Bibliotheken im digitalen Zeitalter 2
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ZÄH N I PAU S E Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 Förderung mit Apfelbäumen Text: Urs-Peter Zwingli | Bilder: Ana Kontoulis Das weitläufige Areal der Sekundarschule Aadorf liegt am sowie umliegenden, ländlichen Dörfern besuchen die Sekun- Dorfrand. Daneben beginnen Wälder und Wiesen, auf denen darschule, «wir haben in den Klassen also eine gute Mischung», auch Obstbäume stehen – sinnbildlich für das Projekt «Apfel- sagt Schulleiter Meier. Die Schule hat schon relativ früh auf die baum», das in der dritten Sekundarklasse im neuen Schuljahr Digitalisierung des Unterrichts gesetzt: Seit 2016 erhalten alle umgesetzt wird. «Die Idee ist, dass die Jugendlichen ein Tablet als Arbeitsgerät. Schülerinnen und Schüler dabei wöchent- «Sie kennen das aus ihrem Alltag bereits lich Module besuchen, in denen sie Fä- «Wir haben eine gute Diskus- sehr gut, es macht also Sinn, das Gerät in higkeiten für ihren zukünftigen Beruf sionskultur. Dadurch komme den Unterricht einzubauen», sagt dazu ein vertiefen und auch selbständig arbeiten», ich auch persönlich im pädago- Lehrer. Mehrere Lehrpersonen erzählen sagt Peter Meier, seit 2015 Leiter der Se- gischen Bereich weiter.» beim Besuch der Schulblatt-Redaktion kundarschule. So soll in den Abschluss- Ende März, sie würden die Dynamik im klassen zudem die Motivation hochgehal- 28-köpfigen Aadorfer Team schätzen: ten werden. Neben dem baldigen Einstieg in die Berufswelt «Wir sind divers aufgestellt, da kommen viele verschiedene bewege die Drittklässler aber auch Anderes, wie ein Lehrer Meinungen zusammen. Wir haben zum Glück eine gute Dis- in der 10-Uhr-Pause erzählt: «Momentan ist unsicher, ob und kussionskultur. Dadurch komme ich auch persönlich im päda- wie ein feierlicher Schulabschluss stattfinden kann.» Das ein gogischen Bereich weiter», sagt eine Lehrperson. solches Ritual schmerzlich fehle, habe sich bereits im Sommer 2020 gezeigt. Rund 230 Schülerinnen und Schüler aus Aadorf schulenaadorf.ch › Sekundarschule 2
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 I N HA LT 09 Fokus: Vielfältige Bi bliothekslandschaft Kultur: Rüst zeug von Influencern 28 FOKUS: BIBLIOTHEKEN KULTUR IM DIGITALEN ZEITALTER 28 Influencer der Geschichte 06 Die Thurgauer Bibliotheken auf einen Blick 28 Vom Fliegen und Träumen 07 Unterrichtsideen und Fachliteratur 29 Kinderpodcast aus dem Museum 09 Gelebte Vielfalt in kleinen Bibliotheken 29 Kulturverantwortliche gesucht 12 Kinder beim Bibliotheksbesuch begleiten 14 Ein Blick in die Zukunft WEITERBILDUNG & 19 Bücher machen melancholisch FORSCHUNG 21 Aus der Redaktion 30 Beurteilung wird diskutiert AKTUALITÄT SchlussVERSion 22 Schulabsentismus wird häufiger 31 Nichts an … ! RUND UM DIE SCHULE 23 BBF auf Erfolgskurs 23 Arbeitsfelder Schulunterstützung 24 Thurgau du Heimat wird neu lanciert 24 Lernbericht bei Lernzielanpassungen 26 Neue Plattformen für Lehrpersonen Schulblatt September 2021 27 Differenzierte Förderung in der Berufsschule zum Thema 27 Thurgauer Lesebuch für den Unterricht «Schule weiter denken» 3
E D ITO R IA L Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 CMYK Ausgegoogelt Liebe Leserin, lieber Leser «Braucht es überhaupt noch Bibliotheken in einer Zeit, in der wir alle Informationen im Internet finden?» Diese Frage wurde mir noch vor einigen Jahren immer wieder gestellt. Das Inter- net und speziell die Suchmaschine Google hatten anfänglich die Hoffnung geweckt, dass in Zukunft das gesamte Wissen frei zugänglich sein würde. «Googeln» wurde zu einem Syno- nym für «Informationsbeschaffung». Nach und nach haben wir «Wir erhalten zu aber erfahren müssen, dass sich die Vorstellung eines freien und demokratischen Internets nicht von selbst verwirklicht. wichtigen Fragen unter- Die anfängliche Euphorie ist verflogen und einem Unbehagen schiedliche Antworten, gewichen. Wir wissen, dass Google und die Sozialen Medien das Internet «für uns» filtern. Wir erhalten zu wichtigen Fra- abhängig davon, gen unterschiedliche Antworten, abhängig davon, welcher welcher Filterblase Filterblase uns der Algorithmus zuordnet. Und es ist auch nicht so, dass wir die Informationen umsonst bekommen. Wir uns der Algorithmus bezahlen für sie, indem wir Daten über unsere persönlichsten zuordnet.» Angelegenheiten offenlegen. Und immer häufiger stellt sich die Frage: «Welche Informationen sind wahr und welche ein Fake?» Unsicherheit und Misstrauen machen sich breit. Vor diesem Hintergrund erhält der Grundauftrag der Biblio- theken, einen freien und neutralen Zugang zu Informationen für alle Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten, eine neue Aktualität. Dieser Auftrag wurde im Ethikkodex des Be- rufsverbandes Bibliosuisse letzthin nochmals geschärft. Ein wichtiger Punkt im Ethikkodex, speziell für Schulbibliotheken, ist die Förderung der Informationskompetenz. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Informationen zu finden, zu bewerten und aufzubereiten, aber auch die Fähigkeit, diese Informationen fair und korrekt in eine Diskussion einzubringen. Um auf die Anfangsfrage zurückzukommen: Ja, es braucht auch heute noch gut ausgestattete Bibliotheken, denn diese leisten einen Beitrag dazu, dass unsere Zivilgesellschaft durch gut informierte, dialogbereite und engagierte Men- schen gestärkt wird. Bernhard Bertelmann Thurgauer Kantonsbibliothekar 4
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 5 be D i e ie B in il Ka em der Fo n R i to e n t o n un n di r e p t s sb d g e s o t a ib a n e m r t n d li o g ag A n e n . t h e dur S c h e a Fo k i c h u l b Ko to n d l FOKUS nt gr Fra ie T at t o u af u e h s i n i l i s e r nf u r g d . t h el a at d u e r
