Übertragbarkeit des Erfolgsmodells von Southwest Airlines auf den europäischen Airlinemarkt - Manfred Markieton

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Übertragbarkeit des Erfolgsmodells
  von Southwest Airlines auf den
    europäischen Airlinemarkt

            Manfred Markieton
       manfred.markieton@unibw-muenchen.de

               Wissenschaftliche Arbeit am
          Institut für Internationales Management
           Universität der Bundeswehr München
- II -

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis                                   III

Abkürzungsverzeichnis                                   IV

1   Einführung                                           1

2   Das Erfolgsmodell Southwest Airlines                 2
    2.1   Southwest Airlines im Fokus des 7S-Konzepts    2
          2.1.1   Die Leitidee                           3
                  (superordinate goals)
          2.1.2   Die Strategieumsetzung                 3
                  (strategy / structure / systems)
          2.1.3   Die restlichen S-Elemente              6
                  (skills / staff / style)

3   Übertragbarkeit und Umsetzung des Modells            8
    3.1   Das Marktumfeld                                8
    3.2   Die Airlines                                  10
          3.2.1   Die Flag-Carrier                      11
          3.2.2   Die Low-cost-Carrier                  12
                  3.2.2.1    Das Beispiel Ryanair       13
                  3.2.2.2    Das Beispiel easyJet       14

4   Entwicklungen in der Zukunft                        15

5   Schlussbetrachtung                                  16

Anhang 1                                                17

Anhang 2                                                18

Literaturverzeichnis                                    19
- III -

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2-1: Das 7S-Konzept                                                2

Abb. 2-2: Kostenvorteile einer typischen Discount-Fluglinie auf Kurz-   4
          strecken im Vergleich mit einer konventionellen Fluglinie

Abb. 2-3: Das Betätigungsraster von Southwest Airlines                  5

Abb. 2-4: Das Getriebe des Erfolges                                     7
- IV -

Abkürzungsverzeichnis

Abschn.           Abschnitt
ASM               Available Seat Mile
Aufl.             Auflage
BA                British Airways
ca.               cirka
CEO               Chief Executive Officer
d. h.             das heißt
eig.              eigene
EU                Europäische Union
EUR               Euro
Hrsg.             Herausgeber
IATA              International Air Transport Association
Jg.               Jahrgang
k. A.             keine Angabe
KLM               KLM Royal Dutch Airlines
km2               Quadratkilometer
min.              mindestens
Mio.              Millionen
Nr.               Nummer
S.                Seite
sog.              sogenannte
USA               Vereinigte Staaten von Amerika
USD               US Dollar
usw.              und so weiter
vgl.              vergleiche
z. B.             zum Beispiel
-1-

1   Einführung

„Keiner dieser Möchtegern-Billigflieger wird in seiner jetzigen Form die nächsten
fünf Jahre überleben. Entweder sie gehen pleite oder sie werden verkauft, weil sie
alle nur Verluste machen.“                                Michael O´Leary, Chef Ryanair1

Das gleiche Schicksal hatte man auch Southwest Airlines bei ihrer Unterneh-
mensgründung 1967 prophezeit. Doch nach erheblichen Startschwierigkeiten2
konnte sich ein Unternehmen entwickeln, das heute eine der größten amerikani-
schen und weltweiten Fluglinien und Vorbild für eine ganze Industrie ist. So
versuchen im europäischen Markt Southwest-Airlines-Klone, darunter z. B. Rya-
nair, Germanwings und easyJet, ihr Glück.

Die Zentrale Frage, mit der sich diese Arbeit beschäftigt lautet:
Ist dieses, für den nordamerikanischen Markt maßgeschneiderte Modell auf
Europa übertragbar?
Die meisten Nachahmer in Europa scheiterten; nur einige wenige schafften den
Sprung in die Gewinnzone.
          Was waren oder sind die Gründe dafür?
          Was macht den Erfolg von Southwest Airlines3 aus?
          Wie sieht ihr Konzept aus, welche Chancen und Risiken birgt es?

Um diese Fragen zu beantworten, soll zunächst die Southwest-Strategie anhand
des 7S-Konzepts4 analysiert und die Säulen des Erfolgsmodells herausgearbeitet
werden. Im Anschluss daran wird die Übertragbarkeit auf den europäischen Airli-
nemarkt geprüft. Besonders der Einfluss auf die großen europäische Fluggesell-
schaften (sog. Flag-Carrier) und ihre Reaktionen stehen im Vordergrund. Aber
auch die Billigfluglinien (sog. Low-cost-Carrier) selbst sind von Interesse.5 Stell-
vertretend werden die beiden Marktführer in diesem Segment, Ryanair und easy-
Jet, betrachtet. Wie haben sie das Modell übernommen, sind Probleme aufgetreten
und wo haben sich Grenzen gezeigt? Ein Ausblick in die Zukunft mit verschiede-
nen Szenarien und die Schlussbetrachtung schließen diese Arbeit ab.
1
  Eberle, Matthias, [Handelsblatt, 2003], S. 9.
2
  Nach jahrelangem Rechtsstreit mit Konkurrenten wäre das Unternehmen fast in Konkurs
  gegangen, ohne dass je ein Flugzeug geflogen wäre. Vgl. dazu Baldwin, Heather, [Southwest,
  2001], S. S3; auch Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 4.
3
  Im weiteren wird nur noch von Southwest gesprochen.
4
  Vgl. Peters, Thomas J. / Waterman, Robert H., [Suche, 2000], S. 30 - 34.
5
  Auf andere Anbieter wie Charterairlines oder den Executive-Markt wird hier nicht eingegangen.
-2-

2      Das Erfolgsmodell Southwest Airlines

2.1 Southwest Airlines im Fokus des 7S-Konzepts

                                                                  1977      entwickelten       zwei
                         Structure                                Unternehmensberater           der
                                             Harte Faktoren
                                                                  Firma McKinsey das 7S-
                                                                  Konzept (siehe Abb. 2-1).
     Strategy                                  Systems
                                                                  Thomas         J.   Peters   und
                                                                  Robert H. Waterman stell-
                         Superordi-                               ten      bei    Untersuchungen
                         nate Goals
                                                                  erfolgreicher         US-Firmen
                                                                  fest, dass deren Erfolg nicht
       Skills                                   Style
                                                                  nur      auf    Kosteneffizienz
                                                                  oder      Strategie     basierte,
                            Staff            W eiche Faktoren
                                                                  sondern aus einem Geflecht
                                                                  von sieben Variablen. Nicht
Abb. 2-1: Das 7S-Konzept (Peters / Waterman)                       das einzelne Element hatte
                                                                   die Unternehmen so groß
gemacht. Nur ihr gezieltes Zusammenwirken und die Beachtung ihrer
Abhängigkeiten voneinander brachte den Erfolg.6

Man unterscheidet harte und weiche S-Variablen. Die harten Elemente (grüne
Kreise) sind in der Regel durch Strategiepapiere, Pläne usw. greifbar und konkret.
Die vier weichen Faktoren sind dagegen schwer beschreibbar und kaum materiell
darstellbar. Sie entwickeln sich dauernd fort. Sie können kaum gezielt geplant
oder beeinflusst werden. Ihr Einfluss auf die harten Faktoren ist aber teilweise
erheblich und bestimmt häufig über Erfolg oder Misserfolg von Strukturen,
Strategien oder Systemen.

