BEGEISTERT INNOVATIV WWW.KIRCHEFUERMORGEN.DE 2.2021 - KIRCHE FÜR MORGEN

Die Seite wird erstellt Reinhold Ehlers
 
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BEGEISTERT INNOVATIV WWW.KIRCHEFUERMORGEN.DE 2.2021 - KIRCHE FÜR MORGEN
2.2021

                                                  www.kirchefuermorgen.de

BeGEISTert
innovativ

Normal triff t Verheißung   Innovation triff t Tradition   Mut triff t Aufbruch
Dr. Klaus Douglass         Pfarrer Sebastian Steinbach   Präses Anna-Nicole Heinrich
BEGEISTERT INNOVATIV WWW.KIRCHEFUERMORGEN.DE 2.2021 - KIRCHE FÜR MORGEN
Editorial & Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen und Leser,                                             BeGEISTert innovativ
Innovation ist in aller Munde. Nicht nur seit                           Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 2
Corona und der Digitalisierung. Und jetzt auch                          Zum Thema
noch bei der Kirche? Sollte da nicht, bitte                             Kfm-Positionslicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 3
schön, alles beim Alten bleiben? Wenigstens                             Angie Schwarz und Andreas Arnold zum Titelthema
dort, wo viele Vertrautheit und Heimatgefühle
                                                                        Nach Corona: Weiter so? oder hoffentlich nicht…                                                                               ....    Seite 4
erleben?                                                                Was ist für Kirche eigentlich „normal“?
                                                                        Dr. Klaus Douglass
Dr. Klaus Douglass geht der Frage nach, was                             Wie Innovationen die Gegenwart
eigentlich „normal“ ist und was Menschen                                aus den Angeln heben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6
dazu bringt, Glaube, Liebe und Hoff nung wei-                           Impulse und Beobachtungen des Vortrags
terzugeben.                                                             von Dr. Markus Horneber, von Andreas Arnold
                                                                        Innovation ist immer auch Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8
Den Blick über den Zaun wagt Andreas Arnold                             Interview mit EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich
mit einer Zusammenfassung des Referats von                              Kloster Hirsau: Neue Wege in alten Mauern . . . . . . . . . . .Seite 10
Dr. Horneber auf dem 7. Forum Digitalisierung                           Mutmachende Einblicke von Pfr. Sebastian Steinbach
der Landeskirche.
                                                                        Bausteine
Als EKD-Synodaler stellt uns David Lehmann                              Krise machts möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 12
die neue Präses Anna-Nicole Heinrich vor.                               Hoffnungsvolle & ernüchternde Einblicke von Dr. Frauke
Wie Alt und Neu zusammenpassen, dazu                                    Junghans, Heidrun Merdes, Carola Brenner
gibt Pfr. Sebastian Steinbach einen Einblick.                           Pfarrdienst in Digitalen Räumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 13
Spannend zu lesen, wie die Klostermauern                                Interview mit Pfarrer-Tandem
in Hirsau frischen Wind atmen und welche                                Nicolai Opifanti und Sarah Schindler
Erfahrungen die Menschen dort machen.                                   Innovation in Ghana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14
                                                                        Anika Hempel über den ungewöhnlichen
                                                                        Afrika-Missionar Johannes Zimmermann
Innovation ist keine Erfindung des 21. Jahr-
hunderts, das macht Anika Hempel anschau-                               Coronapandemie –
lich an der Gestalt des Kulturwanderers und                             Herausforderung oder Weichenstellung?. . . . . . . . . . . . . . . .Seite 15
                                                                        Synodaler Kai Münzing
Afrika-Missionars Zimmermann aus Gerlingen.
                                                                        Kfm intern
Wir wünschen Ihnen beGEISTernde Impulse
                                                                        Eine Handvoll Fragen an drei Synodale . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 16
und innovative Blickwechsel, die ermutigen!                             Britta Gall, Götz Kanzleiter, Pfr. Matthias Vosseler
                                                                        Sechs Jahre innovative Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18
                                                                        Dank an den scheidenden ersten Vorsitzenden
                                                                        Dr. Jens Schnabel
                                                                        Los geht’s! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 19
                                                                        Der neue Vorstand von Kirche für morgen stellt sich vor
                                                                        Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 19

                                                                        Zu guter Letzt
           Tabea Hieber und Johannes Stahl                              beGEISTert innovativ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20
                vom Redaktionsteam                                      David Lehmann
                                                                        Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen wird in unseren Texten nur
          Kfm ist jetzt auch auf Instagram unterwegs                    die männliche Form genannt, stets ist aber die weibliche und andere
                                                                        Formen gleichermaßen mitgemeint.

    IMPRESSUM
    Der Zitronenfalter wird               Bankverbindung:                                                Werner Lindner, Winnenden;
    herausgegeben                         Evangelische Bank eG. Kassel                                   David Lehmann, Tübingen;
    von Kirche für morgen e.V.,           IBAN: DE43520604100000 419435                                  Bettina Stippich, Steinenbronn
    Am Auchtberg 1, 72202 Nagold          BIC: GENODEF1EK1
    Fon: (0700) 36 69 36 69,              Wir danken allen, die durch ihre Spende                        Layout: AlberDESIGN, Filderstadt
    red@kirchefuermorgen.de,              die kostenlose Weitergabe des                                  Druck: Druck + Medien Zipperlen GmbH, Dornstadt
    www.kirchefuermorgen.de               Zitronenfalters ermöglichen.                                   Versand: LWV. Eingliederungshilfe Tannenhof Ulm
                                          Redaktionsteam:
    Erscheinungsweise:                    Johannes Stahl, Göppingen (ViSdP);                             Redaktionsadresse: red@kirchefuermorgen.de
    2-3 x jährlich.                       Tabea Hieber, Markgröningen;                                   und über die Geschäftsstelle
    Bestellung (auch weitere              Andreas Hiller, Sindelfingen;                                  Anzeigenpreise: lindner-service@gmx.de
                                                                                                                                                                                                                              ©AdobeStock_Svetlana Lukienko

    Exemplare) bei der Geschäftsstelle.   Christian Kohler, Ostfildern;                                  Titelbild: ©IStock-S-S-S
    Die Zusendung ist kostenlos.          Carmen Lauble, Remshalden;

Bitte melden Sie sich, wenn Sie künftig mehr oder weniger Exemplare des Zitronenfalters wünschen, bei: Geschäftsstelle Kirche für morgen
e.V. Am Auchtberg 1, 72202 Nagold, Tel.: +49 (0700) 36693669, Mail: info@kirchefuermorgen.de

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Positionslicht

                                BeGEISTert innovativ -
                                vom Zauber des Neuanfangs
                                Die beiden Vorsitzenden Andreas Arnold und Angie Schwarz über Pioniere und
                                Bewahrer, die gemeinsam unterwegs sind.

                                   „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber        halb meinen wir: Die Gemeinde Gottes ist
                                inne“, dichtet Hermann Hesse im Jahr         aufgerufen zum Aufbruch. Inspiriert durch
                                1941. Aber es ist durchaus nicht jeder-      den Heiligen Geist. In dieser Zeit. Mit der
                                manns Ding neu anzufangen. Menschen          Perspektive Ewigkeit. Heiter und gelassen
                                voller Pioniergeist und Innovationskraft     können Pioniere und Bewahrer im jeweils
                                                                                                                            Angie Schwarz,
                                erliegen gerne diesem Zauber, während        eigenen Tempo die Räume durchschreiten         Tübingen,
                                diese Worte bei den Stetigen und Behar-      und miteinander unterwegs sein.                kfm-Vorsitzende
                                renden unter uns eher eine Drohkulisse
                                aufbauen. Unsere Kirche braucht beide:
                                Pioniere und Bewahrer. Pfarrer Sebastian
                                Steinbach beschreibt es in seinem Artikel
                                                                             Bereit zum Aufbruch
                                so: „Innovation ist nie etwas vollständig      „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Rei-
                                Neues. Vielmehr verknüpft Innovation be-     se, mag lähmender Gewöhnung sich ent-          Andreas Arnold,
                                reits Bestehendes (‚Traditionelles‘) auf     raffen“, dichtet Hesse weiter. Sind wir be-    Filderstadt,
                                kreative, neuartige Weise.“ Die Creatio ex   reit zum Aufbruch? Oder lassen wir uns         kfm-Vorsitzender
                                nihilo – die Schöpfung aus dem Nichts –      lähmen von uns lieb gewordenen Gewohn-
                                ist Gott dem Schöpfer vorbehalten.           heiten und einengen von Traditionen? Die
                                                                             gegenwärtige Krise hat uns viele Neuauf-
                                Heiter Raum um Raum durch-                   brüche geschenkt. Nutzen wir dieses Ge-
                                                                             schenk, nicht um unserer selbst willen,
                                schreiten                                    sondern um Gottes Willen. Übrigens: Neu-
                                  Worin liegt das Geheimnis, sich auf Neu-   anfänge sind ganz normal. Sie ereignen
                                es einlassen zu können? Hesse empfiehlt      sich fortwährend und erwachsen (emergie-
                                in seinem Gedicht „Stufen“: „Wir sollen      ren), ohne dass wir sie initiieren oder auf-
                                heiter Raum um Raum durchschreiten, an       halten könnten. Wir können uns zu ihnen
                                keinem wie an einer Heimat hängen.“ Das      verhalten: sie gestalten oder sie erleiden.
                                erinnert an Prediger 3: „Alles hat seine     Es ist unsere Entscheidung.
                                Zeit“ heißt es dort. Auch Lebensräume
                                und Glaubensformen haben ihre Zeit. Des-
©AdobeStock_Svetlana Lukienko

                                                                                                                                        3
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Heftthema

Nach Corona:

Weiter so?
Oder hoffentlich nicht…
Was hat Kirche aus Corona gelernt? Nach der Schockstarre reibt mancher sich die Augen
und möchte so schnell wie möglich wieder zurück ins normale Kirchenleben. Aber was
ist für Kirche eigentlich „normal“? Das haben wir Dr. Klaus Douglass gefragt und er macht
Mut zu neuen Wegen.

