Beschäftigung - dabei Austria

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Beschäftigung - dabei Austria
Beschäftigung                                                     2019

Potenziale von Menschen mit Behinderung sichern!

Die Essl Foundation
in Kooperation mit

                                            6
                                            Expertendiskussion:
                                            Digitalisierung
                                            als Chance

                                            14
                                            Inklusion bringt
                                            auch Wettbewerbs-
                                            vorteile

                                            26
19                    Mit Behinderung
                      als Selbstständiger
                      arbeiten? Sicher!
                                            Good Practices:
                                            53 Beispiele zeigen
                                            es vor!
Beschäftigung - dabei Austria
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

Nachhaltige Partnerschaften
Die Brau Union Österreich ermöglicht und unterstützt in ihren Betrieben
nachhaltige soziale Partnerschaften und Produkte.

            Nachhaltige Partnerschaften und                                                           Schlüsselanhänger aus Kronkorken
            Projekte mit sozialen Organisationen.                                                     von Jugend am Werk Graz.

A    ls größtes Brauereiunternehmen des Lan-
     des ist es für die Brau Union Österreich
selbstverständlich, ihrer gesellschaftlichen        Kooperation an mehreren
                                                                                                      Das Diakoniewerk Schladming ermög-
                                                                                                       licht Menschen mit geistiger und mehr-
                                                                                                       facher Behinderung individuelle und
und sozialen Verantwortung nachzukommen.            Brauereistandorten                                 bedürfnisorientierte Beschäftigungs-
„Brewing a better World“ nennt sich die              alpha nova in Graz unterstützt Men-              möglichkeiten. Als Projektpartner des
Nachhaltigkeitsstrategie von Heineken, der            schen mit Beeinträchtigung in der be-            Diakoniewerks Schladming bietet die
sich auch die Brau Union Österreich als Teil          ruflichen Integration. Im Rahmen einer           Brauerei Schladming Menschen mit Be-
der internationalen Heineken-Familie ver-             Kooperation mit alpha nova beschäftigt           einträchtigung eine sinnvolle Beschäf-
schreibt. Dazu gehören auch nachhaltige so-           die Brauerei Puntigam Menschen mit               tigung, sie nehmen am beruflichen
ziale Partnerschaften und Projekte. Die Brau          Beeinträchtigung.                                Arbeitsleben teil und haben eine geord-
Union Österreich möchte mit diesen langfris-                                                           nete Tagesstruktur.
tigen Kooperationen Menschen mit Beein-                                                               assista Soziale Dienste Vöcklabruck ent-
trächtigung, die es schwer am Arbeitsmarkt                                                             wickelt Lebensperspektiven in der Integ-
haben, eine sinnvolle Tätigkeit ermöglichen.                                                           ration von Menschen mit Beeinträchti-       Fotos: Brau Union Österreich (2), Bubu Dujmic/Brau Union Österreich
                                                                                                       gung. 2016 hat assista mit der Brauerei
Schlüsselanhänger aus Kronkorken                                                                       Zipf eine Kooperation gestartet, die vier
Jugend am Werk entwickelt Lebenspers-                                                                  Menschen, die es am Arbeitsmarkt
pektiven in der Behindertenintegration.                                                                schwer haben, eine sinnvolle integrative
2016 haben Jugend am Werk Steiermark                                                                   Beschäftigung ermöglicht.
und das Projekt „Re-Use-Design“ mit der                                                               Der Verein Arge Chance in Schwechat ist
Brau Union Österreich eine Kooperation                                                                 ein vom AMS und Land Niederösterreich
gestartet:                                                                                             geförderter sozialökonomischer Be-
Menschen mit Beeinträchtigung fertigen                                                                 schäftigungsbetrieb, der erwerbslosen
aus Kronkorken sowie aus Stoffresten einer                                                             Menschen Arbeitsplätze, Arbeitstraining
regionalen Trachtenfirma Schlüsselbänder,                                                              sowie soziale Betreuung auf Zeit bietet.
die als Kundengeschenke verwendet wer-                                                                 Seit fünf Jahren besteht eine Koopera-
den. So hat knapp ein Dutzend Menschen                                                                 tion mit der Brauerei Schwechat – Men-
mit Beeinträchtigung eine sinnvolle Be-             „Brewing a better World“, die Nachhaltigkeits-     schen mit Beeinträchtigung finden hier
schäftigung.                                        strategie von Heineken.                            eine sinnvolle Beschäftigung.

                                                                   Beschäftigung
                                                                          2
Beschäftigung - dabei Austria
Inhalt                                                      Round Table: Sind die kommenden
                                                                                 Veränderungen in Ausbildung und
                                                                                                                                                                     Chefs berichten:
                                                                                                                                                                Erfahrungen aus der Sicht
                                                                                  Arbeitswelt Chance oder Gefahr?                                                 von Führungskräften.

                                                                        06                                                                                                       14

                      Cover: Dorothea Brozek arbeitet
                     als Selbstständige – wie viele an-
                     dere Menschen mit Behinderung.

                                                                        26                                                                                                     48
                                                                                    Good Practices: 53 Unter-                                                 Checkliste: So können neue
                                                                                 nehmen und ihre Erfahrungen mit                                              Beschäftigungsverhältnisse
                                                                                  Mitarbeitern mit Behinderung.                                                 erfolgreich entstehen.

                                                     Vorwort
                     D
                                ie Mehrheit der Menschen mit Behinderung ist von                                 mehr dazu erfahren will: Videos dazu gibt es auf Youtube und
                                einer vollwertigen Beschäftigung weit entfernt. Dabei                            www.zeroproject.org.
                                verlieren alle: die betroffenen Menschen, die Arbeitge-                          Kürzlich haben die ersten 13 Jugendlichen mit fünf unterschied-
                                ber und die Gesellschaft als Ganzes. Diese Beilage                               lichen Behinderungen einen Lehrgang der „inclusive IT-Acade-
                     wird von der Essl Foundation heuer zum dritten Mal in Zusam-                                my“ abgeschlossen und mit einem Cisco-Zertifikat in Cybersecu-
                     menarbeit mit der „Presse“ erstellt: Im Mittelpunkt stehen 53 Vor-                          rity alle Chancen auf Arbeitsplätze in der IT-Branche.
                     zeigebeispiele für eine gelungene Integration, die vor allem auch                           Kofinanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Digitalisie-
                     zeigen, dass die Beschäftigung für Unternehmen Sinn macht. Sie                              rung und Wirtschaftsstandort hat die Essl Foundation dies ge-
                     gewinnen Talente, Teamgeist, Loyalität und erschließen neue                                 meinsam mit Cisco Systems, der HTL Wien-Rennweg, der FH Jo-
                     Umsatzpotenziale.                                                                           anneum und Arbeitgebern organisiert, die bereits Arbeitsplätze in
                     Die Essl Foundation unterstützt die Anliegen von Menschen mit                               Aussicht gestellt haben. Ein Leitfaden zeigt Unternehmen und
                     Behinderung auf vielfältige Weise: Seit 2017 werden die Zero Pro-                           Ausbildungseinrichtungen, wie sie dem Beispiel folgen können
                     ject Unternehmensdialoge veranstaltet und die Sonderpreise der                              (Download unter www.zeroproject.org)!
                     Austria‘s Leading Companies vergeben (siehe Seiten 46/47). Wer                                                   Martin Essl, Gründer der Essl Foundation
Fotos: beigestellt

                      Impressum: Medieninhaberin und Herausgeberin: Essl Foundation, c/o Haus der Philanthropie, Schottenring 16/3, 1010 Wien. • Produktion: „Die Presse“-Verlags-GmbH & Co KG,
                     Hainburger Straße 33, 1030 Wien. • Geschäftsführung: Mag. Herwig Langanger, Rainer Nowak. • Umsetzung: „Die Presse“-Spezialredaktion, Mag. Astrid Müllner, Mag. Michael Köttritsch,
                        MA. • Redaktion und Koordination: Mag. Nikola Miksovsky, Wolfgang Pozsogar, Elisabeth Stuppnig, MA. • Koordination Essl Foundation: Dr. Michael Fembek, Mag. Michael Pichler.
                          • Artdirection: Matthias Eberhart. Grafik/Produktion: Thomas Kiener, Christian Stutzig, Alexander Schindler. • Druck: DruckStyria GmbH & Co KG, Styriastraße 20, 8042 Graz.

