IMPULSE - Sport WISSENSCHAFT - Das Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln - Deutsche Sporthochschule Köln
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IMPULSE Das Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln Sport WISSENSCHAFT Themen: Sport und Isolation | EMS-Training | Uni in | 01 | 2020 | JUNI | der Klinik | Homo-/Transphobie im Sport | Polizeiliches Einsatztraining | Gesellschaftstheorie
SEI STÄRKER VORWORT ALS DEINE STÄRKSTE AUSREDE! Liebe Leserin, lieber Leser, Sport macht glücklich, fit und hält gesund. Wann startest du? die Corona-Pandemie hat auch uns vor große Her- Kaderathlet*innen zu evaluieren und so eine wissen- ausforderungen gestellt. Innerhalb von kurzer Zeit schaftliche begründete Implementierung dieser Trai- musste ein „Hybrid-Semester“ mit Online- und streng ningsmethode auf hohem Leistungsniveau zu ermög- reglementierten Präsenzveranstaltungen organisiert lichen. werden. Durch die konsequente Umsetzung von Home- office waren viele gefordert, sich auf andere Arbeits- Homo- bzw. Transphobie im Sport ist nach wie vor formen einzulassen und so die Funktionsfähigkeit der weit verbreitet. Das zeigt eine Studie des Instituts für Sporthochschule in allen Kernbereichen sicherzustel- Soziologie und Genderforschung. Es ist das erste eu- len. Viele Mitarbeiter*innen waren dabei enormen Be- ropäische Projekt, dass Diskriminierung aufgrund der lastungen ausgesetzt, insbesondere, wenn gleichzeitig sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität familiäre Verpflichtungen zu stemmen waren. Ich freue im Sport untersucht. Studienleiterin Professorin Ilse mich sehr, dass es trotz dieser Umstände gelungen ist, Hartmann-Tews erläutert im Interview die wichtigsten das vorliegende Wissenschaftsmagazin „Impulse“ zu Ziele, Ergebnisse und Schlussfolgerungen des Projek- realisieren und mit sehr interessanten Beiträgen zu tes. füllen. Das Institut für Pädagogik und Philosophie beschäftigt Dass ein wissenschaftliches Nischenthema aufgrund sich mit grundsätzlichen Fragen nach unterschiedli- der aktuellen Entwicklung plötzlich für viele Menschen chen Verständnissen von Sport, Spiel und Bewegung, relevant wird, zeigt der erste Beitrag. Seit vielen Jah- vor allem in modernen Gesellschaften. Doch was ist ren beschäftigen sich Wissenschaftler*innen des Ins- die Gesellschaft? Und welche Theorie steckt dahinter? tituts für Bewegungs- und Neurowissenschaft mit den Diesen Fragestellungen wird im fünften Beitrag auf den Auswirkungen von Sport auf die mentale Leistungsfä- Grund gegangen. Der Titel: Niklas Luhmann und die higkeit in Isolation. Der Übersichtsartikel beleuchtet Rückkehr der Gesellschaftstheorie. verschiedene Aspekte zu den positiven Effekten von Sport und Bewegung auf die mentale Gesundheit. Auf den Ernstfall vorzubereiten ist das Ziel von po- lizeilichem Einsatztraining. Zu real erlebten Kon- Forschungsgeleitete Lehre und Praxisbezug sind wich- flikten im Einsatz befragt, gaben jedoch 20 von 21 tige Elemente unserer Studiengänge. Wie sich diese Bundespolizist*innen an, nicht angemessen vorbe- miteinander verzahnen lassen, zeigt der zweite Beitrag reitet gewesen zu sein. Im letzten Beitrag unseres aus dem Institut für Bewegungs- und Sportgeronto- Wissenschaftsmagazins lesen Sie Ergebnisse einer logie. In Kooperation mit der LVR-Klinik Köln können trainingspädagogischen Interventionsstudie zur Wir- Studierende des Masterstudiengangs Sport- und Be- kung zweier unterschiedlicher Vermittlungskonzepte wegungsgerontologie ein Wahlmodul in der Klinik – durchgeführt von der Abteilung Trainingspädagogik absolvieren. Ein Ziel der Zusammenarbeit ist es, die und Martial Research in Zusammenarbeit mit der Hoch- Studierenden praxisnah auf eine Tätigkeit als klinische schule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. Wissenschaftler*innen vorzubereiten. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre. Seit 2006 setzen sich Wissenschaftler*innen der Ar- Bleiben Sie gesund! beitsgruppe Kraftdiagnostik und Bewegungsforschung des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportin- formatik in zahlreichen Studien mit den Effekten von Ganzkörper-Elektromyostimulation im Rahmen von Trainingsinterventionen auseinander. Basierend auf den Erkenntnissen wurde nun eine Studie mit dem Ziel Univ.-Prof. Dr. Heiko Strüder durchgeführt, die gewonnenen Erkenntnisse auch mit Rektor sportdeutschland.de
INHALT News.................................................................46 06 Ganz allein? +++ Natursportinfo 2.0 – Das Institut für Out- door Sport und Umweltforschung und das Bundesamt für Naturschutz bringen eine neue Online-Plattform an den Start +++ Was Weltraummissionen, Covid-19 – Eine neue Studie des Instituts für Antarktisüberwinterungen und Kreislaufforschung und Sportmedizin unter- COVID-19 gemeinsam haben sucht die Auswirkungen einer überstande- nen Covid-19-Infektion bei Athlet*innen +++ Profi-Fußball – Eine Studie des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik zu geschlechtsspezifischen Unterschieden zeigt: Es gibt keine Unterschiede in der taktischen Leistungsfähigkeit zwischen Frauen und Män- nern +++ Noch mehr News und aktuelle Infos zur Deutschen Sporthochschule gibt es im For- schungsnewsletter und Spoho-Blog +++ 28 Impressum 14 Uni in der Klinik Outsport – Ein Interview zur ersten flächendeckenden europäischen Studie zu IMPULSE Das Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln Homo-/Transphobie im Sport 1/2020, 25. Jahrgang Forschung in der klinischen Gesundheitsversorgung Älterer Herausgeber Univ.-Prof. Dr. Heiko Strüder Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln Redaktion Deutsche Sporthochschule Köln, Stabsstelle Akademische Planung und Steuerung, Abt. Presse und Kommunikation Am Sportpark Müngersdorf 6, 50933 Köln Telefon: 0221 4982-3440 Fax: 0221 4982-8400 E-Mail: presse@dshs-koeln.de Redaktionsleitung: Sabine Maas Redaktion und CvD: Lena Overbeck Layout: Sandra Bräutigam Druckerei DFS Druck Brecher GmbH, www.dfs-pro.de 38 ISSN-Nr. 2192-3531 34 Einsatztraining Cover: 20 bei der Polizei ESA/IPEV/PNRA-M. Buttu Was ist die Gesellschaft? Lineare versus Eine PDF- und Online-Version finden Sie unter: Niklas Luhmann und die Rückkehr der nichtlineare Vermittlung www.dshs-koeln.de/impulse Gesellschaftstheorie EMS-Training In dieser Publikation wird aus Gründen einer bes- Aktuelle Ergebnisse aus dem seren Lesbarkeit teilweise nur die männliche Form/ Ansprache verwendet. Dies soll ausdrücklich nicht (Hoch-)Leistungssport als Diskriminierung von Frauen verstanden werden. 4 IMPULSE | 01 | 2020 5
Text Vera Abeln, Jan Weber, Tim Stuckenschneider, Stefan Schneider Foto: ESA/IPEV/PNRA–F. van den Berg; rechts: Vera Abeln Antarktisüberwinterungen, Weltraummissionen und COVID-19 Ganz allein Auf der Forschungsstation Concordia, im ewigen Eis der Antarktis, überwintern die Crewmitglieder bei minus 80 Grad Celsius, 560 Kilometer entfernt von der nächsten Küste. 6 IMPULSE 01 | 2020 7