FOKUS Schulblatt Thurgau 260’000 | Juni 2021 50’000 40’000 11% 30’000 Die Thurgauer 20’000 10’216 Bibliotheken 89% 10’000 5’560 0 auf einen Blick 2017 2018 Ausgaben für digitale Angebote Total geben die öffentlichen Bibliotheken Auch Bibliotheken haben sich digital fit gemacht. So entfällt bereits ein 250’000 knapp 11 % ihres Medienbudgets für 214’9 Viertel der Mediennutzung in der Kantonsbibliothek Thurgau auf digitale digitale Angebote aus. 200’000 Angebote wie Streams oder Downloads. 163’858 150’000 D och gerade die Gemeindebibliotheken, die den weitläufigen Thurgau ausserhalb der Hauptstadt versorgen, sind noch weitgehend auf analoge Medien ausgerichtet. Dort beträgt der digitale Anteil der Mediennutzung Ausleihe elektronischer Zeitschriften 60’000 100’000 50’019 50’000 50’000 im Schnitt um die zehn Prozent. Diese und weitere Zahlen geben eine Vorstellung davon, wie die Thurgauer Bibliothekslandschaft beschaffen ist.* 40’000 0 11% 30’000 2019 2020 24’354 2 20’000 10’216 2’011 89% 10’000 80% 5’560 0 2017 2018 2019 2020 Die Zahl der Ausleihen von elektro- nischen Zeitschriften und Zeitungen hat sich seit 2017 fast verzehnfacht. 250’000 214’954 200’000 60’000 163’858 50’019 150’000 50’000 1’641 11% Öffentliche 40’000 Bibliotheken Thurgau 100’000 bis 4 Im Thurgau gibt es 24’354 30’000 22 öffentliche mehr 50’000 20% Stärkere Nutzung digitaler Angebote Bibliotheken. 20’000 Dazu kommen vier Biblio- 0 Es gibt auch Einzelfälle, in denen digitale theken der Berufs- 10’216 und Mittelschulen 2019 2020 89% 10’000 80% Angebote bereits stärker genutzt sowie die5’560 MDZ-Bibliothek der PHTG. 0 werden als analoge Angebote – so etwa 2017 2018 2019 2020 im Bereich der audiovisuellen Medien (AV-Medien) in der Gemeindebibliothek Ausleihe Dibiost im Aufwind Romanshorn. Herkömmliche AV-Medien 250’000 wurden dort 1641 Mal ausgeliehen, 214’954 digitale AV-Medien 2011 Mal. Mit der Erweiterung durch den Dibiost- 200’000 163’858 Katalog können die meisten Bibliotheken 150’000 im Kanton ihr Angebot um den Faktor 100’000 drei oder sogar vier vergrössern. 20% 50’000 80% 0 2019 2020 25’904 Die Digitale Bibliothek Ostschweiz 25’904 Nutzerinnen und Nutzer (Dibiost) ist ein Verbund von über 180 haben 2019 mindestens einmal eine Bibliotheken. Dessen Nutzerinnen und Dienstleistung einer Thurgauer Nutzung der digitalen Angebote Nutzer können auf rund 189’028 Medien Bibliothek bezogen. (Mehrfachexemplare mitgezählt; 45’188 In einigen Gemeindebibliotheken hat die Nutzung der digitalen Angebote einzelne Titel) zugreifen. Im von der Coronapandemie geprägten 2020 stieg 989’386 bereits einen Anteil von 20 Prozent die Zahl der Ausleihen aus dem Thurgau Insgesamt wurden dabei 989’386 oder mehr an den gesamten Ausleihen. stark an auf 214’954 (Vorjahr 163’858). physische Ausleihen getätigt. * Quelle: Erhebungen des Bundesamtes für Statistik sowie der Kantonsbibliothek Thurgau. Die aktuell vorliegenden Zahlen beziehen sich (falls nicht anders angegeben) auf das Jahr 2019. 6
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 FOKUS Blick in den Eingangsbereich der MDZ Bibliothek. Eine Bibliothek voller Ideen für den Unterricht Die MDZ Bibliothek an der PHTG bietet eine grosse Auswahl an Lehrmitteln, Ideen für den Unterricht und Fachliteratur – und das rund um die Uhr. Text: MDZ Bibliotheksteam | Fotos: Urs Anderegg D ie Bibliothek des Medien- und Didaktikzentrums (MDZ) ist die zentrale Anlaufstelle im Bildungswesen des Kantons Thurgau für umfangreiche analoge und elektronische Fachlite- 2. Lesen, zuhören, Filme ansehen, Fragen beantworten, Rätsel lösen, basteln … Einem Sachthema wie z.B. Magnetismus kann man sich auf viele Arten nähern. Hier helfen die ausleihbaren ratur, vielfältige Unterrichtsmaterialien und Lehrmittel. Sie ist die Projektkisten der MDZ Bibliothek. Von Fachleuten zusam- Bibliothek der Pädagogischen Hochschule Thurgau, der Päda- mengestellt, enthalten sie alles, was für die Unterrichtsgestal- gogischen Maturitätsschule Kreuzlingen und der Kantonsschule tung nötig ist – von Kopiervorlagen, didaktischen Anleitungen Kreuzlingen, aber auch der Lehrerinnen und Lehrer der Volks- über Film- und Bildmaterial bis hin zu Experimentier-Sets. schule. Seit 2008 auf dem Campus Kreuzlingen lädt sie vor Ort zum Arbeiten und Verweilen ein. Eine Vielzahl von Arbeitsplätzen 3. Das Angebot umfasst sowohl aktuelle Bücher und Zeit- sowie bequeme Sitzmöglichkeiten stehen zur Verfügung. schriften zu berufspraktischen Themen wie z.B. Elternarbeit, Heterogenität, Bewegte Schule als auch Begleitliteratur für Ein Besuch lohnt sich, denn … Weiterbildungen. 1. Das Angebot der MDZ Bibliothek umfasst eine grosse Aus- wahl aktueller Medien und Materialien, die Anregungen für den 4. Lehrmittel und Unterrichtsmaterialien sämtlicher Schweizer eigenen Unterricht oder auch die Schulbibliothek liefern können. sowie der gängigsten deutschen Lehrmittelverlage können vor Die Aufstellung der Medien orientiert sich an den Schulfächern Ort eingesehen und ausgeliehen werden. Alle Neuveröffentli- und bietet für alle Zyklen Materialien für den kompetenzorien- chungen aus dem Sortiment der BLDZ Thurgau werden in einer tierten Unterricht gemäss Lehrplan Volksschule Thurgau. Ausstellung präsentiert. 7
FOKUS Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 5. Alle lieferbaren Titel der Zentrale für Klassenlektüre von Bi- bliomedia Schweiz stehen zur Ausleihe bereit. Zudem findet man Eine Neueinschreibung ist jederzeit möglich, die Hefte des Schweizerischen Jugendschriftenwerks (SJW). sei es vor Ort oder über unsere Website. Die Lesekoffer von Kinder- und Jugendmedien Ostschweiz (SIKJM) runden das vielfältige Angebot zur Leseförderung ab. Kontakt Pädagogische Hochschule Thurgau 6. Ein Besuch vor Ort kann z.B. zur Vorbereitung von Projekt- MDZ Bibliothek wochen bereichernd und anregend sein. Auf Wunsch können Unterer Schulweg 1, 8280 Kreuzlingen Führungs- oder Beratungsangebote des Bibliotheksteams ge- nutzt werden. Tel. +41 (0)71 678 56 96 mdz.bibliothek@phtg.ch Überall und rund um die Uhr – auch wenn ein Besuch bibliothek.phtg.ch nicht möglich ist … Öffnungszeiten • Das Medienangebot der MDZ Bibliothek kann über den Biblio- Montag bis Freitag, 10 bis 18 Uhr thekskatalog abgerufen werden. Die Bestellung erfolgt online. Die Medien können vor Ort abgeholt oder per Postversand gra- Bibliothekskatalog tis nach Hause oder in das eigene Schulhaus bestellt werden. • Wissenschaftliche E-Books mit dem Schwerpunkt Erziehungs- und Sozialwissenschaften, aber auch das Angebot der Digi- talen Bibliothek Ostschweiz (Dibiost) können über den Katalog abgerufen und online oder per Download gelesen werden. • Die MDZ Bibliothek bietet didaktische Unterrichtsfilme zu beliebten Themen wie z.B. Nachhaltigkeit als Stream an. Auf Die Zeitschrif tenaus wahl ist reichha ltig . die Filme und das Zusatzmaterial kann bequem online im Bi- bliothekskatalog zugegriffen werden. ¡ Es stehen verschiedenste Arbeitsplätze zur Verfügung. 8