Sehr erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich laut Peters und Waterman dadurch
aus, dass sie die oben angesprochenen Wechselwirkungen kennen und ent-
sprechend handeln.7 Sie achten auf eine ausgeglichene Balance zwischen harten
und weichen Faktoren. Denn häufig werden die weichen S-Faktoren zu wenig
beachtet. Und gerade das macht den Unterschied aus. Southwest z. B. lebt diesen

6
    Vgl. Peters, Thomas J. / Waterman, Robert H., [Suche, 2000], S. 9.
7
    Vgl. Peters, Thomas J. / Waterman, Robert H., [Suche, 2000], S. 32f.
-3-

ganzheitlichen Ansatz. Im Folgenden wird ihr Erfolgsmodell anhand der
7S-Elemente dargestellt.

2.1.1. Die Leitidee (superordinate goals)

„The misson of Southwest Airlines is dedication to the highest quality of Cus-
tomer Service delivered with a sense of warmth, friendliness, individual pride, and
Company Spirit.“8                                            Mission Statement Southwest

Diese Aussage von Southwest Airlines beschreibt die Grundphilosophie des
Unternehmens. Southwest sieht sich als low-cost, low-fare, no-frills, high-
frequency, short-haul, point-to-point-service9 Fluggesellschaft, die ihren Kunden
den Service und die Dienste anbietet, die diese wollen und auch zufrieden stellt.
Southwest hat erkannt, dass man dem Kunden ein Produkt anbieten muss, das ihm
einen höheren Wert bietet als das des Konkurrenten oder einen ähnlichen Wert zu
niedrigeren Preisen oder beides.10 Mit dieser Idee fliegt die sicherste und pünkt-
lichste Airline Nordamerikas seit 1973 ununterbrochen in der Gewinnzone.11

2.1.2 Die Strategieumsetzung (strategy / structure / systems)

Nach Porter bedeutet betriebliche Effektivität, vergleichbare Tätigkeiten besser
auszuführen als die Konkurrenz. Konträr dazu bedeutet strategische Positionie-
rung, bei Konkurrenten nicht übliche Tätigkeiten zu betreiben oder auch dort
übliche Tätigkeiten auf andere Weise auszuführen.12 Southwest hat das Linien-
fluggeschäft nicht neu erfunden. Es hat lediglich Effektivität und Strategie mit
verschiedenen Maßnahmen wie hoher Kosteneffizienz verknüpft.

Southwest hat sich darauf festgelegt, preiswerte Kurzstrecken-Direktflüge
zwischen mittelgroßen Städten sowie Nebenflughäfen in oder in der Nähe von
Großstädten anzubieten. Als Hauptkonkurrenten werden dabei Bus und Auto
angesehen. Deswegen setzt Southwest auf hohe Frequenzen auf den Flugstrecken.
Kostengründe, kurze Bodenzeiten13 und sehr geringe Verspätungen sind die
Gründe, warum man diese Flughäfen nutzt. Dadurch sind die Flugzeuge der

8
   Vgl. http://www.southwest.com/about_swa.
9
   Vgl. Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 15 - 18.
10
   Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 43ff.
11
   Vgl. http://www.southwest.com/investor_relations/swaar00.pdf, S. 7.
12
   Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 43.
13
   Flag-Carrier: 45 und 60 Minuten - Low-cost-Carrier: 15 und 30 Minuten.
-4-

Southwest-Flotte bis zu 12 Stunden am Tag in der Luft, 3 Stunden oder 1-2 Flüge
mehr als bei anderen Airlines. Begünstigt durch diese hohe Nutzung hatte
Southwest die niedrigsten operativen Kosten der US-amerikanischen Luftfahrt mit
7,50 Cents per ASM im 1. Quartal 2003.14 (siehe auch Abb. 2-2)

Mit seinem Angebot spricht Southwest verschiedene Kundenschichten an. Neben
preisbewussten Urlaubern oder Studenten fliegen auch viele Geschäftsreisende
                                                         mit Southwest. Die hohe Flug-
                                   Kostenvorteil
Operative Vorteile                                       dichte zwischen den Städten, die
Höhere Sitzdichte                             16%        Pünktlichkeit und die meist besse-
Intensivere Flugzeugnutzung                    3%        re Verkehrsanbindung der von
Geringere Crew-Kosten                          3%        Southwest angeflogenen Flugplät-
Billigere Flughäfen                            6%
                                                         ze machen sie bei Passagieren so
Flottenstandardisierung und
                                                2%       beliebt. Vielerorts werden neue
Fremdvergabe der Wartung
Produkt- und Servicevorteile                             Firmenstandorte nur in direkter
Geringere Kosten für Betreuung
                                              10%        Nähe      zu    Southwest-Flughäfen
am Boden und Abfertigung
Keine freie Bewirtung an Bord                   6%       gebaut. Dass es dabei keine Bord-
Marketingvorteile                                        karten,       Sitzplatzreservierungen,
Einsparung von                                           keine First- oder Business Class
                                                8%
Verkaufsprovisionen
                                                         und kein warmes Essen an Bord
Geringerer Verkaufs- und
                                                3%       gibt, stört keinen Fluggast. Die
Reservierungsaufwand
Sonstige Vorteile                                        Airline spart Geld und Zeit und
Kleinere Verwaltung                             2%       gibt dies an die Kunden weiter.
Summe:                                        59%        Denen ist es wichtig, möglichst
                                                         günstig und pünktlich zu reisen.
Abb. 2-2: Kostenvorteile einer typischen Discount-
          Fluglinie auf Kurzstrecken im Vergleich        Dazu trägt bei, dass Southwest in
          mit einer konventionellen Fluglinie
          (Quelle: Rigas Doganis15)                      keiner Allianz mit anderen Flug-
                                                         gesellschaften vertreten ist. Da-
durch müssen keine verspäteten Anschlussflüge abgewartet und Gepäck zeitrau-
bend umgeladen werden.16

Teilweise wird Southwest der fehlende Service von Konkurrenten vorgeworfen.
Und trotzdem ist Southwest seit Jahren wegen ihrer Pünktlichkeit und dem zuver-