Was Weltraummissionen, Antarktisüberwinterungen und COVID-19 gemeinsam haben – und wie Sport dazu beitragen kann auch mental fit zu bleiben. Abb. 1 Human Exploration Research Analogue (HERA) Johnson Space Center, Hous- ton, Texas; Foto: Vera Abeln. ten, ist abhängig von den individuellen Erfahrungen und Vorlieben. Wichtig scheint zu sein, dass es Spaß macht, man sich gehen lassen kann und in den Flow kommt. Auch unser Gehirn reagiert positiv auf Sport. Neuronale Aktivität im vom Stress geplagten Frontalkortex (dort wo u.a. Entscheidungen getroffen werden) nimmt ab und lässt uns wieder klar denken. Auch lange Phasen der Inaktivität und Monotonie führen zu Stress. Jeder, der Kinder hat und einen verregneten Sonntag zu Hause verbringen musste, weiß das. Auch hier hilft Be- wegung. Der Stress, der sich aufbaut, so hat es uns die Evolution gelehrt, ist recht hilfreich. Die Stresshormone bereiten uns auf einen Kampf oder die Flucht vor und haben unseren Vor- fahren das Überleben gesichert. Sport und Bewegung kanalisieren diesen Stress und wirken psychohygienisch. Selten fühlt man sich so gut, wie nach einem intensiven Workout. Diese kurzfristigen Effekte sind zudem sehr nachhaltig. Ein aktiver Tag führt zu einem erholsameren Foto: IBMP Schlaf, der unsere mentale Leistungsfähigkeit steigert. Und regelmäßiger Sport, auch das zeigen unsere Studien, helfen uns im Alter fit zu bleiben und reduzieren das Risiko an einer Demenz zu erkranken. Wir möchten in diesem Übersichtsartikel unsere bisherigen Arbeiten zusammenfassen und mit Blick auf die gegenwärtige Situation noch einmal neu bewerten. Vieles kann man übertragen, einiges muss man differenzierter bewerten. Für Weltraummissionen und Antark- S eit knapp 15 Jahren beschäftigen wir uns mit der Auswirkung von Sport und Bewegung tisüberwinterungen kann man planen, Equipment bereitstellen und Trainingspläne gestal- auf die mentale Leistungsfähigkeit. Im Generellen, bei Kindern, in der betrieblichen ten. Aus dem Stehgreif heraus etwas zu organisieren fällt dagegen oftmals schwer. Gesundheitsförderung, in der Demenzprävention, aber auch dort, wo Menschen isoliert Aber wie wichtig Sport und Bewegung für die mentale Leistungsfähigkeit und das Wohl- Sport und Isolation sind, z.B. auf der Internationalen Weltraumstation (ISS) oder in der Antarktis. Während wir befinden, im täglichen Leben und ganz besonders in der Isolation ist, dafür möchten wir den unter den extremen Bedingungen in der Antarktis und simulierten Raumflügen (MARS500, wissenschaftlichen Hintergrund bieten. Spannend ist sicherlich die Frage, welcher Zeitraum An der Deutschen Sporthochschule Köln SIRIUS, HERA, AGBRESA) häufig nicht mehr als zehn Personen beraten und begleiten, ist das der Isolation welche Auswirkungen hat. wird seit vielen Jahren erforscht, welche Nischenthema „Sport und Isolation“ zu Beginn des Jahres 2020 auf einmal für wirklich viele Auswirkungen Sport in Isolation auf die Menschen von Relevanz. Im Zuge der Corona-Krise sind weltweit ca. zwei Milliarden Menschen 30 TAGE ISOLATION IM RAHMEN EINER SIMULIERTEN WELTRAUMMISSION (HERA) mentale Leistungsfähigkeit hat– heute sind aufgefordert sich zu isolieren. Und Sport in der Isolation, das zeigen unsere Studien, hat eine Ziel dieser 30-tägigen Isolation war es, die Effekte eines täglichen Sportprogramms auf die die Erkenntnisse wichtiger denn je. positive Auswirkung auf die emotionale Stabilität ebenso wie die kognitive Leistungsfähig- Befindlichkeit, kognitive Leistungsfähigkeit und die zugrundeliegenden zentral-nervösen keit. und endokrinologischen Parameter zu untersuchen. 16 Probanden wurden über einen Zeit- Es gilt grundsätzlich zwei Phänomene der Isolation zu unterscheiden. Zum einen bedeutet raum von 30 Tagen unter weltraumanalogen Bedingungen im Johnson Space Center, Hous- Isolation: Einsamkeit, Monotonie und Langeweile – das sehen wir bei Menschen, die in der ton, Texas unter der Leitung der US-amerikanischen NASA isoliert. Als Kontrollgruppe dien- Antarktis überwintern. Diejenigen, die regelmäßig Sport treiben, das zeigen unsere Studien, ten 18 nicht-isolierte und weiterhin am normalen Leben teilnehmende Probanden. bleiben emotional stabil. Besonders auffallend waren die signifikant erhöhten Stresshormone (Kortisol) im Blut Zum anderen bedeutet Isolation Stress und damit eine mögliche Überforderung, weil während der Isolation, die sich nach Beendigung der Isolationsperiode schnell wieder norma- Rückzugsräume fehlen. Einsamkeit ist ein Bild, das häufig mit Weltraumreisen assoziiert wird, lisierten (Weber et al., 2019). Kortisol als Stressindikator wird ausgeschüttet, um den Körper aber häufig ist genau das Gegenteil der Fall: Eng getaktete Tagesabläufe und immer im Team. an die jeweilige Umweltsituation anzupassen. Weiterhin beobachteten wir eine Abnahme der Oftmals fehlt der persönliche Rückzugsraum. Und genau den kann Sport bieten. Wenn einem elektrokortikalen Aktivität im Parietalcortex, jenem Teil des Gehirns, der besonders bedeut- alles über den Kopf wächst, ist es gut mal abzuschalten, um den Kopf frei zu bekommen. Zum sam für die Integration sensorischer Reize ist. Es ist anzunehmen, dass die soziale Isolation, Beispiel mit einem Workout. Wie das gestrickt sein muss, das zeigen unsere Forschungsarbei- die Monotonie und die verringerten Reize der eintönigen Umgebung (sensorische Deprivati- 8 IMPULSE 01 | 2020 9
Weltraumbedingungen, weil sich viele der Extrembedingungen hier zum Weltraum gleichen. Für uns eine willkommene Möglichkeit, um die Bedeutung von regelmäßigem Sport auf die psycho-physiologische Gesundheit der Isolierten zu untersuchen. Die Concordia Station bietet einen kleinen, funktionell eingerichteten Fitnessraum (Abb. 5), den die Crew in ihrer Freizeit freiwillig aufsuchen darf. Auffällig war, dass alle Isolierten in der Phase der Dunkelheit insgesamt häufiger und intensiver trainierten (Abeln et al., 2015). Insgesamt konnte man aber zwischen regelmäßig Trainierenden und eher inaktiven bzw. unregelmäßig Trainierenden Unterschiede in der Befindlichkeit als auch der Gehirnaktivität erkennen. Die subjektiv wahrgenommene körperliche Befindlichkeit, geistige Beanspruchung als auch der motivationale Zustand blieb in der aktiven Gruppe stabil, während diese sich bei der inaktiven Gruppe um 30% bis 40% im Isolationsverlauf verschlechterten. Gleichzeitig ist bei den sportlich Aktiven, wie in den zuvor erwähnten Studien, eine Abnahme der Gehirnak- tivität zu verzeichnen, während diese bei den Inaktiven trotz der sensorischen Deprivation keine Veränderungen zu sehen waren. 