                                                                                                           Beschäftigung
                                                                                                                     3
Beschäftigung - dabei Austria
Mehr als 1000

Großer Erfolg des
                                                                                                           Jugendliche
                                                                                                           nutzten ihr
                                                                                                           Recht auf

Ö3-Aktionstages für                                                                                        Ausbildung

Lehrlinge                                                                                                  S    chon seit 2016 gibt es in
                                                                                                                Österreich ein Ausbildungs-
                                                                                                           pflichtgesetz. Es soll jedem Ju-
                                                                                                           gendlichen im Anschluss an die
                                                                                                           Pflichtschule einen höherqualifi-
                                                                                                           zierten Abschluss im weiterfüh-
                                                                                                           renden Bildungssystem ermög-
                                                                                                           lichen. Ziel ist ein betrieblicher
                                                                                                           Lehrabschluss oder zumindest
                                                                                                           eine Teilqualifizierung mit
                                                                                                           Unterstützung durch Beratung,
                                                                                                           Begleitung und eine differen-
                                                                                                           zierte Angebotslandschaft.
                                                                                                           Auch Jugendliche mit Behinde-
                                                                         Aktionstag auf Ö3: Franz-         rung sind in dieses Gesetz ein-
                                                                           Joseph Huainigg mit             geschlossen. Die gesetzliche
                                                                         Ö3-Chef Georg Spatt und           Regelung soll bessere Erwerbs-
                                                                         Moderator Philipp Hansa.          chancen für die Betroffenen und
                                                                                                           eine Verringerung des Fachkräf-

Potenziale                                         Ö3 bei den Bewerbern und Bewerberinnen
                                                   nachfragen“, erzählt Franz-Joseph Huainigg,
                                                                                                           temangels bringen. Die ersten,
                                                                                                           die diese Pflicht oder besser

aufzeigen                                          der selbst im Rollstuhl sitzt, viele Jahre Na-
                                                   tionalratsabgeordneter war und nun im ORF
                                                                                                           dieses Recht zur Ausbildung
                                                                                                           haben, schlossen mit Ende des
                                                   für Humanitarian Broadcasting verantwort-               Schuljahrs 2016/17 ihre allge-

D     ie 16-jährige Tirolerin Magdalena sagte
      Anfang Mai auf Hitradio Ö3 offen, was
sie tagtäglich anzipft: „Mir geht’s auf die
                                                   lich ist.
                                                   Huainigg ist stolz auf solche Aktivitäten des
                                                   ORF zur Inklusion von Behinderten und das
                                                                                                           meine Schulpflicht ab. Im Vor-
                                                                                                           jahr wurde es deshalb ernst:
                                                                                                           Rund 2000 Jugendliche dieses
Nerven, dass man mir einfach nichts zutraut.       große Echo, das die Aktionen in der Öffent-             Jahrgangs, die sich in keiner
Ich sitze im Rollstuhl, aber trotzdem kann         lichkeit finden: „Die Ö3-Aktion und die TV-              Ausbildung befanden, wurden
ich was leisten!“ Resultat der starken Ansage      Sendereihe ‚Ziemlich bestes Team‘ in Kon-               kontaktiert und bei der Wieder-
im Rahmen eines Ö3-Aktionstages, bei dem           kret haben aufgezeigt, welches Potenzial in             aufnahme einer Lehre oder einer
Lehrstellen für Jugendliche mit Behinderung        Menschen mit Behinderungen steckt. Der                  anderen Qualifizierung unter-
gesucht wurden: 145 Firmen boten entspre-          ORF hat durch neue Bilder Bewusstsein ge-               stützt. Das Resultat: Über 60
chende Lehrplätze an. „Bis September bemü-         schaffen.“                                              Prozent befinden sich bereits
hen sich AMS und das Netzwerk Berufsas-                                                                    wieder in Ausbildung; weitere 15
sistenz vom Sozialministeriumservice um            Der ORF will Bewusstsein schaffen: Beim                 Prozent in einem laufenden Be-
Vermittlung der behinderten Jugendlichen an        Ö3-Aktionstag boten 145 Unternehmen Lehrplätze          ratungsprozess des AMS oder
diese offenen Lehrstellen. Im Herbst möchte        für Jugendliche mit Behinderungen an.                   des Jugendcoachings.

DisAbility Confidence Day: Generaldirektoren und die Inklusion

Z    um zehnjährigen Jubiläum von
     Myability lud Gründer Gregor
Demblin am 4. DisAbility Confidence
                                                Menschen mit Behinderung in den
                                                Arbeitsprozess waren unter anderem zu
                                                hören von Robert Zadrazil, Vorstands-
                                                                                               vorsitzenden Andreas Brandstetter und
                                                                                               Magenta-Telekom-Chef Andreas Bier-
                                                                                               wirth. Demblin gründete mit Wolfgang
Day ins Studio 44 der Österreichischen          vorsitzender UniCredit Bank Austria,           Kowatsch vor zehn Jahren die Jobplatt-
Lotterien. Rund 300 Gäste kamen, dar-           Flughafen-Vorstand Günther Ofner,              form Career Moves für Menschen mit Be-
unter zahlreiche Topmanager, deren              ÖBB-Personenverkehr-Vorständin                 hinderung. Bald zeigte sich ein riesiges
                                                                                                                                                Fotos: beigestellt

Unternehmen in Sachen DisAbility mit            Michaela Huber, Verbund-Vorstandsvor-          Bedürfnis nach Infos und Lösungsansät-
viel Motivation und Begeisterung unter-         sitzenden Wolfgang Anzengruber,                zen. Daraus entstand die soziale Unter-
wegs sind. Emotionale und zugleich fun-         Dorothee Ritz, General Manager von Mi-         nehmensberatung myAbility und in der
dierte Aussagen über die Inklusion von          crosoft Österreich, UNIQA-Vorstands-           Folge das DisAbility Wirtschaftsforum.

                                                             Beschäftigung
                                                                    4
Beschäftigung - dabei Austria
Bis zu
37,5 Prozent                  S     eit 1. März 2019 wartet auf
                                    Unternehmen, die begünstigte
                               Menschen mit Behinderungen ein-
                                                                     Menschen mit Behinderungen sein.
                                                                     Die Zuschüsse können sich sehen
                                                                     lassen. Die Inklusionsförderung be-
                                                                                                            lungsgesetz unterliegen – winken
                                                                                                            37,5 Prozent des Bruttogehalts, die
                                                                                                            Obergrenze liegt bei 1250 Euro.
an Förderung
                               stellen, die Inklusionsförderung      trägt 30 Prozent des Bruttogehalts     Detaillierte Informationen, Antwor-
winken!                        sowie die InklusionsförderungPlus.    bis zu einer Obergrenze von 1000       ten auf häufig gestellte Fragen
                               Die Förderungen sollen einen          Euro. Bei der Inklusionsförderung-     sowie das benötigte Antragsformu-
                               Anreiz für Dienstgeber zur länger-    Plus – sie gilt für Unternehmen, die   lar gibt es online auf der Website
                               fristigen Beschäftigung von beim      nicht der Beschäftigungspflicht        des Sozialministeriumservice:
                               Arbeitsmarktservice gemeldeten        nach dem Behinderteneinstel-           www.sozialministeriumservice.at.

Initiative: Inklusive IT-Academy                                                                              Uni-Abschlüsse
                                                                                                              für Menschen
für bessere Jobchancen                                                                                        mit Lernschwierig-
                                                                                                              keiten

                                                                                                              F    ür Menschen mit intellek-
                                                                                                                   tueller Behinderung gab es
                                                                                                              in Österreich in der Vergangen-
                                                                                                              heit keinen Zugang zu einer Aus-
                                                                                                              bildung an Hochschulen oder
                                                                                                              Universitäten. Dass es auch
                                                                                                              anders geht, beweisen die USA:
                                                                                                              Dort werden an rund 300 Uni-
                                                                                                              versitäten postsekundäre Pro-
                                                                                                              gramme für Menschen mit intel-
                                                                                                              lektueller Beeinträchtigung
                                                                                                              geboten.
                                                                                                              Jetzt passiert auch hierzulande
                                                                                                              etwas. Am 16. September 2019
                                                                                                              findet in den Räumlichkeiten von
                                                                                                              Jugend am Werk das erste Tref-
                                                                                                              fen des Vernetzungsforums zur
                                                                                                              Unterstützung des Projekts „In-
                                                                                                              klusive Bildung Österreich“
                                                                                                              statt. Ziel des dreijährigen Pro-
                                                                                                              jekts ist eine Qualifizierung für
                                                                                                              Menschen mit Lernschwierigkei-
                Fit für die Arbeitswelt: Menschen mit Behinderungen absolvierten den                          ten, um sie für die Bildungs-
              ersten Lehrgang „Cisco Cybersecurity und Datenschutzgrundverordnung“.                           arbeit an Hochschulen in Wien
                                                                                                              und in Graz auszubilden. Jugend
                                                                                                              am Werk wird das Projekt in