14
   Vgl. http://www.southwest.com/about_swa/press/prindex.html.
15
   Vgl. Machatschke, Michael, [Ryanair, 2001], S. 106.
16
   Vgl. Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 12ff.
-5-

lässigen Gepäckservice in den Statistiken die beliebteste Airline in Amerika.17
Ebenfalls einen großen Teil trägt das Personal bei, welches immer freundlich und
flexibel ist.18 Eigeninitiative wird von der Unternehmensleitung gewünscht und
gefördert. Auch dass Southwest die Tickets über Internet, Automaten oder per
Telefon verkauft, spart dem Kunden Zeit und der Gesellschaft Kosten.19

Einen wesentlichen Beitrag zu den niedrigen Kosten trägt die einheitliche Flotte
von Boeing-737 Flugzeugen bei. Als Großabnehmer und Launch Customer hat
Southwest teilweise schon erhebliche Nachlässe auf seine neuen Flugzeuge erhal-
ten. Außerdem erleichtert und verbilligt eine einheitliche Flotte die Ausbildung
von Crew und Bodenpersonal sowie die Ersatzteilbeschaffung bzw. -bevorratung.
Durch das Wegfallen der Küchen ist die Kabine größer, d. h. bei Southwest - im
Gegensatz zu anderen Low-cost-Carriern - aber nicht, dass diese auch enger
bestuhlt wäre. Der Sitzabstand ist einer der größten international.20

All diese Erfolgsfaktoren des Southwest-Konzeptes hat Michael E. Porter in ei-
nem Betätigungsraster zusammengefasst (siehe Abb. 2-3). Man kann erkennen,

                                                       Eingeschränkter              Kein
                            Keine
                                                         Service für              Gepäck-
                        Bordverpflegung
                                                        die Fluggäste             umschlag

                                                                                                  Keine
                   Keine                                                                        Anschlüsse
             Platzreservierung                                                                  an andere
                                                         Begrenzter                             Fluglinien
                                                        Rückgriff auf
                                                         Reisebüros
         Häufige,            Abfertigung
                                                                                                        Kurze Direkt-
                                                                            Standartisierte             flüge zw ischen
        verlässliche        am Terminal in                                                           mittelgroßen Städten
       Abflugtermine                                                         B-737-Flotte               und kleineren
                             15 Minuten
                                                                                                           Flughäfen

                                                         Flugschein-
                                                         automaten
        Gut bezahlte
                                      Sparsames
        M itarbeiter
                                 und hochproduktives                     Sehr niedrige
                                   Boden- und Ab-
                                                                          Flugpreise
                                  fertigungspersonal
          Flexible
      Vereinbarungen
      mit den Gewerk-             Hohe
                              M itarbeiter-              Hochgradige                      „Southw est
          schaften                                                                       the low -fare
                             beteiligung am            Flugzeugnutzung
                             Grundkapital                                                   airline“

     Abb. 2-3: Das Betätigungsraster von Southwest Airlines
               (Quelle: Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 54)

17
   Vgl. http://www.southwest.com/investor_relations/swaar02.pdf, S. 8.
18
   Baldwin, Heather, [Southwest, 2001], S. S9.
19
   Vgl. Baldwin, Heather, [Southwest, 2001], S. S8. Vgl. dazu auch Vgl. Heuer, Steffan,
   [Economy, 2002], Abschn. 3 und 4.
20
   Vgl. Spaeth, Andreas, [Geld, 1999], S. 30.
-6-

dass die kritischen Erfolgsfaktoren (weiß markiert) jeweils von einem Bündel
anderer Faktoren (blau markiert) unterstützt werden bzw. daraus erst entstehen.
Gut zu sehen ist der hohe Vernetzungsgrad aller Aktivitäten im Geschäftsmodell
von Southwest.

Einer der wichtigsten Punkte bei Southwest war immer, dass ein moderates aber
stetiges und damit nachhaltiges Wachstum aus eigener Kraft angestrebt wurde.21
Das Unternehmen hat dadurch die geringste Schuldenquote aller Fluggesellschaf-
ten weltweit,22 bleibt unabhängig und spart die Kosten für die Zinsen. Viele
Fluggesellschaften leiden heute darunter, dass sie hohe Kredite kaum zurückzah-
len können und die Zinszahlungen erheblich zu Buche schlagen. Dazu kommt,
dass Southwest sehr genau abwägt, ob sie eine neue Strecke ins Programm auf-
nimmt. Teilweise wurden deshalb Engagements gar nicht gestartet oder schnell
wieder abgebrochen. Man bleibt sich seiner Linie treu, nicht um jeden Preis zu
wachsen. Southwest hat nur einmal eine andere Fluggesellschaft übernommen.
Die Probleme und Kosten, die bei der Übernahme eines anderen Unternehmens
auftreten, werden von vielen unterschätzt. Entscheidet sich Southwest allerdings
in den Markt einzutreten, dann mit aller Vehemenz und Konzentration. Sofort
wird mit hohen Frequenzen von bis zu 20 Flugverbindungen auf einer Strecke
begonnen. Dies hat zur Folge, dass Southwest nur wenige neue Strecken pro Jahr
eröffnet. Nur so ist dieser Ansatz möglich, ohne die eigenen Kräfte aufzusplitten
und sich damit zu schwächen. Erstaunlich dabei ist die Tatsache, dass die hohe
Anzahl an Flugverbindungen einen enormen Wachstumsschub vor Ort generiert
und sich Southwest so selbst seine Nachfrage schafft.23

2.1.3 Die restlichen S-Elemente (skills / staff / style)

Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Southwest ist in der Person des Fir-
mengründers und ehemaligen CEO Herb Kelleher zu finden. „You have to treat
your employees like your customers.“24 ist das Motto, welches noch heute in der
Firma gilt. Für Southwest sind die Angestellten das Hauptkapital. Man hat er-
kannt, dass ihre Zufriedenheit sich auf die Passagiere und somit auf das Geschäft
niederschlägt. Southwest genießt einen hervorragenden Ruf bei den Passagieren.
Hervorgehoben werden immer Freundlichkeit, Engagement und Kompetenz der

21
   Vgl. Brooker, Katarina, [Fortune, 2001], Abschn. 7.
22
   Vgl. Heuer, Steffan, [Economy, 2002], Abschn. 1.
23
   Vgl. Spaeth, Andreas, [Geld, 1999], S. 30 - 32.
24
   Brooker, Katarina, [Fortune, 2001], Abschn. 4.
-7-

Mitarbeiter. Es ist gewollt, dass die Mitarbeiter selbständig Entscheidungen
treffen, um die Kunden zufrieden zu stellen. Dadurch identifizieren sie sich mit
ihrer Arbeit - ihre Effizienz steigt. Gründliche Personalgewinnung und umfang-
reiche Personalentwicklung ermöglichen dies.25