520 TAGE ISOLIERT IN MOSKAU (MARS500 UND MARS105) Für 520 Tage, solang dauert die Reise zum Mars und zurück, wurden sechs Probanden in ei- nem künstlichen Habitat isoliert. Nationale und internationale Weltraumagenturen planen in absehbarer Zeit eine Reise zum Mars. Um sich darauf vorzubereiten, fand im Jahr 2010/11 die MARS500-Studie als Kooperation zwischen der russischen Weltraumagentur (ROSKOSMOS), der europäischen Weltraumagentur (ESA) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raum- on) dazu führen, dass unser Gehirn weniger Stimuli zu verarbeiten hat. Beeinträchtigungen fahrt (DLR) im Institut für biomedizinische Probleme (IBMP) in Moskau statt. Wir haben das der kognitiven Leistungsfähigkeit waren innerhalb der 30-tägigen Isolation nicht zu erken- Trainingsprogramm beigesteuert, um zu schauen, wie sich ein regelmäßiges Training auf das nen. Gehirn, die Emotionen und die kognitive Leistungsfähigkeit auswirkt. Insgesamt zeigt diese Studie, dass eine kurze Periode (30 Tage) sozialer Isolation mit täg- Unsere Ergebnisse zeigen zweierlei. Zum einen kam es zu Beginn der Isolation zu einer lichem Sportprogramm erste affektive und elektrokortikale Veränderungen bewirkt, jedoch positiven Entwicklung. Die Ruhe und Abgeschiedenheit führten dazu, dass im ersten Monat keine über den Isolationszeitraum hinausgehenden psychophysiologischen Folgen hat. Auch der Isolation insbesondere das körperliche Wohlbefinden anstieg (Schneider, Brummer, et die erhöhten Kortisolwerte sollten als eine gesunde und physiologische Reaktion des Körpers al., 2010). Mit zunehmender Isolationsdauer verschlechterte sich aber das körperliche eben- auf eine neue Umweltsituation gewertet werden. so wie das emotionale Wohlbefinden. Auch die Gehirnaktivität, morgens in Ruhe gemessen, nahm, wie in den vorherigen Studien, ab. Interessanterweise war jeweils nach einer Trai- VIER MONATE ISOLIERT (SIRIUS) ningseinheit eine Normalisierung dieser Werte zu beobachten. Insbesondere fand sich nach Im Rahmen der SIRIUS-Studie wurde in Kollaboration zwischen der russischen (ROSKOS- den Trainingseinheiten eine Abnahme der Aktivität im Frontalkortex, dem Sitz der exekutiven MOS), amerikanischen (NASA), französischen (CNES) und deutschen Weltraumagentur (DLR) Funktionen (Schneider et al., 2013a). pünktlich zum 50. Jubiläum der Mondlandung der Apollo-Mission eine Reise zum Mond unter Der regelmäßige Sport hatte auch einen positiven Effekt auf die kognitive Leistungsfä- weltraumähnlichen Bedingungen simuliert und Effekte der Isolation und des begleitenden higkeit, aber nur dann, wenn das Training selbstbestimmt durchgeführt werden konnte und Sportprogramms für die Vorbereitung zukünftiger Mondmissionen untersucht. Spaß machte. Ein Training unter strikten inhaltlichen und trainingsphysiologischen Para- Die Datenauswertungen laufen derzeit noch auf Hochtouren. Vorläufig lässt sich sagen, metern hingegen wurde als zusätzlicher Stressor empfunden und hatte keinerlei positive dass das Training erwartungsgemäß mit einer Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit Effekte auf die kognitive Performanz (Schneider et al., 2012). der Probanden einherging. Gleichzeitig zeigt sich ein positiver Effekt des Trainings auf die Unsere Daten der beiden Studien belegen die psychohygienische Wirkung des Sports und Abb. 4 Concordia Station, Antarktis Abb. 3 Die SIRIUS-19-Crew (oben- subjektiv wahrgenommene Befindlichkeit. Auch in dieser Studie sehen wir eine über die Iso- zeigen, dass ein regelmäßiges Training als willkommene Abwechslung für Körper und Geist Abb. 5 Fitnessraum Concordia Station links, Foto: IBMP), ein Proband bei lation fortschreitende Abnahme der in Ruhe gemessenen Gehirnaktivität (sensorische De- wahrgenommen wird. Fotos: Eoin MacDonald-Nethercott den Tests (oben rechts, Foto: privation). Tiefergehende Analysen zur Konsequenz dieser Deaktivierung für die sensorische ) und beim Lauftraining (auditiv/visuelle und affektiv) Verarbeitung im Gehirn, die kognitive Leistungsfähigkeit und (Foto: Vera Abeln). Korrelationen mit endokrinen Parametern werden derzeit analysiert. Diese Daten unterstüt- zen erneut unsere Erkenntnisse zum positiven Effekt von Sport auf die psycho-physiologische Verfassung in Isolation. NEUN MONATE ISOLIERT IM EWIGEN EIS (CONCORDIA) Eine neunmonatige Isolation konnten wir im Rahmen der Concordia-Mission 2011 begleiten. Auf der französisch-italienischen Forschungsstation Concordia in der Antarktis sorgen die widrigen Bedingungen der geographischen Lage dafür, dass die dort überwinternde Crew vie- len Stressoren ausgesetzt ist. Im antarktischen Winter geht die Sonne für drei Monate nicht auf. Monate vor und nach der konstanten Dunkelheit sind die täglichen Sonnenstunden re- duziert. Die Lage in 3.233 m über dem Meeresspiegel (Hypoxie) auf dem Ostplateau, 560 km Positive Effekte entfernt von der nächstgelegensten Forschungsstation, 950 km entfernt von der nächsten Küste und 1.670 km entfernt vom Südpol mit Temperaturen bis zu -80°C im Winter und ei- Ob kleine Fitnessstudios oder nem Jahresdurchschnitt von -65°C verhindert die An- oder Abreise von Menschen für etwa einzelne Trainingsgeräte, Sport hat neun Monate im Jahr und schränkt auch die Möglichkeiten von Outdooraktivitäten stark ein. einen positiven Effekt auf die Viel ist um die Station in der weißen Wüste aus Eis und Schnee sowieso nicht zu sehen oder psycho-physiologische Verfassung tun. Das Leben der Crewmitglieder ist demnach im Winter sehr monoton. Mit Ausnahme von in Isolation. Satellitentelefon war in den Jahren 2009 bis 2012 auch nur sehr eingeschränkt eine Kom- munikation über Internet möglich. Die Crew ist auf sich und ihre uniformen Arbeiten zum Betrieb der Station und einige Forschungstätigkeiten beschränkt. Die europäische Weltraum- organisation (ESA) nutzt die Concordia Station für wissenschaftliche Untersuchungen unter 10 IMPULSE 01 | 2020 11
Schneider, Brümmer, Abel, Askew, & Strüder, 2009; Schneider, Brümmer, et al., 2010), was sich positiv auf das emotionale Wohlbefinden und die kognitive Leistung auswirkt. Diese Veränderungen im (prä-)frontalen Kortex und die positiven Effekte auf Kognition und Emotion scheinen jedoch abhängig von der Intensität der körperlichen Betätigung eben- so wie der persönlichen Präferenz zu sein. Bei zu niedrig oder zu hoch gewählten Belastungen zeigen sich keine positiven Veränderungen (Brummer et al., 2011; Ekkekakis & Acevedo, 2006; Woo, Kim, Kim, Petruzzello, & Hatfield, 2009). Auch findet sich ein positiver Effekt auf Kognition und Emotion nur dann, wenn Sport Spaß macht und selbstbestimmt durchge- führt werden kann (Ekkekakis, 2009). Für diese positiven Effekte von Sport auf die kognitive Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden muss kein Hochleistungssport betrieben werden, sondern basierend auf unseren Studien lediglich zwei bis drei mittlere bis etwas anstrengende Einheiten über 30 bis 45 Minuten wöchentlich, ganz so, wie es auch die WHO empfiehlt. In welchem Ausmaß sich eine Isolation auf den Einzelnen auswirkt, hängt von verschie- denen Faktoren, wie der Persönlichkeit, Resilienz und Bewältigungsstrategien, dem sozialen Zuspruch und ganz besonders der Dauer der Isolation ab. Kurzzeitige Isolation und die Not- Abb. 6 Veränderungen der subjektiv wendigkeit sich kurzfristig zu isolieren, so wie wir es in den letzten Wochen erfahren haben, wahrgenommenen Befindlichkeit in der führt erst einmal zu einer Zunahme von Stress, da die aktuellen Lebensumstände neu zu jus- Dimension „psychische Beanspruchung“ tieren sind. Hinzu kommt häufig der Verlust des persönlichen Freiraums, ganz ähnlich, wie wir (STRAIN) und „motivationaler Zustand“ es in der HERA-Studie gesehen haben. Dem gegenüber steht ein positiver Effekt von Isolation, (MOT) über sieben sechs-wöchige Inter- wenn wir merken, wie sich unser Leben entschleunigt und wir mehr Zeit für die Familie haben. valle während der neunmonatigen Isolati- DENKSPORT IN ISOLATION Langfristige Isolation kann zu Langeweile und Monotonie führen, wie wir es in unseren Studi- on auf der antarktischen Concordia Station Das Sport bzw. regelmäßige körperliche Aktivität nicht nur die psychische Gesundheit in en in der Antarktis gesehen haben. (aus: Abeln et al., 2015).