gibt es je nach zugrundeliegender Philosophie unterschiedliche Deutungen des Begriffes. Die Interpretation von Elke Gruber (Universität Klagenfurt) lautet folgendermaßen: „Sie ist zugleich Prozess, des Bildens und Produkt, die Bildung. Bildung dient der Befähigung anderer Menschen, stellt zugleich aber auch Selbstbefähigung der/des Einzelnen dar. Bildung ist zum einen auf ein Ziel gerichtet (Persönlichkeit, Vollkommenheit), lässt aber auch Optionen offen (Freiheit, Glück)“ (Gruber o.J., o.S.). Und weiter: „Definiert man Bildung als reflektiertes Denken und darauf aufbauendes Handeln, dann ist Bildung eindeutig mehr als Informationsaufnahme und Verarbeitung von Wissen. Bildung enthält vielmehr die Vorstellung der Entfaltung einer Persönlichkeit mit aufrechtem Gang und freiem Entscheidungswissen, die versucht, möglichst allen menschlichen Rollen (…) gerecht zu werden“ (ebd., o.S.). Gruber betont außerdem „die Ausstattung der Menschen mit dem Wissen und Können, den Einstellungen und Verhaltensweisen, die 28
für Orientierung, Überleben und Gestaltung unserer Welt notwendig sind“ (Gruber o.J., o.S.). Liegt der Fokus vor allem auf den beiden Aspekten ‚Selbstbefähigung‘ und ‚Persönlichkeitsentfaltung‘, so wird deutlich, dass Bildung immer eine Art von Fortschritt und Entwicklung bedeutet. Selbstbefähigung und Persönlichkeitsentfaltung bedingen aber auch ein erhöhtes Maß an Freiheit und damit einhergehend Entscheidungsfreiheit. Fortschritt und Entwicklung zur Freiheit im Sinne von Bildung korrelieren stets mit Horizonterweiterung. Infolgedessen verändert sich die Selbst- und Weltdeutung eines Menschen nachhaltig (vgl. Thompson 2020, S.92). Der Pädagoge Rolf Arnold entwickelte den ‚Kaiserslauterer Ansatz zum Lernen Erwachsener‘. Er versteht Bildung folgendermaßen: „‘Bildung‘ wird somit als ein Transformationsprozess verstanden, in welchem die Menschen lernen, ihre entwickelten Muster des Weltverstehens und des Sich-Fühlens in der Welt allmählich zu überschreiten. Bildung ist somit ein Loslassen von Altem und Vertrautem und der Versuch, sich auf neue Sicht- und Verhaltensweisen einzulassen. Je mehr dabei Menschen eine mehr und mehr spielerische Distanz zu ihren eingelebten Gewissheiten entwickeln können, desto stärker bilden sie Kompetenzen heraus, die auch und gerade für die Gestaltung von Ungewissheit grundlegend sind. Bildung ist so betrachtet eine Ausstattung zum selbstbestimmten Verhalten in der Welt, sie ist als solche jedoch mehr und mehr eine ‚reflexive Kompetenz‘, da wir immer weniger inhaltlich zu bestimmen vermögen, was morgen gewusst und gekonnt werden muss. Insofern ist jede Pädagogik eine Erwachsenenpädagogik, d.h. eine Bildung zur Autonomie, Selbstbestimmung und Veränderung“ (Arnold 2009, S.5). Betrachtet Arnold Bildung als Veränderungsprozess (Transformation), so impliziert auch er damit Fortschritt und Entwicklung. Autonomie, 29
Selbstbestimmung und Veränderung bedeuten wiederum Freiheit und Horizonterweiterung. 3.1.2 Das didaktische Dreieck Das didaktische Dreieck (Abbildung 5) illustriert die Eckpunkte von Lehren und Lernen. Im Zentrum der Didaktik steht die Beziehung zwischen Lehrperson, Schüler*in und Unterrichtsinhalt. Abbildung 5: Didaktisches Dreieck (eigene Darstellung) Ausdrücklich zu bemerken ist, dass alle drei Komponenten gleichwertig sind. Es besteht keinerlei Hierarchie. Bewusst wurde in Abbildung 5 die Lehrperson nicht an den obersten Eckpunkt gestellt (wie in ähnlichen Darstellungen üblich). Meyer hebt hervor, dass sowohl Lehrperson als auch Schüler*in zugleich Lehrende und Lernende sind. Sie unterstützen sich gegenseitig in ihrer Lehr- und Lerntätigkeit und sind für den gegenseitigen Erfolg verantwortlich (vgl. Meyer 2016, S.232-237). Diese Gleichwertigkeit von Lehrenden und Lernenden ist insbesondere in der Erwachsenenbildung von erheblicher Bedeutung. 30
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