E   ine zukunftsorientierte Ausbildung will
    die „inclusive IT-Academy“ künftig für
Menschen mit Behinderungen ermöglichen.
                                                   waren die Beratungsunternehmen myAbility,
                                                   Specialisterne sowie die Fachhochschule
                                                   Joanneum. Den Abschluss der Academy bil-
                                                                                                              Wien, atempo in Graz betreuen.
                                                                                                              Bereits 2017 startete an der Päd-
                                                                                                              agogischen Hochschule Salzburg
Ein Pilotprojekt ging im Sommer 2019 er-           deten zwei unterschiedliche Cisco-Zertifizie-               unter dem Titel „BLuE“ ein acht-
folgreich über die Bühne: Dabei absolvierten       rungen für die Teilnehmer. Eine Evaluierung                semestriges Programm für Stu-
zwölf Menschen mit Behinderungen                   zeigt, dass das konzipierte inklusive Pro-                 dierende mit intellektueller Be-
(Asperger-Autismus, mobile Beeinträchti-           grammkonzept auf hohem Niveau umgesetzt                    einträchtigung. „BLuE“ steht für
gung, Sehbeeinträchtigung, Hörbeeinträchti-        werden konnte.                                             Bildung, Lebenskompetenz und
gung, chronische Erkrankung) und zwei              Und auch in der Praxis stellen sich erste Er-              Empowerment und ist ein inklusi-
Menschen ohne Behinderungen den Lehr-              folge ein: Zwei der Teilnehmer haben bereits               ver Lehrgang. Studierende mit
gang „Cisco Cybersecurity und Datenschutz-         fixe Zusagen für einen Job, bei weiteren vier               Beeinträchtigung lernen dort ge-
grundverordnung“.                                  Absolventen laufen derzeit intensive Gesprä-               meinsam mit Lehramtsstudieren-
Die Ausbildung im Umfang von insgesamt             che. Zur Skalierung: Ein Trainingsinstitut                 den. Sie können im Rahmen
140 Stunden basierte auf dem Kursangebot           zeigt großes Interesse an der Übernahme des                dieses Projektes ihr Curriculum
der Cisco Networking Academy und fand an           Konzepts. Falls dies klappt, ist ein Kursstart             selber gestalten und in regelmä-
der HTL Wien Rennweg statt. Weitere Partner        für das Frühjahr 2020 geplant.                             ßigen Dialogen weiterentwickeln.

                                                              Beschäftigung
                                                                     5
Beschäftigung - dabei Austria
Digitalisierung als
Chance oder als Gefahr?
Haben Menschen mit Behinderungen heute bessere Aussicht auf
Arbeit? Wie gut ist für sie der Übergang von der Schule ins Berufsleben
organisiert? Und wie sieht ihre digitale Zukunft aus? Drei spannende
Fragen, über die eine hochkarätige Expertenrunde diskutierte.

                                                                                                                            Foto: Akos Burg

                      Johannes Kopf, Karin Praniess-Kastner, Andrea Fechter, Werner Breyer, Johannes Zimmerl,
            Elisabeth Sinn, Tino Lehmann, Susanne Präsent und Michael Fembek (v. l. n. r.) nahmen an der Diskussion teil.

                                                          Beschäftigung
                                                                  6
Beschäftigung - dabei Austria
W
                 ie in den vergangenen         Fechter: Für Jugendliche ist es leichter ge-   zierung zu vermitteln, da die Anforderun-
                 beiden Jahren kamen           worden einzusteigen, weil der Lehrstel-        gen dadurch stetig steigen.
                 auf Einladung der Essl        lenmarkt nach Lehrlingen sucht. Das            Breyer: Es ist in den letzten fünf Jahren
                 Foundation auch heuer         Problem ist, die Ausbildung zu Ende zu         eher schwieriger geworden als besser.
wieder prominente Fachleute in das Haus        bringen. Es gibt viele Abbrüche, weil Be-      Beim IT-Support funktioniert es aller-
der Philanthropie am Wiener Schotten-          triebe oder Unternehmer mit Themen             dings sehr gut, weil die Themen sehr spe-
ring, um über das Thema Menschen mit           konfrontiert sind, die sie belasten. Wir       zifisch sind und der Kundenkontakt im
Behinderung und Arbeitswelt zu diskutie-       sind deshalb auch für Unternehmer bera-        Vordergrund steht. In diesen Funktionen
ren: Werner Breyer (Abteilungsleiter bei       tend tätig. Bei den Jugendlichen resultie-     hoffe ich in Zukunft mehr Menschen mit
„Drei“), Andrea Fechter (Volkshilfe            ren die Probleme oft aus dem schwierigen       Einschränkungen erleben zu dürfen. Es
Arbeitswelt aus Oberösterreich als Ver-        Alter. Hier ist es gut, wenn ihnen jemand      wäre wünschenswert, wenn die Unter-
treterin von „Dabei Austria“), Johannes        als neutrale Person sagt, bleib doch dran.     nehmen dieser Gruppe eine Chance
Kopf (Vorstand des Arbeitsmarktservice         Im Erwachsenenbereich merken wir, dass         geben.
Österreich), Tino Lehmann (Absolvent           wir Unterstützung bei der Sicherung des        Sinn: Ich habe das Gefühl, dass es für
der IT-Academy, Mitarbeiter in der IT-         Arbeitsplatzes geben müssen. Der Um-           Schüler mit Behinderung leichter gewor-
Abteilung von „Drei“ und Rollstuhl-            gang mit dem Thema Behinderung ist of-         den ist, in weiterführende Schulen zu
nutzer), Karin Praniess-Kastner (Zero          fener geworden – so erklären wir uns die       gehen und bis zur Matura zu kommen.
Project Österreich), Susanne Präsent           erhöhte Nachfrage bei den Sicherungen          Das war früher nicht selbstverständlich.
(Betriebskontakterin bei Autark Kärnten),      der Arbeitsassistenz.                          Unser Schulerhalter ist die Diakonie. Wir
Elisabeth Sinn (Schuldirektorin des                                                           haben sonderpädagogische Förderung,
Evangelischen Gymnasiums in Wien),                                                            wir haben fünf Stunden technisches Wer-
Johannes Zimmerl (Direktor Konzernper-         „Es gilt, die                                  ken im Werkschulheim, fürs Turnen
sonalwesen Rewe International). Das                                                           kommt ein zweiter Turnlehrer dazu.
Gespräch moderierte Gastgeber Michael          Expertise des                                  Unsere Schüler mit Beeinträchtigungen
Fembek, Programm-Manager der Essl                                                             fahren selbstverständlich mit ins Aus-
Foundation.                                    Personalisten zu                               land.
                                                                                              Zimmerl: Der Fischteich ist de facto leer-
Fembek: Blicken wir fünf Jahre zurück.         nutzen, aber                                   gefischt von Personen ohne Vermitt-
Wie hat sich nach Ihren persönlichen Er-                                                      lungshemmnisse, Arbeitgeber müssen
fahrungen in dieser Zeit die Beschäfti-        auch Menschen                                  Arbeitskräfte daher anders ausfindig ma-
gungssituation, die Lebenssituation von                                                       chen. Wir konnten zwar nicht alle, aber
Menschen mit Behinderung verändert?            mit Behinderung                                einen guten Teil vakanter Stellen gut be-
Ist es besser oder schlechter geworden                                                        setzen. Auch weil wir unsere Fischernet-
und warum?                                     ernst zu                                       ze schon früher weiter ausgeworfen und
Lehmann: Grundsätzlich ist die Jobsuche                                                       uns etwa bei der Beschäftigung von Men-
im Vergleich zu früher einfacher gewor-        nehmen.“                                       schen mit Behinderung engagiert haben.
den, weil es mehr Kanäle gibt. Gleichzei-                                                     So etwas muss aber vom Unternehmen
tig macht es der anonyme Bewerbungs-           Susanne Präsent                                vorgegeben werden. Wenn man die Mit-
prozess wieder schwieriger. Hat man eine                                                      arbeiter bei der Aufnahme von Menschen
physische Einschränkung und keine                                                             mit Behinderung unterstützt, dann
Chance, schon vor dem Hearing-Ge-                                                             kommt eine gewisse Dynamik auf und es
spräch irgendwie zu glänzen, ist man im                                                       funktioniert sehr gut.
Nachteil. In den Unterlagen steht, ich bin     Präsent: Es ist teilweise einfacher gewor-     Fechter: Früher sind viele Menschen mit
Rollstuhlfahrer. Da haben viele Leute          den, den Zugang zu finden, andererseits         kognitiven Schwächen zu uns gekom-
grundsätzliche Bedenken und ich werde          hat sich die Arbeitswelt sehr stark verän-     men. Aber sie hatten großteils ein gutes
gar nicht zu einem Gespräch eingeladen,        dert, die Nischenarbeitsplätze verschwin-      familiäres Umfeld mit viel Unterstützung.
wo ich überzeugen könnte.                      den immer mehr. Das heißt, wir haben           Heute kommen sehr viele Personen, die
Praniess-Kastner: Das sehe ich ähnlich.        immer weniger Möglichkeiten, Erwachse-         nicht nur ein Thema haben, das bearbei-
Menschen, die besondere Talente haben,         ne mit Behinderung in ein Unternehmen          tet werden muss. Vielen Jugendliche feh-
aber nicht die passende Ausbildung, weil       zu integrieren, weil die Aufgaben fehlen.      len Schlüsselqualifikationen, sie müssen
sie eben nicht dem Mainstream entspre-         Der Portier etwa ist zu einem Sicherheits-     vieles wieder erlernen. Es ist auch eine
chen, haben es heute durch die Online-         manager geworden und damit für unsere          große Herausforderung für ein Unterneh-
Bewerbungsmodalitäten viel schwerer.           Zielgruppe nicht mehr bewältigbar. Bei         men zu sagen, ja, das kann ich leisten.
Sie haben nicht die Möglichkeit, diese         Jugendlichen betreuen wir vielfach jene        Da wird auch Unterstützung gebraucht.
Individualität, die sie mitbringen und die     mit kognitiven Einschränkungen, die            Im letzten Jahr wurden 87.000 Personen,
das besondere Talent ausmacht, auszu-          über einen sonderpädagogischen Förder-         großteils Jugendliche, aber auch Erwach-
spielen. Das heißt, es ist einerseits einfa-   bedarf verfügen. Durch die teils stattfin-      sene durch Dienstleistungen des Netz-
cher, zu einem Job zu kommen, aber zu-         dende Akademisierung von Berufsschu-           werks Berufliche Assistenz betreut.
gleich wurde es für manche sehr viel           len wird es schwieriger, Jugendliche in        Präsent: Ich höre immer wieder von
schwieriger.                                   eine verlängerbare Lehre oder Teilqualifi-      Unternehmen, sie finden keine Men-

