Übertragbarkeit des Erfolgsmodells von Southwest Airlines auf den europäischen Airlinemarkt - Manfred Markieton
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Übertragbarkeit des Erfolgsmodells von Southwest Airlines auf den europäischen Airlinemarkt Manfred Markieton manfred.markieton@unibw-muenchen.de Wissenschaftliche Arbeit am Institut für Internationales Management Universität der Bundeswehr München
- II - Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis III Abkürzungsverzeichnis IV 1 Einführung 1 2 Das Erfolgsmodell Southwest Airlines 2 2.1 Southwest Airlines im Fokus des 7S-Konzepts 2 2.1.1 Die Leitidee 3 (superordinate goals) 2.1.2 Die Strategieumsetzung 3 (strategy / structure / systems) 2.1.3 Die restlichen S-Elemente 6 (skills / staff / style) 3 Übertragbarkeit und Umsetzung des Modells 8 3.1 Das Marktumfeld 8 3.2 Die Airlines 10 3.2.1 Die Flag-Carrier 11 3.2.2 Die Low-cost-Carrier 12 3.2.2.1 Das Beispiel Ryanair 13 3.2.2.2 Das Beispiel easyJet 14 4 Entwicklungen in der Zukunft 15 5 Schlussbetrachtung 16 Anhang 1 17 Anhang 2 18 Literaturverzeichnis 19
- III - Abbildungsverzeichnis Abb. 2-1: Das 7S-Konzept 2 Abb. 2-2: Kostenvorteile einer typischen Discount-Fluglinie auf Kurz- 4 strecken im Vergleich mit einer konventionellen Fluglinie Abb. 2-3: Das Betätigungsraster von Southwest Airlines 5 Abb. 2-4: Das Getriebe des Erfolges 7
- IV - Abkürzungsverzeichnis Abschn. Abschnitt ASM Available Seat Mile Aufl. Auflage BA British Airways ca. cirka CEO Chief Executive Officer d. h. das heißt eig. eigene EU Europäische Union EUR Euro Hrsg. Herausgeber IATA International Air Transport Association Jg. Jahrgang k. A. keine Angabe KLM KLM Royal Dutch Airlines km2 Quadratkilometer min. mindestens Mio. Millionen Nr. Nummer S. Seite sog. sogenannte USA Vereinigte Staaten von Amerika USD US Dollar usw. und so weiter vgl. vergleiche z. B. zum Beispiel
-1- 1 Einführung „Keiner dieser Möchtegern-Billigflieger wird in seiner jetzigen Form die nächsten fünf Jahre überleben. Entweder sie gehen pleite oder sie werden verkauft, weil sie alle nur Verluste machen.“ Michael O´Leary, Chef Ryanair1 Das gleiche Schicksal hatte man auch Southwest Airlines bei ihrer Unterneh- mensgründung 1967 prophezeit. Doch nach erheblichen Startschwierigkeiten2 konnte sich ein Unternehmen entwickeln, das heute eine der größten amerikani- schen und weltweiten Fluglinien und Vorbild für eine ganze Industrie ist. So versuchen im europäischen Markt Southwest-Airlines-Klone, darunter z. B. Rya- nair, Germanwings und easyJet, ihr Glück. Die Zentrale Frage, mit der sich diese Arbeit beschäftigt lautet: Ist dieses, für den nordamerikanischen Markt maßgeschneiderte Modell auf Europa übertragbar? Die meisten Nachahmer in Europa scheiterten; nur einige wenige schafften den Sprung in die Gewinnzone. Was waren oder sind die Gründe dafür? Was macht den Erfolg von Southwest Airlines3 aus? Wie sieht ihr Konzept aus, welche Chancen und Risiken birgt es? Um diese Fragen zu beantworten, soll zunächst die Southwest-Strategie anhand des 7S-Konzepts4 analysiert und die Säulen des Erfolgsmodells herausgearbeitet werden. Im Anschluss daran wird die Übertragbarkeit auf den europäischen Airli- nemarkt geprüft. Besonders der Einfluss auf die großen europäische Fluggesell- schaften (sog. Flag-Carrier) und ihre Reaktionen stehen im Vordergrund. Aber auch die Billigfluglinien (sog. Low-cost-Carrier) selbst sind von Interesse.5 Stell- vertretend werden die beiden Marktführer in diesem Segment, Ryanair und easy- Jet, betrachtet. Wie haben sie das Modell übernommen, sind Probleme aufgetreten und wo haben sich Grenzen gezeigt? Ein Ausblick in die Zukunft mit verschiede- nen Szenarien und die Schlussbetrachtung schließen diese Arbeit ab. 1 Eberle, Matthias, [Handelsblatt, 2003], S. 9. 2 Nach jahrelangem Rechtsstreit mit Konkurrenten wäre das Unternehmen fast in Konkurs gegangen, ohne dass je ein Flugzeug geflogen wäre. Vgl. dazu Baldwin, Heather, [Southwest, 2001], S. S3; auch Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 4. 3 Im weiteren wird nur noch von Southwest gesprochen. 4 Vgl. Peters, Thomas J. / Waterman, Robert H., [Suche, 2000], S. 30 - 34. 5 Auf andere Anbieter wie Charterairlines oder den Executive-Markt wird hier nicht eingegangen.
-2- 2 Das Erfolgsmodell Southwest Airlines 2.1 Southwest Airlines im Fokus des 7S-Konzepts 1977 entwickelten zwei Structure Unternehmensberater der Harte Faktoren Firma McKinsey das 7S- Konzept (siehe Abb. 2-1). Strategy Systems Thomas J. Peters und Robert H. Waterman stell- Superordi- ten bei Untersuchungen nate Goals erfolgreicher US-Firmen fest, dass deren Erfolg nicht Skills Style nur auf Kosteneffizienz oder Strategie basierte, Staff W eiche Faktoren sondern aus einem Geflecht von sieben Variablen. Nicht Abb. 2-1: Das 7S-Konzept (Peters / Waterman) das einzelne Element hatte die Unternehmen so groß gemacht. Nur ihr gezieltes Zusammenwirken und die Beachtung ihrer Abhängigkeiten voneinander brachte den Erfolg.6 Man unterscheidet harte und weiche S-Variablen. Die harten Elemente (grüne Kreise) sind in der Regel durch Strategiepapiere, Pläne usw. greifbar und konkret. Die vier weichen Faktoren sind dagegen schwer beschreibbar und kaum materiell darstellbar. Sie entwickeln sich dauernd fort. Sie können kaum gezielt geplant oder beeinflusst werden. Ihr Einfluss auf die harten Faktoren ist aber teilweise erheblich und bestimmt häufig über Erfolg oder Misserfolg von Strukturen, Strategien oder Systemen. Sehr erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich laut Peters und Waterman dadurch aus, dass sie die oben angesprochenen Wechselwirkungen kennen und ent- sprechend handeln.7 Sie achten auf eine ausgeglichene Balance zwischen harten und weichen Faktoren. Denn häufig werden die weichen S-Faktoren zu wenig beachtet. Und gerade das macht den Unterschied aus. Southwest z. B. lebt diesen 6 Vgl. Peters, Thomas J. / Waterman, Robert H., [Suche, 2000], S. 9. 7 Vgl. Peters, Thomas J. / Waterman, Robert H., [Suche, 2000], S. 32f.