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 FOKUS Kleine Bibliotheken engagieren sich kreativ 25 Bibliotheken gibt es im Kanton Thurgau – darunter viele kleinere Institutionen, die über Jahre gewachsen sind und teils ein Angebot pflegen, das über klassische Dienstleistungen hinausgeht. Das Schulblatt hat drei Bibliotheken besucht, die alle unter anderem eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Schulen pflegen. Texte und Bilder: Urs-Peter Zwingli Eschlikon Escape Room und Treffpunkt für das Dorf Die Schul- und Gemeindebibliothek Eschlikon befindet sich seit 2014 in einer ehemaligen, kleinen Fabrik. Das Gebäude hat eine auffällige Glasfassade und liegt in einem Wohngebiet, an des- sen ruhigen Strassen man keine Bibliothek erwarten würde. Im Innern zeigen sich die Vorzüge der grosszügig gebauten Räume: Grosse Fenster lassen viel Tageslicht in die Bibliothek und bieten genug Platz für Sitzecken und Begegnungszonen. Im Unterge- schoss findet sich zudem die «Werkstatt» – ein hoher Raum, in sanne liotheksleiterin Su Die Eschliker Bib als Da Z-L eh rerin. dem keine Bücherregale stehen. Dafür stehen hier Büchertische au ch Rüdisühli arbeitet mit Empfehlungen zu aktuellen Themen. Hier finden zudem re- gelmässig Lesungen und Konzerte statt. Und im Herbst 2020 baute eine Kantischülerin im Rahmen ihrer Maturaarbeit in der «Werkstatt» vorübergehend einen Escape Room auf. «Um als Bibliothek möglichst viele Menschen zu erreichen, muss thek ohnehin regelmässig: Da sie neben der Gemeinde- auch man heute mehr machen als nur die klassische Medienbewirt- die Schulbibliothek ist, sind alle Klassen alle 14 Tage einmal hier. schaftung», sagt die Bibliotheksleiterin Susanne Rüdisühli, die «Diese Besuche sind wertvoll, gleichzeitig sehe ich hier noch auch als DaZ-Lehrerin für die Volksschulgemeinde Eschlikon einiges an Potential», sagt Rüdisühli. Vorstellbar sei für sie etwa, arbeitet. «Unser Anspruch ist es, mit der Bibliothek einen Be- die Schülerinnen und Schüler beim Bibliotheksbesuch enger zu gegnungsort für die ganze Bevölkerung zu schaffen», sagt sie. begleiten und ihnen beispielsweise während der Bibliothekslek- Sie sei darum immer offen für Ideen, mit denen man aus dem tion konkrete Aufträge zu erteilen. «Gleichzeitig finde ich, dass Dorf auf sie zukomme. «Kürzlich habe ich beispielsweise eine die Schülerinnen und Schüler in der Bibliothek auch die Zeit und Anfrage für einen Kurs in kreativem Schreiben, der in der Bi- die Freiheit bekommen sollen, um Lesestoff auszuwählen. Es ist bliothek stattfinden soll, erhalten.» Und auf Initiative des Bi- eine Kunst, hier einen guten Mittelweg zu finden.» Das sei auch bliohteksteams und der Kulturkommission wurden 2017 von eine Frage der Ressourcen: Die vier Frauen im Bibliotheksteam verschiedenen Gruppen mehrere «Bücherbänkli» gestaltet. Im arbeiten alle Teilzeit. Rüdisühli fände es beispielsweise schön, Frühling 2021 wurden die Bänkli von Schülerinnen und Schü- die Bibliothek als Treffpunkt für das Dorf auch am Sonntag zu lern renoviert und neu bemalt. Ausserdem ist jedes mit einer öffnen. «Das ist momentan aber leider nicht möglich.» Bücherbox ausgestattet, die zum Schmökern einlädt. Während der Coronazeit baute die Schul- und Gemeindebiblio- Besonders wichtig sei laut Rüdisühli zudem, Familien und Kinder thek Eschlikon einen Bestell- und Abholdienst auf – so konn- möglichst frühzeitig zu erreichen. Möglich machen soll das unter ten die rund 10’000 Medien vor Ort trotz Lockdowns weiterhin anderem ein Gratis-Schnupperabo für Kinder im Kindergartenal- ausgeliehen werden. «Wir sind zudem an die digitale Bibliothek ter oder regelmässige Vorleseanlässe für Kleinkinder. Die Kinder Ostschweiz angeschlossen, hier hat sich die Nachfrage in dieser und Jugendlichen der Volksschulgemeinde besuchen die Biblio- Zeit stark erhöht.» 9
FOKUS Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 Steckborn Mit viel Idealismus gegründet Die Bibliothek und Mediathek Steckborn liegt direkt gegen- Susanne Heeb vor dem Regal mit den über der Häuserzeile in der Altstadt, die 2018 komplett nie- erscheinungen in der Neu- Steckborner Bibliot hek . derbrannte. Was für Steckborn eine Katastrophe war, brachte für die Bibliothek die Chance eines Neubeginns mit sich: Ende 2021 zieht «das haus für aug und ohr» – wie es über dessen Eingang heisst – in den Neubau gegenüber. «Wir werden zwar flächenmässig nicht viel mehr Platz haben, doch sind die Räume deutlich moderner und heller», sagt die Leiterin Susanne Heeb. Und weil die Steckborner Bibliothek und Mediathek eine Leis- tungsvereinbarung mit der dortigen Primarschule hat, wird das Erdgeschoss des neuen Standortes vor allem auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet sein. Bereits heute sind rund die Hälfte der 9300 analogen Medien vor Ort für Kinder und Ju- gendliche vorgesehen. «Geplant ist zudem, diesen neuen Raum mit beweglichem Mobiliar einzurichten. Das heisst, er kann auch schnell umgebaut werden und Platz für Veranstaltungen bie- ten», sagt Heeb. In der Vergangenheit wurden etwa Lesungen, Schreibkurse, Bastelmorgen und ein Bücherflohmarkt durch- geführt. «Wir möchten damit auch Menschen erreichen, die ansonsten nicht in die Bibliothek kommen würden», sagt Heeb. Die Bibliothek in der kleinen Stadt am Bodensee macht einen Denn gegründet wurde die Bibliothek 2001 weitgehend dank Spagat, wie ihn viele Bibliotheken in kleineren Gemeinden wa- freiwilliger Arbeit: Ein Trägerverein baute das «haus für aug gen: Sie ist gleichzeitig Schul- und Gemeindebibliothek. «Unser und ohr» auf und betrieb es seither. Für die vier Mitarbeiten- Anspruch ist es, ein breites Angebot für die ganze Bevölkerung den bedeutet das bis heute, das sie zu vergleichsweise tiefen zu schaffen. Wir wollen zudem ein Begegnungsort für unter- Löhnen arbeiten. «Zudem war die Finanzierung während der schiedlichste Menschen sein», sagt Heeb. Der Schwerpunkt Vereinsgeschichte regelmässig gefährdet», sagt Heeb. Heute liege dabei aber klar auf der Schaffung eines breiten und tie- ist sie dank Beteiligungen der Schule, der Gemeinde sowie auch fen Angebots für Schülerinnen und Schüler. Die Integration der Stiftungsgeldern weitgehend gesichert. «Es braucht auch etwas Schulbibliothek 2017 sei aus Sicht der Bibliotheksbetreibenden Idealismus für diese Arbeit», sagt Heeb. Sie persönlich moti- der logische Schritt gewesen. «Wir haben ein grösseres Ange- viere beispielsweise, dass die Bibliothek für die Belebung des bot und sind auch dafür ausgebildet, ein Bibliotheksangebot Ortskerns von Steckborn wichtig sei. «Zudem gibt es natürlich für Kinder und Jugendliche zu schaffen», sagt Heeb. «Zudem immer Ideen, wie wir uns weiterentwickeln könnten. Diese an- hat die Gemeindebibliothek auch am Samstag sowie während zudenken, ist interessant.» Die Bibliothek und Mediathek strebe der Schulferien geöffnet.» Die Partnerschaft lohnt sich für alle beispielsweise eine Zusammenarbeit mit der Sekundarschule Beteiligten: Dank der Zusammenarbeit mit der Schule ist der an. «Ähnlich wie bei derjenigen mit der Primarschule würde das Bibliotheksbetrieb erstmals langfristig auf eine solide finanzielle für alle Beteiligten Sinn machen.» Basis gestellt. Vorerst haben die zwei Lockdowns, während denen auch Biblio- theken über Monate geschlossen blieben, auch im beschau- lichen Steckborn zu einer verstärkten Digitalisierung geführt: «Digitale Ausleihen haben in dieser Zeit richtig geboomt», sagt Heeb: Rund ein Viertel mehr digitale Ausleihen als im Vorjahr wurden verzeichnet. Das «haus für aug und ohr» nutzt dafür die Plattform der Digitalen Bibliothek Ostschweiz (dibiost.ch). Daneben betreibt auch die Steckborner Bibliothek einen On- linekatalog. Über diesen bestellten die Nutzerinnen und Nut- zer während der Lockdowns ihre Medien. Die Mitarbeiterinnen legten diese dann in einen Abholschrank vor der Bibliothek. 10