                                                             Beschäftigung
                                                                    7
Beschäftigung - dabei Austria
schen mit Behinderung als Mitarbeiter.
Aber es geht ja nicht allein darum, je-
                                             „Ohne Technik                                 und Unternehmen muss eine unabhängi-
                                                                                           ge Stelle sein, die sich um Menschen mit
manden zu finden, der diese bestimmte
Qualifikation hat, sondern auch darum,
                                             hätten viele                                  Behinderung, um ihre Einführung in den
                                                                                           Arbeitsmarkt kümmert.
Jobs für Menschen zu kreieren, die sagen,
ich möchte hier mitarbeiten und kann
                                             unserer Schüler                               Sinn: Ich habe an meiner Schule vier
                                                                                           Coaches, zwei Bildungsberaterinnen,
diese und jene Kompetenzen einbringen.
Da gilt es die Expertise des Personalisten
                                             mit Beeinträch-                               zwei Berufsberaterinnen. Es sind an
                                                                                           jedem Tag der Woche Menschen da, die
zu nutzen, aber auch Menschen mit Be-
hinderung sehr ernst zu nehmen.
                                             tigung nicht                                  sich nicht nur um Kinder mit Beeinträch-
                                                                                           tigungen, sondern um alle kümmern.

Fembek: Wir kommen zur zweiten Frage-
                                             maturieren                                    Trotz all dieser Bemühungen haben wir
                                                                                           keine Integrationsklasse mit fünf Schü-
runde: Übergänge aus dem Schulsystem
in die Berufsausbildung, von der Berufs-
                                             können.“                                      lern geschafft. Selbst bei Freiplätzen
                                                                                           scheiterte es und zwar an den Transport-
ausbildung in den Job, vom Studium in        Elisabeth Sinn                                möglichkeiten. Hier brauchen Eltern
den Job. Da gibt es speziell für Menschen                                                  Unterstützung. Das fehlt. Innerhalb der
mit Behinderung zu wenig Strukturen,                                                       Schule geht es dann schon. Aber dort
jeder versucht zu improvisieren. Es gibt                                                   hinzukommen und natürlich nachher
viele Innovationen, die versuchen, da                                                      wieder heimzukommen ist eine Heraus-
Brücken zu bauen. Meine konkrete                                                           forderung.
Frage: Was ist die Brücke, die am drin-      Fechter: Es gibt an diesen Übergängen         Zimmerl: Natürlich sollte mit der Unter-
gendsten gebraucht wird, was fehlt, damit    das Jugendcoaching in den Schulen. Ich        stützung möglichst früh begonnen wer-
Menschen mit Behinderung in eine voll-       wünsche mir, dass es einen selbstver-         den. Wenn die Eltern im optimalen Fall
wertige Beschäftigung kommen?                ständlichen Stellenwert bekommt wie           gemeinsam mit dem richtigen Kindergar-
Lehmann: Nach meiner persönlichen Er-        etwa die Berufsorientierung. Was ich mir      ten, der richtigen Schule der Lebens-
fahrung fängt es beim AMS und bereits        noch wünsche ist, dass AMS-Berater die        coach sein können, wird vieles einfacher.
bei der Beratung von Schülern an. Es         Arbeitsassistenz früher einschalten und       Öffentliche Beratungsstellen, die Eltern
muss dort Leute geben, vielleicht auch       wir die bestehenden Kooperationen wei-        bei diesen Aufgaben unterstützen und be-
mit Behinderung, die die Situation ihres     ter ausbauen.                                 gleiten können, wären aus meiner Über-
Gegenübers nachvollziehen können. Die        Präsent: Ein wesentlicher Punkt ist die       zeugung auch eine gute Maßnahme im
dann auch die richtigen Schlussfolgerun-     Brücke zu den Unternehmen. In Kärnten         Sinne einer nachhaltigen Inklusion. Es
gen ziehen und passende Angebote für         haben wir viele Klein- und Mittelunter-       sind gute Voraussetzungen für engagierte
den Schüler oder Absolventen finden.          nehmen, die gar nicht diese Personal-         und selbstständige Kinder gegeben, auch
Und die sich dafür auch Zeit nehmen.         und HR-Ressourcen haben, um mit dem           wenn einem Kind erst wenig Chancen at-
Sinn: Eigentlich ist es nach der Schulaus-   Thema umfassend umgehen zu können,            testiert werden, aber die Eltern frühzeitig
bildung viel zu spät. Bis Eltern für ein     so wie das bei Rewe sehr gut funktio-         voll engagiert sind, lässt sich viel bewe-
Kind mit Beeinträchtigung eine Schule        niert. Hier kann das NEBA-Angebot eine        gen, und diese Kinder haben einen leich-
finden, bis eine Volksschule sagt, das        gute Brücke bilden. Zusätzlich brauchen       teren Start ins Berufsleben.
Kind kann doch ins Gymnasium gehen,          wir aber die richtigen Aufgaben für die       Kopf: Arbeitslose behinderte Menschen
bis es eine Schule aufnimmt und bis zur      Mitarbeiter mit Behinderung, weg von          sind bei uns in Österreich recht gut be-
Matura begleitet, das ist ein schwieriger    den Berufen, hin zu den Tätigkeiten, die      treut. Wenn ich an das AMS für Jugendli-
Prozess, an dem manche scheitern. Wich-      gut erfüllt werden können. Das wäre für       che in Wien denke, wieviel Fachexpertise
tig wäre ein Coach, eine Institution, die    mich eine ganz große und wichtige Brü-        jeder einzelne Berater hier mitbringt.
die Eltern und das Kind begleiten, wie       cke, um passende Job-Matches herstellen       Mehr Sorgen machen mir jene, die gar
das beispielsweise die Diakonie tut.         zu können.                                    nicht zu uns kommen. Frauen beispiels-
Praniess-Kastner: In Österreich fließt        Breyer: In der HTL Ungargasse hat die         weise nehmen die Unterstützung der per-
sehr viel Geld in Dienstleistungen für       Integration von Menschen mit Behinde-         sönlichen Arbeitsassistenz weit weniger
Menschen mit Behinderungen. Die Mittel       rung super funktioniert, aber dann war        in Anspruch, aber das wäre oft notwen-
müssten aber noch effizienter eingesetzt      Schluss. Und je schlechter die Mobilität      dig, damit sie auch einen Job ausüben
werden. Wichtig ist der Ausbau der Früh-     der Schüler ist, desto schwieriger ist es,    können. Auf der anderen Seite ist es
förderung im Kleinkindalter. Das Kind        einen Arbeitsplatz zu finden. Ich bin          auch notwendig, ständig zu informieren.
muss begleitet werden, ganz besonders        froh, dass wir Tino Lehmann im Team           Bestes Beispiel ist der besondere Kündi-
bei diesen Übergängen vom Kindergarten       haben, weil er im Unternehmen die             gungsschutz für Menschen mit Behinde-
in die Schule, in eine höhere Schule, in     Sichtweise auf Menschen mit Behinde-          rung, der erst nach vier Jahren Beschäfti-
die Berufsausbildung. Es muss einen          rung schärfen kann. Daraus resultiert         gung gilt. Viele Betroffene werden bei der
Paradigmenwechsel geben. Nicht Men-          eine ganz andere Einstellung. Wer solche      Bewerbung aussortiert, weil man glaubt,
schen mit Behinderung verwalten und in       Erfahrungen nicht hat, sieht nur den          es gäbe diesen Kündigungsschutz von
                                                                                                                                         Fotos: Akos Burg

