Bericht zur Finanzstabilität 2021 - Swiss National Bank (SNB)
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Bericht zur Finanzstabilität 2021
Bericht zur Finanzstabilität 2021
Inhalt Vorwort 4 1 Executive Summary 5 2 Makroökonomisches Umfeld 8 2.1 Überblick 8 2.2 Bankkredite an Schweizer Unternehmen im Kontext der Coronavirus-Pandemie 12 2.3 Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt 13 2.4 Klimarisiken 16 2.5 Szenarien für Wirtschaft und Finanzmärkte 17 3 Struktur des Schweizer Bankensektors 18 4 Global aktive Banken 21 4.1 Widerstandskraft 21 4.2 Risiken 24 4.3 Markteinschätzung 28 4.4 Sanierung und Abwicklung (Resolution) 29 5 Inlandorientierte Banken 31 5.1 Widerstandskraft 31 5.2 Risiken 34 5.3 Sanierung und Abwicklung (Resolution) 38 Abkürzungen 39 Bericht zur Finanzstabilität 2021 3
Vorwort Die Schweizerische Nationalbank (SNB) präsentiert in diesem Bericht ihre Einschätzung der Stabilität des Schweizer Bankensektors. Gemäss dem Nationalbankgesetz hat die SNB den Auftrag, zur Stabilität des Finanz systems beizutragen (Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG). Ein stabiles Finanzsystem zeichnet sich dadurch aus, dass seine Komponenten ihre Funktion erfüllen und sich im Fall eines schweren Schocks als widerstandsfähig erweisen. Der Fokus dieses Berichts liegt auf den Schweizer Banken, da die Erfahrung aus vergangenen Finanzkrisen zeigt, dass die Finanzstabilität in erster Linie von der Stabilität des Bankensektors abhängt. Die SNB verfolgt die Entwicklungen im Bankensektor aus dem Blick- winkel des Gesamtsystems und mit einem Fokus auf die systemrelevanten Banken, da letztere potenziell Auswirkungen auf das System als Ganzes haben können. Die SNB übt keine Bankenaufsicht aus und ist nicht zuständig für die Durchsetzung der bankengesetzlichen Vorschriften. Diese Kompe tenzen liegen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA). Der vorliegende Bericht ist in fünf Kapitel gegliedert. Auf das Executive Summary (Kapitel 1) folgt Kapitel 2, das die wichtigsten inländischen und globalen Risiken für den Schweizer Bankensektor aufzeigt, wobei der Schwerpunkt auf der Kreditqualität, den Immobilien- und Aktienmärkten, den Zinssätzen und den Entwicklungen im internationalen Bankensektor liegt. In diesem Kapitel werden auch die gegenwärtigen Entwicklungen auf dem Schweizer Markt für Unternehmenskredite im Kontext von COVID-19 dargestellt. Der Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt sowie die Klimarisiken werden in separaten Unterkapiteln erörtert. Kapitel 3 bietet einen Überblick über den Schweizer Bankensektor. In den Kapiteln 4 und 5 werden die global aktiven Banken (Credit Suisse und UBS) bzw. die inland orientierten Banken unter die Lupe genommen. Aufgrund ihrer unterschied lichen Grösse und Geschäftsmodelle werden diese zwei Bankkategorien separat betrachtet. Die drei inlandorientierten systemrelevanten Banken (DF-SIBs) PostFinance, Raiffeisen Gruppe und Zürcher Kantonalbank (ZKB) werden zusammen mit den übrigen inlandorientierten Banken analysiert. Die in diesem Bericht verwendeten bankenstatistischen Daten basieren auf den von den einzelnen Banken offiziell eingereichten und/oder offenge legten Angaben. Bankspezifische Daten zu den global aktiven Banken und den DF-SIBs werden auf konsolidierter Stufe betrachtet. Das vorliegende Dokument beruht auf den am 31. Mai 2021 verfügbaren Daten. 4 Bericht zur Finanzstabilität 2021
1 immobilienpreisen war stärker, als es Fundamentalfaktoren wie Einkommen und Mieten erklären können. Auf dem Executive Summary inländischen Markt für Geschäftsliegenschaften sind die Preise aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs unter Druck geraten. In diesem Segment des Immobilienmarkts ist die mit den mittelfristigen Auswirkungen der Pandemie verbundene Unsicherheit besonders gross. Der Verlauf der Pandemie wird weiterhin einen wesentli- Makroökonomisches Umfeld chen Einfluss auf die Entwicklung des makroökonomi- Das wirtschaftliche Umfeld und die Bedingungen auf schen Umfelds haben. Das Basisszenario der SNB geht den Finanzmärkten haben sich seit dem letzten Bericht zur davon aus, dass auf globaler Ebene die Impfprogramme Finanzstabilität im Juni 2020 verbessert, obwohl die Wirkung zeigen, die Pandemie in den grossen Volks Coronavirus-Pandemie die Wirtschaft weiterhin belastet. wirtschaften unter Kontrolle bleibt und die Eindämmungs- massnahmen im Verlauf von 2021 schrittweise gelockert Die erste Pandemiewelle im Frühjahr 2020 und die zu werden. In der Folge wächst die Weltwirtschaft kräftig. ihrer Eindämmung getroffenen Massnahmen führten Allerdings erholen sich die Schwellenländer – mit Aus- zu einem massiven Einbruch der globalen Wirtschaftsakti- nahme von China – generell weniger schnell, da die Impf- vität und zu aussergewöhnlichen Stützungsmassnahmen kampagnen dort langsamer voranschreiten und nach wie durch Regierungen und Zentralbanken. Im zweiten Halb- vor gewisse Eindämmungsmassnahmen nötig sind. Die jahr 2020 setzte eine starke Erholung der Weltwirtschaft globalen Produktionskapazitäten sind weiterhin nicht aus- ein. Abgebremst wurde diese durch neue Infektionswellen, gelastet und die Arbeitslosigkeit bleibt erhöht. Die globale die erneute Eindämmungsmassnahmen erforderlich Geldpolitik ist anhaltend expansiv. In der Schweiz legt machten. Die meisten dieser Massnahmen konnten im Ver- das BIP in der nahen Zukunft kräftig zu und die Arbeits lauf des Frühjahrs 2021 im Zuge der fortschreitenden losigkeit geht zurück. Die Produktionskapazitäten bleiben Impfkampagnen gelockert werden. aber noch eine Zeit lang unausgelastet. Vor allem dank der wirtschaftspolitischen Stützungsmass- Das globale makroökonomische Umfeld birgt einige Risi- nahmen waren die Auswirkungen der Pandemie in der ken für die Finanzstabilität. Erstens ist die Unsicherheit Schweiz weniger gravierend als noch vor zwölf Monaten über die wirtschaftlichen Aussichten nach wie vor hoch, so erwartet. Die Wirtschaft und das Bankensystem haben dass das Risiko einer schlechter als erwarteten Entwick- sich bisher als widerstandsfähig erwiesen. Insbesondere lung weiterhin erhöht bleibt. Insbesondere könnten Corona- haben die solide Eigenkapitalausstattung der Schweizer virus-Mutationen zusätzliche oder länger andauernde Ein- Banken und die wirtschaftspolitischen Stützungsmass dämmungsmassnahmen erforderlich machen. Dies könnte nahmen sichergestellt, dass die Unternehmen stets Zugang die Erholung weiter verzögern oder sogar zu einer erneu- zu Finanzierung mittels Bankkrediten haben. ten Rezession führen, was die Kreditportfolios der Banken beeinträchtigen würde. Zweitens gibt es in einigen Län- Sowohl weltweit als auch in der Schweiz erweisen sich die dern in einem Umfeld umfangreicher fiskal- und geldpoliti negativen Auswirkungen der Pandemie jedoch inzwischen scher Unterstützung Anzeichen von überzogenen Bewer- als beträchtlich und das makroökonomische Umfeld bleibt tungen auf den Aktien-, Kredit- und Immobilienmärkten. schwierig. Das BIP ist in den meisten Ländern nach wie Eine Verschiebung der Marktwahrnehmung betreffend