Bericht - Hamburgische Bürgerschaft
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BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 22/5920 22. Wahlperiode 04.10.21 Bericht des Innenausschusses zum Thema „Versammlungsgeschehen am 1. Mai 2021“ (Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft) Vorsitz: Ekkehard Wysocki Schriftführung: Dennis Gladiator I. Vorbemerkung Der Innenausschuss beschloss in seiner Sitzung am 6. Mai 2021 einstimmig, sich im Rahmen einer Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft mit dem Thema „Versammlungsgeschehen am 1. Mai 2021“ zu befassen. Die Beratung hierüber fand in der Sitzung am 12. August 2021 abschließend statt. II. Beratungsinhalt Die Senatsvertreterinnen und -vertreter bemerkten, insgesamt habe es sich wahr- scheinlich um einen der ruhigsten Verläufe gehandelt, die man bisher an einem 1. Mai in Hamburg erlebt habe. 34 angemeldete Versammlungen seien friedlich und stö- rungsfrei durchgeführt worden. Darüber hinaus seien mehrere Versammlungen aus dem linksextremistischen Spektrum im Vorfeld – insbesondere aufgrund der zu hohen Teilnahmezahl nach der seinerzeit gültigen Eindämmungsverordnung – nicht geneh- migungsfähig gewesen. Fünf Eilverfahren, um diese Versammlungen doch durchzu- setzen, seien zurückgewiesen worden. Am Folgetag habe es mehrere Versuche gegeben, Ersatzversammlungen anzumelden. Insgesamt hätten sich die Gespräche im Rahmen der Kooperationserörterung – zum Beispiel bezüglich der Reduzierung der Teilnahmezahlen – als schwierig erwiesen. Die Mobilisierung für diese Versamm- lungen sei bereits erfolgt und es sei relativ klar absehbar gewesen, wie viele Personen trotzdem erscheinen würden. Neben den normal durchgeführten Versammlungen sei es deshalb an einigen Orten zu Versuchen gekommen, nicht genehmigte Versamm- lungen durchzuführen. Hierfür habe es eine entsprechende polizeiliche Begleitung gegeben und es sei zu den Anhalte- und Festhaltesituationen, um die sich im Nach- hinein Diskussionen entwickelt hätten, gekommen. Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE berichtete, dass er sich am 1. Mai 2021 selbst ein Bild vor Ort gemacht habe. Durch die Verbote, auch wenn sie rechtmäßig gewesen seien, sei überhaupt erst eine chaotische Situation entstanden und eine Eskalationsstufe geschaffen worden, die dazu geführt habe, dass Menschen statt in geordneten Aufzügen einfach ziellos und in unterschiedlichen Gruppierungen auf den Straßen unterwegs gewesen seien. Dabei sei es immer wieder zu Kesseln gekommen – zum Beispiel in der St. Petersburger Straße –, in denen man die Abstände nicht habe einhalten können, was gerade nicht mit dem Infektionsschutz vereinbar gewesen
Drucksache 22/5920 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode sei. In diesem Zusammenhang interessierte ihn, inwieweit es Überlegungen gegeben habe, dass Demonstrationsverbote auch zu einem dynamischen Versammlungsge- schehen führen könnten, in dem der Infektionsschutz konterkariert werde, und somit genau das Gegenteil von dem erreicht werde, was eigentlich beabsichtigt gewesen sei. Des Weiteren seien zahlreiche Hinweise der Anmeldenden zu verzeichnen, dass sie sich immer wieder bemüht hätten, eine Verständigung zu finden, kooperationsbereit gewesen seien und wiederholt den Willen bekundet hätten, die Hygieneauflagen zu beachten und die Teilnahmezahl zu begrenzen. Trotzdem sei es zu den Versamm- lungsverboten gekommen, die in der Konsequenz zu chaotischen Szenen geführt hät- ten. Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. habe erklärt, dass sie Hamburg nicht mehr als eine liberale Hochburg ansehe und die Vorgehensweise in Form einer Verbotspolitik als eine reaktionäre Obrigkeitsmentalität betrachte. Selbst die an der Regierung beteiligten GRÜNEN hätten die Verhältnismäßigkeit bestimmter Maßnahmen infrage gestellt, insbesondere die lange Einkesselung von Sanitätern und Journalisten. Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE erkundigte sich, ob der Senat diese Kritik zum Anlass genommen habe, sein Vorgehen einmal kritisch zu reflektie- ren. Es werde deutlich, dass Lockerungen im Hinblick auf die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit aufgrund der Pandemie nur sehr langsam vorgenommen wür- den, und er frage sich, warum an dieser restriktiven Linie weiter festgehalten werde. In diesem Zusammenhang wollte er wissen, ob es überhaupt Erkenntnisse hinsichtlich eines größeren Infektionsgeschehens oder Superspreader-Events unter freiem Him- mel gebe, und wenn ja, wo dies der Fall gewesen sei. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter wiesen die Kritik im Wesentlichen zurück. Die Eindämmungsverordnung habe vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens und auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse den Rahmen gesetzt, dass bis zu einer Teilnahmezahl von 100 Personen die Versammlung ohne Genehmigung mit einer klassischen Anmeldung nach Versammlungsrecht unter freiem Himmel durchge- führt werden könne. Bei darüber hinausgehenden Zahlen seien Ausnahmegenehmi- gungen vorgesehen gewesen. Bis zu einer Anzahl von 200 sei eine solche im Grund- satz zu erteilen gewesen. Die Eindämmungsverordnung sei also schon in ihrem Wort- laut davon ausgegangen, dass in der Regel eine Genehmigungsfähigkeit vorliege und bei darüber ansteigenden Zahlen eine kritische Abwägung vorgenommen werden müsse. Im konkreten Fall seien Versammlungen in einer Größenordnung von 1.000 bis 2.000 Teilnehmenden angemeldet worden, zum Teil auch mit örtlich versetzten Zahlen, die dann aber in der Summe eine deutlich größere Zahl ergeben hätten. Dabei habe es keineswegs