Beschäftigungstherapien abschieben,          Rollstuhlfahrer, nicht die fachliche Quali-   Anfang an.
sondern einen Coach zur Verfügung stel-      fikation, nicht seine Entwicklungsmög-         Lehmann: Ich erlebe es auch immer wie-
len, der sie begleitet und unterstützt.      lichkeiten. Die Brücke zwischen Schule        der, dass diese Schutzmechanismen, die

                                                              Beschäftigung
                                                                    8
Beschäftigung - dabei Austria
Tino Lehmann: „Ich
                                                            erlebe es immer
                                                           wieder, dass diese
                                                            Schutzmechanis-
                                                             men, die helfen
                                                             sollten, negativ
                                                           ausgelegt werden.“

                                                                                Neues vom
                                                                                Arbeitsmarkt
                                                                                Johannes Kopf, Vorstand des Arbeits-
                                                                                marktservice Österreich

                                                                                Beim starken Wachstum 2017 verzeich-
                                                                                neten wir für Menschen mit Behinderung
                                                                                rückläufige Arbeitslosenzahlen erst mit
                                                                                Verzögerung. 2018 war die Arbeitslosen-
                                                                                zahl weiter rückläufig und damit auch jene
                                                                                für Menschen mit Behinderung. Jetzt läuft
                                                                                die Konjunktur nicht mehr so dynamisch,
                                                                                die allgemeine Arbeitslosigkeit sinkt aber
                                                                                noch heuer um etwa 15.000 im Vergleich
                                                                                zu 30.000 im vergangenen Jahr.
                                                                                Da können nicht mehr alle Gruppen
                                                                                profitieren. Bei begünstigt behinderten
                                                                                Menschen sind die Arbeitslosenzahlen
                                                                                noch rückläufig, bei Personen mit sons-
                                                                                tigen Vermittlungseinschränkungen und
                                                                                mit Behindertenpass aber wieder leicht
                                                                                steigend.
                                                                                Dahinter stehen verschiedene Faktoren.
 Johannes Zimmerl                                                               Zum einen haben wir eine sehr starke Be-
(re.): „Der Fischteich      Karin Praniess-                                     schäftigungssteigerung bei Menschen mit
 ist de facto leerge-        Kastner: „Nicht                                    Behinderung, sie ist im vergangenen Jahr
fischt von Personen       Menschen mit Be-                                      um 2,4 Prozent über dem allgemeinen
 ohne Vermittlungs-      hinderung verwalten                                    Beschäftigungswachstum gestiegen.
     hemmnisse.“            und in Beschäf-                                     Steigen mehr Menschen mit Behinderung
                           tigungstherapien                                     in den Arbeitsmarkt ein, dann gibt es auch
                         abschieben, sondern                                    in dieser Kategorie mehr Arbeitslose.
                            einen Coach zur                                     Auch sonst sehen wir Fortschritte. Wir
                          Verfügung stellen,                                    haben aktuell fast 3300 offene Stellen,
                         der sie begleitet und                                  bei denen extra darauf hingewiesen wird,
                              unterstützt.“                                     dass Menschen mit Behinderung gerne
                                                                                aufgenommen werden. Das hat zum
                                                                                einen mit der Bewusstseinsarbeit zu tun,
                                                                                wie sie auch die Essl Foundation leistet.
                                                                                Zum anderen aber auch mit dem Thema
                                                                                Fachkräftemangel.
                                                                                Aber solche Anfragen sind nicht immer
                                                 Johannes Kopf: „Ich            einfach zu erfüllen. Sucht etwa jemand
                                                  mache mir Sorgen              einen Mechatroniker im Raum Oberöster-
                                                  um die Menschen,              reich, bevorzugt mit Behinderung, muss
                                                 die gar nicht zu uns           man erst einmal einen finden, der etwa im
                                                   kommen. Frauen               Rollstuhl sitzt, eine Mechatroniker-Aus-
                                                  nehmen beispiels-             bildung hat und arbeitslos ist. Es ist also
                                                 weise Arbeitsassis-            nicht jede Stelle besetzbar und es sind
                                                 tenz viel weniger in           natürlich auch mehr offene Stellen dort,
                                                     Anspruch als               wo die Arbeitslosigkeit niedrig ist, als dort,
                                                       Männer.“                 wo sie höher ist.

                                                        Beschäftigung
                                                                9
Beschäftigung - dabei Austria
Werner Breyer:
                                             „Die Brücke
                                        zwischen Schule und
                                         Unternehmen muss
                                          eine unabhängige
                                             Stelle sein.“
Andrea Fechter (li.):
  „Im letzten Jahr
  wurden 87.000
Personen, großteils
Jugendliche, durch
 Dienstleistungen
  des Netzwerkes
Berufliche Assistenz
       betreut.

                                         Susanne Präsent
                                          (re.): „Nischen-
                                           arbeitsplätze
  Michael Fembek:                         verschwinden
  „Man kann einen                       immer mehr“ – und
Pflegeroboter bauen,                      damit viele der
                                         einfachen Integra-
   der eine Person
                                        tionsmöglichkeiten.
  ersetzt. Genauso
   kann man einen
 Roboter bauen, der
 eine Pflegeperson
 mit einer niedrigen
  Qualifikation, mit
                                                              Fotos: Akos Burg

 einer Behinderung
     unterstützt.“

                        Beschäftigung
                             10
„Die Jobs für Niedrigqualifizierte fallen
            schneller weg, als die höhere Qualifizierung der
                        Bevölkerung passiert.“
                                                               Johannes Kopf