die vor tiefer als vor der Pandemie und die Arbeitslosigkeit wirtschaftlichen Aussichten oder die Stärke der wirt- generell höher. Die Zinsen befinden sich in diesem Umfeld schaftspolitischen Stützungsmassnahmen könnte grosse trotz jüngster Anstiege auf einem historisch tiefen Niveau. Preiskorrekturen auslösen. Drittens befindet sich die Daten zu den Ratings der Unternehmen deuten auf eine Staats- und Unternehmensverschuldung weltweit auf weitere Verschlechterung der globalen Qualität der Unter- einem historisch hohen Niveau, was die genannten Markt- nehmenskredite hin. Gleichzeitig sind die Aktien- und segmente zunehmend anfällig macht für künftige Ein die Wohnliegenschaftspreise deutlich gestiegen und die kommens- oder Zinsschocks. Spreads auf Unternehmensanleihen liegen wieder auf einem ähnlich tiefen Stand wie vor der Pandemie. Auf dem Um die Risiken für den Schweizer Bankensektor zu erfas- inländischen Hypothekar- und Wohnliegenschaftsmarkt sen, betrachtet die SNB vier Stressszenarien. Das erste nahm das Kreditvolumen moderat zu, während die Preise Szenario betrifft den Fall einer lang anhaltenden Rezession stark angestiegen sind. Da sich die wirtschaftlichen Aus- in der Eurozone sowie einer längeren Phase mit sehr tiefen sichten für die Schweiz seit dem letztjährigen Bericht zur Zinssätzen in der Eurozone und der Schweiz. Im zweiten Finanzstabilität verbessert haben, ist die Wahrschein befinden sich die USA in einer schweren Rezession, die lichkeit einer pandemiebedingten Korrektur auf dem Hypo- sich global ausweitet. Das dritte Szenario geht von einer thekar- und Wohnliegenschaftsmarkt gesunken. Gleich grossen Krise in den aufstrebenden Volkswirtschaften aus, zeitig haben sich jedoch die Verwundbarkeiten dieses vergleichbar mit den Krisen in der zweiten Hälfte der Markts gegenüber künftigen Schocks weiter erhöht, denn 1990er-Jahre. Das vierte Szenario analysiert die Auswir- der Anstieg beim Hypothekarvolumen und bei den Wohn kungen eines globalen Zinsschocks. Bericht zur Finanzstabilität 2021 5
Die ersten drei Stressszenarien liefern einen Richtwert Aktienpreise und kehrten auf ihr Vorpandemieniveau zu- für die möglichen Auswirkungen einer schlimmer als er- rück. Nach den grossen Verlusten auf ihrer Archegos-Posi- warteten Entwicklung der Coronavirus-Pandemie und tion im ersten Quartal 2021 sind die CDS-Prämien der einer breiten Preiskorrektur auf den Finanzmärkten. Soll- Credit Suisse jedoch wieder gestiegen und ihre Bewertung ten die Eindämmungsmassnahmen nicht wie erwartet auf den Aktienmärkten ist erneut gesunken. g elockert werden können oder sogar wieder verschärft werden müssen, könnte dies in den Regionen, die vom Die zwei global aktiven Schweizer Banken sind gut aufge- Wiederaufflammen der Pandemie besonders betroffen stellt, um die Herausforderungen des aktuellen Umfelds sind, eine erneute Rezession auslösen. Dies könnte auch zu meistern und die Realwirtschaft zu unterstützen. Gleich- zu neuerlichen Turbulenzen auf den Finanzmärkten führen zeitig bleibt aber das Verlustpotenzial der Credit Suisse und sich negativ auf die Immobilienpreise auswirken. und der UBS gemäss den Stressszenarien substanziell, ins- besondere in den Szenarien einer US-Rezession oder einer Global aktive Banken lang anhaltenden Rezession in der Eurozone. Zudem hat Die beiden global aktiven Schweizer Banken erweisen die Coronavirus-Pandemie erneut in Erinnerung gerufen, sich im aktuell herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld dass das Bankgeschäft immer wieder von massiven als widerstandsfähig. Ihre Profitabilität lag im Jahr 2020 Schocks und einem starken Anstieg der Unsicherheit ge- über dem historischen Durchschnitt. Weltweite Stützungs- troffen werden kann. Und schliesslich zeigten die Ereignisse massnahmen und die rasche Erholung auf den Finanz- im Zusammenhang mit Archegos, dass grosse Verluste märkten haben sich positiv auf die Finanzergebnisse der auch unabhängig von einem makroökonomischen oder zwei Schweizer Banken und ihrer Peers ausgewirkt. systemweiten Schock auf den Finanzmärkten auftreten Ü berdies trägt die diversifizierte Ertragsstruktur der Credit können. Dies verdeutlicht, dass die TBTF-Anforderungen S uisse und der UBS zur Stärkung ihrer Widerstandskraft notwendig sind, um eine angemessene Widerstandskraft im gegenwärtigen Umfeld bei. Die Rückstellungen für dieser beiden Banken zu gewährleisten. Kreditrisiken sind im Zuge der Pandemie zwar deutlich angestiegen, sie bleiben jedoch im Vergleich zu anderen Inlandorientierte Banken global aktiven Banken tief. Dies ist vor allem darauf zu- Auch die inlandorientierten Banken haben sich 2020 rückzuführen, dass das Kreditgeschäft für die Credit gegenüber der konjunkturellen Verschlechterung als S uisse und die UBS eine geringere Bedeutung hat und ihr widerstandsfähig erwiesen. Im Vergleich zu 2019 hat sich Kreditportfolio eine andere Zusammensetzung aufweist. ihre Profitabilität sogar leicht erhöht. Im ersten Quartal 2021 erlitten beide Banken – aber insbe- sondere die Credit Suisse – grosse Verluste aufgrund Diese positive Entwicklung gründet auf zwei Faktoren: ihres Exposures gegenüber dem US-Hedgefonds Archegos Erstens haben die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie Capital Management («Archegos»).1 Ansonsten starke im Jahr 2020 nur einen beschränkten Anstieg der Rück- E rgebnisse im Investment Banking sowie in der Vermö- stellungen für Kreditverluste bewirkt. Bis anhin haben die gensverwaltung halfen, diese Verluste zu absorbieren. Als wirtschaftspolitischen Stützungsmassnahmen und die Reaktion auf diesen Verlustfall hat die FINMA ein Ver Widerstandskraft der Schweizer Wirtschaft geholfen, eine fahren gegen die Credit Suisse eröffnet und verschiedene Realisierung des Kreditrisikos zu verhindern. Zweitens risikoreduzierende Massnahmen angeordnet. hat sich die Verengung der Zinsmargen bei den inlandorien- tierten Banken trotz des erneuten Rückgangs der Hypo Seit dem letztjährigen Bericht zur Finanzstabilität haben thekarzinsen im Vergleich zu 2019 deutlich verlangsamt. beide global aktiven Schweizer Banken ihre Kapital situation in Einklang mit ihrer widerstandsfähigen Profi Wie in den vergangenen Jahren haben die inlandorientier- tabilität während der Pandemie verbessert. Ihre regula ten Banken einen signifikanten Teil ihres Gewinns ein torischen Kapitalquoten sind insgesamt wieder auf dem behalten und ihre Eigenkapitalbasis weiter ausgebaut. So- gleichen Niveau wie vor der Pandemie und erfüllen die wohl ihre Leverage Ratios als auch ihre risikogewichteten Kapitalanforderungen der Schweizer «Too big to fail Kapitalquoten sind auf historisch hohem Niveau stabil (TBTF)»-Regulierung in der Look-through-Perspektive geblieben. Ihre über das regulatorische Minimum hinaus- vollumfänglich. gehenden Kapitalpuffer sind entsprechend substanziell. Die Markteinschätzung zur UBS und Credit Suisse hat Im gegenwärtigen Umfeld ist die Verlusttragfähigkeit der sich nach der markanten Korrektur im ersten Quartal 2020 Banken besonders wichtig. Erstens zeigt die Erfahrung, ebenfalls verbessert. Im Laufe