„Wir sind eine sehr spaßorientierte Organisation.“26 Dieses Image wird bei
Southwest gepflegt und durch ungewöhnliche Werbekampagnen aktiv nach außen
getragen. Doch dies ist nur ein Teil des sprichwörtlichen esprit de corps bei
Southwest, um den viele andere Unternehmen die Firma beneiden. Dieses starke
„Wir“-Gefühl stammt noch aus den Anfangszeiten und hat sich über die Jahre
entwickelt und wird sehr gepflegt. Dazu gehören auch die flachen, stark dezentra-
lisierten Hierarchien im Management sowie die interne Firmenkommunikation.
Aus diesen „weichen“ Faktoren sind Southwest greifbare Wettbewerbsvorteile
erwachsen. Dazu passt, dass bei Southwest noch nie Personal aus wirtschaftlichen
Gründen entlassen werden musste.27 Streiks sind bei Southwest ein Fremdwort,
obwohl 81 Prozent der Belegschaft in einer Gewerkschaft sind.28 Durch langfris-
tige Tarifverträge sind die Mitarbeiter zusätzlich zu ihrem Grundgehalt über Akti-
en am Unternehmenserfolg beteiligt. So hat Southwest nie mit den Kosten und
Imageschäden von Streiks zu kämpfen und hat eine sichere Planungsgrundlage.

Insgesamt fällt auf, dass die Komplexität im Unternehmen sehr gering gehalten
wird. Auf der Personalseite sind die Hierarchien niedrig, es herrscht ein gutes und
                                                                 produktives Arbeitsklima.
                                                                 Das     Unternehmen        gibt
                                                                 sich nach außen schnör-
                                                                 kellos einfach. Auf der
                                                                 Produktseite       hat     man
                                                                 durch einheitliche Flotte
                                                                 und einfaches Tarifsystem
                                                                 sowie der Konzentration
                                                                 auf das Kerngeschäft die
                                                                 Komplexität          reduziert.
Abb. 2-4: Das Getriebe des Erfolges (eigene Darstellung)
                                                                 Diese Maßnahmen ver-

25
   Jedes Jahr bewerben sich 200.000 Menschen, aber nur 6.000 werden genommen. Vgl. dazu
   Heuer, Steffan, [Economy, 2002], Abschn. 2.
26
   Peter McGlade (Vice President Schedule Planning) in: Spaeth, Andreas, [Geld, 1999], S. 30.
27
   Vgl. Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 6.
28
   Ebenda, S. 7 und S. 13. Vgl. dazu auch http://www.southwest.com.
-8-

mindern und verhindern teilweise zeit- und geldraubende Friktionen zwischen den
einzelnen Unternehmensbereichen. Bei Southwest unterstützen sich Strategie,
Effektivität und Effizienz im Wechselspiel mit den „weichen“ S-Faktoren gegen-
seitig. Alle Elemente sind wie die Zahnräder eines Getriebes (siehe Abb. 2-4) per-
fekt aufeinander abgestimmt und greifen problemlos ineinander. Sie tragen damit
alle zur Wertschöpfung bei. Dieser gesamtheitliche Ansatz begründet den Erfolg
von Southwest.

3      Übertragbarkeit und Umsetzung des Modells

Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es in Europa Billigairlines. Was zuerst von
den etablierten Fluggesellschaften belächelt wurde, hat sich heute zu einer ernsten
Konkurrenz entwickelt. Auffallend ist, dass immer wieder Southwest Airlines als
Vorbild genannt wird. Und doch findet man Unterschiede in der Umsetzung des
Southwest-Modells. Es gibt Gesellschaften, die es eins zu eins übernommen
haben. Andere wiederum differenzieren und selektieren einzelne Elemente. Zuerst
soll aber geklärt werden, ob oder wie weit das Marktumfeld die Adaption beein-
flusst und lenkt.

3.1 Das Marktumfeld

Der nordamerikanische Luftverkehrsmarkt hat eine ca. 1,5 mal größere Fläche als
der europäische (19,7 zu 12,7 Mio. km2). Europa erstreckt sich aus geographi-
scher Sicht in seiner West-Ost-Ausdehnung von Island bis zum Uralgebirge. In
Nord-Süd-Richtung stellen Skandinavien und Mittelmeerraum bis zum Schwarzen
Meer oberhalb des Bosporus die Grenzen dar.29 Der nordamerikanische Markt
besteht aus den USA und Kanada.

Rechtlich sind die Märkte ähnlich. Der maßgebliche europäische Kernmarkt (EU)
wurde 1997 dereguliert; der nordamerikanische Markt 1978. Trotz allem besteht
der europäische Markt immer noch aus vielen souveränen Einzelstaaten, die ihre
nationalen Interessen vertreten und unterschiedliche Bestimmungen betreffend
Flugsicherheit oder Umweltschutz haben. Dies hat allerdings kaum Einfluss auf
die Übertragbarkeit des Modells.

29
     Die genaue Definition der Märkte lehnt sich in dieser Arbeit an die IATA Resolution 012 an.
     Vgl. dazu Arndt, Andreas, [Linienluftverkehr, 2001], S. 1ff.
-9-

Wirtschaftlich betrachtet fällt auf, dass in Nordamerika eine viel höhere Luftver-
kehrsleistung erbracht wird als in Europa. Und dies obwohl in Europa ca. 2,5 mal
mehr Menschen leben und die Zahl der Wirtschaftszentren30, die einen Hauptteil
der Nachfrage im Linienflugverkehr generieren, sogar leicht höher ist (113 zu 83).
Ursachen dafür sind einerseits die geringeren Entfernungen in Europa. Anderer-
seits ist die Infrastruktur im Bereich Bahn und Auto im Gegensatz zu Teilen
Nordamerikas sehr gut entwickelt.

Amerikaner sind auf Grund der großen Entfernungen gewohnt zu fliegen. In den
USA beträgt die durchschnittliche Flugstrecke 1.485 km, in Europa nur 758 km.31
In Europa waren Auto und Bahn lange Zeit aus Kosten- und Infrastrukturgründen
die Hauptverkehrsmittel. Durch die neuen Billiganbieter und die gestiegene Mobi-
lität der Menschen holt das Flugzeug aber auf. Gerade das neue Kostenbewusst-
sein lässt die Passagiere zu Billigairlines wechseln. Inzwischen ist es auch in
Europa üblich, mittlere Strecken aus Zeitgründen mit dem Flugzeug zurückzu-
legen. Trotzdem gibt es Hindernisse für die Umsetzung des Southwest-Modells.
Es fehlt die große Anzahl an Städtepaaren wie in den USA, die man lohnend per
Direktverbindung verknüpfen kann. Weiter kommt die Infrastruktur der Flughäfen
hinzu. Europa hat nicht so viele praktische, billige und bequeme Sekundärflughä-
fen wie die USA. Häufig sind es kleine Regionalflugplätze, teilweise ehemals
militärisch genutzt, die weit außerhalb der Wirtschaftszentren liegen. Das Nach-
fragepotential in diesen Regionen ist nicht sehr groß. Für Geschäftsreisende sind
diese Flughäfen häufig aus Zeit- und Komfortgründen nicht attraktiv. Sozial gese-
hen ist fraglich, ob sich die besondere Southwest-Spaßkultur übertragen lässt. In
Europa sind die Kunden Dienstleistern gegenüber eher reserviert. Ferner verbin-
den die meisten Europäer das Attribut „billig“ mit schlechter Qualität im Bereich
Service und Wartung, was besonders in der Luftfahrt fatal ist.

