Campusintern - Katholische Hochschule Freiburg ...
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1 2020 campusintern MAGAZIN DER KATHOLISCHEN HOCHSCHULE FREIBURG FORSCHUNG HOCHSCHULE KOOPERATION Aufbau eines Ein neuer Campus für die Hochschulübergreifendes inklusiven digitalen Katholische Hochschule Promotionskolleg zur Erinnerungsarchivs Versorgungsforschung
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitarbeitende, liebe Alumnae und Alumni, nach längerer Pause halten sie nun wieder eine neue Ausgabe unseres Hochschulmagazins in den Händen. Campus intern informiert Sie über wichtige Ereignisse in unterschiedlichen Bereichen der Hoch- schule und enthält Geschichten der verschiedenen Campi, berichtet von Alumni-Aktivitäten und stellt Ihnen Menschen unserer Hochschule vor. Anfang März hatte ich bereits eine erste Version des Vorworts geschrieben, in dem ich Sie über aktuelle Entwicklungen und angedachte Aktivitäten im kom- menden Sommersemester informieren wollte. Mitt- lerweile bestimmt die Corona-Pandemie, die Aus- maße einer Jahrhundert-Krise annimmt, den Alltag und macht völlig neue Planungen notwendig. Wir haben einen Krisenstab eingesetzt, der die sich dy- namisch verändernde Lage ständig beobachtet und notwendige situative Entscheidungen trifft. Als Teil des Netzwerks der Hochschulen für Ange- wandte Wissenschaften in Baden-Württemberg sind wir in den Informationsfluss von Seiten des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und ketten zu erreichen, die Ausbreitung des Virus zu Kunst und des Sozialministeriums eingebunden. verlangsamen und damit das Gesundheitssystem zu Selbstverständlich gilt auch für uns die Rechts- entlasten. verordnung der Landesregierung über infektions- schützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des • Die Mitglieder der Hochschule sind informiert, Virus SARS-Cov-2, deren Regelungen auch immer dass der Lehrbetrieb soweit als möglich auf wieder den veränderten Bedingungen angepasst Online-Lehre umgestellt wird, Prüfungsformen an- werden. Nach dieser wird „der Studienbetrieb an gepasst, d.h. dass mündliche Prüfungen bspw. als den Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Videokonferenzen abgenommen, Klausuren durch Kunst- und Musikhochschulen, Hochschulen für An- andere Formate ersetzt werden. gewandte Wissenschaften, der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) und den Akademien • Im Masterstudiengang Management und Füh- des Landes (...) bis zum 19. April 2020 ausgesetzt.“1 rungskompetenz (MFM), der ebenfalls Ende März 2020 beginnen sollte, haben wir die besondere Si- Aufgrund der allgemeinen Gefährdungslage durch tuation, dass im ersten Semester einige Studien- das Coronavirus und den Vorgaben der Landesre- formate (Assessment, Coaching, Reflecting Team, gierung auch zum „Verbot des Aufenthalts im öf- Gruppenreflexion) vorgesehen sind, die kaum oder fentlichen Raum, von Veranstaltungen und sonsti- gar nicht online ersetzt werden können, die ande- gen Ansammlungen“2 haben wir die Aktivitäten der rerseits aber gerade unter gruppendynamischen Hochschule auf ein Minimum reduziert: Aspekten für den Einstieg ins Studium sehr bedeut- Auch wir haben den Start des Sommersemesters sam sind. Deshalb haben wir beschlossen, das erste 2020 auf den 20.04.2020 verschoben. Damit leisten Semester des MFM ins Wintersemester 2020/2021 auch wir einen Beitrag zur Reduzierung der sozialen zu verlegen. Kontakte, um eine Unterbrechung der Infektions- Vorwort • Grundlegende Aktivitäten der akademischen 1 §2 der Corona-Verordnung, in Kraft getreten am 17. März 2020, Selbstverwaltung wollen wir in ihrem Kern weiter in der Fassung vom 28. März 2020 2 §3 der Corona-Verordnung, in Kraft getreten am 17. März sicherstellen. Der Senat soll notwendige Entschei- 2020, in der Fassung vom 28. März 2020 dungen nun im Umlaufverfahren treffen können.
Auch die Sitzungen der Studienbereichskommissio- und durch die Gesellschafterversammlung geneh- nen, die Anträge und Positionierungen für die nach- migt wird. Dieser Zeitplan ist ambitioniert, aber folgend stattfindenden Senatssitzungen vorberei- noch zu schaffen. ten, werden nur virtuell stattfinden, ebenso wie die Berufungsverfahren, die nicht verschoben werden • Auch die Systemreakkreditierung steht nach 6 Jah- können: Für diese haben wir digitale Formate über- ren, in denen sich das Verfahren an unserer Hoch- legt. Danach sollen die ausgewählten Bewerber*in- schule bewährt hat, an. Der Antrag bei der AHPGS nen eine Online-Lehrveranstaltung konzipieren, an ist eingereicht, die beiden externen Begehungen der die Berufungskommission und interessierte Stu- erfolgen im Wintersemester 2020/2021. Mit dem Ak- dierende an einem festgelegten Datum online par- kreditierungsbescheid rechnen wir zu Beginn des tizipieren können. Die Beratung in der Berufungs- Sommersemesters 2021. kommission muss dann auch wieder telefonisch oder digital erfolgen. Auch die Prüfungsausschüsse • Zum 1. Januar 2020 ist nun das ganze ehemalige sind via Telefonkonferenzen oder Umlaufbeschlüsse Margarete Ruckmich Haus angemietet und damit Teil arbeitsfähig. unserer Hochschule. Es firmiert zukünftig als Campus II. Der Name „Margarete Ruckmich Haus“ bleibt für • Alle hochschulischen Veranstaltungen (Dialog am das Studierendenwohnheim erhalten. Auch dort wur- See, Alumnifest, Eröffnungsfest des Campus II, Kon- den die Umbaumaßnamen abgeschlossen, so dass ferenzen, Tagungen und Verabschiedungen) sind bis nun 100 Zimmer zur Vermietung für Studierende zur August 2020 abgesagt. Verfügung stehen. Mitte Juli sollte der Campus II im Rahmen einer kleinen Feier offiziell eröffnet werden, • Auf unsere Verwaltung können wir stolz sein. Sie doch auch diese Veranstaltung muss nun verscho- arbeitet soweit als möglich im Homeoffice. Nur jene ben werden. In der finalen Erarbeitung befindet sich Dienste, wie z.B. die IT oder Teile des Prüfungsam- ein Konzept zur Nutzung von Campus II. Darin soll tes, die ihre Aufgaben nicht von zu Hause aus be- z.B. auch geklärt werden, ob dort ein „Inklusives werkstelligen können, arbeiten zu definierten Zeiten Café‘“ eröffnet werden kann. Wir können sehr ge- an der Hochschule. spannt darauf sein, welche attraktiven Perspektiven und konkreten Optionen sich für unsere Hochschule Wenngleich die Bewältigung der Herausforder- auf dem Campus II ergeben. Und es wird an uns ungen, die die Coronakrise mit sich bringt, derzeit liegen, wie wir den neuen Campus mit Leben füllen. den Alltag bestimmt und unsere ganze Konzentra- tion erfordert, können wir die anderen großen Pro- Neben diesen großen Projekten wird an vielen wei- jekte nicht aus den Augen verlieren: teren Projekten gearbeitet, sei es an den Vorarbei- ten zu neuen