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 FOKUS Weinfelden Die Bibliothek als Anlauf- stelle für alle Recherchen «Corona hat unser Bibliothekskonzept hart getroffen», sagt Ra- hel Ilg, Leiterin der Regionalbibliothek Weinfelden. Erst 2017 bezog diese die grossen und hellen Räume in einer ehemaligen Fabrik nahe am Bahnhof Weinfelden. Zuvor war die Bibliothek mehrmals umgezogen, nun war der ideale Standort gefunden: Neben den rund 30’000 Medien blieb genug Platz für eine sich der Aufwand der Lehrpersonen, die heute die jeweiligen Kaffeeecke, einen Vorlesekreis sowie einen kleinen Lesesaal Schulbibliotheken betreuen. Und die Schülerinnen und Schüler mit Arbeitstischen – doch mittlerweile ist das meiste Mobiliar können auf das gesamte Medienangebot der Regionalbiblio- wegen Corona vorübergehend zurückgebaut. Die ursprüngliche thek zugreifen. Die Medienkataloge aller Bibliotheken werden Planung verdeutlicht aber den Anspruch der Weinfelder Biblio- zu einem gemeinsamen Verbundkatalog zusammengefasst. thek, die aktuell von einem Team von sechs Frauen betrieben Dadurch ist es möglich, Reservationen bei der Regionalbiblio- wird: «Wir möchten ein Begegnungs- und Integrationsort sein», thek direkt zu tätigen und dort Medien abzuholen. Rücknahmen sagt Ilg. «Zu uns kommen neben Schulkindern, Berufsschüle- werden unabhängig vom eigentlichen Standort eines Mediums rinnen und Berufsschülern, Studierenden und Familien auch in allen Weinfelder Bibliotheken möglich sein. «Weil die Schüle- Seniorinnen und Senioren sowie Migrantinnen und Migranten.» rinnen und Schüler auf einen grösseren Medienbestand Zugriff Die Bibliothek sei für Weinfelden und die Region ein wichtiger haben, bauen sie zudem Bibliothekskompetenz auf. Sie lernen Treffpunkt. Nach der Eröffnung am neuen Standort seien die etwa, wie man Medien sucht, welche Ausleihfristen es gibt oder Nutzerzahlen stark gestiegen. «Und wir nehmen auch eine wich- an wen sie sich bei Fragen wenden können», sagt Ilg. tige Funktion für die umliegenden Gemeinden wahr: In diesen gibt es kaum Bibliotheken», sagt Ilg. Als Anlaufstelle für Fragen aller Art sieht die Chefbibliothe- karin ihren Betrieb sowieso. «Die Bibliothek der Zukunft soll Daneben arbeitet die Regionalbibliothek seit Jahren mit den Menschen den Zugang zu allen möglichen Informationen aber Weinfelder Primar- und Sekundarschulen zusammen. Die meis- auch zu Unterhaltung ermöglichen», sagt Ilg. In der Bibliothek ten davon haben zwar eigene, kleine Schulbibliotheken. Doch die müsse man beispielsweise herausfinden können, wo das Ein- Regionalbibliothek bietet den Lehrpersonen und ihren Klassen wohneramt der Gemeinde sei oder wie man Informationen zu ergänzend deutlich mehr Medien. «Und auf Bestellung stellen Afghanistan findet. «Beim Erschliessen verschiedener Informa- wir für Lehrpersonen Medien- und Bücherkisten zu bestimm- tionsquellen werden die Nutzerinnen und Nutzer zudem in der ten Themen zusammen», sagt Ilg. Ab Sommer 2021 ist zudem Quellenkritik geschult.» Dies sei in der digitalisierten Welt eine eine engere Zusammenarbeit geplant: Die Regionalbibliothek immer wichtigere Fähigkeit. Ganz allgemein müssten Biblio- wird dann einen kleinen Bibliotheksverbund zusammen mit den theken zu «Orten des Wissens» werden, die sich nicht nur auf Primarschulhäusern aufbauen und betreiben. Damit reduziert Medienverwaltung beschränken. Auch die Regionalbibliothek organisiert neben ihrem Kernge- schäft laufend Anlässe und Kurse: Lesungen und Literaturge- spräche für ein erwachsenes Publikum, Ferienpassanlässe für Kinder und Jugendliche. Eine Mitarbeiterin bildet sich zudem aktuell zur Leseanimatorin weiter – so sollen kleine Kinder und deren Eltern noch besser erreicht werden. Weil viele Regale in der Bibliothek mobil sind, wird der freie Raum für Veranstaltungen bei Bedarf schnell vergrössert oder neu angeordnet. Aber eben – wegen Corona sind vorübergehend die Veranstaltungen im Pau- senmodus. Auch in Weinfelden führten die zwei Lockdowns zu einem starken Anstieg der digitalen Ausleihen bei dibiost.ch: 2020 wurden pro Monat rund 1800 digitale Ausleihen über die Ostschweizer Bibliotheksplattform getätigt. «Für eigene, digitale Angebote fehlen uns die Mittel», sagt Ilg. Vorstellbar wäre für sie etwa, dass die Regionalbibliothek Zugänge zu Streamingplatt- formen anbietet. «Aktuell verweise ich unsere Nutzerinnen und k Nutzer dafür an die Kantonsbibliothek. Das bedeutet aber natür- Regionalbibliothe Da s Angebot der hert: Leiterin Rahe l Ilg lich, dass sie einen weiteren Bibliotheksausweis lösen müssen.» ¡ ist bre it ge fäc Weinfelden ett spielen. l mit de n Br vor dem Rega 11
FOKUS Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 Die Lust am Lesen wecken Bei einem Bibliotheksbesuch sollten Schülerinnen Serie auswählt. «Möchte man ihm dies ausreden, fühlt es sich und Schüler nicht einfach sich selbst überlassen in seinem Interesse nicht wertgeschätzt, was sich negativ auf die Motivation und demzufolge auch auf die Lesekompetenz werden. Sie müssen an Geschichten herangeführt auswirken kann.» werden. Zwei Expertinnen sagen, worauf Lehrpersonen dabei besonders achten sollten. Guter Lesestoff und Motivation allein genügen aber nicht, um Kinder zum Lesen zu animieren. Es braucht vor allem eine so- lide Lesetechnik, doch die muss trainiert werden. Zentral sind Text: Marion Loher, Journalistin BR das Training von Leseflüssigkeit, auch durch Lautlesen wie in einem Lesetandem, oder das Üben von Lesestrategien. Kathrin V iele Schulgemeinden haben heutzutage eine eigene Biblio- thek. Oft aber reicht es nicht, wenn die Lehrperson mit der Klasse nur die Schulbibliothek besucht. «Viele Schülerinnen Amrein von der Bischuteria kennt verschiedene Methoden, mit denen Lehrpersonen dazu beitragen können, dass