die Bereitschaft gegeben, die Anzahl auf 150 bis 250 zu reduzieren. Insofern sei an dieser Stelle gerade nicht der Wunsch nach Verständigung zu verzeichnen gewesen. Anders habe sich die Lage am Tag davor dargestellt, an dem vom „Roten Aufbau“ eine Versammlung an zwei versetzten Orten mit 150 bezie- hungsweise 200 Teilnehmenden angemeldet und auch genehmigt worden sei. Die Anzahl sei dann insgesamt größer ausgefallen, was man mit Augenmaß betrachtet und dann laufen lassen habe, weil es im Rahmen vertretbar gewesen sei und ein anderes Vorgehen unverhältnismäßig gewesen wäre. Am nächsten Tag sei die Kon- frontation durch die Anmeldenden allerdings geradezu gesucht worden. Man habe erzwingen wollen, dass die Veranstaltungen stattfinden könnten, indem man sich trotz Verbots versammelt habe. Insofern sei die vom Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE als chaotisch beschriebene Situation vielleicht an der einen oder anderen Stelle ein- mal kurzfristig entstanden, sei dabei aber natürlich nicht von der Polizei, sondern von denen ausgelöst worden, die die Versammlung, die verbotswidrig und entgegen den Regelungen der Eindämmungsverordnung gewesen sei, hätten erzwingen wollen. Diese Verantwortung werde man nun kaum der Polizei zuordnen können. Ob die in der Eindämmungsverordnung festgelegte Größenordnung von Versammlungen ange- messen sei oder nicht, und ob der Gesundheitsschutz diese erforderlich mache, sei keine Entscheidung, die die Innenbehörde treffe, sondern Folge eines umfangreichen Abwägungsprozesses der rechtlichen und gesamten Rahmenbedingungen, die immer wieder im Senat und ganz maßgeblich auch durch die zuständige Gesundheitsbehör- de eingeschätzt und bewertet würden. Es handle sich also um das Ergebnis politi- scher Beratungen des gesamten Senats. Man könne gar nicht sagen, welche Art von öffentlichen Zusammenkünften deutschland- oder weltweit welche gesundheitliche 2
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Drucksache 22/5920 Folgewirkung gehabt habe. Bekannt sei aber, dass das Zusammenkommen vieler Menschen in Fußballstadien während der Europameisterschaft – also auch unter frei- em Himmel – ganz offenkundig zu einem erheblichen Infektionsgeschehen geführt habe. Wenn man diesen Rahmen einmal anerkenne, bestünden in der Konsequenz natürlich auch die Erwartung und der Auftrag an die Sicherheitsbehörden, dafür zu sorgen, dass dieser eingehalten werde, was dann auch nicht zu kritisieren sei. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter räumten ein, die Dauer der Maßnahme in der St. Petersburger Straße sei nicht ideal gewesen. Diese müsse einer Prüfung unterzo- gen werden und darüber nachgedacht werden, ob eine Verkürzung möglich sei. Es habe zwar gute Gründe dafür gegeben, dass die Maßnahme über einige Stunden gegangen sei, der Anspruch müsse dennoch sein, solche Situationen schneller abzu- wickeln. Am selben Tag sei dies in St. Georg auch gelungen, wobei die Vorausset- zungen und die Zusammensetzung der Gruppe sich auch unterschieden hätten. Der immer wieder geäußerten Kritik des Festhaltens eines Journalisten sei man nachge- gangen. Nach ihren Erkenntnissen habe sich die Person gerade nicht als Journalist zu erkennen gegeben. Journalistinnen und Journalisten, Abgeordnete sowie Rechtsver- treterinnen und -vertreter seien in der Situation in der St. Petersburger Straße herein- und herausgegangen. Die betroffene Person habe aber erst Stunden später mitgeteilt, dass sie Journalist sei, sich mit Presseausweis ausgewiesen und habe dann die Situ- ation sofort verlassen können. Eine Situation, in der jemand seinen Presseausweis vorgezeigt habe und dann daraus nicht entlassen worden sei, habe es schlichtweg nicht gegeben. Bei den erwähnten Sanitätern habe es sich um sogenannte Demo- Sanitäter, und nicht um den Rettungsdienst der Feuerwehr oder Angehörige einer Hilfsorganisation gehandelt. Diese kämen aus den Reihen der an der Versammlung Beteiligten, hätten sich der Aufgabe der medizinischen Hilfeleistung zugewendet und sich dafür entsprechend ausgerüstet. Sie würden aber eben keinen Status vergleich- bar mit Abgeordneten oder Vertreterinnen und Vertretern der Presse genießen, son- dern seien Teil der Versammlung. Dabei sei es weder zu Ingewahrsamnahmen, Platzverweisen oder stundenlangem Festhalten gekommen. In St. Georg sei aber ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden, was auch der Rechtslage an die- ser Stelle entspreche. Auch der Kritik, dass das polizeiliche Vorgehen nicht mit dem Infektionsschutz wäh- rend der Pandemie vereinbar gewesen sei, traten sie deutlich entgegen. Bei den Gruppen, um die es hier gehe und die polizeiliche Maßnahmen ausgelöst hätten, habe man ein Bemühen, Abstände zu halten, gerade nicht erkennen können. Vielmehr sei- en die Mindestabstände fortlaufend unterschritten worden, was nicht durch das poli- zeiliche Handeln bedingt gewesen sei. Die Polizei habe in dem Rahmen, in dem dies möglich gewesen sei, Raum gelassen, Abstände zu halten. In der St. Petersburger Straße sei dies nicht immer möglich gewesen. Die Polizeikräfte hätten sich um die Beteiligten herum zum Teil etwas enger zusammengeschlossen, was aber auch mit einer Bewurfsituation aus der Grünanlage Planten un Blomen heraus zusammenge- hangen habe, die eine etwas andere Sortierung im Einsatzraum ausgelöst habe. Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE bemerkte, in der Stunde, in der er vor Ort gewesen sei, habe er nicht feststellen können, dass aus der Grünanlage heraus Poli- zeieinsatzkräfte beworfen worden seien. Falls es tatsächlich dazu gekommen sein sollte, hätte man auch punktuell einen Kessel bilden können. Abgesehen davon, dass die Maßnahme stundenlang angedauert habe, sei ihm aufgefallen, dass es sich bei den eingekesselten Personen um Jugendliche gehandelt habe. Diese seien nicht mehr in der Lage gewesen, Abstände einzuhalten, was unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes äußerst bedenklich sei. Er könne den Ablauf dieses Einsatzes überhaupt nicht nachvollziehen; eine Gefahrensituation sei jedenfalls nicht erkennbar gewesen. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter empfanden diese Aussage als scheinheilig, wenn man bedenke, dass es hier um Gruppen gehe, die es im Grunde genommen massiv darauf angelegt hätten, gegen sämtliche Bestimmungen der Eindämmungs- verordnung zu verstoßen. Überall dort, wo es ihnen gelungen sei, sich zu formieren, habe sich niemand an Abstände gehalten. Dabei sei es zu Ansammlungen von meh- reren Hundert Personen gekommen. Auslösendes Moment für das Handeln der Poli- zei in der St. Petersburger Straße sei der Versuch dieser Personen gewesen, sich zu 3
Drucksache 22/5920 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode einer Aufzugsformation zusammenzuschließen, in der man die Normalkleidung gegen dunkle, einheitliche Kleidung ausgewechselt habe. Die Polizei habe hierin eine erheb- liche Gefahr bevorstehender Straftaten gesehen, weil eine solche Wechselkleidung eine typische Vorbereitungshandlung darstelle, um aus der Versammlungssituation heraus Straftaten zu begehen. Insofern sei an dieser Stelle entsprechendes Handeln geboten gewesen. Aus dem Gesamtverlauf der Versammlung habe man jedenfalls nicht den Eindruck gewinnen können, dass Infektionsschutz eine hohe Priorität bei den Beteiligten genieße. Beim Festsetzen der Störergruppe in der St. Petersburger Straße habe es sich nicht um ein zufälliges Agieren der Polizei gehandelt. Zu Beginn habe es am Schlump eine Situation gegeben, bei der deutlich geworden sei, dass mehrere Hundert Personen sich in dem Bereich gesammelt hätten, denen nicht an einer Kooperation mit der Poli- zei gelegen gewesen sei, um ein Demonstrationsgeschehen zu gewährleisten, das den Bestimmungen der Eindämmungsverordnung entspreche. Vielmehr sei sehr deut- lich gemacht worden, dass man vorhabe, sein Recht auf der Straße durchsetzen zu wollen. Dabei habe sich eine Personengruppe mit 70 bis 80 Beteiligten aus diesem schon äußerst aggressiven Pulk am Schlump gelöst, und sehr konspirativ verhalten. Eine Person habe die Gruppe mittels Funkgerät koordiniert. Es sei dann zu dem erwähnten Wechsel der Kleidung und einer Verhüllung der Gesichter gekommen. Dabei habe es den permanenten Versuch gegeben, der polizeilichen Überprüfung zu entgehen und sich als geschlossener Pulk die Straße zu nehmen. Der Führungsstab habe mit dem Staatsschutz in Kontakt gestanden, und es sei schnell deutlich gewor- den, dass es sich hier nicht um eine zufällige Personengruppierung handle, sondern die Anwesenden sehr bewusst die Verbotssituation haben umgehen wollen. Darum sei es um 14.16 Uhr zu einem Festsetzen dieser Gruppe durch Kräfte der Bundespoli- zei und der Bereitschaftspolizei gekommen. Aufgrund der Gruppengröße habe dies eine gewisse Zeit in Anspruch genommen. Über Social Media habe es permanente Aufrufe gegeben, in die Einsatzbereiche hineinzuströmen, um deutlich zu machen, dass man mit der Polizei nicht kooperieren und die Eindämmungsverordnung an die- sem Tage aushebeln wolle. Im Bereich des Schulterblatts habe sich im Schanzenvier- tel eine parallele Einsatzlage entwickelt. Mehrere Hundert Personen seien dort unter offensichtlichem Unterschreiten der Mindestabstände zusammengekommen. Deswe- gen habe man vor Ort die Kräfte umgruppiert, indem man diejenigen, die ursprünglich für die Abarbeitung vorgesehen gewesen seien, herausgezogen und im Bereich des Schanzenviertels zum Einsatz gebracht habe. In die St. Petersburger Straße sei eine Hundertschaft herangeführt worden. Auch diese Umgruppierung habe Zeit in Anspruch genommen. Um 15.42 Uhr sei es zu Flaschenwürfen gekommen, die nicht nur die Einsatzkräfte, sondern auch die sich in Ingewahrsamnahme befindlichen Per- sonen gefährdet hätten, sodass man zur Abwehr diese Gruppe enger umschlossen habe. Es habe im weiteren Verlauf ein rechtsstaatlich klares Verfahren gegeben, wie mit den Ingewahrsamnahmen umzugehen sei. Bei Durchsuchungen müsse eine ent- sprechende Zuordnung der gefundenen Gegenstände, wie etwa Messer, zu den durchsuchten Personen erfolgen, was wiederum Zeit erfordere. In der Folge habe man HOCHBAHN-Busse hinzugezogen, um die Ingewahrsamnahmen so schnell wie möglich vor Ort abtransportieren zu können. Aus polizeilicher Sicht sei es zielführend gewesen, diese Personengruppe festzusetzen, weil deutliche Erkenntnisse vorgele- gen hätten, dass es sich hier um die Rädelsführer gehandelt habe. Ob man diese Personen dann vor Ort belasse oder letztlich zur Gefangenensammelstelle bringe, sei auch eine polizeitaktische Frage. Wie schon erwähnt, hätte man sich an dieser Stelle einen zügigeren Ablauf gewünscht. Diese Prozesse wollten sie künftig optimieren. In der Gesamtsituation habe die Polizei diese Ingewahrsamnahmen jedoch sehr zielge- richtet durchgeführt und in der Folge auch abgearbeitet. Zur Altersstruktur der 48 Personen führten die Senatsvertreterinnen und -vertreter aus, es habe sich um 31 Erwachsene (davon 21 männlich und zehn weiblich), 14 Heranwachsende, also im Alter zwischen 18 und 21 Jahren (davon sechs männlich und acht weiblich), und um drei Jugendliche im Alter von 15, 16 und 17 Jahren gehan- delt. 4