Studiengängen, z.B. einem Master- • Die Cyberattacke durch die Schadsoftware Emotet studiengang zur Nachqualifizierung von Lehrenden kurz vor Weihnachten machte deutlich, dass sich die mit Bachelorabschluss an Pflegefachschulen oder Bedrohungslage für IT-Infrastrukturen ganz allgemein einem Masterstudiengang in der Sozialen Arbeit. kontinuierlich verschärft. Die Folgen des Angriffs konn- ten dank eines sehr gut funktionierenden Krisenma- Wir alle haben in den letzten Wochen das große nagements, dem intensiven Einsatz der IT-Abteilung Engagement und die große Bereitschaft erlebt, ge- und großer Unterstützung durch weitere Mitarbeiten- meinsam die Herausforderungen in der Krisensitua- de weitgehend behoben werden. Derweil gehen die tion zu bewältigen und an den großen und kleine- Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung kontinu- ren Projekten weiterzuarbeiten. Dafür sei Ihnen an ierlich weiter. Im Fokus steht dabei derzeit besonders dieser Stelle herzlich gedankt. die sofortige Umstellung auf Digitale Lehre, die für alle Allen Leser*innen der neuen Campus intern wün- Beteiligten, auch aufgrund des enormen Zeitdrucks, sche ich nun eine anregende Lektüre. eine besondere Herausforderung darstellt. Auch das Projekt eCampus, das an der Optimierung der Orga- Ihr nisationsprozesse rund um den Student-Life-Cycle ar- beitet, wird zielstrebig weiter umgesetzt. Vorwort • Ein wichtiges und großes Projekt ist auch der Strategieentwicklungsprozess 2025. Der bisheri- Prof. Dr. Edgar Kösler ge Zeitplan sieht vor, dass die neue Strategie zum Rektor Ende des Sommersemesters 2021 verabschiedet 1
18 | 14 | Inhalt TITELTHEMEN STUDIUM Bildung braucht Freiraum Wir sind emotional betroffen, schockiert Ein neuer Campus für die Katholische und entsetzt Hochschule Studienfahrt nach Auschwitz-Birkenau Thomas Höß 4 Daniel Huth 12 Migrantinnengeschichte als Teilhabe Angewandte Theologie und Aufbau eines digitalen Erinnerungsarchivs Religionspädagogik studieren Myriam Alvarez und Birgit Heidkte 6 Zweiter Durchgang des Bachelorstudien- gangs erfolgreich gestartet Collaborative Care Prof.in Dr. Erika Adam 14 Der Mehrwert hochschulübergreifender Kooperation am Beispiel des Kooperativen Vom Geheimnis Gottes und dem Geheimnis Promotionskollegs des Menschseins Prof.in Dr. Eva Maria Bitzer und Prof.in Dr. Erika Adam, Studiengangsleiterin Mareike Lederle 10 von „Angewandte Theologie und Religions- pädagogik“ im Interview 10 HOCHSCHULE FORSCHUNG Pädophilie, Prostitution und Abtreibung Vortragsreihe „Talkpunkt“ bringt Tabu Befo -Bewegungstherapie-Fortbildungen themen an die Katholische Hochschule Forschungsprojekt zu psychologischen Agnes Lütte 8 Interventionen in der Bewegungstherapie erfolgreich abgeschlossen Neue Rektorin an der Hochschule Prof.in Dr. Wiebke Göhner, Andrea Reusch, ab September 2020 28 Daniela Schagg, Roland Küffner 18 Neuer Master „Bildung im Gesundheitswesen/ Inhalt Education in Healthcare“ 28 2
24 | 16 | QUALITÄTSMANAGEMENT ALUMNI Von Studierenden für Studierende Kinder mit Fluchterfahrung in Freiburg Ausbau studentischer Beteiligung an der Eine prämierte Masterthesis zur Situation Katholischen Hochschule geflüchteter Kinder in Freiburger Kitas. Katharina Ruzitschka und Sophia Mangold20 Hannah Kofler und Katharina Feinauer 24 Kurz gemeldet INTERNATIONAL Studierendenvertretung in Zeiten von Corona Marokko Der AStA lädt Studierende zur Mitgestaltung ein Enge Zusammenarbeit mit der Universität Terence Hill 28 Fes Prof.in Dr. Nausikaa Schirilla, Annika Wolf 22 Frisch gedruckt 30 Soziale Arbeit in postsozialistischen Gesellschaften Neue Gesichter 32 Gastdozentur in Veszprém/ Ungarn Prof. Dr. Jürgen Sehrig 23 Acht Monate Norwegen Erfahrungen aus Studium, Praktikum und Forschung Rahel Warnatsch 26 Inhalt 3
Bildung braucht Freiraum Ein neuer Campus für die Katholische Hochschule Bildung braucht Freiraum – dies nahm die Katholi- keiten in der Karlstraße („Campus I“) auf - dies ist sche Hochschule Freiburg wörtlich und vergrößerte jedoch kein Zufall, sondern dem Umstand zu ver- sich räumlich: die Erzdiözese Freiburg hatte im Jahre danken, dass beide Orte zeitgleich von demselben 2018 der Hochschule die Möglichkeit eröffnet, das Architekten geplant und Ende der 60er Jahre errich- ehemalige Margarete Ruckmich Haus in der Charlot- tet wurden. So sind z.B. die Flure mit den gleichen tenburger Straße 18 in Freiburg-Betzenhausen als Fliesen ausgelegt. „Campus II“ anzumieten. Das neue Gebäude weist Das Gebäude des Campus II wurde in den vergan- im Inneren viele Ähnlichkeiten mit den Räumlich- genen Jahren umfassend energetisch saniert und die Brandschutzsanierung ist abgeschlossen. Noch bis Ende Juli 2019 wurde das bisher im Haus an- gesiedelte Tagungszentrum in reduzierter Form pa- rallel weitergeführt, ebenso wie die Ausbildung der Gemeindereferent*innen. Mit dem Beginn des Ba- chelorstudienganges „Angewandte Theologie und Religionspädagogik“ zum Wintersemester 2018/19 HOCHSCHULE wurde diese Ausbildung an unsere Hochschule ver- lagert. In den großzügigen und modern eingerichteten Lehrräumen des Campus II finden derzeit die Veran- staltungen von Weiterbildungen und des Masterstu- Das Heilpädagogische Zentrum hat die neuen Räume bezogen. Für Spieltherapie und Entwicklungsförderung stehen gut ausge- diengangs „Klinische Heilpädagogik“ statt. Mitarbei- stattete Förder-/Therapieräume zur Verfügung. ter*innen des Bereichs Weiterbildung haben bereits 4
Für besinnliche Rückzugsmöglichkeiten aus dem Studierendenalltag sorgen eine Kapelle und ein Me- ditationsraum. Derzeit laufen zudem die Planungen für die Ausstattung der Flure mit Lerninseln und für die Schaffung weiterer Gruppen- und Ruhearbeits- möglichkeiten. Zu dem nun angemieteten Gebäudekomplex gehört auch ein Studierendenwohnheim mit rund 100 Zim- mern. Diese verteilen sich auf fünf Stockwerke und werden in erster Linie an KH-Studierende vermietet. In jedem Stockwerk befinden sich zwei gut ausgestatte- te, z.T. neu eingerichtete Küchen und jeweils ein gro- Durch den Umzug auf den neuen Campus konnte das Skills-Lab ßes „Wohnzimmer“ – der Gemeinschaftsraum für die Pflege weiter ausgebaut werden. Es ermöglicht simulationsba- 20 Bewohner*innen pro Etage. Zudem besitzt jedes siertes Lernen, das in allen Gesundheitsstudiengängen ab dem ersten Semester einen festen Bestandteil der Lehre bildet. Stockwerk die Möglichkeit, ein Zimmer als „Gästezim- mer“ selbst zu verwalten. Zum Beginn des Sommerse- mesters 2020 konnten die nun ganz frisch renovierten ihre Arbeitsplätze im Campus II bezogen. Für größe- Zimmer im ersten Stockwerk des Studierendenwohn- re Veranstaltungen befindet sich im Hause zusätzlich heims „Margarete Ruckmich Haus“ an Studierende ver- eine