Beitrag: Zu spät und zu wenig - WHO versagt bei Ebola
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Manuskript Beitrag: Zu spät und zu wenig – WHO versagt bei Ebola Sendung vom 21. Oktober 2014 von Andreas Halbach Anmoderation: Weil aggressive Infektionskrankheiten nicht an Ländergrenzen haltmachen, braucht die Welt die WHO. Damit die internationale Gegenmaßnahmen koordiniert und aus einer regionalen Krise keine großflächige Katastrophe wird. Soweit die Theorie. In der Praxis hat die Weltgesundheitsbehörde als Wächter und Beschützer gerade furchtbar versagt. Ausgerechnet bei Ebola, einer so tödlichen Krankheit. Unser Autor Andreas Halbach sieht darin ständig wiederkehrende Symptome einer chronischen Misere. Denn die Organisation, die die Welt gesünder machen soll, ist selbst durch und durch krank. Gelähmt durch zu viel Bürokratie. Pathologisch intransparent. Und höchst anfällig für Korruption. Text: Ebola – das tödliche Virus in Westafrika ist schneller als die eintreffende Hilfe. Überall fehlt es am Nötigsten: Menschen in Todesangst. Er würde gerne helfen. Der Virologe Sudhir Bhatia hat einen DNA-Schnelltest für Ebola entwickelt. Sechs Euro kostet die Untersuchung. Das Virus wird in Blut oder Speichel in knapp vier Stunden erkannt. Damit könnten Infizierte in Westafrika viel schneller isoliert werden und so weniger Menschen anstecken. Doch der Biotech-Unternehmer aus Duisburg scheitert seit Monaten an der Weltgesundheitsorganisation. Denn die entscheidet, was an Therapie und Diagnostik in Krisengebieten zum Einsatz kommen darf. O-Ton Sudhir Bhatia, Virologe und Biotechnologie- Unternehmer: Als Mittelständler haben wir ein Problem mit der WHO. WHO ignoriert uns komplett. Ich war in USA im April, dieses Jahr, und habe versucht, mit WHO einen Termin über die UNO zu
bekommen. Aber leider war ich nicht erfolgreich. Und unsere Bundesregierung verlässt sich auf WHO. Und wenn die WHO uns ignoriert, können wir als deutsches Unternehmen keine Aufträge bekommen. Die Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO, hat ihren Hauptsitz in Genf. Hier bestimmen sie die weltweit gültigen Normen für die Medizin. Doch die Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit weltweit rund 7000 Mitarbeitern offenbart gerade bei Kriseninterventionen immer wieder eklatante Schwächen. Auch in der aktuellen Ebola-Krise steht die WHO seit Wochen international in der Kritik: die WHO – „zu spät, zu zögerlich, zu unentschlossen“. [Zitat: Ärztezeitung, 01.10.2014] O-Ton Thomas Gebauer, medico international: Die WHO hat viel zu spät reagiert. Das liegt aber auch daran, dass ihr die Mittel ausgerechnet in den Bereichen fehlen, die jetzt notwendig wären, um adäquat auf so eine Krise wie Ebola reagieren zu können. Sie ist unterfinanziert, sie braucht eine anständige, angemessene Finanzierung. Wie groß die WHO-Finanznot ist, zeigt sich im aktuellen Zwei- Jahres-Haushalt. Dort sind die Gelder für den Kriseneinsatz um mehr als 50 Prozent gekürzt worden. So ist die WHO mehr und mehr auf Stiftungen und große Sponsoren aus der Wirtschaft angewiesen. Thomas Gebauer sieht dadurch die Neutralität der WHO gefährdet. O-Ton Thomas Gebauer, medico international: Wir müssen die privaten Interessen zurückdrängen. Dafür ist es notwendig, die WHO zu demokratisieren, ihr eine andere Struktur zu geben. Und dieser Prozess der Reform ist längst überfällig. Die Fehlentwicklung der WHO kritisiert Wolfgang Wodarg, Gesundheitsexperte von Transparency International, schon seit Jahren. Der deutsche Mediziner und frühere Europapolitiker beklagt die viel zu niedrigen Pflichtbeiträge für die Mitgliedsstaaten. Dadurch sei die WHO von 2001 an in die Arme der Industrie getrieben worden. O-Ton Wolfgang Wodarg, Transperency International: In Davos auf dem Wirtschaftsgipfel wurde die Industrie eingeladen, eine Public-Privat-Health-Partnership mit der WHO zu machen. Das haben einige großen Unternehmen sich nicht nehmen lassen und sie nutzen jetzt die WHO, um ihre Marketingstrategien, ja, mit der WHO gemeinsam dann durchzusetzen. Diese Abhängigkeit von Sponsoren bestätigt der WHO-