Kinder mög- lichst oft und gerne lesen. Drei davon hebt sie besonders hervor: und Schüler brauchen mehr, als die Schulbibliothek bieten das dialogische Vorlesen in grossen Gruppen, literarische Spie- kann», sagt Kathrin Amrein. «Deshalb sollten sie den Zugang lereien und Gedichte, Reime und Sprachspielereien. «Werden zur nächstgrösseren Bibliothek kennen, dort registriert und mit Kinder mit Lyrik in Kontakt gebracht, haben sie schnell Lust, den Ausleihmodalitäten vertraut sein.» Amrein ist ausgebildete auch selbst Gedichte zu lesen und sich an der Sprache zu er- Primarlehrerin und Bibliothekarin. Sie beschäftigt sich seit vie- freuen», so Amrein. len Jahren mit der Leseförderung von Kindern und setzt sich mit ihrem Weiterbildungs- und Beratungsangebot «Bischuteria» Mehr Experimente wagen für eine gute Zusammenarbeit von Schule und Bibliothek ein. Beim Thema Leseförderung wünscht sich Barbara Jakob manchmal etwas mehr «Leichtigkeit» von Lehrpersonen und Ein Besuch in der Bibliothek sollte ihrer Meinung nach organi- Eltern. «Oft haben sie ein starres Konstrukt im Kopf, wie dies siert und gut vorbereitet sein. «Am besten spricht sich die Lehr- geschehen soll», sagt sie. Es gebe aber viele Möglichkeiten von person im Vorfeld mit der Bibliothekarin oder dem Bibliothekar Vorlesen und Erzählen. Zudem sollten sich die Lehrpersonen ab.» Der Besuch kann von den Bibliotheksverantwortlichen der Fülle, die an Lesestoff vorhanden ist, bewusst sein. «Wenn oder der Lehrperson geleitet werden oder, aufgeteilt in zwei man immer die gleichen Themen und Geschichten bringt, be- Gruppen, von beiden gemeinsam. Dabei ist wichtig, dass die steht die Gefahr, schon am Anfang viele Kinder zu verlieren. Man Kinder – vor allem, wenn sie noch jünger sind – nicht sich selbst darf auch einmal mutig sein und etwas Neues ausprobieren.» ¡ überlassen werden. «Sie müssen an die Bücher herangeführt werden und erfahren, dass in ihnen spannende Geschichten stecken», sagt Amrein. Sie mache dies jeweils, indem sie aus einem Buch erzähle und die Schülerinnen und Schüler mit Fra- Tipps für Lehrpersonen gen einbeziehe. «Die Geschichte sollte die Kinder fesseln, dies erleichtert es ihnen auch, den Bezug zu sich selbst zu finden.» • Bibliotheksbesuch mit Bibliothekarin/Bibliothekar absprechen Vielfältigen Zugang erlebbar machen • Die Kinder bei der Buchauswahl unterstützen Ähnlich sieht es Barbara Jakob, die beim Schweizerischen Ins- • Kinder sollten einen Bezug zum Buch/zur titut für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) für die literale Geschichte haben Förderung verantwortlich ist. «Lesen hat immer einen techni- • Offen für neue Lesefördermöglichkeiten sein schen und einen zwischenmenschlichen Teil», sagt sie. Bücher • Den vielfältigen Zugang zum Lesen nicht nur über sollten den Kindern deshalb nicht einfach hingelegt, sondern Bücher erlebbar machen sie sollten gemeinsam mit ihnen ausgewählt werden. Wichtig ist, das Interesse der Mädchen und Buben zu wecken und die Weitere Infos Freude am Lesen zu vermitteln. Dies funktioniert vor allem mit bischu.zh.ch › unterstützt › Sprachforderung › Lesen Geschichten, die mit ihnen in irgendeiner Form zu tun haben so- sikjm.ch › Praxis Literale Förderung › Projekte wie mit einer guten Kommunikation zwischen Kind und Erwach- senen. Zudem sollte den Kindern der vielfältige Zugang zum Lesen erlebbar gemacht werden. «Kinder müssen sich selbst als Leserin oder Leser entdecken», sagt Jakob. Das bedeute aber auch, dass Lehrpersonen und Eltern sich zurücknehmen sollten, wenn das Kind beispielsweise in der Bibliothek zum wiederholten Mal das gleiche Buch oder eines aus derselben 12
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 FOKUS 13
FOKUS Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 «Die Bibliothek soll in der Schule ein selbstverständ- licher Arbeitsort werden» Welchen Stellenwert haben Bibliotheken im Schulumfeld? Und wo stehen sie bezüglich Digitalisierung? Der Thurgauer Kantonsbibliothekar Bernhard Bertelmann im Gespräch mit Anja Strassburger, Leiterin der MDZ Bibliothek an der PHTG. Interview: Urs-Peter Zwingli 14
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 FOKUS Was sind aus Ihrer Sicht die naus ist die gesellschaftlich bedeutsame aktuellen Herausforderungen im Rolle der Bibliotheken unter anderem Bibliothekswesen? jene, digitale Informationen und Dienste unter Einhaltung des Daten- und Per- Anja Strassburger (AS): Zentral ist die sönlichkeitschutzes bereitzustellen. In Zur Person Positionierung der Bibliotheken. In einer den letzten Monaten ist in der Bevölke- Anja Strassburger (51) ist Leiterin der Zeit, in der jede Information digital abruf- rung das Bewusstsein gestiegen, dass Bibliothek des Medien- und Didaktik- bar ist, kann die Annahme entstehen, es Informationen und Dienstleistungen im zentrums (MDZ) der PHTG – ab 2008 brauche keine Bibliotheken mehr. Doch Internet nicht gratis sind. Wir bezahlen in einer Co-Leitung und seit 2018 Bibliotheken vermitteln wichtige Kom- dafür private Anbieter, wenn nicht mit alleine. Sie war zudem massgeblich am petenzen wie beispielsweise Wissen zur Geld, dann mit unseren Daten. Dieser Aufbau der MDZ Bibliothek beteiligt. Quellenkritik. Oder sie stellen Informatio- Entwicklung stellen die Bibliotheken Strassburger hat wissenschaftliches nen bereit, die geprüft sind. Gleichzeitig etwas entgegen. Das heisst auch, dass Bibliothekswesen in Köln studiert und können sich Bibliotheken den digitalen wir unseren Trägerschaften klarmachen danach in deutschen Universitätsbiblio- Entwicklungen nicht verschliessen, sie müssen, welche finanziellen und tech- theken gearbeitet, bevor sie 2002 in müssen laufend neue Angebote für ihre nischen Mittel wir dafür brauchen. die Schweiz kam. Nutzerinnen und Nutzer entwickeln. Da- neben spüren wir in der MDZ Bibliothek Die Digitalisierung führt Biblio- auf dem Campus Kreuzlingen einen Run theken also weg von der Rolle auf die Bibliothek als Lernort. Insbeson- als reine Anbieter von Medien hin zu Orten, wo Wissen aller Art vermittelt wird? «Die Bibliothek als Lern- AS: Früher wurde die Bedeutung ei- und Arbeitsort aber auch als ner Bibliothek oft an der Grösse ihres sozialer Treffpunkt – das wird Bestandes gemessen. Es geht heute in auch bei öffentlichen Biblio- unserer digitalisierten Gesellschaft aber theken immer wichtiger.» definitiv nicht mehr darum, Unmengen von Büchern zu verwalten, sondern In- formationskompetenz zu vermitteln. Das dere in den zwei Lockdowns bekamen bedeutet etwa, dass man weiss, wie man wir von vielen Benutzerinnen und Benut- Informationen sucht