                           Ich unterhielt mich dieser Tage mit einer    Endlich wieder Gottesdienste wie
                        jungen Pfarrerin, deren Gemeinde in der         früher!?
        Was ist für     Coronakrise eine erstaunliche Entwick-
                        lung genommen hatte. Der Gottesdienst-            Allerdings, so erzählte die junge Kolle-
 uns als Kirche         besuch ihrer Gemeinde hatte sich trotz          gin, waren im Frühsommer, als die Impf-
                        pandemiebedingter Einschränkungen               kampagne endlich zu greifen begann,
        eigentlich      fast verdreifacht. Die vormals recht kleine     gleich mehrere der früheren Gottesdienst-
                        Schar der gemeindlich Aktiven hatte sich        besucher*innen zu ihr gekommen und
        „normal“?       geöffnet und in der Krise mit verschiede-       hatten gesagt: „Gott sei Dank, Frau Pfar-
                        nen Akteur*innen des Ortes kooperiert,          rerin, jetzt können wir endlich wieder Got-
                        um Masken zu nähen, Hilfsbedürftige zu          tesdienste und Veranstaltungen wie frü-
                        unterstützen und gemeinsame Projekte            her machen!“ Mit diesen Worten, so er-
                        zu stemmen. Ganz allgemein waren das            gänzte sie, war die klare Erwartung ver-
                        Wir-Gefühl und der Zusammenhalt nicht           bunden, dass man endlich mit den ganzen
                        nur innerhalb der Gemeinde, sondern             Neuerungen aufhören und wieder zur gu-
                        auch innerhalb des Ortes deutlich ge-           ten alten Normalität zurückkehren solle.
                        wachsen. Natürlich war Corona auch dort
                        eine schlimme Zeit gewesen. Aber irgend-          Was uns zu der Frage bringt: Was ist für
                        wie hatte die Krise die Menschen dazu ge-       uns als Kirche eigentlich „normal“? Viele
Dr. Klaus Douglass,     bracht, zur richtigen Zeit die richtigen Din-   beantworten diese Frage aus der Vergan-
Pfarrer und Direktor    ge zu tun bzw. sich auf das zu konzentrie-      genheit heraus: Normal ist, was allgemein
der evangelischen
Zukunftswerkstatt
                        ren, was im Endeffekt wirklich zählt: näm-      üblich ist. In diesem Sinne waren liturgi-
midi in Berlin          lich die Weitergabe von Glaube, Liebe und       sche Gottesdienste mit einem Besuch von
(www.mi-di.de)          Hoffnung.                                       nicht einmal zwei Prozent der eigenen Mit-

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                                                         kirchlicher Normalität sein. Und umge-
                                                         kehrt: Wo das nicht geschieht, ist das
                                                         eben nicht „normal“, selbst wenn wir da-
                                                         bei auf eine noch so lange Tradition zu-
                                                         rückblicken können und wenn dabei
                                                         noch so viele fromme Worte gemacht
                                                         werden.                                        „normal“ ist,
                                                           Was die junge Kollegin in ihrer Gemein-      was Menschen
                                                         de gemacht hat, war in diesem auftrags-
                                                         und verheißungsorientierten Sinne „nor-        mit dem
                                                         mal“. Als die herkömmlichen Gottesdiens-
                                                         te coronabedingt nicht mehr durchgeführt       Evangelium in
                                                         werden konnten, wich sie auf andere For-
                                                         mate aus: Gottesdienste im Freien, Haus-       Berührung
                                                         gottesdienste und Gottesdienste im Netz,
                                                         wobei sie nicht einfach die klassischen        bringt…
                                                         Formate ins Internet streamte, sondern
                                                         einfache Formate mit vielen Möglichkeiten
                                                         zu Beteiligung entwickelte. Allesamt sehr
                                                         persönliche, kommunikative und auf Be-         …was Menschen
                                                         ziehung ausgerichtete Formate.
                                     ©AdobeStock-Bruce

                                                                                                        dazu bringt, selbst
                                                         Persönlich, kommunikativ,
                                                         auf Beziehung aus
                                                                                                        Glaube, Liebe
                                                           Ich glaube, dass solche Elemente der         und Hoffnung
                                                         Beteiligung und des Zusammenwirkens
glieder (von Nichtmitgliedern ganz zu                    unumkehrbar zur Zukunft nicht nur des          weiterzugeben.
schweigen) bis vor Kurzem „normal“. Oder                 Gottesdienstes, sondern unserer Kirche
Gemeinden, die sich stark nach außen hin                 überhaupt gehören: Kirche in den unter-
abschotten, um eine Binnenkultur zu                      schiedlichsten Netzwerken unserer Ge-
pflegen, die für Außenstehende weder                     sellschaft, Kirche im Sozialraum, Kirche
leicht zugänglich noch inhaltlich nach-                  in ökumenischer Weite und Kirche in glo-       …was Menschen
vollziehbar ist. Das Problem mit diesem                  baler Verbundenheit: Wo immer Gemein-
– vornehmlich an der vorhandenen kirch-                  den sich in den Monaten der Pandemie           hilft, sich im
lichen Praxis orientierten – Normalitäts-                auf einen derartigen Weg gemacht ha-
begriff ist, dass das, was kirchliche Insi-              ben, haben sie inmitten der Krise einen        Evangelium zu
der als „normal“ ansehen, für Außenste-                  guten Schritt nach vorne gemacht. Und
hende oft das genaue Gegenteil ist. Es                   es wäre jammerschade, wenn sie der Ver-        verwurzeln…
ist für sie „unnormal“, weil es ihrem Le-                suchung erlägen, nach Abklingen der
bensgefühl und ihrer Lebenswirklichkeit                  Pandemie wieder zur alten „Normalität“
nicht nur nicht entspricht, sondern oft                  zurückzukehren. „Normal“ im auftrags-
sogar widerspricht.                                      und verheißungsorientierten Sinn ist,
                                                         was Menschen mit dem Evangelium in
                                                         Berührung bringt, was ihnen hilft, sich
Was ist der Auftrag?                                     darin zu verwurzeln und was sie dazu
   Vielleicht würde es helfen, wenn wir als              bringt, selbst Glaube, Liebe und Hoff-
Kirche den Begriff der Normalität nicht an               nung weiterzugeben.
dem festmachten, was allgemein üblich,
sondern an dem, was uns aufgetragen                        Wenn das mit den alten Mitteln und For-
und verheißen ist. Der Auftrag der christ-               men besser gelang als mit den neuen,
lichen Gemeinde wird in Matthäus 28,18-                  sollten wir zu diesen zurückkehren. Wenn
20 definiert: Geht hin zu den Menschen,                  die neu gefundenen Formen und Mittel
gewinnt sie dafür, Jesus Christus nach-                  allerdings hilfreicher sein sollten, sollten
zufolgen, integriert sie in eure Gemein-                 wir uns getrost von den alten verabschie-      Klaus Douglass/Fabian Vogt:
                                                                                                        Der evangelische Patient.
schaft und helft ihnen, sich im Wort der                 den und auf jenem Weg weitergehen, den         208 Seiten,
Heiligen Schrift zu verwurzeln. – Dass                   Gott uns in den letzten anderthalb Jahren      Paperback, 15,00 €
das geschieht, darf allein der Maßstab                   geführt hat.                                   ISBN 978-3-374-06630-8

                                                                                                                       5
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Wie Innovationen
                                   die Gegenwart aus den
                                        Angeln heben
                              Wie geht Innovation ganz praktisch? Welche Haltung braucht es? Worin liegen die
                              Chancen und welche Herausforderungen sind mit dem Thema verbunden? Impulse
©AdobeStock_Ezio Gutzemberg