Das Umfeld ähnelt sich, ist aber nicht gleich. Obwohl ein Nachholbedarf in Euro-
pa vorhanden ist,32 steigert sich die Nachfrage nach Flugleistungen relativ lang-
sam. Der europäische Markt wird nie die nordamerikanischen Passagierzahlen

30
   Wirtschaftszentrum: hohe regionale Bevölkerungsdichte, hohes verfügbares Einkommen, inten-
   sive Handelsbeziehungen - Stadt und Gebiet mit min. 250.000 Einwohnern deren BSP pro Kopf
   bei min. 10.000 USD liegt. Vgl. dazu ebenda, S. 3f.
31
   Vgl. ebenda, S. 8.
32
   In den USA haben die Low-cost-Airlines einen Anteil von rund 15%, in Europa nur von 3%.
   Vgl. dazu Machatschke, Michael, [Ryanair, 2001], S. 110.
- 10 -

generieren können. Trotzdem kann das Southwest-Modell im europäischen
Marktumfeld erfolgreich umgesetzt werden.

3.2 Die Airlines

Bis die Low-cost-Carrier auf den Markt traten, dominierten die staatlichen Flug-
gesellschaften den Markt. Mit starren Tarifverträgen und wenig flexiblem Mana-
gement ausgestattet, waren diese Flag-Carrier kaum Wettbewerbsdruck ausge-
setzt. Nach 1989 änderten sich die Umstände aber schnell. Nach Fall des eisernen
Vorhangs und der kompletten Liberalisierung des europäische Luftraums hatten
die etablierten Airlines durch die zahlreichen neuen Billigairlines ernstzunehmen-
de Konkurrenz bekommen. Der 11. September 2001, die Flaute in der Weltwirt-
schaft sowie ganz aktuell SARS haben die Kostenprobleme vieler Flag-Carrier
extrem verschärft. Viele Geschäftsreisende, ehemals Vollzahler und somit eine
der besten Einnahmequellen der Fluggesellschaften, sind deswegen weggefallen
oder reisen günstiger. Dabei explodieren den traditionellen Fluggesellschaften die
Kosten. Streiks sowie hohe Lohn- und Betriebskosten sind nur einige Gründe.
Durch SARS hat der internationale Flugverkehr nach Asien bereits Einbußen bis
zu 20% erlitten.33 Hiervon sind Billigairlines als quasi „Regionalfluggesellschaft“
kaum betroffen und expandieren weiter. Diese Expansion hat Folgen für den ge-
samten Luftverkehr. Man konnte in den USA den Southwest-Effekt34 beobachten.
Wo Southwest in den Markt einstieg, schnellten die Passagierzahlen in die Höhe,
die Preise fielen, das Angebot wurde vergrößert und die Qualität verbesserte sich.
Die Kunden profitierten vom freien Wettbewerb. In Europa ist dies ähnlich.

Die Konkurse von Sabena oder Swissair und die aktuelle Situation amerikanischer
Airlines dokumentieren die momentan sehr schwierige Marktsituation. Ständige
Verbesserungen von Effizienz und Effektivität sind notwendig, um überdurch-
schnittlich rentabel zu sein. Um sich aber nachhaltig im Wettbewerb durchzuset-
zen, bedarf es mehr. Durch die vielen Aktivitäten zur Steigerung der betrieblichen
Effektivität wird meist die Strategie vergessen. Und ohne sinnvolle und gelebte
Strategie hat kaum ein Unternehmen überlebt.35 Um vor den massiven Herausfor-
derungen zu bestehen, haben die Flag-Carrier verschiedene Konzepte entwickelt
und setzen diese mit mehr oder weniger Erfolg um.

33
   Vgl. http://www.lufthansa-financials.com/servlet/PB/menu/1028554_l1/index.html.
34
   Vgl. Knorr, Andreas / Arndt, Andreas, [Southwest, 2002], S. 15 - 18.
35
   Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 44.
- 11 -

3.2.1 Die Flag-Carrier

Die größtenteils teilprivatisierten Flag-Carrier haben verschiedenen Konzepte
entwickelt, um gegen die Billigairlines zu bestehen. KLM und British Airways
(BA) versuchten, unter dem Dach der Konzernmutter Billigableger zu gründen.
Man schraubte den Service zurück, reduzierte die Preise, flog mit Ein-Klassen-
Bestuhlung und nutzte ältere Flugzeuge um Kosten zu sparen. Teile des
Southwest-Modells waren übernommen worden. Man hoffte, damit erfolgreich
arbeiten zu können. Doch diese Modelle waren alle nicht konsequent zu Ende
gedacht. Man hatte nicht erkannt, worin der Erfolg von Southwest lag; in seinem
Gesamtheitsansatz. Die neuen Tochtergesellschaften flogen immer noch die
teuren, verstopften Hubs an. Das Gepäck wurde ebenfalls weitergeleitet. Somit
waren keine kurzen Bodenzeiten mehr möglich und das Flugzeug wurde nicht
effizient - in der Luft - genutzt. Die Kosten blieben letztendlich hoch, nur die
Einnahmen sanken. Die Reisenden blieben aus, weil ihnen das Produkt keinen
signifikanten Mehrnutzen brachte. Dazu kam, dass das schlechte Image der Töch-
ter auf die Konzernmutter zurückschlug. Das Unternehmensbild wurde wegen der
unklaren strategischen Ausrichtung teilweise erheblich beschädigt. Diese
Engagements wurden wieder aufgegeben oder werden momentan verkauft.36

Andere Gesellschaften wiederum versuchen, über Allianzen mit anderen Flugge-
sellschaften Synergie- und Skaleneffekte zur Kostensenkung zu nutzen. Auch
nach innen hat sich ein scharfes Kostenbewusstsein gebildet. Lufthansa und BA
haben teilweise rigide Sparkurse durchgezogen, überaltertes Fluggerät ausgemus-
tert und versucht die Flottenstruktur zu vereinheitlichen. Lufthansa fliegt auf
innerdeutschen Strecken teilweise zu ähnlichen Kosten pro Sitzmeile (ASM) wie
Ryanair. Zusätzlich haben BA und Lufthansa ebenfalls die Möglichkeiten der
Internet-Buchung ausgebaut, ihr Tarifsystem vereinfacht und die Preise für Früh-
bucher gesenkt. Um die finanziellen Folgen des Kundenverlustes an die Billig-
flieger auszugleichen, sind aber teilweise die Preise bei Langstreckenflügen
gestiegen, da hier die Billiganbieter keine Konkurrenz sind.