“ Isolation erhalten kann, sondern auch grundsätzlich im Altersgang, war Gegenstand einer Auch ist es nötig zu differenzieren zwischen einem kurzfristigen und einem langfristigen weiteren Untersuchung. Die Interventionsstudie „Denksport“, ein multizentrisches Pro- Effekt von Sport und Bewegung auf das zentrale Nervensystem (ZNS). Während Sport und jekt dreier Universitäten in Europa (gefördert vom Joint Programme - Neurodegenerative Bewegung kurzfristig für eine Steigerung des emotionalen Wohlbefindens, einer erhöhten Disease Research), startete Ende des Jahres 2015 mit dem Ziel, die Effekte einer Sportin- Stressresistenz und einer Verbesserung der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit tervention auf die Progression der leichten kognitiven Beeinträchtigung, die als Vorstadi- sorgen (s.o.), kommt es langfristig zu strukturellen Anpassungen im ZNS, vermutlich durch um der Alzheimererkrankung gilt, zu erforschen (Devenney et al., 2017). Das Sporttreiben eine Freisetzung von Myokinen und neurotrophen Faktoren. und ein aktiver Lebensstil auch in hohem Alter noch vor Gedächtnisstörungen schützen können, wurde bereits durch Studien verifiziert (Ngandu et al., 2015; Tolppanen et al., Was wir aus unseren Studien gelernt haben, ist genau hinzuschauen und deutlich zu unter- Die Dosis macht das Gift 2015). Ob Sporttreiben aber bei bereits kognitiv eingeschränkten Personen positive An- scheiden was Sport bewirkt. Während der initialen Phase der Isolation, die verbunden ist mit Körperliche Betätigung kann sich passungen hervorrufen könne, galt es zu klären. einer natürlichen Stressreaktion, die es uns ermöglicht mit der neuen Situation umzugehen, nur dann positiv auf das mentale und Vorläufige Ergebnisse der Studie, die auf der Projekthomepage (www.dshs-koeln.de/ können Sport und Bewegung helfen, diesen Stress zu kanalisieren. Nach einigen Wochen, körperliche Wohlbefinden auswirken, denksport) einzusehen sind, erscheinen vielversprechend, denn in der Kölner Kohorte wenn es zum Lagerkoller kommt, können Sport und Bewegung persönlichen Freiraum und wenn Intensität und Art stimmen. konnten nicht nur Fitness und Lebensqualität verbessert werden, sondern auch die kog- Rückzugsraum bieten. Während des Minenunglücks im Jahr 2010 in Chile, als 33 Männer für nitive Leistungsfähigkeit entwickelte sich positiv. Wir erwarten, dass diese ersten Ergeb- 69 Tage verschüttet waren, wurde berichtet, dass die Möglichkeit sich von der Gruppe zu tren- nisse auch durch die Sportgruppen der Projektpartner in Irland und den Niederlanden nen und sich frei in den noch offenen Gängen unter Tage zu bewegen, das Team letzten Endes bestätigt werden. zusammengehalten hat. Und wenn es dann doch noch etwas länger dauert, können Sport und Auf jeden Fall liefert die Denksport-Studie Erkenntnisse, die besonders auch in der Bewegung dazu beitragen, die strukturelle und funktionale Integrität des zentralen Nerven- aktuellen Situation sehr relevant erscheinen. Sport und eine hohe körperliche Fitness systems zu erhalten. sind essentiell notwendig, um im Alter körperlich und kognitiv leistungsfähig zu bleiben. Diese Bedeutung einer hohen körperlichen Fitness wird auch durch eine aktuelle Studie Literatur bei den Autor*innen aus Norwegen bestätigt. Sie zeigt auf, dass eine Abnahme der Fitness, das Risiko an einer Demenz zu erkranken, signifikant erhöht, und somit die Abnahme der körperlichen Fitness Fördernummern: HERA (DLR-50WB1516); MARS500 und MARS105, CONCORDIA (DLR- als eigenständiger Risikofaktor für die Genese einer Demenz definiert werden sollte (Tari 50WB0819, 50WB0919); SIRIUS (DLR-50WB1813) et al., 2019). Take-Home-Message – Was nehmen wir davon mit in unsere Isolation zu Hause? Sport und Bewegung können in physisch (Bewegungsmangel) und psychisch (Monotonie, Einsamkeit, Stress) schwierigen Zeiten helfen. Sport kann eine Rückzugsmöglichkeit bie- ten und ein Ventil für aufgestauten Stress sein. Regelmäßiger Sport kann zum Erhalt der kognitiven und emotionalen Leistung in Isolation beitragen. Die positiven Effekte von Sport und Bewegung auf die mentale Gesundheit scheinen auf Aktivitätsveränderungen in (prä-)frontalen Hirnarealen zurückzuführen zu sein. Der präfrontale Kortex ist Sitz der exekutiven Funktionen, er integriert Gedächtnisinhalte und Dr. Vera Abeln, Jan Weber, Tim Stuckenschneider und Prof. Dr. Dr. Stefan Schneider emotionale Bewertungen bei der Verarbeitung von sensorischen Reizen und Entscheidun- (von links) arbeiten im Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Deutschen gen und wird daher auch als supervisierendes Aufmerksamkeitssystem bezeichnet. Basie- Sporthochschule Köln. In zahlreichen Forschungsprojekten beschäftigen sich die rend auf der Annahme, dass dem Gehirn nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen Wissenschaftler*innen unter anderem mit den Auswirkungen von körperlicher (Kahnemann, 1993), werden beim Sport vermehrt Ressourcen in die für die Bewegungs- Aktivität auf die mentale Leistungsfähigkeit. planung und -ausführung beteiligten Gehirnareale (Motor Kortex, prämotorische Areale, » v.abeln@dshs-koeln.de , » j.weber@dshs-koeln.de supplementär motorische Areale) verlagert. Dadurch kommt es in den präfrontalen Kor- » t.stuckenschneider@dshs-koeln.de, » schneider@dshs-koeln.de texarealen zu einer Reduzierung der stressbedingt erhöhten Aktivität (Brummer, Schnei- der, Abel, Vogt, & Struder, 2011; Schneider et al., 2013b; Schneider, Askew, et al., 2009; 12 IMPULSE 01 | 2020
Uni in der Klinik Ein Semester gemeinsam mit Patient*innen, Kliniker*innen und Forscher*innen Text Peter Häussermann & Tim Fleiner Die körperliche Aktivierung älterer Patient*innen ist fester Bestandteil in der Gesundheitsversorgung und gleichzeitig vielseitiges Forschungsfeld für Sportwissenschaftler*innen. Ein modernes, evidenzbasiertes Handeln setzt eine enge Verzahnung zwischen der aktuellen Wissenslage und der klinischen Regelversorgung voraus. Um den Studierenden des Masterstudienganges „Sport- und Bewegungsgerontologie“ (M.Sc. SBG) der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) einen möglichst praxisnahen Einblick in die Tätigkeit als klinische Wissenschaftler*innen zu ermöglichen, führt die DSHS zusammen mit der LVR- Klinik Köln ein Wahlmodul mit dem Schwerpunkt der klinischen Forschung durch – ein Semester „Uni in der Klinik“. 14 IMPULSE 01 | 2020 15