große, lichtdurchflutete Aula (Aula 4000). mietet werden. Derzeit sind noch einige Zimmer frei – Anfragen sind herzlich willkommen! Wenden Sie sich Ein neues Zuhause hat auf dem Campus II auch das bei Interesse gerne direkt an Gerlinde Richter unter Heilpädagogische Zentrum (HPZ) gefunden. Hier wer- wohnheim@kh-freiburg.de. den Bildungs- und Beratungsangebote, Förder- und Therapieangebote sowie Projekte zu sozialpoliti- Auch personell hat sich inzwischen einiges getan: schen Themen realisiert. Die niederschwelligen Ange- zum Jahresbeginn hat Thomas Höß die Betriebslei- bote richten sich dabei an Menschen jeglichen Alters, tung des Campus II übernommen. Unterstützt wird in erschwerten Lebenslagen mit körperlichen, psy- er von Gerlinde Richter, welche in erster Linie für die chischen und sozialen Beein- trächtigungen. Das HPZ verfügt Das gesamte Gebäude des Campus II wurde in den vergange- zudem über ein umfassendes nen Jahren umfassend energetisch saniert. diagnostisches Archiv („Testo- thek“). Für kreative Förderungen stehen kunstthera- Vermietung der Wohnheimzimmer zuständig ist, so- peutische Räume und ein Musikraum zur Verfügung, wie von dem Haustechniker Krzysztof Pardala und für Spieltherapie und Entwicklungsförderung entspre- den Hauswirtschafterinnen Gisela Arnas und Anna chende Förder-/Therapieräume. Wunder. Ein wichtiger Teil des HPZ ist die Lernwerkstatt, die derzeit in den Räumen der ehemaligen Bibliothek Die bereits erfolgten und auch zukünftig noch aus- konzipiert und eingerichtet wird. Dieser Ort des stehenden Veränderungen sollen dazu beitragen, selbstverantwortlichen forschenden Lernens ist aus- dass die Studierenden und Mitarbeiter*innen der gestattet mit Literatur, didaktischen Materialien und Katholischen Hochschule Freiburg mehr Raum zur innovativen Arbeitsmaterialien für spezielle Vertie- Entfaltung erhalten. fungsbereiche. Schließlich sind auch das Zentrum Die offizielle Eröffnung des Campus II war für Mitte für Unterstützte Kommunikation (ZUK) und eine Juli 2020 geplant. Wie viele andere Veranstaltungen große Turnhalle für bewegungsorientierte Förderun- mussten die Feierlichkeiten leider auf Grund der Co- gen in den neuen Räumlichkeiten des Campus II rona-Pandemie vorläufig abgesagt werden. untergebracht. HOCHSCHULE Mit dem Umzug konnte zudem das Skills Lab Pfle- Thomas Höß ist seit Januar 2020 Betriebslei- ter am Campus II. ge für Studierende der Gesundheitsstudiengänge ausgebaut werden: Aus einem separaten Raum mit modernem Pflegebett, Simulationspuppe und Über- wachungsmonitor kann über drei Kameras die Situ- ation in zwei Lehrräume übertragen werden. 5
Migrantinnengeschichte als Teilhabe Aufbau eines digitalen Erinnerungsarchivs Im September 2019 hat das dreijährige, durch das im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter BMBF geförderte Forschungsprojekt IDEA - „Inklusives als rückständig wahrgenommen und häufig darauf Digitales Erinnnerungsarchiv: Migrantinnengeschichte reduziert, Anhängsel von Männern zu sein. Gesell- als Teilhabe“ begonnen. Das Projekt steht unter der schaftliche Kontroversen und mediale Inszenierun- Leitung von Prof.in Schirilla und wird in Zusammenar- gen richten sich vor allem auf männliche Migranten. beit mit Prof. Garcia von der Hochschule Furtwangen Zugleich werden die seit den 1950er Jahren nach und dem Verein Feministische Geschichtswerkstatt Deutschland als junge Frauen oder Erwachsene Freiburg e.V. (FemWerkstatt) als WPK-Partner realisiert. eingewanderten Migrantinnen älter. Ihre Situation Projekte zur Migrationsgeschichte rekonstruieren wird im Kontext gerontologischer Fragestellungen selten die Geschichte von Migrantinnen. Es gibt nur erforscht, sie sind als potentielle Kundinnen der wenig öffentliche und private Archive, die Quellen Pflege im Visier, als Patientinnen unter gesundheit- zu Migration systematisch und gendersensibel erfassen. IDEA adressiert politisch und gesellschaftlich aktive Migran- Im allgemeinen Geschichts- tinnen und will sie sowohl als Zeitzeuginnen, als auch als verständnis werden zugewan- Multiplikatorinnen gewinnen. FORSCHUNG derte Frauen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Migrationserfahrungen im Nor- lichen und salutogenetischen Fragestellungen, aber malfall ausgeblendet. Dies spiegelt sich wider in der selten als aktive Bürgerinnen dieser Gesellschaft. Erinnerungskultur. Hier setzt IDEA an. Das Projekt will die Geschichte Migrantinnen waren und sind zudem Projektionsflä- von Migrantinnen aus der Perspektive aktiver Bürge- che zahlreicher Stereotypen und werden als passiv, rinnen recherchieren, öffentlich vermitteln und lang- 6
fristig archivieren. Das digitale Erinnerungsarchiv shops zu realisieren und das Potential digitaler Me- versteht sich als Zugang für Migrantinnen, um ihre dien für interkulturelle, partizipative Oral History zu Geschichte mit der Methode der Oral History selbst erproben. Als beratendes Gremium wird ein über- zu erfassen und öffentlich sichtbar zu machen. regionaler Projektbeirat mit Expertinnen aus For- schungs- und Praxisinstitutionen eingerichtet. Auch wenn einige Archive und Forschungsprojekte In Phase 3 steht das Aneignen der Ergebnisse und die Oral History und Migration in den Blick nehmen, feh- Konzeption des Oral History Archivs im Mittelpunkt, len in diesem Bereich bislang partizipative Ansätze. sowohl technisch, im Aufbau einer Datenbank und IDEA adressiert politisch und gesellschaftlich aktive der Entwicklung von Sicherungssystemen, als auch Migrantinnen und will sie sowohl als Zeitzeuginnen, für die Find-Systematik und für Kooperationen mit als auch als Multiplikatorinnen gewinnen. Durch ihre bestehenden Archiven und Open Knowledge-Bestän- aktive Mitarbeit in der Generierung von Quellen und den. In Kooperation mit dem Projektbeirat wird in ihre Beiträge in digitalen Formaten zur Geschichts- dieser Phase auch eine wissenschaftliche Bestands- vermittlung soll erreicht werden, dass Migrantinnen aufnahme des partizipativen Oral History-Konzepts selbst teilhaben an der Überlieferung und gesell- erfolgen. Die abschließende Phase dient der Ergeb- schaftlichen Repräsentation ihrer Geschichte. nissicherung. Digitale Tools und die Sicherungs- und Suchinstrumente der Daten- Migrantinnen sollen selbst teilhaben an der Überlieferung bank werden verfeinert. Eine und gesellschaftlichen Repräsentation ihrer Geschichte. Plattform für partizipative Oral History im Blogformat wird auf- Der Freiburger Verein FemWerkstatt erforscht und gebaut und mit Content veröffentlicht. Darüber hin- sammelt Quellen zur regionalen Geschichte der Frau- aus wird ein Realisierungskonzept für die Sicherung enmigration. Mit seinem Sammlungsschwerpunkt auf der Nachhaltigkeit des partizipativen