und wie man Quellen zern die Rückmeldung, dass ihnen dieser einschätzt. Nachrichten mit Bezug zu Co- Zur Person Raum fehle. Die Bibliothek als Lern- und rona beispielsweise kann man online pau- Bernhard Bertelmann (57) leitet seit Arbeitsort aber auch als sozialer Treff- senlos konsumieren – doch dabei muss 2012 die Kantonsbibliothek Thurgau punkt – das wird auch bei öffentlichen man einschätzen können, welche Quellen in Frauenfeld. Er ist ausgebildeter Bibliotheken immer wichtiger. seriös sind. Ich nehme gerade die Digital Sekundarlehrer sowie Diplombiblio- Natives oft so wahr, dass sie zwar einen thekar. Er hat zuvor an der Bibliothek Bernhard Bertelmann (BB): Mit dem unverkrampften Umgang mit der Tech- der Universität St. Gallen (HSG) Thema Digitalisierung beschäftigen wir nologie haben, gleichzeitig den Wert von sowie als stellvertretender St. Galler uns in den Bibliotheken bestimmt schon Informationen oft schlecht einschätzen Kantonsbibliothekar gearbeitet. seit 20 Jahren. In der öffentlichen Dis- können. Bibliotheken haben aber auch die kussion dagegen hat man oft das Gefühl, Aufgabe, seriöse digitale Informationen es sei etwas Neues, das es anzupacken breit zugänglich zu machen. Wir lizenzieren gelte. Über die technischen Fragen hi- beispielsweise Onlinezugänge zu Medien. 15
FOKUS Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 BB: Die Perspektive hat sich in den letz- chen an, das funktioniert gut und wird bündeln. Denn gerade in der Volksschule ten 20 Jahren stark gewandelt. Damals von vielen Menschen zuhause genutzt. ist die Betreuung einer Bibliothek ein auf- hiess es, Bibliotheken müssten nicht se- Gleichzeitig lernt der Mensch als soziales wändiges Nebenamt für Lehrpersonen. lektionieren, sondern möglichst alles an- Wesen gerne in der Gruppe. Deshalb ha- bieten. Man mass die Qualität der Biblio- ben wir auch Angebote vor Ort wie etwa AS: Aus meiner Perspektive werden theksarbeit damals auch an der Zahl der das Sprachencafé oder «shared reading» die Bibliotheken in den Schulen von den Ausleihen, je höher desto besser. Heute aufgebaut, bei denen man gemeinsam in Lehrpersonen aktuell noch zu wenig ge- wählen wir die Inhalte viel stärker aus und der Bibliothek Sprachen lernt. Auf diesen nutzt. Es gäbe die Möglichkeit, in diesen schulen die Nutzerinnen und Nutzer im beiden Pfeilern muss die Bibliotheksar- Räumen Lektionen abzuhalten und die Umgang mit digitalen Medien. Wir haben beit weiterentwickelt werden, um mög- Bibliothek als selbstverständlichen Ar- mittlerweile ein grosses Angebot an digi- lichst viele unterschiedliche Menschen beitsort zu etablieren. In vielen Schulen talen Diensten, darunter sehr beliebte wie zu erreichen. gibt es Arbeitsräume für selbstbestimm- die Digitale Bibliothek Ostschweiz. Über tes Arbeiten, während die Schulbiblio- diese wurden 2020 in der Ostschweiz theken oft kaum Platz haben oder sogar 1,6 Millionen Medien digital ausgeliehen, für entbehrlich gehalten werden. Das «Es geht heute in unserer das ist eine beeindruckende Zahl. Dahin- könnte man besser miteinander verbin- digitalisierten Gesellschaft ter stehen aber auch langjährige Werbe- den. Dabei könnte man auch die Schü- kampagnen und Schulungsangebote für aber definitiv nicht mehr lerinnen und Schüler bei der Gestaltung die Dibiost von unserer Seite. darum, Unmengen von Bü- «ihrer» Bibliothek einbinden. chern zu verwalten, sondern Was bräuchte es für eine zukünftige Informationskompetenz zu Was machen die Bibliotheken Bibliothek, die möglichst viele vermitteln. Das bedeutet im Bereich Leseförderung und was Menschen erreicht? etwa, dass man weiss, wie wäre hier noch möglich? man Informationen sucht und AS: Hier lohnt sich ein Blick nach Skan- AS: Grundsätzlich haben Bibliotheks- wie man Quellen einschätzt.» dinavien. Dort sind beispielsweise in Hel- besuche mit der Schule ja einen demo- sinki und Oslo Bibliotheken entstanden, kratisierenden Effekt. Schülerinnen und die riesige Begegnungszentren sind. Da- Schüler, bei denen zuhause keine Bü- mit wurden öffentliche Räume geschaffen, Welche Rolle haben Bibliotheken cher gelesen werden, können hier auf in denen niemand erklären muss, weshalb für die Bildung, gerade auch in der ein grosses Angebot zugreifen. Bei der er oder sie sich dort aufhält. Im kleinen Volksschule? Leseförderung muss man aufpassen, Rahmen können das auch unsere Schulen dass sie nicht mit dem pädagogischen umsetzen. Die Schulbibliotheken sollen BB: Bibliotheken haben je nach Institu- Zeigefinger gemacht wird. Man soll ge- als selbstverständlicher Aufenthalts- und tion, der sie angeschlossen sind, eine rade den Jugendlichen auch die Freiheit Arbeitsort etabliert werden. Und nicht nur anders ausgerichtete Aufgabe. Ich sehe lassen, vielleicht ein Hörbuch zu wählen. ein Raum sein, in dem sich die Schüle- die Kantonsbibliothek als Partnerin der Was Bibliotheken im Kern vermitteln rinnen und Schüler ein Buch holen und Schulbibliotheken. In der kantonalen müssen, ist, dass sich den Kindern und dann schnell wieder weg sind. Wenn Kin- Kommission für Schul- und Gemeinde- Jugendlichen in Romanen und Sachbü- der und Jugendliche das möglichst früh bibliotheken können wir Themen gezielt chern neue, spannende Welten eröffnen. lernen, so ist das Bewusstsein für diesen anstossen. Wir unterstützen die Ausbil- Leseförderung ist keine Therapie, son- Aufenthaltsort später vorhanden. dung von Bibliothekarinnen und Biblio- dern die Vermittlung eines Erlebnisses. thekaren in den Gemeinden und bieten BB: Bibliotheken müssen gleichzeitig Weiterbildungsangebote an, speziell auch BB: Der Vorteil von öffentlichen Biblio- im digitalen und auch im physischen für Schulbibliothekarinnen. Und wir emp- theken ist der, dass sie ausserschulische Raum Angebote entwickeln. Wir bieten fehlen etwa den Schulbibliotheken, ihre Orte sind. Kinder und Jugendliche, die beispielsweise Onlinekurse für 30 Spra- Kräfte mit den Gemeindebibliotheken zu der Schule gegenüber gemischte Ge- 16