In den letzten Jahren haben diese Maßnahmen Erfolge gezeigt. Dennoch arbeiten
die Flag-Carrier bei weitem nicht so effizient wie z. B. Ryanair.37 Hier ist noch
Potential vorhanden. Dies ist für die Vollpreisairlines allerdings auch ein Vorteil.

36
     Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 48 - 50.
37
     Vgl. dazu Anhang 1 - Ertrag pro Mitarbeiter.
- 12 -

Sie können die Kosten noch senken. Die Low-cost-Carrier haben ihr Kostensen-
kungspotential schon fast vollständig ausgereizt.38 Andere Fluggesellschaften be-
schreiten unterschiedliche Wege. AirFrance z. B. baut auf die Unterstützung der
französischen Regierung im Kampf gegen die Billigflieger.39 So bekam easyJet in
Paris-Orly keine Start- und Landerechte und wurde am Markteintritt gehindert.

Es ist festzustellen, dass die Flag-Carrier nur Elemente des Southwest-Modells
übernehmen können oder wollen. Durch das Alter der Gesellschaften haben sich
Strukturen und Abläufe gebildet, die man nur unter großen Schwierigkeiten
komplett umbauen könnte. Der Service mit vielen Flugverbindungen weltweit
(Hub-and-spoke-Netze) könnte gar nicht zu Gunsten von Direktverbindungen
aufgegeben werden. Erstens benötigt man dazu viele und vor allem große
Flugzeuge, um auch interkontinental zu fliegen. Zweitens würden Millionen von
Menschen, die nicht in der Nähe eines angeflogenen Flughafens leben, vom Luft-
verkehr abgehängt - mit enormen Folgen für die Wirtschaft. Dagegen wurden im
Bereich der Unternehmenskultur und dem Personal erfolgreich Anpassungen
durchgeführt. Auch flexible Strategien, wie die der Lufthansa und deren klare
strategische Ausrichtung auf das traditionelle, qualitativ hochwertige Geschäft
geben der Airline eine relativ gute Ausgangsposition. Dazu passt, dass sich Luft-
hansa über eine Beteiligung bei Germanwings zusätzlich im Billigfliegersektor
engagiert. Trotz einzelner wesentlicher Anleihen beim Southwest-Modell lässt es
sich aber nur begrenzt auf die Flag-Carrier übertragen. Lufthansa und z. B. BA
werden deshalb nie Low-cost-Carrier im Sinne von Southwest werden. Aber sie
werden sehr genau beobachten, analysieren und angemessen handeln müssen,
wenn sie bestehen wollen.40

3.2.2 Die Low-cost-Carrier

Vergleicht man die momentane Situation der Billigflieger mit der Lage der Flag-
Carrier, tun sich zwei verschiedene Welten auf. Während auf der einen Seite die
Verluste dramatisch steigen, operieren die Low-cost-Carrier teilweise sogar mit
Gewinn. Vergleicht man die Märkte der Low-cost-Airlines, stellt man fest, dass es
sich in Europa wie auch in den USA nur um einen regionalen Luftverkehrsmarkt

38
   Vgl. Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin, [FTD, 2002], Abschn. 4.
39
   Vgl. The Economist (Hrsg.), [Flag carriers, 2002], Abschn. 2.
40
   Lufthansa hat am 14.05.03 einen operativen Verlust für das 1. Quartal 2003 in Höhe von 415
   Mio. Euro bekannt gegeben.
   Vgl. dazu http://www.lufthansa-financials.com/servlet/PB/menu/1031732_l1/index.html.
- 13 -

handelt. Keine der Gesellschaften fliegt interkontinental. Dies ist auch ein Grund,
warum viele Billigflieger das Modell von Southwest übernommen haben. Sie
sahen nach der Deregulierung der Luftfahrt in Europa ihre Chance gekommen,
mit diesem erfolgreichen Konzept Geld zu verdienen. Anfangs war die Begeiste-
rung auf dem Markt groß. Viele Fluggesellschaften wurden neu gegründet. Es
herrschte eine Art Goldgräberstimmung bei Unternehmen wie Kunden. Mittler-
weile ist diese Euphorie verflogen. Es hat sich gezeigt, dass undifferenziertes
Übernehmen einzelner Elemente des Southwest-Modells allein noch keinen Er-
folg bringt. Viele Fluggesellschaften sind wieder verschwunden oder übernom-
men worden. Diejenigen, die noch im Markt sind, wachsen dafür unaufhörlich.
Davon fallen besonders Ryanair und easyJet auf. Sie haben nicht nur Fragmente
des Southwest-Modells übernommen. Sie haben konsequent das Gesamtpaket
inklusive der Philosophie übernommen. Nuancen am Geschäftsmodell wurden
trotzdem geändert.

Obwohl bei beiden Airlines das Geschäft im Vergleich zur Branche hervorragend
läuft, sehen sich beide Risiken gegenüber. Ereignisse wie SARS oder der 11.
September haben kaum Auswirkungen. Die Gefahr liegt eher in der Struktur der
Airlines. Southwest hat sein Wachstum immer relativ behutsam und kontrolliert
aus eigener Kraft gestaltet. Im Gegensatz dazu wachsen Ryanair und easyJet
rasant und bauen dementsprechend ihre Kapazitäten aus. So hat Ryanair 150 und
easyJet 120 neue Flugzeuge bestellt. Dazu mehr in den folgenden Kapiteln.
Erschwerend kommen die im Kapitel 3.1 angesprochenen europäischen Standort-
faktoren wie z. B. geringere Passagierzahlen und weniger lukrative Direktverbin-
dungen als im nordamerikanischen Markt hinzu. Damit sind die Wachstumschan-
cen der Low-cost-Carrier langfristig begrenzt. „Nur in drei Marktsegmenten
haben sie eine Chance: auf Hochpreisstrecken, auf Hauptstrecken mit vielen
Passagieren und auf Nebenstrecken, die wenig bedient werden.“41 Regionalflug-
häfen oder ehemalige Militärflugplätze stellen wie oben gesehen keine zufrieden-
stellenden Alternativen dar.