-3- ganzheitlichen Ansatz. Im Folgenden wird ihr Erfolgsmodell anhand der 7S-Elemente dargestellt. 2.1.1. Die Leitidee (superordinate goals) „The misson of Southwest Airlines is dedication to the highest quality of Cus- tomer Service delivered with a sense of warmth, friendliness, individual pride, and Company Spirit.“8 Mission Statement Southwest Diese Aussage von Southwest Airlines beschreibt die Grundphilosophie des Unternehmens. Southwest sieht sich als low-cost, low-fare, no-frills, high- frequency, short-haul, point-to-point-service9 Fluggesellschaft, die ihren Kunden den Service und die Dienste anbietet, die diese wollen und auch zufrieden stellt. Southwest hat erkannt, dass man dem Kunden ein Produkt anbieten muss, das ihm einen höheren Wert bietet als das des Konkurrenten oder einen ähnlichen Wert zu niedrigeren Preisen oder beides.10 Mit dieser Idee fliegt die sicherste und pünkt- lichste Airline Nordamerikas seit 1973 ununterbrochen in der Gewinnzone.11 2.1.2 Die Strategieumsetzung (strategy / structure / systems) Nach Porter bedeutet betriebliche Effektivität, vergleichbare Tätigkeiten besser auszuführen als die Konkurrenz. Konträr dazu bedeutet strategische Positionie- rung, bei Konkurrenten nicht übliche Tätigkeiten zu betreiben oder auch dort übliche Tätigkeiten auf andere Weise auszuführen.12 Southwest hat das Linien- fluggeschäft nicht neu erfunden. Es hat lediglich Effektivität und Strategie mit verschiedenen Maßnahmen wie hoher Kosteneffizienz verknüpft. Southwest hat sich darauf festgelegt, preiswerte Kurzstrecken-Direktflüge zwischen mittelgroßen Städten sowie Nebenflughäfen in oder in der Nähe von Großstädten anzubieten. Als Hauptkonkurrenten werden dabei Bus und Auto angesehen. Deswegen setzt Southwest auf hohe Frequenzen auf den Flugstrecken. Kostengründe, kurze Bodenzeiten13 und sehr geringe Verspätungen sind die Gründe, warum man diese Flughäfen nutzt. Dadurch sind die Flugzeuge der 8 Vgl. http://www.southwest.com/about_swa. 9 Vgl. Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 15 - 18. 10 Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 43ff. 11 Vgl. http://www.southwest.com/investor_relations/swaar00.pdf, S. 7. 12 Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 43. 13 Flag-Carrier: 45 und 60 Minuten - Low-cost-Carrier: 15 und 30 Minuten.
-4- Southwest-Flotte bis zu 12 Stunden am Tag in der Luft, 3 Stunden oder 1-2 Flüge mehr als bei anderen Airlines. Begünstigt durch diese hohe Nutzung hatte Southwest die niedrigsten operativen Kosten der US-amerikanischen Luftfahrt mit 7,50 Cents per ASM im 1. Quartal 2003.14 (siehe auch Abb. 2-2) Mit seinem Angebot spricht Southwest verschiedene Kundenschichten an. Neben preisbewussten Urlaubern oder Studenten fliegen auch viele Geschäftsreisende mit Southwest. Die hohe Flug- Kostenvorteil Operative Vorteile dichte zwischen den Städten, die Höhere Sitzdichte 16% Pünktlichkeit und die meist besse- Intensivere Flugzeugnutzung 3% re Verkehrsanbindung der von Geringere Crew-Kosten 3% Southwest angeflogenen Flugplät- Billigere Flughäfen 6% ze machen sie bei Passagieren so Flottenstandardisierung und 2% beliebt. Vielerorts werden neue Fremdvergabe der Wartung Produkt- und Servicevorteile Firmenstandorte nur in direkter Geringere Kosten für Betreuung 10% Nähe zu Southwest-Flughäfen am Boden und Abfertigung Keine freie Bewirtung an Bord 6% gebaut. Dass es dabei keine Bord- Marketingvorteile karten, Sitzplatzreservierungen, Einsparung von keine First- oder Business Class 8% Verkaufsprovisionen und kein warmes Essen an Bord Geringerer Verkaufs- und 3% gibt, stört keinen Fluggast. Die Reservierungsaufwand Sonstige Vorteile Airline spart Geld und Zeit und Kleinere Verwaltung 2% gibt dies an die Kunden weiter. Summe: 59% Denen ist es wichtig, möglichst günstig und pünktlich zu reisen. Abb. 2-2: Kostenvorteile einer typischen Discount- Fluglinie auf Kurzstrecken im Vergleich Dazu trägt bei, dass Southwest in mit einer konventionellen Fluglinie (Quelle: Rigas Doganis15) keiner Allianz mit anderen Flug- gesellschaften vertreten ist. Da- durch müssen keine verspäteten Anschlussflüge abgewartet und Gepäck zeitrau- bend umgeladen werden.16 Teilweise wird Southwest der fehlende Service von Konkurrenten vorgeworfen. Und trotzdem ist Southwest seit Jahren wegen ihrer Pünktlichkeit und dem zuver- 14 Vgl. http://www.southwest.com/about_swa/press/prindex.html. 15 Vgl. Machatschke, Michael, [Ryanair, 2001], S. 106. 16 Vgl. Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 12ff.