E in wechselseitiger Transfer von Erkenntnissen in der Umsetzung notwendig. Schlüsselpersonen und sion oder Delir. In der multiprofessionellen Behand- Uhrzeit Seminarablauf Beteiligte Berufsgruppen und Ansätzen zwischen Forschungskontext -positionen mit Verantwortung im Anwendungsbe- lung ist die körperliche Aktivierung der Patient*innen und dem entsprechenden Anwendungsfeld ist reich und einer entsprechenden Forschungsanbin- ein besonderer Bestandteil. Die „Gerontopsychiatrie 08:30 Treffen und Organisation das Kernelement einer modernen Gesundheitsver- dung werden auch als „knowledge broker“, „boundary in Bewegung“ (Fleiner et al., 2015) zielt in einem sorgung. Um einen niederschwelligen Austausch von spanner“ oder für den klinischen Bereich als „klini- strukturierten Behandlungsprozess darauf ab, je Frühbesprechung Ärzt*innen, Psycholog*innen, Wissen und Informationen zwischen Forschung und sche Wissenschaftler*innen“ bezeichnet (Gladman et Patient*in 150 Minuten/Woche körperliche Aktivität 08:45 Klinische Fortbildung Pflegerische Stationsleitungen Anwendung zu fördern, sind ein Blick für strukturelle al., 2016). Um Studierende an eine Berufsperspektive in moderater Intensität zu erreichen – dies entspricht & Casemanagement Nachexploration und inhaltliche Weiterentwicklung gepaart mit klini- als klinische Wissenschaftler*innen heranzuführen, den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisati- scher Expertise und pragmatischer Herangehensweise verstetigen die DSHS und die LVR-Klink Köln ihre bis- on für gesunde ältere Personen aus dem Jahr 2010. 10:15 Studentischer Journal-Club herige gegenseitige konstruktive und effektive Ver- Gemeinsam mit dem Institut für Bewegungs- und Chefarzt & Forschungsgruppe bindung zwischen Forschung und Versorgung in einer Sportgerontologie der DSHS werden in der Regelver- 11:00 Theoretischer Input & Übung „Gerontopsychiatrie in Bewegung“ Vereinbarung zur Lehrkooperation. sorgung Assessment- und Interventionsstrategien Physio- und entwickelt, implementiert und evaluiert. 12:00 Patient*innenvorstellung Bewegungstherapeut*innen Von dieser engen Zusammenarbeit in der Lehre Abwechselnd alle Berufsgruppen der versprechen sich die DSHS und die LVR-Klinik Köln Modulgestaltung 12:30 Expert*innengespräch Abt. für Gerontopsychiatrie eine gelebte Praxisnähe in den Lehrveranstaltungen Für jeweils 15 Studierende wird seit 2018 das Wahl- sowie eine Bündelung von Ressourcen zum gegensei- modul „Forschung in der klinischen Gesundheitsver- Abb.1 Seminarablaufplan tigen Vorteil. Insbesondere eine gemeinsame Durch- sorgung Älterer“ jeweils im Wintersemester ange- führung und Evaluierung von Lehrveranstaltungen boten. Mit den übergeordneten Modul-Zielen, den der DSHS in dem Fachbereich für Gerontopsychiatrie Studierenden einen echten Einblick in die klinische in der LVR-Klinik Köln soll mittel- und langfristig ei- Gesundheitsversorgung Älterer zu ermöglichen und nen Zugewinn an Lehr- und Forschungsressourcen sie gleichzeitig zu einem Evidenz-basierten Denken bewirken. Für die LVR-Klinik Köln ergibt sich dadurch und Handeln zu befähigen, soll ein Berufseinstieg ein direkter Praxistransfer von sport- und bewegungs- in der Gesundheitsversorgung vorbereitet werden. gerontologischen Innovationen in den Klinikalltag. Kernelemente der Modulgestaltung sind demnach Neben der Durchführung von Lehrprojekten zur An- Evidenz-basiertes Handeln, konzeptionelles Arbei- fertigung von Abschlussarbeiten in Bachelor- und ten, moderne Kommunikationsstrategien (inkl. Wis- Masterstudiengängen und klinischen Praktika ver- senschaftskommunikation) und schwerpunktmäßig einbart die Lehrkooperation auch die Durchführung das multiprofessionelle Handeln. Die wöchentlich Klinische Wissenschaftlerin bzw. des Moduls „SBG12.2 - Forschung in der klinischen stattfindenden jeweils viereinhalbstündigen Einhei- Klinischer Wissenschaftler als Gesundheitsversorgung Älterer“ in der LVR-Klinik ten folgen dem in Abb. 1 dargestellten Ablauf. Beruf? In dem Seminar erhalten Köln. Dieses Wahlmodul wurde gemeinsam mit der Studierende einen echten Einblick LVR-Klinik Köln im Rahmen der Neukonzeption des Die Frühbesprechung dient der Organisation des in die klinische Gesundheitsver- Masterstudiengangs „Sport- und Bewegungsgeronto- klinischen Ablaufes – Stationsbelegung, besonde- sorgung Älterer und werden auf logie“ als „Master of Science“ entwickelt, um die „for- re Vorkommnisse aus den Spät- und Nachtdiensten einen Berufseinstieg in der Ge- Aus der Uni in die Klinik – von dem neu entwickelten Wahlmo- schungsnahe Lehre“ fest im Curriculum zu verankern. sowie Ankündigungen werden besprochen und koor- sundheitsversorgung vorbereitet. dul „Forschung in der klinischen Gesundheitsversorgung Älterer“ „In diesem Wahlmodul werden den Studierenden zen- diniert. Daran anschließend findet die wöchentliche profitieren Studierende und Klinik gleichermaßen. trale Inhaltsbereiche und Kompetenzen vermittelt, klinische Fortbildung statt, in welcher abwechselnd welche die Interdisziplinarität im Studiengang weiter Vertreter*innen aller an der Behandlung beteiligten ausbauen und den Studierenden ein neues potenziel- Berufsgruppen und externe Referenten die aktuelle les Berufsfeld eröffnen“, hebt Studiengangskoordi- Evidenzlage und Behandlungsleitlinien vorstellen nator Dr. Tobias Morat (Institut für Bewegungs- und und diskutieren. Themen aus den vergangenen Se- Sportgerontologie, DSHS) hervor. mestern waren u.a. Fallvorstellungen; Krankheits- bilder wie z.B. Mb. Parkinson, Delir und Epilepsie im schungsgruppe „Gerontopsychiatrie in Bewegung“. In Die LVR-Klinik Köln ist für die psychiatrische Ver- Alter; Polymedikation; Elektrokrampftherapie; Geri- den ersten Seminareinheiten liegt ein besonderes Au- sorgung von 600.000 Einwohnern Kölns zuständig. atrisches Assessment und besondere psychosomati- genmerk auf der Schweigepflicht und den Regularien Mit 402 Betten, 140 Tagesklinik-Plätzen und Ambu- sche Aspekte im Alter. Anschließend an die Frühbe- zur Einhaltung des Datenschutzes – z.B. auch durch lanzen werden jährlich etwa 10.000 Patient*innen sprechung und die klinische Fortbildung werden mit einen Einblick in die Maßnahmen zur Gewährung der behandelt. Träger der LVR-Klinik Köln ist der Land- den Studierenden die besprochenen Patient*innen Datensicherheit in der LVR-Klink Köln durch den Leiter schaftsverband Rheinland (LVR). In der Abteilung und Themen zusammen mit dem Chefarzt nachexplo- der EDV-Abteilung und den Datenschutzbeauftragten für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie werden riert. der Klinik. Hauptthemen im weiteren Semesterverlauf psychisch kranke ältere Menschen, in der Regel ab sind Behandlungsleitlinien und Kernelemente der dem 65. Lebensjahr, und deren Angehörige behan- Den theoretischen Input zu der klinischen For- Projektorganisation in klinischen Studien. Dies um- delt und beraten. Die häufigsten Krankheitsbilder schung in der Gesundheitsversorgung Älterer lie- fasst u.a. ethische Grundsätze und die Beantragung sind Patient*innen mit Demenzerkrankung, Depres- fern der Chefarzt und die Mitarbeiter*innen der For- eines Ethikvotums, die Studienregistrierung, die Re- 16 IMPULSE 01 | 2020 17