3.2.2.1 Das Beispiel Ryanair

Beim Thema Low-cost-Airline in Europa wird immer ein Name genannt: Ryanair.
Die Fluggesellschaft, die das Southwest-Modell am genauesten kopiert hat, fliegt

41
     Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin, [FTD, 2002], Abschn. 4.
- 14 -

seit Jahren profitabel und weist Traumerträge aus.42 Damit hat Ryanair sogar das
Vorbild Southwest übertrumpft. Zur Zeit wächst das Unternehmen um bis zu 40%
pro Jahr. Nach Expertenmeinung liegt das daran, dass Ryanair das Southwest-
Modell so konsequent ausführt.43 Der Service ist noch spartanischer, dafür sind
die Preise sehr niedrig. Selbst die Versuche der Konkurrenz, Ryanair - wie damals
Southwest - aus dem Markt zu drängen, haben nichts gebracht. Ryanair hat sich
eine starke strategische Position erarbeitet. Durch die Berücksichtigung aller
Elemente die auch Southwest zum Erfolg verholfen haben - klare Leitidee44 und
Strategie, besonderes Firmenklima, Pflege des Underdog-Image, usw. - hat
Ryanair seine Kosten und die Konkurrenz im Griff. Ryanair ist ein Beispiel dafür,
dass nur der gesamtheitliche Ansatz des Southwest-Modells nachhaltig zum
Erfolg führt.

Trotzdem schwebt über Ryanair eine latente Bedrohung - das schnelle Wachs-
tum.45 Ryanair hat zwar seine Kosten hervorragend im Griff und wird momentan
durch die allgemeine Lage auch etwas bevorzugt. Man ist aber dabei, gewaltige
Kapazitäten auf Seiten des Personals und des Fluggeräts aufzubauen.46 Um die
hohen Erträge halten zu können, müssen diese ausgeweiteten Kapazitäten durch
kontinuierliches Wachstum ausgelastet werden. Ryanair hat sich damit selbst in
die Zwangslage gebracht, wachsen zu müssen. Southwest dagegen hat durch ihre
Art des Wachstums immer angemessen reagieren können und ist flexibel geblie-
ben. Die wichtigsten Wettbewerbsvorteile Ryanairs, geringe Kosten und große
Flexibilität, könnten langsam verschwinden. Ryanair versucht in fünf Jahren das
zu erreichen, was Southwest in dreißig Jahren geleistet hat.

3.2.2.2 Das Beispiel easyJet

EasyJet hat das Southwest-Modell in einem wesentlichen Punkt anders interpre-
tiert. Da ein hoher Anteil der Kunden (60%) Geschäftsreisende sind, hat sich
easyJet entschlossen, in bestimmten Gebieten Nebenflughäfen nicht mehr anzu-
fliegen und stattdessen besser gelegene, größere Flughäfen47 zu nutzen. Damit
steigen in diesem Bereich die Kosten. Die kurzen Bodenzeiten und damit die hohe

42
   Vgl. dazu Anhang 1.
43
   Vgl. Machatschke, Michael, [Ryanair, 2001], S. 106.
44
   „Wir müssen - müssen - müssen die niedrigsten Preise bieten.“ Michael O´Leary, Chef Ryanair
   in: Machatschke, Michael, [Ryanair, 2001], S. 111.
45
   Vgl. Porter, Michael E., [Strategie, 1997], S. 56.
46
   Ryanair hat 150 Boeing 737 bestellt und die Fluglinie Buzz übernommen.
47
   Vgl. The Economist (Hrsg.), [Frills, 2001], Abschn. 1.
- 15 -

Rentabilität der Flugzeuge ist kaum zu halten. Ein wichtiger Bestandteil des
Modells wird aufgegeben. Zusätzlich gehen easyJet durch den zukünftigen
Flottenmix aus Airbus A319 und Boeing-737 weitere Einsparungspotentiale
verloren. Man erhöht im Unternehmen ohne Zwang die Komplexität. Es wird sich
zeigen, ob dies ohne negative Folgen bleibt. Experten, die vor den steigenden
Kosten gewarnt haben, wurden in den letzten Tagen bestätigt. Am 07.05.03
musste der Unternehmenschef Ray Webster einen Vorsteuerverlust für das erste
Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres von 72 Mio. Euro bekannt geben. Dabei
waren der Umsatz um 25% und die Passagierzahlen um 40% gestiegen.48 Die
Unternehmensleitung sieht allerdings keinen Grund zur Besorgnis.

Trotz allem hat sich easyJet auf dem Markt etabliert. Die Fluggesellschaft ist ne-
ben Ryanair momentan der einzige ernstzunehmende Billigflieger in Europa.
Beide Gesellschaften haben das Erfolgsmodell von Southwest fast vollständig
übernommen und konnten den Erfolg in Europa wiederholen. Es ist nun interes-
sant zu sehen, wie sich die Firmen entwickeln. Ryanair mit seiner fast Original-
umsetzung bringt den Beweis, dass das Southwest-Konzept auch in Europa unter
schwierigen Bedingungen funktioniert. EasyJet hat nach bisher erfolgreicher
Umsetzung den Southwest-Pfad verlassen. Es wurden zwar nach außen hin nur
kleine Änderungen am Modell vorgenommen, aber die Auswirkungen auf das
„Getriebe“ sind evtl. schon durch den aktuellen Verlust zu sehen. Um dies aller-
dings abschließend bewerten zu können, ist der Zeitraum noch zu kurz.

4      Entwicklungen in der Zukunft

Ein Ausblick in die Zukunft gestaltet sich schwierig. Neben den greifbaren und
kalkulierbaren Faktoren treten immer wieder unvorhergesehene Ereignisse wie
z. B. Kriege, Terroranschläge oder Epidemien auf. Wie schwierig das Marktum-
feld zur Zeit ist, kann man daran erkennen, dass Low-cost-Carrier wie z. B.
Ryanair ihr geplantes Engagement auf Strecken innerhalb Deutschlands verscho-
ben haben. Ferner darf gezweifelt werden, ob die Wachstumsprognosen mancher
Experten auch eintreffen.49 Übereinstimmend wird aber vorhergesagt, dass sich in
den nächsten zwei Jahren der Markt bereinigt haben wird und nur noch vier bis

48
     Vgl. Financial Times Deutschland (Hrsg.), [FTD, 2003].
49
     In fünf Jahren sollen 28% der Kunden in Deutschland mit Billigfliegern reisen. Vgl. dazu
     Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin, [FTD, 2002], Abschn. 1.
- 16 -

fünf Gesellschaften in Europa im Bereich der Billigairlines übrig bleiben.50 Diese
Marktbereinigung hat der amerikanische Markt gezeigt und ist teilweise auch
schon in Europa im Gange. Ein grundlegendes Problem für die Flag-Carrier
könnten ihre teilweise sehr hohen Schulden werden. Dazu kommt noch der staat-
liche Einfluss, da bisher nur wenige Airlines voll privatisiert sind. Diese Altlasten
lähmen die Unternehmen und kosten benötigte Flexibilität. All diese Aussagen
und Thesen sind in Anhang 2 zu fünf möglichen Szenarien zusammengefasst.