helfen sollten, oft negativ ausgelegt wer-     Tochter hätte übrigens vor 20 oder 25 Jah-     Zimmerl: Ich glaube, es werden sich
den. Es ist natürlich für den Arbeitgeber      ren keine Möglichkeit gehabt, berufstätig      durch die Digitalisierung noch viele neue
unangenehm, wenn er sich an Schutz-            zu sein. Sie ist auf den Computer angewie-     Möglichkeiten ergeben. Menschen mit
richtlinien halten muss, aber es kann          sen, das heißt, ohne Computer würde sie        Lernschwierigkeiten werden vielleicht
auch eine Chance sein, ich habe dann           heute weder einen Studienabschluss             einen digitalen Begleiter haben, der
weniger Angst vor Kündigung und kann           haben noch berufstätig sein. Die Techno-       ihnen die Arbeitsschritte stückweise an-
mich besser entfalten.                         logisierung hat ihr eine Welt eröffnet.        sagen wird. Natürlich ist die Barrierefrei-
Praniess-Kastner: Seit Jahrzehnten wird        Fechter: Wir Beratungsdienstleister müs-       heit in diesem Zusammenhang ein
über Integration von Menschen mit Be-          sen die Betroffenen bei der bestmögli-         Thema. Man muss den Einstieg für diese
hinderungen in den Arbeitsmarkt disku-         chen Nutzung dieser Technologie unter-         Personengruppe so erleichtern, dass sie
tiert. Trotzdem werden Kinder noch             stützen. Als Gefahr sehe ich, dass die         die digitale Technik nützen können.
immer in separaten Einrichtungen be-           Technologie zwar ein Tor zur Welt öffnet,      Kopf: Ich bin überzeugt, dass eine Reihe
schult. Wir würden nicht hier sitzen,          andererseits die sozialen Kontakte sehr        von körperlichen Einschränkungen wie
wenn alle Kinder eine Schule besuchen          stark abnehmen. In den nächsten zehn           etwa nicht sehen oder nicht hören durch
würden. Dann könnten wir mit Men-              Jahren wird sich noch sehr viel bewegen.       Technik gelöst werden wird. Schwieriger
schen mit Behinderungen ganz selbstver-        Wir Berater müssen schauen, dass wir am        wird das bei kognitiven Einschränkun-
ständlich umgehen und wir hätten nicht         Ball bleiben und die Menschen so unter-        gen. Diese Gruppe ist momentan Verlie-
diese Barrieren in den Köpfen. Es wären        stützen, dass sie von der Digitalisierung      rer der Digitalisierung, weil die Jobs für
keine Kampagnen notwendig, um                  bestmöglich profitieren können.                 sie weniger werden. Die Jobs für Niedrig-
Menschen aufzuklären, dass Menschen            Präsent: Beim Recruiting sind die neuen        qualifizierte fallen schneller weg, als die
mit Behinderungen auch etwas leisten           Technologien für unsere Zielgruppen            höhere Qualifizierung der Bevölkerung
können.                                        nicht ideal. Sie fallen bei Sortiervorgän-     passiert. Deshalb hat sich die Arbeitslo-
                                               gen aufgrund geringerer Qualifikationen         senquote der Personen mit nur Pflicht-
Fembek: Drittes und letztes Thema: Digi-       oder anderer Dinge einfach heraus, ob-         schule in den letzten 25 Jahren fast ver-
talisierung und neue Jobs, die daraus ent-     wohl sie die betreffenden Unternehmen          dreifacht, während die anderen im
stehen. Wo sehen Sie die Chancen, wo           gerne beschäftigen würden.                     Wesentlichen gleichgeblieben sind. Das
sehen Sie Gefahrenpotenziale?                  Breyer: Bei „Drei“ gibt es Callcenter in       ist bei uns dramatisch, weil wir ein
Lehmann: Bei der Automatisierung darf          Wien und Erfurt. In Erfurt gibt es eine        Hochlohnland sind. Hier passiert Auto-
man den Menschen nicht aus den Augen           eigene Gruppe mit Betriebsrat und vor          matisierung schneller. Will man Men-
verlieren. Er kann immer noch mehr leis-       Ort Betreuer, die sich nur um Menschen         schen mit kognitiven Einschränkungen
ten, als ein Computer. Aber diese Dinge        mit Behinderung kümmern. Die Ent-              helfen, muss man anderen eine bessere
haben mich auch unheimlich nach vorne          wicklung ist rasant. Wir können uns            Ausbildung ermöglichen. Dann bleibt für
gebracht. Ohne PC hätte ich sicher kaum        nicht vorstellen, wie in 30 Jahren die         diese Gruppe der schwächere Job.
eine Aussicht auf Karriere. Denn was           Arbeitswelt aussieht. Für Menschen mit
hätte ich denn körperlich tun sollen? Die      schlechterer Bildung wird es schwieriger,      Fembek: Um mit dem Thema Technolo-
Technik ist auch eine Bereicherung, weil       nicht nur am Behindertensektor. Einen          gien und Arbeitsplätze abzuschließen:
ich von zu Hause aus arbeiten kann. Das        Taxifahrer wird es in 25 Jahren nicht          Man kann natürlich einen Pflegeroboter
Gefahrenpotenzial ist die Verdummung,          mehr geben, weil ein Computer viel si-         bauen, der eine Person ersetzt. Genauso
weil wir immer weniger selbst machen.          cherer fahren kann, als jeder Mensch.          kann man einen Roboter bauen, der eine
Praniess-Kastner: Für Menschen mit Be-         Sinn: Ohne Technik hätten viele unserer        Pflegeperson mit einer niedrigen Qualifi-
hinderung eröffnen ein Smartphone und          Schüler mit Beeinträchtigung nicht matu-       kation, mit einer Behinderung unter-
viele andere Technologien tolle Möglich-       rieren können. Die meisten unserer Kin-        stützt. Ich glaube, niemand will mit
keiten. Aber es gibt auch eine Gruppe von      der mit Beeinträchtigungen, die gezwun-        einem Roboter reden, egal wie „intelli-
Menschen mit Behinderung, die nicht in         gen sind, mit dem Computer zu arbeiten,        gent“, aber mit einem Menschen, der
diese Nutznießerrolle hineinkommen,            sind weder Computer- noch Handy-süch-          mehr Zeit hat zum Reden oder Plaudern,
weil sie nicht damit umgehen können,           tig. Für sie ist das etwas, womit sie arbei-   während der Roboter die notwendigen
weil sie vielleicht intellektuell nicht dazu   ten. Die Gefahr einer größer werdenden         Dinge erledigt. Ich glaube, das wäre die
in der Lage sind. Das ist eine große Grup-     Kluft sehe ich auch. Was wir als Schule        Zukunft und hier müssen die Weichen
pe. Und hier sehe ich auch die Gefahr          hier tun können ist, mit den Lehrplänen        richtig gestellt werden. Danke für die
einer größer werdenden Kluft. Meine            an der Entwicklung dranbleiben.                spannende Diskussion!

                                                             Beschäftigung
                                                                    11
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

Das AMS als Partner für Chancengleichheit
auf dem Arbeitsmarkt
Menschen mit körperlichen oder mentalen Beeinträchtigungen haben es am Arbeitsmarkt meist deutlich
schwerer. Dabei bereichern sie viele Unternehmen mit ihren fachlichen und menschlichen Qualitäten.

B   etriebe, die Menschen mit Behinderun-
    gen ausbilden oder beschäftigen wollen,
bekommen vom AMS umfassende Unterstüt-
                                              auf 73.611 mehr als verdoppelt – das ist eine
                                              Steigerung um 135 Prozent gegenüber
                                              32 Prozent bei Personen ohne gesundheit-
                                                                                              Kompetenz des gesamten Teams. Außer-
                                                                                              dem sind behinderte Angestellte sehr häu-
                                                                                              fig – zusätzlich zu ihren fachlichen Kennt-
zung. Denn Menschen mit gesundheitlichen      liche Einschränkung.                            nissen – überdurchschnittlich engagiert,
Defiziten beziehungsweise mit körperlichen,                                                   loyal und echte Teamplayer. Und viele von
psychischen oder kognitiven Handicaps         Win-win-Situation.                              ihnen zeichnen sich durch besondere Krea-
kämpfen mit Vorurteilen und gelten oft un-    Dabei bringt es allen etwas, die Betroffe-      tivität aus: Wer im Alltag mit Einschrän-
begründet als weniger leistungsfähig. Die     nen voll in die Arbeitswelt zu integrieren.     kungen konfrontiert ist, bringt auch im Job
                                                                                                                                               Fotos: AMS/Fotostudio B&G

Entwicklung am Arbeitsmarkt in den letzten    Sie selbst schöpfen Anerkennung und             oft neue Denk- und Lösungsansätze ein.
Jahren hat gerade Personen mit gesundheit-    Identifikation aus einer beruflichen Tätig-
lichen Einschränkungen überproportional       keit. Und auch die Unternehmen profitie-        Firmen profitieren auch finanziell.
betroffen: Seit 2008 bis 2018 hat sich die    ren: Generell steigt im Betrieb die Sensibi-    Darüber hinaus werden Firmen, die Behin-
Zahl dieser durchschnittlich beim AMS         lisierung für die Bedürfnisse behinderter       derte einstellen, in Österreich finanziell ge-
arbeitslos vorgemerkten Personen von 35.673   Menschen und damit auch die soziale             fördert: Betriebe ab beziehungsweise pro 25

                                                             Beschäftigung
                                                                    12
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