der Pandemie erholten sich dass die Rückstellungen und Abschreibungen der Banken die Credit-Default-Swap-Prämien (CDS-Prämien) und die tendenziell erst mit Verzögerung auf eine Verschlechte- rung der Wirtschaftslage reagieren. Und zweitens gibt das Exposure der inlandorientierten Banken gegenüber Ver- 1 Während die FINMA und die Credit Suisse Archegos als einen Hedgefonds wundbarkeiten auf dem Schweizer Hypothekar- und Im- bezeichnen, wird dieser vom Federal Reserve Board und weiteren als Family mobilienmarkt weiterhin Anlass zur Sorge. Das Hypothe- Office bezeichnet. Diese terminologische Differenzierung verdeutlicht die Tat sache, dass Archegos, obwohl ökonomisch betrachtet wie ein Hedgefonds karkreditvolumen dieser Banken ist weiter angestiegen. operierend, von der Registrierungspflicht bei der US Securities and Exchange Commission ausgenommen war und somit keiner Offenlegungspflicht bezüg- In Bezug auf die Kreditqualität hat die Stärkung der Selbst- lich Grösse und Leverage unterstellt war. regulierung der Banken zu einer signifikanten Abnahme 6 Bericht zur Finanzstabilität 2021
des Anteils der Neuhypotheken mit hohem Belehnungs- grad (Loan-to-Value, LTV) im Segment der Renditelie- genschaften geführt. Die Tragbarkeitsrisiken sind jedoch leicht angestiegen und haben 2020 eine neue Höchstmarke erreicht, wie das Verhältnis von Kredit zu Einkommen (Loan-to-Income, LTI) zeigt. Die Szenarienanalyse der SNB deutet darauf hin, dass die meisten inlandorientierten Banken über ausreichende Kapitalpuffer verfügen, um das beträchtliche Verlustpo- tenzial in den Szenarien einer lang anhaltenden Rezession in der Eurozone, einer Rezession in den USA oder eines Zinsschocks zu decken. Dennoch könnten einzelne Banken beim Eintritt eines solchen Szenarios in die Nähe des regulatorischen Minimums oder sogar darunter fallen. Die SNB wird die Entwicklungen auf dem Hypothekar- und Immobilienmarkt weiterhin aufmerksam verfolgen. In diesem Zusammenhang wird sie regelmässig prüfen, ob der antizyklische Kapitalpuffer wieder aktiviert werden muss. Bericht zur Finanzstabilität 2021 7
2 tig haben sich jedoch die Verwundbarkeiten dieses Markts gegenüber künftigen Schocks weiter erhöht, denn der Makroökonomisches Anstieg beim Hypothekarkreditvolumen und bei den Wohn immobilienpreisen war stärker, als es Fundamentalfaktoren Umfeld wie Einkommen und Mieten erklären können. Auf dem inländischen Markt für Geschäftsliegenschaften sind die Preise aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs unter Druck geraten. In diesem Segment des Immobilienmarkts ist die mit den mittelfristigen Auswirkungen der Pandemie verbundene Unsicherheit besonders gross. 2.1 Überblick Das globale makroökonomische Umfeld birgt einige isiken für die Finanzstabilität. Erstens ist die Unsicherheit R Das wirtschaftliche Umfeld und die Bedingungen auf über die wirtschaftlichen Aussichten nach wie vor hoch, den Finanzmärkten haben sich seit dem letzten Bericht zur so dass das Risiko einer schlechter als erwarteten Entwick- F inanzstabilität im Juni 2020 verbessert, obwohl die lung weiterhin erhöht bleibt. Insbesondere könnten Corona C oronavirus-Pandemie die Wirtschaft weiterhin belastet. virus-Mutationen zusätzliche oder länger andauernde Ein- dämmungsmassnahmen erforderlich machen. Dies könnte Die erste Pandemiewelle im Frühjahr 2020 und die zu die Erholung weiter verzögern oder sogar zu einer erneu- ihrer Eindämmung getroffenen Massnahmen führten ten Rezession führen, was die Kreditportfolios der Banken zu einem massiven Einbruch der globalen Wirtschaftsakti- beeinträchtigen würde. Zweitens gibt es in einigen Län- vität und zu aussergewöhnlichen Stützungsmassnahmen dern in einem Umfeld umfangreicher fiskal- und geldpoli- durch Regierungen und Zentralbanken. Im zweiten Halb- tischer Unterstützung Anzeichen von überzogenen Bewer- jahr 2020 setzte eine starke Erholung der Weltwirtschaft tungen auf den Aktien-, Kredit- und Immobilienmärkten. ein. Abgebremst wurde sie durch neue Infektionswellen, Eine Verschiebung in der Marktwahrnehmung betreffend die erneute Eindämmungsmassnahmen erforderlich die wirtschaftlichen Aussichten oder die Stärke der wirt- m achten. Die meisten dieser Massnahmen konnten im Ver- schaftspolitischen Stützungsmassnahmen könnte grosse lauf des Frühjahrs 2021 im Zuge der fortschreitenden Preiskorrekturen auslösen. Drittens befindet sich die Impfkampagnen gelockert werden. Staats- und Unternehmensverschuldung weltweit auf einem historisch hohen Niveau, was die genannten Markt- Vor allem dank der wirtschaftspolitischen Stützungs segmente zunehmend anfällig macht für künftige Ein massnahmen waren die Auswirkungen der Pandemie in kommens- oder Zinsschocks. der Schweiz weniger gravierend als noch vor zwölf Monaten erwartet. Die Wirtschaft und das Bankensystem haben Verlangsamung der globalen wirtschaftlichen Erholung, sich bisher als widerstandsfähig erwiesen. Insbesondere weiterhin tiefe Zinssätze: Nach der Erholung im dritten haben die solide Eigenkapitalausstattung der Schweizer Quartal 2020 hat sich das globale BIP-Wachstum seit dem Banken und die wirtschaftspolitischen Stützungsmass vierten Quartal 2020 merklich verlangsamt, da viele Länder nahmen sichergestellt, dass die Unternehmen stets Zugang als Reaktion auf die steigenden Infektionszahlen ihre zu Finanzierung mittels Bankkrediten haben. Eindämmungsmassnahmen erneut verschärften. Das BIP in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist generell Sowohl weltweit als auch in der Schweiz erweisen sich die tiefer als vor der Pandemie (siehe Grafik 1) und die Arbeits- negativen Auswirkungen der Pandemie jedoch inzwischen als beträchtlich und das makroökonomische Umfeld bleibt schwierig. Das BIP ist in den meisten Ländern nach wie � �� ��� ������ ��� vor tiefer als vor der Pandemie und die Arbeitslosigkeit Indexiert auf Q4 2019 =100 Grafik 1 generell höher. Die Zinsen befinden sich in diesem Umfeld FSR 2020 trotz jüngster Anstiege auf einem historisch tiefen Niveau. 110 Daten zu den Ratings der Unternehmen deuten auf eine 105 weitere Verschlechterung der globalen Qualität der Unter- 100 nehmenskredite hin. Gleichzeitig sind die Aktien- und 95 die Wohnliegenschaftspreise deutlich gestiegen und die 90 Spreads auf Unternehmensanleihen liegen wieder auf 85 einem ähnlich tiefen Stand wie vor der Pandemie. Auf dem 80 inländischen Hypothekar- und Wohnliegenschaftsmarkt nahm das Kreditvolumen moderat zu, während die Preise 75 stark angestiegen sind. Da sich die wirtschaftlichen Aus- Q1 19 Q2 Q3 Q4 Q1 20 Q2 Q3 Q4 Q1 21 sichten für die Schweiz seit dem letztjährigen Bericht zur Schweiz Eurozone USA Finanzstabilität verbessert haben, ist die Wahrscheinlich- China Grossbritannien keit einer pandemiebedingten Korrektur auf dem Hypo- Quellen: Refinitiv Datastream, Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), thekar- und Wohnliegenschaftsmarkt gesunken. Gleichzei- Berechnungen SNB 8 Bericht zur Finanzstabilität 2021