                              und Beobachtungen vom 7. Forum Digitalisierung der Landeskirche. Andreas Arnold
                                  hat die Kerngedanken des Vortrags von Dr. Horneber* zusammengefasst:

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Auf Vorrat denken
  „Um Institutionen zukunftsfähig zu machen, müs-       immer ein Werkzeug, ein Tool, zur Unterstützung
sen wir auf Vorrat denken, also die Fragen viel frü-    unserer Arbeit. Aber eines ist auch klar: So, wie es
her stellen und nicht erst, wenn das Problem in der     vor 20 Jahren war, so wird es nie wieder. Wir stecken
Tür steht. Das ist mühevoll und anstrengend und         aufgrund der Digitalisierung in einem enormen Ver-
es kostet Zeit. Zeit, die wir nie haben, denn ständig   änderungsprozess, der durch Corona erheblich be-
müssen wir entscheiden, austarieren, informieren,       schleunigt wurde. (…) Jede und jeder hat verschie-
begründen … Die vordringlichen Dinge bestimmen          dene Vorstellungen von der Zukunft. Und natürlich
unseren Alltag. Und viel zu selten stellen wir uns      haben wir Bedenken vor Veränderungen, Bedenken
die Frage, ob die dringenden Dinge auch die wirklich    vor Neuem und vor dem Unbekannten. Wir müssen
wichtigen sind. (…) Wichtig heißt: Von entscheiden-     uns (…) von manchen Gewohnheiten verabschie-
der Relevanz für die Zukunft der Kirche.“               den. Damit dies gelingt, dass wir uns verabschieden
                                                        und uns auf Neues einlassen, benötigen wir orga-
                                                        nisatorische und unternehmenskulturelle Voraus-
Die Extrapolationsfalle                                 setzungen (…) um damit zurecht zu kommen und
  „Ich bin ein großer Fan von Tradition … Wenn          für die Zukunft gut gerüstet zu sein.“
man sich an der Vergangenheit orientiert, läuft
man in die Extrapolationsfalle. Getreu dem Motto
‚Zukunft ist gleich Vergangenheit mal Faktor X‘.
                                                        Organisationsentwicklung
Wir können aber die Zukunft nicht aus der Vergan-         „Sie müssen unglaublich viel regeln, nachhal-
genheit ableiten (…), nicht prognostizieren, nicht      ten, es muss alles ‚compliant‘ gemacht werden.
vorausberechnen. (…) Sondern Zukunft besteht            (…) Qualitätssicherung ist der Tod der Innovation,
aus Trend-Brüchen, aus Paradigmenwechseln –             weil Qualität auf Gleichförmigkeit und auf Gleich-
Corona lässt grüßen. (…) Wir sind der Zukunft nicht     mäßigkeit ausgelegt ist und Innovation genau auf
völlig ausgeliefert, wir müssen nicht warten, was       das Gegenteil. Insofern ist es schwierig von einer
auf uns zukommt, sondern wir können durch Den-          bürokratischen, geregelten Organisation in eine
ken und durch Handeln Einfluss nehmen. (…) Wir          etwas flexiblere zu kommen. (…) Dazu brauchen
können in unseren Arbeitsfeldern dafür sorgen,          Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allem
dass bestimmte Dinge passieren oder auch unter-         auch Führungskräfte, die das ermöglichen: die
bleiben.“                                               Verantwortung delegieren, die mit Kritik auch um-
                                                        gehen können und dann auch immer mehr den
                                                        Menschen selbst Verantwortung zu übergeben –
Wechsel der Blickrichtung                               natürlich sie auch entsprechend vorbereiten dar-
  „Der Blick aus der Zukunft zurück in die Gegen-       auf. (…) Dann schaffen wir es auch, noch mehr In-
wart (…) erlaubt uns, diejenigen Maßnahmen ab-          novationen zu generieren. (…) Es muss ganz inten-
zuleiten, die notwendig sind, um in die Zukunft zu      siv eingebettet werden in die Organisation.“
kommen. (…) Dann erschließt sich uns die Zukunft
als ein großer Möglichkeitsraum verschiedener Al-
ternativen. (…)“
                                                        Innere Blockaden überwinden
                                                           „Dass wir uns intensiv auseinandersetzen mit
                                                        unseren inneren Blockaden, unseren Glaubens-
Zukunftszenario 2030                                    sätzen, die verhindern, das zu tun, was wir eigent-
  Anhand des fiktiven Lebenslaufs der im Jahr           lich möchten, die uns begrenzen. Manchmal hal-
2030 geborenen „Melina“ stellt Dr. Horneber vor         ten uns diese Glaubenssätze davon ab, innovativ
Augen, wie die Gesundheitsversorgung sich ent-          zu sein: traditionsbewusst und doch zukunftsori-
wickeln wird. Fazit: „So wurde bei uns 2017 klar,       entiert.“
dass die Gesundheitsversorgung der Zukunft ganz
anders aussehen wird. Es reicht nicht mehr, nun         *Der komplette Vortrag (37 Minuten) findet sich
                                                        auf dem Youtube-Kanal der Landeskirche
in Gebäude, die Technik und in gut ausgebildetes        (https://www.youtube.com/watch?v=qMMBFT8EE9k).
Personal zu investieren. Die Digitalisierung und
auch die Technik haben die komplette Versorgung
auf den Kopf gestellt.“

Mit Mut und Zuversicht in die Zukunft                               Dr. Markus Horneber ist Vorstandsvorsitzender
                                                                    des größten christlichen Gesundheitsunterneh-
  „Wir überlegen uns immer, welchen Nutzen Inno-                    mens in Deutschland, der Agaplesion GmbH,
vationen haben (…) Es geht also immer darum, die                    die in 23 Krankenhäusern gut 22.000 Mitar-
                                                                    beitende beschäftigt. Unter seiner Regie wurde
(…) Lebensqualität für Menschen, die in unseren                     der Krankenhaus-Konzern zum „Innovativsten
Einrichtungen sind (…) erheblich zu verbessern. Di-                 Unternehmen“ – laut der Zeitschrift ‚Capital‘ –
gitalisierung ist kein Selbstzweck, niemals! Sie ist                der gesamten Branche.

                                                                                                                  7
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   „Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt!“               Was wir von der EKD lernen können? Innovation
Keine Punchline hat in den vergangenen Jahren               geschieht nicht, wenn wir auf Nummer sicher spie-
mehr Aufregung, mehr Initiative und mehr Innova-            len. Innovation braucht Risikobereitschaft. Die Be-
tion in der Evangelischen Kirche in Deutschland             reitschaft, Wege zu gehen, die bisher vielleicht nur
(EKD) hervorgerufen als diese. Ich hatte Gänse-             Gott selbst gesehen hat.
haut, als Sandra Bils bei ihrer Abschlusspredigt
des Kirchentags 2019 auf die Seenotrettung zu
sprechen kam. Noch viel mehr hat mich aber ge-
flasht, wie es danach weiterging. Es wurde kein

                                                                Innovation
neues „Amt für Seenotrettung“ eingerichtet und
auch keine Herde Pfarrer:innen in Ausschüsse ent-
sandt. Nein. Die Kirche hat das Bündnis „United4

                                                                ist immer
Rescue“ aus der Werft gelassen und sich dann
ganz untypisch als ein Matrose von vielen einge-
reiht. Mich inspiriert dieses unkonventionelle und
vernetzt denkende Vorgehen der EKD. Wo können
wir gemeinsam mit anderen Kirchen, NGOs, Verei-
nen und Menschen Visionen spinnen? Wo müssen
wir das Risiko eingehen, Dinge aus der Hand zu
geben?
                                                                auch Risiko
  Seit diesem Jahr darf ich als erster Abgeordneter             Die neue Präses (Vorsitzende) der
von Kirche für morgen unsere Landeskirche in der
                                                                EKD-Synode Anna-Nicole Heinrich
Synode der EKD vertreten. Mich beeindruckt, wie
viel Innovation dort trotz der immensen Unter-                  (25) kam zum Glauben „eher
schiedlichkeit der Player zu sehen ist. Das zeigen              durch Zufall als durch Verstand
beispielsweise die „12 Leitsätze“, die sich die letz-           und Sozialisation“, wie sie sagt.
te Synode als Kompass für die Zukunft gegeben
hat. Hier wird etwa aufgeführt, dass zehn Prozent               Sie stammt aus einem kirchenfer-
des Haushalts als „geistliches Risikokapital“ für               nen, nichtchristlichen Elternhaus.
Erprobungsräume und kreative Experimente ein-                   Über den Religionsunterricht in
gesetzt werden sollen. Solche gemeinsamen Zu-
kunftsvisionen sind Innovationsmotor und helfen,                der Grundschule kam sie in Kon-
sich nicht im Klein-Klein zu verlieren. Und es                  takt zu einer evangelischen Ge-
drängt auch mich zu der Frage: Wo ist mein ganz                 meinde und ließ sich taufen, en-
persönliches „geistliches Risikokapital“?
                                                                gagierte sich in der Jugendarbeit
  Aber nicht nur auf dem Papier, sondern auch im                und will Kirche nun neu mitge-
Tun ist die EKD mutig. Seit dieser Legislaturperio-             stalten: Hinaus ins Weite! Der
de müssen mindestens 20 der 128 Synodalen un-
ter 27 Jahren alt sein. Kaum eingeführt, wurde die              EKD-Synodale von Kirche für mor-
Quote sogar direkt übertroffen. Wie würde sich                  gen, David Lehmann, über eine
unsere Kirche verändern, wenn wir überall knapp                 ungewöhnliche Frau und den neu-
20% junge Menschen an Bord hätten? Ja, was wäre
eigentlich, wenn wir ihnen sogar echte Leitungs-                en Kurs der Evangelischen Kirche
ämter zutrauen würden? Auch hier setzt die EKD mit              in Deutschland (EKD).
Anna-Nicole Heinrich als Präses neue Maßstäbe.
Statt erfahrener Polit-Profis und Ex-Minister:innen
hat nun eine 25-jährige Studentin das höchste Lai-
enamt unserer Kirche inne. Ich habe sie als leiden-
schaftliche, kompetente und gut vernetzte Team-
playerin erlebt, die für meine Generation Kirche
ganz neu nahbar macht.