Auf dem richtigen Weg                               Das AMS unterstützt                          Wussten Sie, dass …
Britta V. E., 32, kann aufgrund von Proble-         Ob bei der Besetzung von freien Stel-        … es für das AMS egal ist, ob eine Behinderung
men mit der Wirbelsäule ihre bisherigen Tä-         len, der Suche nach qualifiziertem              gesetzlich festgestellt wurde oder nur als ge-
tigkeiten als Regalbetreuerin bzw. Fluggast-        Personal oder bei der Personalent-             sundheitliche Einschränkung von einem Arzt
kontrollorgan nicht mehr ausüben. Mit 30            wicklung: Das AMS informiert, berät            bestätigt wird? Das AMS unterstützt alle
Jahren beginnt sie mit Unterstützung des            und unterstützt Unternehmen bei der            Kundinnen und Kunden mit gesundheitlichen
AMS eine Umschulung zur Technischen                 Ausbildung und Integration von                 Einschränkungen, sofern sich daraus Vermitt-
Zeichnerin. Dabei kann sie abwechselnd im           Menschen mit Behinderungen in den              lungsmöglichkeiten ergeben. Etwa durch
Sitzen und Stehen arbeiten. Heute ist sie bei       Arbeitsmarkt.                                  Umschulungen in neue Berufe oder/und
jener Ziviltechnikerfirma angestellt, die be-                                                       durch Unterstützung bei der Suche nach ge-
reits während der Ausbildung ihre Kompe-            Förderung der Aus-/Weiterbildung:              sundheitsadäquaten Arbeitsplätzen.
tenzen sehr zu schätzen wusste.                     Menschen mit Behinderung können
                                                    zur Sicherung der Beschäftigung eine         … 2018 insgesamt 155.595 Personen mit ge-
Thomas M., 45, erlitt mehrere Bandscheiben-         Förderung zur Aus- und Weiterbildung           sundheitlichen Einschränkungen von Arbeits-
vorfälle, an eine Arbeit in seinem erlernten        beantragen. Voraussetzung unter an-            losigkeit betroffen waren? – Ein leichter An-
Beruf als Elektriker war nicht mehr zu den-         derem: Die Förderung muss vor Beginn           stieg von 1,6 Prozent gegenüber dem Jahr
ken. Der Verlust von Gesundheit und Arbeit          der Ausbildung vereinbart werden.              davor. Auch behinderte Personen im engeren
belastet ihn psychisch sehr. Mithilfe des AMS                                                      Sinn (begünstigt nach Landesbehindertenge-
richtet er nun seine berufliche Zukunft neu          Eingliederungsbeihilfe: Unternehmen            setz bzw. Behinderteneinstellungsgesetz oder
aus, lässt sich zum Bürokaufmann umschulen          können einen Zuschuss zu den Lohn-             mit Behindertenpass) sind um 1,2 Prozent
und hat damit neue Perspektiven.                    kosten beziehen, wenn sie Menschen             auf 25.740 leicht gestiegen.
                                                    mit Behinderung beschäftigen. Die
Döndü K., 22, hat eine Bewegungseinschrän-          Höhe und Dauer der Förderung wird            ... 57.301 Personen 2018 eine Beschäftigung
kung der rechten Körperhälfte. Die junge            jeweils zwischen dem AMS und dem                 aufnehmen konnten, wobei jede dritte
Frau absolviert eine verlängerte Lehre zur          Unternehmen vereinbart.                          Arbeitsaufnahme mit Hilfe einer Beschäfti-
Archivs-, Bibliotheks- und Informationsassis-                                                        gungsförderung zustande kam?
tentin bei der Gemeinde Wien. Mit Unter-            Förderung der Lehrausbildung:
stützung des AMS kann sie ihre Ausbildungs-         Betriebe, die Lehrlinge mit Behinde-         … Personen mit gesundheitlichen Einschrän-
ziele in der Berufsschule und bei ihrer Arbeit      rung ausbilden, können einen pau-              kungen durchschnittlich um 97 Tage länger
sehr gut erfüllen und möchte 2018 zur Lehr-         schalierten Zuschuss zu den Kosten             arbeitslos sind als Arbeitsuchende ohne
abschlussprüfung antreten.                          der Lehrausbildung beziehen. Höhe              gesundheitliche Einschränkungen?
                                                    und Dauer können nach Bundesland
Ulrike J., 42, lebt mit einer Hörbehinderung,       variieren.
hat betreuungspflichtige Kinder und musste
finanzielle Schwierigkeiten bewältigen. Das          „fit2work“ – Arbeit und Gesundheit:
AMS half bei der Lösung und unterstützte            Das kostenlose Beratungsangebot für
Ulrike J. bei der Ausbildung zur Bürokauffrau.      Arbeitskräfte und Unternehmen
Mittlerweile fand sie eine solche Stelle an der     unterstützt z. B. Unternehmen bei der
Universität Graz, Eingliederungsbeihilfe und        Förderung der Arbeitsfähigkeit ihrer
Kombilohn des AMS waren eine willkommene            Mitarbeiter/innen und bei der Gestal-
Hilfe.                                              tung der Arbeitsplätze.                      www.ams.at/unternehmen

Angestellten sind gesetzlich verpflichtet,        haben Bund und Länder geschaffen: So fal-        schäftigen wollen, möglichst wenig büro-
sogenannte „begünstigte Behinderte“ einzu-        len für die Beschäftigung von beeinträch-        kratische Hürden und finanzielle Belastun-
stellen. Das sind Personen mit einem Grad         tigten Personen unter anderem auch die           gen zu tragen haben, unterstützt sie das
der Behinderung von mindestens 50 Pro-            Kommunalsteuer, der Dienstgeberbeitrag           AMS gezielt mit Beratungsangeboten und
zent, festgestellt vom Bundessozialamt.           zum Familienlastenausgleichsfonds etc.           Förderungen, etwa durch zeitlich befristete
Unternehmen, die dem nicht nachkommen,            weg. Der Kündigungsschutz, der viele             Lohnkostenzuschüsse bei Begründung
müssen eine Ausgleichstaxe zahlen, die            Unternehmen davor zurückschrecken ließ,          eines Dienstverhältnisses (Eingliederungs-
zweckgebunden ist. Sie beträgt mindestens         behinderte Personen zu beschäftigen, wurde       beihilfe) oder eines Lehrverhältnisses (För-
262 Euro pro Pflichtstelle, bei Großbetrie-       schon 2011 erheblich gelockert: Er wird erst     derung der Lehrausbildung).
ben entsprechend mehr. Umgekehrt erhal-           vier Jahre nach Dienstbeginn wirksam.            Darüber hinaus bietet das Sozialministeri-
ten aber Unternehmen für in (Lehr-)Ausbil-                                                         umservice auch Förderungen für eine
dung stehende begünstigte Behinderte eine         Beratung und Förderung.                          Arbeitsplatzadaptierung oder eine „Ent-
Prämie in der Höhe der Ausgleichstaxe, also       Damit Unternehmen, die Menschen mit              geltbeihilfe“ bei behinderungsbedingter
monatlich 262 Euro. Zusätzliche Anreize           Beeinträchtigungen ausbilden oder be-            Leistungseinschränkung an.

                                                                Beschäftigung
                                                                       13
Vorteil statt Sozialbudget
Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung bringt auch Wettbewerbs-
vorteile. Das bestätigen Führungskräfte verschiedener großer Unternehmen.

                           Dorothee Ritz (re.), General-Managerin Microsoft Österreich, setzt auf begleitende Maßnahmen
                         in der Beschäftigung und Produktentwicklungen für Betroffene; wie links die App Soundscape, die
                                                 Menschen mit Sehschwäche bei der Orientierung hilft.

M
              ehr als 110 Milliarden             Microsoft Österreich. Der Gedanke, allen           „Grund war unser Einstellungsprozess,
              Umsatz, über 140.000 Mit-          eine Chance zu geben, geht bei Microsoft           bei dem Autisten nicht durchgekommen
              arbeiter, Produkte, die fast       deshalb sehr weit, erzählt sie: „Das be-           sind.“ Heute werden interessierte Autis-
              jeder auf dieser Welt kennt        ginnt bei der Art und Weise, wie wir Be-           ten eingeladen, vier bis sechs Wochen im
und die Hunderte Millionen Menschen              werbungsgespräche führen, wie wir                  Unternehmen zu arbeiten. Dabei lässt
rund um den Globus tagtäglich nutzen –           Arbeitsplätze und Büros ausstatten, und            sich gut abschätzen, wie sie für die Auf-
das ist Microsoft. Aber der Konzern hat          reicht letztlich bis zum Leitbild der              gaben geeignet sind. Das Resultat: „Wir
noch eine andere Seite, die weniger be-          Unternehmensführung.“ Weil der gute                haben weltweit mehrere hundert autisti-
kannt ist und die vom Unternehmen                Wille alleine zu wenig ist, werden viele           sche Entwickler integriert, das sind Mit-
nicht an die große Glocke gehängt wird:          flankierende Maßnahmen gesetzt. Dazu                arbeiter, die sehr wichtig für uns sind.“
Bei Microsoft werden Diversity und In-           gehören Jobmessen, Jahresstipendien und            Aber auch in vielen anderen Bereichen
klusion in allen Bereichen gelebt. Und           gezielte Einstellungsinitiativen wie ein           leisten Mitarbeiter mit Behinderungen
das keineswegs nur aus Empathie: Der             „Autism Hiring Program“ oder ein „Sup-             hervorragende Arbeit. Ein markantes
Konzern ist überzeugt, dass die daraus           ported Employment Program“. Wie in Ös-             Beispiel: Chief Accessibility Officer des
resultierende Vielfalt wesentlich zum            terreich arbeitet Microsoft auf der ganzen         Konzerns ist Jenny Lay-Flurrie. Sie stellt
Unternehmenserfolg beiträgt.                     Welt mit Community-Partnern zusam-                 sicher, dass Barrierefreiheit Teil der
                                                 men, um Informationen über integrative             Unternehmenskultur bleibt, und hat mit
Von Beginn an. „Wenn ein Unterneh-               Einstellungspraktiken auszutauschen.               ihrem Engagement und ihrer Mensch-
men hochspezialisierte Arbeitskräfte                                                                lichkeit auch schon in Österreich bei
sucht, dann tut man gut daran, das ge-           Es lohnt sich. Der Aufwand macht sich              Vorträgen begeistert. Lay-Flurrie ist aller-
samte Potenzial zu nützen, und das               auf vielen Ebenen bezahlt. Microsoft               dings gehörlos. Das wäre bei vielen
schließt alle Menschen mit ein“, erklärt         hatte beispielsweise früher das Problem,           Unternehmen ein Ausschließungsgrund
Dorothee Ritz, General-Managerin von             hochqualifizierte Entwickler zu finden.              für eine solche Führungsposition. Nicht