Oral History-Ar- Oral History exploriert der interkulturell aufgestellte chivs zur Migrationsgeschichte von Frauen vorgelegt. Verein das Potential partizipativer Ansätze in inter- kulturellen Rechercheteams und erprobt Partizipation Das geplante Projekt ist in der für Soziale Arbeit so auch in öffentlichen Erzähl- und Publikationsforma- zentralen Thematik der Partizipation verortet und er- ten. FemWerkstatt ist zudem eingebunden in den kundet die Nutzung digitaler Zugänge in der Beför- Dachverband IDA, das Netzwerk deutschsprachiger derung von Partizipation der anvisierten Zielgruppe. Frauenarchive und -dokumentationszentren. Über die Es stellt zudem einen Beitrag zur Entwicklung neuer fachliche Expertise hinaus wird die FemWerkstatt im Metanarrative einer Einwanderungsgesellschaft dar, Projekt IDEA das Ziel verfolgen, die Sammlung der für die Zugewanderte nicht ein Anhängsel der Ge- Oral History Quellen von Migrantinnen zu verstetigen sellschaft darstellen, sondern einen Platz in öffent- und diese in einem Archiv zur Migrationsgeschichte lichen Repräsentationen innehaben. von Frauen in Deutschland langfristig zu sichern. Durch die Nutzung digitaler Medien und vor allem durch die Instrumente, die auf den digitalen End- Die Hochschule Furtwangen wird als Kooperations- geräten der Zielgruppe selbst nutzbar sind, haben partner für IDEA digitale Medientools entwickeln und sich neue niedrigschwellige Möglichkeiten eröffnet, eine Infrastruktur schaffen, die zum einen das ver- Geschichte lebendig werden zu lassen. netzte Sammeln von Oral History-Quellen unterstützt Dies wird aber auch neue Herausforderungen mit und dabei Mehrsprachigkeit integriert. Darüber hin- sich bringen, im Hinblick auf persönliche Rechte aus werden digitale Medien – beispielsweise Blogs und Persönlichkeitsschutz und besonders hinsicht- und Podcasts – für die Vermittlung und Veröffentli- lich der Frage, wie die Quellen aufbereitet, wie ihre chung eingesetzt. Damit werden Zugänge geschaffen, Nutzung begleitet und mit anderen Social Media die es Migrantinnen ermöglichen, ihre Geschichte vernetzt werden sollen. IDEA wird zur Klärung die- selbstbestimmt zu veröffentlichen und zu überliefern. ser und weitergehender Fragen zum angemessenen Umgang mit Online-Erinnerungskulturen beitragen. Für die Umsetzung der Ziele sind vier Phasen ge- FORSCHUNG plant: In Phase 1 werden Konzepte und Instrumente für die Kooperation und Multiplikation partizipativer Myriam Alvarez und Oral History entwickelt, die in Phase 2 erprobt und Birgit Heidtke sind Akademische Mitarbei mit Netzwerkpartnern multipliziert werden sollen. Es terinnen im Projekt wird ein kooperierendes Netzwerk von Migrant*in- IDEA am IAF. nenorganisationen und Archiven aufgebaut, um Oral History-Interviews zu sammeln, Methoden-Work- 7
Pädophilie, Prostitution und Abtreibung Vortrags- und Gesprächsreihe „Talkpunkt“ bringt Tabuthemen an die Katholische Hochschule Nie zuvor wurden an einem Talkpunkt-Abend so Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedi- viele Zuhörer*innen begrüßt wie an diesem Abend. zin an der Charité in Berlin ist Psychoanalytiker und Selten war das Thema so brisant: Pädophilie. Facharzt für Psychotherapeutische Medizin. Beier und Mit diesem kontroversen Vortragsthema startete die sein Team sind sehr engagiert in der Diagnostik und beliebte Vortragsreihe „Talkpunkt“ in das vergan- Therapie pädophiler Männer und besonders bekannt gene Wintersemester. Organisiert wurde der Talk- durch das Forschungsprojekt „Kein Täter werden“, punkt auch in diesem Jahr von Studierenden der das sich primär der Prävention sexuellen Kindes- Katholischen Hochschule – drei Veranstaltungen zu missbrauchs widmet. Professor Beier präsentierte an gesellschaftlichen Tabuthemen standen auf dem diesem Abend sein Wissen und seine Erfahrungen zu Programm: Pädophilie, Abtreibung und Prostitution. diesem tabuisierten Thema in einem dreißigminütigen Inputvortrag. Im Anschluss hatten die Teilnehmer*in- Das große Interesse am Pädophilie-Vortrag zeichne- nen die Möglichkeit zur Diskussion, in der sich ein HOCHSCHULE te sich bereits im Vorfeld ab, so dass eine Übertra- großes Interesse am Thema, ebenso wie eine deutli- gung der Veranstaltung in die Aula 1000 organisiert che Verunsicherung und viele offene Fragen offenbar- wurde. Die über 400 Besucher*innen füllten sowohl ten: Ist Pädophilie heilbar? Sollten Menschen mit ei- den Großen Saal der Caritas, als auch die Aula 1000 ner solchen Neigung kriminalisiert werden? Was heißt der Katholischen Hochschule vollständig. es, pädophil zu sein und wie erleben es Betroffene? Als Referenten konnte Herr Prof. Dr. med. Dr. phil. In der Fishbowl-Diskussion konnten wir auch Prof. Klaus M. Beier gewonnen werden. Der Direktor des Dr. Claus Muke begrüßen, der seit dem Winterse- 8
mester 2019/20 Professor für Sozialmedizin an der Anfang Dezember 2019 fand der letzte Talkpunkt Katholischen Hochschule ist. Gleich zu Beginn der des Wintersemesters zum Thema Abtreibung statt. Diskussionsrunde gewährte er einen spannenden Die angefragte Referentin musste leider kurzfristig Einblick in das Thema. Auch die Zuhörer*innen absagen und Professor Dr. Dr. Albin Eser sprang er- hatten nun die Möglichkeit sich aktiv durch Mei- freulicherweise kurzfristig ein. Als Experte auf den nungsäußerungen und Rückfragen zu beteiligen. Gebieten Völkerstrafrecht, internationales Strafrecht Die Botschaft der Expert*innen war klar: Menschen und Medizinstrafrecht wurde ihm für seine heraus- mit pädophilen Neigungen sind nicht per se Ge- ragenden Arbeiten 2004 das Bundesverdienstkreuz walttäter. Sie müssen lernen mit diesen Neigungen erster Klasse verliehen und die Universitäten in Kra- kontrolliert umzugehen, wie Personen mit ande- kau, Huancayo und Tokio zeichneten ihn mit der ren sexuellen Neigungen auch. Wenn ihnen diese Ehrendoktorwürde aus. Selbstkontrolle nicht gelingt, ist der Justizapparat Professor Eser zeigte die Vielfalt der Regelungen zuständig. Wir konnten uns an diesem Abend über auf, die in verschiedenen Ländern zu Schwanger- einen sehr respektvollen und argumentativ starken schaftsabbrüchen existieren. Es gäbe kaum Länder Meinungsaustausch freuen. auf der Welt, in denen es dieselben gesetzlichen Bestimmungen gelten. Es zeigte sich eine enorme Schon eine Woche nach diesem erfolgreichen Kontroversität des Themas. Denn die Diskussion Abend, konnten wir erneut dieselbe große Zahl an um Abtreibung, um Leben oder Nicht-Leben, berührt Teilnehmer*innen zum nächsten Talkpunkt, diesmal das Menschsein in seinem Kern. zum Thema Prostitution, willkommen heißen. Als In der Fishbowl-Runde durften wir auch Prof.in Dr. Referentin begrüßten wir die Sozialwissenschaft- Stephanie Bohlen, Prorektorin für Lehre an der KH, lerin Emilija Mitrovic. Sie lehrte zwanzig Jahre an begrüßen. Prof.in Bohlen betonte das Recht der der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Frauen auf Selbstbestimmung und forderte, dass Hamburg (HAW)und ist Initiatorin und Koordinato- Beratungsstellen für schwangere Frauen eine ange- rin von „Ratschlag Prostitution“, einem Zusammen- messene und ausführliche Beratung durchführen. schluss von Hilfseinrichtungen für Prostituierte und der Gewerkschaft Das Organisationsteam des Talkpunkts 2019 setzt Ver.di in Hamburg. Mitrovic setzt sich für die Rechte sich aus Studierenden des dritten Semesters Sozi- von Sexarbeitenden ein und publizierte unter ande- aler Arbeit zusammen. Wir sind begeistert von dem rem einschlägige Bücher wie „Prostitution und Frau- enormen Zuspruch, den wir bei der Organisation der enhandel“ (2006) und „Arbeitsplatz Prostitution – Vortragsreihe erfahren durften. Dass die Katholische ein Beruf wie jeder andere?