-5- lässigen Gepäckservice in den Statistiken die beliebteste Airline in Amerika.17 Ebenfalls einen großen Teil trägt das Personal bei, welches immer freundlich und flexibel ist.18 Eigeninitiative wird von der Unternehmensleitung gewünscht und gefördert. Auch dass Southwest die Tickets über Internet, Automaten oder per Telefon verkauft, spart dem Kunden Zeit und der Gesellschaft Kosten.19 Einen wesentlichen Beitrag zu den niedrigen Kosten trägt die einheitliche Flotte von Boeing-737 Flugzeugen bei. Als Großabnehmer und Launch Customer hat Southwest teilweise schon erhebliche Nachlässe auf seine neuen Flugzeuge erhal- ten. Außerdem erleichtert und verbilligt eine einheitliche Flotte die Ausbildung von Crew und Bodenpersonal sowie die Ersatzteilbeschaffung bzw. -bevorratung. Durch das Wegfallen der Küchen ist die Kabine größer, d. h. bei Southwest - im Gegensatz zu anderen Low-cost-Carriern - aber nicht, dass diese auch enger bestuhlt wäre. Der Sitzabstand ist einer der größten international.20 All diese Erfolgsfaktoren des Southwest-Konzeptes hat Michael E. Porter in ei- nem Betätigungsraster zusammengefasst (siehe Abb. 2-3). Man kann erkennen, Eingeschränkter Kein Keine Service für Gepäck- Bordverpflegung die Fluggäste umschlag Keine Keine Anschlüsse Platzreservierung an andere Begrenzter Fluglinien Rückgriff auf Reisebüros Häufige, Abfertigung Kurze Direkt- Standartisierte flüge zw ischen verlässliche am Terminal in mittelgroßen Städten Abflugtermine B-737-Flotte und kleineren 15 Minuten Flughäfen Flugschein- automaten Gut bezahlte Sparsames M itarbeiter und hochproduktives Sehr niedrige Boden- und Ab- Flugpreise fertigungspersonal Flexible Vereinbarungen mit den Gewerk- Hohe M itarbeiter- Hochgradige „Southw est schaften the low -fare beteiligung am Flugzeugnutzung Grundkapital airline“ Abb. 2-3: Das Betätigungsraster von Southwest Airlines (Quelle: Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 54) 17 Vgl. http://www.southwest.com/investor_relations/swaar02.pdf, S. 8. 18 Baldwin, Heather, [Southwest, 2001], S. S9. 19 Vgl. Baldwin, Heather, [Southwest, 2001], S. S8. Vgl. dazu auch Vgl. Heuer, Steffan, [Economy, 2002], Abschn. 3 und 4. 20 Vgl. Spaeth, Andreas, [Geld, 1999], S. 30.
-6- dass die kritischen Erfolgsfaktoren (weiß markiert) jeweils von einem Bündel anderer Faktoren (blau markiert) unterstützt werden bzw. daraus erst entstehen. Gut zu sehen ist der hohe Vernetzungsgrad aller Aktivitäten im Geschäftsmodell von Southwest. Einer der wichtigsten Punkte bei Southwest war immer, dass ein moderates aber stetiges und damit nachhaltiges Wachstum aus eigener Kraft angestrebt wurde.21 Das Unternehmen hat dadurch die geringste Schuldenquote aller Fluggesellschaf- ten weltweit,22 bleibt unabhängig und spart die Kosten für die Zinsen. Viele Fluggesellschaften leiden heute darunter, dass sie hohe Kredite kaum zurückzah- len können und die Zinszahlungen erheblich zu Buche schlagen. Dazu kommt, dass Southwest sehr genau abwägt, ob sie eine neue Strecke ins Programm auf- nimmt. Teilweise wurden deshalb Engagements gar nicht gestartet oder schnell wieder abgebrochen. Man bleibt sich seiner Linie treu, nicht um jeden Preis zu wachsen. Southwest hat nur einmal eine andere Fluggesellschaft übernommen. Die Probleme und Kosten, die bei der Übernahme eines anderen Unternehmens auftreten, werden von vielen unterschätzt. Entscheidet sich Southwest allerdings in den Markt einzutreten, dann mit aller Vehemenz und Konzentration. Sofort wird mit hohen Frequenzen von bis zu 20 Flugverbindungen auf einer Strecke begonnen. Dies hat zur Folge, dass Southwest nur wenige neue Strecken pro Jahr eröffnet. Nur so ist dieser Ansatz möglich, ohne die eigenen Kräfte aufzusplitten und sich damit zu schwächen. Erstaunlich dabei ist die Tatsache, dass die hohe Anzahl an Flugverbindungen einen enormen Wachstumsschub vor Ort generiert und sich Southwest so selbst seine Nachfrage schafft.23 2.1.3 Die restlichen S-Elemente (skills / staff / style) Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Southwest ist in der Person des Fir- mengründers und ehemaligen CEO Herb Kelleher zu finden. „You have to treat your employees like your customers.“24 ist das Motto, welches noch heute in der Firma gilt. Für Southwest sind die Angestellten das Hauptkapital. Man hat er- kannt, dass ihre Zufriedenheit sich auf die Passagiere und somit auf das Geschäft niederschlägt. Southwest genießt einen hervorragenden Ruf bei den Passagieren. Hervorgehoben werden immer Freundlichkeit, Engagement und Kompetenz der 21 Vgl. Brooker, Katarina, [Fortune, 2001], Abschn. 7. 22 Vgl. Heuer, Steffan, [Economy, 2002], Abschn. 1. 23 Vgl. Spaeth, Andreas, [Geld, 1999], S. 30 - 32. 24 Brooker, Katarina, [Fortune, 2001], Abschn. 4.
-7- Mitarbeiter. Es ist gewollt, dass die Mitarbeiter selbständig Entscheidungen treffen, um die Kunden zufrieden zu stellen. Dadurch identifizieren sie sich mit ihrer Arbeit - ihre Effizienz steigt. Gründliche Personalgewinnung und umfang- reiche Personalentwicklung ermöglichen dies.25 „Wir sind eine sehr spaßorientierte Organisation.“26 Dieses Image wird bei Southwest gepflegt und durch ungewöhnliche Werbekampagnen aktiv nach außen getragen. Doch dies ist nur ein Teil des sprichwörtlichen esprit de corps bei Southwest, um den viele andere Unternehmen die Firma beneiden. Dieses starke „Wir“-Gefühl stammt noch aus den Anfangszeiten und hat sich über die Jahre entwickelt und wird sehr gepflegt. Dazu gehören auch die flachen, stark dezentra- lisierten Hierarchien im Management sowie die interne Firmenkommunikation. Aus diesen „weichen“ Faktoren sind Southwest greifbare Wettbewerbsvorteile erwachsen. Dazu passt, dass bei Southwest noch nie Personal aus wirtschaftlichen Gründen entlassen werden musste.27 Streiks sind bei Southwest ein Fremdwort, obwohl 81 Prozent der Belegschaft in einer Gewerkschaft sind.28 Durch langfris- tige Tarifverträge sind die Mitarbeiter zusätzlich zu ihrem Grundgehalt über Akti- en am Unternehmenserfolg beteiligt. So hat Southwest nie mit den Kosten und Imageschäden von Streiks zu kämpfen und hat eine sichere Planungsgrundlage. Insgesamt fällt auf, dass die Komplexität im Unternehmen sehr gering gehalten wird. Auf der Personalseite sind die Hierarchien niedrig, es herrscht ein gutes und produktives Arbeitsklima. Das Unternehmen gibt sich nach außen schnör- kellos einfach. Auf der Produktseite hat man durch einheitliche Flotte und einfaches Tarifsystem sowie der Konzentration auf das Kerngeschäft die Komplexität reduziert. Abb. 2-4: Das Getriebe des Erfolges (eigene Darstellung) Diese Maßnahmen ver- 25 Jedes Jahr bewerben sich 200.000 Menschen, aber nur 6.000 werden genommen. Vgl. dazu Heuer, Steffan, [Economy, 2002], Abschn. 2. 26 Peter McGlade (Vice President Schedule Planning) in: Spaeth, Andreas, [Geld, 1999], S. 30. 27 Vgl. Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 6. 28 Ebenda, S. 7 und S. 13. Vgl. dazu auch http://www.southwest.com.