losigkeit erhöht. Was die aufstrebenden Volkswirtschaften Im Berichtszeitraum gingen die Kreditrisikoprämien für betrifft, so ist die Erholung in China rasch vorangeschrit- Staats- und Unternehmensanleihen zurück. Bei den ten, während sie in anderen grossen Volkswirtschaften wie Staatsanleihen liegen die Risikoprämien für die südlichen Brasilien oder Russland langsamer verläuft. Mitgliedsländer der Eurozone wieder auf dem gleichen Stand wie vor der Pandemie, während sie sich in manchen Vor diesem Hintergrund sind die Zinsen auf einem histo- grossen aufstrebenden Volkswirtschaften wie Brasilien risch tiefen Niveau, trotz der jüngsten Erhöhungen der oder Russland weiterhin auf einem höheren Niveau als vor langfristigen Zinsen insbesondere in den USA und Gross- der Pandemie befinden (siehe Grafik 3). Im Unternehmens britannien (siehe Grafik 2). Die Volatilität bei den Zins segment wurde die im März 2020 auf allen grossen Märk- sätzen blieb insgesamt moderat. ten beobachtete sprunghafte Erhöhung der Risikoprämien wieder vollständig abgebaut (siehe Grafik 4). Finanzmärkte optimistisch in Bezug auf die globale Kreditqualität, trotz signifikanter Anfälligkeiten: Finanz Verschiedene Indikatoren deuten jedoch auf eine Ver- marktindikatoren wie Kreditrisikoprämien zeichnen be- schlechterung der Kreditqualität hin. Selbst unter Berück- züglich der erwarteten Entwicklung der globalen Kredit sichtigung der temporären Natur des BIP-Rückgangs hat qualität ein optimistisches Bild. Jedoch stellen die hohe die globale Verschuldung relativ zum BIP sowohl im staat- globale Verschuldung und die grosse Unsicherheit hin- lichen Sektor als auch bei den Unternehmen stark zuge- sichtlich der makroökonomischen Aussichten zusammen nommen und historische Höchstmarken erreicht (siehe ein signifikantes Risiko dar. Grafik 5). Der steile Anstieg des Schuldenniveaus ist teil- weise auf die wirtschaftspolitischen Stützungsmassnah- ������������ ���� � �: ��-� ����� ������������������ Grafik 2 % FSR 2020 12 300 10 250 8 200 6 150 4 100 2 50 0 0 –2 – 50 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Deutschland Italien USA Grossbritannien Japan Schweiz Volatilitäts-Index (rechte Skala) 1 1 Der verwendete Index ist der MOVE Index, der die implizite Volatilität von Indexoptionen auf den US-Staatsanleihen misst. Quellen: Bloomberg, Refinitiv Datastream ������-�������-����-�� ���� � � �������������� ��� ������� Prämien für Ausfallrisiken (erstrangige Fünfjahresdarlehen) Grafik 3 Basispunkte FSR 2020 700 600 500 400 300 200 100 0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Brasilien Spanien Italien Frankreich China Russland Quelle: Bloomberg Bericht zur Finanzstabilität 2021 9
men zurückzuführen. Während diese Massnahmen geholfen Indikatoren reagieren auf Schocks jedoch meist mit Ver haben, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zögerung und die wirtschaftspolitischen Stützungsmass kurzfristig abzumildern, könnten sie mittelfristig zu höheren nahmen haben viele Auswirkungen der Pandemie bisher Anfälligkeiten führen. Ferner überstieg bei den Unter abgefedert. Schwache Ertragsprognosen und hohe Schul- nehmen die Anzahl der Herabstufungen jene der Herauf- denlasten legen den Schluss nahe, dass die Stützungs stufungen (siehe Grafik 6). Der Kontrast zwischen den massnahmen bei manchen Unternehmen den Konkurs F inanzmarktindikatoren und den Indikatoren für Schulden möglicherweise bloss hinausgezögert haben.3 und Ratings deutet auf ein erhöhtes Risiko von grossen Preiskorrekturen hin.1 Auch in der Schweiz stimmen Marktindikatoren wie die Spreads auf Unternehmensanleihen mit einer Verbesse- Trotz der tiefen wirtschaftlichen Rezession und dem hohen rung der erwarteten Qualität der Unternehmenskredite Schuldenniveau ist in den fortgeschrittenen Volkswirt- überein. Analog zu den weltweiten Entwicklungen hat die schaften weder das Verhältnis notleidender Kredite zu den Verschuldung der Unternehmen im Verhältnis zum BIP Gesamtkrediten noch die Anzahl Unternehmenskonkurse zugenommen. Überdies stellen die hohe und zunehmende signifikant angestiegen2 – ein Anzeichen dafür, dass sich Verschuldung der Haushalte im Verhältnis zum BIP sowie die Kreditrisiken erst teilweise materialisiert haben. Diese die steigenden Tragbarkeitsrisiken bei neuen Hypotheken 1 Siehe auch IWF, Global Financial Stability Report, Oktober 2020, S. xiii. 3 Siehe Banerjee, R., J. Noss und J. M. Vidal Pastor, Liquidity to solvency: 2 Siehe IWF, World Economic Outlook, April 2021, S. 19. transition cancelled or postponed?, BIS Bulletin Nr. 40. ��������-������� Rendite-Spreads zwischen Unternehmens- und Staatsanleihen Grafik 4 Basispunkte FSR 2020 Basispunkte 700 1 400 600 1 200 500 1 000 400 800 300 600 200 400 100 200 0 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Euro-Markt 1 US-Markt 2 Schweizer Markt 3 Aufstrebende Volkswirtschaften 4 (rechte Skala) 1 Euro-Aggregate Corporate Index (Investment-Grade, Laufzeit 5–7 Jahre, in Euro denominiert) und Index für deutsche Staatsanleihen (Laufzeit 5–7 Jahre), Bank of America Merrill Lynch. 2 US Corporate Index (Investment-Grade, Laufzeit 5–7 Jahre, in US-Dollar denominiert) und Index für US-Staatsanleihen (Laufzeit 5–7 Jahre), Bank of America Merrill Lynch. 3 Renditen auf Schweizer Investment-Grade-Unternehmensanleihen (Laufzeit 5 Jahre) und auf Bundesanleihen (Laufzeit 5 Jahre), Berechnung durch die SNB. 4 Emerging Economies Corporate Index (in US-Dollar und Euro denominiert), optionsbereinigter Spread, Bank of America Merrill Lynch. Quellen: Fed St. Louis, Refinitiv Datastream, SNB ������� ������������ ������� ��� ��� �������: ������������������� Grafik 5 Anteil der Herabstufungen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Rating-Änderungen im Nichtfinanzsektor, gleitender FSR 2020 Durchschnitt über vier Quartale Grafik 6 110 % FSR 2020 100 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 40 Nicht-finanzielle Unternehmen Staatlicher Sektor 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Haushalte Europa 1 USA 1 Alle Berichtsländer. Summe basierend auf Umrechnung in USD zu Kaufkraftparität-Wechselkursen. 1 EU-17-Staaten plus Schweiz, Norwegen und Island. Quellen: BIZ, Refinitiv Datastream Quelle: Moody’s 10 Bericht zur Finanzstabilität 2021