          David Lehmann, Tübingen, Theologiestudent, EKD-Synodaler
          und Mitglied des Leitungskreises von Kirche für morgen

          Meine ersten Erfahrungen auf der konstituierenden Sitzung
          der EKD finden Sie unter https://www.kirchefuermorgen.
          de/2021/05/mutiger-neustart-fuer-die-ekd-synode/

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beGEISTert innovativ

Interview mit Präses
Anna-Nicole Heinrich

Kirche für morgen: Frau Heinrich, wie waren Ihre
ersten Monate als frisch gewählte Präses der EKD?

Anna-Nicole Heinrich: Die ersten Monate im Amt

                                                                                                       ©Peter Bongard
waren sehr spannend. Ich habe viel Neues kennen
gelernt und konnte mich in wichtige Felder einar-
beiten. Ich bin, seitdem ich dieses Amt habe, viel
unterwegs und kann so mit vielen spannenden
Leuten connecten. Es macht echt Spaß, dieses
Amt und alles drumherum zu entdecken – vor al-       Kirche für morgen:
lem auch gemeinsam mit dem ehrenamtlichen und        Wo sehen Sie Potential für Innovation in der EKD?
hauptamtlichen Team, das mich umgibt. Und ich
freue mich auf alles, was die nächsten Monate und    Anna-Nicole Heinrich: Erstmal ist es wichtig wahr-
Jahre kommen wird.                                   zunehmen, was es in unserer Kirche, an der Peri-
                                                     pherie und außerhalb unserer kirchlichen Bubble
Kirche für morgen: Eine Sache,                       alles gibt. Es passiert so viel Gutes und Ermutigen-
die Sie in Ihrer Amtszeit ändern wollen?             des. Auf meiner einmonatigen „Präsestour“ kreuz
                                                     und quer durch Deutschland habe ich mir als Auf-
Anna-Nicole Heinrich: Zunächst einmal geht es        gabe gesetzt, genau das wahrzunehmen. Also
nicht um mich oder die eine Sache, sondern da-       eben nicht das, was nicht läuft, sondern Gelingen-
rum, welche Schwerpunkte die Synode, die sich        des in den Blick zu nehmen. Wenn wir raus gehen
im Mai konstituiert hat, setzen möchte. Das wer-     und die Augen offenhalten, dann ergeben sich
den wir jetzt gemeinsam entwickeln. Eine Orien-      schnell Anknüpfungspunkte für Innovatives – in-
tierung bieten dabei sicherlich die 12 Leitsätze     nerhalb und außerhalb unserer herkömmlichen
„Hinaus ins Weite“ und die Zukunftsprozesse,         Strukturen.
die die vergangene Synode geschnürt hat. Das
wollen wir weiterentwickeln. In den aktuellen        Kirche für morgen: Was macht Ihnen persönlich
Umbrüchen liegt eine riesige Chance, die es jetzt    Hoffnung mit Blick auf die Zukunft der Kirche?
zu nutzen gilt.
                                                     Anna-Nicole Heinrich: Ich spüre in den letzten Wo-
                                                     chen viel Mut zum Aufbruch, begegne vielen Men-
                                                     schen, die sich engagieren, und so viel ernsthafte
                                                     Auseinandersetzung mit dem, was kommen wird.
                                                     Unsere Aufgabe ist es, eine Kirche zu gestalten,
                                                     die kleiner wird und doch profiliert bleibt. Ich bin
                                                     mir sicher, dass wir, nur weil wir zahlenmäßig klei-
                                                     ner werden, nicht weniger Wirkung entfalten kön-
                                                     nen. Wir haben die richtigen Themen und werden
                                                     diese auch in Zukunft hoff nungsvoll und unver-
                                                     zagt rüberbringen und so Menschen erreichen.
                                                                                                                        ©AdobeStock_Gajus

                                                                                                               9
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Kloster Hirsau:
       Neue Wege
          in alten Mauern

Tradition und Innovation: ein Gegensatz? Diesmal kein klassisches Pro- und Contra.
Wir haben Sebastian Steinbach gebeten, die beiden Begriffe aufgrund seiner prak-
tischen Erfahrung zu reflektieren. Seine spannenden Einblicke in „neue Wege in al-
ten Mauern“ machen Mut, diese Spannung auch anderswo aufzunehmen und alte
Kirche neu zu (er)leben.

                       Innovation und Tradition brauchen ei-
                                                                 Jahrhundertalte Mauern
                   nander. Ich spüre das hier in unserem al-       Hier in Hirsau haben wir jahrhunderte-
                   ten Kloster Hirsau. Denn Innovation ge-       alte Mauern und eine bewegte Kloster-
                   schieht ja nie im luftleeren Raum, Innova-    Geschichte, die allerdings mit der Refor-
   Innovation      tion ist nie etwas vollständig Neues. Viel-   mation endet. Mehr als fünfhundert Jahre
                   mehr verknüpf t Innovation bereits            lang haben Mönche hier Tag und Nacht
und Tradition      Bestehendes, „Traditionelles“ auf kreati-     gebetet. Vor knapp eintausend Jahren hat
                   ve, neuartige Weise.                          von hier die sogenannte „cluniazensische
       brauchen                                                  Reform“ – eine der großen geistlichen Klos-
                     Unsere kirchliche Tradition hält eine Un-   terreformen – in den gesamten deutsch-
       einander.   zahl an alten Schätzen bereit: jahrhunder-    sprachigen Raum ausgestrahlt. Menschen
                   tealte, faszinierende, durchbetete Kir-       spüren, dass dies ein „heiliger Ort“ ist.
                   chen, „mystische Orte“. Jahrhundertealte,
                   kraftvolle Symbole. Jahrhundertealte,           Zugleich erzeugen diese Tradition und
                   herzanrührende Texte. Jahrhundertealte,       Geschichte bei vielen Menschen, die das
                   lebens- und glaubensformende geistliche       Kloster Hirsau besuchen, einfach „nur“
                   Übungen. Jahrtausendealte, lebensverän-       eine Art diffuses heiliges Gefühl. Sie brin-
                   dernde biblische Schriften. Dazu eine         gen sie nicht in Verbindung mit ihrem Le-
                   knapp zweitausendjährige Kirchenge-           ben und ihrem Alltag – die klösterlichen
                   schichte, in der Kirche schon eine Menge      Gelübde wie Armut, Keuschheit und Ge-
                   entwickelt, ausprobiert und angestellt        horsam. Das ständige Gebet. Die tiefe
                   hat, aus dem wir lernen können.               Gottessuche der Mönche.

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beGEISTert innovativ

Die reine Tradition reicht nicht
   Unsere Welt verändert sich seit Jahr-
zehnten mit exponentiell wachsender Ge-
schwindigkeit. Raketenschnell entfernt
sich unsere jeweils aktuelle Lebenswirk-
lichkeit von der Lebenswirklichkeit frühe-
rer Jahrhunderte. Genau aus diesem
Grund brauchen wir Innovation! Innovati-
on ist das notwendige Bindeglied zwi-
schen unseren kirchlichen Traditionen,
unseren alten Schätzen und unserer ak-
tuellen, sich rasant entwickelnden Wirk-
lichkeit.