-8- mindern und verhindern teilweise zeit- und geldraubende Friktionen zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen. Bei Southwest unterstützen sich Strategie, Effektivität und Effizienz im Wechselspiel mit den „weichen“ S-Faktoren gegen- seitig. Alle Elemente sind wie die Zahnräder eines Getriebes (siehe Abb. 2-4) per- fekt aufeinander abgestimmt und greifen problemlos ineinander. Sie tragen damit alle zur Wertschöpfung bei. Dieser gesamtheitliche Ansatz begründet den Erfolg von Southwest. 3 Übertragbarkeit und Umsetzung des Modells Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es in Europa Billigairlines. Was zuerst von den etablierten Fluggesellschaften belächelt wurde, hat sich heute zu einer ernsten Konkurrenz entwickelt. Auffallend ist, dass immer wieder Southwest Airlines als Vorbild genannt wird. Und doch findet man Unterschiede in der Umsetzung des Southwest-Modells. Es gibt Gesellschaften, die es eins zu eins übernommen haben. Andere wiederum differenzieren und selektieren einzelne Elemente. Zuerst soll aber geklärt werden, ob oder wie weit das Marktumfeld die Adaption beein- flusst und lenkt. 3.1 Das Marktumfeld Der nordamerikanische Luftverkehrsmarkt hat eine ca. 1,5 mal größere Fläche als der europäische (19,7 zu 12,7 Mio. km2). Europa erstreckt sich aus geographi- scher Sicht in seiner West-Ost-Ausdehnung von Island bis zum Uralgebirge. In Nord-Süd-Richtung stellen Skandinavien und Mittelmeerraum bis zum Schwarzen Meer oberhalb des Bosporus die Grenzen dar.29 Der nordamerikanische Markt besteht aus den USA und Kanada. Rechtlich sind die Märkte ähnlich. Der maßgebliche europäische Kernmarkt (EU) wurde 1997 dereguliert; der nordamerikanische Markt 1978. Trotz allem besteht der europäische Markt immer noch aus vielen souveränen Einzelstaaten, die ihre nationalen Interessen vertreten und unterschiedliche Bestimmungen betreffend Flugsicherheit oder Umweltschutz haben. Dies hat allerdings kaum Einfluss auf die Übertragbarkeit des Modells. 29 Die genaue Definition der Märkte lehnt sich in dieser Arbeit an die IATA Resolution 012 an. Vgl. dazu Arndt, Andreas, [Linienluftverkehr, 2001], S. 1ff.
-9- Wirtschaftlich betrachtet fällt auf, dass in Nordamerika eine viel höhere Luftver- kehrsleistung erbracht wird als in Europa. Und dies obwohl in Europa ca. 2,5 mal mehr Menschen leben und die Zahl der Wirtschaftszentren30, die einen Hauptteil der Nachfrage im Linienflugverkehr generieren, sogar leicht höher ist (113 zu 83). Ursachen dafür sind einerseits die geringeren Entfernungen in Europa. Anderer- seits ist die Infrastruktur im Bereich Bahn und Auto im Gegensatz zu Teilen Nordamerikas sehr gut entwickelt. Amerikaner sind auf Grund der großen Entfernungen gewohnt zu fliegen. In den USA beträgt die durchschnittliche Flugstrecke 1.485 km, in Europa nur 758 km.31 In Europa waren Auto und Bahn lange Zeit aus Kosten- und Infrastrukturgründen die Hauptverkehrsmittel. Durch die neuen Billiganbieter und die gestiegene Mobi- lität der Menschen holt das Flugzeug aber auf. Gerade das neue Kostenbewusst- sein lässt die Passagiere zu Billigairlines wechseln. Inzwischen ist es auch in Europa üblich, mittlere Strecken aus Zeitgründen mit dem Flugzeug zurückzu- legen. Trotzdem gibt es Hindernisse für die Umsetzung des Southwest-Modells. Es fehlt die große Anzahl an Städtepaaren wie in den USA, die man lohnend per Direktverbindung verknüpfen kann. Weiter kommt die Infrastruktur der Flughäfen hinzu. Europa hat nicht so viele praktische, billige und bequeme Sekundärflughä- fen wie die USA. Häufig sind es kleine Regionalflugplätze, teilweise ehemals militärisch genutzt, die weit außerhalb der Wirtschaftszentren liegen. Das Nach- fragepotential in diesen Regionen ist nicht sehr groß. Für Geschäftsreisende sind diese Flughäfen häufig aus Zeit- und Komfortgründen nicht attraktiv. Sozial gese- hen ist fraglich, ob sich die besondere Southwest-Spaßkultur übertragen lässt. In Europa sind die Kunden Dienstleistern gegenüber eher reserviert. Ferner verbin- den die meisten Europäer das Attribut „billig“ mit schlechter Qualität im Bereich Service und Wartung, was besonders in der Luftfahrt fatal ist. Das Umfeld ähnelt sich, ist aber nicht gleich. Obwohl ein Nachholbedarf in Euro- pa vorhanden ist,32 steigert sich die Nachfrage nach Flugleistungen relativ lang- sam. Der europäische Markt wird nie die nordamerikanischen Passagierzahlen 30 Wirtschaftszentrum: hohe regionale Bevölkerungsdichte, hohes verfügbares Einkommen, inten- sive Handelsbeziehungen - Stadt und Gebiet mit min. 250.000 Einwohnern deren BSP pro Kopf bei min. 10.000 USD liegt. Vgl. dazu ebenda, S. 3f. 31 Vgl. ebenda, S. 8. 32 In den USA haben die Low-cost-Airlines einen Anteil von rund 15%, in Europa nur von 3%. Vgl. dazu Machatschke, Michael, [Ryanair, 2001], S. 110.
