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Von Nicole Pollakowsky BLEIBT ANDERSALLES Digitalisierung und Pandemie, Klimakrise und Artensterben – nein, es mangelt Deutschlands Wirtschaft nicht an Herausforderungen. Sicher geglaubte Geschäfts- modelle stehen plötzlich auf dem Prüfstand. Wie geht man als Unternehmen damit um? Drei Beispiele zeigen, wie mit Mut, Kreativität und auch mal einer Prise Irrwitz aus Umbrüchen Aufbrüche werden können. Der Verlag Dashöfer hat Fotos: Dashöfer Foto: Fabian Friedrichs Easy Speech entwickelt, eine Virtual-Reality-Brille, mit der man seine Rhetorik- und Präsentationsfähigkeiten trainieren kann. An Umbrüche ist Fabian Friedrichs gewöhnt. „Verände- abgezeichnet: Print ist tot“, so Friedrichs. Seitdem gilt bei rung ist Teil der DNA unseres Unternehmens geworden“, dem Verlag der Grundsatz „Digital first“ – eine Strategie, sagt der Geschäftsführer des Verlagshauses Dashöfer. In die sich speziell im Frühjahr 2020 ausgezahlt hat, als der den vergangenen 15 Jahren hat sich das Geschäftsmodell Lockdown von einem Tag auf den anderen sämtlichen Prä- des 1989 gegründeten Hamburger Familienunternehmens senzveranstaltungen den Riegel vorschob. „Existenzbedro- grundlegend gewandelt – und das gleich mehrmals. Vom hend“ sei diese Situation gewesen, dennoch sei niemand im klassischen Fachverlag mit Schwerpunkt auf gedruckten Unternehmen in Panik verfallen. „Vielmehr konnten wir Nachschlagewerken und Formularsammlungen zu den schon nach wenigen Tagen die ersten Onlineseminare Themen Finanzen und Steuerrecht hat der Verlag sich zum anbieten. Seit Mai gibt es unser komplettes Seminarange- Weiterbildungsanbieter gewandelt. Mit Präsenzseminaren bot digital“, sagt Friedrichs. zu einem breiten Themenspektrum von Rechnungswesen über Verhandlungstraining bis Personalführung erwirt- schaftete Dashöfer 2019 rund 80 Prozent seines Umsatzes. Erfolgreiche Veränderungen erfordern Begeisterung, Mut und Risikofreude Parallel dazu entwickelte das Unternehmen Onlineportale, die eine komfortablere Nutzung der bisherigen Printpro- Das jüngste Baby der Hamburger heißt Easy Speech: eine dukte erlauben. „Spätestens seit 2008 hat sich für uns Virtual-Reality-Brille mit angebundener Spracherkennung, HaysWorld 01/2021 | 9
Ursprünglich nur Skigebiet, seit 2003 auch Bikeparadies: Der Bikepark in Winterberg im Sauerland hat erheblich dazu beigetragen, dass die Touristen auch im Sommer kommen. Foto: Bikepark Winterberg die dabei helfen kann, die eigenen Rhetorik- und Präsen schlagsmengen – und entsprechend viel Schnee. Doch der tationsfähigkeiten zu trainieren. Die Begeisterung, mit Klimawandel macht sich bemerkbar: Die Winterberger der Friedrichs von der Brille und ihrem Potenzial erzählt, Winter werden unberechenbarer, insbesondere geht die wirkt ansteckend. „Gut so“, findet der gebürtige Karlsruher. Niederschlagsmenge zurück. Wohl auch deshalb nennt die Denn ohne Begeisterung, Mut und Risikofreude in der Füh- Kommune den „Ausbau der grünen Saison“ als eines ihrer rungsetage ebenso wie bei den Mitarbeitenden sei erfolg- Ziele in ihrem Tourismuskonzept „Winterberg 2020 plus“. reiche Veränderung nicht möglich. Und das unabhängig davon, ob der Wandel vom Unternehmen initiiert ist oder Im Familienunternehmen Brinkmann halten sich die Ein ob – wie im Fall der Digitalisierung und von Corona – die nahmen aus Sommer- und Wintersaison inzwischen fast äußeren Umstände keine andere Wahl lassen, als den die Waage. Wird aus Winterberg über kurz oder lang ein Umbruch zu wagen. Sommerberg? „Wohl kaum“, sagt Brinkmann. Die Hinwen- dung zum Sommer bedeutet ihm zufolge nicht die Abkehr Positiv denken. Überlegen: Wie geht es noch besser? vom Winter – im Gegenteil. Mit massiven Investitionen in die Diese Haltung prägt auch die Arbeit im Familienbetrieb technische Beschneiung, sprich Schneekanonen, machen er von Nico Brinkmann. In Winterberg im Sauerland betreibt und die anderen Lift- und Gastronomiebetreiber im Skigebiet der 40-jährige Unternehmer neben anderen Freizeitanlagen den ausbleibenden Schnee wett. In den vergangenen zehn