ernstzunehmende Risiken dar (siehe Unterkapitel 2.3 für die USA, die Eurozone und die Schweiz deutlich über und 5.2). Bei den nachlaufenden Indikatoren befindet sich dem langfristigen Durchschnitt.4 das Verhältnis notleidender Kredite zu den Gesamtkre diten weiterhin auf einem historischen Tiefstand und die Günstige Marktentwicklung für den internationalen Banken- Indikatoren für Unternehmenskonkurse sind bisher nicht sektor: Analog zu den Gesamtentwicklungen bei den angestiegen, sondern im Gegenteil sogar gesunken. Wie Kreditrisikoprämien verringerten sich die CDS-Prämien oben erwähnt reagieren diese Indikatoren tendenziell mit (ein Marktindikator für die Widerstandskraft der Banken) Verzögerungen und dürften als Reaktion auf den wirt- der grössten Banken weiter und befinden sich auf etwa schaftlichen Schock mit der Zeit ansteigen. dem gleichen Niveau wie vor der Pandemie (siehe Gra- fik 8). Auch die Preise der Bankaktien erholten sich Hausse auf den Aktienmärkten: Die Aktienpreise haben und stiegen dabei schneller als die Gesamtmarktindizes. in den letzten zwölf Monaten deutlich zugelegt. Insbeson- Die Situation auf den Geldmärkten blieb ruhig. dere in den USA und der Eurozone waren die Preisanstiege markant, während sie in der Schweiz und Grossbritannien Anfällige Immobilienmärkte: Vor dem Hintergrund einer vergleichsweise schwächer ausfielen. Trotz der steigenden expansiven Geld- und Fiskalpolitik hat die Pandemie bis Preise war die Volatilität auf den Aktienmärkten in der anhin gemischte Auswirkungen auf die Immobilienmärkte Berichtsperiode grösstenteils höher als vor der Pandemie. gezeitigt. Insgesamt hat die Verwundbarkeit dieser Märkte Das konjunkturbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (siehe gegenüber künftigen Schocks zugenommen. Grafik 7), ein Mass für die Aktienbewertung, liegt zurzeit Auf dem Wohnliegenschaftsmarkt sind die Preise für Ein- familienhäuser, Wohnungen und Mehrfamilienhäuser trotz signifikanter Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedin- ��������������������� gungen grösstenteils weiter gestiegen – in vielen Ländern ����-������-���� ����� hat sich der Anstieg sogar beschleunigt (siehe Grafik 9). Abweichung vom Durchschnitt; 1 globale Indizes von Datastream Grafik 7 Im Zusammenhang mit diesen Preisentwicklungen haben die Verwundbarkeiten der Wohnliegenschaftsmärkte in % FSR 2020 einigen grossen Volkswirtschaften zugenommen. Das Ver- 120 hältnis von Kaufpreis zu Miete bei Wohnliegenschaften 60 – ein einfaches Mass zur Bewertung solcher Immobilien – 0 hat markant angezogen und liegt in zahlreichen Ländern – 60 über dem langjährigen Durchschnitt (siehe Grafik 10). All- 2000 2005 2010 2015 2020 gemein weist eine grosse Bandbreite an Indikatoren, Schweiz Eurozone USA welche die Auswirkungen von Faktoren wie Einkommen Grossbritannien Aufstrebende Volkswirtschaften (in USD) 1 Der Gewinndurchschnitt wird unter Verwendung eines zehnjährigen gleitenden Durchschnitts berechnet. Der Durchschnitt des Kurs-Gewinn-Verhältnisses wird über den Zeitraum 1985–2021 oder über den Zeitraum, für den Zahlen vorliegen, 4 Basierend auf dem Durchschnittswert des Verhältnisses über 36 Jahre. Für berechnet. die USA ist die Abweichung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses gegenüber seinem langfristigen Durchschnitt bei Berücksichtigung von langfristigen, über mehr als Quellen: IWF, Refinitiv Datastream 100 Jahre zurückgehenden Daten wesentlich grösser. ������-�������-����-�� ���� � � �������������� ��� ������ Durchschnitt der grössten Banken (erstrangige Fünfjahresdarlehen) Grafik 8 Basispunkte FSR 2020 500 400 300 200 100 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Eurozone 1 Grossbritannien USA 1 Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande und Spanien. Quellen: Bloomberg, Refinitiv Eikon, Berechnungen SNB Bericht zur Finanzstabilität 2021 11
und Zinssätzen berücksichtigen, auf die Verwundbarkeiten 2.2 Bankkredite an Schweizer Unternehmen der Wohnliegenschaftsmärkte in vielen Ländern hin.5 im Kontext der Coronavirus-Pandemie Im Segment der Geschäftsliegenschaften sind die Preise Schweizer Unternehmen hatten seit dem Ausbruch der als Folge der Pandemie insgesamt gesunken. Die Ent Coronavirus-Pandemie kontinuierlichen Zugang zu Finanz- wicklungen verliefen jedoch sehr unterschiedlich je nach mitteln über Bankkredite. Ermöglicht haben dies die Land, Ort und Art der Liegenschaft. Insgesamt hat die solide Eigenkapitalausstattung der Banken, dank der diese V erwundbarkeit des Geschäftsliegenschaftssegments wäh- ihre Rolle als Kreditgeber weiterhin wahrnehmen konnten, rend der Pandemie zugenommen, da sich Fundamental sowie ein gezieltes Massnahmenpaket, das die Schweizer faktoren wie die Gesamtnachfrage und der Nettobetriebs- Behörden im März 2020 umsetzten. Dieses Paket be ertrag verschlechtert haben und die Aussichten besonders inhaltete unter anderem das Bürgschaftsprogramm des unsicher bleiben.6 Bundes und die SNB-COVID-19-Refinanzierungsfazilität (CRF, siehe Bericht zur Finanzstabilität 2020, S. 12 – 14). Der kontinuierliche Zugang zu Krediten ermöglichte es den Unternehmen, Liquiditätsengpässe infolge der Pan- demie zu überbrücken, und trug – in Kombination mit weiteren Massnahmen wie der Kurzarbeitsentschädigung – 5 Siehe EZB, Financial Stability Review, Mai 2021, S. 36; Board of Governors of the Federal Reserve System, Financial Stability Report, Mai 2021, S. 20. dazu bei, die negativen Auswirkungen der Pandemie auf 6 Siehe IWF, Global Financial Stability Report, April 2021, S. 51 – 60. die Wirtschaft und Finanzstabilität abzufedern. Im Rahmen des Monitorings durch die SNB haben sich bisher keine Anzeichen einer Kreditverknappung ergeben. ĂĆĆĈûĂąĂþćĉċþĂČþ Sowohl die im Frühjahr 2020 eingeführte qualitative Real (mit LIK deflationiert), Q1 2010 = 100 Grafik 9 Umfrage der SNB7 als auch die Entwicklung der Kredit FSR 2020 aggregate und Marktinformationen deuten alle auf einen 1,8 reibungslos funktionierenden Schweizer Kreditmarkt hin. 1,6 1,4 1,2 Aus den Umfrageergebnissen geht hervor, dass die Ab 1,0 lehnungsquoten der meisten Banken bis anhin zwischen 0,8 0% und 20% geblieben sind (siehe Grafik 11), was gemäss 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Banken der normalen Bandbreite vor der Pandemie ent- Eurozone, Wohnen Eurozone, Rendite spricht. Der Hauptgrund für eine Ablehnung waren Beden- Schweiz, Wohnen 1 Schweiz, Rendite 2 ken hinsichtlich der Finanzkraft der antragstellenden USA, Wohnen USA, Rendite Unternehmen. Kaum eine Bank hat angegeben, dass ihre 1 Gewichteter Durchschnittswert der Transaktionspreise für Einfamilienhäuser und eigene Kapital- oder Liquiditätssituation ein Grund für die Eigentumswohnungen. Ablehnung eines Kreditantrags war. Während die Banken 2 Gewichteter Durchschnittswert der Transaktionspreise für Wohnrendite- liegenschaften (Mehrfamilienhäuser) und Geschäftsrenditeliegenschaften (Büro- ihre Bedingungen für Kredite an Kunden in besonders und Detailhandelsgebäude). Quellen: BFS, BIZ, Refinitiv Datastream, Wüest Partner 7 Zur Unterstützung ihrer Beurteilung hat die SNB ergänzend zu ihren regelmässigen Statistiken eine qualitative Bankenumfrage lanciert. Zwischen März 2020 und Juli 2020 erschien diese vierzehntäglich, danach monatlich. ������������������: ���� ����� ����� �� ��������������� ��� �������� � � ����� ����� ���� ���� ������� Abweichung vom langjährigen Durchschnitt 1 Grafik 10 Anteil Banken pro Ablehnungsquotensegment Grafik 11 % FSR 2020 % FSR 2020 60 100 40 80 20 60 0 – 20 40 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 20 Frankreich Grossbritannien USA 0 zweiwöchentliche Frequenz monatliche Frequenz Schweiz, Eigentumswohnungen Mrz Jul Aug Apr Schweiz, Einfamilienhäuser 2020 2021 1 Berechnung des Durchschnittwerts für den Zeitraum 1970–2019 bzw. den 0%–5% 1