                                                                Beschäftigung
                                                                       14
Michaela Huber (li.), Vorständin ÖBB, will alle Kundengruppen miteinbeziehen. Traude Kogoj (re.) will als
                                        Diversity-Beauftragte des Unternehmens helfen, adäquate Arbeitsplätze für alle Mitarbeiter zu finden.

                  so bei Microsoft, wo man die Stärken             beispielsweise sind intelligente Technolo-           en Arbeitsplatz“, sagt Michaela Huber,
                  dieser Menschen sieht: „Ihre Einschrän-          gien zur Verbesserung des Leben von                  Vorständin des Konzerns. Bei den eige-
                  kung beim Gehör wird durch enorme Fä-            Menschen mit Behinderung, an deren                   nen Mitarbeitern blicken die ÖBB auf
                  higkeiten auf anderen Gebieten mehr als          Entwicklung viele Betroffene mitgearbei-             eine lange Tradition zurück. Das hat mit
                  wettgemacht“, schwärmt Ritz.                     tet haben. „Empower every person on the              der vor allem früher nicht ungefährlichen
                                                                   planet to do more”, heißt das Motto.                 Tätigkeit im Bahndienst zu tun: „Seit es
                  Großer Kundenkreis. Das Potenzial                                                                     das Unternehmen gibt, beschäftigt man
                  von Menschen mit Behinderung ist auch            Ziel Barrierefreiheit. Die große Zahl                sich mit dem Thema, wie Mitarbeiterin-
                  Thema bei den Produkten des Konzerns.            an potenziellen Kunden ist auch für ein              nen und Mitarbeiter, die bei einem Be-
                  Nicht ganz uneigennützig, denn es geht           weiteres Unternehmen Grund, sich mit                 triebsunfall eine Beeinträchtigung erlitten
                  um einen großen Kundenkreis: „Es gibt            dem Thema Inklusion auseinanderzuset-                haben, wieder in den Arbeitsprozess
                  allein in Österreich über eine Million           zen: „Die ÖBB sind sich ihrer Verant-                eingegliedert werden können“, erzählt
                  Menschen mit Einschränkungen, welt-              wortung gegenüber all ihren Fahrgästen               Traude Kogoj, Diversity-Beauftragte des
                  weit ist es mehr als eine Milliarde, wir         bewusst. Dazu zählen auch über eine                  Unternehmens. Die ÖBB haben dazu ein
                  wollen dazu beitragen, dass diese ihre           Million Menschen mit Mobilitätsein-                  ausgeklügeltes System, „um Mitarbeite-
                  Behinderungen überwinden können“,                schränkungen. Wir investieren laufend in             rinnen und Mitarbeitern einen adäquaten
                  sagt Ritz. Die große Vision von Microsoft        barrierefreie Bahnhöfe, Züge und Ver-                Arbeitsplatz zu schaffen, der den Interes-
                  sei der barrierefreie und inklusive              triebssysteme, um das Reisen mit der                 sen und Fähigkeiten des Betroffenen ent-
                  Arbeitsplatz für alle. Dafür sorgen viele        Bahn so einfach und komfortabel wie                  spricht“, berichtet Kogoj.
                  Details bei Windows und Office. Außer-            möglich zu gestalten. Dies gilt extern glei-
Foto: Akos Burg

                  dem gibt es Produkte speziell für diese          chermaßen wie intern. Auch hier ist das              Erfahrung nutzen. Bei der Rekrutie-
                  Zielgruppe: Seeing AI, Microsoft Transla-        Ziel der ÖBB eine partnerschaftliche Zu-             rung neuer Mitarbeiter werde ebenfalls
                  tor oder der Xbox Adaptive Controller            sammenarbeit am möglichst barrierefrei-              darauf geachtet, Menschen mit Behinde-

                                                                                   Beschäftigung
                                                                                          15
Heike Mensi-Klarbach, Wissenschaftlerin WU                              Günther Ofner, Vorstandsdirektor Flughafen
  Wien: „Menschen mit Behinderung sind am                                Wien, findet es „wichtig, beim Recruiting allen
  Arbeitsmarkt nicht immer leicht zu finden.“                                   gleiche Chancen einzuräumen.“

rung gleiche Chancen zu geben. Im Qua-          siert und weiterentwickelt werden.“                Wien beschäftigt. Sie haben verschie-
litätsmanagement etwa sei eine Kollegin         Wichtig sei es auch, ein Unternehmen               denste Einschränkungen wie Hör- oder
mit schwerer Sehbehinderung eingesetzt:         nicht zu überfordern: „Die richtige Ge-            Sehbehinderung, körperliche Gebrechen
„Sie hat entsprechende Tools, um ihren          schwindigkeit ist für eine gute und nach-          oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit.
Job gut zu machen“, erzählt Kogoj. Darü-        haltige Umsetzung sehr wichtig.“                   Ofner findet es wichtig, beim Recruiting
ber hinaus erledigt sie zusätzliche Aufga-                                                         allen gleiche Chancen einzuräumen. Ein
ben, für die nur sie qualifiziert ist: „Sie      Eigenes Karrierecenter. Ähnlich wie                Unternehmen müsse seiner sozialen Ver-
arbeitet an Apps für Sehbehinderte und          bei den ÖBB sind auch am Flughafen ein             antwortung gerecht werden und Mit-
weiß natürlich ganz genau, was hier not-        großer Teil der Mitarbeiter in Bereichen           arbeiter mit Behinderung haben durch-
wendig ist.“ Im Controlling der ÖBB ist         tätig, wo hoher körperlicher und geistiger         aus Besonderes zu bieten, etwa hohe
ein im Rollstuhl sitzender Kollege tätig.       Einsatz erforderlich ist. Hier ist es das          Loyalität, sagt er. Dazu komme die Situa-
Er erledigt seine Arbeit ausgezeichnet,         Vorfeld. Daraus ergebe sich ebenfalls              tion am Arbeitsmarkt: „Die Chance, die
„weil er hervorragend motiviert ist“, so        eine Art Inklusionsbedarf innerhalb des            richtigen Mitarbeiter zu finden, erhöht
Kogoj. Unternehmensintern wird der              eigenen Teams, erzählt Flughafen-Vor-              sich deutlich, wenn man bereit ist, Men-
Kollege ebenfalls noch für andere Aufga-        stand Günther Ofner: „Mit zunehmen-                schen mit Behinderung einzustellen.“
be herangezogen: „Er wird von unserer           dem Alter sind die Mitarbeiter körperlich
Innovationsgruppe gerne gehört, wenn es         nicht mehr in der Lage, die schwere                Talente punkten. Soziale Verantwor-
etwa um Barrierefreiheit der nächsten           Arbeit zu erledigen, für sie haben wir ein         tung für Mitarbeiter und Gesellschaft sei
Zuggeneration geht“, weiß Kogoj. Das            eigenes Karrierecenter eingerichtet.“ Es           auch bei Magenta Telekom ein wesentli-
sind nur zwei Beispiele von vielen. Insge-      habe sich super bewährt, betont Ofner,             cher Grund für Inklusion, meint Sabine
samt haben über 700 Mitarbeiter der             die Betroffenen werden in anderen Berei-           Bothe, Chief HR Officer und Mitglied der
ÖBB gesundheitsbedingte Einschränkun-           chen des Flughafens beschäftigt.                   Geschäftsleitung. „Wir nehmen das unter
gen, deren Grad bei über 50 Prozent             Bei der Aufnahme neuer Mitarbeiter ist             anderem wahr, indem wir Menschen eine
liegt. Die ÖBB-Diversity-Beauftragte fin-        Inklusion ebenfalls ein wichtiges Thema,           Chance geben, die sich im Leben nicht
det es wichtig, dass die Geschäftsleitung       betont der Flughafen-Vorstand. So wurde            immer so leicht tun.“ Skeptiker im Haus
Vielfalt und Inklusion als sinnvoll und         auf der Recruiting-Plattform myAbility             konnte sie mit den Stärken solcher Men-
                                                                                                                                                Fotos: beigestellt

wichtig für das Unternehmen erachtet,           ein Unternehmensprofil angelegt. Außer-             schen überzeugen, dass Inklusion Vortei-
„aber das reicht nicht, es sind auch die        dem vermittelt myAbility Schülern Prak-            le für das Unternehmen bringt. Eine
zweite und dritte Ebene gefordert, es           tika am Flughafen. Derzeit sind 93 Mit-            Rolle dabei spielten – wie bei Microsoft –
müssen verschiedene Prozesse aktuali-           arbeiter mit Behinderung beim Flughafen            die speziellen Fähigkeiten von Autisten,

                                                              Beschäftigung
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