- 10 - generieren können. Trotzdem kann das Southwest-Modell im europäischen Marktumfeld erfolgreich umgesetzt werden. 3.2 Die Airlines Bis die Low-cost-Carrier auf den Markt traten, dominierten die staatlichen Flug- gesellschaften den Markt. Mit starren Tarifverträgen und wenig flexiblem Mana- gement ausgestattet, waren diese Flag-Carrier kaum Wettbewerbsdruck ausge- setzt. Nach 1989 änderten sich die Umstände aber schnell. Nach Fall des eisernen Vorhangs und der kompletten Liberalisierung des europäische Luftraums hatten die etablierten Airlines durch die zahlreichen neuen Billigairlines ernstzunehmen- de Konkurrenz bekommen. Der 11. September 2001, die Flaute in der Weltwirt- schaft sowie ganz aktuell SARS haben die Kostenprobleme vieler Flag-Carrier extrem verschärft. Viele Geschäftsreisende, ehemals Vollzahler und somit eine der besten Einnahmequellen der Fluggesellschaften, sind deswegen weggefallen oder reisen günstiger. Dabei explodieren den traditionellen Fluggesellschaften die Kosten. Streiks sowie hohe Lohn- und Betriebskosten sind nur einige Gründe. Durch SARS hat der internationale Flugverkehr nach Asien bereits Einbußen bis zu 20% erlitten.33 Hiervon sind Billigairlines als quasi „Regionalfluggesellschaft“ kaum betroffen und expandieren weiter. Diese Expansion hat Folgen für den ge- samten Luftverkehr. Man konnte in den USA den Southwest-Effekt34 beobachten. Wo Southwest in den Markt einstieg, schnellten die Passagierzahlen in die Höhe, die Preise fielen, das Angebot wurde vergrößert und die Qualität verbesserte sich. Die Kunden profitierten vom freien Wettbewerb. In Europa ist dies ähnlich. Die Konkurse von Sabena oder Swissair und die aktuelle Situation amerikanischer Airlines dokumentieren die momentan sehr schwierige Marktsituation. Ständige Verbesserungen von Effizienz und Effektivität sind notwendig, um überdurch- schnittlich rentabel zu sein. Um sich aber nachhaltig im Wettbewerb durchzuset- zen, bedarf es mehr. Durch die vielen Aktivitäten zur Steigerung der betrieblichen Effektivität wird meist die Strategie vergessen. Und ohne sinnvolle und gelebte Strategie hat kaum ein Unternehmen überlebt.35 Um vor den massiven Herausfor- derungen zu bestehen, haben die Flag-Carrier verschiedene Konzepte entwickelt und setzen diese mit mehr oder weniger Erfolg um. 33 Vgl. http://www.lufthansa-financials.com/servlet/PB/menu/1028554_l1/index.html. 34 Vgl. Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 15 - 18. 35 Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 44.
- 11 - 3.2.1 Die Flag-Carrier Die größtenteils teilprivatisierten Flag-Carrier haben verschiedenen Konzepte entwickelt, um gegen die Billigairlines zu bestehen. KLM und British Airways (BA) versuchten, unter dem Dach der Konzernmutter Billigableger zu gründen. Man schraubte den Service zurück, reduzierte die Preise, flog mit Ein-Klassen- Bestuhlung und nutzte ältere Flugzeuge um Kosten zu sparen. Teile des Southwest-Modells waren übernommen worden. Man hoffte, damit erfolgreich arbeiten zu können. Doch diese Modelle waren alle nicht konsequent zu Ende gedacht. Man hatte nicht erkannt, worin der Erfolg von Southwest lag; in seinem Gesamtheitsansatz. Die neuen Tochtergesellschaften flogen immer noch die teuren, verstopften Hubs an. Das Gepäck wurde ebenfalls weitergeleitet. Somit waren keine kurzen Bodenzeiten mehr möglich und das Flugzeug wurde nicht effizient - in der Luft - genutzt. Die Kosten blieben letztendlich hoch, nur die Einnahmen sanken. Die Reisenden blieben aus, weil ihnen das Produkt keinen signifikanten Mehrnutzen brachte. Dazu kam, dass das schlechte Image der Töch- ter auf die Konzernmutter zurückschlug. Das Unternehmensbild wurde wegen der unklaren strategischen Ausrichtung teilweise erheblich beschädigt. Diese Engagements wurden wieder aufgegeben oder werden momentan verkauft.36 Andere Gesellschaften wiederum versuchen, über Allianzen mit anderen Flugge- sellschaften Synergie- und Skaleneffekte zur Kostensenkung zu nutzen. Auch nach innen hat sich ein scharfes Kostenbewusstsein gebildet. Lufthansa und BA haben teilweise rigide Sparkurse durchgezogen, überaltertes Fluggerät ausgemus- tert und versucht die Flottenstruktur zu vereinheitlichen. Lufthansa fliegt auf innerdeutschen Strecken teilweise zu ähnlichen Kosten pro Sitzmeile (ASM) wie Ryanair. Zusätzlich haben BA und Lufthansa ebenfalls die Möglichkeiten der Internet-Buchung ausgebaut, ihr Tarifsystem vereinfacht und die Preise für Früh- bucher gesenkt. Um die finanziellen Folgen des Kundenverlustes an die Billig- flieger auszugleichen, sind aber teilweise die Preise bei Langstreckenflügen gestiegen, da hier die Billiganbieter keine Konkurrenz sind. In den letzten Jahren haben diese Maßnahmen Erfolge gezeigt. Dennoch arbeiten die Flag-Carrier bei weitem nicht so effizient wie z. B. Ryanair.37 Hier ist noch Potential vorhanden. Dies ist für die Vollpreisairlines allerdings auch ein Vorteil. 36 Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 48 - 50. 37 Vgl. dazu Anhang 1 - Ertrag pro Mitarbeiter.
- 12 - Sie können die Kosten noch senken. Die Low-cost-Carrier haben ihr Kostensen- kungspotential schon fast vollständig ausgereizt.38 Andere Fluggesellschaften be- schreiten unterschiedliche Wege. AirFrance z. B. baut auf die Unterstützung der französischen Regierung im Kampf gegen die Billigflieger.39 So bekam easyJet in Paris-Orly keine Start- und Landerechte und wurde am Markteintritt gehindert. Es ist festzustellen, dass die Flag-Carrier nur Elemente des Southwest-Modells übernehmen können oder wollen. Durch das Alter der Gesellschaften haben sich Strukturen und Abläufe gebildet, die man nur unter großen Schwierigkeiten komplett umbauen könnte. Der Service mit vielen Flugverbindungen weltweit (Hub-and-spoke-Netze) könnte gar nicht zu Gunsten von Direktverbindungen aufgegeben werden. Erstens benötigt man dazu viele und vor allem große Flugzeuge, um auch interkontinental zu fliegen. Zweitens würden Millionen von Menschen, die nicht in der Nähe eines angeflogenen Flughafens leben, vom Luft- verkehr abgehängt - mit enormen Folgen für die Wirtschaft. Dagegen wurden im Bereich der Unternehmenskultur und dem Personal erfolgreich Anpassungen durchgeführt. Auch flexible Strategien, wie die der Lufthansa und deren klare strategische Ausrichtung auf das traditionelle, qualitativ hochwertige Geschäft geben der Airline eine relativ gute Ausgangsposition. Dazu passt, dass sich Luft- hansa über eine Beteiligung bei Germanwings zusätzlich im Billigfliegersektor engagiert. Trotz einzelner wesentlicher Anleihen beim Southwest-Modell lässt es sich aber nur begrenzt auf die Flag-Carrier übertragen. Lufthansa und z. B. BA werden deshalb nie Low-cost-Carrier im Sinne von Southwest werden. Aber sie werden sehr genau beobachten, analysieren und angemessen handeln müssen, wenn sie bestehen wollen.40 3.2.2 Die Low-cost-Carrier Vergleicht man die momentane Situation der Billigflieger mit der Lage der Flag- Carrier, tun sich zwei verschiedene Welten auf. Während auf der einen Seite die Verluste dramatisch steigen, operieren die Low-cost-Carrier teilweise sogar mit Gewinn. Vergleicht man die Märkte der Low-cost-Airlines, stellt man fest, dass es sich in Europa wie auch in den USA nur um einen regionalen Luftverkehrsmarkt 38 Vgl. Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin, [FTD, 2002], Abschn. 4. 39 Vgl. The Economist (Hrsg.), [Flag carriers, 2002], Abschn. 2. 40 Lufthansa hat am 14.05.03 einen operativen Verlust für das 1. Quartal 2003 in Höhe von 415 Mio. Euro bekannt gegeben. Vgl. dazu http://www.lufthansa-financials.com/servlet/PB/menu/1031732_l1/index.html.