Journal-Club SBG 12.2 - „Klinische Forschung in der Gesundheitsversorgung Älterer“. Ziel: Erarbeitung, Diskussion und Zusammenfassung der aktuellen Evidenzlage. Je Termin wird eine Studie gemeinsam diskutiert, alle Studieren- den lesen die Studie im Vorfeld, bereiten Rückfragen und Diskussions- punkte vor. Zu dem Termin: Ein*e Student*in (Expert*in) stellt die Studie zehn Minuten lang vor. Abb.2 Bild Wortwolke aus dem Wintersemester 18/19 Nach dem Termin: Expert*in verfasst Bericht zu der Studie und der Diskussion: Evidenzlage, Forschungs- & Versorgungslücke, Diskussion, Rückfragen und statistischer Exkurs (eine Seite nach Berichtvorlage). Zu Semesterende: Gemeinsames „Handbuch“ zur aktuellen Evidenzlage. Auf der Basis der Dokumentationen des studen- LVR-Klinik Köln erleben den Austausch mit den Studie- tischen Journal-Clubs entsteht ein Handbuch für renden der DSHS als sehr wertvoll und abwechslungs- Sport- und Bewegungsgerontologie in der klinischen reich. Der wertschätzende beidseitige Austausch wirkt Forschung. Aus jedem Semester werden die Zusammen- der Stigmatisierung des Alters und der Psychiatrie ent- fassungen der Journal-Club-Beiträge und die statisti- gegen. Die Erfahrungen aus den bisherigen zwei Durch- Abb.2 Ablauf des studentischen Journal-Clubs schen Exkurse zusammengestellt. Ergänzt wird dieses läufen lassen gespannt in die Zukunft blicken: klinische Sammelwerk durch ein klinisches Wörterbuch und ein Forschungsprojekte miterleben, selbstständiges Arbei- Abkürzungs- sowie ein Stichwortverzeichnis. Dieses ten mit den Patient*innen und der Einsatz digitaler über mehrere Semester gewachsene Handbuch erweist Lehr- und Lerntechniken mitten in der Patientenver- sich als sehr wertvolles Wissens- und Nachschlagewerk sorgung. Die Studierenden zu einem Evidenz-basierten krutierung von Patient*innen mit der Besonderheit Versorgungsalltag wird diskutiert sowie entsprechende für die Studierenden und wird auch klinisch eingesetzt Denken und Handeln zu befähigen ist ein wichtiger der Projektinformation und Einwilligungserklärung bei Forschungslücken identifiziert. Am Ende wird ein Fazit – z.B. im Rahmen der Einarbeitung neuer Stationsärz- Schritt hin zu einer modernen Gesundheitsversorgung. nicht-einwilligungsfähigen Patient*innen sowie die der gemeinsamen Diskussion formuliert sowie jeweils te. Publikation von Projektergebnissen. fünf Schlagworte formuliert, die aus dieser Studie für Literatur bei den Autoren eine Konzeptentwicklung wichtig sind. Die studentischen Evaluierungsergebnisse aus den Evidenz-basiertes Handeln setzt voraus, bei der stei- bisherigen zwei Durchläufen (WS 18/19 & WS 19/20) genden Anzahl an Fachartikeln gute von schlechten Ar- Erstellung eines innovativen Konzeptes sind durchweg sehr positiv mit einer Gesamtbewertung tikeln unterscheiden zu können. Um die Studierenden Eine Hauptaufgabe in einer Tätigkeit als klinische*r von 9,6 und 9,5 (10=ausgezeichnet / 1=unzufrieden). dieser Qualitätskontrolle zu befähigen, ist der studen- Wissenschaftler*in ist die Entwicklung, Implemen- Der Großteil der Studierenden gibt einen Anteil des tische Journal-Club ein fester Bestandteil des Seminars tierung und Evaluierung von Bewegungskonzepten in Selbststudiums von ein bis zwei Stunden pro Woche – wissenschaftliche Artikel werden gemeinsam gelesen der Gesundheitsversorgung. Dies setzt die Fähigkeit zur Vor- und Nachbereitung der Journal-Club-Bei- und diskutiert. Im Rahmen des studentischen Journal- zur Aufarbeitung der Evidenzlage voraus und darauf träge an. Für eine Berufsperspektive als klinische*r Clubs erfolgt jeweils vor und nach dem Semester eine ableitend, eigene Ideen umzusetzen und evaluieren Wissenschaftler*in sehen sich die Studierenden mit Erhebung zu den Effekten dieser Methode: die Studie- zu können. Von den Studierenden werden demnach einer Bewertung von 1,4 (1=trifft völlig zu, 5=trifft gar renden schätzen anhand einer Fragebogen-Erhebung folgende Fähigkeiten und Lehrzielebenen erwartet: nicht zu) gut vorbereitet. PD Dr. Peter Häussermann, ihre Fähigkeiten ein, die Evidenzlage zu recherchieren, Anwenden, Analysieren, Synthetisieren und Inno- geb. 1970, ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Geriatrie. Seit vieren (Bloom et al., 1972; Winteler, 2008). Als be- 2010 ist er Chefarzt der Abteilung für Gerontopsychiatrie und -psycho- aufzuarbeiten und vorzutragen. In dem studentischen In den offenen Rückmeldungen heben die Studie- therapie an der LVR-Klinik Köln. Journal-Club wird jedem Studierenden eine Studie noteter Leistungsnachweis für dieses Modul wird am renden die Praxisnähe und interaktive Gestaltung der » peter.haeussermann@lvr.de zugeteilt, der sodann als Expert*in für diesen Fachbe- Ende des Semesters die „Erstellung eines innovativen Seminareinheiten hervor. Weiter werden u.a. rück- reich fungiert. Die ausgewählten Studien erstrecken Konzeptes zur körperlichen Aktivierung in der Gesund- gemeldet: „rege Mitarbeit der Studierenden; klarer sich über aktuelle Aspekte der Gesundheitsversorgung heitsversorgung Älterer“ gefordert. In Gruppen mit je zeitlicher Ablauf; gute Arbeitsatmosphäre; anwen- Älterer und greifen auch eigene Studien aus der For- zwei Studierenden sind Bewegungskonzepte u.a. zu dungsorientiertes und nachhaltiges Lernen; wertvolle Fotos: Unplash; D.Schmidt; Privat schungsgruppe „Gerontopsychiatrie in Bewegung“ auf. folgenden Zielgruppen zu erstellen: Patient*innen Experteninterviews, um Vielfalt an Berufsgruppen ken- Dr. Tim Fleiner, Sofern offene Fragen auftreten, wird seitens des Exper- mit Demenz im Anfangsstadium, Depression (65-74 nenzulernen; Einblick in Klinikablauf; trotz viereinhalb geb. 1986, ist Physiotherapeut und Sportwissenschaftler. Seit 2017 leitet ten auch Kontakt zu den Autor*innen der Studie aufge- Jahre), Mb. Parkinson im Anfangsstadium, mit hoher Stunden sehr abwechslungsreich auch innerhalb eines er die Forschungsgruppe „Gerontopsychiatrie in Bewegung“ am Institut nommen und diese werden auch nach Möglichkeit als Sturzgefahr, mit Tag-Nacht-Umkehr und Patient*innen Tages“. Als Ansätze zur Verbesserung werden mehr ei- für Bewegungs- und Sportgerontologie der DSHS und der Abteilung für Diskutanten eingeladen oder via Webkonferenz zuge- mit Sundowning-Phänomen. Um eine möglichst praxis- gener Patient*innenkontakt sowie Termine in der Kli- Gerontopsychiatrie der LVR-Klinik Köln. » t.fleiner@dshs-koeln.de schaltet. Im Fokus der Diskussion des studentischen nahe Vorbereitung auf den Berufseinstieg zu erreichen, nik und der DSHS vorgeschlagen. Journal-Clubs stehen die eingesetzten Methoden und werden diese Bewegungskonzepte im Rahmen eines die Ergebnisinterpretation der Forschungsgruppen. Abschluss-Symposiums vorgestellt und vor Fachperso- Die „Uni in der Klinik“ ist etwas Besonderes – nicht Besonders der Transfer der Studienergebnisse in den nal verteidigt. nur für die Studierenden. Auch die Mitarbeitenden der 18 IMPULSE 01 | 2020 19