Haushaltsplan: Knapp vier Milliarden US-Dollar stehen zur Verfügung, davon sind gut drei Milliarden freiwillige Beiträge. Das heißt, dreiviertel aller WHO-Mittel kommen von Spendern, die natürlich über die Verwendung des Geldes mitbestimmen. Auf den WHO-Sponsorenlisten stehen die weltgrößten Pharmakonzerne, darunter die Bayer AG, Merck und Novartis. Das britische Unternehmen GlaxoSmithKline hat allein in den vergangenen vier Jahren 41 Millionen Dollar Direktspenden geleistet. Das Pharmaunternehmen hatte der WHO 2010 ein glänzendes Geschäft zu verdanken. Damals grassierte die Schweinegrippe. Für viele Experten völlig überraschend rief die WHO die höchste Alarmstufe aus, eine „weltweite Pandemie“. Aus diesem Grund waren Bund und Länder nach diesem Originalvertrag gezwungen, bei GlaxoSmithKline Impfstoffe im Wert von weit mehr als 200 Millionen Euro einzukaufen. Doch die weltweite Pandemie blieb aus. Im Müllofen landeten schließlich die Medikamente von GlaxoSmithKline im dreistelligen Millionenwert. Der Fehlalarm der WHO soll der Pharmawelt insgesamt 18 Milliarden Dollar beschert haben. Die wichtigsten Entscheider, die bei der WHO damals für das Schweinegrippe-Programm zuständig waren, pflegten gute Kontakte zur Pharmaindustrie: - Klaus Stöhr, jahrelang an der Spitze der Grippe-Task-Force der WHO, wechselte später zum Pharmariesen Novartis. - Der Niederländer Albert Osterhaus, damals Impfstoff-Experte der WHO, ist bis heute Vorsitzender der ESWI, der europäischen Gesellschaft für Grippe-Experten, die von der Pharmaindustrie finanziert wird. - Und der Finne Juhani Eskola, damals ebenfalls WHO- Impfexperte, kassierte von der Industrie mehrere Millionen für sein Labor. Als der deutsche Abgeordnete Wodarg seinerzeit im Europarat Korruptionsvorwürfe gegen die WHO erhob, legte die Organisation ein Gutachten vor und bestritt die Vorwürfe: O-Ton Keiji Fukuda, Generaldirektion WHO, am 26.01.2010: Die Grippe-Pandemie-Regeln und Angebote der WHO wurden nicht missbräuchlich von der pharmazeutischen Industrie beeinflusst.
O-Ton Wolfgang Wodarg, Transperency International: Die WHO hat uns mehrfach an der Nase herumgeführt, hat uns mehrfach falsch beraten. Die WHO hat sehr viel Vertrauen verspielt. Sie hat versucht, durch diese Eigenbegutachtung, durch dieses Gutachten, was sie hat machen lassen, das wieder gut zu machen. Das ist aber nicht glaubhaft. Die Strukturen haben sich nicht verändert, die Finanzierung der WHO hat sich nicht verändert. Auch der Brite Paul Flynn, der 2010 die Untersuchung im Europarat geleitet hatte, wirft der WHO bis heute Interessenskollisionen vor. Gegenüber Frontal21 äußert er sich schriftlich, Zitat: „Meiner Meinung nach ist sie (die WHO) auch heute noch exzessiv beeinflusst von der Pharmaindustrie, die sehr geschickt bei der Manipulation von Gesundheitsausgaben vorgeht, zugunsten eigener finanzieller Interessen.“ Immer wenn die WHO im vergangenen Jahrzehnt Schreckensszenarien ankündigte – die SARS-Epidemie, den Rinderwahn, die Vogel- oder Schweinegrippe - profitierten die großen Arzneimittel-Produzenten. Die WHO also der Erfüllungsgehilfe der Pharma-Industrie? Diesen Eindruck hat Professor Wolfgang Göhde. Er hat an der Uni Münster ein Gerät zur Diagnostik von Aids-Erkrankungen entwickelt. Obwohl Göhde als Erfinder der Technik gilt und die von ihm beratene Firma einen Weltmarktanteil von 40 Prozent hat, wurde sie bis heute nicht von der WHO zertifiziert. Noch immer erscheint die Münsteraner Firma auf der WHO- Anbieterliste mit dem Zusatz: „Die Technik ist nicht in einer unabhängigen Studie überprüft.“ O-Ton Professor Wolfgang Göhde, Medizinische Fakultät, Universität Münster: Wir haben protestiert, weil es zu diesem Zeitpunkt schon weit über weit über 30 internationale Studien gab, über die Leistungsfähigkeit der Technik. Dieses zum Thema zu machen in Genf bei mehreren Vorstellungen gelang uns nicht. Die WHO war nicht bereit, diese falsche Unterstellung zurückzunehmen. Auch rechtlich konnte sich Professor Göhde mit Hilfe international tätiger Anwälte nicht durchsetzen, weil die WHO als extraterritoriale Organisation nicht zu belangen ist.