  Hier eine kurze und unvollständige Lis-
te, was es meiner Erfahrung nach für die
Entwicklung von Innovation braucht: Mit-
                                                 ©wilfried-feder.com (2)

arbeiter, die offen für Neues sind. Neugier.
Experimentierfreude und Risikobereit-
schaft. Freiräume für Kreativität, zeitlich
und örtlich. Geld. Flexible Strukturen. Be-
reitschaft, aus Fehlern zu lernen. Und In-
spiration. Zum einen von „Profis“: von
Menschen, die von außen kommen und
sich mit Innovation auskennen. Zum an-
deren und vor allem: von Gott selbst.
                                                 Orte der Gottesbegegnung
                                                   Seit September findet sich all das auf                          ... ein Ort an
Tradition übersetzen,                            unserer wunderschönen Website www.
Innovation entwickeln
                                                 amen-atmen.de. Ab nächstem Jahr soll es                           dem Menschen
                                                 mit www.lebensliturgien.de eine eigene
  Und so entwickeln wir hier in Hirsau seit      Website (oder Webapp) mit Tagzeitenge-                            der Schönheit
vielen Jahren Angebote, in denen wir ver-        beten zum Hören für jeden Tag geben
suchen, die Tradition und Geschichte die-        (jetzt schon als Podcast: „Lebens Liturgi-                        und Faszination
ses Ortes erlebbar zu machen und in un-          en“), dazu einen gleichnamigen Insta-
sere heutige Lebenswelt zu übersetzen.           gram-Kanal. Auf diesem Kanal werden                               Gottes und des
Wir schaffen Erlebnisräume wie geistliche        kleine „Häppchen“ der je aktuellen Tag-
Führungen, kreative Gebetsstationen, mo-         zeitengebete erscheinen, dazu Zitate, In-                         Gebets neu und
derne Tagzeitengebete und Ausstellun-            formationen und Gedanken zu den The-
gen, in denen Menschen dem „Gott dieses          men Gebet, Tages-Rhythmus, Stille und                             tiefer begegnen.
Ortes“ – also unserem guten, dreieinigen         Fokus.
Gott – begegnen können. Erlebnisräume,
in denen sie klösterliche Prinzipien wie           Unsere Hoffnung und unser Gebet ist,
Einfachheit, Rückzug und Stille entdecken        dass das alte Kloster Hirsau auf diese Wei-
und ausprobieren können. Dazu lassen wir         se wieder neu zu einem Ort der Gottesbe-
die Mauern dieses alten Ortes ins Digitale       gegnung und des Gebets wird. Zu einem
wachsen. Wir experimentieren mit Formen          Ort, an dem Menschen der Schönheit und
von digitaler Spiritualität, weil wir uns wün-   Faszination Gottes und des Gebets neu
schen, dass Menschen auch zuhause weiter         und tiefer begegnen.
mit den Impulsen umgehen, denen sie hier
an diesem Ort begegnet sind.

                                                                           Sebastian Steinbach, Pfarrer in
                                                                           Hirsau, ist fasziniert davon, welch
                                                                           tiefe Erfahrungen Menschen an die-
                                                                           sem alten Klosterort machen und was
                                                                           digital an Spiritualität möglich ist.

                                                                                                                              11
Bausteine

Eine Krise ermöglicht manches,
was vorher nicht so im Blick war.
Hoff nungsvolle und ernüchternde Einblicke von Carola Brenner, Frauke Junghans
und Heidrun Merdes

Ein ausgefallenes Summer Camp eröffnet neue Perspektiven...
    Das Internationale Youth Summer Camp auf        worden, geprägt und beschenkt von der Kultur des
 Himmelsfels (www.himmelsfels.de) konnte 2020       Himmelsfels. Und weil wir nun im Himmelsgarten
 nur mit wenig Teilnehmern stattfinden.             zuhause sind, geht es dort weiter mit Teil-Zeit, Ge-
                                                    betstreffs, Laubhütten-Café und Krippen-Station
   Doch Johannes Weth und Steve Ogedegbe hat-       beim Weihnachtsweg, Osternacht, Sommer-Camp
 ten die Idee: Über Videokonferenz erweitern wir    und immer wieder spontane Treffs zum Baden im
 das Camp auf Orte in Deutschland, wo Leute sich    Pool oder zum gemeinsamen Essen unterm Apfel-
 in „Himmelsgärten“ treffen.                        baum. Und wenn es regnet? Dann treffen wir uns
                                                    reihum in den Häusern oder digital.
   „Himmelsgarten? Das sind wir!“, wurde uns so-
 fort klar. Der Gebetsraum im Gebetshaus Ammer-     Nähere Infos unter www.himmelsgarten.org.
 buch war unter Corona zu klein, doch Garten gab
 es drum herum genug.

   So lebten zwanzig Leute, junge Erwachsene und               Dr. Frauke Junghans, Ammerbuch,
                                                               freiberufliche Gemeindeberaterin und
 Familien inclusive Kindern fünf Tage Alltags-WG               Perspektiventwicklerin und begeisterte
 im Himmelsgarten. Die Überraschung: Aus einer                 „Himmelsgärtnerin“, liebt wilde Kirche,
 losen Gebets-Gruppe ist eine Gemeinschaft ge-                 die sich raus wagt ins wilde Leben

Weihnachtliche Ökumene unter freiem Himmel...
                                                    Gemeinde gehört, kam die Idee auf, an Heilig Abend
                                                    gemeinsam vier Gottesdienste im Freien zu feiern.

                                                      Für jeden Gottesdienst sollte jeweils ein Team von
                                                    zwei PfarrerInnen aus unterschiedlichen Gemein-
                                                    den zuständig sein. Viele Ehrenamtliche engagier-
                                                    ten sich im musikalischen und organisatorischen
                                                    Bereich. Eine aufwändige Vorplanung war nötig.

                                                      Als Gottesdienstbesucherin habe ich den Heilig
                                                    Abendgottesdienst als ganz besonders und schön
                                                    erlebt. Ein wohltuendes, sichtbares Miteinander
                                                    von so vielen Christen über die eigene Gemeinde
                                                    hinaus, die deutlich macht: Wir stehen zusam-
                                                    men. Gerade an Heilig Abend.

  Einen Gottesdienst als Ermutigung und Kraft-      Und in 2021? Gerne wieder ökumenisch!
quelle, das wollten wir an einem Höhepunkt wie an
Weihnachten in „echter“ Gemeinschaft erleben.

  In gutem ökumenischen Netzwerk, zu dem bei                   Heidrun Merdes, Asperg
uns katholisch, evangelisch, evangelisch–metho-                engagiert sich ehrenamtlich in der
distisch und seit kurzem auch die neuapostolische              evangelischen Kirchengemeinde

12
Bausteine

Das Priestertum aller Gläubigen unter anderen Bedingungen...
   Das Maß an Besserwisserei – ohne selbst ge-          Weihnachten draußen: 100 Mitarbeitende, mutig
nügend Fachkenntnis zu haben. Kritik an allen, die      und maximal flexibel, ließen sich finden, um das
Verantwortung haben – ohne selbst ein annähern-         biblische Weihnachtsgeschehen draußen im Ort
des Maß an Verantwortung zu tragen, sowie per-          nacherleben zu lassen. Bewegend!
sönlich kreierte theologische Wahrheiten, mit de-
nen geurteilt und verurteilt wurde, waren für mich      Neuanfang der Kirche Kunterbunt: Erste Versuche
ernüchternd!                                            einer Kirche Kunterbunt, für die wir engagierte
                                                        Mitmacher und fröhliche Besucher haben. Mut ma-
  Das zahlenmäßige Verhältnis „normaler Men-            chend!
schen“ zu „Propheten“ schien im aktuellen Zu-
stand gerade umgekehrt. Unser Pfarramtsteam hat
mutig die Mitte gehalten: Aufgefangen, vergeben,
moderiert, und ermöglicht. Glaubensmutig!
                                                                  Carola Brenner, Ostfildern,
  Drei Beispiele machen dies deutlich:                            kunterbunte Kirchengemeinderätin, pflegende
Digitale Aufrüstung: seither gibt’s fast alle Gottes-             Familienfrau, im päd. Bereich berufstätig und
dienste digital zum Mitfeiern. Wow!                               begeisterte Hauskreislerin

Digitale Innovation
   Die Evangelische Landeskirche in Württemberg         ren Beruf interessierten. Von daher beschlossen
gibt ihrer Digitalisierung einen weiteren kräftigen     wir, sie an unserem Alltag als Pfarrrerin und Pfar-
Schub: Mit zwei neuen 50-Prozent-Projektstellen         rer teilhaben zu lassen. Das Interesse am „Pfarrer
für „Pfarrdienst in Digitalen Räumen“ bringt sie die    aus Plastik“ wurde immer größer, auch in den Me-
Gemeindearbeit künftig noch vielfältiger ins Inter-     dien.
net. Pfarrer Nicolai Opifanti und Pfarrerin Sarah
Schindler übernehmen mit je 50 % diese Aufgabe.           Durch den ersten Lockdown haben wir begonnen
Sie stellen sich den Fragen von Tabea Hieber.           Instagram-Gottesdienste mit Beteiligung der User
                                                        durchzuführen. Die große Resonanz hat uns über-
Ihr seid ja beide bereits länger digital unterwegs.     rascht und gefreut.
Welche Erfahrungen habt ihr mit den Themen
Glaube und Kirche gemacht?                              In welchen Bereichen seht ihr auch die Grenzen
  Zuerst benutzten wir Instagram privat und stell-      einer digitalen Kirche?
ten fest, dass sich sehr viele Menschen für unse-         Sie funktioniert – ähnlich dem hybriden Auto –
                                                        nur im Zusammenspiel mit der analogen Kirche.
                                                        Wenn es um Jüngerschaft und langfristige Beglei-
                                                        tung geht, ist die leibhafte Begegnung im Mento-
                                                        ring nicht zu ersetzen. Wir glauben an einen leib-
                                                        haftigen Gott, der in Jesus leibhaftig auf die Welt
                                                        gekommen ist.