Ganzkörper- Elektromyostimulation Aktuelle Ergebnisse aus dem (Hoch-)Leistungssport Text Florian Micke & Heinz Kleinöder D ie Arbeitsgruppe Kraftdiagnostik und Bewegungsfor- Leistung, Schnellkraft etc.). Darüber hinaus spielt der Übertrag schung (Institut für Trainingswissenschaft und Sport- in sportmotorische Fähigkeiten (Sprint, Sprung, Wurf, Schlag) informatik, Deutsche Sporthochschule Köln) unter der eine entscheidende Rolle. Alle Untersuchungen wurden mit Leitung von Dr. Heinz Kleinöder hat seit 2006 in unterschied- niederfrequenter EMS durchgeführt. lichen Studien eine Vielzahl positiver Effekte von Trainingsin- Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurden mit Unterstützung terventionen mit Ganzkörper-Elektromyostimulation (GK-EMS) der Trainerakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes auf die Leistungsfähigkeit feststellen können. Es wurden un- (DOSB) Kooperationen mit den verantwortlichen Trainer*innen terschiedliche Trainingsprogramme, wie z.B. Trainingsformen und Trainingsgruppen aus den leichtathletischen Wurfdiszipli- mit dem eigenen Körpergewicht, Training mit Zusatzlasten nen Speer und Diskus sowie den Sportarten Langlauf und Bi- und sportartspezifische Bewegungsformen durch simultane athlon geschlossen, um die gewonnenen Erkenntnisse auch EMS-Applikation von mehreren Muskelgruppen gleichzeitig mit Kaderathlet*innen zu evaluieren. Zur Sicherung der An- intensiviert und Effekte auf den Organismus untersucht. Die schlussfähigkeit von Nachwuchsathlet*innen an die nationale Fragestellungen und Parameterauswahl reichten von akuten und internationale Spitze sowie von Bundeskaderathlet*innen physiologischen Reaktionen bei Trainingseinheiten (Metabo- an die Weltspitze, ist eine solche wissenschaftlich begründete lismus, Hormone) bis hin zu langfristigen Anpassungen im Be- Implementierung innovativer und intensiver Trainingsmetho- reich differenzierter Kraftfähigkeiten (Maximalkraft, maximale den wichtig. 20 IMPULSE 01 | 2020 21
Ergebnisse der wurfspezifischen Diagnostik 7 6 Abwurfgeschwindigkeit [m/s] 5 4 3 +17,3% +9,3% +2,0% -6,1% 2 1 0 KTG EA KTG EA + 1,2kg KTG EA + 2,4kg KTG EA + 4,0kg PRE 5,2 m/s 5,1 m/s 5 m/s 4,9 m/s POST 6,1 m/s 5,6 m/s 5,1 ms 4,6 m/s Abb. 1a Athletin 2 (Ergänzungskader (EK), Speer) 6 Abb. 2 5 Speerwurfspezifische Diagnostik am Abwurfgeschwindigkeit [m/s] Kraft-Trainings-Gerät. 4 3 +9,6% 0% -2,1% 2 EMS im Hochleistungssport und Anwendungsempfehlungen abgeleitet werden. Begleitet wurde die Trainingsintervention von ei- Bei der Elektromyostimulation (EMS) werden moto- Auf Grundlage des aktuellen Forschungsstands ner sportartspezifischen Wurfdiagnostik am Leicht- 1 rische Einheiten durch über die Haut applizierten und unter Beachtung gegebener Anforderungen in athletikstützpunkt in Leverkusen, die jeweils vor Strom synchron, räumlich begrenzt und nicht-selek- der Weltspitze leichtathletischer Wurfdisziplinen (PRE) und nach der Intervention (POST) zur Überprü- 0 KTG EA KTG EA + 1,2kg KTG EA + 2,4kg tiv aktiviert (Pillard, 2008). So erzeugt EMS in den wurde GK-EMS während sportartspezifischer Be- fung der Leistungsfähigkeit durchgeführt wurde. Die PRE 5,2 m/s 4,7 m/s 4,6 m/s aktivierten Muskelfasern eine hohe mechanische wegungen und Kraftübungen zusätzlich appliziert. speerwurfspezifische Diagnostik erfolgte am Kraft- POST 5,7 m/s 4,7m/s 4,5 ms Spannung und wird daher als hochintensiver Trai- Zum einen sollten koordinativ anspruchsvolle Pha- Trainings-Gerät (KTG). Die Bewegungsaufgabe der ningsreiz eingestuft (Nosaka et al. 2011). sen innerhalb der Wurftechniken stabilisiert sowie Athletinnen bestand in der einarmigen Beschleuni- Abb. 1b Athletin 3 (Olympiakader (OK), Speer) Die simultane Applikation von Strom während deren Wiederholbarkeit erhöht werden. Zum an- gung eines Schlittensystems durch eine sportartspe- Kraftübungen oder sportartspezifischen Bewe- deren sollte die Kraft- und Leistungsfähigkeit der zifische Wurfabfolge. Die Abwurfgeschwindigkeit gungen hat in den vergangenen Jahren mehr und Athleten gesteigert werden. [m/s] des Schlittens wurde mittels Radarsensor (ball- 19 mehr das Interesse des Hochleistungssports ge- speedometer, SwissSensor, Schweiz) erfasst. Die Dia- weckt. So rückte insbesondere die Ganzkörper- Methodik gnostik der Abwurfgeschwindigkeit erfolgte mit un- 18 Abwurfgeschwindigkeit [m/s] Elektromyostimulation (GK-EMS) in den Fokus, da Drei Kaderathletinnen des TSV Bayer Leverkusen aus terschiedlichen Zusatzlasten (ZL) (ohne ZL, +1,2kg, hierdurch ein hochintensives Ganzkörper-Workout den leichtathletischen Disziplinen Speerwurf (n=2) +2,4kg und +4,0kg) (Abbildung 1a und 1b). Die dis- 17 in kurzer Trainingszeit, unabhängig von externen und Diskuswurf (n=1) nahmen an der Interventi- kuswurfspezifische Diagnostik erfolgte mit Hilfe von Zusatzlasten ermöglicht wird. Insbesondere ein onsphase des Transferprojektes teil. Eine sechs- einarmigen Kugeldrehwürfen. Die Kugeldrehwürfe 16 dynamisch ausgeführtes GK-EMS-Training scheint monatige Interventionsphase wurde in der Vorbe- erfolgten aus einer einfachen diskusspezifischen Dre- für den Leistungssport von besonderem Nutzen, reitungsperiode durchgeführt. Um der komplexen hung. Die Abwurfgeschwindigkeit [m/s] der Kugel 15 +4,7% da hier, im Gegensatz zu isometrisch ausgeführtem Periodisierung und Belastungssteuerung im Hoch- wurde ebenfalls mittels Radarsensor (ballspeedo- EMS-Training, die wichtige sportartspezifische Aus- leistungssport gerecht zu werden, wurde GK-EMS meter, SwissSensor, Schweiz) erfasst. Die Würfe er- 14 +4,0% richtung des Trainings ermöglicht wird. unter Berücksichtigung der jeweiligen Trainingsplä- folgten mit unterschiedlich schweren Kugeln (1,0kg ne der Athletinnen individuell angesetzt. Dennoch und 1,5kg) (Abbildung 1c). 13 Kugelwurf +1,0kg Kugelwurf +1,5kg Einsatz von EMS bei leichtathletischen Wurfdis- konnten die grundlegenden EMS-spezifischen Ein- PRE 17,1 m/s 15 m/s ziplinen (Speer/Diskus) stellungen am Stimulationsgerät zwischen den drei Diskussion Die Zielstellung des Forschungsprojekts war die Athletinnen gleich gewählt werden (Intensität: sub- Alle drei Athletinnen konnten ihre sportartspezifische POST 17,9 m/s 15,6 m/s wissenschaftlich begleitete Einführung der alter- maximal 70%; Impulsart: bipolar; Impulsfrequenz: Abwurfgeschwindigkeit über den Interventionszeit- Abb. 1c Athletin 1 (Nachwuchskader (NK), Diskus) nativen und intensiven Trainingsmethodik Ganz- 85Hz; Impulsbreite: 400µs; Impulsanstieg: recht- raum steigern. Insbesondere die hochrangingen Ka- körper-Elektromyostimulation (GK-EMS) in das eckförmig; Impulszeit/-pause: übungsspezifisch). derathletinnen aus dem Speerwurf konnten beacht- Hochleistungstraining von NK1-Athletinnen (Nach- Die submaximale Intensität der EMS ermöglichte die liche Verbesserungen der Abwurfgeschwindigkeit von wuchskader 1) bis OK-Athletinnen (Olympikader) Ausführung von dynamischen, sportartspezifischen +17,3% (EK-Athletin) und 9,6% (OK-Athletin) erzie- des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Übungen bei simultaner GK-EMS. Die ausgewählten len. Dies weist auf ein hohes Verbesserungspotenti- Neben der akuten Leistungssteigerung der Athle- Trainingsübungen wurden von den beiden DLV-Dis- al durch die Integration von GK-EMS bei hohem Lei- tinnen durch eine Intervention sollte GK-EMS mit ziplintrainern individuell nach Sportart und Athletin stungsniveau hin. Insbesondere bei den Diagnostiken längerfristiger Perspektive für Weltklasse-Athle- angepasst. ohne Zusatzlast bzw. mit geringeren Zusatzlasten tinnen als saisonbegleitende Maßnahme etabliert (ohne ZL bis 1,5kg) konnten die größten Leistungs- 22 IMPULSE 01 | 2020 23