5      Schlussbetrachtung

Was macht nun den Erfolg von Southwest aus? Die Gründer von Southwest haben
aus einer Vielzahl von kleinen Einzelelementen und Tätigkeiten ein komplexes
und funktionierendes System aufgebaut - das Unternehmen Southwest Airlines.
Viele andere Airlines, besonders in Europa, haben das Erfolgsmodell übernom-
men. Doch nur wenige Fluggesellschaften haben erkannt, dass nur das Modell in
seiner Gesamtheit funktionieren kann. Bestes Beispiel dafür ist Ryanair. Als
letzter Vertreter der reinen Southwest-Lehre erzielen sie in einem sehr schwieri-
gen Geschäftsumfeld hervorragende Profite. Trotzdem ist das Southwest-Modell
an sich flexibel. Ryanair hat es auf den europäischen Markt angepasst, dabei aber
nie die Wechselwirkungen der Tätigkeiten untereinander vergessen. Aufgrund des
Erfolges von Ryanair und auch easyJet denke ich, dass die Übertragbarkeit des
Erfolgsmodells Southwest auf den europäischen Airlinemarkt erwiesen ist.

Am Anfang aller Tätigkeiten steht die Vision. Ist diese eindeutig zum Ziel
formuliert und alles konsequent auf dessen Erreichung ausgerichtetm, stellt sich
der Erfolg ein, wie Southwest und Ryanair bewiesen haben und beweisen. Das
Ziel eines Getriebes ist es, leicht zu laufen und die Kraft des Antriebs in Vortrieb
umzuwandeln. Mit Unternehmen verhält es sich ähnlich.

50
     Vgl. Genger, Jenny / Flottau, Jens / Done, Kevin, [FTD, 2002], Abschn. 2 - Wegen des geringe-
     ren Passagieraufkommens in Europa geht man davon aus, dass Gesellschaften mit weniger als
     30 Flugzeugen stark in Bedrängnis kommen werden.
Lufthansa AG                                                                        easyJet
                     Southwest Airlines                                                                              Ryanair                      (ab 2002 mit Go)
                                                      Gesamtkonzern             Passage
                      2002              2001          2002     2001        2002        2001                   2002             2001          2002               2001
    Ziele              58                58           327       339         327         339                    76                             32                 16
  Flugzeuge           375               355           344       345         322         322                    41               36            64                 26
  beförderte
                    63 Mio.           64,4 Mio.    43,9 Mio.          45,7 Mio.   43,9 Mio.   45,7 Mio.    11,1 Mio.          8,1 Mio.    11,4 Mio.          7,11 Mio.
  Passagiere
∅-Mitarbeiter        33.705            31.580        94.135            87.975      34.021      33.983         1.531            1.476         3.315             1.600
   Umsatz           4.789,5           4.818,5       16.971,4          16.690,0    10.461,2    10.362,5        624,1            487,4         770,5             498,3
Gewinn (netto)       209,0             443,3         716,8             -633,2      516,0       148,7          150,4            104,5          68,4              52,9
  Ertrag pro
                   0,006200           0,01403      0,007614           -0,007197   0,015167    0,004355     0,098236           0,070799    0,020633           0,033062
 Mitarbeiter
 Eigenkapital       3.835,2           3.481,7       4.125,2            3.498,1                               k.A.            757,0         441,3              91,7
                                                                                                                                                                                                                                                - 17 -

Nettoumsatz-
                      4,4%              9,2%          4,2%             -3,8%        4,9%        1,4%         24,1%             21,4%         8,9%              10,6%
   rendite
Eigenkapital-
                      5,4%             12,7%         17,4%             -18,1%                                k.A.            15,0%        15,5%              57,7%.
   rendite
  Schulden          2.590,5           3.093,4       7.795,8            6.863,4                              887,3            607,4         471,4             191,6
   Markt-           12.490,0                        3.490,0                                                 6.160,0                        1.121,2
                  (Stand: 12.05.03)
                                        k.A.      (Stand: 12.05.03)
                                                                        k.A.                            (Stand: 12.05.03)
                                                                                                                                k.A.     (Stand: 12.05.03)
                                                                                                                                                                k.A.
kapitalisierung
                                                                                                                                               alle Finanzbeträge in Mio. EUR

Anmerkung: Es werden Geschäftsjahre und nicht kalendarische Jahre verglichen. Außerdem liegen teilweise unterschiedliche Bilanzierungs-
            verfahren vor. Wechselkurse vom 12.05.03: 1 US Dollar = 0,86738 Euro / 1 Britisches Pfund = 1,39632 Euro........................
Quellen (Stand: 12.05.03): Geschäftsberichte 2001 und 2002 von Southwest Airlines, Lufthansa, Ryanair und easyJet, zusätzlich:
                            http://de.moneycentral.msn.com/investor/invsub/results/statemnt.asp...............................................
                                                                                                                                                                                Anhang 1: Vergleich Southwest, Lufthansa, Ryanair und easyJet
- 18 -

Anhang 2: Szenarien der zukünftigen Entwicklung auf dem ...
          Airlinemarkt

                      Die Billiganbieter übernehmen den Großteil der Kurzstrecken
               1      und teilweise die Mittelstrecken. Der Rest, besonders das
                      interkontinentale Geschäft, bleibt bei den Flag-Carriern.

                      Die großen Gesellschaften bedienen weiter die Strecken

              2       zwischen ihren Drehkreuzen. Die Billigairlines übernehmen
                      die Nebenstrecken. Dies entspricht der momentanen Lage.

                      Düsteres Szenario: Die großen Airlines und deren Hub-and-
                      spoke-Netze sterben aus. Damit sind die Menschen benach-

               3      teiligt, die nicht in der Nähe eines Flughafens wohnen, der
                      von Billiganbietern angeflogen wird. Es besteht die Gefahr,
                      Millionen von Bürgern vom Flugverkehr abzuhängen.51

                      Low-cost-Carrier und Flag-Carrier profitieren beide vom
                      Southwest-Effekt.52 Sinkende Preise führen zu einem rapiden
              4       Anstieg der Passagierzahlen. Das Flugzeug wird das tägliche
                      Verkehrsmittel.

                      Flag-Carrier werden teilweise selbst zu Low-cost-Carriern.53
               5      Andere gründen selbst Low-cost-Airlines oder beteiligen sich
                      an ihnen.

51
   Vgl. Bond, David, [Hubs, 2002], S. 51 - 53.
52
   Vgl. The Economist (Hrsg.), [Boeing, 2002], Abschn. 1.
53
   Z. B. Olympic Airways, vgl. dazu The Economist (Hrsg.), [Flag carriers, 2002], Abschn. 1.
- 19 -

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