Leonardo - Wissenschaft und mehr Sendedatum: 27. Juni 2014 Biker vs. Bürger Sind Motorräder zu laut? Von Marcus Schwandner Sprecher: Wenn Manfred ...
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1 Leonardo - Wissenschaft und mehr Sendedatum: 27. Juni 2014 Biker vs. Bürger Sind Motorräder zu laut? Von Marcus Schwandner Sprecher: Wenn Manfred Müller aus dem Wintergarten sieht, dann fällt sein Blick auf den von ihm angelegten Teich. Daneben auf der Wildwiese dürfen Löwenzahn und Wiesenschaumkraut wachsen. Im Hochbeet erstrahlen die Blüten, hinter dem Garten schweift der Blick ins Weite, über die sanften Hügel des bergischen Landes. O-Ton: „Und gerade bei schönem Wetter möchten wir als Familie auch draußen sitzen. Das ist ja das Problem, ne? Also ich bin ja eigentlich immer schon froh, wenn es sonntags regnet.“ Sprecher: Wie? Ein verregneter Sonntag als Herzenswunsch? Schreiner Müller ist mit diesem kuriosen Wunsch nicht alleine. Auch viele seiner Nachbarn freuen sich, wenn es am Wochenende regnet. Denn in der Nähe liegt der Altenberger Dom, ein beliebtes Ausflugsziel. Und bei Müllers vorbei führt eine landschaftlich schöne Straße mit vielen Serpentinen hinunter zum Dom. Die Kurven sind ein Genuss für manche. O-Ton: „Sobald ein schöner Tag ist, sind die Motorradfahrer natürlich draußen - in Massen! Das ist ja das große Problem, die Masse der Motorradfahrer. Die einzelnen Fahrer, die vernünftig gerade runter fahren, die stören uns ja gar nicht. Das Schlimme ist, es wird rauf und runter gefahren, es ist also eine Rennstrecke. In Altenberg wird gewendet und hier drüben, vor der Türe wird auch gewendet. Und dann wird sich unterhalten, da wird das natürlich ausgetreten, laut, die Motorradfahrer haben ja Helme auf, die können also selbst nicht hören, schreien natürlich dann rum, drehen ihr Gas auf und dann geht's wieder runter. Rauf und runter.“ © Westdeutscher Rundfunk Köln 2014 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
2 Sprecher: Die Motorräder donnern und brummen, nerviger Lärm für die Anwohner, geliebter Sound für die Biker. O-Ton: „Und da ist aber nichts manipuliert, das heißt. also, da ist der Auspuff nicht verändert worden, wo ich mir schon manchmal vorstelle, wie könnte der Sound anders sein? Vielleicht etwas dumpfer, etwas kräftiger noch, ja? Also von daher ist der Sound irgendwie wichtig für das Fahren. Kerniger Sound ist wichtig für mich ja, deshalb habe ich auch dieses Motorrad. Man kann damit sehr sanft fahren, ganz entspannt fahren, sehr ruhig, kann aber auch Gas geben und merkt dann sofort, als wenn da so ein Tier erwacht und dieser kerniger Sound ermutigt einen, mehr an die Freiheit zu glauben.“ Sprecher: Martin pflegt seine Honda VFR 750. Sobald das Wetter schön ist, fährt er durchs Bergische Land oder durch die Eifel. Denn nicht nur die Landschaft ist schön auch die kurvigen Strecken fordern den Fahrer. Auf besondere Auspuffrohre für mehr kernigen Sound verzichtet Martin, sein Motorrad ist also nicht manipuliert. Auch beim Fahrverhalten versucht Martin „akustisch“ rücksichtvoll zu sein. O-Ton: „Prinzipiell ja, also ich jedenfalls kann sagen: ja. Deshalb fahr ich auch nicht mit einem Affenzahn hier rein, sondern behutsam, weil ich weiß wohl, dass es auch wichtig ist, gerade hier so darauf zu achten, beim Café Hubraum, dass es auch bleibt. Es ist eine Institution und ich möchte gerne nicht, durch mein Verhalten, dass das hier aufgelöst wird, ne? Also zumindest gehe ich mit dem Thema so um. Kann ich ja woanders Gas geben.“ Sprecher: Das Café Hubraum ist ein beliebter Biker-Treff zwischen Solingen und Wuppertal. Wenn die Sonne scheint, stehen hier auch schon mal 200 Motorräder auf dem Parkplatz und überall auf der Straße. Röhrende, brummende Maschine, chromblitzende Auspuffrohre strahlen in der Sonne um die Wette. Jeder einzelne Motorradtyp muss vom TÜV zugelassen werden, bevor der Hersteller die Maschine in Serie bauen darf. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2014 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