“ (2007). Hochschule durch die jährliche Vortrags- und Dis- Mitrovic sieht Prostitution nicht als Beruf wie jeden kussionsreihe einen festen Rahmen für diese be- anderen, fordert aber dieselben Rechte und setzt deutsamen Themen gestaltet, empfinden wir als sich für eine zunehmende Akzeptanz in der Gesell- eine große Chance. schaft ein. Sie versetzt die Prostituierten nicht in eine Wir freuen uns über die explodierenden Teilneh- Opferrolle, sondern versteht sie als selbstbestimmte mer*innenzahlen, sehen allerdings auch die Her- Sexarbeiterin, die frei von Ausbeutung ist. ausforderung durch die Größe, die die Veranstal- Lucia Segler, Lehrbeauftragte an der Katholischen tung erreicht hat. Wir hoffen sehr, dass auch in den Hochschule mit eigener Beratungspraxis und erfah- nächsten Jahren Studierende motiviert sein werden, rene Sozialarbeiterin auch im Feld der Prostitution, den Talkpunkt zu planen und gestalten. nahm einen anderen Standpunkt ein. Sie lenkte den Blickwinkel auch auf die dunklen Seiten der Prosti- Für Prof. Dr. Dr. Michael N. Ebertz, der den Talkpunkt tution. Es sei immer noch ein hoher Wert in unserer gemeinsam mit Studierenden vor fünf Jahren ins Le- Gesellschaft, keinen Geldschein zwischen die sexu- ben gerufen hat, war dies die letzte Vortragsreihe, elle Kommunikation zu schieben, so Segler. die er vor seinem Ruhestand begleitete. Wir möchten Dass es beim Thema Prostitution deutlich unter- uns an dieser Stelle herzlich bei ihm für sein Engage- schiedliche Ansichten gibt, zeigte sich schnell wäh- ment und seine große Unterstützung in den letzten HOCHSCHULE rend der Fishbowl-Diskussion. Wir schätzen es sehr, Jahren bedanken und hoffen, dass der Talkpunkt dass der Talkpunkt eine Veranstaltung ist, bei der auch in Zukunft „hot spot“ der KH bleiben wird. jede*r offen und ehrlich seine Meinung äußern kann, ohne dafür verurteilt zu werden. Diese Vielfalt zeichnet die KH Freiburg aus. Wir wollen auf diesem Agnes Lütte war im Wintersemester 2019/20 Teil des studen- Weg voneinander lernen und neue Perspektiven ge- tischen Orgateams rund um den Talkpunkt. Sie studiert Soziale winnen. Arbeit im 4. Semester. 9
Collaborative Care Der Mehrwert hochschulübergreifender Kooperation am Beispiel des Kooperativen Promotionskollegs Zur Förderung der Kooperation zwischen den Uni- mit einem sozialwissenschaftlichen Fokus2. Im Ein- versitäten und den Hochschulen für Angewandte zelnen beteiligt waren die Katholische Hochschule Wissenschaften in Baden-Württemberg fördert das Freiburg, die Universität Freiburg, das Universitäts- Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst klinikum Freiburg, die Pädagogische Hochschule Baden-Württemberg seit dem Jahr 2010 Kooperative Freiburg und die Evangelische Hochschule Freiburg. Promotionskollegs. In jedem Promotionskolleg kön- Im Rahmen des Kollegs wurden 12 Stipendien nach nen dabei unter Berücksichtigung eines fachlichen dem Landesgraduiertenförderungsgesetz vergeben. Schwerpunktes zehn bis 15 Stipendien gefördert werden1. Für den Zeitraum von 2016 bis 2019 för- Im Fokus stand die Versorgungsforschung und die derte das Land aus dieser Initiative das Kooperative Collaborative Care. Versorgungsforschung ist ein in- Promotionskolleg „Versorgungsforschung: Collabo- terdisziplinäres Forschungsgebiet, welches Struktu- rative Care“. Das Kolleg vereinte vier Institutionen ren und Prozesse der Gesundheitsversorgung unter- PROMOTION und war das einzige von zehn bewilligten Kollegs sucht und die Wirksamkeit und Angemessenheit der 1 Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Würt- 2 Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Würt- temberg. Promotionswege für Absolventinnen und Absolventen temberg. Neu in die Förderung aufgenommene Kooperative Promoti- der Fachhochschulen. Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe „Pro- onskollegs. Online: https://mwk.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/ motionswege – FH“. Online: https://mwk.baden-wuerttemberg. redaktion/m-mwk/intern/dateien/Anlagen_PM/2015/126_PM_ de/fileadmin/redaktion/m-mwk/intern/dateien/Anlagen_PM/2015/ Anlage_%C3%9Cbersicht_gef%C3%B6rderte_Kooperative_ Ergebnisbericht_AG_Promotionswege.pdf. letzter Zugriff: 27.10.2019 Promotionskollegs.pdf letzter Zugriff: 28.10.2019 10
Versorgung unter Alltagsbedingungen in den Mit- Standorten stattfindenden Kolleg-Tagungen wid- telpunkt stellt. Versorgungsforschung berücksich- meten sich jeweils unterschiedlichen thematischen tigt in besonderem Maße die Patient*innen- bzw. Schwerpunkten und boten gleichfalls Raum zur in- Nutzer*innenperspektive und die Komplexität und tensiven methodischen Auseinandersetzung mit den Kontextbedingtheit der Versorgung. Sie besitzt auch Promotionsvorhaben. Die besondere Konstellation eine präventive Ausrichtung, wenn sie Versorgung des Kollegs erweiterte für alle Stipendiatinnen die in den Blick nimmt, deren Ziel die Vermeidung von Möglichkeiten der überfachlichen Qualifizierungsan- Krankheit und Behinderung ist. gebote erheblich. Zur Verfügung standen neben dem Collaborative Care beinhaltet im Kern die Idee, einen Programm der Bildungswissenschaftlichen Graduier- strukturierten, sektorenübergreifenden Plan der Ver- tenakademie der Pädagogischen Hochschule Frei- sorgung, Behandlung bzw. Prävention chronischer burg das der Internationalen Graduiertenakademie Kranker aufzustellen, in dem Interventionen mul- der Universität Freiburg sowie die spezifischen Fort- tiprofessionell gestaltet sind und der die Kommuni- bildungen zu Methoden der Versorgungsforschung. kation und Vernetzung zwischen den verschiedenen Ein ganz besonderer Mehrwert der im Promotions- beteiligten Berufs- und Akteursgruppen unterstützt. kolleg etablierten