                                                        Welche Träume und Visionen verbinden sich für
                                                        euch mit den neuen Stellen?
                                                          Unsere Träume sind, Kirche immer mehr in den
                                                        digitalen Raum zu übersetzen und andere Haupt-
                                                        und Ehrenamtliche dazu zu befähigen. Ebenso die
                                                        Inhalte attraktiv zu gestalten und vielen Menschen
                                                        Lust auf eine moderne Kirche zu machen.

                                                        Herzlichen Dank und Gottes Segen für euch!

                                                                                                                  13
Bausteine

  Vermählung mit Afrika
  Wer sich mit der Afrikaforscherin und Lehramtsanwärterin Anika Hempel auf
  Spurensuche begibt, entdeckt im Leben des Missionars Johannes Zimmermann
  aus Gerlingen ganz Überraschendes, Vergnügliches und Lehrreiches für ein
  Leben in Zeiten der Krise.

                                                                     Wie erstaunt war man da in Basel, als ein
                                                                     Brief aus Christiansborg nicht Zimmer-
                                                                     manns Dahinscheiden, sondern seine be-
                                                                     vorstehende Hochzeit verkündete! Er hat-
                                                                     te sich von einem Eingeborenen heilen
                                                                     lassen und beabsichtigte nun, ohne das
                                                                     obligatorische Einverständnis des Komi-
                                                                     tees eingeholt zu haben, die geschiedene
                                                                     dunkelhäutige Catherine Mulgrave zu hei-
                                                                     raten!
                                                       ©bmarchives

                                                                        Das Missionskomitee stimmte nachträg-
                                                                     lich zwar zu, trotzdem blieb das Verhältnis
                                                                     gespannt. Zimmermann haderte mit den
                                                                     weltfremden Vorstellungen und Vorurtei-
                       Vorab: Ja, Johannes Zimmermann war            len im so weit entfernten Europa und nicht
                    ein Kind seiner Zeit. Er war überzeugter         zuletzt mit der schleppenden Bürokratie.
                    Kulturoptimist und sah in der Mission den        Immer wieder kritisierte er in Briefen
                    Schlüssel, der einer (deutschen) Koloni-         „das(s) viele reden und wenig thun“.
                    sation in Afrika den Weg ebnen sollte. Er
                    hatte eine Vision, die heutigen Maßstä-            Repressionen aus Basel nahm er in
                    ben in vielen Punkten nicht mehr stand-          Kauf, denn er wollte sich mit Afrika „ver-
                    hielte.                                          mählen“ und das nicht nur im wörtlichen
                                                                     Sinne. Er ließ sich auf die Menschen, das
                      Aber: Johannes Zimmermann war auch             Land und die Kultur ein, und insbesonde-
                    kein Kind seiner Zeit. Er galt als das enfant    re sein Umgang mit den Menschen war es,
                    terrible der Basler Mission, der stets sei-      der dazu führte, dass sein Bild heute noch
Immer wieder        nen eigenen Kopf hatte und zeitlebens            im Königreich Krobo in hohen Ehren ge-
                    seinen ganz persönlichen, tief vom Pietis-       halten wird.
 kritisierte er     mus geprägten Glaubensvorstellungen
                    folgte. Hatte er noch keine „Überzeugung           Zimmermann war ein Mann der Tat und
      in Briefen    vor dem Herrn“, so leistete er weder den         des grenzenlosen Gottvertrauens. Selbst
                    Befehlen aus Basel Folge noch den Auf-           existenzielle Krisen entmutigten ihn nicht.
 „das(s) viele      forderungen seiner Missionsbrüder.               Zu sehr trieb ihn die Vision von einem
                                                                     „Gleichgewicht der Erde“. Vielleicht ist er
   reden und           Von klein auf hatte Zimmermann den            so auch ein Kind unserer Zeit?
                    Traum, Missionar zu werden. Weder erste
wenig thun“.        Ablehnungsschreiben noch kilometerwei-
                    te Fußmärsche zwischen Gerlingen und
                    Basel hielten ihn von diesem Plan ab.                            Anika Hempel, Gerlingen, beschäf-
                    Nach fünf Jahren Ausbildung wurde er                             tigte sich im Rahmen ihrer Bachelor-
                                                                                     arbeit mit Johannes Zimmermann,
                    1849 als einer der Pioniere der Basler Mis-                      mit dem sie nicht nur den Heimatort,
                    sion an die Goldküste Afrikas – das heu-                         sondern auch Neugier, Offenheit und
                    tige Ghana – gesandt.                                            manchmal auch die Sturköpfigkeit
                                                                     teilt. Es fasziniert sie, dass er sich von nichts und
                                                                     niemandem entmutigen ließ und Zeit seines Le-
                      Doch wie viele vor ihm wurde Zimmer-           bens mit ganzer Kraft und vollem Gottvertrauen für
                    mann nach seiner Ankunft schwer krank            sein Ziel, die Schaffung eines „großen Gleichge-
                    und rang mehrere Wochen mit dem Tod.             wichts der Erde", eintrat.

 14
Bausteine

Coronapandemie - Herausforderung oder
Weichenstellung für eine Kirche von morgen?
In vielen Begegnungen und Sitzungen habe ich mich als Landessynodaler und
hauptamtlicher Kirchenpfleger mit den Fragestellungen, die uns die Pandemie
auferlegt hat, befasst.

                                               gen und Meinungen der Menschen. Eine
Eine Frage der Sichtweise                      Kirche in der Nachfolge Jesu Christi hat zu
  Hierbei war eine grundverschiedene           einer Versöhnung der Fronten ihren Bei-
Wahrnehmung der Zumutung durch die Co-         trag zu leisten! Sie hat hier einen zutiefst
rona-Pandemie von „kirchlichen Insidern“,      seelsorgerlichen Auftrag in der Überwin-
sogenannten „Kerngemeindegliedern“,            dung der gesellschaftlichen Gräben.
und eher „Randständigen“ festzustellen.
                                                 Konkret kann dieses in der Fortführung
  So formulierte kirchliches Stammklien-       mancher neuen Konzepte gelingen. Der
tel den Vorwurf, von Kirche in dieser Zeit     Einsatz digitaler Medien, der nun auch in      Eine Kirche
im Stich gelassen worden zu sein. Liebge-      die kirchliche Landschaft eingezogen ist,
wonnene, vielfältige Präsenzangebote wie       sollte genauso beibehalten werden, wie         in der Nachfolge
Gottesdienste, Chorproben, Jugend- und         auch tradierte liebgewonnene kirchliche
Konfirmandenarbeit wie auch Seniorenar-        Angebote.                                      Jesu Christi hat
beit, die das kirchliche Leben vor Corona
rhythmisierten, fielen in den ersten Mo-
                                               Komm- oder Gehstruktur?
                                                                                              zu einer
naten der Pandemie ersatzlos aus.
                                                 Die Antwort ist eindeutig: beides! Aller-    Versöhnung der
  Hingegen nahmen andere die hohe Kre-         dings zeigen unterschiedliche Studien der
ativität und Innovationsfähigkeit von Kir-     letzten Jahre, dass es nach wie vor einen      Fronten ihren
che wahr. Die Bemühungen und das Ringen        Überhang an Angeboten der „Kommstruk-
um Ersatzangebote, sowie die Konzeption        tur“ gibt, die jedoch nicht mehr in ausrei-    Beitrag zu leisten!
zukunftsweisender kirchlicher Angebote,        chendem Maße angenommen werden. Die
um Menschen dort zu erreichen, wo diese        durch die Pandemie entstandenen neuen
sich befinden – hin also zur „Gehstruktur“.    Formate kirchlicher Interaktionen sollten
                                               beibehalten, ausgebaut und letztlich nicht
  Die Analyse dieser unterschiedlichen         nur als „Notnagel“ für Krisenzeiten einge-
Sichtweisen macht deutlich, dass „eine         setzt werden.
missionale Kirche der Zukunft“ nicht ein
Zurück in die Zeit vor der Pandemie for-       Innovations- und
dern kann. Vielmehr braucht es die „sozi-
aldiakonischen“ Angebote, um bisher Un-
                                               Ehrenamtskongress
erreichte für eine Kirche von morgen zu          Für Mai 2024 ist ein Innovations- und Ge-
begeistern.                                    meindekongress als Reaktion auf aktuelle
                                               Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft,
Versöhnende, barmherzige und                   auch und im Speziellen mit Blick auf die
                                               pandemiebedingten Herausforderungen,
respektvolle Kirche                            geplant. Der Kongress bildet den zentralen
  Die Corona-Pandemie hat unsere Gesell-       Höhepunkt eines Prozesses, in dem inner-
schaft vor viele unterschiedliche Fragen       halb von drei Jahren dezentral und landes-
gestellt, uns herausgefordert, über die        kirchenweit über Gemeindeentwicklung
pandemiebedingten Themen nachzuden-            und Innovationen in Kirche und Gemeinden       Kai Münzing,
ken und sich eine Meinung hierzu zu bil-       diskutiert und experimentiert wird.            Dettingen/Erms
den. Dabei entwickelten sich im Verlauf der                                                   Hauptamtlicher Kirchen-
                                                                                              pfleger in Dettingen an
Pandemie teilweise tiefe und unüberbrück-                                                     der Erms, Mitglied der
bare Risse in der Gesellschaft, die bis hin-                                                  15. und 16. Württember-
ein in den familiären Bereich reichen.                                                        gischen Evangelischen
                                                                                              Landessynode,
                                                                                              Vorsitzender des Aus-
  Eine Rolle der Kirche ist die einer ver-                                                    schusses für Kirchen-
söhnenden, barmherzigen und respekt-                                                          und Gemeindeentwick-
vollen Kirche im Umgang mit den Haltun-                                                       lung