- 13 - handelt. Keine der Gesellschaften fliegt interkontinental. Dies ist auch ein Grund, warum viele Billigflieger das Modell von Southwest übernommen haben. Sie sahen nach der Deregulierung der Luftfahrt in Europa ihre Chance gekommen, mit diesem erfolgreichen Konzept Geld zu verdienen. Anfangs war die Begeiste- rung auf dem Markt groß. Viele Fluggesellschaften wurden neu gegründet. Es herrschte eine Art Goldgräberstimmung bei Unternehmen wie Kunden. Mittler- weile ist diese Euphorie verflogen. Es hat sich gezeigt, dass undifferenziertes Übernehmen einzelner Elemente des Southwest-Modells allein noch keinen Er- folg bringt. Viele Fluggesellschaften sind wieder verschwunden oder übernom- men worden. Diejenigen, die noch im Markt sind, wachsen dafür unaufhörlich. Davon fallen besonders Ryanair und easyJet auf. Sie haben nicht nur Fragmente des Southwest-Modells übernommen. Sie haben konsequent das Gesamtpaket inklusive der Philosophie übernommen. Nuancen am Geschäftsmodell wurden trotzdem geändert. Obwohl bei beiden Airlines das Geschäft im Vergleich zur Branche hervorragend läuft, sehen sich beide Risiken gegenüber. Ereignisse wie SARS oder der 11. September haben kaum Auswirkungen. Die Gefahr liegt eher in der Struktur der Airlines. Southwest hat sein Wachstum immer relativ behutsam und kontrolliert aus eigener Kraft gestaltet. Im Gegensatz dazu wachsen Ryanair und easyJet rasant und bauen dementsprechend ihre Kapazitäten aus. So hat Ryanair 150 und easyJet 120 neue Flugzeuge bestellt. Dazu mehr in den folgenden Kapiteln. Erschwerend kommen die im Kapitel 3.1 angesprochenen europäischen Standort- faktoren wie z. B. geringere Passagierzahlen und weniger lukrative Direktverbin- dungen als im nordamerikanischen Markt hinzu. Damit sind die Wachstumschan- cen der Low-cost-Carrier langfristig begrenzt. „Nur in drei Marktsegmenten haben sie eine Chance: auf Hochpreisstrecken, auf Hauptstrecken mit vielen Passagieren und auf Nebenstrecken, die wenig bedient werden.“41 Regionalflug- häfen oder ehemalige Militärflugplätze stellen wie oben gesehen keine zufrieden- stellenden Alternativen dar. 3.2.2.1 Das Beispiel Ryanair Beim Thema Low-cost-Airline in Europa wird immer ein Name genannt: Ryanair. Die Fluggesellschaft, die das Southwest-Modell am genauesten kopiert hat, fliegt 41 Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin, [FTD, 2002], Abschn. 4.
- 14 - seit Jahren profitabel und weist Traumerträge aus.42 Damit hat Ryanair sogar das Vorbild Southwest übertrumpft. Zur Zeit wächst das Unternehmen um bis zu 40% pro Jahr. Nach Expertenmeinung liegt das daran, dass Ryanair das Southwest- Modell so konsequent ausführt.43 Der Service ist noch spartanischer, dafür sind die Preise sehr niedrig. Selbst die Versuche der Konkurrenz, Ryanair - wie damals Southwest - aus dem Markt zu drängen, haben nichts gebracht. Ryanair hat sich eine starke strategische Position erarbeitet. Durch die Berücksichtigung aller Elemente die auch Southwest zum Erfolg verholfen haben - klare Leitidee44 und Strategie, besonderes Firmenklima, Pflege des Underdog-Image, usw. - hat Ryanair seine Kosten und die Konkurrenz im Griff. Ryanair ist ein Beispiel dafür, dass nur der gesamtheitliche Ansatz des Southwest-Modells nachhaltig zum Erfolg führt. Trotzdem schwebt über Ryanair eine latente Bedrohung - das schnelle Wachs- tum.45 Ryanair hat zwar seine Kosten hervorragend im Griff und wird momentan durch die allgemeine Lage auch etwas bevorzugt. Man ist aber dabei, gewaltige Kapazitäten auf Seiten des Personals und des Fluggeräts aufzubauen.46 Um die hohen Erträge halten zu können, müssen diese ausgeweiteten Kapazitäten durch kontinuierliches Wachstum ausgelastet werden. Ryanair hat sich damit selbst in die Zwangslage gebracht, wachsen zu müssen. Southwest dagegen hat durch ihre Art des Wachstums immer angemessen reagieren können und ist flexibel geblie- ben. Die wichtigsten Wettbewerbsvorteile Ryanairs, geringe Kosten und große Flexibilität, könnten langsam verschwinden. Ryanair versucht in fünf Jahren das zu erreichen, was Southwest in dreißig Jahren geleistet hat. 3.2.2.2 Das Beispiel easyJet EasyJet hat das Southwest-Modell in einem wesentlichen Punkt anders interpre- tiert. Da ein hoher Anteil der Kunden (60%) Geschäftsreisende sind, hat sich easyJet entschlossen, in bestimmten Gebieten Nebenflughäfen nicht mehr anzu- fliegen und stattdessen besser gelegene, größere Flughäfen47 zu nutzen. Damit steigen in diesem Bereich die Kosten. Die kurzen Bodenzeiten und damit die hohe 42 Vgl. dazu Anhang 1. 43 Vgl. Machatschke, Michael, [Ryanair, 2001], S. 106. 44 „Wir müssen - müssen - müssen die niedrigsten Preise bieten.“ Michael O´Leary, Chef Ryanair in: Machatschke, Michael, [Ryanair, 2001], S. 111. 45 Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 56. 46 Ryanair hat 150 Boeing 737 bestellt und die Fluglinie Buzz übernommen. 47 Vgl. The Economist (Hrsg.), [Frills, 2001], Abschn. 1.