3 Neben der Verkehrssicherheit darf das Motorrad aber auch auf keinen Fall zu laut sein. Wie die Lautstärke gemessen wird, weiß der Ingenieur Hans-Ulrich Sander vom TÜV Rheinland. O-Ton: „Da gibt es eine Messstrecke, die ist 20 Meter lang. Diese Messstrecke wird mit dem Fahrzeug angefahren, die Anfangsgeschwindigkeit ist 50 km/h, das Fahrzeug wird auf der Messstrecke beschleunigt und am Ende der Messstrecke wird abrupt das Gaspedal oder der Griff zurückgedreht, das gibt im Geräuschverhalten noch einmal eine so genannte Schlagspitze, die also mit gemessen wird.“ Sprecher: Rechts und links dieser 20 Meter langen Messstrecke stehen zwei Mikrofone. Das Motorrad muss nun diese Zone dreimal durchfahren und darf dabei nicht lauter werden als 80 dBA, also in etwa so laut, wie eine Hauptverkehrsstraße oder ein Rasenmäher. Das Motorrad beschleunigt ausschließlich im zweiten oder dritten Gang, auch das ist Vorschrift. Es wird also nur ein kleiner Bereich des ganzen Spektrums gemessen. Das war es dann aber auch schon mit den Messungen. Wie viel Lärm der Motor in anderen Gängen und bei anderer Geschwindigkeit macht, scheint egal zu sein. O-Ton: „Oberhalb oder unterhalb dieses Messverfahrens können sicherlich andere Geräusche entstehen.“ Sprecher: Erklärt Ingenieur Sander. Dr. Gisela Splett von den Grünen findet das Messverfahren schlichtweg lächerlich. O-Ton: „Mich erreichen sehr viele Beschwerden über Motorradlärm. Wir haben aber nur wenige Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen und ein Problem sind eben auch die technischen Regelungen für Motorräder, die auf EU Ebene festgelegt werden. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2014 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
4 Und unsere Initiative zielt darauf ab, Einfluss zu nehmen auf die Typ- Genehmigung neuer Motorräder. Wir wollen ganz einfach, dass zu laute Motorräder keine Zulassung mehr bekommen.“ Sprecher: Gisela Splett ist Lärmschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg. Wie sie die röhrenden Maschinen von der Straße weg bekommt, weiß sie genau: die Zulassung soll geändert werden. Das will das Land nun bei der EU beantragen, denn die ist zuständig. O-Ton: „Zum einen, dass bei einer höheren Geschwindigkeit auch gemessen wird und wir wollen, dass ein niedriger Gang gewählt wird, also es sind ganz konkrete Änderung an diesem Messverfahren und wir haben aber noch einige andere Änderungen vorgeschlagen. Also es muss dann auch sichergestellt sein, dass die Motorräder, die auf dem Markt sind, auch wirklich der Typ- Genehmigung entsprechen.“ Sprecher: Neue Messungen, auch im kleineren Gang und bei höheren Geschwindigkeiten. Würde das etwas ändern? Hans-Ulrich Sander ist da sehr skeptisch. O-Ton: „Nein. Dieses Messverfahren kann natürlich entsprechend geändert werden, entsprechend ausgefeilt werden. Nur wird das sicherlich nicht die Fahrzeughersteller daran hindern, eben halt ihre Fahrzeuge auch auf das Messverfahren hin zu optimieren.“ Sprecher: Alle zugelassenen Motorräder erfüllen die Norm, das ist klar, sonst werden sie ja gar nicht zugelassen. Andererseits verkaufen sich Motorräder mit einem kernigen Sound einfach besser. Die Hersteller achten also darauf. Es gibt sogar Motorräder, bei denen öffnet sich ab einer bestimmten Geschwindigkeit eine Klappe im Auspuff. Dadurch werden sie wesentlich lauter. Das ist ganz legal. Denn so skurril es klingt, diese Geschwindigkeit und der Auspuff-Klappensound werden bei der Zulassung der © Westdeutscher Rundfunk Köln 2014 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