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Drucksache 22/5920 Die CDU-Abgeordneten gingen auf die Äußerungen des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE ein, wonach es erst durch die Urteile, die zu einem Verbot einzelner Ver- sammlungen geführt hätten, zu einer Eskalation gekommen sei, und wunderten sich über ein solches Rechtsstaatsverständnis und über den Umgang mit Gerichtsurteilen, die einem nicht genehm seien. Während der Pandemie hätten bereits zahlreiche Demonstrationen in Hamburg stattgefunden, die friedlich verlaufen seien und bei denen man sich an die Regeln gehalten habe, auch wenn der eine oder andere mit diesen sicherlich nicht immer einverstanden gewesen sei. Die entsprechende Kritik daran sei dann aber auf eine rechtsstaatliche Art und Weise ausgedrückt worden. Wenn man sich vor Augen führe, wer zum Beispiel an der Versammlung des „Roten Aufbaus“ teilgenommen habe, dann erkenne man schnell, dass es diesen Personen nicht darum gehe, friedlich ihre Kritik auf die Straße zu bringen, sondern hier die Maß- nahmen des Gesundheitsschutzes zum Anlass genommen würden, um wieder einmal Gewalt auszuüben. Es sei äußerst erstaunlich, vor welche Gruppierungen sich die Fraktion DIE LINKE immer wieder schützend stelle. Die CDU-Abgeordneten wollten darüber hinaus wissen, welche Verstöße, Ordnungs- widrigkeiten und Straftaten festgestellt worden seien und welche Maßnahmen darauf- hin ergriffen worden seien. Außerdem baten sie um einen Sachstand hinsichtlich der aktuellen Verfahren in diesem Zusammenhang. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter berichteten, es seien insgesamt 37 Ermitt- lungsverfahren eingeleitet worden. Dabei handle es sich um versammlungsrechtliche Tatbestände, Widerstand, Besitz von pyrotechnischen Gegenständen, tätliche Angrif- fe, Körperverletzungen, Beleidigungen, Landfriedensbruch und mehrfach gefährliche Körperverletzung. Die Täter hätten zum Teil ermittelt werden können, sodass die Aussicht auf eine erfolgreiche Strafverfolgung bestehe. Im Bereich St. Petersburger Straße sei es zu den erwähnten 48 Ingewahrsamnahmen, im Bereich Schlump zu vier Ingewahrsamnahmen und im Bereich Schulterblatt zu einer Ingewahrsamnahme und zu sechs vorläufigen Festnahmen gekommen. Aus den vorläufigen Festnahmen habe sich jedoch keine Zuführung oder Untersuchungshaft an diesem Tag ergeben, sondern die Betroffenen seien nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen entlas- sen worden. Die Ermittlungen dauerten aufgrund umfänglicher Bild- und Videoauswer- tungen an. Auf Nachfrage der CDU-Abgeordneten sagten die Senatsvertreterinnen und -vertreter die entsprechenden Zahlen zu Protokoll zu. Protokollerklärung der Behörde für Inneres und Sport vom 1. September 2021: siehe Anlage Die Abgeordneten der GRÜNEN erkundigten sich, wie sich aus polizeilicher Sicht die Grundausgangssituation dargestellt habe, wie viele Demonstrationen es mit wie vielen Teilnehmenden gegeben habe und wie man auf die Anzahl der eingesetzten Kräfte gekommen sei. Für sie sei interessant zu erfahren, mit welchen Ereignissen man gerechnet habe, auch mit Blick auf die Frage, welches technische Gerät vorhanden gewesen sei, um mit dieser Situation umzugehen. Außerdem wollten sie wissen, ob es im Vorfeld Erkenntnisse über anreisende Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Demonstrationen gegeben habe. Hinsichtlich der Festsetzungen an der St. Petersburger Straße fragten sie, woran man den Organisationsgrad der Teilnehmenden festgemacht habe. Die Senatsvertreterin- nen und -vertreter hätten bereits auf die Wechselkleidung hingewiesen. Für sie sei von Interesse, ob es darüber hinaus weitere Erkenntnisse gegeben habe, welche Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von dieser Gruppe womöglich geplant gewesen sein könnten. In diesem Zusammenhang erkundigten sie sich, ob sie es richtig ver- standen hätten, dass die Erkenntnisse von zivilen Aufklärern vor Ort stammten. Schließlich wollten sie wissen, was sich im Nachhinein mit Blick auf diese Gruppie- rungen bestätigt habe und welchen Effekt aus polizeilicher Sicht die Festsetzungen gehabt hätten. Der Senat habe geäußert, dass es sich dabei um die Rädelsführer gehandelt habe, und auch in diesem Zusammenhang baten sie um weiter gehende Ausführungen, auf wessen Erkenntnissen dies beruhe, und ob diese sich im Verlauf auch bestätigt hätten. 5
Drucksache 22/5920 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Die Senatsvertreterinnen und -vertreter führten aus, die Lage, auf die sich die Polizei eingestellt habe, sei durch ein insgesamt hohes Versammlungsgeschehen geprägt gewesen. 34 Versammlungen in diesem Kontext seien nicht gerade wenig. Und obwohl diese angemeldet, konform zur Eindämmungsverordnung und in der Regel mit maximal 200 Teilnehmenden abgelaufen seien, hätten auch einige davon bis zu einem gewissen Grad mitbegleitet werden müssen. Man sei sich der Problemsachver- halte hinsichtlich der nicht genehmigten Versammlungen bewusst gewesen. Obwohl keine Verständigung erzielt worden oder gewollt gewesen sei, habe die Mobilisierung weiterhin die ganze Zeit stattgefunden, sodass offensichtlich gewesen sei, dass man versuchen würde, sich trotzdem zu versammeln. Eine gewisse konfrontative Situation sei also absehbar gewesen und darauf habe sich die Polizei mit entsprechend eige- nen, aber auch auswärtigen Kräften aufgestellt. Die Gruppe, die sich im Bereich Schlump durch die Grünanlage in Richtung St. Petersburger Straße bewegt habe, habe ein typisches Verhalten gezeigt, das aus ähnlichen Kontexten bekannt sei, bei denen problematische Auseinandersetzungen und Rechtsverstöße zu befürchten sei- en. Es habe ein hoher Organisationsgrad untereinander bestanden, die Gruppen