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 FOKUS fühle haben, finden an diesem anderen Vorteile: Im ganzen Kanton gibt es Biblio- Welchen Einfluss hatte die Ort vielleicht einen unbeschwerteren Zu- theksprojekte, die mit viel Engagement Coronakrise auf Ihre Bibliotheken? gang zur Lektüre. Leseförderung sollte aus der Bevölkerung aufgebaut wurden. so früh wie möglich beginnen. In vielen Das gibt zwischen den Gemeinden auch BB: Es hat einen quantitativen Schub öffentlichen Bibliotheken gibt es dafür einen positiven Konkurrenzkampf. Aber gegeben. Die Nutzung unserer digitalen beispielsweise das Projekt Buchstart, natürlich muss eine Gemeinde ihren Angebote wie Dibiost, Pressedatenbank, das sich gezielt und spielerisch an ganz Bewohnerinnen und Bewohnern immer Sprachkurse und der Film- und Musik- kleine Kinder richtet. Junge Familien ge- wieder vermitteln, warum man in Biblio- streamingplattformen hat im Schnitt um hören allgemein zu unseren zahlreichsten theken investieren muss. Ich kenne al- 25-30 Prozent zugenommen. Doch es Kunden. Natürlich hört Leseförderung lerdings auch keine Abstimmung über gab auch eine weitere Veränderung. Die danach nicht auf und wir setzen dazu mit den Aufbau oder die Erweiterung einer Bereitschaft unserer Kundinnen und Kun- Partnern wie der Bibliothek der Kulturen, Bibliothek, die in der Schweiz verloren den ist gestiegen, Dienstleistungen wie Kinder- und Jugendmedien Ostschweiz gegangen ist. Von daher ist die Entwick- Buchbestellung, Auskunftsdienst und Be- oder Bibliomedia Schweiz zahlreiche An- lung erfreulich. zahlung auf digitalem Weg in Anspruch zu gebote um, die sehr beliebt sind. nehmen. Aber wir vermissen natürlich den AS: Leider sehen einige Gemeinden die täglichen Kontakt mit der Bevölkerung. Wie nehmen Sie die Bibliotheks- möglichen Synergien nicht. Eine Biblio- landschaft im Thurgau wahr? thek könnte beispielsweise mit einem AS: Auch in der MDZ Bibliothek wurde Ist das Angebot ausreichend? bestehenden Kultur- oder Gemeinde- das digitale Angebot ausgebaut und zentrum kombiniert werden. Und gerade stärker genutzt. Parallel dazu ist das BB: Es hat durchaus noch Luft nach für Gemeinden, die eine grosse fremd- Bewusstsein gewachsen, wie wichtig oben und das auch auf Gesetzesebene. sprachige Bevölkerung haben, ist der die Bibliothek als Raum ist. Der Mensch In anderen Kantonen gibt es Bibliotheks- Aufbau einer Bibliothek eine Investition. ist ein soziales Wesen und wenn Treffen gesetze, die für Gemeinden festlegen, Später notwendiger DaZ-Unterricht in in der realen Welt wieder besser mög- welchen Zugang zu Bibliotheken diese der Schule ist langfristig betrachtet unter lich sind, werden wir diesen öffentlichen gewährleisten müssen. Im Thurgau fehlt Umständen teurer als der Betrieb einer Raum noch bewusster wahrnehmen und ein solches Gesetz. Das hat aber auch Bibliothek. nutzen als bisher. ¡ 17
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Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 FOKUS Zur Person Harry Wolf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Amt für Mittel- und Hochschulen. Er hat Philosophie und Pädagogik an der Universität Zürich studiert und führt nebenberuflich eine philosophische Praxis in Zürich. Bibliotheken sind der Atem des Geistes Text: Harry Wolf B ücher haben auf mich schon immer eine ungeheure Faszi- nation ausgeübt. Was hier alles an Wissen, Erfahrung, Erleb- nissen, Geschichten und Gedachtem versammelt ist, beeindruckt Laufe der Auseinandersetzung stellt sich irgendwann der Punkt ein, an dem ich das Thema für mich abschliessen kann. Ich bin zu Antworten gekommen, die für mich stimmig sind. Es ist al- mich immer wieder neu. Besuche ich eine Bibliothek, bin ich ei- lerdings möglich, dass sich ein bereits behandeltes Thema zu nerseits von dieser gewaltigen Fülle an geistigen Schätzen über- einem späteren Zeitpunkt wieder aufdrängt, weil plötzlich neue wältigt. Andererseits werde ich melancholisch, wenn ich daran Aspekte oder Sichtweisen auftauchen, die meine stimmige Ant- denke, wie wenig ich von diesen Schätzen für mein eigenes Leben wort infrage stellen. Das versetzt mich in Unruhe und erneute nutzen kann. Neulich stand ich in der Zentralbibliothek Zürich vor Spannung. Diese zwingen mich zu einer weiteren vertieften Aus- den gesammelten Werken von Georg Wilhelm Friedrich Hegel: einandersetzung. Ziel ist die Wiederherstellung der «Seelenruhe». geschätzte zwei Laufmeter Bücher. Nicht viel anders sieht es aus, Mein Welt- und Selbstverständnis speist sich nicht zuletzt aus wenn ich mir die gesammelten Werke Pla- der Summe der gelesenen Bücher, aus tons oder Kants anschaue. Und das sind der Summe meiner Bibliothek. nur drei von unzähligen Grössen der Philo- «Die Bibliothek macht aus sophiegeschichte. Das Gleiche lässt sich Studentinnen und Studenten Lesen ist eine Form der Kommunikation für die Literatur durchbuchstabieren. Wer mit anderen. In Lesezirkeln tauschen sich eines Fachs eine Gemeinschaft. kennt nicht die Namen all der Klassiker, die Teilnehmer über das Gelesene aus. Die Bibliothek ist Lebens- und die es lohnen würden, sie zu lesen. Jedes Sie stellen dabei fest, wie unterschiedlich Jahr werden neue Literaturnobelpreisträ- Reflexionsraum.» die Reaktionen sein können, die ein Buch ger erkoren. Darunter hat es solche, von auslöst, wie unterschiedlich das Gelesene denen ich schon gehört, aber kaum etwas verstanden werden kann, wie viele mög- gelesen habe. Und andere, von denen ich noch nie etwas gehört, liche Arten der Interpretation der gleiche Text erlaubt und wie geschweige denn gelesen habe. Und wer Fremdsprachen liebt, sich darüber trefflich streiten lässt. Auch hier leistet das Buch liest auch gerne Werke in Französisch, Englisch, Spanisch etc. Mit einen Beitrag zum besseren Verständnis der Welt und der Men- jeder neuen Sprache eröffnen sich neue Welten, neue Universen. schen. Bibliotheken sind ein Ort, an dem diese Form des Aus- Mein Lamento lässt sich beliebig weiterführen. Gerne würde ich tausches ermöglicht und gepflegt wird. Auch kollektiv arbeiten mich vertiefter auseinandersetzen mit Astronomie, Physik, Biolo- wir uns an bestimmen Themen ab. Das Buch ist allerdings nicht gie, Psychologie, Mathematik, Architektur und Ingenieurwesen – mehr das einzige Leitmedium, an dem sich eine Gesellschaft auch mit Musik, Informatik oder Ökonomie. orientiert. Die Konkurrenz durch die sozialen Medien ist gross. Doch die Bibliothek ist es, die den Geist vergangener Zeiten Lesen ist Kommunikation mit sich selber bewahrt. Bibliotheken gelten als Gedächtnis der Menschheit. Die Wenn ich in einer Bibliothek die Bücherreihen abschreite und Ordnung einer Bibliothek ist gleichzeitig ein Abbild ihrer Zeit. Im hie und da ein Buch in die Hand nehme, versetzt mich das je- Mittelalter wurde die Literatur in christliche und heidnische Auto- weils in andere Stimmungen. Vorfreude macht sich breit. Was ren aufgeteilt. Dies entsprach auch der Ordnung der Bibliothek. für neue Einsichten und Erkenntnisse erwarten mich? Was für Überraschungen hält das Buch für mich bereit? Lesen ist eine Mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und Form der Kommunikation mit mir selbst. Bücher haben meine der daraus wachsenden Zahl von Büchern gingen zwei bahn- Einstellung, mein Welt- und Selbstverständnis geformt. Mit Bü- brechende Neuerungen einher: die Signatur und der Katalog. chern arbeite ich mich an Themen ab, die mich beschäftigen. Im «Die Einführung der Signatur ist ein geistesgeschichtlicher 19