5 Maschine ja überhaupt nicht gemessen. Dieser Krach existiert für die Zulassungsbehörden also im Grunde nicht. Auf der Straße dagegen ist er sehr real – akustischer Horror für die einen – Klang-Paradies für die anderen. O-Ton: „Es gibt sicherlich auch eine kleine Gruppe in den Motorradfahrern, und ich zähle mich selbst seit mehr als 30 Jahren zu den Motorradfahrern, da gibt es sicherlich eine kleine Gruppe, für die Geräusch eben beim Fahren alles ist und die Industrie stellt sich auch darauf ein.“ Sprecher: Das Geräusch muss laut und brutal sein, findet Patrick, der stolz neben seiner Rennmaschine vor dem Café Hubraum steht. O-Ton: „Also für mich ist das das Wichtigste eigentlich. Würde ich sagen. Bei jeder Drehzahl. Immer hart am Gas würde ich sagen. Sound ist immer wichtig, am liebsten ohne db Messer, je lauter, je besser.“ Sprecher: Patricks Suzuki GSX-R 1000 blitzt und blinkt. Der silberne schräg nach oben laufende Auspuff fällt auf. O-Ton: „Nur eine offene Auspuffanlage, db eater raus, anderen Krümmer dran, leistungsoptimiert.“ Sprecher: Eine Auspuffanlage ohne db Eater oder auch db Killer genannt, ist wesentlich lauter, also verboten. Ein Krümmer ist ein Rohr am Motor, auch das darf man nicht einfach ändern. Aber diese Veränderungen bringen Power. Und Sound. Ein offener Auspuff. Ob der standardmäßig eingebaut war? © Westdeutscher Rundfunk Köln 2014 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
6 O-Ton: „Natürlich nicht, kein Problem, ich steh dazu.“ Sprecher: Solche Manipulationen machen Motorräder wesentlich lauter und sind illegal. Patrick riskiert mit diesen Bauteilen eine Strafe – wenn ihn die Polizei erwischen würde. Denn das ist gar nicht so einfach. Die Polizisten müssten sich schon gut mit Zusatzbauteilen und Tuning auskennen. Überprüfen, ob ein Motorrad zu laut ist, geht nur über das Standgeräusch, das im Fahrzeugschein eingetragen ist. Es gibt wenige Kontrollen. Viele Fahrer manipulieren daher ihre Bikes. Das Risiko erwischt zu werden, ist gering. Aber wenn, dann sind seit Dezember 2012 drei Punkte fällig und 135 Euro Strafe. Vorher war das billiger. Abschreckend sind die neuen Strafen aber offensichtlich nicht. Nur deswegen können Motorradfahrer wie Patrick mit ihren nicht zugelassenen Auspuffrohren herumfahren. Aber das ist nicht unbedingt ein technisches Problem, findet Martin. O-Ton: „Deshalb gibt es ja auch unterschiedliche Typen, die unterschiedliche Motorräder fahren. Warum fährt man eine Harley-Davidson? Einmal natürlich wegen des Lebensgefühls, natürlich auch wegen des Sounds und warum macht man einen Auspuff unter eine Harley ohne einen Schalldämpfer beziehungsweise ohne irgendwelche Dämpffaktoren? Doch nur um aufzufallen, ich bin da! Klar, so etwas kommt bestimmt zusammen.“ Sprecher: Das Problem ist also eher der Mensch und nicht die Maschine. Das zweite Hindernis auf dem Weg zu leiseren Maschinen sind die Hersteller, die ihre neuen Maschinen „optimieren“, so dass sie die TÜV Zulassung bekommen und trotzdem „geil“ dröhnen. Ob sich daran bald etwas ändern wird, ist zweifelhaft. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2014 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.
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