- 15 - Rentabilität der Flugzeuge ist kaum zu halten. Ein wichtiger Bestandteil des Modells wird aufgegeben. Zusätzlich gehen easyJet durch den zukünftigen Flottenmix aus Airbus A319 und Boeing-737 weitere Einsparungspotentiale verloren. Man erhöht im Unternehmen ohne Zwang die Komplexität. Es wird sich zeigen, ob dies ohne negative Folgen bleibt. Experten, die vor den steigenden Kosten gewarnt haben, wurden in den letzten Tagen bestätigt. Am 07.05.03 musste der Unternehmenschef Ray Webster einen Vorsteuerverlust für das erste Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres von 72 Mio. Euro bekannt geben. Dabei waren der Umsatz um 25% und die Passagierzahlen um 40% gestiegen.48 Die Unternehmensleitung sieht allerdings keinen Grund zur Besorgnis. Trotz allem hat sich easyJet auf dem Markt etabliert. Die Fluggesellschaft ist ne- ben Ryanair momentan der einzige ernstzunehmende Billigflieger in Europa. Beide Gesellschaften haben das Erfolgsmodell von Southwest fast vollständig übernommen und konnten den Erfolg in Europa wiederholen. Es ist nun interes- sant zu sehen, wie sich die Firmen entwickeln. Ryanair mit seiner fast Original- umsetzung bringt den Beweis, dass das Southwest-Konzept auch in Europa unter schwierigen Bedingungen funktioniert. EasyJet hat nach bisher erfolgreicher Umsetzung den Southwest-Pfad verlassen. Es wurden zwar nach außen hin nur kleine Änderungen am Modell vorgenommen, aber die Auswirkungen auf das „Getriebe“ sind evtl. schon durch den aktuellen Verlust zu sehen. Um dies aller- dings abschließend bewerten zu können, ist der Zeitraum noch zu kurz. 4 Entwicklungen in der Zukunft Ein Ausblick in die Zukunft gestaltet sich schwierig. Neben den greifbaren und kalkulierbaren Faktoren treten immer wieder unvorhergesehene Ereignisse wie z. B. Kriege, Terroranschläge oder Epidemien auf. Wie schwierig das Marktum- feld zur Zeit ist, kann man daran erkennen, dass Low-cost-Carrier wie z. B. Ryanair ihr geplantes Engagement auf Strecken innerhalb Deutschlands verscho- ben haben. Ferner darf gezweifelt werden, ob die Wachstumsprognosen mancher Experten auch eintreffen.49 Übereinstimmend wird aber vorhergesagt, dass sich in den nächsten zwei Jahren der Markt bereinigt haben wird und nur noch vier bis 48 Vgl. Financial Times Deutschland (Hrsg.), [FTD, 2003]. 49 In fünf Jahren sollen 28% der Kunden in Deutschland mit Billigfliegern reisen. Vgl. dazu Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin, [FTD, 2002], Abschn. 1.
- 16 - fünf Gesellschaften in Europa im Bereich der Billigairlines übrig bleiben.50 Diese Marktbereinigung hat der amerikanische Markt gezeigt und ist teilweise auch schon in Europa im Gange. Ein grundlegendes Problem für die Flag-Carrier könnten ihre teilweise sehr hohen Schulden werden. Dazu kommt noch der staat- liche Einfluss, da bisher nur wenige Airlines voll privatisiert sind. Diese Altlasten lähmen die Unternehmen und kosten benötigte Flexibilität. All diese Aussagen und Thesen sind in Anhang 2 zu fünf möglichen Szenarien zusammengefasst. 5 Schlussbetrachtung Was macht nun den Erfolg von Southwest aus? Die Gründer von Southwest haben aus einer Vielzahl von kleinen Einzelelementen und Tätigkeiten ein komplexes und funktionierendes System aufgebaut - das Unternehmen Southwest Airlines. Viele andere Airlines, besonders in Europa, haben das Erfolgsmodell übernom- men. Doch nur wenige Fluggesellschaften haben erkannt, dass nur das Modell in seiner Gesamtheit funktionieren kann. Bestes Beispiel dafür ist Ryanair. Als letzter Vertreter der reinen Southwest-Lehre erzielen sie in einem sehr schwieri- gen Geschäftsumfeld hervorragende Profite. Trotzdem ist das Southwest-Modell an sich flexibel. Ryanair hat es auf den europäischen Markt angepasst, dabei aber nie die Wechselwirkungen der Tätigkeiten untereinander vergessen. Aufgrund des Erfolges von Ryanair und auch easyJet denke ich, dass die Übertragbarkeit des Erfolgsmodells Southwest auf den europäischen Airlinemarkt erwiesen ist. Am Anfang aller Tätigkeiten steht die Vision. Ist diese eindeutig zum Ziel formuliert und alles konsequent auf dessen Erreichung ausgerichtetm, stellt sich der Erfolg ein, wie Southwest und Ryanair bewiesen haben und beweisen. Das Ziel eines Getriebes ist es, leicht zu laufen und die Kraft des Antriebs in Vortrieb umzuwandeln. Mit Unternehmen verhält es sich ähnlich. 50 Vgl. Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin, [FTD, 2002], Abschn. 2 - Wegen des geringe- ren Passagieraufkommens in Europa geht man davon aus, dass Gesellschaften mit weniger als 30 Flugzeugen stark in Bedrängnis kommen werden.