sei- en ein Stück weit dirigierbar gewesen, es sei gesteuert worden, dass man sich verteile und wieder zusammenkomme. Eine Person habe über Funk offenbar den gemeinsa- men Bekleidungswechsel, das gezielte Ausweichen gegenüber der Polizei, das kon- spirative Vorgehen und die Bildung einer Formation in dieser schwarzen Außener- scheinung auf der Straße gelenkt. Die Erkenntnisse ziehe man nicht aus Gesprächen, die man auch gar nicht mitbekomme, sondern aufgrund des Verhaltens der Teilneh- menden. Insofern gebe es auch keine auf einzelne Straftatbestände spezifizierten Vorbereitungshandlungen. Man habe zwei Messer gefunden. Der Gesamtkontext sei darauf ausgelegt gewesen, in den Konflikt zu gehen, ganz klar eine Formation zu bil- den und sich so aufzustellen, dass man nicht identifiziert werden könne. Dies ergebe immer nur dann einen Sinn, wenn man Taten vorhabe, für die man im Nachhinein nicht zur Rechenschaft gezogen werden wolle. Am Vortag zu den Demonstrationen zum 1. Mai habe sich die Lage ganz anders dar- gestellt, weil die Anmeldenden bereit gewesen seien, mit der Polizei zu kooperieren. Dies hätte man sich natürlich für die Versammlungen am Folgetag auch gewünscht, die Situation habe sich dann aber leider anders entwickelt. Es habe diese drei Anmel- desituationen gegeben, für die die Versammlungsbehörde in Abstimmung mit der Gesundheitsbehörde die entsprechenden Genehmigungen nicht habe erteilen kön- nen, weil es zum einen an Kooperationsbereitschaft gemangelt habe und zum ande- ren kein Hygienekonzept vorgelegen habe. Es sei bereits an dieser Stelle offenkundig geworden, dass man deutlich mehr als die gemeldeten Teilnehmenden auf der Straße haben werde, es zu einer deutlichen Vermischung einzelner Versammlungen kommen werde und damit die pandemische Gefahr beträchtlich erhöht werde. Mit dieser Lage habe man sich in der polizeilichen Konzeption auseinandersetzen müssen und man sei davon ausgegangen, dass es bei den drei nicht genehmigten Demonstrationsver- läufen zu Ersatzveranstaltungen kommen werde, in deren Zuge man sich des öffentli- chen Raums bemächtigen werde. Die Polizei Hamburg habe in diesem Zusammen- hang im Vorfeld mit jeweils 1.500 bis 2.000 Teilnehmenden gerechnet, und mit einer Zahl an Einsatzkräften reagiert, die als angemessen für eine solche Situation an einem 1. Mai erachtet worden sei. Zu der Versammlung im Bereich Schlump konkretisierten die Senatsvertreterinnen und -vertreter, bereits in der frühen Phase sei sehr schnell deutlich geworden, dass die Teilnehmenden äußerst konspirativ und mit einem gewissen Organisationsgrad agierten und sich dort die Straße genommen hätten, was bedeute, dass dunkel geklei- dete Menschen mit Transparenten einfach auf diese vielbefahrene Straße gelaufen seien. Da seitens der Polizei nicht vorhersehbar gewesen sei, an welcher Stelle die Menschen auf die Straße gehen würden, habe man vorab keine entsprechenden Sperrungen vornehmen können. Man habe in diesem Zusammenhang erhebliche Mühe gehabt, dort breitere Gefahrensituationen im Straßenverkehr zu minimieren. Aus polizeilicher Sicht sei es erst einmal ein sehr großer Erfolg, dass man bei der Fortbewegung dieser Gruppe vom Schlump bis zur St. Petersburger Straße einen sehr klaren Blick auf sie habe behalten können und über zivile Kräfte auch tatsächlich uniformierte Kräfte an sie hätten herangeführt werden können. Sobald man im polizei- lichen Gefahrenabwehrrecht tätig sei, erstelle man eine Gefahrenprognose. Diese 6
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Drucksache 22/5920 habe auf dem bereits erwähnten Organisationsgrad, der Gesichtsvermummung und der Wechselkleidung gefußt. Dabei handle es sich um klassische Verhaltensmuster, wie man sie etwa im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg erlebt habe, wo es in ähn- lichen Situationen auch darum gegangen sei, die eigene Identität nach erfolgter Tat- begehung zu verschleiern. In diesem Fall habe es sich nicht um eine Gefahrenprog- nose gehandelt, bei der die Polizei die Möglichkeit gehabt hätte, über Platzverweise oder Ähnliches zu agieren, denn parallel habe sich die weitere Situation im Bereich des Schulterblattes im Schanzenviertel entwickelt, bei der sich mehrere Hundert Per- sonen versammelt hätten. Aus Sicht der Polizei sei die Situation in der St. Petersbur- ger Straße, aber auch die Überprüfungssituation mit den anschließenden polizeilichen Maßnahmen im Bereich der Rostocker Straße nicht nur erfolgskritisch, sondern auch sehr zielführend für den weiteren positiven Einsatzverlauf gewesen. Mit der Ingewahr- samnahme habe sich danach keine Personengruppe mehr auf die beschriebene Art und Weise organisiert. Deswegen sei es ihrer Auffassung nach auf diese Maßnahme zurückzuführen, dass die Rädelsführer offenbar nicht mehr die Chance gehabt hätten, die Gruppen zu dirigieren und Verstöße gegen die Eindämmungsverordnung und das Strafgesetzbuch durchzuführen. Die Einsatzsituation habe sich also mit dem auf Grundlage der Gefahrenprognose getroffenen Vorgehen positiv gestaltet. Im Vorfeld habe man keine bundesweite Mobilisierung von Versammlungsteilnehmen- den feststellen können. Da im Rahmen des Feiertags zum 1. Mai in vielen verschie- denen Städten Deutschlands Versammlungen stattfänden, habe man davon ausge- hen können, dass Hamburg nicht zum bundesweiten Hotspot in diesem Zusammen- hang zähle. Sehr wohl habe man aber eine Anzahl von mehreren Tausend Versamm- lungsteilnehmenden prognostiziert, die sich aus dem Umland heraus rekrutieren wür- den. Darüber hinaus habe man von der Lageeinschätzung her jedenfalls auch mit der Bildung Schwarzer Blöcke rechnen müssen, die den