                                                                                                           15
©Evang. Medienhaus, G. Stoppel
           Eine Handvoll Fragen
           an drei Synodale von Kirche für morgen ...

Götz Kanzleiter   Reiner Klotz   Matthias Vosseler   Matthias Böhler   Tobi Wörner   Marion Blessing   Bernd Wetzel   Ralf Walter   Anja Faißt   Britta Gall   Oliver Römisch   Kai Münzing

                    Wir setzen uns ein und bleiben dran – am Aufbruch für morgen!

                                                       Britta Gall
                                                                                                             3. Welche Veränderungen durch die Corona-
                                                       Pfalzgrafenweiler                                     Pandemie haben dein persönliches und/oder
                                                       Dipl.-Betriebswirtin (BA) &                           berufliches Wirken verändert/beeinträchtig?
                                                       Mama                                                   Durch die Pandemie hatte ich zeitweise einen Voll-
                                                       Ausschuss für Kirche,                                 zeitjob als Lehrerin und Erzieherin. Das Homeschoo-
                                                       Gesellschaft, Öffentlichkeits-                        ling hat meinen Alltag geprägt. Dass ich beruflich so
                                                       arbeit und Bewahrung der
                                                                                                             flexibel sein konnte und diesen Job annehmen und
                                                       Schöpfung
                                                                                                             wahrnehmen konnte, dafür bin ich sehr dankbar.

                   Was war deine Hauptmotivation für eine erneu-                                             4. Welches sind deine wichtigsten Ziele, die du
                   te Kandidatur in die Synode?                                                              in der Synode gerne umsetzen möchtest?
                   Die Freude an unserer Kirche und der Wunsch, die Zu-                                      Ich wünsche mir, dass vor allem jüngere Kirchenmit-
                   kunft dieser Kirche. mitzugestalten motivierten mich                                      glieder wieder Bock auf Kirche haben, dass Kirche in
                   für die Kandidatur. So manches darf in unserer Kirche                                     deren Lebenswelt Relevanz bekommt. Deswegen
                   anders werden. Mich in diesen Prozess der Verände-                                        möchte ich Projekte vorantreiben, die das zum Ziel
                   rung einzubringen, dazu hatte ich Lust!                                                   haben. Wie zum Beispiel die Gemeindegründungsar-
                                                                                                             beit mit jungen Erwachsenen, die Schaffung von Er-
                   2. Gibt es eine Erfahrung aus der Synodenar-                                              probungsspielräumen für Kirche an anderen Orten,
                   beit, wo für dich Dankbarkeit oder Freude spür-                                           andere Gottesdienstformate und digitale Angebote.
                   bar wurde?
                   Die Pluralität unserer Landeskirche bildet sich in der
                   Synode auf besondere Art ab. Das beständige, ge-                                          5. Gibt es Wünsche von dir an die Mitglieder
                   meinsame Ringen ums „Beieinander-Bleiben“ ist                                             von Kfm, um dich in der Arbeit in der Synode zu
                   wertvoll. Es freut mich jedes mal aufs Neue, wenn ein                                     unterstützen.
                   Konsens in einer Frage gefunden wird. Ich freue mich                                      Bringt euch ein, erzählt uns, was bei euch an der Ba-
                   auch über alle Begegnungen mit den vielen unter-                                          sis los ist, kommuniziert eure Anliegen wie z.B. beim
                   schiedlichen Persönlichkeiten.                                                            „Talk für morgen“ und betet.

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©Evang. Medienhaus, G. Stoppel

                                                                                                            kfm intern

                                                       Götz Kanzleiter                              Matthias Vosseler
                                                       Ostelsheim, Diakon                           Stuttgart,
                                                       Finanzausschuss                              Pfarrer an der Stiftskirche
                                                                                                    Ausschuss für Mission, Ökumene
                                                                                                    und Entwicklung und Mitglied im
                                                                                                    Missionsprojekteausschuss

                                 Was war deine Hauptmotivation für eine        Was war deine Hauptmotivation für eine erstmalige
                                 erneute Kandidatur in die Synode?             Kandidatur für die Synode?
                                 Ich habe nach wie vor die Vision von ei-      Die Synode ist von der Basis gewählt. Richtige Demo-
                                 ner Kirche Jesu Christi, die sich lebendig,   kratie. Kein willenloses „Abnick- Gremium“, sondern
                                 bunt und ansteckend für andere zeigt.         von Gott begabte, selbstständig denkende Men-
                                                                               schen aus den Breiten unserer Gemeinden. Als Herz-
                                 Gibt es eine synodale Erfahrung, die          schlag-Mensch der Basis möchte ich meinen Teil zu
                                 dich mit Dankbarkeit oder Freude er-          dieser Leitung der Kirche beitragen.
                                 füllt?
                                 Ich freue mich über eine geschwisterli-       Gibt es eine synodale Erfahrung, die dich mit Dank-
                                 che Verbundenheit über alle Gesprächs-        barkeit oder Freude erfüllt?
                                 kreisgrenzen hinweg, die besonders bei        Dass wir als sehr reiche Kirche Gott sei Dank nicht
                                 der gemeinsamen Andacht spürbar wird.         alles für uns behalten und einsetzen, sondern auch
                                 Im kirchenpolitischen Geschäft freue ich      viele Gelder in die weltweite Kirche nach außen ge-
                                 mich über jeden Euro, der für bedürftige      ben, ist ein wichtiges Zeichen. Als Mitglied im Missi-
                                 und notleidende Menschen von der Syn-         onsprojekte-Ausschuss kann ich darüber mitent-
                                 ode beschlossen wird.                         scheiden.