auch zwei Lifte. Statt nur im Winter surren diese auch im Jahren habe man die Zahl der Betriebstage dadurch sogar Sommer: In den warmen Monaten befördern sie Mountain- steigern können. „Der Skitourismus hat ebenfalls zugenom- biker den Hang hinauf, die zuvor auf den Trails des Bike- men“, betont er. Viele der Sommergäste kämen nun auch parks Winterberg bergab geflitzt sind. 2003 hat der Vater im Winter. Doch sollte das Wetter im Winter Kapriolen von Brinkmann den Bikepark eröffnet. Heute gehört die schlagen, kann Brinkmann entspannt bleiben und auf den Anlage zu den bekanntesten in Europa und hat einen nicht Sommer warten. unerheblichen Anteil daran, dass der Wintersportort mitt- lerweile auch im Sommer die Touristinnen und Touristen anlockt. Das eine tun und das andere nicht lassen „Früher war hier alles auf Winter gemünzt“, erzählt Das eine tun und das andere nicht lassen – noch lässt sich Brinkmann. Kein Wunder: Verglichen mit den benachbarten so auch das Geschäftsmodell von Hans-Dietrich Reckhaus Landkreisen verzeichnet das rund 700 Meter hoch gelegene beschreiben. Insekten retten, die Artenvielfalt fördern – Winterberg seit jeher weit überdurchschnittliche Nieder- diese Ziele sind dem Unternehmer wichtig. Gleichzeitig will 10 | HaysWorld 01/2021
Reckhaus seinem eigentlichen Business (noch) nicht ganz Umdenkprozess ausgelöst“, sagt der Unternehmer. Statt den Rücken kehren: der Herstellung von Insektenbekämp- möglichst viel Geld zu verdienen und damit dann etwas fungsmitteln. Ein Widerspruch? Nicht unbedingt, findet der Sinnvolles zu unterstützen, gehe es ihm heute darum, Bielefelder – von innen heraus will er den Umbruch in seiner mit „Sinnvollem Geld zu verdienen“. Neben verschiedenen Branche herbeiführen. Wie dieser Umbruch aussehen kann, Dienstleistungen zur Förderung der Artenvielfalt bietet lebt er im eigenen Betrieb vor. Folgerichtig steckt der Wunsch Reckhaus heute auch eine Lebendfalle für Fruchtfliegen an. nach Veränderung bereits in seinem Titel: Als „transformie- render Gesellschafter“ ist Reckhaus dabei, sein Familien Noch rechnet sich der neue Ansatz wirtschaftlich nicht. unternehmen vom Insektenvernichter zum Insektenretter Doch Reckhaus ist sicher, dass er den richtigen Weg gewählt zu verwandeln. hat. „Ein Weiter-so hätte uns auf Dauer nicht erfolgreich bleiben lassen“, ist er überzeugt und sagt: „Alle müssen mit Am Anfang dieser Entwicklung stand eine Fliegenfalle. den Veränderungen, die sie sich wünschen, bei sich selbst Reckhaus wollte sie mithilfe einer Kunstaktion vermarkten anfangen.“ und wandte sich dafür an die Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin. Doch statt seine geplante Werbekampagne zu unterstützen, erklärten ihm die beiden Brüder, er müsse mit dem Töten aufhören, und entwickelten die Rettungs Hans-Dietrich Reckhaus aktion „Fliegen retten in Deppendorf“. Dabei waren die Ein- Fliegen lassen – ein Buch, das zeigt, wie ein einzelnes wohnerinnen und Einwohner von Deppendorf aufgefordert, Unternehmen eine ganze Branche revolutionieren möglichst viele Fliegen zu fangen und in ein Fliegenhaus zu kann. Eine Inspiration für nachhaltiges Wirtschaften und unternehmerische Verantwortung. Ermöglicht bringen. Zwei der Teilnehmenden gewannen ein Wellness- durch die Komplizenschaft mit der Kunst. Wochenende – in Begleitung von einer der geretteten Flie- gen. Publikumswirksam thematisierten die Künstler so die Fliegen lassen Frage „Welchen Wert hat eigentlich ein Insekt?“. Das war Wie man radikal und konsequent neu wirtschaftet 180 Seiten, Softcover 2012. Seitdem baut Reckhaus sein Geschäft sukzessive um. ISBN: 978-3-86774-663-2 „Mit ihrer Frage haben die beiden Riklins bei mir als tradi 20,00 € (D) | 20,50 € (A) | E-Book 11,99 € tionellem Insektenbekämpfer einen grundsätzlichen Herbst 2020, Murmann Verlag Vom Insektenvernichter zum Insektenretter: Wie der Unternehmer Hans-Dietrich Reckhaus seine Branche von innen heraus verändern will, erklärt er im Interview auf haysworld.de Foto: Jelena Gernert HaysWorld 01/2021 | 11
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