Kooperationen bestand darin, dass sowohl auf der Ebene der am Kolleg beteiligten Zielsetzung des kooperativen Promotionskollegs Wissenschaftler*innen als auch auf der Ebene der „Versorgungsforschung: Collaborative Care“ war (a) Stipendiatinnen neue Kooperationsprojekte entstan- die Vernetzung von Hochschularten und –profilen, den sind. Eine Gruppe der Promovendinnen arbeitet (b) die Schaffung von hochschul- und fakultätsüber- an einer gemeinsamen, Promotionsprojekt übergrei- greifenden Ausbildungs- und Forschungsstrukturen sowie (c) Die besondere Konstellation des Kollegs erweiterte die Möglich- die Bündelung von psychologi- keiten der überfachlichen Qualifizierungsangebote erheblich. schen, medizinischen, gesund- heitspädagogischen, erziehungswissenschaftlichen, fenden wissenschaftlichen Fachpublikation zu „Ver- ethischen, soziologischen und (sozial)gerontologi- sorgung(sforschung) aus unterschiedlichen Perspek- schen Kompetenzen mit Blick auf die Lebenslaufper- tiven“; zwei Promovendinnen mit auf den ersten spektive3. Blick recht unterschiedlichen Vorhaben entdeckten profunde Gemeinsamkeiten und arbeiteten darauf- Das kooperative Promotionskolleg knüpfte an hin zusammen an einer systematischen Übersichts- die mehrjährigen Aktivitäten der vom Land Ba- arbeit. Auch am Kooperativen Promotionskolleg be- den-Württemberg geförderten Koordinierungsstelle teiligte Wissenschaftler*innen waren erfolgreich in Versorgungsforschung Freiburg an und zeichne- neuen Kooperationen, u.a. beim Bundesministerium te sich durch zwei Besonderheiten aus: Vertreten für Bildung und Forschung. waren 1. die wichtigsten für eine umfassende und mehrperspektivische Betrachtung des Themas er- Auch die hochschulübergreifende Kooperation im forderlichen wissenschaftlichen Disziplinen und 2. Rahmen des Kollegs konnte seine explizierten Ziele alle Hochschularten. Das Kolleg vereinte so renom- erreichen. Darüber hinaus leistete es einen substanzi- mierte Wissenschaftler*innen der vier beteiligten ellen Beitrag zur Stärkung der Versorgungsforschung Hochschulen und gewährleistete dem Thema „Ver- am Standort Freiburg und erhöhte die Chancen auf sorgungsforschung: Collaborative care“ angemes- weitere Vernetzungen der Hochschulen, Disziplinen sene, mehrperspektivische, multi- bzw. interdiszip- und Fachgebiete und nicht zuletzt der Promoven- linäre Promotionsvorhaben4. Die unterschiedlichen dinnen bei künftigen Forschungsvorhaben. Das hier Betreuungskonstellationen führten zu Synergien vorgestellte Kolleg sollte dem Land Ermutigung sein, zwischen den Bereichen Psychologie, Medizin, Ge- nach 2010 und 2015 eine dritte Runde kooperative sundheitspädagogik, Public Health, Pädagogik der Promotionskollegs im Jahr 2020 auszuschreiben. Kindheit, Heilpädagogik, Pflegewissenschaft, Erzie- hungswissenschaft und der (Sozialen) Gerontologie. PROMOTION Die halbjährlich, rotierend an den vier beteiligten Prof.in Dr. Eva Maria Bitzer leitet die Fach- 3 Kooperatives Promotionskolleg „Versorgungsforschung: Col- richtung „Public Health laborative Care“. Online: https://versorgungsforschung.uni-frei- & Health Education“ burg.de/de/promotionskolleg letzter Zugriff: 27.10.2019 an der Pädagogischen 4 Promotionskolleg. Promovend(inn)en und Betreuer(innen). Hochschule Freiburg. Online: https://versorgungsforschung.uni-freiburg.de/de/promoti- Mareike Lederle ist in onskolleg/promovend-inn-en-und-betreuer-innen letzter Zugriff: diesem Fachbereich Aka- 28.10.2019 demische Mitarbeiterin. 11
Wir sind emotional betrof fen, schockiert und entsetzt Studienfahrt nach Auschwitz-Birkenau „Für die Zukunft lernen“ ist ein Projekt des gleich- gesellschaftliches Zusammenleben zu engagieren. namigen Vereins „Für die Zukunft lernen – Verein Vor zwei Jahren nahm auch ich, Student der Ka- zur Erhaltung der Kinderbaracke Auschwitz Birkenau tholischen Hochschule Freiburg, mit einer Kommi- e.V.“ und wird bereits seit 25 Jahren in der internati- litonin und gemeinsam mit zwei Betreuer*innen onalen Begegnungsstätte Oświe˛cim (dt. Auschwitz) und vier Jugendlichen des Campus Christophorus durchgeführt. Das Projekt entstand 1993 als Antwort Jugendwerks an dem neuntägigen Projekt teil. Um auf die wachsende Anzahl junger Menschen, die mit die Studienfahrt erlebbar zu machen, werde ich zu- rechtsradikalem Gedankengut sympathisierten. erst berichten, was wir in der Woche erlebten und Heute ist die Gedenkstättenarbeit wichtiger denn schließlich unsere Empfindungen und Wahrnehmun- je, denn die Zunahme rechtsradikaler Anschläge in gen genauer schildern. Deutschland ist erschütternd. Rassistisch motivierte Über- Es gibt nicht mehr viele Überlebende der Konzentrationslager, griffe wie im Februar 2020 in die aus ihrer Zeit dort berichten können Hanau oder der antisemitische Anschlag auf die jüdische Synagoge in Halle im Ok- Nach einem Vortreffen mit der gesamten Gruppe STUDIUM tober 2019 erinnern mich jedes Mal schmerzhaft an machten wir uns gemeinsam auf den Weg nach die Gefühle und Eindrücke, die mich beim Besuch des Oświe˛cim, um uns gedenkstättenpädagogisch mit Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau überkamen. diesem schwierigen Thema auseinander zu setzen. Jedes Jahr reist eine Projektgruppe nach Polen, um In einem Bus des Campus Christophorus Jugend- sich gegen das Vergessen und für ein humanes werk legten wir eine Strecke von rund 1100 km 12
zurück, wobei wir schon in Dresden unsere erste Panne erlebten. Die Zwangspause während der Re- paratur nutzten wir um die schöne Stadt Dresden etwas zu erkunden. Spät in der Nacht kamen wir schließlich in der Jugendbegegnungsstätte im süd- polnischen Oświe˛cim an. Am ersten Tag wurden wir von einer Freiwilligen der Jugendbegegnungsstätte durch die Stadt Oświe˛- cim geführt und besuchten das jüdische Zentrum vor Ort. Nach dem Mittagessen bekamen wir eine Führung durch das Stammlager Auschwitz und am nächsten Tag nahmen wir an einer Führung durch das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau teil. Nach einer gemeinsamen Meditation verarbeiteten wir Niederlegung einer Rose auf dem Gelände der ehemaligen die gesammelten Eindrücke durch geführtes Malen. Kinderbaracken des KZ Auschwitz-Birkenau. Es entstanden besondere Bilder, in denen die tiefen Emotionen aller spürbar wurden. nieder – an einem selbstgewählten Ort. Nach einer Am dritten Tag fuhren wir erneut zur Gedenkstätte, abschließenden Gesamtauswertung machten wir um dort gemeinsam Erhaltungsarbeiten durchzufüh- uns wieder auf die Heimreise zurück nach Brei- ren. Wir reinigten sorgfältig ein Denkmal und be- sach. freiten eine weite Fläche von Unkraut und Gras. Im Die neuntätige Fahrt nach Oświe˛cim war eine sehr Anschluss besuchten wir die israelische Ausstellung