stark betroffenen Sektoren verschärft haben, sind die haben, den Liquiditätsbedarf der Unternehmen zu senken Kreditkonditionen insgesamt weitgehend unverändert oder Liquiditätsengpässe zu überbrücken, sind die Kurz geblieben (siehe Grafik 12). arbeitsentschädigung und das Härtefallprogramm für be- sonders betroffene Unternehmen. Diese Ergebnisse stimmen mit anderen Beobachtungen überein. Insgesamt hat die Kreditvergabe der Banken aus- 2.3 Schweizer Hypothekar- und serhalb des Bürgschaftsprogramms des Bundes ebenfalls Immobilienmarkt zugenommen (siehe Grafik 13); der Ausschöpfungsgrad der Kreditlimiten war daher nahezu unverändert. Auch die Das Hypothekarkreditvolumen und die Wohnliegen- Zinssätze und Risikoprämien für neue Kredite blieben schaftspreise sind seit Ende 2019 weiter angestiegen. insgesamt stabil. Schliesslich haben einige Banken eigene Diese Märkte profitierten davon, dass die Auswirkungen Überbrückungskreditprogramme für Unternehmen ins der Coronavirus-Pandemie auf die Haushaltseinkommen Leben gerufen, die über ein fundamental tragfähiges Ge- durch Stützungsmassnahmen abgefedert wurden. Zudem schäftsmodell verfügen, aber zurzeit aufgrund der Pandemie wurde die Nachfrage nach Wohnliegenschaften von den die Kreditvergabestandards der Banken nicht erfüllen. tiefen Zinsen gestützt. Gemäss Marktbeobachtern nahm die Präferenz der Privathaushalte für Wohneigentum – Wirtschaftspolitische Stützungsmassnahmen leisteten und damit auch die Nachfrage danach – im Lockdown zu. ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zur Milderung Nicht bewahrheitet haben sich vor diesem Hintergrund von Liquiditätsproblemen bei Schweizer Unternehmen. Befürchtungen, dass eine schlechter als erwartete Ent- Dank dem vom Bundesrat verabschiedeten Bürgschafts- wicklung der Pandemie eine Korrektur auf dem Hypothe- programm in Kombination mit der CRF erhielten die kar- und Wohnliegenschaftsmarkt auslösen würde. An Unternehmen schnellen Zugang zu Überbrückungskrediten. gesichts der sich aufhellenden Konjunkturaussichten seit Dieser unkomplizierte Zugang war umso wichtiger, als dem letzten Bericht zur Finanzstabilität hat die Wahr- viele dieser Unternehmen von der Pandemie stark betrof- scheinlichkeit, dass pandemiebedingte Entwicklungen fen waren und vor dem Ausbruch der Pandemie über keine eine solche Korrektur auslösen, abgenommen. Die gestie- bestehende Kreditbeziehung zu einer Bank verfügten. gene Präferenz der Privathaushalte für Wohneigentum Das Bürgschaftsprogramm verschaffte rund 137 000 Unter- könnte jedoch auch nur vorübergehender Natur sein. All- nehmen – einem Fünftel aller berechtigten Unternehmen gemein hat die Anfälligkeit dieser Märkte gegenüber – Zugang zu Liquidität; insgesamt wurden Überbrü- zukünftigen Schocks seit Ende 2019 weiter zugenommen, ckungskredite in Höhe von 17 Mrd. Franken gewährt. Seit da der Anstieg bei den Hypotheken und Wohnliegen- dem letztjährigen Bericht zur Finanzstabilität hat sich die schaftspreisen stärker war, als es Fundamentalfaktoren Inanspruchnahme dieser Überbrückungskredite insgesamt wie Einkommen8 und Mieten rechtfertigen können. weiterhin langsam erhöht; ein kleiner Teil der Unterneh- men hat ihren Kredit bereits vollständig zurückbezahlt. Bis Ende April 2021 hatten die Banken zudem mittels der CRF über 70% der ausstehenden COVID-19-Kreditlimiten 8 Angesichts der verzögerten Verfügbarkeit breiter Einkommensmasse ver wenden die in diesem Unterkapitel vorgestellten Vulnerabilitätsindikatoren für den refinanziert, was die Relevanz dieser Fazilität aufzeigt. Hypothekar- und Immobilienmarkt das BIP als Proxy für Einkommen. Während Trotz Konjunkturaufhellung bleiben das Bürgschaftspro- die Daten zu Erwerbseinkommen und Kurzarbeitsentschädigung darauf hindeuten, dass das Haushaltseinkommen im Jahr 2020 von der Coronavirus-Pandemie gramm des Bundes und die CRF auch weiterhin wichtige weniger betroffen war als das BIP, haben sie keinen wesentlichen Einfluss auf die Stützungsmassnahmen. Andere bedeutende wirtschafts Beurteilung der Verwundbarkeiten. Gemäss diesen Daten wären die Verwundbar keitsindikatoren 2020 auch dann angestiegen, wenn statt dem BIP das Haushalts politische Stützungsmassnahmen, die dazu beigetragen einkommen als Fundamentalfaktor zugrunde gelegt worden wäre. ��� ��������� ��� ����������������� � � ����� ���� ���� ������� Nettoanteil der Banken, die eine Veränderung der Kreditkonditionen im Vergleich zum vorhergehenden Berichtszeitraum meldeten 1 Grafik 12 % FSR 2020 40 verschärft | gelockert 20 0 – 20 – 40 zweiwöchentliche Frequenz monatliche Frequenz März Juli August April 2020 2021 Bestehende Kreditbeziehungen Neue Kreditbeziehungen 1 Die Balken stellen die Differenz zwischen dem Anteil der Banken dar, die im Vergleich zum vorhergehenden Berichtszeitraum eine Lockerung der Kreditkonditionen meldeten, und dem Anteil der Banken, die eine Verschärfung meldeten. Quelle: SNB Bericht zur Finanzstabilität 2021 13
Moderates Hypothekarkreditwachstum, starker Anstieg tum unverändert fortsetzte. Das Verhältnis von Hypothe- der Wohnliegenschaftspreise karkrediten zum BIP stieg kräftig an. Ebenso weitete Das Hypothekarkreditwachstum im gesamten Schweizer sich die Differenz zwischen dem aktuellen Verhältnis und Bankensektor blieb 2020 gegenüber dem Vorjahr unver seinem langfristigen Verlauf – eine Messgrösse für die ändert moderat (3,2% per Ende 2020).9 Die Transaktions- Verwundbarkeit – stark aus. Während die Entwicklungen preisindizes für Einfamilienhäuser und Eigentumswoh- seit Ende 2019 auf zunehmende Verwundbarkeiten hin nungen deuten hingegen darauf hin, dass das Wachstum deuten, sollte dies jedoch nicht überbewertet werden. Die auf dem Markt für selbstgenutztes Wohneigentum im Jahr derzeit hohen Werte sowohl beim Verhältnis von Hypothe- 2020 stark ausfiel. Per Ende 2020 betrug das Wachstum karkrediten zum BIP als auch bei der Differenz zwischen der Transaktionspreise im Vorjahresvergleich 5,4% für dem aktuellen Verhältnis und seinem langfristigen Verlauf Einfamilienhäuser (gegenüber 2,4% per Ende 2019) und dürften sich im Zuge der Erholung der Konjunktur von 5,1% für Eigentumswohnungen (Ende 2019: 2,1%).10 den Folgen der Pandemie teilweise wieder verringern. Im Segment der Wohnrenditeliegenschaften stiegen die Transaktionspreise für Mehrfamilienhäuser im Vorjahres- Die Entwicklung bei den Einfamilienhäusern und Eigen- vergleich trotz steigender Leerstände um 3,2% (gegenüber tumswohnungen deutet darauf hin, dass die Verwund 1,5% per Ende 2019).11 Insgesamt war die Wachstumsrate barkeiten im Segment des selbstgenutzten Wohneigentums im Vergleich zum Vorjahr sowohl beim Hypothekarkredit- seit Ende 2019 weiter zugenommen haben. In den letzten volumen als auch bei den Wohnliegenschaftspreisen im zehn Jahren und insbesondere 2020 sind die Transaktions- ersten Quartal 2021 ähnlich wie im vierten Quartal 2020. preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen kräftiger gestiegen, als es Fundamentalfaktoren rechtferti- Zunahme der Verwundbarkeiten des Schweizer gen können. Folglich deuten derzeit eine Vielzahl von Hypothekar- und Wohnliegenschaftsmarkts Indikatoren auf eine Überbewertung dieser Segmente hin, Die Verwundbarkeiten des Hypothekarmarkts haben seit die auf ein erhöhtes Risiko von Preiskorrekturen schlies- Ende 2019 zugenommen. Bereits vor dem Ausbruch der sen lässt (siehe Grafik 14). Pandemie lag das Verhältnis von Hypothekarkrediten zum BIP sowohl im historischen als auch im internationalen Über das Ausmass der Überbewertung besteht jedoch Vergleich auf einem hohen Niveau, da während einiger grosse Unsicherheit. Im Segment der Eigentumswohnun- Jahre die Hypothekarkredite deutlich schneller gewachsen gen haben einfache Bewertungskennzahlen, wie das waren als die Einkommen. Seit Ende 2019 ist die Divergenz Verhältnis von Kaufpreis zu Miete und Preis zu BIP, ein bei den Wachstumsraten besonders ausgeprägt, da die Niveau erreicht, das rund 30% über dem historischen P andemie einen starken Rückgang der Wirtschaftsaktivität Durchschnitt liegt. Gemäss modellbasierten Indikatoren, zur Folge hatte, während sich das Hypothekarkreditwachs- die eine grössere Vielfalt an wirtschaftlichen Faktoren wie BIP, Einkommen, Mieten und Zinssätzen berücksich- tigen, sind die gegenwärtigen Preise um rund 5% bis 30% 9 Das Hypothekarkreditvolumen der Versicherungen (ohne Rückversicherer) überbewertet. Das obere und untere Ende der Bandbreite wuchs 2020 um 1,9%. Bei den Pensionskassen, für welche die neuesten ver fügbaren Daten aus dem Jahr 2019 stammen, betrug das Hypothekarkredit wachstum 18%. Nichtbanken, d. h. Versicherungen und Pensionskassen, halten insgesamt weiterhin einen geringen Marktanteil am inländischen Hypothekar markt (2019: Versicherungen rund 4% und Pensionskassen rund 2%). 10 Quelle: Wüest Partner. Gemäss den Indizes des Bundesamtes für Statistik (BFS) stiegen die Preise für Einfamilienhäuser per Ende 2020 im Vorjahres vergleich um 3,2% und für Eigentumswohnungen um 3,1%. 11 Quelle: Wüest Partner. ��� ������� ����������� �� ���������: ��������������������� �����-����� ����� ����������� Grafik 14 Vorjahresveränderung, in Mrd. Franken, per Jahresende Grafik 13 Überbewertung in % FSR 2020 Mrd. Übrige Gesamtkredite Gesamtkredite Kredite Hypotheken (beansprucht) (Limiten) 40 30 30 20 20 10 10 0 0 – 10 – 10 – 20 17 18 19 20 17 18 19 20 17 18 19 20 17 18 19 20 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 COVID-19-Überbrückungskredite, approximiert 1 Bankkredite ohne COVID-19-Überbrückungskredite Kaufpreis zu Miete Ökonometrisches Modell Kaufpreis zu Pro-Kopf-BIP «User cost model» Baseline 1 Approximationen der Kredite, die im Rahmen der Programme des Bundesrates für «User cost model» tiefer Zinssatz COVID-19-Überbrückungskredite und andere verbürgte Kredite vergeben wurden. Rückzahlungen bis Ende 2020 sind berücksichtigt. «User cost model» sehr tiefer Zinssatz Quellen: SECO, SNB Quellen: BFS, SECO, SNB, Wüest Partner 14 Bericht zur Finanzstabilität 2021
werden durch das «user cost model» definiert.12 Dieses Bereich der Mietwohnungen, gemessen an der Zahl der vorwärtsschauende Mass reagiert sensitiv auf Annahmen Baubewilligungen,14 und die «Buy to let»-Aktivität15 zu der sehr langfristigen Entwicklung von Zinsen und die Leerstandsquoten erhöht (siehe Grafik 16). Obwohl seit Mieten. So bewegen sich gemäss diesem Modell und unter 2018 etwas weniger Baubewilligungen für Mietwohnungen der Annahme, dass die langfristigen Erwartungen für den erteilt wurden, deuten die hohen Leerstände auf ein Über- realen Hypothekarzinssatz bei dem historischen Durch- angebot hin. schnitt von 2,6% («Baseline») liegen, beispielsweise die Marktpreise für Eigentumswohnungen rund 30% über Die Verwundbarkeiten des Hypothekar- und Wohnliegen- dem Niveau, das gemäss Fundamentaldaten gerechtfertigt schaftsmarkts und das daraus resultierende Risiko von wäre. Geht man von einem realen Hypothekarzinssatz von Störungen stellen auch weiterhin relevante Risiken für die 1,0% («sehr tiefer Zinssatz») aus, ergibt sich eine Über Finanzstabilität dar. Eine Preiskorrektur und eine Materia- bewertung von rund 5%. Bei einem ökonometrischen Mo- lisierung der Tragbarkeitsrisiken könnten durch einen dell13, das die Immobilienpreise anhand deren historischen unerwartet starken Zinsschock nach oben ausgelöst werden Verhältnisses zum BIP pro Kopf, dem Bestand an Wohn- oder auch dann, wenn die Auswirkungen der Pandemie gebäuden pro Kopf und den langfristigen Realzinsen er- auf die Einkommen der Haushalte und Unternehmen gra- klärt, liegt die Überbewertung in der Mitte der Bandbreite vierender als zurzeit im Basisszenario prognostiziert von 5% bis 30%. Aus Grafik 14 wird ersichtlich, dass ausfallen würden. dieses Modell sensitiv auf starke Einkommensschwan- kungen, wie sie 2020 beobachtet wurden, reagiert. Das Renditesegment der Geschäftsliegenschaften war von der Pandemie heterogen betroffen und bleibt anfällig Im Segment der Wohnrenditeliegenschaften ist die An gegenüber einer zukünftigen Verschlechterung des wirt- fälligkeit gegenüber zukünftigen Schocks auch weiterhin schaftlichen Umfelds. Seit Ende 2019 signalisieren die hoch. Seit Beginn des Tiefzinsumfelds im Jahr 2008 sind verfügbaren Indikatoren, dass die Preise der Geschäfts die Transaktionspreise für Mehrfamilienhäuser viel stärker liegenschaften infolge des Konjunkturrückgangs ins gestiegen als die Mieten (siehe Grafik 15); dies hat zu gesamt unter Druck geraten sind (siehe Grafik 15). Markt- historisch tiefen Anfangsrenditen geführt (Verhältnis zwi- teilnehmer berichten hingegen, dass die verschiedenen schen Mieteinnahmen und Transaktionspreisen). Zudem Objekttypen in unterschiedlichem Ausmass betroffen sind. haben die in den letzten Jahren regen Bautätigkeiten im So wurden Hotels, Restaurants und Verkaufsflächen stark in Mitleidenschaft gezogen, während zentral gelegene Büroflächen nur am Rande betroffen waren. Die Unsicher- heit über die mittelfristigen Auswirkungen der Pandemie 12 Eine Beschreibung des «user cost model» findet sich beispielsweise bei Poterba, J. M. (1984), Tax Subsidies to Owner-Occupied Housing: An Asset- auf das Renditesegment der Geschäftsliegenschaften ist Market Approach, The Quarterly Journal of Economics 99(4), S. 729 – 752. In der Baseline-Version des «user cost model» orientieren sich die langfristigen Er hoch. Einige der negativen Folgen könnten vorübergehen- wartungen für den realen Hypothekarzinssatz am historischen Durchschnitt von der Natur sein, während sich andere (wie etwa die teil- 2,6%. Bei den Versionen, die sich auf tiefe Zinssätze und sehr tiefe Zinssätze stützen, wird mit einem realen Hypothekarzinssatz von 1,5% bzw. 1,0%, kalkuliert. weise Ablösung von physischen Sitzungen durch Online- 13 Eine Beschreibung des ökonometrischen Modells findet sich beispielsweise bei Cuestas, J. C., M. Kukk und N. Levenko (2021), Misalignments in house prices and economic growth in Europe, Working Papers 2021/07, Economics Depart ment, Universitat Jaume I, Castellón, oder Muellbauer, J. (2018), Housing, debt and the economy: a tale of two countries, National Institute Economic Review, 14 Quelle: Wüest Partner, Baublatt Info-Dienst. National Institute of Economic and Social Research, Band 245(1), August, 15 Bei «Buy to let»-Objekten handelt es sich in der Regel um Wohnungen und S. 20 – 33. Ein ähnliches Modell wird auch bei der EZB verwendet (siehe EZB, Einfamilienhäuser in Privatbesitz, die von den Eigentümern nicht selbst genutzt, Financial Stability Review, Mai 2021, S. 36, und EZB, Financial Stability Review, sondern vermietet werden (siehe www.finma.ch/de/news/2019/08/20190828- November 2015, S. 45 – 47). mm-selbstregulierung/). ���������������������: ������ ��� ������ ��������������� ������������������ Nominal, Q1 2008 = 100 Grafik 15 Leerstände im Verhältnis zum Gesamtbestand Grafik 16 FSR 2020 % FSR 2020 180 2,0 160 140 1,5 120 100 1,0 80 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 0,5 Mehrfamilienhäuser Preise Büro-/Verkaufsflächen Preise 0,0 Wohnliegenschaften Mieten 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Büro-/Verkaufsflächen Mieten Leerstandsquote insgesamt Zu vermieten 1 Transaktionspreise und Bestandesmieten (Wohnliegenschaften) bzw. Angebotsmieten (Büro-/Verkaufsflächen). Zu verkaufen Quellen: BFS, Wüest Partner Quellen: BFS, Berechnungen SNB Bericht zur Finanzstabilität 2021 15