Die Zertifizierung durch die WHO ist aber oft entscheidend. Denn in vielen Entwicklungsländern wird nur das gekauft, was die WHO empfiehlt. Doch trotz aller Bemühungen von Professor Göhde geriet seine WHO-Zertifizierung zur Farce. O-Ton Professor Wolfgang Göhde, Medizinische Fakultät, Universität Münster: Wir wurden gehalten, diese Proben, also diese Technik an Kindern zu erproben. Das ist etwas, was man in den meisten Ländern überhaupt nicht durch die Ethikkommissionen durchbekommt. Das heißt, es ist nicht erlaubt. Die WHO hat uns zur Auflage gemacht, diese Vergleichsstudie auszuführen in Adis Abeba und in Thailand, in Bangkok, in den Referenzlaboren der Konkurrenzfirma. Aber die Auflage war, dass wir bei diesen Tests nicht anwesend sein durften. Mittlerweile hat Professor Göhde den Eindruck, dass die WHO Großkonzerne aus den USA bevorzugt. O-Ton Professor Wolfgang Göhde, Medizinische Fakultät, Universität Münster: Natürlich ist es so, dass wir Indizien haben, die dafür sprechen, dass die WHO auch die Politik dieser Großspender verfolgt. Denn auf der Empfehlungsliste der WHO steht ein Produkt der US-Firma Becton Dickinson. Dabei handelt es sich um ein Konkurrenzprodukt, das deutlich teurer ist, als die deutsche Technik. Für Experten ist klar, dass sich amerikanische Unternehmen stets darauf verlassen, dass ihre Regierung Druck auf die WHO ausübt. O-Ton Wolfgang Wodarg, Transperency International: So haben einige Staaten zum Beispiel, wenn ihre Industrie nicht gut behandelt wurde, wie die USA zum Beispiel, dann haben sie ‘ne Zeit lang einfach ihre Beiträge nicht gezahlt. Der Europarat hatte keine Handhabe gegen die WHO, denn sie muss sich allein gegenüber der UNO verantworten. O-Ton Wolfgang Wodarg, Transperency International: Wenn die Nationalstaaten die WHO nicht zu ihrer Sache machen, wenn sie nicht die Wirtschaft da rausschmeißen – die Wirtschaft darf gerne beraten, aber sie darf nicht mitentscheiden – dann ist die WHO nicht mehr glaubhaft. Die WHO ist einer der wichtigsten Hüter der Weltgesundheit. Doch offensichtlich hängt sie am Tropf privater Geldgeber. Trotz mehrfacher Anfragen von Frontal21 reagierte die Weltgesundheitsorganisation nicht. Kein Interview, keine Antworten.
Ob sich die WHO so wirklich um das Leid der Ärmsten der Armen kümmert, ist fraglich. Abmoderation: Seit drei Jahren doktert die WHO übrigens an einer Reform herum. Doch Besserung ist nicht in Sicht. Schlechte Aussichten für unsere Welt, in der immer neue Epidemien drohen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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