Mindestabstand unterschreiten würden. Die in der St. Petersburger Straße festgesetzte Personengruppe habe sich neben der schon angesprochenen Altersstruktur auch hinsichtlich der Herkunft sehr heterogen zusammengesetzt. Es habe sich bei Weitem nicht nur um Hamburger gehandelt, son- dern die Personen stammten darüber hinaus aus Schleswig-Holstein, Bremen, Baden- Württemberg und in einem Fall aus Dänemark. Bei elf Personen hätten polizeilich bekannte Vorerkenntnisse aus dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität vor- gelegen. Dabei sei unter anderem ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz festge- stellt worden. Die SPD-Abgeordneten meinten, es entspreche guter Tradition, dass der Innen- ausschuss sich regelhaft mit dem jeweiligen Versammlungsgeschehen am 1. Mai beschäftige. Hierzu habe es in diversen vergangenen Jahren durchaus auch durch massives gewalttätiges Geschehen rund um die Demonstrationen Anlass gegeben. In diesem Jahr müsse man vor allem ein paar Narrative ausräumen, die der Abgeordne- te der Fraktion DIE LINKE zu verbreiten versuche. Es hätten 34 zugelassene Demonstrationen stattgefunden. Die Behauptung, man habe sein Demonstrations- recht nicht wahrnehmen können, sei also falsch, es habe aufgrund der Pandemie lediglich ein anderer Rahmen durch die Eindämmungsverordnung gesetzt werden müssen. Bei der Bewertung des Einsatzgeschehens im Nachhinein sei die Dauer des Einsatzes in der St. Petersburger Straße auch für den Senat ein Thema. Es sei aber auch nachvollziehbar erläutert worden, wie und durch welche Personengruppen es zu dieser Situation gekommen sei. Dabei empfanden sie es beinahe als leichtfertig, hin- sichtlich des diesjährigen Versammlungsgeschehens von einem „friedlichen“ Ablauf zu sprechen, wenn man sich vor Augen führe, welche Vorwürfe bezüglich Straftaten, Landfriedensbruch und so weiter im Raum stünden. Darüber hinaus dürfe man nicht vergessen, dass sich solch eine Großeinsatzlage im Corona-Kontext auch für die Ein- satzkräfte alles andere als leicht darstelle, denn auch sie hätten Sorgen und Befürch- tungen hinsichtlich einer möglichen Ansteckungsgefahr. Sie kritisierten die Aussage des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE, die Verantwortung der entstandenen cha- otischen Situation sei dem Verbot der Veranstaltungen zuzuschreiben. Nicht die Poli- zei, sondern die Gerichte hätten entschieden, welche Demonstrationen nicht stattfin- den könnten. Der Rechtsstaat habe an dieser Stelle also gut funktioniert. Dass der Innenausschuss sich heute in einer solch ausführlichen Beratung mit dem Versamm- 7
Drucksache 22/5920 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode lungsgeschehen am 1. Mai 2021 befasse, zeige, dass jegliche Form der politischen Aufarbeitung ernst genommen werde. Sie betonten aber noch einmal, dass es in diesem Zusammenhang wichtig sei, mit dem Narrativ aufzuräumen, man habe nicht demonstrieren können. Der AfD-Abgeordnete bedankte sich bei der Polizei für das aus seiner Sicht sehr kon- sequente und gleichzeitig umsichtige Vorgehen mit Augenmaß am 1. Mai 2021 und erkundigte sich im Zusammenhang mit dem Uniformverbot aus § 3 Versammlungsge- setz, ob auf Grundlage dessen der Bekleidungswechsel der Demonstrierenden bereits einen ausreichenden Anlass darstelle, um versammlungsrechtliche Konsequenzen einzuleiten. Er wies außerdem die Aussagen des Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE zurück. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter riefen in Erinnerung, dass es sich von Anfang an nicht um eine nach Versammlungsrecht genehmigte Versammlung gehandelt habe und man deshalb nicht auf Normen wie § 3 Versammlungsgesetz zurückgegriffen habe, sondern es sei von Anfang an darum gegangen, eine verbotene Versammlung auch nicht stattfinden zu lassen. Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE merkte an, dass der Ausschuss als Legisla- tive die Aufgabe habe, die Exekutive zu kontrollieren. Daher sei es wichtig, einzelne Einsätze kritisch zu beleuchten. Er merkte außerdem an, dass es unerheblich sei, ob die Demonstrierenden auf den Infektionsschutz Wert gelegt hätten oder nicht. Die Ein- satzkräfte der Polizei hätten aber sicherstellen müssen, dass den Demonstrierenden die Einhaltung der Maßnahmen aus der Eindämmungsverordnung ermöglicht würden. Berichten zufolge hätten Demonstrierende, die in der St. Petersburger Straße festge- halten worden seien, ihre Notdurft in einen Gullydeckel verrichten müssen, da es ihnen nicht gestattet worden sei, eine Toilette aufzusuchen. Er fragte deshalb, ob es die Möglichkeit einer Toilettenbenutzung, und wenn ja welcher Toiletten, gegeben habe. In Bezug auf die Demonstrations-Sanitäter stellte er fest, dass diese wie Demonstrationsteilnehmer angesehen und entsprechend behandelt würden. Aller- dings seien diese Einsatzkräfte nur zu einem einzigen Zweck vor Ort, nämlich der Erstversorgung verletzter Versammlungsteilnehmer. Daher fragte er, ob man Demonstrations-Sanitärer nicht anders behandeln könne als Demonstrationsteilneh- mer. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter teilten mit, dass es frühzeitig das Angebot an die festgehaltenen Personen gegeben habe, ihre Notdurft mit polizeilicher Begleitung in den Grünanlagen zu verrichten. Von diesem Angebot hätte nur ein Teil der Festge- haltenen Gebrauch gemacht. Andere Festgehaltene hätten ihre Notdurft innerhalb der Gruppe verrichtet. Als die Situation schon einige Zeit angedauert habe, sei eine Absprache mit einem nahe gelegenen Hotel erfolgt, wo man die Toilettenbenutzung gestattet habe. Von diesem Angebot sei dann auch Gebrauch gemacht worden. Die Demo-Sanitäter seien anders als die Demonstrierenden behandelt worden. So habe man ihnen beispielsweise keine Platzverweise erteilt. Darüber hinaus gebe es aber keinen Ausnahmetatbestand bei Verstößen gegen die Eindämmungsverordnung. Die Abgeordneten der GRÜNEN griffen den Vorwurf eines Journalisten auf, an der St. Petersburger Straße trotz seiner Funktion als Journalist festgehalten worden zu sein, und baten um eine Darlegung des Sachverhalts und um Auskunft, ob der genannte Journalist einen Presseausweis mitgeführt habe. Bezüglich der Räumung des Schulterblatts auf Höhe der Roten Flora erkundigten sie sich, welche Personen sich dort versammelt hätten, ob man hier einen Zusammenhang mit Aktivisten der Roten Flora hergestellt habe und wie dort in das Geschehen eingegriffen worden sei. Sie fragten in diesem Zusammenhang auch nach dem zeitlichen Verlauf. Bezüglich des festgehaltenen Journalisten erläuterten die Senatsvertreterinnen und -vertreter, dass alle Journalistinnen und Journalisten wüssten und darüber informiert würden, dass für sie als Ansprechpartnerin immer die Pressestelle der Polizei zur Verfügung stehe – auch in Bezug auf Konfliktsituationen mit den Einsatzkräften. Im konkreten Sachverhalt sei zu keinem Zeitpunkt eine Kontaktaufnahme zur Pressestel- le der Polizei erfolgt. Pressevertreterinnen und -vertreter könnten sich außerdem durch Legitimierung einer Festsetzung entziehen. Davon hätten mehrere Journalisten 8
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Drucksache 22/5920 auch Gebrauch gemacht. Es sei nicht plausibel, dass besagter Journalist trotz einer Legitimierung mit einem gültigen Presseausweis weiterhin festgehalten worden sein solle. Auf Nachfrage beim Einsatzführer habe man die klare Aussage erhalten, dass der Presseausweis erst nach mehreren Stunden vorgezeigt worden sei, woraufhin die Einsatzkräfte den Journalisten auch nicht mehr länger festgehalten hätten. Es werde vermutet, dass der Ausweis bewusst erst zu einem späteren Zeitpunkt gezeigt worden sei, um zunächst in der Festhaltesituation zu verbleiben und diese im Zuge einer Berichterstattung beobachten zu können. Zur Situation am Schulterblatt auf Höhe der Roten Flora führten die Senatsvertreterin- nen und -vertreter aus, dass um 14.11 Uhr auf dem Dach der Alten Flora 20 ver- mummte Personen gesichtet worden seien, die skandiert und Transparente gezeigt haben sollen. Um 14.53 Uhr hätten sich diese Personen dann vom Dach entfernt. Gegen 15.53 Uhr hätten sich im Bereich der Alten Flora 300 bis 400 Personen ver- sammelt; in diesem Zusammenhang hätten sechs Personen auf dem Dach der Alten Flora Pyrotechnik gezündet. Im Zeitraum um 16.30 Uhr hätten die Einsatzkräfte deut- liche Missachtungen der Mindestabstände festgestellt und deshalb erste Durchsagen bezüglich des Wasserwerfers getätigt, in denen dazu aufgerufen worden sei, im Sinne des Gesundheitsschutzes und zur Verhinderung einer Erhöhung der pandemischen Gefahr die Mindestabstände einzuhalten und sich zu dislozieren. Um 16.38 Uhr habe es deutlichere Durchsagen der Polizei gegeben, da die Abstände nach wie vor nicht eingehalten worden seien. Um 16.42 Uhr hätten die Kräfte vor Ort eine deutlich aggressive Stimmung gemeldet und festgestellt, dass Mund-Nasen-Bedeckungen durch Vermummung ersetzt worden seien. Außerdem sei ein blockartiges Versam- meln von circa 150 Personen in Richtung Zugang Florapark beobachtet worden. Ins- gesamt seien zehn Durchsagen durchgeführt worden, auf die nicht reagiert worden sei. Dadurch habe sich die Einsatzleitung dazu entschieden, den Wasserwerfer einzu- setzen, um die pandemischen Gefahren zu kontrollieren und sowohl die Einsatzkräfte als auch die Demonstrierenden zu schützen. Über die Wasserabgabe über zwei Was- serwerfer sei Bewegung in die Gruppe geraten, durch die die nötigen Abstände wie- derhergestellt worden seien. Die Wasserwerfer seien räumartig bis 17.15 Uhr das Schulterblatt entlanggefahren und hätten dadurch die Einhaltung der Mindestabstände wieder gewährleistet. Daraufhin hätten sich circa 400 Personen in den Nebenstraßen verteilt. Es habe ruhiges Voranschreiten der uniformierten Kräfte in den Raum hinein gegeben. Auch die Wasserabgaben seien nicht so intensiv gewesen, dass Personen hätten verletzt werden können. Durch die ergriffenen Maßnahmen habe es trotz Aufru- fen über Social Media keinen Zulauf mehr ins Viertel gegeben. Abschließend fassten die Senatsvertreterinnen und -vertreter zusammen, dass es im Vorfeld des Polizeieinsatzes neben den Verstößen gegen die Eindämmungsverord- nung einen deutlichen Zulauf und eine aggressive Grundstimmung gegeben habe, wodurch sich im weiteren Verlauf eine für die Einsatzkräfte schwer kontrollierbare Gefahrensituation ergeben hätte, deren Eskalation durch den Einsatz verhindert wor- den sei. III. Ausschussempfehlung Der Innenausschuss empfiehlt der Bürgerschaft, von seinen Beratungen Kenntnis zu nehmen. Dennis G la di a to r , Berichterstattung 9