                                 Welche Veränderungen durch die Coro-          Welche Veränderungen durch die Corona-Pandemie
                                 na-Pandemie haben dein persönliches           haben dein persönliches und/oder berufliches Wir-
                                 und/oder berufliches Wirken verändert/         ken verändert/beeinträchtigt?
                                 beeinträchtigt?                               Beruflich: Wüstenzeit und anstrengende Wüsten-
                                 Der Gottesdienst ist nicht mehr die zen-      wanderung, auch durch Corona. Aber Wüstenwande-
                                 trale Veranstaltung der Kirchenmitglie-       rung ist auch Zeit für ein neues Hören auf Gott und
                                 der. Es wird spannend, wie es uns als Kir-    eine neue Konzentration auf das Wesentliche. Beruf-
                                 che gelingt, die Kommunikation in unse-       lich war Corona letzten Endes die dauerhafte Platz-
                                 rer Gesellschaft mitzuprägen und unse-        anweisung Gottes am aktuellen Ort.
                                 rem Auftrag gerecht zu werden.                Persönlich: mehr Schwimmen. Schwimmen ist mit zu-
                                                                               nehmendem Alter die beste körperliche Betätigung.
                                 Welches sind deine wichtigsten Ziele,         Mehr Zigarren. Ab und zu zur Entschleunigung des
                                 die du in der Synode gerne umsetzen           Lebens eine willkommene Abwechslung.
                                 möchtest?
                                 Für mich stehen die Menschen, die eher        Welches sind deine wichtigsten Ziele, die du in der
                                 auf der Schattenseite des Lebens ste-         Synode gerne umsetzen möchtest?
                                 hen, nach wie vor im Vordergrund mei-         Es braucht mehr Demokratie in unserer Kirche. Da ha-
                                 nes kirchlichen Engagements. Jesus hat        pert es an manchen Stellen noch gewaltig. Eine Kir-
                                 uns in vielen Beispielen gezeigt, nach        che, die von Jesus Christus her lebt, kann nicht top-
                                 welchen Grundsätzen er sich eine Kirche       down organisiert sein. Das ist ein innerer Wider-
                                 vorstellt.                                    spruch. Wenn wir wirklich Volkskirche sein und blei-
                                                                               ben wollen, müssen wir mehr sein als ein traditioneller
                                 Gibt es Wünsche von dir an die Mitglie-       Selbstbeschäftigungsverein einer bestimmten sozia-
                                 der von Kfm, um dich in der Arbeit in der     len und intellektuellen Schicht. Das muss im Syno-
                                 Synode zu unterstützen?                       denalltag spürbar sein.
                                 Damit die synodale Arbeit tatsächlich
                                 Wirkung erzeugen kann, ist der Bezug          Gibt es Wünsche von dir an die Mitglieder von Kfm,
                                 zur Basis sehr wichtig. Hier wünsche ich      um dich in der Arbeit in der Synode zu unterstützen?
                                 mir viele Kontakte und eine Auseinan-         Macht selber mit und kandidiert bei der Kirchenwahl
                                 dersetzung mit den Mitgliedern vor Ort.       2025. Ich gebe gern Starthilfe, der Countdown läuft.

                                                                                                                                   17
kfm intern

      Sechs Jahre innovative Entwicklung
      Bei der Mitgliederversammlung verabschiedete sich Dr. Jens Schnabel mit einem
      Rückblick auf seine Zeit als 1. Vorsitzender. Eine Zusammenfassung und ein Dank
      von Johannes Stahl.

                                                                   Aufrichtigkeit im Wahlkampf
                                                                      Dass man die Dinge direkt anspricht
                                                                   und das Wahlprogramm der Mitbewerber
                                                                   kritisch kommentiert, so urteilte die Ess-
                                                                   linger Zeitung, entspricht „zwar nicht den
                                                                   gewohnten Gepflogenheiten in Kirchen-
                                                                   kreisen, ist aber durchaus legitim und
                                                                   sogar ein kleiner Beitrag zur Wahrhaftig-
                                                                   keit...“ (Michael Trauthig, Esslinger Zei-
                                                                   tung am 3.12.19).

                                                                     Im Team gut vernetzt
                                                                     Der erste Vorsitz wurde stets als Netz-
                                                                   werk-Aufgabe gesehen und damit der Ge-
                                                                   meinschaftssinn von Kirche für morgen
                                                                   weiter gestärkt. Gemeinsam sind wir
                                                                   stark.

                                                                   Reformen sind notwendig
                      Theologie                                       Auch in der Kirche. Um den Blick dafür
                        Für Dr. Jens Schnabel hatte die theolo-    zu schärfen war es wichtig, offen und ehr-
                      gische Arbeit im Gesprächskreis hohe         lich zu benennen, was nicht funktioniert,
                      Priorität. Wer Verantwortung trägt in der    und konstruktive Wege vorzuschlagen.
                      Kirche, wer die Kirche gestalten und nach    Neben dem oben bereits Genannten z.B.
                      vorne bringen will, sollte ein theologi-     die Förderung von sozialdiakonischem
     Wir sind bis     sches Bild von Kirche haben. Er hat we-      Wohnungsbau. Kirchengemeinden wie in
                      sentlich daran mitgearbeitet, mit „Kirche    Wendlingen setzen das bereits beispiel-
heute der einzige     als Beziehungsgeschehen“ unser Kir-          haft um, das soll Schule machen. Wir
                      chenbild zu veröffentlichen. Damit sind      sind noch längst nicht am Ziel, beim Wol-
 Gesprächskreis       wir bis heute der einzige Gesprächskreis     len und Zulassen fehlt es in der Kirche.
                      in der württembergischen Landeskirche
 in der württem-      mit einer klaren theologischen Begrün-         Dabei hielt es der langjährige Vorsit-
                      dung für ein Bild von Kirche.                zende stets mit George Bernard Shaw:
      bergischen                                                   „Diejenigen, die glauben, dass etwas
                      Ein Herz für Pfarrpersonen                   nicht möglich sei, sollten diejenigen
   Landeskirche         Kirche für morgen hat sich aktiv für die   nicht unterbrechen, die es tun.“
                      Pfarrerschaft eingesetzt. Bei der letzten
 mit einer klaren     Pfarrplandiskussion haben wir im Früh-         In diesem Sinne ein herzliches Danke-
                      jahr 2017 einen Antrag zur Entlastung der    schön an Dr. Jens Schnabel für seinen
   theologischen      Pfarrerschaft eingebracht. Im Herbst         Einsatz, seine theologische Reflexion
                      2020 stellten wir den Antrag für eine un-    und sein Engagement als erster Vorsit-
    Begründung        abhängige Untersuchung der Personal-         zender von Kirche für morgen!
                      entscheidungen im OKR.
      für ein Bild
                      Balance
      von Kirche.       Umweltschutz und fairer Handel sind
                      bei Kirche für morgen kein Gegensatz,
                      ebenso wenig wie Frömmigkeit und Theo-
                      logie. Für Dr. Jens Schnabel war immer
                      ein ganzheitlicher und damit biblischer
                      Ansatz wichtig. Kirche für morgen steht                Johannes Stahl
                      für eine gute Balance.                                 Mitglied im Redaktionsteam

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kfm intern

Los geht’s!

   Es ist Herbst und die Zeichen stehen auf Verän-
derung. Ein neuer Bundestag ist gewählt. Die Kan-
didatinnen- und Kandidatensuche für die Wahl des
Landesbischofs ist gestartet. Und auch bei Kirche
für morgen gibt es personelle Veränderungen:

  Andreas Arnold und Angie Schwarz wurden im          die beiden Vorsitzenden Angie Schwarz & Andreas Arnold
Juli von der Mitgliederversammlung zum neuen
Vorstand des Vereins gewählt. Sie nehmen ihre
Aufgabe im Tandem wahr, weil sie am liebsten im       zu übernehmen. Es ist ihnen wichtig, Menschen
Team arbeiten und sich gut ergänzen.                  in ihrem Pionier- und Innovationsgeist zu stärken
Andreas Arnold ist Pfarrer und lebt zusammen mit      und zu vernetzen. Und sie möchten dazu beitra-
seiner Frau, die ebenfalls Pfarrerin ist, und ihren   gen, dass die bisweilen auch herausfordernden
zwei Töchtern sowie zwei Katzen in Filderstadt-       Thesen und Forderungen von Kirche für morgen
Bonlanden. Andreas gehört seit letztem Jahr zum       nicht kleingeredet werden.
Vorstand von Kirche für morgen.
                                                        Weil dies eine große Aufgabe ist, sind sie froh
  Angie Schwarz arbeitet gemeinsam mit ihrem          und dankbar für die vielen, die sich im Verein und
Mann in Stellenteilung als leitende Jugendrefe-       in der Landessynode engagieren: für die beiden
rentin im CVJM Tübingen. Die beiden haben zwei        weiteren Vorstandsmitglieder Reiner Klotz und
Kinder im Jungscharalter und neuerdings zwei          Martin Mielke, für die Mitglieder im Leitungskreis,
Kaninchen im Garten, die sie auf Trab halten.         für das engagierte Redaktionsteam des Zitronen-
Angie war vor einigen Jahren im Leitungskreis und     falters, Inge Frank in der Geschäftsstelle, und,
für Kirche für morgen in der Landessynode. Zu-        und, und…
dem ist sie Kirchengemeinderätin in der Jakobus-
gemeinde.
                                                                  David Lehmann,
  Andreas und Angie wollen vor allem auch junge                   Tübingen
Menschen einladen, Kirche frisch und fröhlich zu                  Mitglied des Leitungskreises
gestalten und damit Verantwortung für die Zukunft                 und des Redaktionsteams

         Für Kurzentschlossene:
            Maria und Gabriel –
  dem Weihnachtsgeheimnis auf der Spur
        Einkehrtage von Kirche für morgen e.V.
             mit Cornelia Staib, Weinstadt
   3. bis 5. Dezember 2021 · Kloster Bad Wimpfen
                nähere Infos auf der HP

                                                                    Die nächsten Termine:
                                                                       7. Dezember 2021
 Einsendeschluss                                               1. Februar 2022 · 1. März 2022
 31. Dezember 2021                                        5. April 2022 · 3. Mai 2022 · 7. Juni 2022

                                                             Weitere Infos auf: www.kirchefuermorgen.de

                                                                                                               19
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