Meetings und teilweises Homeoffice) als dauerhaft erwei- egulierungen angemessen abgedeckt sind. Derzeit erachtet R sen könnten.16 Dieses Segment ist im Vergleich zu den die SNB das Risiko, dem der Schweizer Bankensektor Wohnrenditeliegenschaften generell konjunktursensitiver. und die systemrelevanten FMI aufgrund des Klimawandels Bei einer Konjunkturabschwächung sinkt die Nachfrage ausgesetzt sind, als mässig; sie überprüft diese Einschät- der Unternehmen nach Geschäftsräumen in der Regel, wo- zung regelmässig. durch die Leerstände zunehmen und auf die Geschäfts mieten drücken. Tiefere Mieterträge wiederum führen zu Im Rahmen dieser Überprüfung arbeitet die SNB derzeit einem Rückgang der Transaktionspreise für Geschäfts- gemeinsam mit der FINMA und der Universität Zürich an liegenschaften. einem Pilotprojekt zur Identifizierung und Messung von Risikokonzentrationen der global aktiven Schweizer Banken Die SNB wird die Entwicklungen auf dem Hypothekar- in Bezug auf Transitionsrisiken. Dazu wurden bereits und Immobilienmarkt weiterhin aufmerksam verfolgen. detaillierte Daten zu ihren sektoriellen Exposures durch In diesem Zusammenhang wird sie regelmässig prüfen, Aktien, Anleihen, Kredite und Derivate erhoben.18 Zudem ob der antizyklische Kapitalpuffer wieder aktiviert werden wurden diese Exposures den klimapolitisch relevanten muss. Sektoren (Climate Policy-Relevant Sectors, CPRS) – also Gruppen von wirtschaftlichen Aktivitäten, die ähnlich 2.4 Klimarisiken anfällig für Transitionsrisiken sind – zugeordnet.19 In einem nächsten Schritt werden die Auswirkungen etwaiger Im Rahmen ihres gesetzlichen Mandats überwacht die Änderungen in der Klimapolitik mittels einer Sensitivi- SNB aktiv klimabezogene Risiken für die Finanzstabilität. tätsanalyse bewertet.20 Der Klimawandel könnte das traditionelle Kerngeschäft der Banken in Mitleidenschaft ziehen, z. B. durch Abschrei- Die Ergebnisse dienen sodann als Entscheidungsgrund- bungen auf Krediten an besonders exponierte Unter lage bei der Beurteilung, ob diese Risiken angemessen nehmen oder durch Handelsverluste aufgrund von Bewer- abgedeckt sind oder ob Handlungsbedarf besteht. Bei den tungskorrekturen auf den Aktien- und Anleihenmärkten.17 systemrelevanten FMI wiederum stellt die SNB die Mini- mierung der klimabezogenen physischen Risiken, die zu Grundsätzlich können zwei Arten von Klimarisiken Betriebsausfällen führen könnten, ins Zentrum. So macht u nterschieden werden: Transitionsrisiken und physische sie etwa Vorgaben zur Aufteilung der technischen Ein Risiken. richtungen auf verschiedene Standorte mit unterschiedli- chen Risikoprofilen. Transitionsrisiken umfassen die Risiken, die mit dem Übergang zu einer nachhaltigen, CO2-armen Wirtschaft Im Berichtsjahr wurden im Bereich Offenlegung von einhergehen. Neue Gesetze und Regulierungen sowie klimabezogenen Finanzrisiken wichtige Schritte unter- technologische Innovationen können dabei zu Umbrüchen nommen. So kündigte die FINMA eine Verschärfung in der Realwirtschaft führen. Zum Beispiel könnten eine der Offenlegungspflichten für Banken und Versicherungs abrupte und massive Erhöhung von Emissionssteuern oder unternehmen an, angelehnt an die Empfehlungen der ein Verbot von CO2-intensiven Herstellungsverfahren Arbeitsgruppe zur Klimaberichterstattung (Task Force on die Existenz von Firmen oder ganzen Industriezweigen Climate-related Financial Disclosures, TCFD).21 Der gefährden. Bundesrat sagte der TCFD zudem seine offizielle Unter- stützung zu. Er rief die Schweizer Unternehmen aus Physische Risiken umfassen Risiken im Zusammenhang sämtlichen Wirtschaftsbereichen auf, diese Empfehlungen mit einer zunehmenden Frequenz und Intensität klima umzusetzen, und hielt fest, dass ein Gesetzesentwurf aus- bedingter Naturkatastrophen. Zu derartigen Naturkata gearbeitet werden soll, um sie verbindlich zu machen.22 strophen zählen zum einen Wetterereignisse (Stürme, Grössere Transparenz ist unabdingbar, damit Unternehmen Überschwemmungen, Dürren etc.) und zum anderen länger- und Behörden ihre klimabezogenen Risikobeurteilungen fristige Umweltveränderungen (Erhöhung des Meeres spiegels, Änderung der Niederschlagsmengen etc.). So können zum Beispiel Stürme Produktionsanlagen und 18 Die sektoriellen Daten stützen sich auf die Statistische Systematik der Wirt schaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE Rev. 2). Die verwendete Infrastrukturen beschädigen und dadurch zu einem Rück- vierstellige Granularität schliesst über 600 Sektoren ein. gang der Wirtschaftsleistung führen. 19 Zum Beispiel umfassen die CPRS für Kohleproduzenten gemäss NACE Rev. 2 vier Kategorien: Steinkohlenbergbau, Braunkohlenbergbau, Kokerei und Torfgewinnung. Aus Sicht der Finanzstabilität konzentriert sich die SNB 20 Die Arbeit stützt sich auf Battiston, S., A. Mandel, I. Monasterolo, F. Schütze und G. Visentin, 2017, A climate stress-test of the financial system, Nature insbesondere auf die Frage, ob das Bankensystem und die Climate Change 7, 283 – 288 (2017), und Vermeulen, R., E. Schets, M. Lohuis, B. Kölbl, D.-J. Jansen und W. Heeringa, 2018, An energy transition risk stress test systemrelevanten Finanzmarktinfrastrukturen (FMI) for the financial system of the Netherlands, Occasional Studies, Vol. 16, Nr. 7, a däquat auf mögliche klimabezogene Schocks vorbereitet De Nederlandsche Bank. 21 Siehe Medienmitteilung der FINMA vom 31. Mai 2021. sind und ob die Klimarisiken durch die bestehenden 22 Siehe Medienmitteilung des Bundesrats vom 12. Januar 2021. Die TCFD wurde Ende 2015 vom Financial Stability Board (FBS), dem auch die Schweiz angehört, gegründet, um Empfehlungen zur finanziellen Transparenz der Unter nehmen in Bezug auf den Klimawandel auszuarbeiten. Ihre Empfehlungen bilden 16 Siehe IWF, Global Financial Stability Report, April 2021, S. 53. einen gemeinsamen internationalen Rahmen, der den Unternehmen sowie den 17 Für eine Übersicht der Klimarisiken im Kontext der Finanzstabilität siehe Akteuren der Finanzbranche erlaubt, ihr Exposure gegenüber Klimarisiken korrekt The green swan, BIZ, Januar 2020. zu beurteilen und zu quantifizieren. 16 Bericht zur Finanzstabilität 2021
Sie können auch lesen