Drucksache 22/5920 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Anlage Protokollerklärung der Behörde für Inneres und Sport für die Sitzung des Innenausschusses vom 12.08.2021 zu TOP 1 Versammlungsgeschehen am 1. Mai 2021 (Selbstbefassung gem. § 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft) Daten zu Ordnungswidrigkeiten und Straftaten sowie Fest- und Gewahrsam- nahmen bei den Versammlungen/Maßnahmen der Polizei zum 1. Mai 2021 Daten zu Ordnungswidrigkeiten und Straftaten: Der Polizei sind, mit Stand 16. August 2021, im Zusammenhang mit dem Versamm- lungsgeschehen und den Maßnahmen zum 1. Mai insgesamt 37 Straftaten bekannt. Lfd. Polizeiliches Tatbestand Kurzsachverhalt Stand der Nr. Aktenzeichen Ermittlungen 1. Durchführung einer Unbekanntsache § 26 VersammlG nicht angemeldete (U-Sache) 256726/2021 (Nicht angemeldete Versammlung durch in Arbeit Versammlung) unbekannten Ver- sammlungsleiter 2. Beschuldigte / Bekanntsache Beschuldigter (BS) will (B-Sache) § 114 StGB 256813/2021 Polizeibeamtin / Poli- in Arbeit (Tätlicher Angriff) zeibeamten (PB) eine Ohrfeige verpassen 3. U-Sache § 27 VersammlG (Pyro Pyro bei nicht ange- 261833/2021 an StA HH bei Versammlung) meldeter Versammlung abverfügt 4. § 26 VersammlG Durchführung einer U-Sache 256849/2021 (Nicht angemeldete nicht angemeldeten in Arbeit Versammlung) Versammlung 5. U-Sache § 223 Körperverletzung an 256885/2021 an StA HH (Körperverletzung) Passanten abverfügt 6. B-Sache § 113 StGB Widerstand bei 256890/2021 an StA HH (Widerstand) Identitätsfeststellung abverfügt 7. § 26 VersammlG Durchführung einer B-Sache 256899/2021 (Nicht angemeldete nicht angemeldete an StA HH Versammlung) Versammlung abverfügt 10
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Drucksache 22/5920 Lfd. Polizeiliches Tatbestand Kurzsachverhalt Stand der Nr. Aktenzeichen Ermittlungen 8. § 40 SprengG (Besitz Besitz von insgesamt 17 B-Sache 257373/2021 von pyrotechnischen verbotenen pyrotechni- in Arbeit Gegenständen) schen Gegenständen 9. § 26 VersammlG Durchführung einer nicht B-Sache 257494/2021 (Nicht angemeldete angemeldete Versamm- in Arbeit Versammlung) lung 10. §§ 125, 114, 224, 22, B-Sache 23 StGB (Versuchter in Arbeit 257122/2021 Landfriedensbruch Flaschenwurf auf PB und Gefährliche Körperverletzung) 11. §§ 125, 114, 224, 22, B-Sache 23 StGB Versuchter in Arbeit 257098/2021 Landfriedensbruch Flaschenwurf auf PB und Gefährliche Körperverletzung) 12. § 303 StGB U-Sache 257414/2021 Graffiti (Sachbeschädigung) in Arbeit 13. § 224 StGB (Gefährli- U-Sache 256952/2021 Flaschenwurf auf PB che Körperverletzung) in Arbeit 14. § 26 VersammlG Durchführung einer nicht U-Sache 257078/2021 (Nicht angemeldete angemeldete Versamm- in Arbeit Versammlung) lung 15. § 26 VersammlG Durchführung einer nicht B-Sache 257050/2021 (Nicht angemeldete angemeldete Versamm- in Arbeit Versammlung) lung 16. § 224 StGB (Gefährli- B-Sache 257392/2021 Flaschenwurf auf PB che Körperverletzung) in Arbeit 17. § 113 StGB Widerstand bei B-Sache 255797/2021 (Widerstand) Festnahme in Arbeit 18. § 113 StGB Widerstand bei B-Sache 255896/2021 (Widerstand) Festnahme in Arbeit 19. §§ 114, 120 StGB B-Sache Angriff auf festnehmen- 255930/2021 (Tätlicher Angriff und in Arbeit den PB Gefangenenbefreiung) 20. § 223 StGB Wechselseitige KV B-Sache 255932/2021 (Körperverletzung) zwischen Passanten in Arbeit 21. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 255960/2021 Nachteil PB in Arbeit (Beleidigung) Zeigen des Mittelfingers 22. § 223 StGB Wechselseitige KV zwi- B-Sache 255970/2021 (Körperverletzung) schen Passanten in Arbeit 23. § 185 StGB Beleidigung z. N. PB B-Sache 255972/2021 (Beleidigung) “Bullenschwein” in Arbeit 24. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 255980/2021 Nachteil PB in Arbeit (Beleidigung) Anspucken 25. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 256009/2021 Nachteil PB in Arbeit (Beleidigung) “Bastard” 26. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB Nachteil PB in Arbeit 256023/2021 (Beleidigung) “Bullenschwein” und zeigt den Mittelfinger 27. § 125 StGB, § 224 B-Sache StGB (Landfriedens- in Arbeit 256045/2021 Flaschenwurf auf PB bruch und Gefährliche Körperverletzung) 11
Drucksache 22/5920 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 22. Wahlperiode Lfd. Polizeiliches Tatbestand Kurzsachverhalt Stand der Nr. Aktenzeichen Ermittlungen 28. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 257133/2021 Nachteil PB an StA HH (Beleidigung) “Scheiß Bullen” abverfügt 29. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 257167/2021 Nachteil PB an StA HH (Beleidigung) "Du bist peinlich" abverfügt 30. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 257189/2021 Nachteil PB an StA HH (Beleidigung) “Scheiß Bullen” abverfügt 31. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 257198/2021 Nachteil PB an StA HH (Beleidigung) Arschloch" abverfügt 32. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 257285/2021 Nachteil PB an StA HH (Beleidigung) “Scheiß Bullen” abverfügt 33. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 257474/2021 Nachteil PB an StA HH (Beleidigung) “Wichser” abverfügt 34. Beleidigung zum B-Sache Nachteil PB an StA HH § 185 StGB 257524/2021 "Wichser”, “Fettsack”, abverfügt (Beleidigung) “Hurensohn”, “Ich ficke Dich" 35. Beleidigung zum B-Sache § 185 StGB 257538/2021 Nachteil PB in Arbeit (Beleidigung) "Pisser" 36. §§ 114, 224 StGB B-Sache (Tätlicher Angriff und Angriff mit Fahnenstan- an StA HH 257241/2021 Gefährliche Körperver- ge aus Metall auf PB abverfügt letzung) 37. § 224 StGB (Gefährli- U-Sache 309945/2021 Flaschenwurf auf PB che Körperverletzung) in Arbeit Im Zusammenhang mit den Einsatzgeschehen in der Rostocker Straße hat die Polizei 216 Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen Verstoß gegen die Verordnung zur Ein- dämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hanse- stadt Hamburg (HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) gefertigt. Darüber hinaus führt die Polizei keine Gesamtstatistik bezüglich eingeleiteter Ord- nungswidrigkeitenverfahren. Daten zu Fest- und Gewahrsamnahmen: Im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Maßnahmen zum 1. Mai 2021 sind insgesamt sechs Festnahmen sowie 55 Gewahrsamnahmen erfolgt. 12
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