Abb. 3 Stabilisationstraining zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur. Abb. 4 in eine EMS-Gruppe (EMS) und in eine aktive Kontroll- Übungen. Die Doppelstockschubeinheiten wurden Doppelstockschubtraining zur Tech- Gruppe (KON) unterteilt. Die Belastungsnormative der auf dem Laufband gefahren und bestanden aus 3 nikschulung mit zusätzlicher Elektro- beiden Gruppen waren gleich. Der einzige Unterschied Durchgängen mit folgendem Protokoll: 5 min bei 3° myostimulation am Olympiastützpunkt bestand in der zusätzlichen Applikation von GK-EMS Steigung und anschließenden 3 min bei 5° Steigung. (OSP) Thüringen. während allen Trainingsübungen ausschließlich in der Sowohl für das Stabilisations- als auch für die Dop- EMS-Gruppe. pelschubeinheiten wurden für die EMS-Gruppe die Die Trainingsintervention Biathlon erfolgte ins- gleichen EMS-spezifischen Einstellungen wie bei der gesamt über 14 Wochen. In dieser Zeit absolvierten Trainingsgruppe Biathlon gewählt. Einzig beim Dop- beide Gruppen (EMS und KON) neben dem normalen pelschubtraining wurde die Impulszeit/-pause mit Biathlontraining 12 zusätzliche Trainingseinheiten. 0,6s Impulszeit und 0,5s Impulspause an den Dop- Jede Trainingseinheit bestand aus zwei Sätzen mit je- pelstockschubeinsatz angepasst. Begleitet wurde die weils 16 verschiedenen Stabilisationsübungen für den Intervention Langlauf von einem Doppelstockschub- Rumpf in dynamischer und isometrischer Ausführung. Leistungstest des DSV, welcher im Olympiastützpunkt Für die EMS-Gruppe wurden folgende EMS-spezifische Thüringen vor (Eingangstest) und nach der Interventi- Einstellungen an Ganzkörper-Stimulationsgeräten on (Ausgangstest) durchgeführt wurde. Der Leistungs- verbesserungen erzielt werden. Die speerwurfspe- (miha bodytec, Augsburg) gewählt: Intensität: subma- test erfolgte auf einem Laufband mit einstellbarem zifischen Diagnostiken mit den schwereren Zusatz- ximal 70%; Impulsart: bipolar; Impulsfrequenz: 85Hz; Steigungsgrad (Poma, Porschendorf) inklusive Rollski lasten (+2,4kg und +4,0kg) führten hingegen nicht Impulsbreite: 400µs; Impulsanstieg: rechteckförmig; (SRB, Zella-Mehlis; DMS Sport, Pirna). zu Verbesserungen. Diese Ergebnisse können mit Impulszeit/-pause: 4s/4s. Begleitet wurde die Inter- der sportartspezifischen Ausrichtung des Trainings vention Biathlon vorher (Eingangstest) und nachher Hauptergebnisse sowie der Trainingsspezifik von GK-EMS begründet (Ausgangstest) von einer isometrischen Kraftdiagnos- In der Sportart Langlauf werden die Effekte der Trai- werden. Die GK-EMS-Trainingseinheiten wurden nur tik (Schnell, Ingolstadt; FZP, Köln) und einem Hal- ningsintervention gemessen an der insgesamt absol- mit geringer Zusatzlast durchgeführt und waren nicht tetest im stehenden Anschlag (Spezialmesstechnik, vierten Strecke im DSV-Leistungstest aufgeführt. Die auf das Bewegen hoher Lasten ausgelegt. In dieser Ilmenau) am OSP Thüringen. Ergebnisse werden als Gruppenvergleich zwischen Belastungssteuerung zeigten auch andere GK-EMS- Die Trainingsintervention Langlauf erfolgte insge- EMS- und Kontroll-Gruppe sowie per Individualver- Studien Verbesserungen der Peak-Power über die Ge- samt über 16 Wochen. In dieser Zeit absolvierten beide läufe zwischen Eingangs- und Ausgangstest darge- schwindigkeitskomponente. Die erzielten Leistungs- Gruppen (EMS und KON) neben dem normalen Lang- stellt. verbesserungen können nicht ausschließlich auf die lauftraining 13 zusätzliche Stabilisationseinheiten zur Im biathlonspezifischen Haltetest im stehenden Trainingsmethode GK-EMS zurückgeführt werden, da Kräftigung der Rumpfmuskulatur und acht zusätzliche Anschlag konnten folgende Hauptergebnisse im Grup- Abb. 5 Doppelstockschub- innerhalb der Trainingsgruppe keine leistungsent- Doppelstockschubeinheiten zur Technikschulung auf penvergleich zwischen EMS- und Kontroll-Gruppe so- Leistungstest im Langlauf. sprechende Kontrollgruppe gestellt werden konnte. dem Laufband. Die Stabilisationseinheiten bestan- wie für die Individualverläufe festgestellt werden. Abb. 6 Haltetest im stehenden Dieser Nachweis war Gegenstand früherer Projekte den aus zwei Sätzen mit jeweils zehn verschiedenen Anschlag im Biathlon. der Arbeitsgruppe. Einsatz von EMS bei Langlauf und Biathlon Die Zielstellung dieses Forschungsprojekts war die wissenschaftlich begleitete Einführung von GK-EMS in das Nachwuchstraining nordischer DSV-Athleten (Nachwuchskader 1, Nachwuchskader 2 und Lei- stungskader) aus den Sportarten Biathlon und Langlauf Biathlon Langlauf. Neben der akuten Leistungssteigerung der Athleten durch eine speziell auf die Sportart und Trai- EMS (n=4) KON (n=4) EMS (n=6) KON (n=5) ningsgruppe abgestimmte Intervention sollte GK-EMS mit längerfristiger Perspektive als saisonbegleitende Alter [J] 16,5 (0,6) 17,3 (1,0) 18,0 (0,9) 16,8 (1,1) Maßnahme etabliert werden. Größe [cm] 186 (8) 182 (8) 180 (6) 185 (5) Methodik Insgesamt nahmen 23 Kaderathleten (Langlauf: n=12; Gewicht [kg] 75,0 (10,3) 72,8 (7,7) 71,2 (9,3) 76,6 (5,6) Biathlon: n=11) teil. Zu Beginn der Projektkoopera- tion wurde der Einsatz von GK-EMS in beiden Sport- BMI [kg/m²] 21,5 (1,5) 22,1 (2,7) 22,0 (1,9) 22,5 (1,7) arten erprobt. Nach erfolgreicher Erprobungsphase wurden zwei separate Trainingsinterventionen in den Krafttrainingser- 3,0 (1,1) 3,0 (0,9) 4,2 (1,5) 3,4 (1,1) jeweiligen Trainingsgruppen durchgeführt. Zielstel- fahrung [J] lung der Trainingsgruppe Biathlon war die Steigerung der Rumpfkraft sowie die Erhöhung der Haltezeit im Trainingszeit/ 15,0 (1,7) 15,7 (2,0) 13,5 (1,5) 13,5 (1,5) Zielbild des stehenden Anschlages. Zielstellung der Woche [h] Trainingsgruppe Langlauf war die Verbesserung der Doppelstockschub-Technik in Kombination mit einer Tab.1 Gruppendaten als Mittelwert (Standardabweichung) aller Kaderathleten mit voll- Erhöhung der Laufleistung bei einem standardisierten ständigen Datensätzen. Leistungstest. Beide Trainingsgruppen wurden jeweils 24 IMPULSE 01 | 2020 25
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