intensive, bewegende Erfahrung, die uns sowohl im Stammlager. Es gibt nicht mehr viele Überleben- tiefe Einblicke in die Geschichte Europas und der de der Konzentrationslager, die aus ihrer Zeit dort Verbrechens des Nationalsozialismus, als auch in berichten können, doch wir erhielten die Chance, das Thema Gedenkstättenpädagogik gab. Wir wa- bei einem dieser seltenen Zeitzeugengespräche an- ren und sind emotional betroffen, schockiert und wesend zu sein. Am folgenden Tag machten wir ei- entsetzt, was vor rund siebzig Jahren an diesem nen Ausflug nach Krakau und besuchten dort das Ort passiert ist. Wir sind froh und dankbar, dass es Oskar-Schindler Museum. ein solches Projekt gibt, das gegen das Vergessen Auch besichtigten wir ein Salzbergwerk in Wieliczka kämpft. Die Studienreise war eine einmalige und und das jüdische Viertel in Krakau. Anschließend sehr prägende Erfahrung. leisteten wir wieder Erhaltungsarbeiten an der Ge- denkstätte und führten eine intensive Reflektion Wir danken den Mitarbeitenden des Campus durch. Christophorus Jugendwerk, dem Verein „Für die Am letzten Tag gestalteten wir gemeinsam eine Zukunft lernen“ und Professor Werner Nickolai, Gedenkfeier in der Kinderbaracke in Auschwitz-Bir- seit Februar diesen Jahres emeritierter Professor kenau und alle Teilnehmer*innen legten eine Rose der Katholischen Hochschule Freiburg und ers- ter Vorsitzender des Vereins „Für die Zukunft ler- nen e.V.“, der uns den Zugang zu dem Projekt Im Wintersemester 2020/21 findet im B.A. Soziale geschaffen und die Teilnahme ermöglicht hat. Arbeit ein Seminar zu Gedenkstättenpädagogik für Im Namen aller Beteiligten bleibt für mich zu sagen: Studierende des 5. und 7. Semesters statt. In die- Wir haben für die Zukunft gelernt. sem Rahmen soll eine Studienfahrt nach Auschwitz und der Austausch mit polnischen Studierenden stattfinden. Auch der Verein „Für die Zukunft ler- nen e.V.“ wird voraussichtlich noch in diesem Jahr Daniel Huth studiert B.A. Soziale Arbeit im 8. eine Projektfahrt nach Auschwitz durchführen, bei Sermester und ist seit dem Sommersemes- der wieder zwei Studierende mitreisen können. Bei ter 2020 als studentische Hilfskraft für den Bereich Migration und Interkulturalität tätig. Interesse wenden Sie sich bitte an Prof. em. Wer- ner Nickolai unter w.nickolai@t-online.de. STUDIUM 13
Angewandte Theologie und Religionspädagogik studieren Zweiter Durchgang des Bachelorstudiengangs erfolgreich gestartet Er startete nun bereits zum zweiten Mal und er- Rechnung. Für ihre pastorale Praxis und für eine neut sind alle Studienplätze belegt: Der Bache- religionspädagogische Arbeit in der Schule oder lorstudiengang „Angewandte Theologie und Reli einer anderen Bildungseinrichtung benötigen die gionspädagogik“ kann seit dem Wintersemester Studierenden heute neben der theologischen Qua- 2018/19 an der KH Freiburg studiert werden. Sie- lifikation und spirituellen Grundlegung auch ethi- ben Semester dauert die Regelstudienzeit und pro sche, sozial- und humanwissenschaftliche Kennt- Studienjahr können 30 Studierende aufgenom- nisse und Grundlagen des Pastoralmanagements men werden. Der Studiengang ist Kernbestand – diese sind deshalb ein wesentlicher Bestandteil eines Ausbildungsweges, der die Studierenden des Studiums. dazu befähigt, den Beruf Gemeindereferent*in zu ergreifen. Darüber hinaus eröffnet er in Kombina- Studieninhalte sind tion mit dem Studium der Sozialen Arbeit gerade • Inhalte und Methoden der biblischen, histori- im caritativen Bereich vielfältige Berufsmöglich- schen, systematischen und praktischen Theologie keiten. • eine pastoralpraktische und religionspädagogi- STUDIUM sche Befähigung Das Bachelorstudium reagiert in besonderer Wei- • human- und sozialwissenschaftliche Kenntnisse se auf aktuelle gesellschaftliche und kirchliche • Anleitung zur ethischen Reflexionsfähigkeit Rahmenbedingungen. Auch den wachsenden An- • Begleitung bei der (Weiter-)Entwicklung einer forderungen an die pastoralen Berufe trägt er eigenen Persönlichkeit und Spiritualität 14
• Grundkenntnisse der Pastoralraumentwicklung, des Projektmanagements sowie der empirischen Auf einen Blick Sozialforschung Studienabschluss: Bachelor of Arts (B.A.) • Einübung in Moderation, Mediation und Kon- Regelstudienzeit: 7 Semester in Vollzeit (Teilzeit auf fliktmanagement und Antrag möglich) • Anleitung, im Team zu arbeiten und tragfähige Studienumfang: 210 ECTS-Punkte Netzwerke zu knüpfen. Studienbeginn: jeweils zum Wintersemester (Oktober) Kosten: Studienbeiträge von EUR 280,00 plus Wie können Seelsorger*innen Menschen unter- Verwaltungsgebühren schiedlicher Lebenswelten in der Gestaltung ihres Zulassungsvoraussetzungen: Nachweis der allge- Lebens und in ihrer Suche nach Sinn begleiten? meinen Hochschulreife (Abitur), Fachhochschulreife Wie kann ein Dialog zu Lebens- und Glaubensfra- oder einer als gleichwertig anerkannten Zugangsbe- gen gelingen? Wie können Menschen dazu ermu- rechtigung tigt werden, ihren Glauben zu entfalten? Bewerbung: Aktuelle Informationen zum Bewer- Darauf werden die Studierenden in Theorie und bungsverfahren und dem Bewerbungszeitraum fin- Praxis vorbereitet. Sie erwerben ein umfassen- den Sie unter www.kh-freiburg.de des Grundlagenwissen rund um den christlichen Sie haben Fragen? Studiengangsleiterin Prof.in Dr. Erika Glauben und das Handeln aus christlicher Verant- Adam berät Sie gerne: erika.adam@kh-freiburg.de wortung. Und sie erfahren, wie sie ihre Erkennt- nisse und Erfahrungen in zeitgemäße Formen der Glaubenskommunikation übersetzen und religiöse Dabei lernen die Studierenden auch für die Ge- Lern- und Bildungsprozesse gestalten. staltung humaner gesellschaftlicher Strukturen Im praktischen Studiensemester und in weiteren und für ein friedliches Zusammenleben aller Re- Praktika lernen die Studierenden die berufsspe- ligionen und Kulturen einzutreten. Sie sind auf- zifischen Handlungsfelder kennen und können ihr gerufen, ihren eigenen Beruf und Kirche als eine Wissen und ihre Fähigkeiten erproben und reflek- Gemeinschaft lebendigen Glaubens aktiv mitzuge- tieren. stalten. Für den zukünftigen Beruf bildet menschliche Rei- Das Studium eröffnet Räume, in denen spirituelle fe eine wichtige Grundlage. Der Glaube an Gott ist und religiöse Erfahrungen und erfüllende Begeg- eine zentrale Ressource, auch für professionelles nungen möglich sind. Diese Räume liegen manch- Handeln. Daher regt das Bachelorstudium – auch mal auch weit außerhalb der Hochschulgebäude: in Kooperation mit der Studienbegleitung durch Die Studienfahrten nach Assisi im ersten Semes- die Diözesen – die Studierenden dazu an, sich mit ter und optional nach Israel im weiteren Studi- ihrer eigenen Lebensgeschichte und der künftigen enverlauf, die