Lufthansa AG easyJet Southwest Airlines Ryanair (ab 2002 mit Go) Gesamtkonzern Passage 2002 2001 2002 2001 2002 2001 2002 2001 2002 2001 Ziele 58 58 327 339 327 339 76 32 16 Flugzeuge 375 355 344 345 322 322 41 36 64 26 beförderte 63 Mio. 64,4 Mio. 43,9 Mio. 45,7 Mio. 43,9 Mio. 45,7 Mio. 11,1 Mio. 8,1 Mio. 11,4 Mio. 7,11 Mio. Passagiere ∅-Mitarbeiter 33.705 31.580 94.135 87.975 34.021 33.983 1.531 1.476 3.315 1.600 Umsatz 4.789,5 4.818,5 16.971,4 16.690,0 10.461,2 10.362,5 624,1 487,4 770,5 498,3 Gewinn (netto) 209,0 443,3 716,8 -633,2 516,0 148,7 150,4 104,5 68,4 52,9 Ertrag pro 0,006200 0,01403 0,007614 -0,007197 0,015167 0,004355 0,098236 0,070799 0,020633 0,033062 Mitarbeiter Eigenkapital 3.835,2 3.481,7 4.125,2 3.498,1 k.A. 757,0 441,3 91,7 - 17 - Nettoumsatz- 4,4% 9,2% 4,2% -3,8% 4,9% 1,4% 24,1% 21,4% 8,9% 10,6% rendite Eigenkapital- 5,4% 12,7% 17,4% -18,1% k.A. 15,0% 15,5% 57,7%. rendite Schulden 2.590,5 3.093,4 7.795,8 6.863,4 887,3 607,4 471,4 191,6 Markt- 12.490,0 3.490,0 6.160,0 1.121,2 (Stand: 12.05.03) k.A. (Stand: 12.05.03) k.A. (Stand: 12.05.03) k.A. (Stand: 12.05.03) k.A. kapitalisierung alle Finanzbeträge in Mio. EUR Anmerkung: Es werden Geschäftsjahre und nicht kalendarische Jahre verglichen. Außerdem liegen teilweise unterschiedliche Bilanzierungs- verfahren vor. Wechselkurse vom 12.05.03: 1 US Dollar = 0,86738 Euro / 1 Britisches Pfund = 1,39632 Euro........................ Quellen (Stand: 12.05.03): Geschäftsberichte 2001 und 2002 von Southwest Airlines, Lufthansa, Ryanair und easyJet, zusätzlich: http://de.moneycentral.msn.com/investor/invsub/results/statemnt.asp............................................... Anhang 1: Vergleich Southwest, Lufthansa, Ryanair und easyJet
- 18 - Anhang 2: Szenarien der zukünftigen Entwicklung auf dem ... Airlinemarkt Die Billiganbieter übernehmen den Großteil der Kurzstrecken 1 und teilweise die Mittelstrecken. Der Rest, besonders das interkontinentale Geschäft, bleibt bei den Flag-Carriern. Die großen Gesellschaften bedienen weiter die Strecken 2 zwischen ihren Drehkreuzen. Die Billigairlines übernehmen die Nebenstrecken. Dies entspricht der momentanen Lage. Düsteres Szenario: Die großen Airlines und deren Hub-and- spoke-Netze sterben aus. Damit sind die Menschen benach- 3 teiligt, die nicht in der Nähe eines Flughafens wohnen, der von Billiganbietern angeflogen wird. Es besteht die Gefahr, Millionen von Bürgern vom Flugverkehr abzuhängen.51 Low-cost-Carrier und Flag-Carrier profitieren beide vom Southwest-Effekt.52 Sinkende Preise führen zu einem rapiden 4 Anstieg der Passagierzahlen. Das Flugzeug wird das tägliche Verkehrsmittel. Flag-Carrier werden teilweise selbst zu Low-cost-Carriern.53 5 Andere gründen selbst Low-cost-Airlines oder beteiligen sich an ihnen. 51 Vgl. Bond, David, [Hubs, 2002], S. 51 - 53. 52 Vgl. The Economist (Hrsg.), [Boeing, 2002], Abschn. 1. 53 Z. B. Olympic Airways, vgl. dazu The Economist (Hrsg.), [Flag carriers, 2002], Abschn. 1.
- 19 - Literaturverzeichnis Arndt, Andreas [Linienluftverkehr, 2001]: Der innereuropäische Linienluftver- kehr - Stylized Facts und ordnungspolitischer Rahmen, in: Andreas Knorr, Alfons Lemper, Axel Sell, Karl Wohlmuth (Hrsg.), Berichte aus dem Welt- wirtschaftlichen Colloquium der Universität Bremen, Nr. 73, Mai 2001 Baldwin, Heather [Southwest, 2001]: Southwest Airlines: 30 Years Young, in: Aviation Week & Space Technology Market Supplement (Sonderbeilage) in: Aviation Week & Space Technology, 2001, 154. Jg., Heft 24 vom 11.06.01, S. S1 - S10 Baratta, Mario von (Hrsg.) [Weltalmanach, 2003]: Der Fischer Weltalmanach 2003, 44. Aufl., Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2002 Bond, David [Hubs, 2002]: In Praise of Hubs and Spokes, in: Aviation Week & Space Technology, 2002, 157. Jg., Heft 25 vom 16.12.2002, S. 51 - 53 Brooker, Katarina [Fortune, 2001]: Herb Kelleher: The Chairman of the Board looks back, in: Fortune vom 14.05.2001, http://www.fortune.com/fortune/ articles/0,15114,373551,00.html (09.04.2003) Eberle Matthias [Handelsblatt, 2003]: Billigflieger profitieren von der Luftfahrt- krise, in: Handelsblatt Nr. 77 vom 22.04.2003, S. 9 Financial Times Deutschland (Hrsg.) [FTD, 2003]: Billigflieger Easyjet schreibt Verluste, in: Financial Times Deutschland vom 07.05.2003,. http://www. ftd.de/ub/di/1052037826742.html (08.05.2003) Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin [FTD, 2002]: Airlines: Wer fliegt zuerst?, in: Financial Times Deutschland vom 19.09.2002,. http://www. ftd.de/ub/di/1032245711108.html (09.04.2003) Heuer, Steffan [Economy, 2002]: Economy class, in: brand eins, 2002, Heft 1, http://www.brandeins.de/magazin/archiv/2002/ausgabe_01/was_wirtschaft_ treibt/artikel2.html (04.09.2003) Knorr, Andreas / Arndt, Andreas [Southwest, 2002]: Successful Entry Strate- gies on the Deregulated US Domestic Market - the Case of Southwest Airli- nes, in: Andreas Knorr, Alfons Lemper, Axel Sell, Karl Wohlmuth (Hrsg.), Materialien des Wissenschaftsschwerpunktes „Globalisierung der Weltwirt- schaft“, Bd. 22, Mai 2002 Machatschke, Michael [Ryanair, 2001]: Der Luftpirat, in: manager-magazin, 2001, 31. Jg., Heft 2 vom 01.02.2001, S. 104 - 111
- 20 - Peters, Thomas J. / Waterman, Robert H. [Suche, 2000]: Auf der Suche nach Spitzenleistungen: was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann, 8. Aufl., Landsberg am Lech: mvg-verlag, 2000 Porter, Michael E. [Strategie, 1997]: Im Brennpunkt: Nur Strategie sichert auf Dauer hohe Erträge, in: Harvard Business Manager, 1997, 19. Jg., Heft 3, S. 42 - 58 Spaeth, Andreas [Geld, 1999]: Southwest Airlines: Geld machen und Spaß haben, in: Flug Revue, 1999, 44. Jg., Heft 7, S. 28 - 34 The Economist (Hrsg.) [Low-cost, 2001]: The squeeze on Europe´s air fares, in: The Economist vom 24.05.2001, http://www.economist.com/displaystory. cfm?story_id=631632 (09.04.2003) The Economist (Hrsg.) [Frills, 2001]: No frills, plenty of promise, in: The Economist vom 01.11.2001,. http://www.economist.com/displaystory.cfm? story_id=843394 (09.04.2003) The Economist (Hrsg.) [Flag carriers, 2002]: Flag carriers at half-mast, in: The Economist vom 28.02.2002, http://www.economist.com/displaystory. cfm?story_id=1011322 (09.04.2003) The Economist (Hrsg.) [Boeing, 2002]: Bashing Boeing, in: The Economist vom 17.10.2002, http://www.economist.com/displaystory.cfm?story_id =1392784 (09.04.2003) http://www.southwest.com http://www.ryanair.com http://konzern.lufthansa.com/de/index.html http://www.easyjet.com http://de.moneycentral.msn.com/investor/invsub/results/statemnt.asp
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