FOKUS Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 Schritt von grösster Bedeutung, der nur unter grossen Mühen Gerhard Matter von der Kantonsbibliothek Liestal beschreibt es vollzogen wurde, denn hinter der Signatur verbirgt sich die Idee so: Die Bibliothek ist noch einer der wenigen Orte, wo man ohne der Individualität, die mit dem Beginn der Neuzeit eng verknüpft Eintritt zu bezahlen und ohne etwas konsumieren zu müssen, ist.» 1 Es entwickelte sich die Idee der Autorenschaft. Ein Text hingehen kann. Ein sogenannter «Third Place», ein Ort der Ge- war nicht mehr einer Schule zugehörig, sondern Text eines indivi- meinschaft, der einen Ausgleich zu Familie und Beruf bilden soll. duellen Autors. Im Zeitalter der Aufklärung erfolgte die Ordnung Man ist in der Öffentlichkeit und kann sich mit anderen treffen, der Bibliothek nach der Ordnung der Wissenschaften. Was wä- aber auch für sich sein. Und die Bibliothek steht für Qualität, muss ren die Universitäten ohne Bibliotheken? Jedes Fachgebiet hat für Qualität stehen. Eltern und Lehrpersonen müssen ihre Kinder, seine Bibliothek. Sie sind zentraler Be- Schülerinnen und Schüler vorbehaltlos in standteil jeder Wissenschaft. Die Bücher die Bibliothek schicken und darauf ver- in diesen Bibliotheken prägen nicht nur trauen können, dass sie dort etwas Gutes Individuen, sondern sind für die jeweiligen «Besuche ich eine Biblio- vorfinden werden – egal ob es sich um ein wissenschaftlichen Gemeinschaften thek, bin ich einerseits Buch, einen Film oder ein Spiel handelt. identitätsstiftend. Die Bibliothek macht von dieser gewaltigen Fülle Die Bibliotheken stehen vor dem gleichen aus Studentinnen und Studenten eines an geistigen Schätzen Problem wie ich als Individuum. Sie müs- Fachs eine Gemeinschaft. Die Bibliothek überwältigt. Andererseits sen aus dem riesigen Angebot an Lite- ist Lebens- und Reflexionsraum. werde ich melancholisch, ratur, Sachbüchern, Filmen, Spielen etc. wenn ich daran denke, eine qualitativ gute Auswahl treffen. Der Mensch wird zum wie wenig ich von diesen Zentrum der Bibliothek Mit Hegel würde man sagen, dass die Bi- Schätzen für mein eigenes Klar: im Zeitalter der Digitalität verändert bliothek eine Mittlerrolle zwischen dem sich der Status von Büchern. Wir müssten Leben nutzen kann.» objektiven Geist und den Individuen aus- die Bücher nicht mehr zwingend physisch übt. «Von einem bestimmten Augenblick aufbewahren. Mit der Digitalisierung an in der Entwicklung des geistigen und steigt die Verfügbarkeit. Historische Schriften und Originale des sozialen Prozesses sind Bibliotheken aus diesem nicht mehr müssen nicht mehr vor Ort besichtigt werden, sondern können hinwegzudenken, ohne dass man auch eine gesellschaftliche digital aufgerufen werden, was die Forschung sehr erleichtert Rückbildung oder Katastrophe annehmen müsste.» Exempla- und befruchtet. So gibt es denn heute immer mehr digitale Bi- risch lässt sich das an der Bücherverbrennung 1933 durch die bliotheken, wie zum Beispiel die Digitale Bibliothek Ostschweiz. Nationalsozialisten ablesen. Bücherverbrennungen und Bü- cherverbannungen ziehen sich durch die gesamte Geschichte Die Bibliothek Aarhus in Dänemark hat für sich entschieden, dass der Menschheit. Von Büchern scheint eine ungeheure Gefahr nicht das Buch das Zentrum einer Bibliothek bilden soll, sondern für politische und religiöse Machtstrukturen auszugehen. Zahl- der Mensch. Die Stadtbibliothek ist als Begegnungsort konzi- reich sind die Dystopien in Literatur und Film, in denen die ge- piert. Es gibt Arbeitsplätze mit Computern, eine Gaming-Street sellschaftlichen Katastrophen durchbuchstabiert werden, die und viele Ohrensessel und Platz zum Verweilen und Spielen. Die mit der Zerstörung von Büchern einhergehen. Erwähnt seien Bibliothek befindet sich am gleichen Ort wie die Amtsstellen. Das George Orwells 1984 oder Ray Bradburys Fahrenheit 451. Konzept hat voll eingeschlagen. Die steigenden Besucherzahlen beweisen es. Sie stiegen innerhalb von drei Jahren von 450’000 Bibliotheken sind ein Ort der Musse. Sie sind der Atem des im Jahr 2015 Jahr auf 1.3 Millionen Besucher pro Jahr. Die Bi- Geistes. Sie verhindern, dass wir uns in unserer eigenen Zeit ein- bliothek ist ein Ort des lebenslangen Lernens, ein Ort, wo Men- schliessen. Sie geben uns den Raum, uns in andere Zeiten, in an- schen gemeinsame Ideen entwickeln, wo man miteinander lernt. dere Sichtweisen und in andere Lebensentwürfe zu versetzen. ¡ Quelle: 1 Uwe Jochum: Kleine Bibliotheksgeschichte. Stuttgart 2007. S. 85 20
Schulblatt Thurgau 2 | Juni 2021 FOKUS IMPRESSUM schulblatt.tg.ch Schulblatt des Kantons Thurgau 62. Jahrgang ISSN 2235-1221 Herausgeber Departement für Erziehung und Kultur Regierungsgebäude 8510 Frauenfeld Redaktion Urs-Peter Zwingli, Leitung urs-peter.zwingli@tg.ch 058 345 57 75 Erweiterte Redaktionskommission: Lynn Bannister, AV Dr. Heinrich Christ, AV André Kesper, AV Yvonne Kesseli, AV Adressänderungen Bitte nur über das Sekretariat Ihres Arbeitsortes abwickeln. Erscheinungsweise März, Juni, September und Dezember AUS DER REDAK TION Vertrieb / Jahresabonnemente Kanton Thurgau, Büromaterial-, Lehrmittel- und Drucksachenzentrale Die Bilder in diesem Heft Riedstrasse 7, 8510 Frauenfeld publi-box@tg.ch Tel. 058 345 53 73 Die Bilder in diesem Heft sind bei einem Rundgang durch die Thurgauer Kantonsbibliothek in Frauenfeld enstanden. Das Thurgauer Schulblatt geht an Gemacht hat sie die Horner Fotografin Ana Kontoulis. die hiesigen Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen, Schulbehörden, die PHTG und die Mitglieder des Grossen Rates; weiter gehören Privat- abonnenten, Erziehungsdepartemente und die Pädagogischen Hochschulen unserer Nachbarn zu den Empfängern. Gestaltung und Layout Gut Werbung, 8280 Kreuzlingen willkommen@gut-werbung.ch Tel. 071 678 80 00 Druck und Inserate Druckerei Steckborn, Louis Keller AG Seestrasse 118, 8266 Steckborn info@druckerei-steckborn.ch Tel. 052 762 02 22 ! Adressänderungen Bitte teilen Sie Adressänderungen Titelbild Fotografin Ana Kontoulis. Aufgenommen ausschliesslich dem Schulsekretariat in der Kantonsbibliothek Thurgau in Frauenfeld. Ihres Arbeitsortes mit. Die Redaktion hat keinen Zugriff auf die Adress- datenbank der Lehrpersonen. 21
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