mit und von der Studienbegleitung beruflichen Rolle auseinanderzusetzen und sich der Erzdiözese Freiburg angeboten werden, sind der eigenen Potentiale ebenso wie ihrer Grenzen sicher diesbezügliche Highlights. Unterwegs auf bewusst zu werden. den Spuren des Heiligen Franziskus und der Hei- ligen Klara in Assisi und auf den Spuren Jesu von Nazareth in Israel und Palästina gehen die Stu- dierenden einen intensiven Lernweg. Ermöglicht werden diese besonderen Erfahrungen durch die Unterstützung der Erzbischof Hermann Stiftung der Erzdiözese Freiburg. Zur Attraktivität des Studiengangs trägt ein 7+3-Mo- dell bei: Absolvent*innen können nach ihrem Ab- schluss in drei weiteren Semestern einen zweiten Bachelorabschluss „Soziale Arbeit“ erwerben. Ge- meindereferent*in und Sozialarbeiter*in werden – STUDIUM die Inhalte greifen ergänzend ineinander, denn das Berufsbild der Gemeindereferent*innen ist facet- tenreich und beinhaltet zunehmend auch caritative Studierende des ersten Semesters während ihrer Studienreise in Kompetenzen. Assisi 15
Vom Geheimnis Gottes und dem Geheimnis des Menschseins Prof.in Dr. Erika Adam, Studiengangsleiterin von „Ange- wandte Theologie und Religionspädagogik“ im Interview Vor welchen Herausforderungen steht die Arbeit der tag oder die großen kirchlichen Feste mit einem Kirche und der Gemeindereferent*innen aktuell und Gottesdienst zu feiern, entscheiden sich Menschen in Zukunft in Deutschland? heute spontan und immer wieder neu dafür – oder auch nicht. Wo es früher selbstverständlich war, das Diese Frage beschäftigt uns auch im Kolleg*innen- eigene Leben an christlichen Normen auszurichten, team. Eine große Herausforderung heißt, dass sich fühlen sich die Einzelnen heute frei, ihren eigenen die Gesellschaft in Deutschland tiefgreifend verän- moralischen Standpunkt zu suchen. dert. Individualität, die freie Gestaltung des eigenen Lebens ist zentral für unsere Gesellschaft gewor- Für kirchliche Mitarbeiter*innen und damit auch für den. Uns stehen normalerweise fast unbegrenzte Gemeindereferent*innen bedeutet dies: Sie können Optionen zur Wahl. Das wird uns gerade jetzt sehr sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie Men- STUDIUM bewusst, wo wir sie angesichts des weitgehenden schen mit ihren Angeboten ansprechen oder über Shutdowns im Kontext von Corona schmerzlich ver- Jahre hinweg begleiten. Ihr Beistand und ihre Un- missen. terstützung wird temporär, im Bedarfsfall gesucht, Auch Religion und Glaube sind zur Option gewor- wenn Menschen Grenzen erfahren, vor existentiellen den. Wo es früher selbstverständlich war, den Sonn- Fragen stehen, nach dem Sinn ihres Lebens suchen. 16
So gerade jetzt infolge von Corona, wo Existenzen sellschaft und unsere eine Welt mitgestalten. Sie mit einem Schlag bedroht sind, wo Menschen ihre sollen mit Begrenztheit und Ambivalenzen umgehen Einsamkeit besonders spüren, wo kranke, alte, können und bei all ihrem Engagement auf das Wir- arme, geflüchtete Menschen besonders ausgelie- ken Gottes vertrauen. fert sind. Jetzt sind kirchliche Mitarbeiter*innen als Ansprechpartner*innen aufgefordert kreativ zu Neben dem Bachelorabschluss „Angewandte Theo- werden und zu zeigen, dass Kirche da ist, wo die logie und Religionspädagogik“ bietet die KH auch Menschen sind. Dazu ermutigen wir Professor*in- das sogenannte 7+3-Modell an, das den Erwerb nen aktuell unsere Studierenden in ihrem – keines- eines zusätzlichen Bachelorabschlusses in „Soziale wegs einfachen – Praxissemester. Auch wenn Kirche Arbeit“ ermöglicht. Wie sieht das aus? keinen selbstverständlichen Rahmen mehr bietet – die Hoffnung, die die kirchlichen Mitarbeiter*innen Ich habe bewusst gerade auch sozialarbeiterische erfüllt, kann anstecken, die Botschaft des Evangeli- Kompetenzen genannt. Ein Herzstück der christlichen ums Kraft und Orientierung geben. Botschaft ist der Glaube, dass alle Menschen die gleiche Würde haben – ob jung oder alt, ob gesund oder krank, fit oder am Ende ihrer Kräfte. Von daher gilt es in der Nachfolge Jesu von Nazareth Partei zu ergreifen für die Menschen, die am Rand stehen, die benachteiligt sind, sich selbst nicht mehr helfen kön- nen. Die Studierenden sollen also Sensibilität entwi- ckeln für existentielle Fragen und soziale Probleme. Konkret heißt das, dass gezielt Module aus dem Studium „Soziale Arbeit“ in das Studium „Ange- wandte Theologie und Religionspädagogik“ in- tegriert sind. Sie können für das zweite Studium angerechnet werden, die Studierenden können bei- de Studiengänge in zehn Semestern abschließen. Durch diese Verbindung können sich Seelsorge und Soziale Arbeit bereichern, Absolvent*innen an der Schnittstelle von Pastoral und Caritas arbeiten oder im Laufe ihres Berufslebens den Schwerpunkt wech- Es ist also stärker zu fragen: Was brauchen die Men- seln. In der Konsequenz könnte sich ein neues Be- schen, was braucht die Welt von der Kirche? rufsprofil entwickeln: Da die Pastoral selbst caritativ In diesem Prozess möchte der Studiengang mit Ver- ist, könnten „pastorale Sozialarbeiter*innen“ cari- antwortung übernehmen und in Lehre, Forschung tatives und aus dem Glauben inspiriertes Handeln und Weiterbildung kreative und zukunftsweisende miteinander verbinden. Akzente setzen. Welche Voraussetzungen müssen Interessierte für Welche Kompetenzen werden die Absolvent*innen eine Bewerbung mitbringen? Für wen eignet sich des Studiengangs besonders auszeichnen? der Studiengang besonders? Angesichts der Neuausrichtung, vor der Kirche steht, Es gibt ein Buch von Dorothee Sölle, das mich sehr kommt es neben all dem Wissen und den Fähigkei- anspricht: „Es muss doch mehr als alles geben“. ten vor allem auf die Haltung an, aus der heraus Eine Sehnsucht, eine Suche nach diesem „mehr“ die Absolvent*innen leben und arbeiten. Deswegen sollten die Interessent*innen in meinen Augen mit- besitzen Persönlichkeitsentwicklung und Spirituali- bringen: das Interesse für mehr als die eigene Per- tät eine zentrale Bedeutung im Studiengang. Die son und das eigene Wohlergehen, die Offenheit für Absolvent*innen sollen sich bewusst sein, dass sie mehr als den eigenen Lebensentwurf und den eige- mit ihrer ganzen Person Zeugnis für den Glauben nen Horizont. STUDIUM ablegen. Sie sollen mit Respekt und Wertschätzung Ich möchte gern den Weg mit Studierenden gehen, auf Menschen zugehen, sich einlassen können auf die sich ansprechen lassen vom Geheimnis Gottes plurale Lebens- und Glaubenswelten. und dem Geheimnis des Menschseins, die sich auf Ziel ist, dass sie sensibel sind für Diskriminierung Wachstumsprozesse einlassen und neugierig sind und Ausgrenzung und anwaltschaftlich unsere Ge- auf Menschen und auf das Leben. 17
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